Rede von
Dr.
Adolf
Arndt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte wirklich um Entschuldigung, daß ich ein drittes Mal in dieser Sache das Wort ergreifen muß, aber es kommen hier immer erneut Irrtümer und Mißverständnisse herein, die letzten Endes nicht ohne Klarstellung bleiben dürfen.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat insoweit recht, als er bemängelt hat, daß diese Frage im Ausschuß nicht einmal angedeutet worden sei. Das hat zwei Grande. Einmal ist nicht unbekannt, daß meine Fraktion die Behandlung dieses Gesetzes nicht gerade als besonders vordringlich angesehen hat; darüber waren wir im Streit. Unsere Auffassung war, daß es nicht so eilt, den Ausdruck Schießgewehr in Schußwaffe, Advokat in Rechtsanwalt, Depesche in Telegramm, Mannsperson in Mann umzuwandeln und ähnliches mehr, anstatt uns dem Familienrechtsgesetz und dem Bundesentschädigungsgesetz zu widmen.
Das ist der eine Grund.
Der andere Grund ist, daß dieses Problem völlig überraschend erst durch die Haltung und die Erklärungen aufgetaucht ist, die der Herr Oberbundesanwalt kürzlich in dem. Fall Angenfort, oder wie jener Abgeordneter heißt, abgegeben hat, Erklärungen, die, wie gesagt, für mich verblüffend sind, und ich kann schlechterdings heute noch nicht die Rechtsauffassung des Herrn Bundesministers der Justiz und des Herrn Oberbundesanwalts verstehen.
Nun ein Wort zu Herrn Kollegen Ewers. Herr Kollege Ewers, Sie haben hier eine territoriale Aufspaltung der Immunität beklagt, die Ihnen geradezu separatistisch vorkommt. Ich muß deshalb doch darauf hinweisen, daß es so schon zur Bismarckschen Zeit war und, was Sie zu übersehen scheinen, auch heute wieder ist.
Zur bismarckschen Zeit war es doch so, daß die Immunität, die die bayerische Verfassung einem bayerischen Abgeordneten gewährte, nicht dem entgegenstand, daß ein preußisches Gericht gegen eben diesen bayerischen Landtagsabgeordneten ein Strafverfahren anhängig machte, wenn die Zuständigkeit eines preußischen Gerichts gegeben war. Das hatte erhebliche Konsequenzen, etwa bei Beleidigungen, wo die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft und der Gerichte ja sehr weitgreifend ist. War die Beleidigung öffentlich, in der Presse z. B., geschehen, so konnte eine Zuständigkeit in München und in Berlin gegeben sein. Die Folge war, daß der bayerische Landtagsabgeordnete zwar, solange er sich innerhalb der bayerischen Landesgrenzen aufhielt, nicht von einem bayerischen Gericht verfolgt werden konnte — praktisch auch nicht von einem preußischen, das ja nicht in seiner Abwesenheit verhandeln konnte und auch nicht in der Lage war, ihn zu verhaften oder vorzuführen —; wenn er sich aber nach Berlin begab, so konnte ihm dort der Prozeß gemacht werden. Genau dieselbe Lage haben wir heute auf Grund des §, 6 des Einführungsgesetzes der Strafprozeßordnung wieder, nachdem das Grundgesetz die Regelung der Weimarer Verfassung abgeschafft hat. Auch heute schon endet für alle Strafsachen die landesrechtliche Immunität an den Landesgrenzen, und der Abgeordnete aus einem Landtag, der glaubt, daß er wegen Beleidigung oder aus sonst einem Grunde verfolgt werden könnte, muß sich notwendigerweise hüten, die Landesgrenze zu überschreiten. Der „separatistische Zustand", wie Sie es nennen, ist also schon da. Wir sind ganz bestimmt nicht daran schuld, auch unser Antrag nicht.
Nichts anderes soll hergestellt werden auch für die Frage, ob Bundesbehörden und Bundesgerichte eingreifen können, wobei die Abgeordneten von Baden-Württemberg selbstverständlich nicht anders stehen als die von Nordrhein-Westfalen oder Bayern, weil doch Akte von Bundesbehörden als Akte gelten, die im gesamten Bereich des Bundes gültig sind und Kraft haben. Das heißt auf deutsch: ein Landtagsabgeordneter, ganz gleich, ob aus
Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg, kann zur Verantwortung vor einem Bundesgericht nur dann gezogen werden, wenn sein zuständiger Landtag es vorher genehmigt hat. Ich glaube also, Ihre Ausführungen waren insoweit durchaus irrig.
Zum Schluß eine persönliche Bemerkung. Herr Kollege Ewers, Sie werden mir wohl bestätigen, daß ich Ihnen schon Ihres Lebensalters wegen stets mit Hochachtung begegnet bin. Um so mehr bedauere ich, daß Sie hier eine Bemerkung haben fallen lassen, der von mir begründete Antrag meiner Fraktion verfolge ein Interesse der Kommunisten. Ich darf Sie an eines erinnern. Als der Bundestag schon konstituiert war und tagte, wurde von einer Besatzungsmacht ein Landtagsabgeordneter — ich glaube, es war in Hannover — mit der Begründung verhaftet, daß Besatzungsrecht vor deutsches Recht gehe. Das war auch ein Kommunist. Damals hat der Bundestag — Sie können das in den Protokollen nachlesen — einmütig protestiert und gesagt: Es widerspricht den Gesittungen einer parlamentarischen Demokratie, einen Abgeordneten, gleich welcher Art, ob Landtags- oder Bundestagsabgeordneten, strafrechtlich überhaupt zur Verantwortung zu ziehen, ohne daß eine Genehmigung seiner gesetzgebenden Körperschaft vorliegt. Denn dieses Zurverantwortungziehen ist, so haben wir allesamt damals einmütig gesagt, ein Angriff unmittelbar auf die Körperschaft selbst. Nun, ich glaube nicht, daß wir das damals vom Bundestag aus im Interesse der Kommunisten gesagt haben. Ich glaube auch nicht, daß die Verteidigung der parlamentarischen Demokratie, um die es sich j a hierbei im Grunde handelt, im Interesse der Kommunisten zu liegen pflegt; denn in kommunistischen Machtbereichen ist parlamentarische Demokratie nicht vorhanden. Deshalb verübeln Sie es mir nicht, Herr Kollege Ewers, wenn ich bei aller Hochachtung vor Ihnen sage, daß mir die von Ihnen durch diese giftige Bemerkung ausgedrückte Logik etwas unreifer erscheint, als man von Ihnen nach der Reife Ihrer Jahre hätte erwarten dürfen.