Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! So gerne ich dem Kollegen Arndgen folgen möchte, so muß ich doch widersprechen, den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU heute abschließend zu behandeln, weil es einfach nicht möglich ist, die Frage unabhängig von unserem Antrag zu lösen, und Herr Arndgen hat doch sicher nicht beantragt und gewollt, daß auch unser Antrag in erster, zweiter und dritter Lesung bejaht und entschieden wird. Wenn er dazu ja sagt, können wir darüber reden.
Aber gestatten Sie mir zu der Frage der Notstandsarbeit ein grundsätzliches Wort. Wir haben damals, im Jahre 1951, mit Schmerzen zugesagt, aus den Mitteln der Bundesanstalt, also aus den Mitteln der Arbeitnehmer, 200 Millionen DM für ein Sofortprogramm bereitzustellen. Dieses Sofortprogramm sollte in drei Monaten ablaufen. Das war im Oktober 1951. Bis heute, also im Monat Mai 1953, sind diese 200 Millionen noch nicht verbraucht.
Sie sind allerdings verplant. Das Gesamtergebnis sieht so aus, daß niemals eine Zahl von mehr als 35 000 Arbeitslosen von durchschnittlich 1,5 Millionen beschäftigt werden konnte. Nichts gegen Notstandsarbeiten, wenn sie dazu dienen und dazu geeignet sind, den Bodenertrag zu heben, die Verkehrswege zu verbessern, Strom zu erschließen und zu verteilen, also immer dann, wenn sie vorbereitend mithelfen können, neue Arbeitsplätze, aber Dauerarbeitsplätze, zu schaffen. Denn am Anfang der Notstandsarbeit steht die Arbeitslosigkeit, und am Schluß der Notstandsarbeit steht wieder die Arbeitslosigkeit.
Das ist doch kein Mittel, um die Arbeitsnot zu beheben. Wir wollen ja sagen, wenn hier regional geholfen werden kann. Wir sind auch bereit, ja zu sagen, wenn durch große Maßnahmen zur Hebung des Bodenertrags, durch Straßenbauten — ich denke an den Autobahnbau Göttingen-Hamburg, der ja ein Bedürfnis ist, ich denke an den Donau-Main-Kanal — dazu mitgeholfen werden soll, neue Verkehrswege zu erschließen und Arbeitsmöglichkeiten auf die Dauer zu schaffen. Man soll es aber doch nicht einfach den Gemeinden und den Ländern, die wirtschaftlich dazu in der Lage sind, überlassen, Notstandsarbeiten zu finanzieren, während dies andere Bezirke, die durch Krieg und Zerstörungen geschwächt worden sind und die Notstandsarbeiten brauchen, nicht können.
Ein anderes, meine Damen und Herren. Seit 1948, seit der Währungsreform, haben wir in der Arbeitslosenversicherung und in der Arbeitslosenfürsorge sicherlich mehr als 8 Milliarden DM an Unterstützungen gezahlt. Wenn Sie nun die Kosten eines Arbeitsplatzes mit 8000 DM annehmen — das ist wirklich ein über dem Durchschnitt liegender Satz —, dann hätten wir aus diesen 8 Milliarden bei Vollfinanzierung sogar sicher 1 Million Dauerarbeitsplätze schaffen können. Das Wort steht in der Luft, und ich glaube, man sollte sich ernstlich damit befassen.
Wichtiger als Unterstützungen, wichtiger als Notstandsarbeiten, auch wichtiger als Auswanderungsbejahung erscheint uns die Erweiterung der Produktion und die Hebung des Sozialprodukts. Wir wollen gern an die Stelle der Unterstützungen und der Notstandsarbeiten echte Arbeitsmög-
lichkeiten gesetzt sehen. Darum haben wir schon mit Drucksache Nr. 3026 vom 26. Januar 1952 verlangt, daß in stärkerem Ausmaß an die Stelle der unterstützenden Fürsorge und auch an die Stelle wirtschaftlich nicht immer vertretbarer Notstandsarbeiten die Finanzierung von Dauerarbeitsplätzen tritt. Wir hatten ganz bestimmte Vorstellungen zur Erhöhung des Sozialprodukts, zur Minderung der Belastung, zur Strukturwandlung und zur wirtschaftlichen Eingliederung der Heimatvertriebenen, der Flüchtlinge und der Evakuierten sowie zur Beschaffung von Lehrstellen für Jugendliche entwickelt.
Wir haben in einem Arbeitskreis, der von den Ausschüssen des Bundestags gebildet wurde, den Nachweis erbracht, daß in der deutschen Wirtschaft nachweislich jährlich mehr als 2 Milliarden DM für Überstundenentgelte gezahlt werden. Wohlgemerkt, hierin sind nicht eingeschlossen die Überstundenentgelte im Bergbau, im öffentlichen Dienst, in der Landwirtschaft, im Handwerk und in alle Betrieben mit weniger als zehn Arbeitnehmern. Wer aber die Verhältnisse genau kennt, weiß, daß auch in diesen Sparten die Überstundenleistungen unerträglich hoch sind. Der Arbeitskreis hat erkannt, daß in der hohen Zahl der Überstundenleistungen echte Möglichkeiten zur Beschaffung von Dauerarbeitsplätzen in größerem Ausmaß verborgen liegen. Das hat der Herr Bundesarbeitsminister vor mehr als einem Jahr auch schon mal in einem Appell an die Öffentlichkeit betont. Mehrere Ministerien der Bundesregierung haben sich positiv zu unserer Forderung geäußert; nur der Vertreter des Herrn Bundesfinanzministers hat Bedenken vorgebracht, wahrscheinlich weil er aus statischen Betrachtungen seines Haushalts heraus eine Steuerminderung vermutet, wenn der Arbeitgeber zu einer Abgabe von Überstundenentgelten veranlaßt wird.
Daß die Schaffung von Dauerarbeitsplätzen das Sozialprodukt vermehrt, die Kaufkraft hebt und damit neue Steuerquellen erschließt, das hat der Herr Bundesfinanzminister wahrscheinlich nicht gesehen. Es liegt leider allzu nahe, anzunehmen, daß der Herr Bundesfinanzminister unserem Vorschlag nicht zustimmt, weil er die Mittel der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung zur Deckung seiner Haushaltslücken verwenden will.
Die beabsichtigte Hergabe von Schuldverschreibungen ändert aber nichts an der Tatsache, daß hier auf dem Umweg über die Beitragsleistungen der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung dem deutschen Arbeitnehmer eine zweite indirekte Lohnsteuer auferlegt werden soll, nur, um aus dieser Sondersteuer die Steuersenkungen für die höheren Einkommen zu ermöglichen. Wir warten leider bis heute auf die Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Antrag der SPD vom 26. Januar 1952.
Alle Appelle, auch des Herrn Arbeitsministers, mehr Angestellte zu 'beschäftigen, mehr Schwerbeschädigte einzustellen, der steigenden wirtschaftlichen Entwicklung entsprechend die Zahl der Arbeitsplätze zu vermehren, hatten, so dankbar wir sie begrüßt haben, leider nicht den gewünschten Erfolg, und die Zahl der Überstundenleistungen steigt noch von Monat zu Monat.
Die Zahl der Arbeitslosen bleibt trotz steigender Wirtschaftskurve unvermindert hoch. Der Arbeitslose muß seine Arbeitskraft und seine Arbeitsbereitschaft durch ausreichende Ernährung erhalten können. Besonders der arbeitslose Angestellte muß seine Kleidung, wenn schon nicht erneuern, so doch wenigstens pfleglich behandeln können, um vorstellungsfähig zu bleiben. Eine Minderung der Arbeitsbereitschaft mindert ebenso die Vermittlungsfähigkeit des Arbeitslosen und die Vermittlungsmöglichkeiten durch das Arbeitsamt.
Wir haben wirklich lange zugewartet, daß die Bundesregierung unserem Verlangen entspricht, an Stelle der unterstützenden Fürsorge die positive Schaffung von Dauerarbeitsplätzen mehr als bisher zu ermöglichen. Manches ist geschehen, leider nicht genug, und weil es nicht genug war, glauben wir, nicht darauf verzichten zu können, zu fordern, daß nicht nur mit Notstandsarbeiten geholfen wird, sondern auch die unterstützende Fürsorge angemessen erhöht wird.