Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 10. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Die Tagesordnung liegt Ihnen gemäß Abmachung im Ältestenrat vor. Ich darf gleich hinzufügen, daß wir gestern abend nach sehr eingehenden Beratungen im Ältestenrat übereinstimmend zu der Auffassung gelangt sind, diese Tagesordnung heute zu erledigen, damit wir morgen noch einige weitere wichtige Punkte besprechen und morgen gegen Abend die Sitzungswoche beenden können. Ich darf alle Damen und Herren des Hauses bitten, sich darauf einzustellen.
Ich habe ferner einige Mitteilungen mehr technischer Art zu machen, damit über das System des Abklingelns einmal Klarheit herrscht. Wenn die helle Glocke dreimal im Abstand von einigen Minuten ertönt, so bedeutet das Sitzungsbeginn. Wenn die Glocke einmal während der Diskussion ertönt, so bedeutet das für die Damen und Herren des Hauses, die sich außerhalb des Plenarsaales aufhalten, einen Rednerwechsel. Wenn die Glocke mit dunklem Klang ertönt, so bedeutet das eine Abstimmung, und dies schließt natürlich die Notwendigkeit daß die Damen und Herren außerhalb des Saales sich schnellstens hier einfinden.
Ich darf dann den Herrn Schriftführer bitten, die heute abwesenden Mitglieder bekanntzugeben.
In der heutigen Sitzung sind beurlaubt wegen Krankheit die Abgeordneten Professor Dr. Baur, Kuhlemann und Dr. Schumacher, auf Grund von Entschuldigungen die Abgeordneten Dirscherl, Dr. Horlacher, Bauknecht, Marx, Dr. Baumgartner, Frühwald, Margulies, von Aretin; Farke, Walter, Hellwege, Dr. Dresbach, Wallner und Nowak.
Meine Damen und Herren! Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich noch mitteilen, daß sich der Herr Bundeskanzler und einige andere Mitglieder des Kabinetts zur Zeit noch in den bekannten Besprechungen auf dem Petersberg befinden und bis zur Stunde noch nicht haben eintreffen können.
Wir treten nunmehr in die Tagesordnung ein und kommen zum ersten Punkt:
Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung
der Bundesregierung.
Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Professor Dr. Schmid das Wort.
Dr. Schmid ': Meine Damen und Herren! Es ist in diesem Raum eine gute Woche lang sehr viel von Demokratie und fast noch mehr von Freiheit gesprochen worden. Vielleicht werden die Geschichtsschreiber einst dieses Gebäude noch das Haus der Freiheit nennen ... Es ist hier insbesondere in sehr beredten Worten das Regierungsprogramm dem deutschen Volk geradezu als eine Art von Magna Charta der Freiheit vorgestellt worden. Und manchmal erschien mir im Lobpreis gewisser Redner der Herr Bundeskanzler als eine Art von Drachentöter, der mit dem neidlichen Schwert seiner Regierungserklärung den Weg in eine blühende Zukunft geöffnet hat, einen Weg, der im wesentlichen von den Sozialdemokraten verstellt zu sein scheint. Man hat mit sehr bewegten Worten gewisse Gefahren an die Wand gemalt, die dem deutschen Volk gerade von diesen Sozialdemokraten drohen: die Gefahren der Planwirtschaft, die man seltsamerweise in diesem Hause so gern Zwangswirtschaft nennt, so als könnten sich manche Leute Planung und Ordnung nicht anders denn als Produkt von Kommando und Zwang vorstellen.
Dabei schien gestern noch die Planwirtschaft gar nicht .so abwegig zu sein! Ich erinnere Sie, meine Damen und Herren auf den Bänken vor mir, an den Artikel 5 Ihres Ahlener Programms, den der Abgeordnete Blank so beredt und so seltsam ausgelegt hat, wie es ein Geschäftsführer des weiland Hansa-Bundes, nicht besser hätte tun können.
Es ist schade, daß unser Kollege von Brentano nicht da ist; ich hätte ihn daran erinnert, wie freudig er sich seinerzeit zur hessischen Verfassung bekannt hat, die nicht nur die Planwirtschaft, sondern, Herr Kollege Euler, ich glaube auch die Sozialisierung zum Inhalt des Staatsgrundgesetzes von Hessen machte. Sehen' Sie, in solchen Dingen, die weit jenseits der Sphäre liegen, wo Güte und Bosheit der Menschen etwas zu bewirken vermögen, manifestiert sich gelegentlich ein sehr altes Phänomen, das den Betrachter der Zeitläufe melancholisch stimmen kann — das Phänomen nämlich, daß im ersten Schock eines Zusammenbruchs fast alle sich auf die immanenten Tendenzen einer Epoche zu besinnen pflegen, daß sie in solchen Zeiten klarer sehen, was die tieferen Ursachen des Zusammenbruchs gewesen sind, und daß sie in der I Auflockerung durch den Schock — es gibt auch politisch eine Schocktherapie — bereiter als sonst sind, Konsequenzen zu ziehen. Nach der ersten Erholung beruhigt man sich, man atmet auf — „die Dinge sind ja längst nicht so schlimm" —, das Gesetz der Trägheit wirkt, und man strebt nach dem Ruhebett des Gewohnten zurück.
Meine Damen und Herren, ich sagte einleitend, man hat hier viel von Demokratie und von Freiheit gesprochen. Aber es ist ganz natürlich, daß jeder von seiner Demokratie und ein wenig von seiner Freiheit gesprochen hat; und das ist nicht weiter verwunderlich. Demokratie ist wie jedes geschichtlich gewordene Phänomen ein recht vielgestaltiges Ding in seiner Erscheinung und in seinen Möglichkeiten. Aber etwas ist doch unter allen Hüllen bleibende Substanz: die Trias der Postulate der Demokratie, als da sind: Freiheit als Selbstbestimmung, Gleichheit und die Gründung aller Dinge im Recht.
Man spricht gern über diese Namen, und es ist meistens alles ganz richtig, was darüber gesprochen zu werden pflegt. Nur wird oft der Fehler begangen, daß man davon spricht, als sei es gleichgültig, in welcher Zeit und an welchem Ort man davon spricht. Aber diese Postulate haben die Möglichkeit zur Realisierung immer nur in einem Hier und Jetzt. Man muß da schon konkret fragen, welche Freiheit und wessen Freiheit, welche Gleichheit und wessen Gleichheit ist gemeint und was für ein Recht und für wen dieses Recht sein soll: Recht als ein Ding zum Festhalten von Privilegien oder als ein Ding zur Abwehr des Eindringens des jeweils dritten Standes in die bisher verwehrten Bereiche — oder soll das Recht ein Ding sein zum Erwerb von Rechten für die, die noch nicht genug davon haben; ein Ding, das ihnen Tore in Bereiche öffnen kann, die ihnen bisher verschlossen waren. Wie seltsam man vom Recht denken kann, dafür gibt es kaum ein einleuchtenderes Beispiel als die bekannte Rede eines gewissen Junkers Otto von Bismarck aus dem Jahre 1847, wo er als göttlichem und menschlichem Recht widerstreitend darstellte, daß die adligen Grundbesitzer zur gleichen Grundsteuer herangezogen werden sollen wie die bürgerlichen. Das war durchaus „sittlich" gemeint und keine Tartufferie.
Meine Damen und Herren, was hier in diesen Tagen im Namen der individuellen Freiheit vertreten worden ist, das waren zum großen Teil Relikte des Nationalliberalismus der Wilhelminischen Zeit.
Es war weitgehend der sehr respektable Honoratioren-Liberalismus von Besitz und Bildung — der zu seiner Zeit wohl eine höchst moderne und die Welt reich befruchtende Sache gewesen ist. Aber leider haben heute in unserem Volk nur wenige den dafür erforderlichen Besitz, und die Bildung ist leider nicht immer dort, wo solcher Besitz sich findet.
Was einigen der Vertreter und Lobpreiser dieses Wesens im Denkbild vorschwebt, das wirkt sich real aus — nicht gewollt, aber es wirkt sich nun eben einmal aus als die Freiheit des reichen Mannes, der sein Gesinde und seine Klientel ordentlich behandelt.
— Ich glaube nicht, Herr Kollege Euler, obwohl vielleicht bei Ihnen die Generationenfrage eine Rolle
spielen mag. Jene Gleichheit, an die jene Redner dachten, wirkt sich aus — nicht gewollt, aber real
zur Gleichheit der Chance innerhalb der Koterie auf der einen Seite und zur bunt dekorierten Uniformität des Sich-Abfindens mit dem sozialen Dualismus auf der andern Seite. Wir Sozialdemokraten aber möchten auch für die Freiheit des armen Mannes reale Unterbauten schaffen. Und wenn Sie in diesem Fall vom Rechte sprechen, Herr Kollege Euler, dann denke ich daran, daß Demokratie für uns nicht schon darin bestehen kann, daß es den armen Leuten wie den reichen Leuten verboten ist, Brot zu stehlen!
Herr Dr. Ewers hat uns ein Idealbild seiner Demokratie und seiner sozialen Gerechtigkeit entrollt, ein Bild, auf dem ich manche Züge entdeckte, die mir in meiner — frühen — Jugend die Lektüre von Gustav Freytags „Soll und Haben" so sympathisch gemacht haben. Aber so ehrenwert das alles ist — und es ist durchaus ehrenwert —, es ist das die Sozialphilosophie des weiland Junkers von der Marwitz. Das ist die gute alte Zeit. Es ist die Welt des Immermannschen „Oberhof". Aber wo dieser Oberhof einst stand, Herr Dr. Bucerius, da stehen heute — Ihnen wohl bekannt — Zechen und Hütten. Und die Probleme, die dieser Wandel aufwirft, löst man nicht mit der sozialökonomischen Weisheit Onkel Bräsigs, daß die Armut von der Powerteh komme.
Letzten Endes läßt sich diese Auffassung von Demokratie in dem Satz resumieren: Demokratie ist dort, wo die Leute einem glauben, daß sie Ursache haben, mit ihrem Los zufrieden zu sein; und die Feinde der Demokratie — die „subversiven Elemente", wie man sie einstmals nannte —, das sind jene, die den armen Leuten Zweifel darüber erwecken, daß diese Welt der Väter die beste aller möglichen Welten sei.
Dagegen steht unsere Auffassung, von Demokratie, die lautet: Demokratie ist nur dort eine lebendige Wirklichkeit, wo man bereit ist, im Anruf des jeweiligen Hier und Jetzt die sozialen und ökonomischen Konsequenzen aus ihren Postulaten zu ziehen.
Dazu gehört einiges. Dazu gehört, daß man den Menschen herausnimmt aus der bloßen Objektsituation — nicht nur im formalpolitischen Bereich, sondern auch und gerade dort, wo der Schwerpunkt seines Lebens liegt, nämlich im ökonomischen und im sozialen Bereich. Es lohnt sich manchmal, meine Damen und Herren der Rechten, Karl Marx zu lesen. Wenn Sie die Seiten lesen, die er über die Selbstentfremdung des Menschen durch die Maschine geschrieben hat, dann werden Sie einige der schönsten Seiten gelesen haben, die je einen Beitrag zu einer humanistischen Konzeption des Verhältnisses des Menschen zur Welt gegeben haben. Wir müssen aber den Menschen aus dieser Objektsituation unter den Gegebenheiten dieses Jahrhunderts herausnehmen, das — wenn Sie wollens: Gott sei's geklagt — ein Jahrhundert der Maschine ist und ein Jahrhundert der Vermassung.
Weiter muß man dann den Menschen herausnehmen wollen aus dem Verfallensein an die Krisen, die das notwendige Produkt der zügellosen Wirtschaft sind, die Sie so gerne und so idyllisch die „freie" nennen. Dazu gehört weiter, daß man dem Menschen, der zur Lohnarbeit gezwungen ist,
erträgliche Arbeits- und Lohnbedingungen schafft durch die Brechung des Monopols der Eigentümer der Produktionsmittel bei der Bestimmung der Arbeitsbedingungen. Und da muß man zuerst die industrielle Reservearmee demobilisieren, die Sie von Frankfurt aus mobilisiert haben!
Das erfordert einige Strukturveränderungen in unserer Gesellschaftsverfassung. Es erfordert, daß man den Betrieben - das heißt dort, wo die Menschen dieses Volkes den größten Teil ihres Lebens zubringen — eine Verfassung schafft, die mindestens das an Mitbestimmung bringt, was die konstitutionelle Monarchie schon vor hundertfünfzig
Jahren im Staate geschaffen hat. Es bedingt weiter, daß die Wirtschaft — mit indirekten Mitteln natürlich — geplant und gelenkt werden muß, und zwar unter gleichwertiger Beteiligung der Organisationen der Arbeiterschaft. Als ich am ersten Tage von da drüben rechts einen Zwischenruf hörte: „Na, da wird was Schönes herauskommen!", da habe ich mich ein kleines bißchen geschämt.
Es bedingt weiter, daß man die Schlüssel- und Grundstoffindustrien in Gemeineigentum überführt.
Denn Demokratie als Bestimmung der Geschicke eines Volkes durch das Volk selbst gibt es nur dort, wo die Schalthebel der Wirtschaft nicht in Händen von Gruppen liegen, denen , ihre wirtschaftliche Macht die Möglichkeit gibt, sich der demokratischen Kontrolle — jedenfalls einer wirksamen demokratischen Kontrolle — zu entziehen.
Wenn Sie hierbei von Kommandowirtschaft sprechen und wenn es Ihnen beliebt, Parallelen zur Hitlerschen Zwangs- und Kriegswirtschaft zu ziehen, dann frage ich Sie: Gibt es denn als Kontrast zu Gesetzlosigkeit und Planlosigkeit nichts anderes als den Kasernenhof? Kann man sich als Kontrast denn nicht vorstellen, daß an die Stelle eines erbarmungslosen Mechanismus eine Ordnung tritt, die der vorsorgende Verstand des Menschen geschaffen hat?
Es ist seltsam, daß sich sehr warmherzige Menschen, die hier gesprochen haben, so gegen diese Möglichkeit sträuben. Aber, meine Damen und Herren, Warmherzigkeit konsumiert sich nicht darin, daß man der Arbeiterschaft versichert, wie leid einem die Proletarisierung tue, und daß man sich möglichst viele kleine selbständige Existenzen wünsche, sondern sie erfüllt sich darin, daß man ohne Ressentiment die Konsequenzen daraus zieht, daß die kapitalistische Wirtschaftsordnung in Gottes oder in Teufels Namen die Arbeiterschaft eben weithin proletarisiert hat
und daß sie bewirkt hat, daß auch die „kleine selbständige Existenz" das Privileg weniger geworden ist.
Wenn man hier den Versuch gemacht hat, Karl Marx und was sich über ihn hinaus entwickelt hat, mit Adam Smith zu widerlegen, so darf ich sagen, meine Damen und Herren: die Wirtschaftsgeschichte des 19. und des halben 20. Jahrhunderts ist doch ein einziges Zeugnis dafür, daß man gezwungen war, wenigstens etwas von dem zu korrigieren, was die Epigonen von Adam Smith über die Menschheit gebracht haben.
Man hat hier den Wagemut des unternehmenden Menschen gelobt, man hat die Zeiten gelobt, die
charakterisiert sind durch Reglementslosigkeit - gut! —, man hat hier an den Pioniergeist der Neuen Welt appelliert. Aber, meine Damen und Herren, alle diese Dinge hatten ihren Preis, und dieser Preis war die Brutalität des Menschen gegen den Menschen. Der Preis, den man dafür zu zahlen hatte, war das Gesetz des Dschungels!
Jenen, denen der Pioniergeist so gefällt,
nöchte ich das Wort der „Pioniere" in Erinnerung rufen: „Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer!" — Die Indianer haben für den Pioniergeist bezahlt!
Und wie ist es mit dem Wagemut und mit der Reglementslosigkeit? Meine Damen und Herren, wenn Sie nicht wissen sollten, was sich in der klassischen Zeit der Herrschaft dieser Theorien ereignet hat: es lohnt sich auch heute noch, die Enqueteberichte des englischen Unterhauses aus der Mitte des letzten Jahrhunderts zu lesen!
Man hat versucht, diese Dinge zu korrigieren, in Etappen zu korrigieren, zuerst dadurch, daß man sozialpolitische Maßnahmen einführte, insbesondere die Sozialveisicherung. Aber ich erinnere mich — aus der Literatur —, daß, als diese Dinge eingeführt wurden, auf den rechten Bänken des Reichstags davon gesprochen wurde, daß es unmoralisch sei, die Menschen zwangsweise zu versichern. Dann hat man versucht, eine neue Wirtschaftsgesinnung lebendig zu machen, und es sind hier einige große Dinge geschehen. Ich nenne nur den Bischof Ketteler, und ich nenne eine so leuchtende Persönlichkeit wie Wichern. Ich spreche nicht von denen, die sich plötzlich des Arbeiters erinnerten, weil sie fahen, daß sie eine Klientel verlieren könnten; ich spreche von denen, denen es ernst gewesen ist. — Aber auch diesen Menschen hielt man manches entgegen und sprach von der Sünde der Selbsterlösung, zu der sie die Versuchung anlegten.
Dann kam die nächste Etappe: der Versuch, das Arbeitsrecht zu modernisieren, charakterisiert dadurch, daß an die Stelle der Gesindeordnung der Tarifvertrag getreten ist. Ich habe mich in meiner Dissertation noch damit abquälen müssen, nachzuweisen, daß der Tarifvertrag nicht gegen die guten Sitten verstößt.
- So historisch ist das nicht. Sie haben damals alle schon gelebt, meine Damen und Herren!
Und nun muß man weitergehen. Wo man stillsteht, geht man zurück. Man muß weitergehen zur strukturellen Wandlung unserer Gesellschafts- und Sozialverfassung.
— Meine Damen und Herren, es gibt manchen, der es nicht merkt, daß er Marxist in seinem Anderssein ist. — Der Groschen fällt schon, warten Sie mal!
Sie sprechen so gern von den ewigen Gesetzen der Wirtschaft.
Die Wirtschaftsgesetze sind nicht ewig, sie sind historisch.
Auch der Marxismus ist nicht ewig!
— Ich gönne Ihnen die Freude, meine Damen und Herren, sich uns turmhoch überlegen fühlen zu können. — Diese 'Gesetze sind abhängig von bestimmten Gegebenheiten, die die Zeit schafft und wegnimmt, und darum wandeln sich diese Gegebenheiten in jeder Generation, und so wandeln sich auch die Anliegen, in denen sich der Kampf des Menschen gegen die Tyrannei des Mechanismus der gesellschaftlichen Gebilde verkörpert. Wer da glaubt, es genüge, sozial im sozialkonservativen Sinne zu sein, um dem Gebot der Zeit gerecht zu werden - das kleine Häuschen und der Schrebergarten für „die Leute" —, der mißversteht die Impulse, die seit hundert Jahren die Arbeiterbewegung tragen.
Der Arbeiter will nicht, daß man ihm aus guter Gesinnung etwas schenkt.
Er will keinen Paternalismus à la Salazar. Ihm genügt nicht, daß man „es gut mit ihm meint". Man sollte sich sein Bild von der deutschen Arbeiterschaft nicht allzusehr aus den Romanen Rudolf Herzogs holen.
— Da wäre es schon besser, Herr von Rechenberg, wenn man sich das Bild der Unternehmerschaft aus der „Union der festen Hand" eines gewissen Erik Reger holen würde,
den Sie jetzt im „Tagesspiegel" lieber lesen, als Sie ihn vor 15 Jahren gelesen hätten.
— Es ist schade, daß Sie das Buch nicht kennen. Sie würden sehr viel darin wiederfinden, was Ihnen autobiographisch bekannt sein dürfte.
Meine Damen und Herren, die Arbeiterschaft ist nicht mehr „Gesinde", der Kumpel ist - trotz der schönen Knappentracht eines Kollegen im Hause — nicht mehr der „Knappe", und der Unternehmer ist nicht mehr der „Meister". Die Arbeiterschaft verlangt, daß man sie als Klasse — und nicht als romantischen Berufsstand - in die Lage versetzt, in rechtlich geordneter Weise über sich und die ökonomischen und politischen Voraussetzungen ihrer sozialen Existenz zu bestimmen.
Das macht gewisse — bedeutsame - strukturelle Veränderungen innerhalb unserer Ökonomie und Soziologie notwendig. Solange diese Dinge nicht in Angriff genommen werden, wird es, fürchte ich, unruhig bleiben in diesem Lande.
Die Arbeiterbewegung ist doch nicht nur eine Lohnbewegung, sie ist eine Freiheitsbewegung!
Sie ist der Aufbruch derer, die bisher für ihr tägliches Brot Fremden zu gehorchen hatten, einer Welt zu, in der die Gebotstafeln für den Erwerb des täglichen Brotes von ihnen selber aufgerichtet sein würden. Ich weiß, man sagt in Ihren Reihen
gern: Utopie, ganz schön, Schwarmgeister usw. Aber, meine Damen und Herren, haben Sie denn keinen Sinn für die Großartigkeit und für den Realismus dieser Impulse? Diese Impulse sind so großartig und so realistisch, wie die Ihrer geistigen Väter und Ihrer wirklichen Vorväter 1789 und 1848 einst gewesen sind.
Damals sagte man auch: „Na, was sollen denn diese „Bürger" regieren können! Haben sie ja nicht gelernt!" Wer da glaubt, wir meinten, auf diese Weise würde auf dieser Erde ein Paradies erblühen, das den Schmerz und das Leid nicht kennt, der täuscht sich. Es wird auch dann, wenn wir das, was wir verwirklichen müssen und wollen, verwirklicht haben werden, noch Raum genug geben für christliche Nächstenliebe!
- Wenn Sie glauben, mir darauf antworten zu können, alle diese Dinge seien ja leicht in Ordnung zu bringen, wenn man die rechte und gute Gesinnung habe, und wenn Sie den Geist von Caux beschwören und anrufen, — meine Damen und Herren, es gibt leider auf dieser Welt einige harte Dinge, wie Angebot und Nachfrage, Verzinsung und Rendite, die dem guten Willen gelegentlich Schranken anlegen.
Ich habe, als ich einige Redner hier hörte, manchmal an Verse einer sehr unheiligen Oper denken müssen: „Ein edler Mensch, wer wäre es nicht gerne? Doch leider, die Verhältnisse, die sind nicht so!" Es ist die Drei-Groschen-Oper, wenn Sie es nicht wissen sollten.
Es ist hier auch vom Klassenkampf gesprochen worden. Manche Ausführungen darüber schienen mir fleißige Lektüre weiland Rumpelstilzchens zu verraten.
Meine Damen und Herren, der Klassenkampf ist nicht von den bösen Sozis erfunden worden, den haben sie vorgefunden, und die Arbeiterschaft brauchte ihn lediglich aufzunehmen. Hätte sie ihn nicht aufgenommen — Herr Kollege Gockeln, Sie haben mir zugenickt —, stünden die Arbeiter dann heute da, wo sie jetzt stehen?
— Nein, sie stünden nicht dort.
Und nun will ich Ihnen etwas sagen: im demokratisch kontrollierten Staat, in dem das Machtmonopol übermäßig zusammengeballten wirtschaftlichen Eigentums gebrochen ist, kann ein gutes Stück Klassenkampf in seiner elementaren Form überflüssig werden.
Aber dieser Staat wird dann nicht als ein Staat konzipiert werden, der in erster Linie als Besitzschutzmaschine konstruiert wird.
Dieser Staat muß dann die res publica sein. Der aufgeblähte Staat ist scheußlich,
und jede Verabsolutierung des Staates ist unmenschlich.
— Wie freue ich mich, daß Sie rechts so klatschen!
Vor Zeiten hat man auf Ihren Bänken vom Staate gesprochen als dem rocher de bronze!
Bei Ihnen kultivierte man die Märchen vom Alten Fritz!
In Ihren Schulbüchern pries man den Vater Friedrichs des Großen mit dem Korporalstock als den Begründer des „modernen" Staates.
Es ist eine seltsame Sache, meine Damen und Herren: in gewissen Zeiten und bei gewissen Gelegenheiten sind es besonders die reichen Leute, die so wenig Staat als möglich haben wollen — die Polizei ausgenommen natürlich —, und wenn man genau hinsieht, dann erscheint ihnen der Staat offensichtlich dort am scheußlichsten, wo er als Finanzamt in Erscheinung tritt.
Wenn man sich bei Ihnen heute so über die Beamtenschaft aufregt — nun, vor Tische las man's da gelegentlich anders. Als man bei Ihnen das Monopol der Ämterpatronage hatte, meine Damen und Herren, da fand man den Staat nur dort richtig gefügt, wo recht viele Beamte als Säulen der Gesellschaft aufgereiht werden konnten.
- Herr Kollege Hilpert, Sie haben offenbar keine Ahnung, wie virulent das 19. Jahrhundert im 20. Jahrhundert noch sein kann. — Sehen Sie, meine Damen und Herren, wenn Sie mit Ihren Zwischenrufen über die Stellenvermittlungsbüros der Parteien kommen, — erinnern Sie sich nicht mehr eines seligen Kösener SCs, erinnern Sie sich nicht mehr der Stellenvermittlungsbüros bei den Altherrenschaften der Korporationen?
- Ich sehe, daß sich in diesem Augenblick manche Anwesende mit viel Intensität in das Studium ihrer Akten vertiefen. —
Meine Damen und Herren, wir wollen sowenig Staat als möglich, aber soviel Staat als nötig!
Man stellt gelegentlich in diesem Zusammenhang auch die Kontroverse Unitarismus — Zentralismus. Meine Damen und Herren, das ist falsch gesehen! Was hier gemeint ist, ist doch, daß ein geballter Staat den einzelnen Menschen gerade von der Hinwendung zur res publica fernhält, daß er den Menschen zum Objekt anonymer bürokratischer oder anderer Gewalten macht. Das ist richtig. Aber das ist nicht anders, wenn ein Staat sechs Millionen Einwohner hat oder sechzig Millionen; von einer bestimmten Größe ab werden alle weiteren quantitativen Steigerungen gleich null oder gleich unendlich. Ich erinnere Sie an den bayerischen Etatismus, Herr Kollege Seelos, Sie kennen ihn gut. Ich erinnere Sie an den bayerischen Zentralismus. Fragen
wir eimal die Franken in diesem Hause; die wissen darüber etwas zu sagen. Was hier korrigiert werden will und korrigiert werden sollte, das kann man nach Ihren Rezepten nicht korrigieren; das kann man nur korrigieren, indem man sehr viel mehr staatliche Gewalt auf die Gemeinden verlagert, als es heute der Fall ist.
Dann bringen Sie den einzelnen Menschen nahe, sehr viel näher an die res publica heran. Aber ob der Staat fünf Millionen Einwohner oder sechzig Millionen Einwohner hat, das spielt im Verhältnis des einzelnen zur „Obrigkeit" keine Rolle mehr.
Man hat uns die Segnungen des Föderalismus in bewegten Worten gepriesen,
— ich werde dazu noch etwas sagen, lieber Herr Landsmann —, insbesondere die Sprecher der Bayernpartei. Sie haben den Anspruch erhoben, für Bayern zu sprechen, Herr Seelos. Ich weiß nicht, ob die existentielle Interpretation des Bayerntums, die Sie und Herr Dr. Besold gegeben haben, die richtige ist. Ich weiß es nicht. Vielleicht haben die beiden Herren auch nur Spaß gemacht.
Aber wenn sie so bewegt darüber geklagt haben, daß man sie in die Bundesrepublik „hineinvergewaltigt" habe — was meinen Sie denn, Herr Seelos, was ein Nürnberger „Föderalist" im Jahre 1803 gegen München gesagt haben mag? Oder ein Augsburger? Sehen Sie, die Geschichte geht nun einmal gelegentlich in Sprüngen voran. Das läßt sich nicht vermeiden, das ist ihre Gefährlichkeit und ihre Dignität. — Und dann, Kollege Seelos, Sie sind mir ein schöner Föderalist! Sie haben in Ihrer Rede verlangt, daß man dem Lande Berlin die Finanzgebarung kontrolliere, wenn man ihm Bundesmittel gibt. Stellen Sie sich einmal vor, es sagte nun einer: die Bayern erhalten doch Bundesmittel, also muß man doch kontrollieren, wie sie verwendet werden ...
— Etwas interessanter — finden Sie nicht auch? — als ein langweiliger Föderalist!
Der Föderalismus scheint es so an sich zu haben, Frau Kollegin Kalinke. Sie haben den Antrag Nr. 40 eingebracht, wo es heißt: bei der Zuwendung von Mitteln des Bundes an Berlin soll die Verwendung dieser Mittel an die Zustimmung eines von der Bundesregierung zu bestellenden Bundeskommissars gebunden sein. Vielleicht ist das sachlich richtig. Aber dann darf man nicht aus kleinen Liebhabereien
eine Religion des Absoluten machen wollen.
- Sie haben ein ausgesprochenes Talent, sich klar auszudrücken!
Herr Dr. Etzel hat einen Dithvrambus auf das bündische Prinzip gesungen. Das hat mich gefreut. Auch ich bin der Meinung, daß in dem bündischen Prinzip eine sehr humane und sehr schöpferische Kraft liegt. Aber das bündische Prinzip wollen wir doch heute nicht im Masstabe Krähwinkels aktualisieren, sondern im europäischen Maßstab!
Einer von Ihnen hat einmal gesagt, die deutschen Länder müßten im Gänsemarsch in Europa einmarschieren. Meine Damen und Herren, Europa ist kein Hühnerhof! So wird es nicht kommen.
— Einer von Ihnen, nicht gestern, sondern schon vor längerer Zeit.
Nun werde ich noch etwas sagen, und jetzt werde ich sehr ernst. Sie haben auch Österreich angesprochen. Ich will Ihnen nicht die Unehre antun, zu glauben, als ob Sie etwas wie „Anschluß" nazistischer Art gemeint hätten. Das haben Sie nicht getan. Was aber hier geschehen ist, ist höchst gefährlich, denn es klang, etwas an von. dem Mythos des „Heiligen Reichs der Deutschen", als Mythos großartig, aber als Realität eine bittere und gefährliche Sache.
Sehen Sie, diese Art von Romantik hat die Eigenschaft, über ihre Begründer hinauszuwachsen. Es lohnt sich manchmal, ein bißchen Hegelsche Logik zu studieren, Herr Seelos! Sehen Sie, solche Dinge pflegen in der nächsten Generation umzuschlagen. Ein Mann wie Constantin Frantz ist auch ein Verläufer des Nazismus gewesen,
nicht nur wegen seines Antisemitismus! Sehen Sie: es hat wenig Dinge zu Beginn des 19. Jahrhunderts gegeben, die so großartig und lauter und rein gewesen wären wie die deutsche Nationalbewegung, etwa verkörpert in der frühen Burschenschaft. Aber diese Bewegung fand sehr bald ihren Treitschke, und damit wurde sie pervertiert: sie wurde zum Impuls des kleindeutschen PreußenDeutschland und machte dieses zur imperialistischen Macht Kontinental-Europas.
Weil ich mir vorstellen muß, daß auch Ihr neuer romantischer Überschwang einmal seinen Treitschke finden könnte, deswegen rufe ich Ihnen zu — im Guten —, meine Herren:
Nehmen Sie diesen Traum von Ihrer Stirn und kehren Sie zurück zu einer nüchternen Betrachtung dieser Dinge!
Herr Dr. Richter hat hier in einem anderen Ton von ähnlichen Dingen gesprochen. Das war schon eher alldeutscher Anspruch virulenter Art! Wir haben das aber bei Schönerer und Rudolf Jung schon besser gelesen, — den beiden Autoren, die das Geschichtsbild eines Linzer Realschülers namens Adolf Hitler gebildet haben. Und, Herr Kollege Richter, durch die Lektüre Mosleys ist es nicht besser geworden.
Ich glaube, daß Anlaß besteht — und damit erweise ich Ihnen eine Ehre —, auf diese Dinge genau zu achten und rechtzeitig das Paroli zu bieten, das wir seinerzeit zu bieten vergessen haben!
Sie haben sich, Herr Dr. Richter, darüber beklagt, daß in diesem Hause einige dagegen gewesen sind, daß „Einigkeit und Recht und Freiheit" gesungen wurde, und Sie haben gemeint, diesen Leuten liege offenbar nichts an Einigkeit und Recht und Freiheit. So einfach ist es nicht. Wir wollen
kein Lied zur Nationalhymne haben, das dadurch entehrt worden ist, daß dieses Volk es zwölf Jahre lang zur ersten Strophe des Horst-Wessel-Liedes degradiert hat!
Sie haben, Herr Dr. Richter, mit bewegten Worten über das Unrecht geklagt, das nach Abschluß der Kämpfe den Deutschen im Osten und Westen zugefügt worden ist. Hierzu ist zu sagen, daß wahrlich viel geschehen ist, was sich neben Tatbestände stellen kann, für die man in Landsberg Leute gehängt hat.
Aber das Recht, hier moralisch anzuklagen, haben doch wohl nur diejenigen, die sich seinerzeit über Sauckel, über die Austreibung und Ausrottung der Juden und Polen, über Lidice, über Auschwitz und über Oradour wenigstens geschämt haben!
Wenn hier von einigen Fällen späterwachten Widerstandsgeistes gesprochen worden ist, dann sage ich, meine Damen und Herren: Konversionen nach Stalingrad sind demokratisch uninteressant.
Die Regierung hat ein lautes Bekenntnis zu den föderativen Grundlagen des Grundgesetzes abgegeben. Herr Dr. Seelos, Sie waren wirklich undankbar gegen die Alliierten; denen verdanken wir doch das meiste davon.
Der Föderalismus, zu dem sich die Regierung bekannt hat, regt in mir zwei Fragen an: Meinen Sie Föderalismus assoziativ oder dissoziativ? Meinen Sie Föderalismus als Vereinigung dessen, was getrennt ist, oder als Trennung von etwas, was vereint ist? Wir sagen Ja nur zu der ersten Möglichkeit, Herr Kollege Kiesinger, und da sagen wir freudig Ja. Wir hoffen, die Regierung meint es auch so .... Nun bitte ich — mit allem Respekt —, mich an die Regierungsbank wenden zu dürfen. Gewisse Personen dort erwecken bei uns Zweifel. Diese Regierung wird, wenn wir sie ganz richtig bezeichnen wollen, von uns als Regierung AdenauerSchäffer bezeichnet werden müssen.
Einige der Hüter der Verfassung haben seinerzeit gegen dieses Grundgesetz gestimmt,
weil es ihnen zu unerträglich zentralistisch erschien. Da haben wir nun den Verdacht — Sie sollten sich also über unsere Zweifel nicht wundern, Herr von Brentano —, daß vielleicht einige dieser Herren denken könnten, jetzt auf organisatorischem Wege das schaffen zu können, was ihnen in Bonn zu schaffen nun einmal nicht gelungen ist. Wir werden darüber wachen, daß Deutschland nicht weiter dissoziiert wird
und daß damit der Preis, den Sie, Herr Bundeskanzler, für den bayerischen Sukkurs zahlen mußten, nicht allzusehr auf Kosten der deutschen Zukunft geht.
Vielleicht werden wir dabei auch Sie zum Bundesgenossen erhalten, Herr Bundeskanzler.
Wenn man sich anschaut, was sich in gewissen Ländern in den Staatskanzleien alles an politischer Energie und an Politikfreudigkeit zusammengeballt hat, dann kann man — konnte man — gelegentlich Bilder unbeschreiblicher Komik sehen. Manche Staatskanzleien trieben nämlich Außenpolitik gegen andere Staatskanzleien.
Es gab da etwas wie eine Doktrin des innerdeutschen Gleichgewichts. — Sie rufen „Tübingen". Ich will Ihnen gleich etwas sagen. Die Tübinger Staatskanzlei bestand zu meiner Zeit aus zwei Beamten, als die Freiburger aus 34 bestand.
Vielleicht war das notwendig. Man hat damals Legationsräte noch und noch eingestellt, Gott sei Dank, denn jetzt haben wir wenigstens Protokollchefs zur Verfügung ....
Aber abseits dieser Scherze, meine Damen und Herren: nichts ist heute für dieses Volk notwendiger als eine ernsthafte und konsequente Außenpolitik, und hier muß ich sagen, daß mir die Zurückhaltung des Herrn Bundeskanzlers, kein Auswärtiges Amt zu errichten, höchst weise erscheint. Ob das aus Erkenntnis geschehen ist oder weil die Schaffung eines solchen Amtes die Geburtswehen der Kabinettsbildung verschlimmert hätte, das ist gleichgültig; wir freuen uns des Resultats.
Unser Staat ist noch nicht in der Lage, eine institutionelle Außenpolitik im klassischen Sinn zu treiben. Zu einer solchen Politik gehören eine Reihe von Voraussetzungen, von denen die wichtigste die Möglichkeit ist, sich seine Partner frei zu wählen.
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Die haben wir nicht. Es gehört dazu die Möglichkeit der Universalität der politischen Beziehungen. Es gehört dazu die Möglichkeit, dies zu einem System korrespondierender Röhren auszubauen, und es gehört die Möglichkeit dazu, den politischen Entschlüssen einen Zug zum Permanenten hin zu geben. Das alles können wir heute, wo wir unter Fremdherrschaft leben — noch leben —, nicht. Der Plafond des Raums für eine deutsche staatliche Außenpolitik ist das Besatzungsverhältnis. Das bildet den geometrischen Ort, auf dem sich die staatliche politische Aktivität, die wir leisten können, vollzieht. Jeder staatliche Akt, der darüber hinausreichen wollte, würde sich im Prisma der Hohen Kommission brechen müssen.
Außerdem: wir müssen noch ein wenig warten, bis gewisse Traditionen der Wilhelmstraße ausgestorben sind.
Es gibt mehr Nadolnys, als die Nadolnys selber wissen.
Wir können und wollen mit einer Tradition, die letztlich nur Ausspielen von Ost und West, „Rückversicherungsverträge" usw. kannte, nichts mehr anfangen.
Wir können auch nichts anfangen mit einer neuesten Tradition des Wilhelmstraßenfortsatzes: mit
den Abendlandrezepten im Sinne einer Option für die Politik westlicher Staaten, indem man Deutschland zum Instrument dieser Politik anbietet.
Auch dafür stehen schon Spezialisten in Deutschland an. Man sollte nicht den Fehler machen, im freudigen Streben, den Nationalismus früherer Zeiten in den Orkus zu werfen, zu glauben, Antinationalismus bedinge, daß eine deutsche Politik notwendig Funktion der nationalen Interessenpolitik fremder Länder sein müsse,
liegen diese Länder nun östlich oder mögen sie westlich liegen.
Wenn man dabei, wie es gelegentlich geschieht, vor der Gefahr der Selbstisolierung warnt — es gibt Zeiten, wo Isolierung das beste Mittel ist, um sich vor dem Aufgefressenwerden zu schützen. Denken Sie an das unvorsichtige Rotkäppchen!
Vielleicht sollten wir ein wenig an gewisse Maximen des letzten Jahrhunderts denken. Ich denke da an ein Wort Cavours: Italia fara da sè, Germania farà da sè! Deutschland wird sich aus sich selber bilden!
— Herr Seelos, Sie haben auf Außenpolitik studiert; ich weiß es. Ich bitte Sie um die Erlaubnis, als Dilettant gelegentlich einen Fehler begehen zu dürfen.
Und, meine Damen und Herren, die Leute, die eine solche deutsche Politik in ein System bringen könnten, sind als Team noch nicht vorhanden. Wir sollten uns daran gewöhnen, in der Geduld nicht nur ein Nichttun zu sehen, sondern eine höchst wirksame Kraft.
Sie würden mich äußerst mißverstehen, wenn Sie glaubten, daß diese Worte Ausdruck defaitistischer Gesinnung seien. Auch ohne Auswärtiges Amt und auch ohne Gesandtschaften und Botschaften ist ein Land wie Deutschland ein Agens der Politik in der Welt.
Deutschland ist durch sein Dasein, seine Masse, seinen Ort und durch seine Zukunft ein außenpolitisches Agens in potentia.
Dieses immanente Potential gilt es von Fall zu Fall zu aktualisieren.
Wir müssen als Volk eine deutsche Politik anlegen, das heißt eine Politik, die nicht Funktion fremden Willens ist, sondern Produkt des Willens dieses Volkes. Wir müssen es tun, um eine europäische Politik machen zu können,
das heißt eine Politik, in der begriffen ist, daß alles, was ist, Funktion gesamteuropäischer Ursachen ist und daß alles, was wir zu tun haben, auf Europa hinführen muß, sei es unmittelbar, sei es mittelbar im Reflex.
Man hat vom Primat der Außenpolitik gesprochen. Aber mir will scheinen, als ob einige der Kollegen, die es taten, damit das „Innere" der
Politik zu weit in den Hintergrund geschoben hätten. Jede Außenpolitik hat ihr „inneres" Substrat. Beide müssen aneinander angepaßt sein; sonst gibt es einen Bruch. Es ist keine wirksame Außenpolitik möglich ohne das rechte Verhältnis eines Volkes zu sich selbst. Solange ein Volk mit dem nicht fertig geworden ist, was ihm zu tun obliegt, um „in Verfassung" zu kommen — nicht im Verstande der Staatsrechtslehrer; ich meine das so, wie Lassalle das Wort verstanden hat, wenigstens im Sinne des Durchbruchs zum Entschluß, in Verfassung zu kommen —, kann es höchstens eine fragmentarische oder eine hysterische Außenpolitik oder eine solche der Unterwerfung treiben. Auf jeden Fall aber wird es — mag es diese oder jene Außenpolitik treiben — dem Untergang zutreiben.
Heute ist diesem Volke aufgegeben, sich im Kampf um die Verwirklichung einer lebendigen Demokratie zu integrieren — Demokratie als die politische Form des Willens eines Volkes zur Selbstbehauptung, zur Selbstbestimmung und zur Selbstachtung verstanden.
Das bedingt aber, meine Damen und Herren — und hier muß ich mich wiederholen —, daß man die sozialen und strukturellen Konsequenzen der Postulate der Demokratie, wie sie dieses 20. Jahrhundert und nicht das 19. Jahrhundert aufgerichtet hat, zieht. Nur wenn dieses Volk, das Volk der Arbeiter, der Städter und Bauern Deutschlands, weiß: in diesem Lande lebt man richtig, und das heißt: nach dem Gesetz dieser Zeit; und wenn es weiß: in diesem Lande lohnt es sich zu leben, wird es möglich sein, eine echte, systematische, eigenständige Außenpolitik zu treiben, die gleich weit entfernt ist von dem Surrogat der Selbstachtung, das Nationalismus heißt, wie von der Flucht in die Unterwerfung.
Politik heißt: das Notwendige möglich machen. Das Ziel unserer Politik muß sein, das Notwendige, nämlich die Wiedergewinnung der deutschen Freiheit und der deutschen Einheit, möglich zu machen. Aber man sollte sich vor der Versuchung hüten, über Schatten zu springen, nicht nur über den eigenen, sondern auch über die Schatten der Zeit. Es gibt kein Betrugen gegen die Fakten; es gibt darum auch kein Überspringen von Etappen. Man sollte nie aus dem Sinn lassen, daß man nur machen kann .,la politique de ses moyens", die Poli-tik der Mittel, die einem zur Verfügung stehen. Aber man sollte heute von den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, nicht zu gering denken! Man sollte nicht vergessen, daß es auf bestimmten Gebieten und in bestimmten Situationen eine potentielle Überlegenheit des Besiegten über den Sieger gibt. Wir sollten uns weiter davor hüten, uns in Fiktionen abdrängen zu lassen: man wird uns im Laufe der Zeit eine Reihe von „Freiheiten" anbieten; aber jede „Freiheit" engagiert korrespondierende Verantwortungen, das heißt, daß nur dort echte Freiheit ist, wo man funktionsmäßig in der Lage ist, sie zu realisieren. Manche „Freiheiten" darf man nicht annehmen, weil man sonst vielleicht die Freiheit schlechthin gefährden könnte. Der praktische und tätige Hinweis darauf, daß jeder, der sich auf die Totalität eines Sieges und auf gewisse Vorbehaltsbefugnisse in deutschen Angelegenheiten beruft, dafür auch mit erhöhter Verantwortung bezahlen muß, wird von uns manchen Verzicht auf halbe Lösungen bedingen; es wird aber der einzige Weg sein, um zur ganzen Lösung des Problems zu kommen, und damit zur Freiheit und Einheit Deutschlands. Das
Schädlichste, was es in der Politik gibt, ist, was Niccoio Macchiavelli „la via del mezzo" genannt hat. Er meint nicht den goldenen Mittelweg, sondern die Politik des halben Weges.
Es ist ganz klar, daß das erste konkrete Ziel der Außenpolitik der Regierung die Schaffung eines rechten Verhältnisses zu den Besatzungsmächten sein muß. Die äußere Form, in der dieses Verhältnis sich allein gestalten kann, ist das Besatzungsstatut. Man muß das richtig sehen. Das Besatzungsstatut ist kein Ausführungsgesetz zur Haager Landkriegsordnung.
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Die heutige Besetzung Deutschlands ist keine Sicherheitsbesetzung im Sinne der Haager Landkriegsordnung, sondern eine interventionistische Besetzung, das heißt eine Besetzung zu dem Zweck. fremden Mächten in Deutschland die Möglichkeit zu geben, bestimmte Dinge vorzunehmen, die sonst nach dem Gesetz der Souveränität nur von den Deutschen vorgenommen werden könnten. Das geschah bisher par ordre de mufti, unkontrollierbar und ganz nach dem freien Ermessen der Militärregierung.
- Das Besatzungsstatut, Herr Kollege Renner, hat in diese Dinge wenigstens den Anfang eines geordneten Verfahrens gebracht!
- Ich werde davon noch sprechen, verlassen Sie sich darauf. - Solange wir keinen Friedensvertrag haben, durch den wir gewisse Dinge als Rechtens anerkennen, ist alles, was hierbei geschieht. als im Bereich der Faktizität geschehen zu betrachten, und die Regierung sollte beim Anerkennen bestimmter Situationen vorsichtig sein, sei es im Sinne direkten Anerkennens oder im Sinne des Anerkennens durch konkludente Handlungen.
Das Wesentliche der Interpretation des Besatzungsstatuts wird durch die Praxis der nächsten Wochen geleistet werden müssen. Da wird im Verkehr zwischen Bundesregierung und Hoher Kommission die genauere Abgrenzung und Detaillierung der vorbehaltenen Sachgebiete zu erfolgen haben da muß über Art und Weise der Geltendmachung dieser Vorbehaltsrechte eine etwas klarere Vorstellung gebildet werden, als sie bisher besteht. Man sollte sich insbesondere davor hüten, bei internalliierten Anordnungen auf Sachgebieten, die die Alliierten sich vorbehalten haben, eine deutsche Unterschrift vorschalten zu lassen.
Man wird auch interpretieren müssen, was denn eigentlich „Kontrolle" im Sinne des Besatzungsstatuts heißt - ob das ein milderes Wort für „Anweisung" und „Befehl" ist oder, wie man uns in Mainz versprochen hat, ein grobes Wort für „Beratung" der Regierung durch die Hohen Kommissare, oder ob es mit dem identisch ist, was wir Einspruch nennen. Das alles wird man ausfechten müssen.
Die Sache mit der Abwertung der D-Mark war ein schlechter Start.
Es scheint so, als ob gewisse Einsprüche gegen den von der Regierung gewünschten Umrechnungssatz hauptsächlich von der Absicht bestimmt gewesen wären, gewissen Abnehmern von Ruhrkohle billigen Ruhrkoks zu sichern.
Wir sind auch der Meinung, daß es besser gewesen wäre, wenn die Bundesregierung dieses Haus rechtzeitig von diesen Verhandlungen unterrichtet hätte. Ich meine das nicht in dem Sinne, daß man nun alles, was zur Beratung stand, hier hätte erzählen sollen; aber den Rahmen, in dem sich das Verhandeln bewegt hat, hätte man diesem Hause vielleicht darlegen können.
- Ja, das hätte man gekonnt! Vielleicht hätten wir dabei dem Herrn Bundeskanzler einige Hilfe leisten können, und sei es nur durch den Hinweis darauf, daß in allen Devisenangelegenheiten der Hohe Kommissar der Vereinigten Staaten von Amerika gegenüber seinen beiden Kollegen ein hochqualifiziertes Stimmrecht hat.
Es hätte sein können, daß ein amerikanisches Presse-Echo auf ein solches Wort in diesem Hause dem Hohen Kommissar der Vereinigten Staaten in Deutschland ein anderes Verhalten als das, das ihm beliebt hat, hätte nahelegen können.
Mir hat auch der Ton nicht gefallen, in dem der Beschluß abgefaßt worden ist.
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Herr Bundeskanzler! Mir hat auch nicht gefallen, wie Sie gestern dieses Hohe Haus abgekanzelt haben. Man sollte das Parlament nicht nur für einen Störenfried halten. Bei allem Respekt, den wir vor der Regierung haben, sind wir doch auf unseren beschränkten Untertanenverstand recht stolz.
Ich meine übrigens, daß die Bülowschen Lebenserinnerungen nicht die empfehlenswerteste Lektüre für einen demokratischen Staatsmann sind.
Es ist ganz klar, daß das Verhältnis zur Hohen Kommission so arbeitsergiebig wie möglich gestaltet werden muß. Aber das gelingt nicht immer dadurch, daß man nur Ja sagt. Oft wird durch ein „Nein" zur rechten Zeit ein besseres Verhältnis geschaffen als durch zuviel Ja.
Die Revision des Besatzungsstatuts ist eine dringende Notwendigkeit. Sie wird nicht ein Geschäft für Juristen, sondern eine Sache der Praxis sein. Diese Abänderung wird ausgekämpft werden müssen. Durch Finassieren werden wir hier nichts erreichen; denn Politik ist nicht Advokatur. Bei der Politik handelt es sich nicht darum, recht zu haben, sondern recht zu behalten,
und es handelt sich darum, Fakten anzuerkennen und Fakten anzugehen. Noch besser allerdings ist es, ein neues Recht zu schaffen, das die Gravamina gegenstandslos macht. Das wird man hier nur können, wenn man auch die Probleme, die die Besatzung aufgibt, auf eine andere als die nation al-staatliche Ebene hebt, nämlich auf die gesamteuropäische Ebene.
Es gibt keine konkretere politische Aufgabe im Großen, als das für alle Notwendige — nämlich Europa! — auch von Deutschland aus möglich zu machen,
nicht das Europa des Novalis, nicht das Europa der
Heiligen Allianz, auch nicht eine Europa-AG, son-
dern ein echtes Commonwealth, einen europäischen Bundesstaat, an den die europäischen Staaten von heute wesentliche Teile ihrer Souveränität abgeben.
— Ja, freiwillig! — Wir müssen endlich das törichte Dogma vom Monismus der Souveränität in die Wolfsschlucht werfen!
Dieses Europa kann nur Voll-Europa und nicht Klein-Europa sein; denn Klein-Europa wäre nichts anderes als ein Streifen an den Ufern der sieben Meere, ein amerikanischer Brückenkopf oder eine Verlockung für den Osten Darm ist der Eiserne Vorhang nicht allein ein deutsches Problem, sondern er ist ein europäisches Problem. Wir vergessen zu oft, daß der Eiserne Vorhang nicht von Stettin bis Hof, sondern von Stettin bis Triest reicht!
Die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands ist also ein europäisches Anliegen. Wir müssen uns aber klar sein, daß die Voraussetzung dafür, daß sie geschehen kann, eine Einigung der vier Besatzungsmächte über eine gemeinsame Deutschlandpolitik ist. Was können w i r dabei tun? Als Volk können wir uns dabei so verhalten, daß es den westlichen Besatzungsmächten - bei Gefahr des Verlustes ihrer Ehre — unmöglich wird, sich einem - vielleicht erwünschten — Diktat des Ostens zu fügen. Dafür müssen wir aber für bestimmte Dinge Beweis antreten: nämlich dafür, daß der Westen entschlossen ist, alles zu tun, um dem Osten das Leben möglich zu machen! Und, als Regierung können wir dabei folgendes leisten: nämlich nichts zu tun, was die Alliierten aus ihrer Verantwortung entlassen könnte, sei es durch vorzeitige Anerkennung bestimmter Situationen, sei es dadurch, daß man Ausweichtore öffnet. Es werden da manche Versuchungen im verführerischen Gewand der Erweiterung unserer Souveränitätsmarge an uns herantreten. Wir dürfen diesen Versuchungen nicht erliegen!
Die Voraussetzung für die Wiedervereinigung des Ostens kann man nicht ohne eine aktive BerlinPolitik schaffen. Es sind hier gute Worte über die Hilfe — die wirtschaftliche und finanzielle Hilfe —, die man Berlin bringen muß, gefallen, Worte, die ich ernst nehme. Wir müssen aber mehr tun als das. Wir müssen auch eine aktive Staatspolitik im Hinblick auf Berlin treiben.
Man hält mir hier das alliierte Veto entgegen. Mein Gott, ja; es wurde ausgesprochen. Aber wir können in diesem Haus — und man kann besonders auf Ihrer Bank, meine Herren Minister, Berlin so behandeln, als ob es heute schon das zwölfte Land der Bundesrepublik Deutschland wäre!
Man kann sich dabei so verhalten, daß das Plazet der Hohen Kommissare dereinst nur noch eine Formalität sein wird.
Über die Oder-Neiße-Linie ist nichts mehr zu sagen. Nur folgendes möchte ich hier — warnend — sagen: Beziehen wir in diesen Komplex nicht das Sudetenland ein! Bannen wir alle Vorstellungen vom weiland Großdeutschen Reich!
Die Sudetendeutschen müssen in ihre Heimat zurück und müssen dort gleichberechtigt mit den anderen Völkern Böhmens und Mährens leben in
einem Europa, das — ich variiere hier ein Wort Masaryks — eine höhere Schweiz werden muß!
Und was den Westen anbetrifft, so kann auch hier unsere Politik nur europäisch sein. Sie ist belastet mit einer Reihe von Hypotheken; aber wir sollten einsehen, daß diese Hypotheken nicht von ungefähr zu unseren Lasten in das Grundbuch der Geschichte eingetragen sind: Demontagen, Reparationen, Besatzungskosten, Grenzkorrekturen, Ruhrstatut und die Saar. Wir müssen versuchen, damit fertig zu werden, wir müssen versuchen, damit sauber fertig zu werden und unter Verzicht auf Fiktionen. Manches davon wird endgültig nur europäisch gelöst werden können; durch falsche nationalstaatliche Lösungen könnten wir Europa gefährden.
Jeder Redner hat von der Notwendigkeit der Bereinigung unseres bösen Verhältnisses zu Frankreich gesprochen. Ja, ja und nochmals ja! Das muß geschehen, aber es muß auf soliden Grundlagen geschehen und darf nicht nur auf Beteuerungen und moralische Überforderungen hüben und drüben gegründet werden. Man sollte von uns nicht verlangen, daß wir ständig im Büßerhemd herumlaufen. Darauf läßt sich eine Zukunft nicht aufbauen. Und wir sollten nicht von den Franzosen verlangen. schlicht zu vergessen. Nur wenn wir bereit sind, unsererseits den Beweis zu liefern, daß w i r nicht vergessen, warum alles so gekommen ist, werden wir den Franzosen sagen dürfen: Nun solltet ihr einiges vergessen!
Um dafür die Grundlagen zu schaffen, ist es nötig, klare Tatbestände zu setzen und alle Zwielichtsituationen zu vermeiden, aus denen die giftigen Fledermäuse des Nationalismus ausschwärmen könnten. Endgültig gelöst — gelöst auch in dem Sinne, in dem man von der Gelöstheit einer Haltung spricht — wird das deutschfranzösische Verhältnis erst dann sein, wenn wir die Vereinigten Staaten von Europa unter Dach und Fach gebracht haben.
Manche meinen, das Ruhrstatut sei ein guter Weg dazu. Ich glaube es nicht. Ich fürchte, daß, das Ruhrstatut eher ein Hindernis auf dem Wege nach Europa sein wird als eine offene Tür. Wir werden darüber in den nächsten Tagen zu diskutieren haben; es liegt ja ein Antrag vor. Die Regierung wird sich entscheiden müssen — denn wir sind uns doch wohl alle einig, daß dieses Ruhrstatut transformiert werden muß —, ob sie glaubt, es könne besser dadurch transformiert werden, daß man es ausdrücklich anerkennt und so drei Stimmen in der Ruhrbehörde erhält, oder ob es nicht vielleicht sicherer dazu kommen könnte, wenn man das Statut nicht anerkennt und so eine neue Prüfung des Problems veranlaßt.
Und was nun die Saar anbetrifft, da habe ich zu meinem Bedauern — — Vielleicht fragen Sie, Herr Präsident, ob ich noch weiterreden darf?
Ist das Hohe Haus damit einverstanden, daß der Herr Abgeordnete noch fünf Minuten spricht?
— Danke schön.
Danke!
Ich habe zu meinem Bedauern feststellen müssen, daß die Bemerkungen, die der Herr Bundeskanzler über das Saargebiet gemacht hat, in der im Bundesanzeiger abgedruckten Regierungserklärung nicht enthalten sind,
und es hat mich geschmerzt, daß der Herr Bundeskanzler davon gesprochen hat, daß Frankreich Interessen im Saargebiet hat — was richtig ist —, daß aber auch Deutschland „Interessen" im Saargebiet habe. Man spricht nur dort von „Interessen" eines Staates in einem anderen Gebiet, wo dieses Gebiet ein fremdes Gebiet ist. Das Saargebiet aber ist ein Stück Deutschland!
Es gibt keine Saarfrage, wie es einmal — mit Recht — eine elsaß-lothringische Frage gegeben hat. Es gibt eine Realität „Saarkohle" und „lothringisches Erz", die durch eine politische Grenze getrennt sind, und das Problem ist: wie bringt man diese Kohle und dieses Erz zusammen, obwohl eine politische Grenze dazwischen läuft?
Die Methoden von früher, Annexionen usw. sind heute nicht mehr möglich. Wir meinen aber, daß die hybride Methode, die man vor einigen Jahren in Saarbrücken exerziert hat, unseres Jahrhunderts auch nicht würdig ist. In Asien und Afrika baut man die Rechtsfigur des Protektorats langsam ab, und hier im Herzen Europa errichtet man eine Protektoratsverfassung! Wenn man sich dabei auf den Willen des Saarvolks beruft — man wage doch eine Volksabstimmung im Saargebiet!
Es muß hier eine Lösung gefunden werden, die dieser Zeit und der Atlantik-Charta würdig ist. Am besten wäre es natürlich, wir könnten heute schon die europäischen Bodenschätze eurdpäisieren. Das können wir aber leider noch nicht. Nächstdem wäre es auch noch eine gute Sache, wenn man das Potential von Ruhr, Saar und Lothringen — Kohle, Erze, Eisen, Stahl — zu einem wirtschaftlichen Zweckverband vereinigen könnte. Auch das wird heute noch nicht gehen. Aber schon heute könnte man eine Vereinbarung zwischen Deutschland und Frankreich treffen, deren Ergebnis ein unbehinderter Zugang des Erzes zur Kohle und der Kohle zum Erz sein könnte. Ich denke an etwas -wie den alten deutschen Zollverein mit seinen legislativen und administrativen Befugnissen. Eine solche Lösung würde allen französischen Interessen gerecht werden und einen recht giftigen Pfeil aus dem Körper Europas ziehen.
Wir werden sehr bald vor der Frage stehen, wie wir uns zum Europa-Rat in Straßburg stellen sollen. Ich meine, daß wir warten sollten, bis man uns einlädt. Ich meine auch, daß wir nicht als mehr sollten hineingehen wollen, als wir sind: wir haben noch keine Möglichkeit einer souveränen Außenpolitik; darum kann ich mir einen deutschen Minister im Ministerrat des Europa-Rates nicht vorstellen. Wir sollten nur als assoziiertes Mitglied nach Straßburg gehen wollen, nicht nur deswegen, weil man uns anders nicht einladen wird. Ich glaube, wenn wir uns hierbei auf das Mögliche beschränken, dann wird uns das früher die Freiheit bringen, als fiktive Gleichberechtigungen es könnten!
Meine Damen und Herren! Wie wir die Opposition zu führen gedenken, ist hier schon zu zweien Malen gesagt worden. Ich will dazu noch einige ergänzende Worte sagen. Opposition bedeutet für uns nicht eine Respektabilitätsbezeichnung für jene, „die nicht mitmachen dürfen". Wir betrachten uns nicht als eine Art „Klub der Mißvergnügten". Opposition ist nicht die Bremse am Wagen der deutschen Politik! Opposition ist der andere Beweger der deutschen Politik.
Regierung und Opposition bilden nur zusammen die Gänze der deutschen politischen Kräfte!
Meine Damen und Herren, nehmen Sie diese Worte nicht allzusehr irenisch; sie sind kein Bekenntnis zur Sanftmut. Es wird Kampf geben,
das liegt in der Natur der Sache. — Sie kennen das Wort von den Kartoffeln, Herr Kollege Hilbert; ich brauche es Ihnen nicht zu sagen. — Diesen Kampf zu vermeiden, ist keine Sache des guten Willens allein. Sache des guten Willens aber ist, wie dieser Kampf geführt wird. Wir wollen ihn fair führen und hoffen von der Regierungskoalition, daß die Art, wie sie ihn führen wird, so sein wird, daß wir nicht ausschließlich gezwungen sein werden, gegen sie zu kämpfen, sondern daß unser Kampf ein Wettstreit um die Bürgerkrone, ein Wettkampf um den Ruhm, unserem Volke am besten gedient zu haben, werden kann.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat mich gebeten, eine Unterbrechung der Sitzung vorzunehmen und zunächst einmal den Ältestenrat zusammenzuberufen, um ihm die Möglichkeit zu geben, von dem Ergebnis — wie ich annehmen darf — der heutigen Besprechung zu berichten, und anschließend vermutlich im Plenum.
Meine Damen und Herren, damit wir nicht wieder die Mißverständnisse wie gestern nachmittag erleben, möchte ich vorschlagen, daß wir auf ungewisse Zeit unterbrechen. Ich werde etwa zehn Minuten vor Beendigung der Besprechung im Ältestenrat das Zeichen zum Wiederzusammentritt geben lassen.
Die Sitzung ist unterbrochen.
Die Sitzung wird um 16 Uhr 44 Minuten wieder aufgenommen.
Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Das Wort hat zunächst der Herr Bundeskanzler zu einer
Erklärung über die Besprechungen mit den drei
Hohen Kommissaren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und meine Herren! Heute vormittag hatten einige Vertreter der Bundesregierung eine mehrstündige Unterhaltung und Beratung mit den Alliierten Oberkommissaren. Über den Verlauf dieser Be-
sprechung geben die Oberkommissare an die Presse eine Mitteilung, die ich Ihnen jetzt verlesen möchte:
Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland traf sich heute morgen mit den alliierten Hohen Kommissaren, um gewisse allgemeine Fragen zu erörtern, die sich auf den gestern von der Hohen Kommission gefaßten Beschluß über die Neufestsetzung des Umrechnungskurses der D-Mark beziehen. Es fand ein Gedankenaustausch in voller Offenheit auf beiden Seiten statt. Die Hohen Kommissare erklärten im einzelnen die ihrem Beschluß zu Grunde liegenden Motive, die aus dem Wunsch entspringen, die Interessen Europas im ganzen aufeinander abzustimmen, die europäische Wirtschaft zu fördern und Deutschland in die europäische Gemeinschaft einzugliedern. In diesem Sinne müßten die drei Punkte des Beschlusses der Hohen Kommission verstanden werden. Man kam überein, daß juristische Sachverständige der vier Länder zusammentreten sollen, um die Anwendungen gewisser Bestimmungen des Besatzungsstatutes und das Verfahren für die Behandlung ähnlicher Fragen in der Zukunft zu prüfen. Es wurde festgestellt, daß die endgültige Entscheidung aller dieser Fragen bei der Hohen Kommission verbleiben muß. Die heutige Sitzung Wird von weiterem Gedankenaustausch gefolgt werden. Der Bundesregierung bleibt überlassen, neue Vorschläge zur Ausführung des Paragraphen 3 des Beschlusses der Hohen Kommission zu machen.
Meine Damen und Herren, ich darf wohl feststellen, daß das Hohe Haus diese Erklärung des Herrn Bundeskanzlers zur Kenntnis genommen hat.
Ich erteile nunmehr dem Herrn Bundeskanzler das Wort zur
Antwort auf die bisherige Aussprache über die
Regierungserklärung
Meine Damen und Herren! Die Diskussion zur Regierungserklärung hat sich über so viele Tage erstreckt und es ist so viel dabei angeregt worden, daß Sie verstehen werden, wenn ich nicht zu allen gemachten Ausführungen und Ausstellungen im einzelnen Stellung nehme. Aber seien Sie überzeugt davon, daß alles sehr sorgfältig geprüft wird, was gesagt worden ist, und daß die Bundesregierung auch dort, wo es ihr richtig erscheint, die nötigen Konsequenzen daraus ziehen wird. Ich möchte - wenn ich nunmehr auf einzelne Ausführungen eingehe — anfangen mit dem, was der Herr Kollege Schmid gesagt hat, weil mir das am frischesten im Gedächtnis ist. Er hat mich ermahnt, ein Bundeskanzler dürfe seine Zeit nicht damit vertun, die Memoiren oder die Lebenserinnerungen des Fürsten Bülow zu lesen. Ich kann dem Herrn Kollegen Schmid versichern, erstens daß ich jetzt keine Zeit dazu habe —
und zweitens, daß ich es auch früher nicht getan habe.
— Der Herr Kollege Renner hat meine Geschichte zum Teil miterlebt.
Aber sehen Sie, meine Damen und Herren, wenn nun der Zufall mir gerade eine Nummer der „Zeit" in die Hände spielt, in der ein so ausgezeichnetes Zitat stand,
— ja ich komme noch darauf, Herr Schmid — dann heißt es doch viel verlangt, wenn man etwas Derartiges unterdrücken soll. Aber ich darf hinzufügen, daß ich gesagt habe, ich nehme nicht an, daß ein Mitglied dieses Hauses so gewissenlos wie dieser Reichstagsabgeordnete gewesen ist.
Nun, meine Damen und Herren, möchte ich noch etwas weiteres zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Schmid sagen, und zwar zu den Ausstellungen über meine Ausführungen zur Saarfrage. Warum diese Ausführungen nicht in dem „Bundesanzeiger" veröffentlicht sind, weiß ich nicht.
Ich habe keine Zeit dazu, den Regierungsanzeiger zu lesen, aber schließlich kommt es doch darauf an, was hier im Stenogramm steht. Ich darf folgendes wiederholen. Ich habe gesagt: die Franzosen haben ein wirtschaftliches Interesse, wir Deutschen haben ein wirtschaftliches u n d ein nationales Interesse.
Ich habe weiter gesagt: schließlich haben die Saarländer auch ein Lebensinteresse. Ich glaube, wenn man meine Ausführungen im Zusammenhang nimmt, dann wird man schlechterdings nicht sagen können, daß ich die Saarfrage irgendwie als quantité négliable betrachtet hätte. Im Gegenteil, meine Damen und Herren, ich bedauere die Entwicklung der Saarfrage außerordentlich, einmal aus deutschem Interesse und zweitens aus europäischem Interesse heraus. Ich glaube aber nach wie vor daran, daß sich doch eines Tages im europäischen Rahmen eine Regelung der Saarfrage finden wird, die unseren berechtigten wirtschaftlichen und nationalen Interessen genügt.
Es ist bemängelt worden, daß ich nicht der Arbeiterwohlfahrt gedankt hätte. Ich glaube, wenn Sie meine Ausführungen nicht nur im „Bundesanzeiger", sondern auch sonst nachlesen würden dann würden Sie finden, daß ich nur den Organisationen gedankt habe, die sich besonders um, unsere Kriegsgefangenen bemüht haben. Ich habe in der Zwischenzeit gehört. daß die Arbeiterwohlfahrt das auch getan hat. Ich stehe nicht an, auch der Arbeiterwohlfahrt den Dank des gesamten deutschen Volkes dafür auszusprechen.
Es ist ferner gesagt worden, ich hätte nicht von den Arbeitern gesprochen. Das ist wohl der Fall. Ich bitte, auch da nachzulesen, was ich gesagt habe.
Es ist bemängelt worden, daß ich die Disziplin und das staatliche Gefühl nicht hervorgehoben hätte, das die Gewerkschaften in den vergangenen Jahren gezeigt hätten. Ich stehe nicht an zu erklären, einmal, daß ich die Berechtigung der Gewerkschaften absolut anerkenne, weiter, daß ich ebenfalls durchaus anerkenne, daß die Gewerkschaften in den Jahren, die hinter uns liegen,
ihre Verpflichtung gegenüber dem Volksganzen erkannt und erfüllt haben.
Wenn ich davon nichts gesagt habe und ihnen nicht ausdrücklich gedankt habe, so habe ich es deswegen getan, weil ich noch sehr vielen anderen dann auch hätte danken müssen. Denn sehen Sie, meine Damen und Herren, wenn wir einmal über die Zeit seit 1945 rückwärts blicken, dann müssen wir, glaube ich, in allererster Linie unseren Hausfrauen danken für das, was sie ertragen und geleistet haben.
Man hat weiter vermißt, daß ich nichts zur Selbstverwaltung gesagt habe. Nun, ich bürge doch mit meiner ganzen Person wahrhaftig dafür, daß ich ein Freund der Selbstverwaltung durch und durch bin.
— Ich bedauere auch, daß im Grundgesetz über die Selbstverwaltung etwas wenig gesagt worden ist. Ich hätte gewünscht, es wäre mehr darüber gesagt worden; denn ich erblicke in der Stärkung der Selbstverwaltung einen ganz wesentlichen Bestandteil des föderalistischen Gedankens.
Außerordentlich habe ich begrüßt, was die Vertreter der Opposition über die Stellung zur Regierung und zur Regierungskoalition gesagt haben. Wenn ich sage, die Sprecher der Parteien der Opposition, so drücke ich mich mit Absicht etwas vorsichtig aus; denn ich weiß noch nicht so recht, wer alles zur Opposition gehört.
— Es ist von mehreren Vertretern der Fraktionen, auch der sozialdemokratischen Fraktion durch den Mund des Herrn Schmid, heute zum Ausdruck gebracht worden, daß man je nach dem Inhalt der Gesetzesvorlagen zur positiven Mitarbeit bereit sei. Deswegen beschränke ich mich jetzt darauf, die Worte zu unterstreichen, und zwar mit Genugtuung zu unterstreichen, die sowohl Herr Dr. Schumacher wie Herr Ollenhauer wie Herr Professor Schmid prinzipiell über das Verhältnis von Opposition und Regierung gesagt haben. Ich glaube, wenn die Opposition in dem Sinne geübt wird, vielleicht dann und wann einige Grad mehr — ich habe nichts dagegen —,
dann ist das für das gesamte demokratische Empfinden des deutschen Volkes von größter Bedeutung. Ich stehe nicht an zu erklären, daß jede Regierung, insbesondere auch die von mir geführte Regierung, von einer klugen Opposition sehr viel lernen kann und lernen wird.
Ich möchte nun noch einige Punkte hervorheben, die für uns von Bedeutung sind. Zunächst möchte ich von den Hemmnissen sprechen, die unserer Schiffahrt auferlegt sind. Wenn das deutsche Volk bis zum Jahre 1952 in der Lage sein soll, auf eigenen Füßen zu stehen, dann müssen die Hemmnisse, die jetzt der deutschen Schiffahrt in den Weg gelegt sind, unbedingt beseitigt werden.
Ich glaube, wir alle sind uns darin einig, daß Sie die Bemühungen der Bundesregierung auf diesem Gebiete mit dem Gewicht Ihrer Stimmen unterstützen.
Ich möchte ein Wort zu der sogenannten Grenzberichtigung im Westen sagen, die in den letzten
Tagen vorgenommen worden ist. Ich bedauere es außerordentlich, daß die Niederländische Regierung eine sogenannte Grenzkorrektur — so nennt sie esvorgenommen hat, ohne daß irgend jemand sich an das Land Nordrhein-Westfalen oder, was richtiger wäre, vorher an die Bundesregierung gewandt hat.
Meine Damen und Herren! Ein solches Vorgehen ist völlig unmöglich und kann von uns in keiner Weise ertragen werden.
Das niederländische Volk wünscht mit uns in guten
wirtschaftlichen Beziehungen zu leben. Wirtschaftliche Beziehungen sind nicht möglich ohne gegenseitige Achtung. Es ist aber ein Zeichen der Nichtachtung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland und gegenüber der Bundesregierung, wenn
Dinge vorkommen, wie sie jetzt vorgekommen sind.
Im Verlaufe der Auseinandersetzungen sind — ich bitte die betreffenden Herren, mir den Ausdruck nicht übelzunehmen — einige romantische Ausführungen über Böhmen, Mähren, Österreich usw. gemacht worden.
Meine Damen und Herren, ich bitte alle diejenigen, die von diesem Pulte aus sprechen, folgendes zu bedenken: Das Mißtrauen gegenüber uns Deutschen ist im gesamten Ausland nach wie vor außerordentlich stark, und daher sollte jeder, der öffentlich spricht, seine Worte sehr sorgfältig abwägen, ob sie nicht zu Mißdeutungen Anlaß geben können, die dieses Mißtrauen gegen uns noch verstärken.
Es ist mir gesagt worden: „Du hast Österreich nicht erwähnt!" — Nun, meine Damen und Herren: wenn einer ein Freund Österreichs seit vielen, vielen Jahren ist, dann bin ich es. Aber hat es denn Zweck und ist es überhaupt von Österreich ge-. wünscht,
daß wir hier von Österreich sprechen?
In Köln hat eine Versammlung vertriebener Sudetendeutscher stattgefunden. Meine Damen und Herren, jeder von uns wird mit den vertriebenen Sudetendeutschen empfinden und fühlen, und jeder wird mit ihnen übereinstimmen, wenn sie verlangen, in ihre Heimat, in ihre freie Heimat zurückkehren zu können.
Aber lassen Sie mich das ausdrücklich betonen: das hat mit Plänen, mit Gedanken und Gedankengängen, wie sie früher bei den Alldeutschen und später bei den Nationalsozialisten bestanden haben, gar nichts zu tun.
Das ist lediglich ein Ausdruck der Liebe zur heimatlichen Scholle und weiter nichts.
Herr Kollege Ollenhauer war so freundlich, mir am Schlusse seiner Ausführungen nahezulegen, ob ich nicht an das Hohe Haus die Frage stellen wolle, ob es meine Regierungserklärung billige.
— Ich tue es auch nicht!
— Sehen Sie, meine Damen und Herren, Herr Kollege Schmid kennt mich aus einjähriger Zusammenarbeit ganz genau,
und er wußte auch das; er hätte das gar nicht gefragt. Herr Ollenhauer kennt mich noch nicht so lange.
Aber, meine Damen und Herren, ich bitte: sehen Sie sich das Grundgesetz doch einmal an.
Dann werden Sie finden, daß derartige Vertrauensfragen durch die Fassung des Grundgesetzes absichtlich ausgeschlossen sind.
Diese Frage, ob die Frage der Billigung der Regierungserklärung gestellt werden könne und solle oder nicht, oder umgekehrt, ob eine Mißbilligung oder etwas Derartiges ausgesprochen werden konne oder nicht, ist im Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates sehr eingehend diskutiert worden. Ein so hervorragender, namentlich auch von Ihnen anerkannter Jurist wie der Justizminister Katz hat diese Frage mit Entschiedenheit verneint.
— Also dann will ich Ihnen folgendes darauf antworten: Ich war nicht dabei,
aber, verehrter Herr Kollege Schmid, der jetzige Justizminister Dehler war dabei und hat sich damals an der Diskussion beteiligt. Der Justizminister Dehler hat damals die Ansicht vertreten, es sei die Erklärung einer Billigung oder Mißbilligung möglich, hat mir aber erklärt, gerade Herr Katz habe mit aller Entschiedenheit betont, das sei unmöglich, das dürfe nicht mehr vorkommen.
Meine Damen und Herren, die Hauptsache ist ja, daß ich nicht die Absicht habe und daß ich, verehrter Herr Kollege Ollenhauer, dann wohl Ihnen überlassen muß, daraus irgendwelche Konsequenzen zu ziehen. Aber ich glaube kaum, daß Sie sie ziehen werden.
Sie haben lange Tage mit vielen Reden hinter sich und noch vor sich und Sie werden es deswegen sicher als angenehm empfinden, wenn ich mich sehr kurz fasse. Das möchte ich auch tun und möchte Sie zum Schlusse nur um folgendes bitten. Ich schließe mich da dem an, was einige Vertreter von Fraktionen, die nicht zur Regierungskoalition gehören, gesagt haben: Bitte, beurteilen Sie die Bundesregierung nach ihren Taten. Geben Sie der Bundesregierung Zeit, zu zeigen, ob sie etwas leistet oder ob sie nichts leistet. Ich bitte Sie alle: Bei entscheidenden und für das deutsche Volk wichtigen Dingen wollen wir versuchen zusammenzuarbeiten und in diesen so außerordentlich schweren Zeiten wenigstens etwas weiterzukommen im Interesse unseres Volkes!
Meine Damen und Herren, darf ich das Hohe Haus fragen, ob es damit den Punkt 1 der Tagesordnung als erledigt ansieht?
Oder wird das Wort weiter gewünscht? — Ich stelle fest: das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe damit die Beratung über die Erklärung der Bundesregierung.
Wir gehen nunmehr über zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Interfraktioneller Antrag betreffend Einsetzung von Ausschüssen,
und ich bitte Sie, meine Damen und Herren, die Drucksache Nr. 45 zur Hand zu nehmen. Dieser interfraktionelle Antrag trägt, wenn ich recht sehe, die Unterschrift von Vertretern sämtlicher Gruppen des Hauses.
Ich eröffne die Aussprache über diesen Antrag. Wird das Wort gewünscht? -- Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung.
Wer für den interfraktionellen Antrag Drucksache Nr. 45, betreffend Einsetzung von Ausschüssen, ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —
Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit überwältigender Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen damit
zu Punkt 3 der Tagesordnung:
Anträge der Fraktionen auf Bildung von Ausschüssen.
Auf Grund interfraktioneller Besprechungen bzw. einer gestern im Ältestenrat getroffenen Vereinbarung bleibt es einzelnen Fraktionen noch vorbehalten, Anträge über die Bildung irgendwelcher Ausschüsse zustellen, die über den Rahmen der soeben angenommenen Drucksache Nr. 45 hinausgehen. Aus technischen Gründen ist es nicht möglich gewesen, die jeweiligen Anträge sämtlichen Mitgliedern des Hauses zuzustellen.. Vielmehr war vorgesehen, diese Anträge jeweils den Herren Fraktionsvorsitzenden zugehen zu lassen. Zur Orientierung des Hauses darf ich aber nun die in Frage kommenden Anträge zur Verlesung bringen.
Ich beginne mit dem Antrag der CDU/CSU-, FDP- und DP-Fraktion. Er lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Es wird ein Ausschuß für innergebietliche Neuordnung gemäß Artikel 29 des Grundgesetzes in Stärke von 15 Mitgliedern gebildet.
Wird zu diesem Antrag das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Falkner!
Meine Damen und Herren! Bitte, betrachten Sie es nicht als eine Anmaßung einer kleinen Fraktion, wenn wir uns erlauben, gegen einen Ausschuß Stellung zu nehmen, der von allen anderen Fraktionen gewünscht wird. Dieser Ausschuß soll sich mit den Möglichkeiten des Artikels 29 des Grundgesetzes beschäftigen,
dieses Artikels 29, der besagt, daß das Bundesgebiet unter Berücksichtigung der landsmannschaftlichen Verbundenheit, der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit und des sozialen Gefüges durch Bundesgesetz neu gegliedert werden könne.
Dazu möchte ich bemerken, daß wir es im Stadium des Aufbaus eines Staates nicht für richtig halten, wenn man diesen Aufbau durch interne Fragen stört. Dazu kommt aber, daß in dem Genehmigungsschreiben der Militärgouverneure vom 12. Mai 1949 in Ziffer 5 unter den Vorbehalten folgendes ausgeführt wird:
Ein vierter Vorbehalt bezieht sich auf die Artikel 29 und 118 und die allgemeine Frage der Neuregelung der Ländergrenzen. Ausgenommen im Falle von Württemberg-Baden und -Hohenzollern haben sich unsere Auffassungen
— „unsere", also die der Militärgouverneure — in dieser Frage nicht geändert, seitdem wir diese Angelegenheiten mit Ihnen am 2. März besprochen haben. Falls nicht die Hohen Kommissare einstimmig dahingehend übereinkommen, diese Auffassung zu ändern, werden die in diesen Artikeln vorgesehenen Vollmachten nicht ausgeübt werden können, und die Grenzen aller Länder, ausgenommen Württemberg-Baden und -Hohenzollern werden so, wie sie jetzt festgesetzt sind, bis zum Friedenschluß bleiben.
Nachdem diese Vorbehalte der Besatzungsmächte noch gelten, ist uns nicht verständlich, was dieser Ausschuß eigentlich bearbeiten soll. Vielleicht kann aber von den Antragstellern eine Begründung für die Einrichtung dieses Ausschusses gegeben werden.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Schmid, bitte!
Ich möchte nur eine Aufklärung geben. Die Sperrbestimmung der Besatzungsmächte bezüglich der gebietlichen Neugliederung ist nicht so absolut, wie hier gesagt wurde. Es heißt darin lediglich, daß im Falle eines Gesetzes, durch das das Bundesgebiet neu aufgeteilt wird, alle drei Besatzungsmächte zustimmen müssen.
Mehr ist nicht gesagt worden. Und wir sollten doch nicht so sehr an der Weisheit der Besatzungsmächte zweifeln, meine Damen und Herren!
Wird das Wort weiter gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den vorhin von mir verlesenen Antrag. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Der nächste Antrag, ebenfalls ein Antrag der CDU/CSU-, FDP- und DP-Fraktion, lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Es wird ein Ausschuß für Fragen der öffentlichen Fürsorge zur Regelung der dem Bund gemäß Artikel 74 der Grundordnung obliegenden Möglichkeiten und Notwendigkeiten in Stärke von 15 Mitgliedern gebildet.
— Das muß doch wohl „Grundgesetz" heißen?
— Dann bitte ich, das zu korrigieren.
Ich eröffne die Aussprache über diesen Antrag. Das Wort hat der Herrr Abgeordnete Dr. Kleindinst.
Meine Damen und Herren! Die außerordentliche Notlage weiter Kreise der Bevölkerung wird uns dazu zwingen, uns fortgesetzt mit der öffentlichen Fürsorge zu befassen. Die Regelung der Fürsorge ist ja in der Fürsorgepflichtverordnung erfolgt. Aber diese Fürsorgepflichtverordnung hat viele Änderungen erfahren müssen, weil unsere sozialen Verhältnisse ständig fließend gewesen sind und es unter der Belastung der Gegenwart in erhöhtem Maße sein werden. Außerdem müssen hier die Verbände der freien Fürsorge bei den Aufgaben mitwirken, die den Bezirksfürsorgeverbänden gestellt sind.
Aus diesem Grunde halten wir es für notwendig, daß ein Ausschuß für die öffentliche Fürsorge gebildet wird. Der Ausschuß für Verwaltung befaßt sich hauptsächlich mit verwaltungspolitischen Fragen, während die Aufgaben, die hier zu lösen sind, materiell in erster Linie solche der öffentlichen Fürsorge sind. Ich bitte aus diesem Grunde, der Bildung dieses Ausschusses zuzustimmen; er ist eine unbedingte Notwendigkeit.
Wird das Wort zu diesem Antrag weiter gewünscht? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Goetzendorff.
Meine Damen und Herren! Auch wir halten die Bildung eines Fürsorgeausschusses für sehr, sehr notwendig. Ich möchte Sie aber bitten, von der Bildung eines 15erAusschusses abzusehen und aus diesem Ausschuß einen 21er-Ausschuß zu machen. Ich glaube, die Fürsorge ist für alle Fraktionen — seien sie groß oder klein — eine so eminent wichtige Frage, daß jeder Fraktion Gelegenheit gegeben werden sollte, daran mitzuarbeiten.
Ich stelle daher den Antrag, den Fürsorgeausschuß auf 21 Mitglieder zu erweitern.
Ich stelle also fest, daß Sie einen Abänderungsantrag zu dem eben von mir verlesenen Antrag dahingehend stellen: seine Stärke soll statt 15 21 Mitglieder betragen.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Ich stelle jetzt fest, daß dies nicht der Fall ist. Ich schließe die Aussprache und lasse usancegemäß über den Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Goetzendorff dahingehend, daß der Fürsorgeausschuß statt aus 15 aus 21 Mitgliedern bestehen soll, abstimmen. Wer für diesen Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Goetzendorff ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist zweifelsfrei mit Mehrheit abgelehnt.
Wer nunmehr für den Antrag in der unveränderten Fassung, wie ich sie vorgetragen habe, ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Zweifelsfrei mit Mehrheit angenommen.
Ich komme zum nächsten Antrag: Antrag der CDU/CSU-, FDP- und DP-Fraktion:
Der Bundestag wolle beschließen:
Es wird ein Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens zur Regelung der dem Bund gemäß Artikel 74 des Grundgesetzes obliegenden
Möglichkeiten und Notwendigkeiten in Stärke von 21 Mitgliedern gebildet.
Ich eröffne die Aussprache zu diesem Antrag. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache. Wer für diesen soeben von mir verlesenen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Zweifelsfrei mit Mehrheit angenommen.
Ich komme zum nächsten Antrag der CDU/CSU-, FDP- und DP-Fraktion:
Der Bundestag wolle beschließen:
Es wird ein Ausschuß für Fragen der Jugendfürsorge zur Regelung der dem Bunde gemäß Artikel 74 des Grundgesetzes obliegenden Möglichkeiten und Notwendigkeiten in Stärke von 15 Mitgliedern gebildet.
'Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Besold.
Die Fraktion der Bayernpartei hat gegen die Gründung dieses Ausschusses
Einspruch erhoben wie auch gegen die der Ausschüsse für Gesundheitswesen, Kulturpolitik,
öffentliche Fürsorge, Wissenschaft und Forschung,
Presse, Rundfunk und Film. Wir haben deshalb
Einspruch erhoben, weil wir uns auf das Grundgesetz stützen und die Bildung eines Ausschusses
nicht für notwendig erachten können, wofür weder derzeit noch überhaupt eine Rechtsgrundlage
oder ein Bedürfnis gegeben ist. Ein Ausschuß kann
nur dort einen Zweck und einen Sinn haben, wo
gleichzeitig auch irgendwie die Zuständigkeit des
Bundes begründet ist, sei es in ausschließlicher Gesetzgebungsmöglichkeit oder in konkurrierender
Gesetzgebungsmöglichkeit. Wenn eine derartige
Möglichkeit im Grundgesetz nicht vorgesehen ist,
dann spricht die Vermutung für die Zuständigkeit der Länder. Es ist weder im Artikel 73 noch in dem Katalog des Artikels 74 auch nur irgendwie ein Anhalt dafür gegeben, daß dem Bund die Zuständigkeit für Jugendfürsorge und Jugendwohlfahrt gegeben ist. Es kann daher auch nicht antizipativ die Zuständigkeit des Bundes durch Gründung derartiger Ausschüsse vorweggenommen werden. Deshalb ist die Fraktion der Bayernpartei gegen einen Ausschuß für Jugendpflege und Jugendwohlfahrt, weil dieses Gebiet durchaus von den Ländern bewältigt werden kann und muß und auch keine Bedürfnisfrage irgendwie fundiert ist.
Darf ich gleich auch zu den anderen Ausschüssen sprechen?
Nein, wir wollen das getrennt behandeln, Herr Abgeordneter.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Weber.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte dem Herrn Vorredner sagen, daß er über die Grundlage dieser Frage doch nicht im Bilde ist. Der Bund wird das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz in seinen Abänderungen zur Behandlung bekommen. Das war schon im alten Reich so; es fällt jetzt unter die konkurrierende Gesetzgebung, und es wird ganz sicher auch eine Angelegenheit der Bundesgesetzgebung werden.
- Die Jugendwohlfahrt ist ein Teil der öffentlichen Fürsorge. Im Parlamentarischen Rat, im
Hauptausschuß, ist damals ausdrücklich erklärt worden — wer die Debatten mitgemacht hat, der ist im Bilde —, daß unter öffentlicher Fürsorge nicht nur die Fürsorgepflichtverordnung, die eben genannt wurde, zu verstehen ist, sondern auch die Reichsjugendwohlfahrtsgesetzgebung von früher, also auch die Jugendfürsorge. Wir haben im Gegenteil im Augenblick den Zustand, daß jedes Land hier seine eigenen Reformen macht, und wir müssen auf diesem Gebiet zu einer einheitlichen Gesetzgebung kommen.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Strauß.
Ich möchte zur Berechtigung dieses Ausschusses nur ergänzend bemerken: Herr Abgeordneter Dr. Besold hat von einem Ausschuß für Jugendpflege und Jugendfürsorge gesprochen. Sein Einspruch gegen den Ausschuß für Jugendfürsorge im engeren Sinne wäre tatsächlich berechtigt, wenn so beantragt worden wäre. Die Jugendpflege fällt in fast allen deutschen Ländern in die Zuständigkeit der Kultusministerien. Kulturpolitische Angelegenheiten sind nach dem Grundgesetz Angelegenheiten der Länder. Darum kann sich dieser Ausschuß mit Jugendpflege im kulturpolitischen Sinne nicht befassen. Darin würde ich mit Ihnen, Herr Dr. Besold, durchaus übereinstimmen. Allerdings hat die Jugendpflege und Jugendfürsorge heute in einem größeren Maße, als es früher der Fall war, Grenzgebiete, die sich überschneiden. Jugendpflege ist heute weitestgehend eine soziale Aufgabe geworden, die durchaus, bis zu einem gewissen Grade jedenfalls, in die Zuständigkeit des Bundes fällt. Hier möchte ich daran erinnern, daß ja nach dem Grundgesetz dem Bund die Möglichkeit gegeben ist, Dotationen für Zwecke der Wohlfahrtspflege, der Gesundheitspflege und der kulturellen Förderung zu machen. Wir wollen so Gott uns helfe, dafür sorgen, daß der Bund das Seine auf dem Gebiet Jugendfürsorge leistet und im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Mittel auch etwas zur Förderung der Jugendpflege beiträgt.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über diesen Antrag. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich danke. Der Antrag ist eindeutig mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen zu dem nächsten Antrag; er ist von den Abgeordneten Ollenhauer , Holzapfel (CDU), Euler (FDP), Klinge (DP), Reismann (Z) und Tichi (WAV) unterzeichnet und lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Es wird ein Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films gebildet, der 15 ordentliche Mitglieder hat.
Ich eröffne die Aussprache über diesen Antrag. Wird das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Besold!
Auch gegen die Bildung dieses Ausschusses hat die Fraktion der Bayernpartei Einspruch erhoben. An und für sich gehören Presse, Rundfunk und Film in den Bereich der
Kulturpolitik, die zweifelsfrei eine ausschließliche Zuständigkeit der Länder im Grundgesetz rechtfertigt. Dazu muß gesagt werden, daß eine Zuständigkeit des Bundes in Angelegenheiten des Rundfunks überhaupt nicht gegeben oder erwähnt ist, weder in der ausschließlichen Gesetzgebung noch im Katalog nach Artikel 74. Von Presse und Film ist lediglich im Artikel 75 die Rede, in dem es heißt, daß der Bund das Recht hat, unter den Voraussetzungen des Artikels 72 Rahmenvorschriften zu erlassen. Dann ist unter Ziffer 2 lediglich von den allgemeinen Rechtsverhältnissen der Presse und des Films, nicht aber des Rundfunks die Rede. Es ist nicht von ungefähr, wenn nach Aufgabe des bayerischen Rundfunks durch die Militärregierung dieser Rundfunk in bayerische Hände als bayerischer Rundfunk übergeben worden ist. Es gibt keine irgendwie geartete gesetzliche Grundlage in dem Grundgesetz, und Sie können mir, meine Damen und Herren, keine gesetzliche Fundation aus dem Grundgesetz anführen, nach welcher der Bund die Zuständigkeit auf dem Gebiete des Rundfunks irgendwie für sich in Anspruch nehmen könnte.
Was den Ausschuß für Presse und Film anlangt, so habe ich schon erwähnt, daß diese Spezialgebiete Ausschnitte aus der kulturpolitischen Sphäre überhaupt sind. Hier ist auch nach den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers die Zuständigkeit der Länder begründet. Wenn der Bund trotzdem eine Zuständigkeit für sich in Anspruch nehmen kann, so nur dann, wenn eine Bedürfnisfrage unter den Voraussetzungen des Artikels 72 Absatz 2 gegeben ist. Diese Bedürfnisfrage muß aber zuerst entschieden sein, und eine Zuständigkeit des Bundes kann nicht dadurch vorweggenommen werden, daß hier schon Ausschüsse gebildet werden, obwohl der Bund seine Zuständigkeit noch nicht nachgewiesen und auch noch nicht in Anspruch genommen hat.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wer für den von mir verlesenen interfraktionellen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich danke. Der Antrag ist mit überwältigender Mehrheit angenommen.
Wir kommen zum nächsten Antrag: Antrag der SPD-Fraktion:
Der Bundestag wolle beschließen:
Es wird ein Ausschuß gemäß Artikel 15 des Grundgesetzes eingesetzt. Der Ausschuß soll 27 ständige Mitglieder haben.
Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wer für diesen soeben von mir verlesenen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Danke. Das erstere war eindeutig die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Der nächste Antrag der SPD-Fraktion lautet: Der Bundestag wolle beschließen:
Es wird ein ständiger Ausschuß für Bau- und Bodenrecht mit 7 ordentlichen Mitgliedern gebildet.
Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Ich schließe die Beratung.
Wer für diesen Antrag betreffend Bildung eines Ausschusses für Bau- und Bodenrecht ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erstere war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
— Die zuerst vorgenommene Abstimmung ergab die Mehrheit für den Antrag.
— Wird die Abstimmung angezweifelt?
— Dann wiederholen wir sie. Hier oben waren wir allerdings anderer Meinung.
Ich verlese den Antrag, über den ich noch einmal abstimmen lassen werde:
Es wird ein ständiger Ausschuß für Bau- und Bodenrecht mit 7 Mitgliedern gebildet.
Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um Auszählung; wir wollen ganz korrekt verfahren. — Ich bitte, die Hand recht hoch zu heben, damit den Herren Schriftführern das schwere Amt des Auszählens nach Möglichkeit erleichtert wird. — Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe und wiederum um Auszählung. - Danke schön.
Meine Damen und Herren! Das Ergebnis der Abstimmung ist folgendes: für den Antrag 191, gegen den Antrag 155 Stimmen. Damit ist der Antrag angenommen.
Wir kommen zum nächsten Antrag: Antrag der FDP:
Der Bundestag wolle beschließen:
Es wird ein Ausschuß für Kulturpolitik mit 21 Mitgliedern eingesetzt.
Wird das Wort dazu gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Mayer.
Meine Damen und Herren! Wir wissen natürlich, was vorhin wiederholt festgestellt wurde, daß Kulturpolitik Länderangelegenheit ist. Wir beantragen diesen Ausschuß auch nicht, um in die Rechte der Länder einzubrechen. Wir beantragen ihn aus der Sorge, daß das durch die Ruftrennung in drei Zonen eingeleitete Auseinanderleben unseres Volkes noch weiter fortschreiten könnte. Wir beantragen diesen Ausschuß, weil wir die Sorge haben, daß mit der Einheitlichkeit im Kulturellen eine wesentliche Klammer der deutschen Einheit verschwinden könnte. Wir wollen schon auch die Vielfalt und das Vielfältige im Kulturleben, aber wir wollen auch, daß wir in Deutschland einmal wieder zu einer Freizügigkeit im Raum des Kulturellen kommen. Wir wollen, daß in Deutschland auch die Freizügigkeit des Schulkindes wiederhergestellt wird. Wir wollen schließlich, daß sich der Bund um d i e kulturellen Dinge kümmert, um die er sich kümmern muß, weil sich die Länder nicht um sie kümmern können.
Ein Beispiel nur: Wer kümmert sich gegenwärtig um die deutschen wissenschaftlichen Institute im Ausland? Ein anderes: Wer kümmert sich jetzt um die Dinge, wenn wir wieder in das kulturpolitische Gespräch mit dem Ausland kommen? Bitte, das ist im Artikel 73 des Grundgesetzes ziemlich klar festgestellt, und nach Artikel 74 gehören
zur konkurrierenden Gesetzgebung der Schutz des deutschen Kulturgutes und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung.
Und noch etwas, was eindeutig in der Zuständigkeit der Länder liegt, was uns aber wohl nicht befreit, uns darüber Gedanken zu machen; das ist, daß wir jetzt in 11 Ländern, in drei verschiedenen Zonen, eine Schulreformgesetzgebung erleben, die viel weniger aus deutschem Willen als aus fremdem Vorbild und fremden Anregungen geboren ist.
Wir möchten hier keine Bevormundung der Länder, aber wir möchten eine Stelle schaffen, die sich koordinierend, vermittelnd, ausgleichend bemüht, die im Zusammenwirken mit dem Bundesrat das schafft, was ich eingangs andeutete, die Sicherstellung der kulturellen Freizügigkeit in unserem deutschen Raum.
Aus all diesen Gründen bittet Sie meine Fraktion, der Einsetzung dieses Ausschusses zuzustimmen.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Besold!
Wir verstehen durchaus die speziellen Sorgen des Vorredners bezüglich des deutschen Kulturgutes, das im Ausland liegt. Aber dazu ist es nicht notwendig, das Grundgesetz zu verletzen; denn dieser Schutz deutschen Kulturgutes im Ausland ist nicht Aufgabe eines kulturpolitischen Ausschusses, sondern ist Aufgabe einer Vertretung, die früher das Außenministerium hatte und die heute sicher in den besten Händen, nämlich beim Bundeskanzler selbst liegt.
Meine Damen und Herren! Wenn Sie einen kulturpolitischen Ausschuß antizipativ gründen, so geben Sie dem Bund eine Zuständigkeit, die wirklich nicht vorgesehen ist.
In Artikel 56 des Grundgesetzes, in dem der Schwur auf das Grundgesetz festgelegt ist, heißt es, daß das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes zu wahren und zu verteidigen sind. Wenn durch die Beratungen des Parlamentarischen Rates, die über acht Monate gedauert haben, klipp und klar festgelegt worden ist, daß kulturelle Angelegenheiten ausschließlich Angelegenheiten der Länder sind, so hat es auch mit Rücksicht auf Artikel 56 des Grundgesetzes dabei zu verbleiben.
Ich möchte hier — und zwar bezüglich all der Ausschüsse, gegen die wir Einspruch erhoben haben — gerade auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Schmid verweisen, der heute gesagt hat: Sowenig Staat als möglich, soviel Staat als notwendig. Das heißt bezüglich der Ausschüsse: sowenig Ausschüsse als möglich und soviel Ausschüsse als gerade notwendig. Wenn hier auf die Einflußnahme des Auslandes in kulturellen Angelegenheiten hingewiesen worden ist, so glaube ich, daß diese Gefahr viel mehr abgewendet ist, wenn in kulturpolitischer Hinsicht nicht eine zentrale Leitung vorhanden ist, sondern wenn die kulturellen Angelegenheiten den Ländern überlassen sind. Denn auf die einzelnen Länder kann vom Ausland aus nicht dieser globale Einfluß genommen werden.
Weil bezüglich kultureller Angelegenheiten dem Bund überhaupt kein Zuständigkeitsbereich gegeben ist, sind wir also unter allen Umständen gegen diesen kulturpolitischen Ausschuß. Die Fragen, die hier angedeutet worden sind, können auf anderer Ebene zum Nutzen und zum Frommen Deutschlands erledigt werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Laforet.
Meine Damen und Herren! Die Frage war im Parlamentarischen Rat lange Gegenstand eingehender Erörterung. Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß die gesamte kulturelle Pflege ausschließlich Sache der Länder ist.
Es sind nur Ausnahmen gegeben, in denen dem Bund eine Zuständigkeit zukommt. Eine solche ist allerdings in Artikel 74 Ziffer 13 gegeben. Danach ist die Förderung der wissenschaftlichen Forschung im Inland und im Ausland Aufgabe des Bundes. Es ist wohl zweckmäßig, hier einen Ausschuß an die Seite der Regierung zu stellen. Wir haben deshalb beantragt, einen solchen Ausschuß zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung ins Leben zu rufen. Damit ist die Bundeszuständigkeit erschöpft.
Für den allgemeineren Antrag können wir, aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht stimmen.
Wird zu diesem Antrag weiter das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Euler!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verfassungsrechtliche Bedenken dürften einem Ausschuß nicht entgegenstehen, der unter anderem auch die Aufgabe haben soll. Empfehlungen abzugeben, die verhindern sollen, daß das deutsche Schulwesen einer Zersplitterung verfällt, die später — auch schon in dem heutigen Zustand — zu einer schweren Einschränkung der Freizügigkeit innerhalb Deutschlands führen dürfte. Wenn auch ein solcher Ausschuß nur Empfehlungen abgibt, so glaube ich, daß diese Empfehlungen dazu beitragen werden, den Willen zu einer Abstimmung der Schulreformen in den verschiedenen Ländern zu stärken. Diese Stärkung liegt im gesamtdeutschen Interesse.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag ist, einen Ausschuß für Kulturpolitik mit 21 Mitgliedern zu bilden, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; wir haben es von hier oben einwandfrei festgestellt. Damit ist der Antrag angenommen.
Wir kommen zum nächsten Antrag: Antrag der CDU/CSU-Fraktion:
Der Bundestag wolle beschließen:
Es wird ein Ausschuß zur Förderung von Wissenschaft und Forschung — —
- Der Antrag wird zurückgezogen. Er ist damit erledigt.
Meine Damen und Herren, damit ist Punkt 3
— Anträge der Fraktionen auf Bildung von Ausschössen — erledigt.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Beschlußfassung über die Mitgliederzahl
der Ausschüsse und Verfahren zu ihrer
Besetzung.
Wir haben uns interfraktionell darüber verständigt. daß dieser Abstimmung letzten Endes die Drucksache 48 zugrunde gelegt wird, vorher aber, um die Drucksache 48 wirksam werden zu lassen, über zwei Anträge abstimmen zu lassen, die nämlich das Verfahren zur Besetzung regeln. Da liegt zunächst vor — ich darf ihn verlesen — ein Antrag der SPD-Fraktion:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Ausschüsse des Bundestags werden nach folgendem Schlüssel durch die Fraktionen besetzt: 27er-Ausschuß: CDU/CSU 9, SPD 9, FDP 4, DP 1, BP 1, KPD 1, WAV 1, Zentrum 1;
21er-Ausschuß:
— in derselben Reihenfolge der Fraktionen, mit Ausnahme des Zentrums —
7, 7, 33, 1, 1, 1, 1;
15er-Ausschuß: 5, 5, 2, 1, 1, 1
— aufhörend bei der KP einschließlich —; 7er-Ausschuß: 3, 3, 1.
Den nach diesem Schlüssel in einem Ausschuß nicht vertretenen Fraktionen steht das Recht zu, sich durch einen Abgeordneten mit beratender Stimme vertreten zu lassen, soweit nicht der Bundestag für einzelne Ausschüsse eine abweichende Regelung beschließt.
Ich eröffne die Aussprache über diesen Antrag. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für die politische Zusammensetzung der Ausschüsse des Bundestages gibt es mehrere Möglichkeiten, die in einer kleinen vom Ältestenrat eingesetzten Kommission auch lange erörtert worden sind. Es hat sich, um zunächst die hervorstechendste Methode zu erwähnen, einmal das d'Hondtsche System angeboten, das nach dem strengen Höchstzahlenverfahren die Ausschußsitze zuteilt und das praktisch dazu führt, daß man außer den eigentlichen großen Fraktionen und, sagen wir, den Fraktionen bis zu etwa 20 oder 17 Mitgliedern alle anderen ausschließt. Wir haben demgegenüber den Vorschlag gemacht, davon auszugehen, daß in den wichtigeren Ausschüssen, das heißt in den großen Ausschüssen, alle Fraktionen mindestens mit einem Mitglied vertreten sein sollen, daß man von hier aus aufbauen und daß sich daraus das Verhältnis der einzelnen Vertretungen in den Ausschüssen ergeben soll. Diesem Gesichtspunkt will unser Vorschlag dienen, den der Herr Präsident soeben verlesen hat.
Auch dann bleiben selbstverständlich bei den kleineren Ausschüssen einige Fraktionen ausgeschlossen. Da wir die Fraktionsstärke in der Geschäftsordnung auf 10 Abgeordnete festgesetzt haben, trifft das — mit Abstufungen — die Fraktionen vom Zentrum bis zur KP und, ich glaube, auch bis zur Bayernpartei und zur DP. 13m hier auszuweichen, schlagen wir vor, daß die Fraktionen, die durch den Schlüssel nicht erfaßt sind, in den Ausschüssen durch ein Mitglied mit beratender Stimme vertreten sein sollen. Ich glaube. das ist im Interesse des parlamentarischen Betriebs absolut notwendig. Wir ersparen uns durch diese Art der Vertretung, die den kleinen Fraktionen auch tatsächlich eine Beteiligung an den Ausschußarbeiten ermöglicht, eine Menge unnötiger Debatten
im Plenum, weil mancher Gesichtspunkt bereits in den Ausschüssen zur Sprache gebracht werden kann, und ich glaube, wir sollten im Interesse der parlamentarischen Atmosphäre den kleinen Fraktionen tatsächlich ein solches Entgegenkommen zeigen.
— Ich habe es hier nicht mit Schleswig-Holstein zu tun, sondern mit dem Bundesparlament, das einen neuen Anfang zu machen hat, und ich hoffe, daß wir alle darin einig sind.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein Wort hinzufügen, das an sich mit dieser Frage nichts zu tun hat, wohl aber mit der Stellung, die die Berliner Vertreter in diesem Hause gegenüber den Ausschüssen haben sollen. Ich möchte namens meiner Fraktion hier den Wunsch aussprechen, daß die Berliner Vertreter in den Ausschüssen, in denen ihre jeweilige Fraktion Wert darauf legt, daß sie sich an der Arbeit beteiligen, ebenfalls mit beratender Stimme teilnehmen können. Das betrifft alle Fraktionen, die Vertreter aus Berlin in ihren Reihen haben, und man sollte den Damen und Herren aus Berlin ebenfalls die Möglichkeit der sachlichen Mitarbeit geben, ohne daß sie rechtlich diskriminiert sind.
Herr Abgeordneter Schoettle, ist das ein ergänzender Antrag, oder soll er als besonderer Antrag gelten?
Herr Präsident, ich glaube, wenn das ganze Haus in diesem Wunsche einig ist, kann das einer Absprache der Fraktionen überlassen bleiben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Scharnberg.
Meine Damen und Herren! Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion widerspricht der klaren Bestimmung des § 9 der Geschäftsordnung. Dieser besagt:
Im Verhältnis zu ihrer Mitgliederzahl erhalten die Fraktionen Anteil an den Stellen des Altestenrats, des Vorstandes, der Ausschüsse, der Ausschußvorsitzenden und ihrer Stellvertreter.
Demnach können wir diesen Antrag nicht annehmen, und wir schlagen vor. daß die Sitze in dem Verhältnis verteilt werden, das nach der Geschäftsordnung vorgeschrieben ist, und zwar in der Weise, daß bei den 27er-Ausschüssen die CDU 10, die SPD 10, die FDP 4 Sitze. die Deutsche Partei 1, die Bayernpartei 1 und die KPD 1 Sitz erhält, bei den 21 er-Ausschüssen die CDU 8, die SPD 8, die FDP 3 Sitze, die Deutsche Partei 1 und die Bayernpartei 1 Sitz, bei den 15er-Ausschüssen die CDU 7, die SPD 6 und die FDP 2, bei den 7er-Ausschüssen die CDU 3, die SPD 3 und die FDP 1 Sitz erhält. Ich bitte Sie, den Antrag in dieser Aufschlüsselung anzunehmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Miessner.
Die Gruppe „Nationale Rechte", die 6 Mann stark ist, hatte die Herren Vorsitzenden der anderen Fraktionen gebeten, bei der Besetzung der Ausschüsse nicht dahin zu korn-
men, daß wir als die einzige Gruppe im Hause, die nun einmal nicht die Fraktionsstärke von 10 Mann hat, von der eigentlichen parlamentarischen Arbeit in den Ausschüssen völlig ausgeschlossen sind.
Ich glaube, daß es nicht sehr demokratisch ist und keinen besonders guten Start für die in den nächsten vier Jahren zu leistende Arbeit bedeutet, wenn man in dieser Weise eine Gruppe von Wählern von der Arbeit völlig ausschließt und gewissermaßen in eine hoffnungslose Opposition drängt. Wir bitten daher, den Antrag der SPD-Fraktion dahin zu ergänzen, daß es heißt:
Den nach diesem Schlüssel in einem Ausschuß nicht vertretenen Fraktionen oder Gruppen steht das Recht zu, sich mit beratender Stimme zu beteiligen.
Wir wissen sehr wohl, daß wir nicht die Forderung erheben können, als stimmberechtigte Mitglieder in den Ausschüssen zu erscheinen, weil dann infolge der Mehrheitsverhältnisse, die ja für die Regierungsparteien auch in den Ausschüssen irgendwie gewahrt sein müssen, die Zahl technisch zu groß würde. Wenn man hier aber überhaupt diese Funktion der beratenden Mitgliedschaft vorsieht, vermögen wir nicht einzusehen, warum man dann diese Art beratender Mitgliedschaft nicht auch auf uns als die einzige Gruppe unter 10 Mann ausdehnen könnte.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als der Vertreter der CDU das Wort ergriff, habe ich gedacht, er würde ein Verfahren vorschlagen, das etwa der Sitzverteilung im Kabinett entsprechen würde; denn die Sitzverteilung in den Ausschüssen käme doch vergleichsweise der Verteilung der Kabinettssitze nahe.
Ich war deswegen einigermaßen verwundert, von ihm zu hören, daß er glaubt, Demokratie könne man nur nach dem d'Hondtschen Verfahren exerzieren. Es ist doch so, daß nach der Geschäftsordnung gar kein Verfahren vorgeschrieben ist. In der Geschäftsordnung ist nur bestimmt, daß die Parteien in den Ausschüssen in der Relation vertreten sein sollen, wie es ihrer Zusammensetzung im Plenum entspricht. Der Zusammensetzung im Plenum entspricht durchaus auch der Vorschlag des Kollegen Schoettle, das heißt der Vorschlag der SPD. Überlegen wir uns doch einmal, wie es denn gehen soll, wenn man anders verfährt! Dann beruht das Ergebnis der Ausschußarbeit auf einer Zusammensetzung im Ausschuß, die durchaus nicht dem Bild des Plenums entspricht.
Wenn Sie dem Plenum einen Bericht eines Ausschusses vorlegen, der nach dem d'Hondtschen Verfahren zusammengesetzt ist, können Sie damit rechnen, daß die Beschlüsse des Plenums völlig anders aussehen, ganz abgesehen von den sich dann ergebenden uferlosen Debatten. Es hat also praktisch gar keinen Zweck, so zu verfahren. Mir scheint im übrigen, daß dieses Verfahren nur exerziert wird, um hier einer bestimmten Partei Gelegenheit zu geben, ihre Machtposition nach außen hin in die Erscheinung treten zu lassen, die sich bei der Regierungskoalition ja nur auf eine ganze Person erstreckt.
Das Wort hat der Her! Abgeordnete Euler.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es bestünde, wie ich glaube, eine Möglichkeit, das Prinzip der Verhältniswahl nach dem d'Hondtschen System gemäß § 9 der Geschäftsordnung zu verbinden mit der notwendigen Wahrung der Interessen der kleinen Fraktionen, an der Ausschußarbeit beratend teilzunehmen und über die Ausschußarbeit so unterrichtet zu sein, daß nachher im Plenum etwa aus ungenügender Orientierung heraus keine Störungen erwachsen. Deswegen schlage ich vor, daß über den SPD-Antrag getrennt abgestimmt wird, das heißt, daß die Abstimmung über den Verteilungsschlüssel von der Abstimmung über den Nachsatz getrennt wird: ..Den nach diesem Schlüssel in einem Ausschuß nicht vertretenen Fraktionen und der Gruppe Nationale Rechte steht das Recht zu, sich durch einen Abgeordneten mit beratender Stimme vertreten zu lassen." Wir haben dann eine klare Bildung der Ausschüsse gemäß § 9 der Geschäftsordnung, und zugleich sind die Gefahren ausgeschlossen, die sich ergeben würden, wenn die kleinen Fraktionen nicht wenigstens mit beratender Stimme aktiv an der Ausschußarbeit teilnehmen könnten.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schoettle.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur zwei Sätze! Ich glaube, daß der Einwand nicht richtig ist, daß die Geschäftsordnung das d'Hondtsche Verfahren vorschreibt. Sie schreibt lediglich vor, daß die Fraktionen in den Ausschüssen im Verhältnis ihrer Stärke in der Vollversammlung vertreten sind. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß nach unserem Vorschlag die Regierungsparteien in allen Ausschüssen eine Mehrheit haben, eine so schwache Mehrheit, wie sie sie hier im Hause auch haben. Mehr können sie von keinem Verfahren erwarten.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren, dann stelle ich fest, daß die Aussprache geschlossen ist.
Es liegen mehrere Abänderungsanträge vor. Ich stelle zunächst fest, daß der Antrag der SPD-Fraktion gegenüber dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion, den der Herr Abgeordnete Scharnberg verlesen hat, der Sache nach der weitergehende ist. Darüber ist schon vorhin interfraktionell eine Verständigung erzielt worden.
Zu dem Antrag der SPD-Fraktion liegen nun zwei Abänderungsanträge vor, und zwar zunächst der Abänderungsantrag 1, im zweiten Absatz den Worten „Den nach diesem Schlüssel in einem Ausschuß nicht vertretenen Fraktionen" hinzuzufügen: „oder Gruppen". Das ist der Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Miessner, den der Herr Abgeordnete Euler gleichzeitig aufgenommen hat.
Zweitens liegt der Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Euler vor, eine getrennte Abstimmung durchzuführen, nämlich erstens über die Schlüsselung und zweitens über den zweiten Absatz. Besteht Einverständnis darüber, daß wir getrennt abstimmen, oder wird Einspruch erhoben?
Herr Präsident, kann ich vom Platz aus sprechen? — Meine Fraktion ersucht
darum, daß über den vom Herrn Abgeordneten Euler beantragten Zusatz „und Gruppen" getrennt abgestimmt wird. Wir wären sonst nicht in der Lage, für diesen ganzen Abschnitt zu stimmen.
Sie sind damit einverstanden, daß getrennt abgestimmt wird, ob diese beiden Worte hinzugefügt werden können. Das war ja meine Absicht. denn ich muß über jeden Abänderungsantrag vorher gesondert abstimmen lassen. Wer also dafür ist — ich komme auf den Antrag Euler zurück im Zusammenhang mit dem Antrag Miessner —. daß über den Absatz 2 des SPD-Antrags getrennt abgestimmt wird. den bitte ich. die Hand zu erheben. — Es war die Minderheit; dann ist der Antrag abgelehnt.
— Herr Kollege Schoettle. Sie haben doch. wenn ich Sie richtig verstanden habe. beantragt. daß überhaupt erst über den Antrag Euler auf getrennte Abstimmung des Absatzes 2 abgestimmt werden soll?
Ich habe etwas ganz anderes gewollt! Ich habe mich sinngemäß dagegen gewehrt, daß unser Antrag durch den Zusatz von zwei Worten in etwas verwandelt wird. was wir nicht wollen, und deshalb wollte ich von Ihnen, Herr Präsident, daß Sie darüber abstimmen lassen, ob der Abschnitt 2 unseres Antrages in der Weise abgeändert wird, wie der Kollege Euler es gewollt hat.
Das ist etwas anderes; der Herr Abgeordnete Euler hatte getrennte Abstimmung beantragt. Es liegt der Sache nach nur ein Abänderungsantrag vor. der Abänderungsantrag Dr. Miessner und Euler dahingehend, hinter das Wort .,Fraktion" auch das Wort ..Gruppe" alias ..Nationale Rechte" zu setzen.
Wer für diese Abänderung des SPD-Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Darf ich um die Gegenprobe bitten. — Der Antrag ist mit zweifelsfreier Mehrheit abgelehnt.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den gesamten Antrag.
— Dem widersprechen Sie nicht, Herr Abgeordneter Schoettle?
— Meine Damen und Herren, dann lasse ich abstimmen, muß aber der Vorsicht halber noch einmal im ganzen verlesen:
Der erste Absatz des SPD-Antrags umfaßt:
Die Ausschüsse des Bundestags werden nach folgendem Schlüssel durch die Fraktionen besetzt:
Es kommen die Schlüssel für 27er-, 21er-, 15er-
und 7er-Ausschüsse. Die Schlüssel selbst brauche ich wohl im einzelnen nicht zu verlesen.
Wer für diesen ersten Teil des Antrags ist, — —
Zur Abstimmung! Ich glaube, wenn Sie den Antrag halb verlesen, müssen Sie ihn auch ganz verlesen, weil sonst kein Mensch erkennen kann, daß dieser Antrag in seinem Absatz 1 im Gegensatz zu dem von der CDU/CSU gestellten Antrag steht.
Wir stimmen zunächst über den ersten Teil des SPD-Antrags ab, der folgenden Wortlaut hat:
Die Ausschüsse des Bundestags werden nach folgendem Schlüssel durch die Fraktionen besetzt:
27er-Ausschuß: CDU/CSU 9, SPD 9, FDP 4, DP 1, BP 1, KP 1, WAV 1, Zentrum 1; 21er-Ausschuß: CDU/CSU 7, SPD 7, FDP 3, DP1, BP1, KP1, WAV1;
15er-Ausschuß: CDU/CSU 5, SPD 5, FDP 2, DP, BP und KP je 1
— ich hoffe, daß diese Zusammenfassung gestattet ist —;
7er-Ausschuß: CDU/CSU 3, SPD 3, FDP 1.
Das ist der erste Absatz des SPD-Antrags. Wer für das, was ich soeben verlesen habe, ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Meine Damen und Herren, ich bitte um die Gegenprobe. — Ich glaube fast, daß es nicht notwendig ist, auszuzählen. Es ist gerade umgekehrt wie vorhin, es haben sich für den Antrag 155 Stimmen erhoben, und vorhin hatten wir — —
— Legt das Haus Wert auf Auszählung? — Dann lasse ich sie durchführen.
Meine Damen und Herren, das Abstimmungsergebnis ist folgendes: für den Antrag 155 Stimmen, gegen den Antrag 190 Stimmen. Damit gilt der Antrag als abgelehnt.
Darf ich einmal fragen, in welchem Sinne Sie zur Abstimmung sprechen wollen? Die Abstimmung ist doch beendet.
Der Antrag Schoettle ist abgelehnt; dann ist das Verfahren von d'Hondt genehmigt worden.
Entschuldigen Sie, ich glaube, hier liegt ein Mißverständnis vor.
— Ich muß die Unterhaltung mit Herrn Kollegen Dr. Reismann beenden. Der Antrag der SPD ist abgelehnt. Für den Antrag waren 155 Stimmen, gegen den Antrag 190 Stimmen. Damit ist der Antrag Schoettle abgelehnt.
— Jetzt muß ich erst einmal dem Abgeordneten Renner das Wort geben, der die Abstimmung angezweifelt hat. Sie wollten :la zur Sache sprechen, Herr Abgeordneter Dr. Reismann.
Nein, Herr Präsident, ich bitte, mich anzuhören! Wie wollen Sie sonst feststellen, wozu ich sprechen will.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns das doch bitte in aller Freundschaft und Kollegialität machen. Wenn der Herr Abgeordnete Dr. Reismann kurz erläutern will, was er sagen will, kann ich erst danach entscheiden, wozu er das Wort haben will. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit.
Es ist bisher nur beschlossen worden, daß das d'Hondtsche System gilt. Bevor die Durchführung festgelegt wird, möchte ich die Erklärung abgeben, daß das Zentrum und die WAV sich zu einer interfraktionellen Arbeitsgemeinschaft nach § 7 der Geschäftsordnung zusammenfinden, damit das berücksichtigt werden kann, wenn die Verteilung der Sitze in den Ausschüssen festgelegt wird; denn noch ist das nicht geschehen. Das ist eine Sache, die ich vor der Abstimmung mitteilen muß.
Wir sind in der Abstimmung über die vorliegenden Anträge begriffen. Abänderungsanträge können immer gestellt werden, wie das bei wiederholten Abstimmungen der Fall gewesen ist. Sie wollen uns die Mitteilung machen, daß Sie als Zentrum mit der WAV eine Arbeitsgemeinschaft bilden.
Das hat mit dem vorliegenden Gegenstand, mit der Sache gar nichts zu tun.
— Entschuldigen Sie, ich kann diese Debatte jetzt nicht weiterführen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident. meine Damen und Herren! Ich möchte im Namen meiner Fraktion die Abstimmung anzweifeln.
Es ist erstens kein Klingelzeichen gegeben worden, wie das der Herr Präsident heute mittag mitgeteilt hat. Zweitens glauben wir, daß die Auszählung nicht einwandfrei vor sich gegangen ist. Ich möchte nicht etwa behaupten, daß die Herren Schriftführer absichtlich schlecht ausgezählt haben, beileibe nicht; ich möchte nur, daß bei einer so zweifelhaften Abstimmung lieber der Versuch gemacht wird, sie zu wiederholen, um zu einer Klarstellung zu gelangen.
Meine Damen und Herren! Sie haben den Antrag des Abgeordneten Schoettle gehört. Er ist der Sache nach der gleiche wie der des Abgeordneten Renner, er bezweifelt nämlich die Abstimmung. Es taucht nun die Geschäftsordnungsfrage auf, ob die Abstimmung wiederholt werden muß.
Meine Damen und Herren, darf ich auf folgendes aufmerksam machen. Die alte Bestimmung der Geschäftsordnung des Reichstags im § 104 — der berühmte Hammelsprung, der ja in solchen Fällen durchgeführt wurde — ist gestrichen und durch folgende Fassung ersetzt worden:
Zweifel über das Ergebnis. Zählung der Stimmen.
Ist der Sitzungsvorstand über das Ergebnis der Abstimmung nicht einig, so wird die Gegenprobe gemacht. Bleibt er auch nach ihr uneinig, so werden die Stimmen gezählt.
Ich darf vielleicht einmal feststellen: wir hier oben sind einig gewesen.
Die beiden Schriftführer haben in den Ergebnissen ihrer Auszählung übereingestimmt.
Richtig ist allerdings eins — das räume ich ohne weiteres ein —: es ist hier im Drange der Geschäfte — aber von Anbeginn der Abstimmung an, das möchte ich der Objektivität wegen feststellen — nicht geklingelt worden. Auf der andern Seite ist Ps aber doch so: wir sind jetzt ungefähr eine volle Stunde in der Abstimmung, und nach unseren Beobachtungen hier oben sind alle Mitglieder im Hause gewesen.
Außerdem mache ich in tatsächlicher Beziehung auf folgendes aufmerksam. Wir haben vorhin bei der Abstimmung über einen anderen Antrag das umgekehrte Abstimmungsergebnis gehabt, nämlich bei dem Antrag der SPD zu dem Ausschuß Bau-und Bodenrecht. Da waren für den Antrag 191. dagegen 155. Sie werden zugeben, meine Damen und Herren: das Auszählungsergebnis, wie es jetzt hier mit 155 dafür und 190 dagegen herausgekommen ist. ist — im umgekehrten Sinne — genau dasselbe, unbeschadet der Frage, ob geschellt worden ist oder nicht.
Ihnen gegenüber, Herr Kollege Schoettle. verweise ich aber noch einmal auf § 104. Danach gibt es keine Anzweiflung der Abstimmung aus dem Hause mit irgendwelchen rechtlichen Konsequenzen, wenn der Vorstand sich über das Abstimmungsergebnis einig ist. Darf ich bitten, davon Kenntnis zu nehmen.
Meine Damen und Herren, wir wollen aber jetzt noch ein Übriges tun.
— Bitte sehr: bei Fortsetzung der Aussprache lasse ich jetzt noch einmal klingeln. Ich glaube aber nicht, daß sich etwas ändert.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den zweiten Absatz des Antrags der SPD-Fraktion, der nach der Ablehnung des vorhin gestellten abgeänderten Antrags wie folgt lautet:
Den nach diesem Schlüssel in einem Ausschuß nicht vertretenen Fraktionen steht das Recht zu, sich durch einen Abgeordneten mit beratender Stimme vertreten zu lassen, soweit nicht der Bundestag für einzelne Ausschüsse eine abweichende Regelung beschließt.
Immerhin darf ich die Herren Antragsteller fragen, ob sie, nachdem der entscheidende Teil ihres Antrags abgelehnt worden ist, noch Wert darauf legen, daß über den zweiten Teil besonders abgestimmt wird, weil ja vermutlich das gleiche Ergebnis herauskommen wird.
— Meinen Sie nicht?
Bitte, Herr Abgeordneter Euler zur Geschäftsordnung!
— Meine Damen und Herren, es war doch in den letzten Tagen so nett und gemütlich.
Halten wir uns doch weiter an diese Praxis!
Mir scheint, die Ablehnung des SPD-Antrags bedeutet noch nicht ohne weiteres die Annahme des CDU-Antrags auf Verteilung nach dem d'Hondtschen System. Zugleich würde in der Abstimmung über diesen Gegenantrag — Verteilung nach dem d'Hondtschen System — die wirksamste Kontrolle der Richtigkeit der ersten Abstimmung liegen. Es muß Klarheit geschaffen werden, nach welchem Prinzip sich die Ausschußsitze verteilen, weil ja der Absatz 2 des SPD-Antrags, über den dann die Abstimmung noch erfolgt, die Festlegung eines Verteilungsprinzips voraussetzt.
Wird diesen Ausführungen widersprochen? — Das ist nicht der Fall.
Dann stimmen wir jetzt ab über den vorhin von mir verlesenen und wohl nicht noch einmal zu verlesenden zweiten Absatz des Antrags der SPD-Fraktion.
— Ich verstehe gar nicht: Sie haben sich doch eben dafür ausgesprochen?
— Also, meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind uns jetzt nach einigen Zwiegesprächen einig. Wir stimmen letzt ab ber den Antrag der CDU/CSU-Fraktion als dem Pendant oder Gegenstück zu dem abgelehnten ersten Teil des SPD-
— Antrags und kommen dann wahrscheinlich zur Abstimmung über den zweiten Teil des SPD-Antrags.
— Meine Damen und Herren, bitte machen Sie mir das Sprechen doch nicht so schwer; es ist sowieso ungewöhnlich, daß der Präsident Anträge verliest. Der Antrag lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Sitze in den Ausschüssen werden wie folgt verteilt:
27er-Ausschüsse: 10 CDU, 10 SPD, 4 FDP, 1 DP, 1 BP, 1 KPD.
— Ich bin mitten im Verlesen des Antrags, Herr Abgeordneter Loritz, und bitte, mich darin nicht unterbrechen zu wollen!
21er-Ausschüsse: 8 CDU, 8 SPD, 3 FDP, 1 DP, 1 BP;
15er-Ausschüsse: 7 CDU, 6 SPD, 2 FDP.
7er-Ausschüsse: 3 CDU, 3 SPD, 1 FDP.
Da nach meiner Auffassung eine formgerechte Aussprache über diesen Antrag noch nicht stattgefunden hat, sondern, soweit ich mich erinnere, nur der Herr Abgeordnete Scharnberg bei seiner Stellungnahme zum Antrag der SPD darauf hingewiesen hat, frage ich, wer das Wort zu diesem Antrag wünscht.
Zunächst hat Herr Abgeordneter Dr. Reismann das Wort. Danach erhält es Herr Abgeordneter Loritz.
Der CDU-Antrag nach dem Verfahren d'Hondt ist hinfällig. Ich habe mitzuteilen — was ich eben schon erwähnt habe —, daß die WAV und das Zentrum gemäß § 7 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Arbeitsgemeinschatt bilden,
eine Arbeitsgemeinschaft, wie sie in der zitierten Bestimmung ausdrücklich vorgesehen ist. Dort heißt es:
Für die Bemessung des Stellenanteils können sich Fraktionen zusammentun und fraktionslose Mitglieder sich einer Fraktion anschließen.
Damit haben diese beiden Fraktionen bezüglich
der Stellenbesetzung eine Stärke, die größer ist
als die der Bayernpartei und der Deutschen Partei.
— Besten Dank für den freundlichen Glückwunsch! Ich erwarte gegebenenfalls auch den Glückwunsch von der Bayernpartei und der Deutschen Partei.
— Schade, vielleicht kommt er noch von da!
Jedenfalls ist die Situation jetzt so, daß, wenn die Partei, die den Antrag gestellt hat, nur einigermaßen nach Recht und Billigkeit verfahren will, sie diesen Antrag in der jetzt vorliegenden Form nicht mehr aufrechterhalten kann.
— Das machen Sie? Da habe ich doch Ihrem Gerechtigkeitssinn, ich hätte fast gesagt, sogar zugetraut, daß Sie es anders gemacht hätten.
— Ach, lieber Herr Kollege, geben Sie Ihrer Enttäuschung doch nicht auf diese Art und Weise Raum! Ich weiß ja, daß Sie ganz gern nachgegeben hätten, als soeben die Zählung beanstandet wurde. Sie hätten hinterher gern anders gestimmt, das will ich Ihnen gern glauben, aber das spielt ja keine Rolle.
Jedenfalls haben wir nach der Geschäftsordnung Anspruch darauf, daß das berücksichtigt wird. Der CDU-Antrag kann deshalb in dieser Form nicht mehr aufrechterhalten werden.
Ich beantrage, die Sitzung jetzt zu unterbrechen, damit dieses Schema geändert wird und die Parteien entsprechend der nunmehr veränderten Konstellation zum Zuge kommen. Das ist der erste Antrag. Für den Fall, daß er abgelehnt werden sollte, beantrage ich, das Haus wolle beschließen, daß an sich das d'Hondtsche System in Anwendung kommt und daß die Ausrechnung später erfolgt.
Ich darf zunächst einmal feststellen, daß es für einen Antrag auf Unterbrechung der Sitzung der Zustimmung von 30 Mitgliedern des Hauses bedarf.
Jetzt hat der Herr Abgeordnete Loritz das Wort, anschließend der Herr Abgeordnete Dr. von Brentano.
Meine sehr verehrten Damen ,,und Herren! Wollen wir doch nicht in die ganzen Debatten Unruhe bringen, nachdem, wie der Herr
Präsident mit Recht gesagt hat, es jetzt die ganze Zeit so gut und schön gegangen ist.
Wir dienen damit nämlich nicht der Demokratie. Ich weiß nicht, warum hier soviel Aufregung und soviel des Gelächters ist, wenn wir von einem demokratischen Recht Gebrauch machen. Denn heute gilt immer noch der alte Juristensatz: Qui sou jure utitur, neminem laedit! Wer von seinem Recht Gebrauch macht, tut keinem Menschen weh! Wir haben jetzt nur einen Gegenzug gemacht gegenüber dem, wie hier eine ganz kleine Mehrheit glaubte mit uns umspringen zu können, und das ist unser gutes Recht! Erschweren Sie uns das doch bitte nicht! Wir wollen genau wie Sie in aller Sachlichkeit auch an das. Problem der Besetzung der Ausschüsse herangehen. Wir haben nun einmal in der Geschäftsordnung eine solche Bestimmung. Ich lese im allgemeinen nicht vom Blatt ab,
aber in diesem Fall lese ich es Ihnen jetzt nochmals vor. In dem § 7 Absatz 2 haben wir die ausdrückliche Bestimmung:
Bei Berechnung der Fraktionsstärke zählen die Gäste mit. Für die Bemessung des Stellenanteils können sich Fraktionen zusammentun und fraktionslose Mitglieder sich einer Fraktion anschließen.
Von dieser Bestimmung haben wir Gebrauch gemacht, und jetzt stellt sich zur Enttäuschung vieler, die zuerst gegen uns abgestimmt haben, heraus, daß man sich vorher um de- Kaisers Bart gestritten hat, und der Bart ist nun davongeschwommen!
Und jetzt wird sich nach dem d'Hondtschen System sogar ergeben, daß die kleine Mehrheit hier. auf der Rechten des Hauses viel schlechter dran sein wird, als sie es nach dem Vorschlag von Herrn Kollegen Schoettle gewesen wäre. Der Herr Kollege Schoettle hatte klar und in ausgezeichneter Weise betont, daß der Regierungskoalition die kleine Mehrheit, die sie tatsächlich nur hat, durch seinen Vorschlag in Wirklichkeit gesichert war. Nun aber werden sich einige Ueberraschungen herausstellen!
Ich gebe namens der gesamten Fraktion der WAV ebenfalls die Erklärung ab, daß wir gemäß § 7 Absatz 2 der Geschäftsordnung zusammen mit dem Zentrum eine Arbeitsgemeinschaft bilden.
Damit wird die gesamte Besetzung der Ausschüsse ein völlig anderes Gesicht bekommen, und Sie müssen jetzt eine völlig andere Aufstellung machen, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich kann es Ihnen nicht ersparen, meine Damen und Herren!
Darf ich Sie einmal fragen: Welchen Namen soll denn diese Arbeitsgemeinschaft offiziell tragen?
Diese Arbeitsgemeinschaft trägt den Namen „WAV-Zentrum"!
Nein, sie trägt den Namen genau nach der demokratischen Spielregel: „Wirtschaftliche Aufbauvereinigung — Zentrum".
— Herr Kollege Strauß, wollen wir doch die Debatten dieses Hauses auf dem hohen Niveau lassen, das sie in den letzten Tagen gehabt haben! Wollen wir doch die parlamentarische Arbeit hier nicht ins Lächerliche ziehen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe, als ich vor wenigen Tagen die Ehre hatte, namens der WAV-Fraktion zu sprechen, Ihnen, meine Damen und Herren von der Rechten, doch ganz klar und deutlich gesagt, und der Herr Bundeskanzler hat das heute auch aufgegriffen: Wir sind keine Opposition nur um der Opposition willen, wir wollen konstruktiv mitarbeiten, soweit es in unseren schwachen Kräften steht.
Erschweren Sie uns doch nicht die Mitarbeit, erschweren Sie es uns doch nicht, uns in entsprechendem Verhältnis einzusetzen für das Wohl und Wehe unseres Vaterlandes, wie es nun einmal eindeutig durch das Wahlergebnis und damit durch den Willen des deutschen Volkes feststeht. Danach wollen wir und haben wir uns zu richten. So bitte ich jetzt ebenfalls namens der Fraktion der WAV, hier kurz auszusetzen. Die 30 Unterschriften sind vorhanden. Wenn das aber aus irgendeinem Grunde abgelehnt werden würde, dann bitte ich jedenfalls, eine ganz kurze Pause anzusetzen, in der Sie hier einen neuen Verteilungsschlüssel ausarbeiten müssen. Denn der alte Schlüssel stimmt doch nicht mehr. Das möchte ich hiermit namens der WAV-Fraktion und namens der Arbeitsgemeinschaft WAV-Zentrum zum Ausdruck gebracht haben.
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Brentano.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, das gesamte Haus hat mit Interesse von der Gründung der Arbeitsgemeinschaft Wirtschaftliche Aufbauvereinigung — Zentrum Kenntnis genommen.
Ich möchte folgendes feststellen: Die zahlenmäßige
Verteilung in dem Antrag der CDU/CSU hat sien
naturgemäß durch diese Neugründung geändert.
Ich werde den Antrag dahin abändern, daß entsprechend den Vorschriften der §§ 7 und 9 der Geschäftsordnung die Ausschüsse nach dem d'Hondtschen System von den Fraktionen, Gruppen und Arbeitsgemeinschaften besetzt werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Miessner.
Die Gruppe „Nationale Rechte" unterstützt die Anträge des Zentrums und der WAV auf Unterbrechung der Sitzung und stellt ebenfalls den Antrag — —
— Unterbrechen Sie mich doch nicht in dieser Art;
wir müssen doch nun einmal weiterkommen. Wir
stellen den Antrag, zunächst nur über das d'Hondtsche System als solches abzustimmen und dann die Sitzung zu unterbrechen, damit auch wir die Möglichkeit haben, in irgendeiner Weise noch zum Zuge zu kommen.
Meine Damen und. Herren! Ich mache darauf aufmerksam, daß nach § 78 der Geschäftsordnung vor Erledigung der Tagesordnung nur vertagt werden kann: entweder auf Vorschlag des Präsidenten oder auf Antrag von 30 anwesenden Mitgliedern. 30 anwesende Mitglieder würden nominell in Frage kommen. Die Fraktion der WAV mit 12 und das Zentrum mit 10, das sind 22, die Nationale Rechte mit 6, das sind 28.
— Das sage ich ja. Es muß also den Herren Antragstellern überlassen bleiben, den Nachweis zu erbringen, daß sie über 30 Stimmen verfügen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Namens der Fraktion der Deutschen Partei stelle ich den Antrag auf Vertagung. Unterstützung ist gegeben durch die Fraktionen der Deutschen Partei und der Bayernpartei.
Meine Damen und Herren, nach diesem Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. von Merkatz müssen wir zunächst einmal die Sitzung unterbrechen.
Entschuldigen Sie, die vorschriftsmäßige Zahl
von 30 Mitgliedern ist für den Antrag auf Unterbrechung durch die eben abgegebene Erklärung vorhanden.
Ich mache darauf aufmerksam, daß noch eine Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Renner vorliegt. Der Antrag auf Unterbrechung geht aber vor. Ich nehme Ihr Einverständnis an. — Danke.
Wer für den von Herrn Abgeordneten Dr. von Merkatz soeben mit der nötigen Unterstützung gestellten Antrag auf Unterbrechung ist, den bitte ich. die Hand zu erheben. — Der Antrag hat keine Mehrheit gefunden. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angesichts der zahl der Stimmenthaltungen kann kein Zweifel darüber Sein, daß der Antrag — nach unserer Feststellung hier oben — mit großer Mehrheit abgelehnt worden ist. Darf ich das feststellen! — Ich höre keinen Widerspruch.
Das Wort hat zunächst der Herr Abgeordnete Renner.
Meine Damen und Herren! In stundenlangen Auseinandersetzungen waren die Fraktionen in interfraktionellen Besprechungen bemüht, diese Frage, die man normalerweise in allen Parlamenten nach Gentlemen-agreement-Methoden regelt, zu behandeln. Was wir heute hier erlebt haben, ist ein praktischer Schulungsunterricht der Regierungskoalitionsparteien und Minister über Toleranz und Demokratie. Die FDP ist heute mittag umgebogen worden. Der Vertreter der CDU, Herr Kollege Holzapfel, hat schriftlich einen Alternativantrag gestellt, der darauf hinauslief, dem Hause die Schaffung von 27er-Ausschüssen vorzuschlagen. Was erleben wir hier? Der Antrag der SPD, der einer wirklich demokratischen Regelung der Frage gerecht geworden wäre, ist abgelehnt worden. Der Erfolg ist der, daß wir meiner Meinung nach jetzt nur noch über den Antrag von Brentano abzustimmen haben.
Aber gestatten Sie mir, noch ein Wort zur Sache selbst. Wenn wir Toleranz der Regierungsparteien in der Zukunft so vorexerziert bekommen, dann darf man von uns nicht erwarten, daß wir nicht mit derselben Methode zurückschlagen und uns nicht wehren. Sie. Herr Dr. Konrad Adenauer, haben heute durch Ihre Fraktion mit Hilfe der FDP den Beweis dafür geliefert, was wir von Ihrer Toleranz und Ihrer Demokratie — —
— Ja, Sie sind heruntergegangen ins Plenum; Sie hatten es nicht nötig, sich an der Abstimmung zu beteiligen, wenn Sie sich als toleranter Bundeskanzler erweisen wollten. Sie sind aber in die Kampfbahn heruntergestiegen und haben damit bewiesen, daß es Ihnen nicht darauf ankommt, tolerant zu sein.
Aber was geschieht mit dem Vorschlag Brentano? Mit dem Vorschlag Brentano wird erreicht, daß die kleinen Fraktionen praktisch nur in einem einzigen 27er-Ausschuß vertreten sind. Schon in dem zweiten Ausschuß ist neben der Koalitionspartei, neben der FDP, nur noch die DP vertreten. Einig war man sich bisher auch in den Reihen der CDU, daß das ein Manko ist. Dieses Manko sollte dadurch repariert werden, daß von der CDU — ausgehend von Herrn Holzapfel — der Vorschlag gekommen ist, die Lücke, die dadurch entsteht. daß man die kleinen Fraktionen nicht berücksichtigt, auszugleichen dadurch, daß man den kleinen Fraktionen wenigstens über den FDP-Antrag die Möglichkeit einer Mitarbeit, zumindest in diesen Ausschüssen, verschafft.
Sie haben sich auch bis heute nicht darüber ausgesprochen, ob Sie wenigstens diesem Antrag zustimmen wollen. Sie haben hier wirklich demonstriert, daß Sie Ihr Machtverhältnis gnadenlos gegen die kleinen Fraktionen ausnutzen wollen. Das ist Ihnen, Herr Brentano, gelungen.
— Herr Dr. Müller, mischen Sie sich nicht hinein; von Demokratie haben Sie meines Erachtens noch nie etwas verstanden. — Ich appelliere an die CDU, ob sie wenigstens bereit ist, dieses Zugeständnis zu machen.
Meine Damen und Herren! Der Antrag des Herrn Abgeordneten von Brentano, der mündlich gestellt worden ist, ist mir inzwischen schriftlich vorgelegt worden. Ich verlese ihn:
Der Bundestag möge beschließen:
Die Sitze in den Ausschüssen werden nach dem d'Hondtschen System im Sinne der §§ 7 und 9 der Geschäftsordnung verteilt.
Dadurch würde der von Ihnen — darf ich einmal die führenden Herren der CDU/CSU bitten, mir zuzuhören? - vorhin gestellte und von mir verlesene Antrag hinfällig werden. Es würde nur über das Prinzip im Sinne des eben verlesenen Antrags abgestimmt werden.
Wird das Wort zu diesem Antrage gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall.
— Es ist geklingelt. — Dann lasse ich über den Antrag abstimmen.
- Wir können ja dauernd klingeln.
Es kommt doch niemand mehr herein.
Wer für den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. von Brentano ist, den ich eben verlesen habe, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir brauchen nicht auszuzählen. Das ist die Mehrheit. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Schön, dann lassen wir die Stimmen der Gegenprobe auszählen. —
Meine Damen und Herren, ich höre eben folgendes: die Herren Schriftführer kommen nicht zu einem einheitlichen Ergebnis. Also beginnen wir die Abstimmung noch einmal von vorn. Wer für den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. von Brentano ist — ich glaube, ich brauche ihn nicht noch einmal zu verlesen —,
den bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben. —Ich möchte feststellen, daß nach unserem Eindruck hier oben eindeutig eine Mehrheit — auch unter Berücksichtigung der hintersten Bänke dieses Hauses — vorhanden ist.
— Wir sind mitten in der Abstimmung. Ich werde mich bemühen, ein Höchstmaß an Klangstärke meines Organs herauszuholen.
Ich habe soeben in Übereinstimmung mit den beiden Schriftführern festgestellt, daß hier zweifelsfrei eine Mehrheit vorliegt. Wenn diese Mehrheit nicht angezweifelt wird, darf ich feststellen, daß der Antrag Dr. von Brentano angenommen ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schoettle.
Haben Sie keine Sorge, meine Damen und Herren, ich werde diese Abstimmung nicht anzweifeln; aber ich nehme den zweiten Teil des sozialdemokratischen Antrags nun wieder auf und beantrage, nach der von uns vorgelegten Fassung den soeben angenommenen Antrag der CDU/CSU zu ergänzen. Ich bitte den Herrn Präsidenten, den zweiten Teil unseres Antrages noch einmal zu verlesen.
Herr Kollege Schoettle, Sie hätten ihn eigentlich einmal selbst vorlesen können.
Ich habe schon soviel vorlesen müssen.
Der Herr Abgeordnete Schoettle stellt folgenden ergänzenden Antrag, den er selbst verlesen wird.
„Den nach diesem Schlüssel" — in diesem Falle dem d'Hondtschen — „in einem Ausschuß nicht vertretenen Fraktionen steht das Recht zu, sich durch einen Abgeordneten mit beratender Stimme vertreten zu lassen, soweit nicht der Bundestag für einzelne Ausschüsse eine abweichende Regelung beschließt."
Wird das Wort zu diesem ergänzenden Antrag gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Reismann! Darf ich fragen: Sprechen Sie für die Arbeitsgemeinschaft WAVZentrum oder nur für das Zentrum?
Wir sind für diesen Antrag, meine sehr verehrten Damen und Herren, und zwar sind wir deswegen dafür, weil wir die Machtpositionen, wenn wir sie in Händen haben, nicht so mißbrauchen wollen wie die Parteien, denen wir sie aus den Händen winden mußten, weil sie uns dazu gezwungen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es bedauerlich, daß man uns in dieser tumultuarischen Art und Weise daran hindern wollte, auch nur bekanntzugeben, was geschehen war. Eine Partei, die sich christlich und demokratisch nennt, sollte soviel an Demokratie und Verständnis dafür aufbringen, daß man die kleinen Parteien in dem Rahmen dessen auch berücksichtigen muß, was billig und angemessen ist.
— Meine Herren, weil Sie hereingefallen sind, bezeichnen Sie es als unmoralisch!
— Meine sehr verehrten Damen und Herren, so geht es wirklich nicht. Ich meine, wenn man miteinander arbeiten will und hat als Regierungskoalition eine so starke Mehrheit wie eine Stimme, dann muß man sich schon einiges gefallen lassen und Rücksicht auf die anderen Parteien nehmen, die auch noch da sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn
Sie hier solche Krawallszenen veranstalten — —
Welchen Ausdruck haben Sie eben gebraucht, Herr Abgeordneter?
Ich habe „Krawallszenen" gesagt.
Herr Abgeordneter, hier finden keine Krawallszenen statt. Wenn solche stattfinden, ist es meine Sache, das festzustellen und daraus die Konsequenzen zu ziehen.
Ich bitte Sie fortzufahren.
Also wenn solche Szenen hier im Hause veranstaltet werden anläßlich eines so sachlichen und nüchternen Ereignisses, wie es eine Abstimmung über die Beteiligung an den Ausschüssen ist, dann fällt das äußere Bild, das kein gutes ist, zu Ihren Lasten aus und nicht zu Lasten derer, die Sie überfahren wollten und die Ihre Versuche konterkariert haben. Wir hatten in loyaler Art und Weise in allen Beratungen dieses besonderen Ausschusses zusammengearbeitet und waren zu dem Ergebnis gekommen, das Sie jetzt vereitelt haben. Wenn Sie nun den Nachteil davon haben, ist das Ihre Schuld.
Das Wort hat noch zur gleichen Sache der Herr Abgeordnete Dr. Miessner, das heißt zu dem Ergänzungsantrag, damit wir jetzt klar bei der Sache bleiben.
Meine Damen und Herren! Es geht doch hier um nichts anderes als um die Mitarbeit der kleinen Parteien. Wir betrachten es wirklich als beschämend, daß man uns in dieser Weise gewissermaßen den Hals zudrehen will. Wir stellen daher den Antrag, auch zu dem d'Hondtschen Verfahren den Zusatz aufzunehmen, daß nicht nur für die Fraktionen, sondern auch G r up-pen unter Fraktionsstärke Teilnahme mit beratender Stimme zulässig ist.
Herr Abgeordneter Miessner, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß wir über diese Ergänzung des Ergänzungsantrags der SPD, hinter „Fraktionen" noch dasselbe einzufügen, also „Gruppen", bereits mit negativem Ergebnis abgestimmt haben, so daß ich eigentlich annehmen möchte, daß eine nochmalige Abstimmung kaum zu einem anderen Ergebnis führen dürfte. Ich halte mich zum mindesten für verpflichtet, Sie darauf hinzuweisen.
Herr Präsident! Mir ist das bekannt. In vollem Bewußtsein dieser Tatsache stelle ich den Antrag noch einmal, damit man ganz klar sieht, wer hier im Hause die kleinen Parteien unterdrücken will.
Ich muß Sie dann allerdings auf die Geschäftsordnung aufmerksam machen, wonach in derselben Sitzung der gleiche Antrag nicht zweimal gestellt werden kann. Es tut mir leid.
Wenn weiterhin das Wort nicht gewünscht wird — und das darf ich jetzt wohl annehmen —, dann kommen wir zur Abstimmung über den Ergänzungsantrag des Abgeordneten Schoettle in der bekannten, von ihm verlesenen Fassung, als Ergänzung zu dem vorhin beschlossenen Antrag Dr. von Brentano und Genossen. Wer für den Ergänzungsantrag Schoettle ,ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Meine Damen und Herren, das ist zweifelsfrei die Mehrheit. Ich erkläre damit den Ergänzungsantrag für angenommen.
Ich habe nunmehr einen weiteren Antrag zur Abstimmung zu bringen, glaube aber, daß sich die Abstimmung hier erübrigen wird. Es handelt sich um die Anregung des Herrn Abgeordneten Schöttle, daß die Berliner Abgeordneten mit beratender Stimme an sämtlichen Ausschüssen beteiligt sind. Ich glaube, es bedarf wohl darüber keiner ausdrücklichen Abstimmung. Erhebt sich Widerspruch im Hause? — Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, daß die Berliner Vertreter mit beratender Stimme an sämtlichen Ausschüssen beteiligt sind.
— Gegen den Widerspruch der KPD!
Meine Damen und Herren! Wir kommen nunmehr wieder auf die interfraktionelle Basis zurück, was zweifellos die Durchführung des Verfahrens erleichtern dürfte. Wir kommen nämlich nunmehr zu dem Antrag Drucksache Nr. 48:
Interfraktioneller Antrag betreffend Stärke der Ausschüsse.
Die Herren, die diesen Antrag unterschrieben haben, haben mich darauf hingewiesen, daß wir absatzweise darüber abzustimmen haben. Ich darf annehmen, daß alle Mitglieder des Hauses die Drucksache Nr. 48 vor sich liegen haben. Wird das Wort dazu gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Seelos!
Meine Damen und Herren! Die Einteilung der Ausschüsse in 27er-, 21er-, 15er- und 7er-Ausschüsse ist unter den gegebenen Fraktionsverhältnissen und Fraktionsstärken erfolgt. Nachdem wir noch nicht einmal wissen, wie sich die Neuberechnung infolge der Fraktionsneubildung auswirken wird, bin ich der Auffassung, daß man zunächst einmal die Grundlage schaffen und die Sache nach dem d'Hondtschen Verfahren neu berechnen muß. Erst dann können wir eine Neueinteilung der Ausschüsse vornehmen. Jetzt bin ich dazu nicht in der Lage und bitte daher um Vertagung der Angelegenheit.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kinat.
Meine Damen und Herren! Hier liegt ein Antrag vor, bei welchem zu entscheiden ist. ob wir den Ausschuß für die Heimatvertriebenen mit 27 oder mit 21 Mitgliedern besetzen. Ich bedaure es — weil es draußen Verwunderung, wenn nicht gar Befremden erregen würde —, daß man sich in dem Gremium, das uns diese Vorlage unterbreitet, nicht darüber schlüssig geworden ist, daß ein so wichtiger Ausschuß mindestens zu den großen Ausschüssen zu rechnen ist und damit die Mitgliederzahl von 27 notwendig ist.
Meine Damen und Herren! Ich möchte das Hohe Haus überhaupt bitten, bei allen Anliegen und Vorgängen, die die Heimatvertriebenen betreffen, keinerlei Unterbewertung Platz greifen zu lassen. Wir verlangen, daß man die Bedeutung des Flüchtlingsproblems so sieht, wie sie in Wirklichkeit ist.
Daher bitte ich, daß der Ausschuß für die Heimatvertriebenen mit 27 Mitgliedern besetzt wird.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Ich stelle fest, daß das nicht der Fall ist.
Dann kommen wir zunächst zur Abstimmung
über Ziffer I des Antrags Drucksache Nr. 48:
Die vom Bundestag eingesetzten Ausschüsse werden in folgender Stärke gebildet.
Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
- Ich habe keinen Vertagungsantrag gehört. Haben Sie einen Vertagungsantrag gestellt?
— Herr Abgeordneter Dr. Seelos, dieser Antrag bedarf der Unterstützung von 30 Stimmen.
— Verzeihung, ich war doch soeben schon in der Abstimmung.
— Warum müssen wir denn alle mit so großem Stimmaufwand sprechen! Man kann sich doch bei Ruhe im Saal sehr gemütlich unterhalten. Sie haben einen Vertagungsantrag gestellt?
- Das habe ich in dieser Form nicht gehört. Sonst
wäre ich nicht zur Abstimmung geschritten.
Jetzt muß ich feststellen, ob der Vertagungsantrag die nötige Unterstützung findet.
- Meine Damen und Herren, ich darf jetzt einen
praktischen Vorschlag machen. Sie wollen doch
keinen Antrag auf Vertagung, sondern höchstens
einen Antrag auf Unterbrechung stellen. Wir wollen doch heute mit diesen Dingen fertig werden,
weil wir sonst nicht zur Abwicklung unserer übrigen Tagesordnung für heute und morgen und zum
Beginn der Ausschußarbeiten in der nächsten
Woche kommen. Ich erlaube mir den Vorschlag,
daß -wir jetzt die Abstimmung über die Drucksache Nr. 48 aussetzen und daß die beteiligten
Herren, die schon die Drucksache Nr. 48 ausgearbeitet haben, sich inzwischen noch einmal zusammensetzen. In der Zwischenzeit können wir
unsere Beratungen hier fortführen. Dadurch würde
unsere Arbeit erleichtert und gefördert werden.
Muß dadurch das ganze Haus betroffen werden?
— Dann bitte ich, mir jetzt zu sagen, ob Sie für den Antrag auf Unterbrechung eine Unterstützung von 30 Mitgliedern haben.
— Ich lasse über den Antrag auf Unterbrechung abstimmen.
— Verzeihung! Ich muß anerkennen, ich habe den Vertagungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Seelos überhört. Ich habe ihn nicht in dieser Form aufgefaßt. Infolgedessen muß ich ihm Rechnung tragen. Es hat sich herausgestellt, daß dieser Antrag von mehr als 30 Mitgliedern des Hauses unterstützt wird. Wer dafür ist, daß die Sitzung gemäß diesem Antrag unterbrochen wird, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte auszuzählen.
— Nein. Überlassen Sie es bitte mir, das von hier die Mehrheit ist. Sie sehen nicht nach hinten; ich sehe alles.
— Nein. Ueberlassen Sie es bitte mir, das von hier aus zu beurteilen. Dazu sitze ich doch da. —
Ich bitte nun um die Gegenprobe; aber ich mache gleich darauf aufmerksam, daß sich 186 Stimmen für den Antrag entschieden haben. Wollen wir noch auszählen lassen? Ich glaube, es ist die Mehrheit.
Wird es anerkannt oder wollen wir auszählen?
- Es ist in Ordnung.
Damit wir jetzt nicht allzusehr wieder in unserem Geschäftsplan gestört werden, möchte ich doch zunächst alle Beteiligten fragen, welche Zeit sie für die Beseitigung der aufgetretenen Differenzen zu benötigen glauben. Darf ich einmal um Äußerungen der hauptbeteiligten Fraktionen bitten?
Meine Damen und Herren, ich mache auf folgendes aufmerksam. Wir haben die Absicht, auch den übrigen Teil der Tagesordnung heute noch zu erledigen.
Ich muß infolgedessen dringend darum bitten, daß die Unterbrechung nicht lange ausgedehnt wird. Es handelt sich doch nur um eine Sache des Rechenstifts. Ist das nicht in einer halben Stunde zu machen?
Meine Damen und Herren, ich darf dann folgendes feststellen. Es ist jetzt 19 Uhr. Ich werde um 19 Uhr 30 wieder klingeln lassen und dann ohne Rücksicht auf die Zahl der Anwesenden in der Sitzung fortfahren.
Die Sitzung ist unterbrochen.
Die Sitzung wird um 19 Uhr 15 Minuten wieder aufgenommen.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist wieder eröffnet. Darf ich mir zunächst die Frage erlauben, ob die Unterbrechung zu dem beabsichtigten Ergebnis geführt hat.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Schäfer.
Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion beantrage ich, den Punkt der Tagesordnung, bei dem vorhin die Sitzung unterbrochen worden ist, abzusetzen und morgen zu Beginn der Sitzung mit diesem Tagesordnungspunkt fortzufahren. Durch die inzwischen mitgeteilte Bildung einer Arbeitsgemeinschaft WAVZentrum sind Voraussetzungen, die für die Bemessung der Mitgliederzahl in den Ausschüssen bestimmend gewesen sind, hinfällig geworden. Es ist notwendig, über die Grundlagen der Ausschuß-bildung neue Klarheit zu schaffen. Es erscheint uns deswegen notwendig, jetzt eine Vertagung vorzunehmen.
Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? — Herr Antragsteller, wollen Sie auch gleich einen Zeitpunkt beantragen?
— Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? — Sie hatten sich noch zur Geschäftsordnung gemeldet; ist das erledigt?
Wenn das Wort nicht mehr gewünscht wird, lasse ich über den Antrag Dr. Schäfer abstimmen, den Punkt 4 heute abend abzusetzen und morgen früh als ersten, bei einem Sitzungsanfang um 11 Uhr, vorzunehmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Meine Damen und Herren, das ist zweifelsfrei die Mehrheit.
Dann hat noch das Wort zur Geschäftsordnung der Herr Abgeordnete Dr. Miessner.
Meine Damen und Herren, ich erhebe Protest dagegen, daß der vorhin von mir gestellte Zusatzantrag von dem Herrn Präsidenten mit dem Hinweis abgelehnt worden ist, daß bereits ein solcher Antrag gestellt sei. Der Herr Präsident hat es nicht zur Abstimmung über meinen Antrag kommen lassen.
Ich darf das kurz begründen. Die Gruppe „Nationale Rechte" hatte einen Zusatzantrag zu dem Antrag, der von der SPD-Fraktion eingebracht worden ist, gestellt. Darüber ist abgestimmt, und er ist abgelehnt. Ich habe dann einen Antrag zu dem zweiten Antrag gestellt, der, glaube ich, von der CDU war, nämlich grundsätzlich das d'Hondtsche Verfahren zugrunde zu legen. Dazu habe ich folgenden Zusatzantrag eingebracht:
Den nach diesem Schlüssel in einem Ausschuß nicht vertretenen Fraktionen und der Gruppe „Nationale Rechte" steht das Recht zu, sich durch einen Abgeordneten mit einer beratenden Stimme vertreten zu lassen, soweit nicht der Bundestag für einzelne Ausschüsse eine abweichende Regelung beschließt.
[ch kann mich nicht erinnern, daß dieser Antrag als Zusatzantrag zu dem Antrag, das d'Hondtsche Verfahren zugrunde zu legen, von mir vorher in der Sitzung schon gestellt ist. Ich bitte deshalb, darüber abzustimmen.
Zu der geschäftsordnungsmäßigen Bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Miessner darf ich folgendes feststellen: Herr Abgeordneter Dr. Miessner hatte beantragt, daß die Bezeichnung NR, Nationale Rechte, unter den Fraktionen in dem Ergänzungsantrag wieder aufgenommen wird. Das war der erstmalige An- trag, der abgelehnt wurde. Dann hatten Sie diesen Antrag zum zweitenmal wieder aufgenommen. Ich weiß im Moment nicht, ob dieses in Verbindung mit dem d'Hondtschen System der Fall war. Ich habe aber die Abstimmung über diesen Antrag nicht verweigert, sondern mir nur den Hinweis darauf erlaubt — nachdem vorher das Abstimmungsergebnis negativ gewesen war, ich kann meine Worte hier nicht wiederholen —, ob es zweckmäßig sei, den Antrag noch einmal zu stellen. Dann ist allerdings in der Aussprache die weitere Behandlung des Antrags untergegangen. Von einer Absicht meinerseits kann nicht die Rede sein.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Miessner.
Herr Präsident! Sie haben den Hinweis ausgesprochen und mir empfohlen, den Antrag — —
— Der Herr Präsident hat, wie ich mich genau erinnere, mir empfohlen, den Antrag zurückzuziehen unter Hinweis darauf, daß ein ähnlicher Antrag, das heißt ein ähnlicher Zusatzantrag zu dem vorhergehenden SPD-Antrag abgelehnt worden ist. Das ist richtig.
Ich habe dann erklärt, daß ich meinen Antrag nicht zurückziehe, sondern daß ich auf Abstimmung des Zusatzantrages zu dem d'Hondtschen Verfahren bestehe. Ich bitte, darüber abzustimmen.
Das kann heute nicht mehr sein, Herr Abgeordneter, nachdem die auf morgen 11 Uhr vertagt ist. Ich darf ganze Angelegenheit, wie Sie miterlebt haben, anheimstellen, diesen Antrag morgen früh noch einmal zu wiederholen. Sonst würden wir wieder in eine Beratung der Materie eintreten, die wir eben — fast einstimmig — auf morgen früh verschoben haben. Das bitte ich zu berücksichtigen.
Ich bin damit einverstanden, wenn mir Gelegenheit gegeben wird, den Antrag morgen noch einmal zu stellen.
Wird sonst noch das Wort gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall.
Die nächste Plenarsitzung ist morgen früh 11 Uhr.
Die CDU-Fraktion tritt um 9 Uhr zusammen.
Haben die anderen Fraktionen Wünsche? — Das ist nicht der Fall.
Die Sitzung ist geschlossen.