Meine Damen und Herren! Die Diskussion zur Regierungserklärung hat sich über so viele Tage erstreckt und es ist so viel dabei angeregt worden, daß Sie verstehen werden, wenn ich nicht zu allen gemachten Ausführungen und Ausstellungen im einzelnen Stellung nehme. Aber seien Sie überzeugt davon, daß alles sehr sorgfältig geprüft wird, was gesagt worden ist, und daß die Bundesregierung auch dort, wo es ihr richtig erscheint, die nötigen Konsequenzen daraus ziehen wird. Ich möchte - wenn ich nunmehr auf einzelne Ausführungen eingehe — anfangen mit dem, was der Herr Kollege Schmid gesagt hat, weil mir das am frischesten im Gedächtnis ist. Er hat mich ermahnt, ein Bundeskanzler dürfe seine Zeit nicht damit vertun, die Memoiren oder die Lebenserinnerungen des Fürsten Bülow zu lesen. Ich kann dem Herrn Kollegen Schmid versichern, erstens daß ich jetzt keine Zeit dazu habe —
und zweitens, daß ich es auch früher nicht getan habe.
— Der Herr Kollege Renner hat meine Geschichte zum Teil miterlebt.
Aber sehen Sie, meine Damen und Herren, wenn nun der Zufall mir gerade eine Nummer der „Zeit" in die Hände spielt, in der ein so ausgezeichnetes Zitat stand,
— ja ich komme noch darauf, Herr Schmid — dann heißt es doch viel verlangt, wenn man etwas Derartiges unterdrücken soll. Aber ich darf hinzufügen, daß ich gesagt habe, ich nehme nicht an, daß ein Mitglied dieses Hauses so gewissenlos wie dieser Reichstagsabgeordnete gewesen ist.
Nun, meine Damen und Herren, möchte ich noch etwas weiteres zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Schmid sagen, und zwar zu den Ausstellungen über meine Ausführungen zur Saarfrage. Warum diese Ausführungen nicht in dem „Bundesanzeiger" veröffentlicht sind, weiß ich nicht.
Ich habe keine Zeit dazu, den Regierungsanzeiger zu lesen, aber schließlich kommt es doch darauf an, was hier im Stenogramm steht. Ich darf folgendes wiederholen. Ich habe gesagt: die Franzosen haben ein wirtschaftliches Interesse, wir Deutschen haben ein wirtschaftliches u n d ein nationales Interesse.
Ich habe weiter gesagt: schließlich haben die Saarländer auch ein Lebensinteresse. Ich glaube, wenn man meine Ausführungen im Zusammenhang nimmt, dann wird man schlechterdings nicht sagen können, daß ich die Saarfrage irgendwie als quantité négliable betrachtet hätte. Im Gegenteil, meine Damen und Herren, ich bedauere die Entwicklung der Saarfrage außerordentlich, einmal aus deutschem Interesse und zweitens aus europäischem Interesse heraus. Ich glaube aber nach wie vor daran, daß sich doch eines Tages im europäischen Rahmen eine Regelung der Saarfrage finden wird, die unseren berechtigten wirtschaftlichen und nationalen Interessen genügt.
Es ist bemängelt worden, daß ich nicht der Arbeiterwohlfahrt gedankt hätte. Ich glaube, wenn Sie meine Ausführungen nicht nur im „Bundesanzeiger", sondern auch sonst nachlesen würden dann würden Sie finden, daß ich nur den Organisationen gedankt habe, die sich besonders um, unsere Kriegsgefangenen bemüht haben. Ich habe in der Zwischenzeit gehört. daß die Arbeiterwohlfahrt das auch getan hat. Ich stehe nicht an, auch der Arbeiterwohlfahrt den Dank des gesamten deutschen Volkes dafür auszusprechen.
Es ist ferner gesagt worden, ich hätte nicht von den Arbeitern gesprochen. Das ist wohl der Fall. Ich bitte, auch da nachzulesen, was ich gesagt habe.
Es ist bemängelt worden, daß ich die Disziplin und das staatliche Gefühl nicht hervorgehoben hätte, das die Gewerkschaften in den vergangenen Jahren gezeigt hätten. Ich stehe nicht an zu erklären, einmal, daß ich die Berechtigung der Gewerkschaften absolut anerkenne, weiter, daß ich ebenfalls durchaus anerkenne, daß die Gewerkschaften in den Jahren, die hinter uns liegen,
ihre Verpflichtung gegenüber dem Volksganzen erkannt und erfüllt haben.
Wenn ich davon nichts gesagt habe und ihnen nicht ausdrücklich gedankt habe, so habe ich es deswegen getan, weil ich noch sehr vielen anderen dann auch hätte danken müssen. Denn sehen Sie, meine Damen und Herren, wenn wir einmal über die Zeit seit 1945 rückwärts blicken, dann müssen wir, glaube ich, in allererster Linie unseren Hausfrauen danken für das, was sie ertragen und geleistet haben.
Man hat weiter vermißt, daß ich nichts zur Selbstverwaltung gesagt habe. Nun, ich bürge doch mit meiner ganzen Person wahrhaftig dafür, daß ich ein Freund der Selbstverwaltung durch und durch bin.
— Ich bedauere auch, daß im Grundgesetz über die Selbstverwaltung etwas wenig gesagt worden ist. Ich hätte gewünscht, es wäre mehr darüber gesagt worden; denn ich erblicke in der Stärkung der Selbstverwaltung einen ganz wesentlichen Bestandteil des föderalistischen Gedankens.
Außerordentlich habe ich begrüßt, was die Vertreter der Opposition über die Stellung zur Regierung und zur Regierungskoalition gesagt haben. Wenn ich sage, die Sprecher der Parteien der Opposition, so drücke ich mich mit Absicht etwas vorsichtig aus; denn ich weiß noch nicht so recht, wer alles zur Opposition gehört.
— Es ist von mehreren Vertretern der Fraktionen, auch der sozialdemokratischen Fraktion durch den Mund des Herrn Schmid, heute zum Ausdruck gebracht worden, daß man je nach dem Inhalt der Gesetzesvorlagen zur positiven Mitarbeit bereit sei. Deswegen beschränke ich mich jetzt darauf, die Worte zu unterstreichen, und zwar mit Genugtuung zu unterstreichen, die sowohl Herr Dr. Schumacher wie Herr Ollenhauer wie Herr Professor Schmid prinzipiell über das Verhältnis von Opposition und Regierung gesagt haben. Ich glaube, wenn die Opposition in dem Sinne geübt wird, vielleicht dann und wann einige Grad mehr — ich habe nichts dagegen —,
dann ist das für das gesamte demokratische Empfinden des deutschen Volkes von größter Bedeutung. Ich stehe nicht an zu erklären, daß jede Regierung, insbesondere auch die von mir geführte Regierung, von einer klugen Opposition sehr viel lernen kann und lernen wird.
Ich möchte nun noch einige Punkte hervorheben, die für uns von Bedeutung sind. Zunächst möchte ich von den Hemmnissen sprechen, die unserer Schiffahrt auferlegt sind. Wenn das deutsche Volk bis zum Jahre 1952 in der Lage sein soll, auf eigenen Füßen zu stehen, dann müssen die Hemmnisse, die jetzt der deutschen Schiffahrt in den Weg gelegt sind, unbedingt beseitigt werden.
Ich glaube, wir alle sind uns darin einig, daß Sie die Bemühungen der Bundesregierung auf diesem Gebiete mit dem Gewicht Ihrer Stimmen unterstützen.
Ich möchte ein Wort zu der sogenannten Grenzberichtigung im Westen sagen, die in den letzten
Tagen vorgenommen worden ist. Ich bedauere es außerordentlich, daß die Niederländische Regierung eine sogenannte Grenzkorrektur — so nennt sie esvorgenommen hat, ohne daß irgend jemand sich an das Land Nordrhein-Westfalen oder, was richtiger wäre, vorher an die Bundesregierung gewandt hat.
Meine Damen und Herren! Ein solches Vorgehen ist völlig unmöglich und kann von uns in keiner Weise ertragen werden.
Das niederländische Volk wünscht mit uns in guten
wirtschaftlichen Beziehungen zu leben. Wirtschaftliche Beziehungen sind nicht möglich ohne gegenseitige Achtung. Es ist aber ein Zeichen der Nichtachtung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland und gegenüber der Bundesregierung, wenn
Dinge vorkommen, wie sie jetzt vorgekommen sind.
Im Verlaufe der Auseinandersetzungen sind — ich bitte die betreffenden Herren, mir den Ausdruck nicht übelzunehmen — einige romantische Ausführungen über Böhmen, Mähren, Österreich usw. gemacht worden.
Meine Damen und Herren, ich bitte alle diejenigen, die von diesem Pulte aus sprechen, folgendes zu bedenken: Das Mißtrauen gegenüber uns Deutschen ist im gesamten Ausland nach wie vor außerordentlich stark, und daher sollte jeder, der öffentlich spricht, seine Worte sehr sorgfältig abwägen, ob sie nicht zu Mißdeutungen Anlaß geben können, die dieses Mißtrauen gegen uns noch verstärken.
Es ist mir gesagt worden: „Du hast Österreich nicht erwähnt!" — Nun, meine Damen und Herren: wenn einer ein Freund Österreichs seit vielen, vielen Jahren ist, dann bin ich es. Aber hat es denn Zweck und ist es überhaupt von Österreich ge-. wünscht,
daß wir hier von Österreich sprechen?
In Köln hat eine Versammlung vertriebener Sudetendeutscher stattgefunden. Meine Damen und Herren, jeder von uns wird mit den vertriebenen Sudetendeutschen empfinden und fühlen, und jeder wird mit ihnen übereinstimmen, wenn sie verlangen, in ihre Heimat, in ihre freie Heimat zurückkehren zu können.
Aber lassen Sie mich das ausdrücklich betonen: das hat mit Plänen, mit Gedanken und Gedankengängen, wie sie früher bei den Alldeutschen und später bei den Nationalsozialisten bestanden haben, gar nichts zu tun.
Das ist lediglich ein Ausdruck der Liebe zur heimatlichen Scholle und weiter nichts.
Herr Kollege Ollenhauer war so freundlich, mir am Schlusse seiner Ausführungen nahezulegen, ob ich nicht an das Hohe Haus die Frage stellen wolle, ob es meine Regierungserklärung billige.
— Ich tue es auch nicht!
— Sehen Sie, meine Damen und Herren, Herr Kollege Schmid kennt mich aus einjähriger Zusammenarbeit ganz genau,
und er wußte auch das; er hätte das gar nicht gefragt. Herr Ollenhauer kennt mich noch nicht so lange.
Aber, meine Damen und Herren, ich bitte: sehen Sie sich das Grundgesetz doch einmal an.
Dann werden Sie finden, daß derartige Vertrauensfragen durch die Fassung des Grundgesetzes absichtlich ausgeschlossen sind.
Diese Frage, ob die Frage der Billigung der Regierungserklärung gestellt werden könne und solle oder nicht, oder umgekehrt, ob eine Mißbilligung oder etwas Derartiges ausgesprochen werden konne oder nicht, ist im Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates sehr eingehend diskutiert worden. Ein so hervorragender, namentlich auch von Ihnen anerkannter Jurist wie der Justizminister Katz hat diese Frage mit Entschiedenheit verneint.
— Also dann will ich Ihnen folgendes darauf antworten: Ich war nicht dabei,
aber, verehrter Herr Kollege Schmid, der jetzige Justizminister Dehler war dabei und hat sich damals an der Diskussion beteiligt. Der Justizminister Dehler hat damals die Ansicht vertreten, es sei die Erklärung einer Billigung oder Mißbilligung möglich, hat mir aber erklärt, gerade Herr Katz habe mit aller Entschiedenheit betont, das sei unmöglich, das dürfe nicht mehr vorkommen.
Meine Damen und Herren, die Hauptsache ist ja, daß ich nicht die Absicht habe und daß ich, verehrter Herr Kollege Ollenhauer, dann wohl Ihnen überlassen muß, daraus irgendwelche Konsequenzen zu ziehen. Aber ich glaube kaum, daß Sie sie ziehen werden.
Sie haben lange Tage mit vielen Reden hinter sich und noch vor sich und Sie werden es deswegen sicher als angenehm empfinden, wenn ich mich sehr kurz fasse. Das möchte ich auch tun und möchte Sie zum Schlusse nur um folgendes bitten. Ich schließe mich da dem an, was einige Vertreter von Fraktionen, die nicht zur Regierungskoalition gehören, gesagt haben: Bitte, beurteilen Sie die Bundesregierung nach ihren Taten. Geben Sie der Bundesregierung Zeit, zu zeigen, ob sie etwas leistet oder ob sie nichts leistet. Ich bitte Sie alle: Bei entscheidenden und für das deutsche Volk wichtigen Dingen wollen wir versuchen zusammenzuarbeiten und in diesen so außerordentlich schweren Zeiten wenigstens etwas weiterzukommen im Interesse unseres Volkes!