Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will es wirklich kurz machen.
In Art. 1 Ziffer 6 steht im Augenblick folgende Formulierung des § 12:
Wahrheitsgetreue Berichte über die öffentlichen Sitzungen der in § 11 bezeichneten Gesetzgebungsorgane oder ihrer Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei.
Ohne mir die Auslegung zu eigen zu machen, die man in der Praxis bei uns jetzt dem Adjektivum wahrheitsgetreu" gegeben hat, ohne diese Auslegungskunststücke mitzumachen, nur um Ihnen eine gewisse Inkonsequenz in Ihrer Haltung als „Europäer" zu zeigen, haben wir uns erlaubt, — —
— Quatsch! Ich bin aber konsequent, lieber verehrter Herr Kollege, und ich wollte Sie nur auf Ihre Inkonsequenz hinweisen, die in der Ablehnung dieses Antrages besteht. — Wir haben also beantragt, diese Vergünstigung der Ziffer 6 auf alle wahrheitsgetreuen Berichte über die Sitzungen der Gesetzgebungsorgane aller Länder und ihrer Ausschüsse auszudehnen. Nun, Europäer, tretet auf, werdet aktiv! Denn auf die Dauer ist es ja nicht zu verheimlichen: wenn ihr einmal in dem großen Verein zusammengeschlossen seid unter Führung Eisenhowers, dann kriegt ihr ja doch keine Möglichkeiten mehr, die Veröffentlichung dieser Dinge aufzuhalten.
Zu Art. 2 Ziffer 4 haben wir beantragt, folgende Streichung vorzunehmen. Es heißt dort
Strafaussetzung zur Bewährung wird nur angeordnet, wenn' die Persönlichkeit des Verurteilten und sein Vorleben in Verbindung mit seinem Verhalten nach der Tat oder einer günstigen Veränderung seiner Lebensumstände erwarten lassen, daß er unter der Einwirkung der Aussetzung in Zukunft ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben führen wird.
Das ist der Auftakt zu unserem Antrag.
Nun gibt es gewisse Bestimmungen bezüglich der Strafaussetzung. Es sollen gewisse Voraussetzungen dafür gegeben sein, und in Ihrem Gesetzentwurf, der vom Ausschuß gebilligt worden ist, heißt es, daß eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht angeordnet werden darf, wenn das öffentliche Interesse die Vollstreckung der Strafe erfordert. Wir sind der Auffassung und der Überzeugung, daß bei der Mentalität, die sich in unserer Justiz durchgesetzt hat, eine derartige Formulierung geradezu einer parteilichen, klassenmäßigen Auslegung dieser Ausschußbestimmung Tür und Tor öffnet. Um es einmal in ganz verständlichem Deutsch zu sagen: wir sind der Auffassung, daß jeder Staatsanwalt die Strafaussetzung auch bei Vorliegen aller anderen im Gesetz vorgeschriebenen Bedingungen ablehnen wird, wenn es sich um einen Kommunisten oder um einen Kämpfer für den Frieden und die Einheit Deutschlands handelt. Der Auffassung sind wir. Wir kennen unsere Justiz, wir kennen die Absichten der Regierung, wir kennen die Herren Justizminister; und da das auf dem Verordnungsweg sogar noch geregelt werden soll, sind wir der Meinung: Principiis obsta!
Streichen wir diesen Paragraphen, der der politischen Willkür Tür und Tor öffnet!
Zu Art. 2 Ziffer 4 stellen wir zu § 24 den Antrag, die Absätze 2 und 6 zu streichen. In Abs. 2 heißt es, daß das Gericht einem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit, die man ihm eingeräumt hat, Pflichten auferlegen kann, um seine Lebensführung zu beeinflussen. Wir haben also in diesen Ziffern die Bestimmungen, die die Polizeiaufsicht regeln; und da mißfällt uns die Formulierung der Ziffer 2, in der es heißt, daß eine der Verpflichtungen, die dem Entlassenen auferlegt werden können, die sein soll, Weisungen zu befolgen, die sich ,auf den Aufenthaltsort, auf die Ausbildung, auf die Arbeit und auf die Freizeit — im Urtext hieß es „Freizeitgestaltung" — beziehen. Wir haben hier also eine unserer Auffassung nach mit der Verfassung im Widerspruch stehende Reihe von „Auflagen", die im Sinne einer Polizeiaufsicht einem Manne, dessen Strafe ausgesetzt worden ist, auferlegt werden können. Hier werden also klar gewisse Bestimmungen des Grundgesetzes außer Funktion gesetzt. Danach kann die Polizeibehörde nicht nur seinen Aufenthaltsort bestimmen; sie kann seine Ausbildung bestimmen; sie kann sogar bestimmen, welche Arbeit der Mann zu leisten hat, und sie hat das Recht, ihm zu sagen: lieber Freund. Kinobesuch etwa und Besuch von politischen Versammlungen und adenauerfeindliche Haltung kommen nicht in Frage! — Das steht in der Bestimmung, eindeutig und klar, und darum verlangen wir ihre Streichung!
Dasselbe gilt in bezug auf Ziffer 6 dieses Paragraphen, in der es heißt, daß, wenn der Verurteilte sich bewährt hat, die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen werden kann, daß aber dann noch immerhin die Möglichkeit besteht, den Betreffenden unter die Aufsicht oder unter die Leitung eines „Bewährungshelfers" zu stellen. Was ist das, der Bewährungshelfer? Wenn man ihn kennt, wenn man aus der Praxis weiß, wie schädlich oft die Methoden sind, die die Polizei bei der Durchführung ihrer „Aufsichtspflicht" gegenüber diesen Menschen anwendet, dann muß man wünschen, daß diese Möglichkeiten weitestgehend eingeengt werden. Wie oft hat schon ein Mann seinen Arbeitsplatz verloren allein auf Grund der Tatsache, daß auf Grund der Methoden der Polizeiaufsicht bekanntwurde, daß es sich um einen „Vorbestraften" handelt! Also allein diese Tatsache, die schon oft genug in der öffentlichen Kritik herausgestellt worden ist, sollte Ihnen Anlaß geben, unserem Antrage zuzustimmen.
In Art. 2 stellen wir zu § 106 a einen Antrag, der darauf hinausläuft, die Sonderbestrafung bzw. die Höherbestrafung bei Verletzung des Bannkreises aus dem Gesetz zu beseitigen. Wir halten schon die Einführung des Bannkreises für verfassungswidrig und undemokratisch. Noch viel mehr aber sind wir der Auffassung, daß eine Verletzung des Bannkreises nicht durch eine über das normale Strafmaß hinausgehende Strafe geahndet werden darf.
Zu Nr. 12 b in Art. 2 haben wir ebenfalls einen Antrag gestellt. Hier heißt es im Text, daß, wer von dem Vorhaben oder der Ausführung eines Hochverrats — §§ 80, 81 usw. —, eines Verfassungsverrats — § 89 —, eines Landesverrats usw. glaubhaft erfährt und es unterläßt, der Behörde oder dem Bedrohten rechtzeitig Anzeige zu machen, in schweren Fällen mit einer Strafe bis zu fünf Jahren Zuchthaus belegt werden kann. Bei der Tatsache, daß heute die Begriffe Landesverrat und Hochverrat ja noch nicht einmal einheitlich von den Gerichten dieser Bundesrepublik beurteilt werden, — —
— Ja, es gibt Gerichte, die z. B. festgestellt haben, daß das Verbot der FDJ verfassungswidrig sei!
Ist Ihnen das bei Ihrer angestrengten Tätigkeit als Abgeordneter entgangen? Es gibt ein Gericht in der Bundesrepublik, das vor zwei bis drei Wochen durch Urteil ausgesprochen hat, daß die Anordnung der Bundesregierung, die Freie Deutsche Jugend sei verfassungswidrig, selbst Verfassungsbruch ist, daß die FDJ nicht verboten ist.
— Nein, nein, solche KPD-verwandten Gebiete existieren ja bei Ihnen nicht! Machen Sie doch keine Scherze! Sie haben doch bei der „Entnazifizierung" dafür gesorgt, daß die Justizbehörden nicht tangiert wurden. Dort sitzen doch noch mit Zustimmung und auf Anordnung der Besatzungsmächte alle die Richter, die Staatsanwälte, die unter Hitler amtiert haben, in den leitenden Positionen.