Rede von
Dr.
Erich
Mende
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität lag ein Ersuchen des Bundesministers der Justiz vom 22. Juni 1951 vor, die Genehmigung zur Strafverfolgung gegen den Bundestagsabgeordneten Jacobi zu erteilen. Zugrunde lag dem Ersuchen des Herrn Bundesjustizministers ein Antrag des Justizministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 5. Juni 1951, mit dem der Landesjustizminister den Bericht der Oberstaatsanwaltschaft in Wuppertal übersandte. Ein weiteres Ersuchen wurde vom Bundesminister der Justiz mit Schreiben vom 24. Juli 1951 übersandt. Diesem lag ein Bericht des Landesjustizministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 7. Juli 1951 mit einem Bericht des Oberstaatsanwalts in Köln zugrunde.
Wie sich aus den Akten ergibt, hat der Oberstaatsanwalt in Köln längere Zeit Ermittlungen gegen den Bundestagsabgeordneten Jacobi angestellt, da ihm erst, wie er selbst berichtet, gegen Ende Mai 1951 bekanntgeworden sei, daß der Abgeordnete Jacobi Mitglied des Bundestags sei. Der Bundesjustizminister betont, daß diese Ermittlungen unzulässig gewesen sind, und verweist auf das Schreiben des Landesjustizministers von Nordrhein-Westfalen, nach dem dieser bereits die erforderlichen Maßnahmen veranlaßt hat, um eine Wiederholung derartiger Fälle auszuschließen.
Der Oberstaatsanwalt in Hagen hat mit Schreiben vom 2. Juli 1951 über den Bundesminister der Justiz an den Präsidenten des Deutschen Bundestags mitgeteilt, daß bei ihm ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Staatskommissar in Nordrhein-Westfalen Jacobi auf Grund einer Anzeige des Herrn Harry Schneider aus Wuppertal anhängig gewesen sei, das jedoch eingestellt wurde, da ein Verschulden des ehemaligen Staatskommissars Jacobi nicht festzustellen sei. Der Oberstaatsanwalt in Hagen beabsichtigte daher auch nicht, die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Jacobi zu beantragen.
Mit Schreiben des Ausschusses vom 27. November 1951 wurden die Akten auf Grund einer Besprechung mit dem Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen an den Landesjustizminister zurückgereicht. Der Bundesminister der Justiz hat nunmehr die gesamten Akten mit Schreiben vom 17. März 1952 erneut vorgelegt mit der Bitte, eine Entscheidung des Bundestags darüber herbeizuführen, ob die Genehmigung zur Durchführung des Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Jacobi wegen der sich aus den Berichten des Oberstaatsanwalts in Köln vom 15. Juni 1951 und des Oberstaatsanwalts in Wuppertal vom 2. Mai 1951 ergebenden Vorwürfe strafbarer Handlungen erteilt wird.
Das Verfahren beruht auf einer Anzeige des Kaufmanns Schneider aus Wuppertal, der sich auch in mehreren Petitionen an den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, die Landesregierung und den Justizminister von Nordrhein-Westfalen sowie an den Präsidenten des Deutschen Bundestags gewandt hat. Der Anzeigende wirft dem ehemaligen Staatskommissar zur Bekämpfung von Korruption und Mißwirtschaft im Lande Nordrhein-Westfalen vor, er habe ihn als Eigentümer einer Tauschzentrale zu Unrecht wegen Betrugs angezeigt und der Iserlohner Kriminalpolizei den Auftrag erteilt, in seinem Unternehmen einen Betrug zu inszenieren. Weiterhin soll der Abgeordnete Jacobi als Häftling im Konzentrationslager Groß-Rosen vor etwa 10 Jahren strafbare Handlungen begangen haben.
Hinsichtlich der Vorwürfe gegen den früheren Staatskommissar wegen seines Vorgehens gegen die Tauschzentrale des Anzeigenden ist das bei der Staatsanwaltschaft Hagen anhängige Verfahren durch Einstellungsbescheid an den Anzeigenden erledigt worden. Bezüglich der Vorwürfe, die der Anzeigende gegen den ehemaligen Insassen des Konzentrationslagers Groß-Rosen, Jacobi, erhebt, hatte der Ausschuß Gelegenheit, sich von einem Mitglied des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität, das selbst eine Zeitlang Konzentrationslagerhäftling in Groß-Rosen war, nämlich von dem Alterspräsidenten dieses Hauses, Löbe, die Zustände in diesem KZ schildern zu lassen. Aus den Ausführungen des Präsidenten Löbe ging hervor, unter welch körperlichem und seelischem Terror die politischen Häftlinge in dem Konzentrationslager Groß-Rosen dadurch gelitten haben, daß sie von den Berufsverbrechern ständig mißhandelt und seelisch und körperlich unter Druck gesetzt wurden, wie überhaupt aus den Schilderungen des Präsidenten Löbe jenes teuflische System sichtbar wurde, das darin bestand, politische Idealisten mit Berufsverbrechern zusammenzubringen.
Der Ausschuß hatte daher den Eindruck, daß insbesondere die Angaben des Anzeigenden Schneider querulatorischen und vexatorischen Charakter zeigten, nachdem er mit seiner Anzeige gegen den Staatskommissar Jacobi wegen Schließung seines Geschäfts in Iserlohn nicht weitergekommen sei. Er hat ferner davon Kenntnis genommen, daß der Bundestagsabgeordnete Jacobi gegen einen der in dieser Anzeige auftretenden Zeugen Köster Strafantrag wegen Verleumdung gestellt hat, wobei das
öffentliche Interesse bejaht wurde. Es ist hierbei festzustellen, daß dieser Zeuge Köster selbst ein vielfach vorbestrafter Berufsverbrecher und ehemaliger Insasse des Konzentrationslagers ist.
Da der Ausschuß in der ersten Sitzung wegen der Fülle des Materials nicht zu einer Entscheidung kam, hat er eine Woche später am 27. Juni 1952 die Behandlung der Angelegenheit fortgesetzt. Bei dieser zweiten Sitzung des Ausschusses ist bekanntgeworden, daß der Abgeordnete Jacobi am 19. Mai 1952 bei der Staatsanwaltschaft Hagen gegen den Schriftsteller Köster Strafantrag wegen Beleidigung und am 24. Juni 1952 weitere Strafanzeige wegen versuchter Nötigung erstattet hat. Köster wird u. a. vorgeworfen, versucht zu haben, den Abgeordneten Jacobi zu einer Untreuehandlung zu verleiten, damit seine Einweisung in eine Strafkompanie im Konzentrationslager, die tatsächlich erfolgt ist, nicht von Köster bekanntgegeben würde. Köster ist der Hauptbelastungszeuge in dem gegen den Abgeordneten Jacobi anhängigen Verfahren.
Ich weise als Berichterstatter darauf hin, daß es sich bei Köster um einen vielmals vorbestraften Berufsverbrecher handelt, dessen Anschuldigungen als querulatorisch und vexatorisch anzusehen sind. Im übrigen beziehen sich fast alle Zeugenaussagen gegen den Abgeordneten Jacobi auf Hörensagen oder auf das Zeugnis inzwischen Verstorbener oder auf Personen, deren Adresse nicht mehr bekannt ist.
Nachdem die Akten — weil es sich um umfangreiches Material handelt — der Fraktion der CDU und auch der Fraktion der DP zugeleitet worden waren —und zwar den Mitgliedern des Ausschusses dieser Fraktionen —, hat ein Mitglied der CDU/ CSU-Fraktion ausgeführt, daß die Zeugenaussagen zu 90 % vom Hörensagen stammen und daß alle wesentlichen Zeugen berufsmäßige Rechtsbrecher waren. Bei dem Anzeigenden handle es sich um eine Person, die zu Übertreibungen neige und die Gelegenheit gehabt habe, durch ein Dienstaufsichtsverfahren im Verwaltungsstreitverfahren gegen den Abgeordneten Jacobi vorzugehen.
Nach Durcharbeitung des umfangreichen Materials lagen dem Ausschuß drei Anträge vor, erstens die Ablehnung der Strafverfolgung vorzuschlagen; zweitens die Beschlußfassung auszusetzen, bis das Verfahren gegen Köster, das durch den Bundestagsabgeordneten Jacobi angestrengt worden ist, durchgeführt worden ist, und schließlich drittens eine Genehmigung zur Durchführung der Ermittlungen zu geben mit dem Ziel, eine Möglichkeit zur Einstellung des Verfahrens zu geben.
Der Ausschuß hat schließlich mit Mehrheit beschlossen, die Genehmigung zur Strafverfolgung nicht zu erteilen, da es sich offensichtlich um eine tendenziöse und querulatorische Verfolgung des Bundestagsabgeordneten Jacobi handele. Sie werden gebeten, diesem Mehrheitsbeschluß zuzustimmen.