Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Danke!
Ich habe zu meinem Bedauern feststellen müssen, daß die Bemerkungen, die der Herr Bundeskanzler über das Saargebiet gemacht hat, in der im Bundesanzeiger abgedruckten Regierungserklärung nicht enthalten sind,
und es hat mich geschmerzt, daß der Herr Bundeskanzler davon gesprochen hat, daß Frankreich Interessen im Saargebiet hat — was richtig ist —, daß aber auch Deutschland „Interessen" im Saargebiet habe. Man spricht nur dort von „Interessen" eines Staates in einem anderen Gebiet, wo dieses Gebiet ein fremdes Gebiet ist. Das Saargebiet aber ist ein Stück Deutschland!
Es gibt keine Saarfrage, wie es einmal — mit Recht — eine elsaß-lothringische Frage gegeben hat. Es gibt eine Realität „Saarkohle" und „lothringisches Erz", die durch eine politische Grenze getrennt sind, und das Problem ist: wie bringt man diese Kohle und dieses Erz zusammen, obwohl eine politische Grenze dazwischen läuft?
Die Methoden von früher, Annexionen usw. sind heute nicht mehr möglich. Wir meinen aber, daß die hybride Methode, die man vor einigen Jahren in Saarbrücken exerziert hat, unseres Jahrhunderts auch nicht würdig ist. In Asien und Afrika baut man die Rechtsfigur des Protektorats langsam ab, und hier im Herzen Europa errichtet man eine Protektoratsverfassung! Wenn man sich dabei auf den Willen des Saarvolks beruft — man wage doch eine Volksabstimmung im Saargebiet!
Es muß hier eine Lösung gefunden werden, die dieser Zeit und der Atlantik-Charta würdig ist. Am besten wäre es natürlich, wir könnten heute schon die europäischen Bodenschätze eurdpäisieren. Das können wir aber leider noch nicht. Nächstdem wäre es auch noch eine gute Sache, wenn man das Potential von Ruhr, Saar und Lothringen — Kohle, Erze, Eisen, Stahl — zu einem wirtschaftlichen Zweckverband vereinigen könnte. Auch das wird heute noch nicht gehen. Aber schon heute könnte man eine Vereinbarung zwischen Deutschland und Frankreich treffen, deren Ergebnis ein unbehinderter Zugang des Erzes zur Kohle und der Kohle zum Erz sein könnte. Ich denke an etwas -wie den alten deutschen Zollverein mit seinen legislativen und administrativen Befugnissen. Eine solche Lösung würde allen französischen Interessen gerecht werden und einen recht giftigen Pfeil aus dem Körper Europas ziehen.
Wir werden sehr bald vor der Frage stehen, wie wir uns zum Europa-Rat in Straßburg stellen sollen. Ich meine, daß wir warten sollten, bis man uns einlädt. Ich meine auch, daß wir nicht als mehr sollten hineingehen wollen, als wir sind: wir haben noch keine Möglichkeit einer souveränen Außenpolitik; darum kann ich mir einen deutschen Minister im Ministerrat des Europa-Rates nicht vorstellen. Wir sollten nur als assoziiertes Mitglied nach Straßburg gehen wollen, nicht nur deswegen, weil man uns anders nicht einladen wird. Ich glaube, wenn wir uns hierbei auf das Mögliche beschränken, dann wird uns das früher die Freiheit bringen, als fiktive Gleichberechtigungen es könnten!
Meine Damen und Herren! Wie wir die Opposition zu führen gedenken, ist hier schon zu zweien Malen gesagt worden. Ich will dazu noch einige ergänzende Worte sagen. Opposition bedeutet für uns nicht eine Respektabilitätsbezeichnung für jene, „die nicht mitmachen dürfen". Wir betrachten uns nicht als eine Art „Klub der Mißvergnügten". Opposition ist nicht die Bremse am Wagen der deutschen Politik! Opposition ist der andere Beweger der deutschen Politik.
Regierung und Opposition bilden nur zusammen die Gänze der deutschen politischen Kräfte!
Meine Damen und Herren, nehmen Sie diese Worte nicht allzusehr irenisch; sie sind kein Bekenntnis zur Sanftmut. Es wird Kampf geben,
das liegt in der Natur der Sache. — Sie kennen das Wort von den Kartoffeln, Herr Kollege Hilbert; ich brauche es Ihnen nicht zu sagen. — Diesen Kampf zu vermeiden, ist keine Sache des guten Willens allein. Sache des guten Willens aber ist, wie dieser Kampf geführt wird. Wir wollen ihn fair führen und hoffen von der Regierungskoalition, daß die Art, wie sie ihn führen wird, so sein wird, daß wir nicht ausschließlich gezwungen sein werden, gegen sie zu kämpfen, sondern daß unser Kampf ein Wettstreit um die Bürgerkrone, ein Wettkampf um den Ruhm, unserem Volke am besten gedient zu haben, werden kann.