Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über den Zweck des Strafrechtsänderungsgesetzes hat uns ja der Herr Berichterstatter in dankenswerter Weise einiges erzählt. Das auszudeuten, ist im Augenblick nicht meine Sache. Aber wenn ich jetzt den Herrn Minister und seine Einschränkungen höre, die er soeben vorgetragen hat, dann kommt mir der wirkliche Charakter dieses. Bereinigungsgesetzes noch sehr viel deutlicher zum Bewußtsein. Sie wollen mit Ihrem „Bereinigungsgesetz" nichts anderes, als Ihre reaktionäre Strafgesetzgebung noch einmal untermauern.
Aber nun zur Sache! Man sollte doch historische Tatsachen nicht in einer so eklatanten Weise aus der Welt zu schaffen versuchen, wie das heute mehrfach geschehen ist. Nun appelliere ich einmal an die alten, an die ehemaligen Mitglieder — alt sind sie j a nicht, wenigstens nicht alle — des Parlamentarischen Rates. Wenn bei der Beratung des Grundgesetzes die Frage der Immunität des Landtagsabgeordneten damals nicht aufgegriffen und geregelt worden ist, so resultiert das doch aus der damaligen politischen Situation in Westdeutschland. Wir durften damals einfach gar nicht an die Frage der Immunität der Landtagsabgeordneten herangehen, weil uns die Besatzungsmacht das verboten hatte. Das war der Tatbestand. Das ist Geschichte. Ihre Bemühungen nun, den Mangel einer verfassungsmäßigen Regelung der Immunität auch der Landtagsabgeordneten im Grundgesetz darauf abzustellen, man habe damals nicht daran gedacht oder nicht gewollt, die Regelung von Weimar wieder verfassungsmäßig einzuführen, gehen an den Tatsachen vorbei. Auch was wir eben zu dem Tatbestand, der diesen Antrag ausgelöst hat, hörten, geht doch an den Tatsachen vorbei. Ich finde übrigens kein Adjektiv, das mir nicht wieder einen Ordnungsruf einbringt, Herr Ewers, um das zu charakterisieren, was Sie sich mit Ihrer Feststellung erlaubt haben, der Antrag resultiere aus dem Bemühen, uns Kommunisten zu helfen. Ich denke, für einen Mann, der den Rechtscharakter eines Staates so mit Worten, so häufig und im Brustton der Überzeugung herausstellt, wie gerade Sie das tun, sollte bei der Beurteilung der Frage keine Rolle spielen, wem das im Augenblick zugute kommt oder welches Ereignis, welche Person die Diskussion ausgelöst hat. Hier geht es einfach um einen nackten Tatbestand, Herr Evers. Sie sind nun einmal der bekannte Reaktionär.
Ich kann Sie ja nicht mehr ändern; dazu sind Sie schon zu alt,
schon aus dem Grunde ist es unmöglich. Aber hier geht es doch um einen Tatbestand, der wert ist, daß er geklärt wird und im Augenblick geklärt wird! Hier ist doch Unrecht geschehen.
Und wenn Sie sich hinstellen und die Dinge so darstellen, als seien die Landtagsabgeordneten von Baden-Württemberg auf Grund der Tatsache, daß in Karlsruhe das Bundesverfassungsgericht seinen Sitz hat, geschützt, dann ist das auch nicht wahr. Man hat bei der Landtagsabgeordneten der KPD Erika Buchmann ja auch unter Bruch der Landesverfassung Hausdurchsuchungen durchgeführt. Man ist sogar so weit gegangen, daß man die Kasse der Landtagsfraktion der KPD bei der Gelegenheit mitgenommen hat.
Diese Kasse und ihr Inhalt waren anscheinend
auch staatsgefährdend. Das sind die Tatbestände.
Da soll man sich nicht hinstellen und sagen, die Abgeordneten des Landtags von Baden-Württemberg seien geschützt.
— Ich habe so viel „Millionen" in meiner Fraktionskasse, wie der Anteil der Diäten, den unsere Abgeordneten ihrer Partei zur Verfügung stellen, ausmacht. Sie wissen ja genau, wie hoch der Anteil an den Diäten ist, der in unserer Hand bleibt. Sie sollten mit Ihren Zwischenrufen etwas vorsichtiger sein, sonst verrate ich einmal den Anteil, den Sie an Ihre Partei abgeben. Dann spreche ich von den zehn Mark, die Sie pro Monat abgeben.
Nun zu Herrn Dehler zurück. Was ist das doch für eine an den Dingen vorbeigehende Darstellung, die er sich heute wieder einmal erlaubt hat. Herr Kollege Arndt hat ja in dankenswerter Klarheit ausgesprochen, daß seine Worte auf eine glatte Diffamierung der Landtage hinausliefen. Es geht doch nicht darum, einen Landtagsabgeordneten etwa von Nordrhein-Westfalen gegen die Folgen einer Straftat zu schützen. Es geht doch nur darum, ihn unter den Schutz seiner im Lande bestehenden Verfassung zu stellen, d. h. durch den zuständigen Landtag die Frage der Aufhebung der Immunität prüfen zu lassen, ehe man ihn verhaftet. Darum geht es doch. Es geht doch nicht darum, den Landtagsabgeordneten die Indemnität zuzubilligen. Es handelt sich darum, ein simples, legales Verfahren anzuwenden, nämlich das Verfahren, vor der Verhaftung den zuständigen Landtag zu befragen. Es ist doch eigenartig, daß der Landtag von Nordrhein-Westfalen dieselbe Auffassung hat, wie sie in diesem Antrag zum Ausdruck kommt. Der Landtag von Nordrhein-Westfalen hat seine Regierung beauftragt, im Bundesrat dafür zu sorgen, daß eine Regelung erfolgt, die dem Sinne dieses Antrags gerecht wird. Bei der letzten Fragestunde hat der Herr Minister, als ich das festgestellt habe, nur die
Antwort gegeben: „Mir ist davon nichts bekannt." In der Zwischenzeit hat ja wohl das Telefon zwischen Düsseldorf und Bonn etwas gespielt; das darf man doch wohl annehmen.
— Heute ist Ihnen das bekanntgeworden! Ah, schau, schau! Heute!
Ja, ja, wenn Sie sich etwas mehr Zeit für die Wahrnehmung Ihrer eigentlichen Aufgaben ließen und Ihre wertgeschätzte und hockbezahlte Arbeitszeit nicht so sehr der Verfolgung einer gewissen Partei zur Verfügung stellten, dann sähe es in Ihrem Ministerium vielleicht doch so aus, daß Ihnen die Schriftsätze rechtzeitig zugeleitet werden. Aber das nur so zur Seite gesagt.
Also, meine Damen und Herren, es geht gar nicht darum, einen Abgeordneten in eine Situation der Straflosigkeit gegenüber einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu bringen; es geht darum, den Bundesrichter, den Oberbundesanwalt und den Oberbundesrichter dazu zu zwingen, die selbstverständlichen Verpflichtungen einzuhalten, die er auch gegenüber einem Abgeordneten des Bundestags hat. Sich nun hinzustellen und zu sagen: der Staat ist in Gefahr, das ist doch einfach an den Dingen unverantwortlich vorbeigeredet;
und daß das der Herr Bundesminister tut, macht die Sache noch viel schlimmer.
Meine Damen und Herren, seien Sie einmal korrekt, sorgen Sie einmal für wirkliches
Recht, auch wenn das im speziellen Fall einem Kommunisten zugute kommen soll, der verfassungswidrig verhaftet worden ist. Wenn ein Staat ein Rechtsstaat ist, dann sollten — solange das behauptet wird — auch alle seine Glieder vor dem Gesetz und den Organen des Staates gleich sein. Solange Sie dieses Prinzip nicht aufgeben — wenigstens nicht in Ihren Deklamationen aufgeben; praktisch ist es durch die Herren Minister längst schon liquidiert —, solange Sie diese Fiktion nicht aufgeben, sollten Sie sich als „Repräsentanten des Rechtsstaats" wirklich verpflichtet fühlen, diesem Antrag stattzugeben. Wenn er Ihnen in der Form nicht passen sollte, dann sollten Sie doch zumindest den Inhalt bejahen, ganz unabhängig davon — wie ich schon einmal sagte —, daß diese Diskussion durch die verfassungswidrige Verhaftung eines kommunistischen Abgeordneten ausgelöst worden ist.