Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 175. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Siebel, Reitzner, Funcke, Stegner, Mayer , Reimann, Rische, Fisch, Kohl (Stuttgart), Müller (Frankfurt), Niebergall, Vesper, Harig.
Danke schön!
Meine Damen und Herren, ich bin gebeten worden, bekanntzugeben, daß der Ausschuß für Fragen der öffentlichen Fürsorge sofort eine Besprechung in Zimmer 02 hat.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 9. November 1951 die Anfrage Nr. 221 der Fraktion der FDP betreffend Personelle Besetzung des Spruchsenats in Soforthilfesachen in Bad Homburg v. d. H. — Drucksache Nr. 2717 — beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2822 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat weiter unter dem 7. November 1951 die. Anfrage Nr. 224 der Abgeordneten Dr. Frey, Dr. Horlacher, Dr. Dr. Müller , Dannemann, Tobaben, Lampl und Genossen betreffend Diplomlandwirte in der Bundesfinanzverwaltung — Drucksache Nr. 2729 — beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2823 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat am 30. Oktober 1951 unter Bezugnahme auf die Entschließung des Bundestages in seiner 160. Sitzung eine Denkschrift über die Zuziehung von Schöffen oder Geschworenen und die Schaffung eines zweiten Rechtszuges in Hoch- und Landesverratssachen überreicht, die den Mitgliedern des Hauses zugänglich gemacht wird.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat am 9. November 1951 unter Hinweis auf die Beschlußfassung in der 139. Sitzung des Deutschen Bundestages über Einsparungsmöglichkeiten im Besatzungslastenhaushalt berichtet.
Die Denkschrift wird unter Drucksache Nr. 2824 verteilt.
Gemäß einer Vereinbarung im Ältestenrat wird Punkt 6 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung über den Antrag der Fraktion der DP betreffend Verteilung der Sitze für noch zu errichtende Bundesbehörden und über den Antrag der Abgeordneten Dr. Baade und Genossen betreffend Errichtung einer obersten Bundesbehörde in Kiel (Nrn. 2738, 2498, 1392 der Drucksachen),
heute abgesetzt.
Ich rufe auf Punkt 1 der gedruckten Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts (Nr. 2783 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Minister Dr. Eckert. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Dr. Eckort, Finanzminister des Landes Baden, Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meiner Erläuterung des Ihnen in Drucksache Nr. 2783 vorliegenden Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses, auf den ich Bezug nehme, muß ich eine Bemerkung zu dem einen wichtigen Antrag des Bundesrates vorausschicken, der u. a. zur Anrufung des Vermittlungsausschusses geführt hatte. Es handelt sich um den Antrag, die Bestimmung des § 6 Abs. 2 über die 20 % ige Erhöhung der Übergangsgehälter und Übergangsbezüge e in es Personenkreises nach Art. 131 des Grundgesetzes zu erweitern. Der Bundesrat wünschte diese Erhöhung auf den gesamten Personenkreis nach Art. 131 auszudehnen, um die Versorgungsempfänger aller Art gleichzustellen. Um die sich aus dieser Gleichstellung ergebende Belastung des Bundes in erträglichen Grenzen zu halten, sollte nach dem Antrag des Bundesrates die Erhöhung nur insoweit gewährt werden, als die Versorgungsbezüge 230 DM monatlich nicht überstiegen. Auf diese Weise sollte wenigstens den sozial schwächsten Kreisen geholfen werden.
Die eingehende Erörterung dieses Antrages im Vermittlungsausschuß, insbesondere die Darlegungen des Herrn Bundesministers der Finanzen über die aus dem Antrag des Bundesrats zusätzlich erwachsenden Ausgaben und die Deckungsmöglichkeit im Rahmen des Haushalts haben zu der Erkenntnis geführt, daß die beantragte Erweiterung des § 6 Abs. 2 die Zahlungskräfte des Bundes übersteigt. In Ermangelung weiterer Deckungsmöglichkeiten hat sich der Ausschuß—ich darf wohl sagen: schweren Herzens — gegen zwei Stimmen entschlossen, den Antrag des Bundesrates abzulehnen.
Dies Ihnen kurz darzulegen, hielt ich mich für verpflichtet, um vor allem in der Öffentlichkeit keine Zweifel über die Gründe, die zu diesem Beschluß des Vermittlungsausschusses geführt haben, entstehen zu lassen.
Nun zu der Drucksache mit ihren Änderungsanträgen. Die Streichung des Kap. III bedeutet, daß alle Änderungen des Ortsklassenverzeichnisses zurückgestellt werden müssen, bis dieses insgesamt neu aufgestellt wird. Die im Bundesrat vertretenen Länder haben auf diese Streichung deswegen Wert gelegt, weil jede im Ausnahmewege durchzuführende Änderung des Ortsklassenverzeichnisses eine erhebliche Belastung der Verwaltung darstellt und weil die Eröffnung der Ausnahmemöglichkeiten eine Flut von Anträgen der Gemeinden nach sich ziehen würde. Der Vermittlungsausschuß hat sich diesen Bedenken nicht verschließen können und die Streichung einstimmig beschlossen.
Die unter Nr. 2 erscheinenden Anträge zu den §§ 8 und 8 a bezwecken die Aufnahme der sogenannten Sperrvorschriften. Mit ihnen soll erreicht werden, daß das vom Bund gesetzte Besoldungsniveau für die Angehörigen der öffentlichen Verwaltung auch von den Ländern und den Gemeinden nicht überschritten wird. Die Bundesregierung hatte entsprechende Bestimmungen vorgeschlagen. Der Bundesrat hat diesen vom Bundestag nicht angenommenen Vorschlag wieder aufgegriffen, um zu verhindern, daß sich aus der Verschiedenartigkeit des Besoldungsniveaus laufend Spannungen zwischen Bund und Ländern und vor allem zwischen Ländern und Gemeinden ergeben. Gegenüber dem Vorschlag der Bundesregierung ist eine Änderung lediglich insoweit eingetreten, als die Angleichung der Bezüge sich nicht auf Kinderzulagen erstreckt. Ferner soll die Besitzstandwahrung nicht alle die Bezüge einschließen, die ohne gesetzliche Verpflichtung im Verwaltungswege gewährt worden sind, wie etwa Weihnachts-, Neujahrs- und Abschlußzuwendungen. Diese können zwar weiter gewährt werden, dürfen aber für die Vergangenheit nicht in den zu wahrenden Besitzstand eingerechnet werden. Endlich sollen die Bezüge der Versorgungsempfänger der Länder, Gemeinden usw. unberührt bleiben, die bereits vor Inkrafttreten dieses Kapitels, d. h. vor dem 1. Oktober 1951, Ansprüche auf Versorgung erworben haben. Der Vermittlungsausschuß sah aus dem Grundgedanken der Sperrvorschriften keine Veranlassung, in den Besitzstand dieser Versorgungsempfänger einzugreifen.
Nicht angenommen hat der Vermittlungsausschuß einen weiteren Antrag des Bundesrates in diesem Zusammenhang, nämlich zu beantragen, daß die Vorschriften des Kap. VIII des Gesetzes vom 30. Juni 1933 unberührt bleiben. Bei diesem Beschluß hat sich der Vermittlungsausschuß nicht so sehr von der Tatsache leiten lassen, daß diese auch auf Angestellte und Arbeiter bezüglichen Vorschriften in das Tarifrecht eingreifen, vielmehr hat er Bedenken gehabt, in eine Rechtslage einzugreifen, die in verschiedener Hinsicht zweifelhaft ist. Einmal ist jenes Gesetz von 1933 in der amerikanischen Zone ausdrücklich aufgehoben worden; zum andern ist streitig, ob seine Vorschriften aus dem Gesichtspunkt ihrer Entstehungszeit oder aus dem Gesichtspunkt nachträglicher Gesetzgebung fortgelten. Der Vermittlungsausschuß hat daher beschlossen, dem Antrag des Bundesrates nicht zu entsprechen. Er hat aber zu Protokoll festgehalten, daß er mit diesem negativen Beschluß zu der Frage der Rechtsgültigkeit keine Stellung nimmt und ihre Klärung der Rechtsprechung oder Gesetzgebung überläßt. Er hat darüber hinaus eine solche Klärung einmütig als notwendig bezeichnet.
Der Antrag zu Nr. 3 enthält die sogenannte Berlin-Klausel. Wegen der hinsichtlich dieser Klausel entstandenen Übung brauche ich nichts weiter zu sagen.
Der Antrag zu Nr. 4 zielt darauf ab, die einzelnen Kapitel des Gesetzes zu verschiedenen Zeitpunkten in Kraft treten zu lassen. Diese Zeitpunkte
ergeben sich jeweils aus der Natur der Sache, so daß es auch insoweit näherer Erläuterungen nicht bedarf.
Abschließend darf ich feststellen, daß die Ihnen vorliegenden Anträge des Vermittlungsausschusses einstimmig beschlossen worden sind und daß nach dem Willen des Vermittlungsausschusses dieses Hohe Haus über alle Anträge nur gemeinsam abstimmen soll. Namens des Vermittlungsausschusses darf ich Sie bitten, sich die Anträge zu eigen zu machen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wird gewünscht, daß Erklärungen abgegeben werden? — Das ist offenbar nicht der Fall. Meine Damen und Herren, ich komme entsprechend dem Antrage des Vermittlungsausschusses zur Abstimmung über die Gesamtheit des Antrags des Vermittlungsausschusses Drucksache Nr. 2783. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen — soweit ich sehe: ohne Gegenstimmen — angenommen.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP und des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Facharztordnung für die deutschen Ärzte an die Fortschritte der medizinischen Wissenschaft und Praxis ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens (Nr. 2761 der Drucksachen).
Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 60 Minuten für die Gesamtaussprache in dritter Beratung vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Darf ich bitten, Frau Abgeordnete.
Frau Dr. Hubert , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Drucksache Nr. 2255 der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP und des Zentrums, der einen Gesetzentwurf zur Anpassung der Facharztordnung für die deutschen Ärzte an die Fortschritte der medizinischen Wissenschaft und Praxis zum Inhalt hat, sah vor, daß die im „Deutschen Ärztetag vereinigten Vertreter der Landesärzteschaften des Bundesgebietes" ermächtigt werden, die Facharztordnung in der Berufsordnung für deutsche Ärzte vom 5. November 1937 den heutigen Verhältnissen anzupassen.
Im 32. Ausschuß herrschte volle Einmütigkeit darüber, daß das Facharztwesen in Deutschland einer Neuordnung bedarf, um die Ausbildung zum Facharzt den gesteigerten Ansprüchen auf allen Spezialgebieten der Medizin anzupassen und ihr auch die notwendige Anerkennung im Auslande zu sichern. Ebenso war man sich über die Notwendigkeit klar, die Facharztausbildung für das Bundesgebiet einheitlich zu gestalten, damit nicht eine Entwicklung fortschreitet, die die Freizügigkeit der Ärzte behindert und die schon mit den verschiedenartigen Facharztordnungen, die in Bayern und Niedersachsen erlassen sind, ihren Anfang genommen hat.
Die Meinungen gingen auseinander bei der Frage, wer die Facharztordnung den heutigen Verhältnissen anpassen soll. Vor 1933 haben die Deutschen Ärztetage Richtlinien für das Facharztwesen aufgestellt. Durch Gesetz vom 13. Dezember 1935 wurde mit der Reichsärzteordnung eine Reichsärztekammer geschaffen und dieser im § 14 die Aufgabe übertragen, eine Berufsordnung zu erlassen, die vom Reichsinnenminister zu genehmigen war. Die im Jahre 1937 erlassene Berufsordnung regelte auch das Facharztwesen.
Das Bundesministerium des Innern erhob verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in der Drucksache Nr. 2255 vorgesehene Ermächtigung des Deutschen Ärztetages zur Neuordnung der Facharztausbildung. Nach Ansicht des Bundesinnenministeriums ist der § 14 der Reichsärzteordnung zwar noch heute fortgeltendes Bundesrecht. An Stelle des Reichsinnenministers sei der Bundesinnenminister getreten. Fraglich sei aber, wer als Nachfolger der Reichsärztekammer anzusehen sei. Eine ärztliche Standesorganisation bestehe zur Zeit nur auf Landesebene. Man müsse ein Gremium schaffen, das aus den Landesärztekammern erwachse.
Der Vorsitzende des Ausschusses stellte daraufhin den Abänderungsantrag, daß ein Ausschuß aus Vertretern der Ärztekammern oder ihnen entsprechender ärztlicher Standesorganisationen zur Abänderung der Facharztordnung ermächtigt werden solle. Damit erklärten sich die Vertreter der Regierung einverstanden. Die Vertreter der SPD vertraten dagegen den Standpunkt, daß die Bundesregierung selbst eine abgeänderte Facharztordnung als Gesetzentwurf vorlegen solle. Denn einmal gebe es keine einheitliche Form der Ärztekammern im Bundesgebiet — sie sind in einigen Bundesländern Körperschaften des öffentlichen Rechts, in anderen Vereine —, zum andern habe das Facharztwesen eine solche Ausdehnung und Bedeutung erlangt, daß die Ausbildung zum Facharzt heute eine Angelegenheit von allgemeinem öffentlichem Interesse sei. Während die Regierungsparteien in der Facharztordnung eine standespolitische Angelegenheit sahen, die infolgedessen entsprechend dem bisherigen Brauch von den Standesorganisationen der Ärzte zu regeln sei, waren die Vertreter der SPD der Meinung, daß es sich hier um eine gesundheitspolitische Frage handle.
Trotz eingehender Diskussion konnte keine Einigung erzielt werden. Die Abstimmung ergab eine Mehrheit für den Abänderungsantrag des Vorsitzenden hinsichtlich der §§ 1 und 1 a des vorliegenden Gesetzentwurfes. Außerdem wurde noch der § 2 a, der die Anwendung des Gesetzes im Lande Berlin betrifft, eingefügt. Der Ausschuß bittet Sie, dem Gesetzentwurf in der vorliegenden abgeänderten Form zuzustimmen.
Ich danke der Frau Berichterstatterin. — Ich eröffne die Einzelbesprechung der zweiten Beratung und rufe zunächst § 1 auf. Frau Abgeordnete Dr. Steinbiß hat sich zuerst gemeldet.
Zu § 1 des Gesetzentwurfs möchte ich folgendes sagen. Gewiß hätten wir gerne gehabt, wenn der Deutsche Ärztetag, der die Aufgabe der Bildung der Facharztordnung schon mehrere Jahrzehnte in Händen gehabt hat, auch diesmal mit ihr betraut worden wäre. Das war aber, wie Ihnen die -Berichterstatterin
vorgetragen hat, aus gewissen verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten nicht möglich. Wenn der Bundesinnenminister ein Gremium beruft, das sich aus Vertretern der Ärztekammern und, wo solche Ärztekammern noch nicht gebildet sind, wie z. B. in Hessen und Nord-Württemberg-Baden, aus Vertretern der Ärztevereine zusammensetzt, dann glauben wir mit dem Bundesinnenministerium, daß solche gewählten Vertreter volle Berechtigung haben, eine Facharztordnung zu bilden. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß dieses Gesetz nicht eine Regelung für die Dauer sein soll und daß im Bundesinnenministerium an einer Bundesregelung gearbeitet wird, die dann dieses Gesetz ablösen wird. Die Schwierigkeiten auf dem Gebiete des Facharztwesens sind aber derart, daß eine eilige Regelung notwendig ist. Aus diesem Grunde und weil dieses Gesetz nicht ein ständiges, sondern gleichsam nur ein Überbrückungsgesetz sein soll, bis die Bundesregelung erfolgt, bitte ich Sie, den § 1 unverändert anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Pohle.
Meine Damen und Herren! Vor einiger Zeit hat der sehr geschätzte Abgeordnete Dr. Horlacher von dieser Stelle aus geäußert, er sei ein alter „parlamentarischer Hase". Ich habe von den hinteren Sitzen der namenlosen parlamentarischen Mitläufer dagegen heftig protestiert.
Wenn Herr Dr. Horlacher schon den Tiervergleich wünscht, warum bleibt er dann so bescheiden bei dem kleinen Hasen? Es gibt doch größere Tiere, mit denen er sich besser vergleichen könnte!
Wenn man nun einmal beim Tiervergleich ist und sich fragt: wo landest du noch, wenn das so fortgeführt wird? —, dann kommt man hinter dem Hasen gleich zum Swinegel. Aber das lehne ich auch wiederum ab, weil bei dem bekannten Wettlauf zwischen Swinegel und Hasen der Swinegel bekannterweise gemogelt hat, und das ist etwas Ehrenrühriges. Ich möchte also in diesem Falle für mich in Anspruch nehmen: ich bin eine kleine weiße Maus,
die so vielfach zu Experimenten gebraucht und mißbraucht wird. Ich möchte hier experimentieren, ob es gelingt, bei der Mehrheit dieses Hohen Hauses Interesse für gesundheitspolitische Fragen zu erwecken.
Meine Damen und Herren! Friedrich von Schiller
schrieb kurz vor seinem Sterben: Sorgt für eure Gesundheit; ohne sie kann man nicht gut sein. Die Politiker beschäftigen sich, von rühmlichen Ausnahmen abgesehen, gewöhnlich erst mit ihrer Gesundheit und mit den Heilern, wenn sie selbst krank geworden sind. Dann entdeckt man zu seinem Entsetzen erst, daß man in der falschen Krankenkasse ist; man ist wieder einmal auf einen Prospekt hereingefallen, die Hauptkosten trägt man selbst. Und ist nun ein Bundestagsabgeordneter unglücklicherweise in der Ortskrankenkasse verblieben, dann geht es ihm wie dem Kollegen aus München, dem trotz ärztlicher Schweigepflicht und ärztlicher Ethik laut Nr. 2 der Zeitschrift des Verbandes der deutschen Ärzte, des Hartmannbundes, vom Arzt bescheinigt wurde:
Der Dank des Bundestagsabgeordneten. Ein Bundestagsabgeordneter erkrankte und begab sich in ärztliche Behandlung. Das Dienstauto des Bundestagsabgeordneten stand dem Arzt für diese Krankenbesuche „selbstverständlich" zur Verfügung. Nach zwei Monaten war die Behandlung erfolgreich beendet. Der Herr Bundestagsabgeordnete überreichte dem Arzt seinen Kassenschein und ließ es sich nicht nehmen, für die erfolgreiche zweimonatige Behandlung seinen Dank persönlich auszusprechen. Er gehörte zu den freiwillig Versicherten der Allgemeinen Ortskrankenkasse München.
Dr. St., München
Ich bitte den Herrn Präsidenten um Entschuldigung, wenn ich in etwa von dem § 1 abgeschweift
bin. Aber ich komme ja aus Kiel und kehre immer
wieder zur „Kaiserlichen Werft" zurück.
Alle Münchner Abgeordneten stehen nun unter dem Verdacht, sich vom ärztlichen Standpunkt unangebracht in Krankheitsfällen der Allgemeinen Ortskrankenkasse zu bedienen, wozu ganz öffentlich zu bemerken wäre, daß der Abgeordnete in München kein Dienstauto hat, seine Entschädigung durch Fernbleiben von der Parlamentsarbeit wegen Krankheit sehr stark stranguliert wird und daß im Nichtversicherungsfalle sein Krankheitsunkostenkonto gewaltig in die Höhe schnellt. Auch wenn der Bundestagsabgeordnete durch Genuß von Milch einen ausgewachsenen Typhus bekommt, dann merkt er leider zu spät, daß er sich doch vorher eigentlich viel mehr mit gesundheitspolitischer Gesetzgebung hätte befassen müssen.
Der amerikanische Statistiker Dublin weist in seinem Buche „Gesundheit als Wirtschaftsgut" nach, daß die gesundheitliche Lebenskraft eines Volkes das Fünffache alles Kapitals an Sachwerten ausmacht. Für die Erhaltung und Pflege dieses Volkskapitals, meine Damen und Herren, sind nach meiner und meiner Freunde Ansicht nicht nur die Ärzte und Heiler, sondern auch die Politiker verantwortlich.
Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf hat man den Eindruck, als wäre die ganze Facharztordnung eine standespolitische Angelegenheit. Wir betrachten sie hingegen als eine gesundheitspolitische Frage von durchaus erheblicher Bedeutung. Kann man dem § 1 in der vorliegenden Fassung seine Zustimmung geben? Meine politischen Freunde sagen ja zur Neuregelung der Facharztordnung, nein zu dem vorliegenden § 1.
Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat durch Verordnung vom 12. September 1950 den Bundesgesundheitsrat gebildet. In § 2 dieser Verordnung heißt es:
Der Bundesgesundheitsrat hat die Aufgabe, die Bundesregierung bei der Vorbereitung der Gesundheitsgesetzgebung zu beraten.
In der Geschäftsordnung des Bundesgesundheitsrats heißt es in § 1:
Es werden ständige Ausschüsse des Bundesgesundheitsrates gebildet:
1. Gesundheitswesen im allgemeinen .
In § 2 heißt es:
Nach Bedarf können vom Bundesminister des Innern Ausschüsse zur Beratung von Sonderfragen eingesetzt werden.
Der Ausschuß für Gesundheitswesen hat in diesen Tagen den Gesetzentwurf über das Bundesgesundheitsamt verabschiedet; er wird Ihnen demnächst zur Beschlußfassung zugehen. Der Bundesgesundheitsrat wird dann, wie die Regierung auf eine Anfrage schon mitgeteilt hat, seine Tätigkeit aufnehmen.
Meine Damen und Herren! Hier kann mit Hilfe des Bundesgesundheitsrats eine Aufgabe gelöst werden, wenn das Parlament die Voraussetzungen dazu schafft. Man komme mir nicht mit dem Einwand der vorläufigen Regelung, wie es meine sehr geschätzte Kollegin Frau Dr. Steinbiß schon getan hat. Die vorläufigen Gesetzeskinder haben nach unserer Erfahrung ein zähes Leben.
Ich glaube kaum, daß wir dann in dieser Legislaturperiode noch dazu kommen dürften, eine Änderung vorzunehmen. Wir wollen eine Lösung der Facharztordnung anstreben, die auch unserem Laienempfinden die Beruhigung gibt: Wir als Hüter und Wahrer der Volksgesundheit haben dem Gedanken der Anerkennung des Facharztes die gebührende Wertung zuteil werden lassen. Wir beantragen deshalb zu § 1 dieses Gesetzentwurfes folgende Änderung:
Zur Durchführung der in § la bezeichneten Aufgabe wird ein Ausschuß des Bundesgesundheitsrates eingesetzt.
Abs. 2 kann dann gestrichen werden. Wir glauben, so auch am besten den Schwierigkeiten zu entgehen, die sich bei dem Schwebezustand, in welchem sich eine Reihe von Landesärztekammern befindet, in der Regelung der Frage der Facharztordnung ergeben würden, wenn man sie den Landesärztekammern allein überließe.
Verehrte Kollegin vom Gesundheitsausschuß: Warum gerade bei dieser Frage diese Eile? Der Antrag stammt vom 17. Mai 1951, der Antrag der CDU betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom
14. Oktober 1949, der Ausschußbeschluß, die gesetzliche Regelung dieser Materie vorzubereiten, vom 2. Februar 1950. Wir schreiben heute den
15. November 1951, und bald ist wieder Silvester.
Meine Damen und Herren, wir haben noch weit wichtigere Fragen auf gesundheitspolitischem Gebiet im Augenblick im Rückstand, die vordringlich geregelt werden müssen. Wenn Sie unserem Antrag die Zustimmung geben, ermöglichen Sie dem Bundesgesundheitsrat einen guten Start, die Angelegenheit aus dem Standespolitischen auf die höhere Ebene des Gesundheitspolitischen zu führen. Der Arzt ist bei der Regelung der Facharztordnung als Mitglied des Bundesgesundheitsrates nicht ausgeschlossen; aber neben ihm wirken an der Lösung dieser Aufgabe dann die Kräfte mit, die sich berufen fühlen, am Werke der Volksgesundheit mit der gleichen Hingabe mitzuarbeiten.
Herr Abgeordneter Pohle, ich darf die Zeit, die Sie für das Bild von dem Hasen über den Swinegel bis zu den weißen Mäusen gebraucht haben, natürlich auf Ihre allgemeine Redezeit in der dritten Beratung anrechnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammer.
Meine Damen und Herren! Ich liebe Tiergeschichten sehr; aber beim besten Willen ist mir keine Tierfabel eingefallen, aus der ich für diesen Antrag, der sich mit der deutschen Facharztordnung befaßt, eine Nutzanwendung hätte ziehen können. Ich bitte, das zu entschuldigen.
Bitte, entschuldigen Sie auch, daß ich auf die hübsche Anekdote von dem Krankenkassenmitglied, das auch gleichzeitig Bundestagsabgeordneter ist, nicht eingehe. Im übrigen ist das eine Frage des Geschmacks. Zur Sache tut es gar nichts.
Das Hauptargument der Antragsteller, der Freunde des Herrn Kollegen Pohle, war, daß es sich hier in den Vertretungen der Ärztekammern um Standespolitik drehen würde. Meine Damen und Herren, seit 60 Jahren ist die Regelung der deutschen Facharztfrage von den Deutschen Arztetagen bewältigt worden, zweifellos als eine öffentlich-rechtliche Aufgabe. Dieses Gewohnheitsrecht wurde nicht nur respektiert, sondern es führte dazu, daß die Facharztregelung, die in Deutschland üblich war, für die ganze Welt mustergültig wurde. Wir sehen gar nicht ein, warum man nach einer so ausgezeichneten Erfahrung diese Selbstverwaltungsaufgabe zurücknehmen und sie dem Staate geben soll. Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist! Aber das ist nie des Kaisers gewesen. Wir stehen auf dem Standpunkt, dem Staat immer nur zu geben, was er unbedingt notwendig hat, und das andere Bünden und Genossenschaften zu überlassen. Deshalb bitte ich Sie, den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion abzulehnen und der Regierungsvorlage zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Mayerhofer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Fraktion der Bayernpartei habe ich die Zustimmung zu dem eingebrachten Gesetzentwurf in der Fassung des Mündlichen Berichts des 32. Ausschusses zu erklären. Zwar hätten wir gewünscht, daß die Bestimmung der Zahl der Vertreter aus den einzelnen Ländern durch den Bundesminister des Innern gemäß § 1 Abs. 2 im Einvernehmen mit den obersten Landesbehörden erfolgt. Um aber die Verabschiedung des Gesetzes nicht zu verzögern oder zu komplizieren, sieht meine Fraktion davon ab, einen darauf abzielenden Antrag einzubringen. Übrigens möchten wir annehmen, daß der Bundesminister praktisch in dieser Weise verfährt.
Meine Damen und Herren, ich darf annehmen, daß auch die Fraktion der Bayernpartei damit ihre Rede zur allgemeinen Aussprache der dritten Beratung bereits gehalten hat. — Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Es liegt vor der Abänderungsantrag der Fraktion der SPD. Ich lese ihn noch einmal vor:
§ 1 Abs. 1 erhält folgenden Wortlaut:
Zur Durchführung der in § 1 a bezeichneten Aufgabe wird ein Ausschuß des Bundesgesundheitsrates eingesetzt.
§ 1 Abs. 2 wird gestrichen.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 1 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit der gleichen Mehrheit diesmal angenommen.
Ich rufe auf § 1 a. — Keine Wortmeldung. Ich bitte die Damen und Herren, die § 1 a zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist ohne Frage die Mehrheit des Hauses; angenommen.
§ 2, — § 2 a, — § 3, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldung. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei .zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich komme zur allgemeinen Besprechung in der
dritten Beratung.
Das Wort wünscht offenbar Herr Abgeordneter Pohle. Bitte, Herr Abgeordneter!
Meine Damen und Herren! Man hat manchmal Vorahnungen, und angesichts der starken Koalition, die sich hier herausentwickelt hat, war ich mir darüber im klaren, Herr Dr. Hammer, daß Sie diesmal den Sieger machen werden. Aber einige wundervolle Worte, die hier — auch von Frau Dr. Steinbiß — hinsichtlich der vorläufigen Regelung gesprochen worden sind, geben mir den Mut, Ihnen die Annahme einer Entschließung zu empfehlen. Die . Entschließung, die ich namens meiner Freunde vorzutragen habe, hat folgenden Wortlaut:
Entschließung der Fraktion der SPD zur dritten Beratung über den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Facharztordnung für die deutschen Ärzte an die Fortschritte der medizinischen Wissenschaft und Praxis —Nrn. 2255 und 2761 der Drucksachen —:
Der Bundestag möge beschließen:
Der Bundestag betrachtet die vollzogene gesetzliche Regelung zur Anpassung der Facharztordnung nur als eine vorläufige. Er ersucht die Bundesregierung, bei der kommenden gesetzlichen Neuregelung des Arztrechtes dem Bundestag auch einen Gesetzentwurf, in welchem die Facharztordnung ihre bundesgesetzliche Regelung durch den Bundestag findet, vorzulegen.
Ich werde hier dazu verpflichtet, als Bundestagsabgeordneter über den Zuckergehalt des Weines mit abzustimmen, obwohl ich, aus dem Norden kommend, von den härteren Sachen mehr verstehe als von den Weinen des Rheinlandes. Ich muß über ein Getreidemittelverkehrsgesetz, über ein Zuckerverkehrsgesetz usw. mit abstimmen. Sie können uns sicher glauben: uns, die wir im gesundheitspolitischen Sektor arbeiten, wäre es wertvoll, wenn Sie sich auch entschließen könnten, in diesen gesundheitspolitischen Dingen mitzuziehen und die Voraussetzung dafür zu schaffen, daß der Bundestag eines Tages endgültig zu diesen Dingen Stellung nehmen kann.
Darf ich Ihnen den Antrag übergeben, Herr Präsident.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammer.
Meine Damen und Herren! Ich empfehle Ihnen, diese Resolution nicht anzunehmen. Auch bei der endgültigen Regelung der Facharztordnung und bei der endgültigen Regelung des deutschen Arztrechts — Berufsordnung, Berufsgerichtsbarkeit usw. — wollen wir uns unsere Stellungnahme genau überlegen und wollen jetzt nicht Dinge präjudizieren, die uns nachher schwer angehen. Lehnen Sie bitte den Antrag des Kollegen Pohle ab.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache der dritten Beratung vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich rufe zur Einzelbesprechung auf: §§ 1, — 1 a, — 2, — 2 a, 3, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldung. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Anpassung der Facharztordnung für die deutschen Ärzte an die Fortschritte der medizinischen Wissenschaft und Praxis. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, den Herr Abgeordneter Pohle eben vorgetragen hat. Ich brauche ihn nicht noch einmal vorzulesen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen vorschlagen, die Abstimmung noch einmal zu wiederholen. Es ist nicht völlig eindeutig zu übersehen, wo die Mehrheit ist. Ich bitte die Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Ich bin gebeten worden, den Punkt 3 der Tagesordnung zurückzustellen, bis der Herr Bundesinnenminister, der erst um 17 Uhr von einer Dienstreise zurückkehrt, eingetroffen ist. — Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist, und darf Ihnen vorschlagen, zunächst den Punkt 13 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der Bayernpartei betreffend Rückgabe von Kunstgegenständen ,
vorzuziehen, den Herr Abgeordneter Decker jetzt begründen möchte, da er in absehbarer Zeit das Haus verlassen muß. Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 10 Minuten und eine Höchstzeit von 40 Minuten für die Aussprache vor.
Darf ich bitten, Herr Abgeordneter Dr. Decker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während des Krieges und besonders um das Kriegsende ist der europäische Kunstbesitz lawinenartig in Bewegung geraten, und nach Deutschland sind Kunstwerke in
einem Umfang zusammengetragen worden, wie es höchstens einmal bei der Gründung des Musée Napoléon geschehen ist. Hitler und seine Trabanten mit ihrer kunsträuberischen Sammelwut,
die rechtmäßigen privaten und staatlichen Erwerbungen, der Griff nach Beute und vor allem das Bedürfnis nach pflegerischer Sicherstellung der europäischen Kunstwerke haben Gemälde, Plastiken, Graphik, Kunstgewerbe und Möbel — Wertvolles und Minderes — nach Deutschland gebracht. Damals waren wie die Menschen auch die Zeugnisse der europäischen Kultur heimatlos geworden.
Dieses Kunstgut und der unermeßliche Bestand an privatem und staatlichem deutschen Altbesitz wurde in den Bergungsstätten — in Schlössern, in Klöstern und Bergwerken — untergebracht und aufgestapelt. Es muß nun dankbar anerkannt werden, welch hohes Verdienst sich die Alliierten — die Amerikaner, die Briten und die Franzosen — bei der Bergung dieses Kulturgutes erworben haben. Sie haben es aufgesucht, in den Collecting Points zusammengetragen, erhalten und gepflegt. Die Collecting Points waren auch die Verteilungsstellen. Die Kunstwerke wurden dort fachmännisch bestimmt und katalogisiert. Die Eigentümer wurden dort ermittelt, und von dort wurden die Kunstwerke auch an die Eigentümer zurückgegeben. Diese Aktion ist nun abgeschlossen. Das ist die rechte Zeit, die Bilanz zu ziehen. Wenn wir hier eine Bilanz verlangen, tun wir das nicht mit irgendeiner Spitze gegen irgendeinen der Partner, sondern wir wollen einfach Klarheit geschaffen haben.
Für die Ablegung einer Rechenschaft über die Maßnahmen der Collecting Points spricht, daß es sich dabei j a nicht um eine eindeutige Maßnahme eines Siegers gehandelt hat, sondern die Alliierten haben sich immer als Treuhänder gefühlt und auch dementsprechend gehandelt. Deutschland hat ein Recht auf eine öffentliche Entlastung in dieser Sache. Das heißt, es muß festgestellt werden: Was war an Kunstgut in Deutschland vorhanden und wo ist es nun hingekommen? Auch die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, etwas über das Schicksal der Kunstwerke zu erfahren. Obwohl wir bestes Wissen und Gewissen unterstellen, war es vielleicht möglich, daß sich da und dort bei der Rückgabe Unklarheiten ausgewirkt haben, die heute eine Revision erfordern.
Der heutige Zustand gibt auch Anlaß zu Gerüchten, zu Unterstellungen, zu Flüsterpropaganda, die nicht gerade schön sind. Im Interesse beider Parteien liegt es, daß dies unterbunden wird und daß auch in Zukunft ähnliche Zwischenfälle vermieden werden, wie sie sich in München abgespielt haben, als plötzlich im dortigen Collecting Point Kisten um Kisten mit wertvollsten Kunstwerken zum Abtransport nach Österreich bereit standen.
Das alles kann verhindert werden, und es ist leicht, es zu verhindern, wenn nun eine Liste veröffentlicht wird, aus der hervorgeht, was an Kunstwerken von den Alliierten sichergestellt worden und in den Collecting Points und anderswo zusammengetragen worden ist, wer diese Kunstwerke erhalten hat und wer die Rückerwerber bzw. die Erwerber sind. Vor allem muß auch aus der Liste hervorgehen, was übriggeblieben ist, welche Restbestände vorhanden sind und wie über diese Restbestände verfügt werden soll. Das wäre eine saubere Bilanz und gleichzeitig auch ein Schlußstrich unter eine sehr traurige Seite der deutschen Geschichte, — ein Schlußstrich wenigstens im Westen!
Wir halten unseren Antrag für ungeeignet zur Überweisung an einen Ausschuß und bitten deshalb das Hohe Haus, unmittelbar zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Gaul.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion unterstützt den Antrag der Bayernpartei. Sie stimmt auch der Begründung zu, die eben der Herr Kollege Dr. Decker vorgetragen hat. Wir möchten, daß nach der Rückgabeaktion nun klare Rechtsverhältnisse geschaffen werden, so daß bei jetzigen und etwaigen späteren Ansprüchen auf Rückerstattung oder Wiedergutmachung im Zusammenhang mit diesen Kunstgegenständen eine klare Rechtsbasis zum Verhandeln vorhanden ist.
Aber das ist nur die eine Seite. Der Antrag der Bayernpartei hat im wesentlichen zum Inhalt, klare Verhältnisse bezüglich der Kunstgegenstände zu schaffen, die in der Zeit bis 1945, in der Besetzungszeit von Deutschen in das Bundesgebiet gebracht worden sind. Wir sind mit dieser Klärung einverstanden; aber wir glauben, daß auch die andere Seite dazu gehört. Nach 1945 sind auch von den anderen bei uns Kunstgegenstände auf Wanderschaft geschickt worden. Wir möchten, daß die Bundesregierung im Einvernehmen mit den Ländern nach Art. 74 Ziffer 5 des Grundgesetzes, wonach sie verhindern muß, daß deutsches Kulturgut in das Ausland abwandert, Erhebungen in den Ländern durchgeführt und daß dann geklärt wird, wo auch deutsches Kulturgut sich befindet; das soll dann zurückgegeben werden. Wir wissen, daß beispielsweise Kunstgegenstände aus Museen und geschlossenen Sammlungen von den anderen, besonders von den Amerikanern, pfleglich behandelt und auch zurückgegeben worden sind; aber bei dem Besitz aus privater Hand sind die Verhältnisse nicht ganz so klar.
Weiter bitten wir die Bundesregierung, doch noch einmal mit der alliierten Oberkommission wegen unserer Archive und Bibliotheken zu verhandeln. Wir wissen, daß ein großer Teil dieser für uns unersetzlich wertvollen Gegenstände nach London oder Washington gegangen und noch nicht zurückgegeben worden ist. Diese Inventare und Unterlagen gehören uns, einmal, weil sie unser Eigentum sind, zum anderen, weil wir verhindern müssen, daß wir etwa nach 15 oder 20 Jahren in der Verlegenheit sind, hier eine Lücke vorzufinden, Vorgänge nicht mehr zureichend schildern zu können, so daß künftige Forscher vor einer „geschichtslosen Zeit" ständen.
Wir bitten die Bundesregierung, auch diesem Gedanken Rechnung zu tragen, und stimmen im übrigen dem Antrag zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Hennig.
Meine Damen und Herren! Warum spricht man nicht zu den Patenten? — Herr Renner, heute sprechen wir von der Kunst! Das ist ein sehr, sehr weites Feld. Ich weiß nicht, ob sich die Deutschen völlig darüber klar sind, welche furchtbaren Verluste an Kunstgegenständen Gesamtdeutschland erlitten hat. Es wird erst in dem Augenblick, da es ein wiedervereinigtes Deutschland gibt, ganz ermessen werden können, was wir verloren haben.
Nach unserer Schätzung fehlen dem gesamtdeutschen Kunstbesitz ungefähr 900 000 Kunstgegenstände, angefangen von der Sixtinischen Madonna bis zu den Beständen von Porzellan- und Münzsammlungen.
Auch wir begrüßen den Antrag der Bayernpartei und unterstützen ihn. Wir möchten aber die Bundesregierung darauf hinweisen, daß bis zur Stunde noch namhafte Bestände aus westdeutschem Besitz in den Wiener Museen liegen, die dort nicht freigegeben werden konnten und auch noch nicht zurückgewonnen wurden. Wir sind dankbar dafür — wenn wir die Sammlungen in München, in Wiesbaden und Celle sehen durften —, daß uns so namhafte Teile erhalten und daß sie in so ausgezeichnetem Zustand zurückgegeben worden sind, nachdem sie zum Teil der Welt — einer achtungsvoll aufschauenden Welt — gezeigt werden konnten. Aber der Kunstbesitz gehört ins Land, und ein Volk, das so furchtbare Niederbrüche hinter sich hat wie wir, ist gerade auf die seelischen Quellkräfte dieser Kunstgegenstände angewiesen. Wenn sie heute, im Laufe des harten Ringens um unsere materielle Existenz, noch nicht so gewürdigt werden und man auch hier im Bundestag den Einwand hört: „Warum sprecht ihr nicht von den Patenten?", so wird doch die Zeit kommen, in der man erkannt haben wird, daß Kunstwerte als seelische Substanz, aus der ein Volk wesenhaft lebt, mindestens ebenso wertvoll sind wie Patente.
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Bayernpartei kann wirklich aus vollstem Herzen unterstützt werden. Wir hoffen und wünschen, daß die Bundesregierung in Verhandlungen mit der Hochkommission eine wirklich umfassende Liste all der Dinge zusammenstellen kann, die abhanden gekommen sind. Ich habe einmal — vor anderthalb Jahren, glaube ich — eine Anfrage an den Herrn Bundeskanzler gerichtet, ob er darüber Bescheid wisse, was aus einer riesenhaften Silbersammlung geworden sei, die in New York verkauft wurde. Ich habe als Antwort von dem Herrn Bundeskanzler eine sehr genaue Aufstellung und einige bebilderte Kataloge über die Dinge bekommen, die in New York verkauft worden sind. Es handelte sich da um Gegenstände, die in allen möglichen Sammellagern in Westdeutschland entdeckt und ohne jede Rücksicht darauf, ob es sich um privaten deutschen Besitz oder um Besitz, der von Deutschen irgendwoher geholt worden war, handelte, einfach nach New York gebracht worden waren, um dort unter den Hammer gebracht zu werden. Unermeßliche Schätze sind auf diese Art und Weise verloren gegangen.
Vor langer Zeit — und hier möchte ich an das anknüpfen, was Herr Kollege Gaul eben gesagt hat — haben wir einmal beantragt, daß bezüglich der Rückgabe der Archive etwas energischere Schritte unternommen werden sollten. Ich freue mich, daß dieses Thema heute wieder aufgenommen worden ist. Es ist höchst unschön, wenn z. B. Handschriften von Clausewitz — um nur einen Fall zu nennen, der mir bekannt ist — jetzt von Amerikanern in Druck gegeben werden und ausgewertet werden sollen. Diese Copyrights wollen wir doch wohl für uns behalten!
Ich hoffe, daß die Bundesregierung möglichst bald Erfolge im Sinne dieses Antrages dem Hause vermelden kann.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ein Antrag auf Ausschußüberweisung ist nicht gestellt. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der Bayernpartei auf Drucksache Nr. 2707. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig ohne Enthaltungen angenommen.
Ich rufe den Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung über den Antrag der Fraktion der DP betreffend Unterbringung geisteskranker Personen (Nm. 2736, 1248 der Drucksachen).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Höchstaussprachezeit von 40 Minuten vor.
Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Nadig. Darf ich sie bitten, das Wort zu nehmen.
Frau Nadig , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung hat sich mit dem Antrag der Deutschen Partei auf Vorlage eines Gesetzes, durch das die Unterbringung geisteskranker Personen in Heil- und Pflegeanstalten geregelt werden soll, in zwei Sitzungen beschäftigt. Es wurde festgestellt, daß die gegenwärtige gesetzliche Regelung der Unterbringung Geisteskranker sehr dürftig, ja schlecht ist. Hinzu kommt, daß die Unterbringung in fast jedem Land unserer elf Bundesländer anders geregelt wurde. Seit 50 Jahren strebt man in Deutschland eine gesetzliche Regelung dieses Problems an, ohne daß man eine richtige Lösung erreicht hat. Der Ausschuß hat in der großen Rechtsunsicherheit mit die Ursache für die verschiedenen Sensationsprozesse der letzten Jahre gesehen, die sich mit dem widerrechtlichen Festhalten von Personen in Heil- und Pflegeanstalten beschäftigt haben.
Der Art. 104 des Grundgesetzes regelt die Beschränkung der Freiheit der Person schlechthin. Der Artikel macht keinen Unterschied, ob es sich dabei um eine gesunde oder geisteskranke Person handelt. Spätestens 24 Stunden nach Beginn der Freiheitsentziehung, die nicht vom Richter angeordnet wurde, muß eine richterliche Entscheidung darüber herbeigeführt werden, ob die Freiheitsentziehung fortgesetzt werden darf. Im Bundesgebiet haben nur zwei Länder, Niedersachsen und
Hamburg, die Mitwirkung des Richters bei der Unterbringung Geisteskranker gesetzlich geregelt. Die übrigen Länder haben den gesetzlichen Erfordernissen des Art. 104 bisher nicht Rechnung getragen. Der Ausschuß hält die Schließung dieser großen Gesetzeslücke für dringend notwendig. Die geisteskranken Personen benötigen einen umfassenden Rechtsschutz, der auch ihnen die Grundrechte sichert. Darüber hinaus ist gesetzlich zu regeln, unter welchen Voraussetzungen ein Geisteskranker in einer Heil- und Pflegeanstalt festgehalten werden kann. Dabei ist noch zu klären, wie die Begriffe Freiheitsentziehung und Freiheitsbeschränkung auf dem Gebiete des Gesundheitswesens gegeneinander abzugrenzen sind.
Der Ausschuß schlägt dem Hohen Hause vor, die Drucksache Nr. 1248 unverändert anzunehmen und die Regierung um beschleunigte Vorlage dieses Gesetzes zu ersuchen.
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Meine Damen und Herren, ich sehe keine Wortmeldungen.
-- Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Hammer!
Meine Damen und Herren! Wie grotesk die Situation geworden ist, mögen Sie aus folgendem ersehen. Eine große Anzahl von Direktoren von Heil- und Pflegeanstalten machen im Augenblick die Aufnahme eines Geisteskranken von einer Zustimmungserklärung dieses Geisteskranken abhängig, weil sie fürchten, mit dem Richter in Konflikt zu kommen. Sie unterstellen den Geisteskranken also bereits, daß sie geschäftsfähig sind.
Ich bitte, hier eine andere Überlegung anstellen zu dürfen. Nach den Erlebnissen Deutschlands in den letzten Jahrzehnten ist es völlig richtig, daß man die Aufmerksamkeit des Volkes auf die sorgfältige Wahrung seiner Freiheitsbereiche richtet. Sie alle haben aus den illustrierten Zeitschriften Kenntnis davon genommen, wie intensiv die deutsche Presse sich solcher wirklichen und angeblichen Skandalgeschichten annimmt. Ich bitte Sie aber, auch einmal an folgendes zu denken. Wenn Sie die deutsche Presse in die Hand nehmen, so finden Sie täglich die Meldungen über eine Reihe von Mordtaten und Greueltaten, Sie lesen, wie ein Vater seiner Frau und seinen Kindern die Gurgel durchschneidet, und ähnliche Dinge. Merkwürdigerweise fehlt dabei der Kommentar, nämlich die Überlegung, wie es zustande kommen konnte, daß bei der derzeitigen Situation zweifellos eine ganze Reihe von gemeingefährlichen Geisteskranken zum Schutz der Umgebung nicht rechtzeitig untergebracht werden konnte. Auch daran müssen wir denken, wenn wir auf eine Beschleunigung der Vorlage eines entsprechenden Gesetzes drängen.
Im übrigen ist ein Irrengesetz kein Gesetz, das eine Zwangseinweisung zu regeln hat. Ein Irrengesetz ist vielmehr im wesentlichen ein Gesetz, in dem man sich mit der Fürsorgepflicht des Staates und damit befaßt, wie für arme Kranke die entsprechenden Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden sollen. Erst am Rande dieses Gesetzes stehen die Probleme jener zahlenmäßig kleinen Gruppe von Personen, die zum Schutze der Umgebung wegen ihrer Gemeingefährlichkeit in Anstalten eingewiesen werden müssen. Dabei scheint mir immer noch eine Musterregelung diejenige meines Heimatlandes zu sein. Dort gab es eine alte großherzoglich-hessische Verordnung, nach der der Geisteskranke in Übereinstimmung von Sorge-pflichtigen und Arzt eingewiesen werden durfte. Die Polizei hatte nichts damit zu tun.
Wir bitten Sie, ebenso wie wir, dem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Nadig.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die sozialdemokratische Fraktion halt die gesetzliche Regelung der Unterbringung von geisteskranken Personen für vordringlich. In vielen Bundesländern werden zur Zeit die Geisteskranken durch eine polizeiliche Verfügung in die Anstalt eingewiesen. Diese polizeiliche Verfügung fußt auf einer alten Polizeiverordnung. Das ist ein unerträglicher Zustand. Wir sind der Auffassung, daß die Polizei aus diesem Verfahren ausgeschaltet werden soll. Die Unterbringung der Geisteskranken ist Sache der Gesundheitsbehörden und nicht der Polizei. In den wenigen Fällen, in denen Schwierigkeiten entstehen, kann sie im Wege der Amtshilfe hinzugezogen werden. Grundsätzlich aber soll von der Mitwirkung der Polizei abgesehen werden.
Nach Mitteilung von Fachleuten gelten 95 0/o der Geisteskranken in Anstalten als nicht gemeingefährlich. Diese Feststellung ist ein guter Beweis dafür, daß die Mitwirkung der Polizei nicht notwendig ist.
Wird heute ein Kranker in die Heil- und Pflegeanstalt eingewiesen, so erfolgt diese Einweisung unbegrenzt, d. h. sein Aufenthalt dort kann Monate, Jahre, ja Jahrzehnte dauern. Wir glauben, daß man auch hier gewisse Sicherungen einbauen muß, Sicherungen, die eine regelmäßige Überprüfung der weiteren Notwendigkeit des Anstaltsaufenthaltes ermöglichen. Wir sind der Auffassung, daß die Frist im allgemeinen nicht mehr als sechs Monate betragen soll und in schweren Fällen von Geisteskrankheiten nicht über zwei Jahre hinausgehen darf.
Unseres Erachtens soll nicht nur der Anstaltsarzt über den Anstaltsaufenthalt eines Kranken entscheiden, sondern ein kleines Gremium, das sich aus einem Richter, einem besonders erfahrenen Arzt, einem Sozialarbeiter und einer anderen Persönlichkeit des öffentlichen Vertrauens zusammensetzt. Im Ausland hat man mit dieser Methode außerordentlich gute Erfahrungen gemacht. Die gesetzliche Neuregelung muß klar zum Ausdruck bringen, daß keinem Geisteskranken widerrechtlich die Freiheit entzogen werden kann. Nur so können wir das erschütterte Vertrauen in der Öffentlichkeit wiederherstellen.
Uns scheint aber auch ein weiterer Schritt zur Reform der Nerven-Heil- und Pflegeanstalten notwendig. Wir fordern eine bessere und umfassende Ausbildung des Pflegepersonals. Ich weise in diesem Zusammenhang auf die guten Erfahrungen hin, die vor 1933 in der Anstalt Arnsdorf in Sachsen dadurch erzielt wurden, daß man vom Pflegepersonal eine volle Schwesternausbildung und eine zusätzliche Schulung auf dem Gebiet der psychischen Krankheiten verlangte. Uns scheint es notwendig, den Erlaß entsprechender Bestimmungen zu einer Generalforderung zu machen.
Darüber hinaus ist eine Reformierung der Nerven-Heil- und Pflegeanstalten und ihre Anpassung an die moderne medizinische Wissenschaft dringend erforderlich. Die furchtbaren Dinge, die während des Dritten Reiches den Kranken in Nervenheilanstalten zugefügt wurden, haben sich unseres Erachtens mit aus der Recht- und der Wehrlosigkeit dieser Menschen ergeben. Für uns ist das eine Verpflichtung mehr, möglichst schnell die gesetzliche Regelung dieses Fragenkomplexes zu erreichen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte gedacht, daß eine Debatte über diese Vorlage nicht nötig sei und daß man angesichts des Ausschußbeschlusses hier ohne weiteres zur Verabschiedung kommen könne. Da meine Fraktion Antragstellerin war und da von anderen Fraktionsrednern einige richtungweisende Worte gesprochen worden sind, möchte ich nicht etwa irgend etwas bestreiten, was gesagt worden ist, sondern nur noch etwas hinzufügen.
Die Vorlage, die uns die Bundesregierung möglichst bald unterbreiten möge, wird von den außerordentlich vielseitigen, zum Teil schon lediglich auf Gewohnheitsrecht beruhenden Rechtszuständen in deutschen Ländern auszugehen haben. Es wird sich dann ergeben, daß dieser Rechtszustand meines Wissens in keinem Lande bisher voll befriedigend ist und daß sich vielleicht überhaupt keine voll befriedigende Lösung erzielen läßt.
Denn man muß bedenken: Wir haben es hier mit zwei Personen zu tun, in erster Linie mit einer, die im Verdacht steht, geisteskrank zu sein, und in zweiter Linie mit einem Irrenarzt. Es gibt ausgezeichnete Irrenärzte. Es gibt auf diesem Fachgebiet aber auch Arzte mittlerer Art und Güte, und es mag mein Schicksal als Anwalt gewesen sein, meistens nur mit der zweiten Kategorie in Verbindung gekommen zu sein.
Der Arzt muß nämlich wissen, daß ihm auch einmal ein vielleicht etwas psychopathisch veranlagter, aber dem Wesen nach gesunder Mensch vorgeführt wird, der in die Rolle eines — ich hätte beinahe gesagt — Angeklagten geraten ist und mit dem dann psychologische Prüfungen vorgenommen werden, bei denen der Arzt zunächst nach dem „Kontakt" fragt. Die Frage, ob man mit einem Menschen, der gegen seinen Willen, vielleicht unter polizeilichem Zwang, irgendwo eingeliefert ist, in Kontakt kommt, hängt nicht nur von dem Vernommenen, sondern auch von dem Vernehmenden ab, und die Formularfragen, die ich da zum Teil gesehen habe, sind meines Erachtens das Unpsychologischste, was man sich überhaupt nur vorstellen kann. Kein Wunder, daß der Kontakt da ausbleibt! Das alles mögen nur die Grenzfälle sein; andererseits aber ist klar: die Forderung, daß die Öffentlichkeit vor gemeingefährlichen Geisteskranken geschützt werden muß, wird nach dem Münchener Urteil in jenem Mordprozeß heute besonders laut erhoben. Aber dazu müssen wir sagen: Der Psychiater erklärt, so-was komme 'in hundert Jahren vielleicht einmal vor, aber es könne vorkommen. Folglich sind vorbeugende Maßnahmen ja offenbar auch nur mit
größter Vorsicht vorzusehen. Ich meine, dieses Gebiet ist außerordentlich schwierig, und ich verstehe das Innenministerium durchaus, daß es nur mit Widerstreben an die Aufgabe herantritt. Aber diese einzelnen, zum Teil allerdings von der Presse stark aufgebauschten Fälle schreien nach einer gesetzlichen Regelung, anhand derer jedenfalls der Einweisende, die Anstalt und die Rechtsvertreter genau so wie die Gerichte wissen, woran man ist, und wobei ein bestimmtes Verfahren vorgesehen ist, das sehr vielgestaltig je nach der Lage des einzelnen Falles sein mag, das aber bestimmte Regeln vorschreibt.
Ich glaube nicht, daß wir auf Anhieb ein vollendetes Gesetz bekommen. Aber irgendeine Regelung hält, glaube ich, mit mir der ganze Bundestag für unbedingt eilbedürftig.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Steinbiß.
Auch wir begrüßen den Antrag. Aber ich möchte hier doch einmal etwas zur Ehrenrettung der Irrenärzte sagen. Es ist nicht so, wie es nach den letzten Reden scheinen möchte. Man könnte beinahe sagen, die Presseberichterstattung hat, obwohl sie vielfach klar als übertrieben erkannt wird, doch eine gewisse Wirkung gehabt; das geht aus allen Reden hervor, die hier gehalten worden sind. Steter Tropfen höhlt eben doch den Stein! Ich möchte Ihnen einmal sagen, wie manchmal in der Presse gearbeitet wird. Wir hatten jetzt gerade in Bielefeld den Fall, daß ein Geisteskranker nach seiner Entlassung aus der Anstalt ein Gerichtsurteil gegen seine Inhaftierung erwirken wollte. Eine große illustrierte Zeitung gab sich dazu her, ein Bild zu veröffentlichen mit der Überschrift „Der Kranke hinter Gittern". Das Bild zeigte aber nicht etwa eine Irrenanstalt, sondern seinen eigenen Kaufladen mit eisernen Gittern. Dies nur zur Illustration.
Wenn ich aber den Antrag begrüße, so möchte ich zugleich auch sagen, daß seine Verwirklichung außerordentliche Schwierigkeiten bereiten wird. Die Versuche, ein Irrengesetz zu schaffen, sind ja nicht von heute, sondern werden schon seit Jahrzehnten unternommen. Wir müssen zu einem solchen Gesetz kommen, aber wir dürfen uns das nicht so einfach vorstellen und dürfen auch nicht erwarten, daß der entsprechende Gesetzentwurf so schnell wird vorgelegt werden können.
Meine Damen und Herren, jetzt liegen aber keine Wortmeldungen mehr vor.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung auf Drucksache Nr. 2736. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe nun auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung über den Antrag der Abgeordneten Volkholz, Dr. Fink, Strauß und Genossen betreffend Durchführung der Bewaffnung der Jägerschaft (Nrn. 2737, 1080 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Huth. Angesichts der einmütigen Auffassung über die Bewaffnung wird vom Ältestenrat eine Aussprache nicht vorgeschlagen.
— Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache Nr. 1080 hatten die Abgeordneten Volkholz, Dr. Fink, Strauß und Genossen einen Antrag betreffend Durchführung der Bewaffnung der Jägerschaft eingereicht. Der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung hat sich in seiner Sitzung vom 30. Juli 1950 mit diesem Antrag befaßt. Im Ausschuß war man damals einmütig der Auffassung, daß angesichts der Verschiedenartigkeit der Gesetzgebung, wie sie zu dieser Zeit in der westdeutschen Bundesrepublik noch bestand, ein solches Gesetz dringend notwendig sei. Der Vertreter des Bundesministeriums des Innern gab in dieser Sitzung bekannt, daß gegenwärtig Verhandlungen mit der Hohen Kommission angebahnt seien und zu erwarten stehe, daß ein solches Gesetz bald komme. Durch die erste Anordnung über Sportwaffen und Munition vom 12. Januar 1931, die durch den Herrn Innenminister und den Herrn Wirtschaftsminister erlassen wurde, ist dem Wunsche der Antragsteller weitestgehend Rechnung getragen worden. Darüber hinaus kann erwartet werden, da es sich um eine erste Anordnung handelt, daß die noch verbleibenden Wünsche der Jägerschaft in einer neuen Anordnung berücksichtigt werden.
Der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung schlägt deshalb dem Bundestag vor, zu beschließen, den Antrag der Abgeordneten Volkholz, Dr. Fink, Strauß und Genossen betreffend Durchführung der Bewaffnung der Jägerschaft — Nr. 1080 der Drucksachen — durch die erste Anordnung über Sportwaffen und Munition vom 12. Januar 1951 des Bundesministeriums des Innern und des Bundesministeriums für Wirtschaft für er- ledigt zu erklären.
Ich darf abschließend dem Ministerium noch den dringenden Wunsch der Jägerschaft vortragen, baldigst eine Waffenamnestie durchzuführen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine Aussprache soll nicht stattfinden.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, Drucksache Nr. 2737, und bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, infolge des rasanten Tempos unserer Verhandlungen liegt der Mündliche Bericht des Ausschusses für Fragen der öffentlichen Fürsorge zu Punkt 7 a nach meiner Kenntnis noch nicht vor. Ich schlage deshalb vor, diesen Punkt der Tagesordnung etwas zurückzustellen.
Ich rufe zunächst Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung über den Antrag der Fraktion des Zentrums betreffend Gesetzgebungsrahmen und über den Antrag der
Fraktion des Zentrums betreffend Fundstellennachweis für Gesetze .
An Stelle des erkrankten Herrn Abgeordneten Onnen hat Herr Abgeordneter Dr. Reismann freundlicherweise die Berichterstattung übernommen. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen, und schlage vor, eine Aussprache danach nicht stattfinden zu lassen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht Sitte, daß ein Vertreter der antragstellenden Fraktion als Berichterstatter spricht — ich bitte das zu entschuldigen —, aber wegen der Krankheit des Herrn Kollegen Onnen ist es notwendig.
Die Zentrumsfraktion hat zwei Anträge vorgelegt, die Drucksachen Nr. 360 und 1374. Mit dem letzteren Antrag bittet sie, mit Rücksicht auf die Unübersichtlichkeit des Gesetzgebungsmaterials einen Fundstellennachweis für Gesetze herauszugeben. Die Unübersichtlichkeit ist herbeigeführt worden einmal durch die große Zahl von Stellen, die in der Lage sind, Gesetze zu erlassen — Bund, 11 Länder und Besatzungsbehörden —, zum andern aber dadurch, daß in der Nachkriegszeit eine ungewöhnlich große Zahl älterer Gesetze abgeändert worden sind, so daß inzwischen kaum noch jemand feststellen kann, welche von den Gesetzen, die vor dem Kriege oder während des Krieges erlassen worden sind, jetzt noch gültig sind und welche nicht.
Wir haben inzwischen bei den Ausschußberatungen in Erfahrung gebracht, daß das Bundesjustizministerium jetzt ohnehin, wahrscheinlich veranlaßt durch den Antrag auf Drucksache Nr. 1374, dabei ist, eine Überarbeitung sämtlicher Gesetze vorzunehmen, um einmal eine Art von Inventur zu machen und festzustellen, was noch gilt und was außer Kraft gesetzt worden ist. Außerdem aber hat die Kompliziertheit der Materie die Lage so schwierig gemacht, daß es erforderlich erscheint, die bisherige lediglich chronologische Ordnung zu verlassen. Bisher wurden die Gesetze nur in einer zeitlichen Reihenfolge veröffentlicht, und wenn man sie aufsuchen wollte, mußte man in den Jahresnachweisen nach der zeitlichen Reihenfolge suchen. In der freien Wirtschaft hat es sich längst eingebürgert, mit Hilfe eines Dezimalsystems oder des alphabetischen Systems eine bequemere Auffindung zu ermöglichen. Der Antrag der Zentrumsfraktion auf Drucksache Nr. 360 ist deswegen darauf bedacht, der Gesetzgebung einen Rahmen vorzuschreiben, in welchem sie die herauszubringenden Gesetze numerieren und bezeichnen soll, so daß man sie allein nach dieser Bezeichnung, nach Sachgebieten geordnet, zusammenstellen und auffinden kann und nicht bloß nach der chronologischen Reihenfolge.
Der Ausschuß für innere Verwaltung hat sich in drei Sitzungen mit dieser Frage befaßt. In der ersten Sitzung hat Herr Kollege Erler von der SPD darauf hingewiesen, daß ein Fundstellennachweis in einem Privatwerk, das unter dem Namen Dehlinger bekannt ist, schon vorliegt. Dies ist aber kein amtlicher Fundstellennachweis. Außerdem erscheint er nur in jährlicher Reihenfolge, und das erschwert die Benutzung etwas. Er scheint zwar in Süddeutschland ziemlich verbreitet, in Norddeutschland dagegen kaum bekannt zu sein. Vor allen Dingen ist es keine amtliche Sammlung, keine amtliche Ordnung, die dem Publikum auf diese Art
und Weise zugänglich gemacht wird. Deswegen hat sich in Anbetracht der großen Zersplitterung und des Bedürfnisses nach Zusammenfassung, Übersichtlichkeit und Ordnung — sachlicher, nicht bloß chronologischer Einordnung — der Ausschuß für innere Verwaltung in seiner letzten Sitzung vom 11. November dieses Jahres entschlossen, dem Hause vorzuschlagen, folgenden Antrag — Drucksache Nr. 2739 — anzunehmen:
Die Bundesregierung wird ersucht, einen Gesetzgebungsrahmen zu schaffen. Dieser Gesetzgebungsrahmen soll für die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes und der Länder verbindlich sein. Er soll unter Verwendung einer Dezimalstelleneinteilung der systematischen Einordnung des gesamten Gesetzgebungs- und Verordnungswerks dienen und durch eine entsprechende Bezifferung das Sammeln und Auffinden zusammengehörenden Gesetzgebungsmaterials erleichtern.
Der Antrag fordert von der Bundesregierung weiter:
Es soll ein Gesetzgebungs-Fundstellennachweis mit amtlicher Gültigkeit angelegt und in regelmäßiger Folge veröffentlicht werden.
Mit der Annahme dieses Antrages würden die Zentrumsanträge Drucksachen Nr. 360 und 1374 erledigt sein; denn er entspricht im wesentlichen den Vorschlägen der Zentrumsfraktion.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat Ihnen vorgeschlagen, eine Aussprache nicht stattfinden zu lassen. Wünscht das Haus anders zu verfahren?
— Herr Dr. Kopf wünscht, anders zu verfahren; das Haus offenbar nicht. — Herr Abgeordneter Dr. Kopf, eine Aussprache findet nicht statt.
— Bitte!
Ich möchte nur den Antrag stellen, daß der Antrag des Ausschusses für innere Verwaltung dem Rechtsausschuß zur Stellungnahme überwiesen wird. Ich halte das für dringend erforderlich. Gesetzgebungsministerium ist das Justizministerium, und der Rechtsausschuß ist sowohl mit den Fragen der Gesetzgebung wie auch mit den Fragen, die im vorliegenden Antrag angeschnitten sind, sachlich zu befassen; er ist auch daran sehr interessiert. Ich bitte also, den Antrag an den Rechtsausschuß zu überweisen.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört. Wünscht jemand, dazu das Wort zu nehmen? — Das ist nicht der Fall.
Es ist der Antrag gestellt worden, den Antrag im Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung dem Rechtsausschuß zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit des Hauses; damit ist die Überweisung an den Rechtsausschuß erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der Bayernpartei betreffend Rückerstattung feststellbaren ehemals jüdischen Vermögens (Nr. 2447 der Drucksachen).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor.
Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Etzel, bitte!
Dr. Etzel (BP), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Restitution feststellbarer entzogener Vermögenswerte ist eine Sondergruppe im weiten Feld des Gesamtproblems der Wiedergutmachung, das die Ansprüche aus der Zwangsablieferung und Konfiskation nicht mehr feststellbarer jüdischer Wertsachen, Wertpapiere, Banknoten und jüdischen Hausrats ebenso umfaßt wie die Ansprüche aus ehemaligen Reichsschuldtiteln, Reichsbahnobligationen, Abtretungsschulden der Reichsautobahnen, bis jetzt unbezahlt gebliebenen Kriegslieferungen und den Abwertungen der Altsparguthaben. Es ist eine wahrhaft erdrückende Bürde in einem Zeitpunkt, in dem die notwendige Erfüllung der Sozialverpflichtungen den größten Teil der öffentlichen Haushalte in Anspruch nimmt, in dem ein Lastenausgleich mit einer Jahresaufbringung von 1,6 Milliarden vorbereitet wird, Besatzungskosten einen großen Teil des Sozialprodukts verschlingen und uns Verteidigungsbeiträge in Milliardenbeträgen zugemutet werden sollen. Selbst Karyatiden würden einer solchen Belastung nicht gewachsen sein. Es ist nicht abzusehen, wie diesen Verpflichtungen ohne ausländische Anleihe oder ohne wesentliche Herabsetzung der Besatzungs- und Verteidigungslasten genügt werden soll.
Die Wiedergutmachung im engeren Sinne umfaßt zur Zeit in der Hauptsache drei Gruppen: die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes nach dem Bundesgesetz vom 11. Mai 1951, das allgemeine Entschädigungsrecht nach einem Gesetz des Süddeutschen Länderrats und einzelnen Ländergesetzen, die Teilgebiete regeln, und die Rückerstattung unter dem Nationalsozialismus entzogener feststellbarer Vermögenswerte. Von der letzteren ist hier die Rede. Nicht einbezogen sind die bereits erwähnten Wiedergutmachungsansprüche aus entzogenem und konfisziertem, aber nicht mehr feststellbarem jüdischem Besitz, für die ein Umstellungsschlüssel noch nicht ausgehandelt ist.
Wenn im Betreff des Antrags der Bayernpartei nur von der Rückerstattung ehemals jüdischen Vermögens die Rede ist, so deshalb, weil dieser Komplex wohl die Hauptmasse ausmacht und weil seine Regelung besonders schwierige, delikate und politisch-psychologisch wichtige Probleme aufwirft und Schwierigkeiten bereitet. Der Antrag selbst bezieht sich auf die Gesamtheit der Entziehungs- bzw. Rückerstattungsfälle, also auch auf jene, wo Vermögen von Klöstern, Parteien, parteipolitischen Verlagen, Zeitungsunternehmen usw. durch offene Wegnahme oder unter dem Schein rechtsgeschäftlicher Abmachungen entzogen worden sind.
Deutsche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens haben den Beginn des jüdischen Jahres 5712 zum Anlaß von Äußerungen gegenüber der „Allgemeinen Wochenzeitung der Juden in Deutschland" genommen, in denen sie für eine deutschjüdische Verständigung eintraten. Ihre Fortsetzung fanden diese Bekundungen der Teilnahme und Loyalität, diese ernst gemeinten Gesten der ausgestreckten Hand, durch die Erklärung, welche die Bundesregierung in der Sitzung des Bundestages
am 27. September dieses Jahres abgab, und die eindrucksvolle Art, in der sich der Bundestag zu den darin enthaltenen Auffassungen, Grundsätzen und Absichten bekannte. Sie waren eine unmißverständliche Verurteilung von Unrecht und Unmenschlichkeit. Sie waren die Epiphanie jenes anderen liebenswerten und humanen, des wahren Deutschlands. Sie waren ein aufrichtiges Anerkenntnis der Pflicht zur Wiedergutmachung, eine Manifestation des guten Willens. Sie waren zugleich Akte der eigenen Würde und der Selbstachtung. Der besonderen Demonstration eines Gesinnungswechsels, einer Metanoia, wurde mit Recht entraten, denn die überwältigende Mehrheit der deutschen Bevölkerung hatte nichts mit den inkriminierten Vorgängen gemein.
Bereits mit dem am 28. Februar dieses Jahres verabschiedeten Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer in Deutschland, das in seiner humanitären Grundhaltung teilweise sogar über den Rahmen der Konvention der Vereinten Nationen hinausgeht und großzügig auf die Bedingung der Gegenseitigkeit verzichtet, hatte der Bundestag die auf deutscher Seite vorhandene Entschlossenheit, die in das Völkerrecht eingegangenen anerkannten Grundgedanken der Menschlichkeit und des sittlichen Rechts zu verwirklichen, überzeugend dargetan. Die Bereitschaft zur Wiedergutmachung besteht ungeachtet der bitteren Enttäuschungen fort, welche der Raub und die Verschleuderung deutschen Privateigentums im Ausland und die Entwendung ausländischer Wertpapiere aus deutschem Inlandsbesitz in uns hervorrufen mußten. Auch mit dem Finger auf seine Konkursmasse zu verweisen, lehnt Deutschland ab, denn es will ein redlicher Schuldner sein.
Es wäre naheliegend und berechtigt, noch andere schwerwiegende Vorgänge und Sachverhalte, etwa die Vertreibung von Millionen Deutscher aus ihrer Heimat, aufzuführen. Ich will davon absehen. Aber die Welt, die Besatzungsmacht und das Judentum mögen den guten und aufrichtigen Willen Deutschlands erkennen, würdigen und erwidern. Sie mögen einsehen, daß der Brückenschlag nur gelingen kann, wenn gleiches Recht für beide Teile gilt, wenn diejenigen, auf deren Seite die Macht ist, darauf verzichten, Unerbittlichkeit zu zeigen, wenn sie einsichtsvoll genug sind, den vergleichswilligen Schuldner wieder zu Kräften kommen zu lassen. Darum ist die in dem Neujahrswunsch des Bundespräsidenten ausgesprochene Erwartung, daß der Neubeginn der deutsch-jüdischen Beziehungen mit dem guten Willen sachlicher und seelischer Gerechtigkeit für die Juden und für die Deutschen als ein Stück weiteren Ausgleichs in dem schmerzlichen Verfahren wirken soll, von der deutschen Offentlichkeit mit Genugtuung aufgenommen worden. Denn die Wiedergutmachung soll ein Akt des Rechts sein, nicht eine willkommene Okkasion zu einem großen Geschäft und zu ungerechtfertigter Bereicherung oder eine erwünschte Gelegenheit zu Rache und Vergeltung gegenüber auch denjenigen, welche redlich erworben und anständig gehandelt haben. Solche Tendenzen, Versuche und Erscheinungen sind aber aufgetreten, und die Rechtsprechung ist häufig enttäuschend und unbefriedigend. Sie zeigt, weil seinerzeit eine Regelung durch den Kontrollrat nicht zustande kam, zwischen dem amerikanischen Sektor einerseits und dem britischen und dem französischen Sektor andererseits wesentliche Unterschiede. Ich will und muß im Rahmen dieser Ausführungen darauf verzichten,
einzelne Beispiele anzuführen. Wer aber noch ahnungslos ist, der lese einmal den Fall nach, über den unter der Überschrift „Unmoralische Restitutionsforderung" das Novemberheft einer in Süddeutschland erscheinenden Zeitschrift berichtet.
Die Grundsätze des gleichen Rechts und der Rechtsverwirklichung müssen Voraussetzung, Richtschnur und Inhalt einer beiderseits loyalen Restitution sein. Menschen, die sich einer echten Entziehung durch Verfolgungsmaßnahmen oder Verfolgungshandlungen, also durch Drohung, Druck oder Zwang gegenüber anderen aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Weltanschauung oder Gegnerschaft zum Nationalsozialismus schuldig gemacht oder sich unter Ausnützung der Wirkungen und Möglichkeiten einer Verfolgungslage Vermögensvorteile verschafft haben, können sich ihrer Verpflichtung nicht entledigen oder sie auf den Staat bzw. Bund abwälzen wollen. Aber die große Zahl der anständigen Käufer, die sich auf Angebot oder sogar auf Drängen der jüdischen Besitzer zum Erwerb von Unternehmen, Geschäften, Haus- und Grundbesitz bewegen ließen und dadurch oft die andernfalls sichere Liquidierung verhindert haben oder, weil auf der Gegenseite ein Bevollmächtigter für den Verkäufer verhandelte, nicht einmal Kenntnis davon hatten, daß der Vertragspartner ein Jude war, können nicht nachher für ihre Bereitwilligkeit zur Verantwortung gezogen und bei der Rückerstattung mit einer Umrechnung von 10 zu 1 abgespeist werden, was in den meisten Fällen bedeutet, daß der Veräußerer den Kaufpreis ein zweites Mal erhält. Wenn hier eine Schuld vorliegt, dann trifft sie das ehemals herrschende nationalsozialistische Regime und das in seiner Gewalt befindliche Reich, welche die damalige allgemeine Lage geschaffen haben.
Es muß dagegen Stellung genommen werden, daß allgemeine, auf politischen Entschlüssen und Maßnahmen der öffentlichen Gewalt beruhende Schadensfolgen immer wieder auf einzelne Bürger oder Bevölkerungsgruppen abgewälzt werden. Das ist bei den Besatzungsverdrängten ebenso geschehen wie bei den deutschen Eigentümern von Auslandsvermögen. Besteht schon eine Gesamtursache oder wird sie unterstellt, dann ist es folgerichtig und gerecht, die Summe der einzelnen Rückerstattungsfälle zusammenzufassen und global nach außen zu ordnen, die Regelung der Einzelfälle aber der Auseinandersetzung zwischen den deutschen Behörden und den Restitutionspflichtigen zu überlassen. Zur Zeit ist die Haftung des Bundes oder der Länder noch nicht geklärt. Bund und Länder haben aber auf zahlreichen anderen Gebieten Verpflichtungen und Vermögen des ehemaligen Reiches übernommen, ohne daß dabei oder vorher die Frage der Rechtsnachfolge ernstlich aufgeworfen und geklärt oder die letztere bejaht und anerkannt wurde.
Ganze Ortschaften werden dadurch aufs schwerste in Mitleidenschaft gezogen, daß seinerzeit die Reichsumsiedlungsgesellschaft oder in Bayern die Bayerische Bauernsiedlung den Grundbesitz jüdischer Vorbesitzer an sich brachte and an siedlungsbedürftige Bauern mit Gewinn weiterveräußerte. Jetzt müssen die angesiedelten Bauern für die behauptete Entziehung, die schließlich die Siedlungsgesellschaften zu verantworten haben, gerade stehen, da ihnen die Siedlungsstelle nunmehr entzogen werden soll und die amtlichen Siedlungsgesellschaften den Kaufpreis nur im Verhältnis von 10 zu 1 zu erstatten gewillt sind.
Besonders kraß und unerträglich ist die Lage dort, wo die Neusiedler Bauern waren, die durch Maßnahmen des aufrüstenden nationalsozialistischen Reiches wegen der Anlage, Erweiterung oder Wiederverwendung von Truppenübungsplätzen von der heimatlichen, ererbten Scholle vertrieben und auf ehemals jüdischem Besitz angesiedelt wurden oder wo Deutsche für den Bau der Reichsautobahnen Grundbesitz abgeben mußten, vom Reich mit entzogenem jüdischem Besitz entschädigt wurden und nun im Restitutionsverfahren in Anspruch genommen werden und Schaden erleiden. Wenn irgendwo in Restitutionssachen, dann müßten in solchen Fällen die Wiedergutmachungskammern veranlaßt und in der Lage sein, das Verfahren auszusetzen. So wird einzelnen die Last der Wiedergutmachung für Entziehungsmaßnahmen aufgebürdet, die nicht sie, sondern das ehemalige Reich zu verantworten hatte. Das Problem besteht also nicht nur gegenüber den Besatzungsmächten, sondern auch gegenüber den deutschen Behörden, dem Bund und den Bundesländern. Es wird auch die Frage der Absetzung der vollen bei und infolge der Rückerstattung eingetretenen Verlusten in der Einkommen- und Körperschaftsteuer aufzuwerfen und zu regeln sein.
Es erschien aber wohl zweckmäßig. zunächst einmal die den Besatzungsmächten zugewandte Seite des Problems hervorzukehren. Die Rückerstattung gehört zum Vorbehaltsgebiet der Gesetzgebung der Besatzungsmächte. Erst noch am 12. Juni dieses Jahres hat der amerikanische Oberkommissar in einem Schreiben an die Ministerpräsidenten der Bundesländer der amerikanischen Zone betont, daß an den bisherigen Grundsätzen der Rückerstattung festgehalten werde. Das konnte aber keineswegs Anlaß genug sein, die Hände in den Schoß zu legen. Ebensowenig die Tatsache, daß ein Teil der Restitutionsfälle, sei es auf dem Verfahrens-, sei es auf dem Vergleichswege, erledigt ist. Die schwierige Frage der Wiederaufnahme von Fällen, in denen nachgewiesenermaßen wesentliche Härten gegenüber dem Verpflichteten vorgekommen sind, wird nicht umgangen werden können. Die trotz der soeben erfolgten Annäherung der Ordonnanz 120 des französischen Oberkommissars an die Bestimmungen der amerikanischen und der britischen Zone auch weiterhin bestehenden wesentlichen Unterschiede zwischen den Regelungen und der Spruchpraxis der drei Zonen müssen beseitigt werden.
Darüber hinaus enthält der Antrag der Fraktion der Bayernpartei eine Anzahl von grundsätzlichen Einzelforderungen. Ich darf hierwegen auf die Drucksache selbst verweisen. Es wäre ein Leichtes gewesen, sie um weitere Forderungen, etwa die der Rechtsgleichheit der Partner im Prozeß und außerhalb desselben sowie die der Nichtanwendung des Währungsumstellungsgesetzes auf die Restitutionen zu vermehren. Ich will mich auf zwei Punkte beschränken. Die Forderung der einheitlichen Einführung einer Härtemilderungs- oder Billigkeitsklausel wurde an erster Stelle erhoben. Wenn der Herr Bundesjustizminister am 4. November 1950 in einem Schreiben an den Herrn Präsidenten des Bundestags zu dieser Frage erklärte, daß er sich nicht in der Lage sehe, eine dahingehende Änderung des amerikanischen Militärgesetzes Nr. 59 bei dem Herrn Oberkommissar vorzuschlagen, so ist zu hoffen, daß er sich nunmehr, da inzwischen einige Zeit vergangen und die politische Entwicklung fortgeschritten ist, dazu in der Lage sieht.
Die allgemeine Beteiligung deutscher Richter im obersten Rechtszug und die Aufhebung oder Abänderung der Ausführungsverordnung Nr. 9 zum amerikanischen Gesetz Nr. 59 wurden von dem bayerischen Justizministerium bereits mit Berichten vom 5. März und 11. April 1951 bei dem Bundesjustizministerium angeregt. Ähnliche Vorschläge haben das württembergisch-badische Justizministerium am 15. März 1951 und das hessische Justizministerium am 20. März 1951 gemacht.
Die bestehenden Verhältnisse sind unhaltbar. Im Zeichen der proklamierten Verständigung, im Namen des für beide Seiten gleichen Rechts möge die Bundesregierung ungeachtet der gewiß nicht verkannten oder unterschätzten Schwierigkeiten den Mut und die Entschlossenheit haben, auf die Bereinigung eines Zustandes zu dringen, der geeignet ist, den Keim zu Entzweiung und Feindschaft zu legen, statt eine Versöhnung von geschichtlicher Tragweite zu ermöglichen und einzuleiten.
Wir wollen nichts leugnen, nichts beschönigen, nichts vertuschen, aber wir wollen eine Regelung im Zeichen des beiderseitigen gleichen Rechts. Wenn vor wenigen Wochen Mitglieder des für die Rückerstattung eingesetzten Unterausschusses des britischen Unterhauses erklärten, in der Bundesrepublik suchten „mächtige Interessengruppen" die Rückerstattung der ehemaligen jüdischen Vermögenswerte zu verhindern, so könnte das als britisches Gerede bezeichnet werden. Aber ich bin nicht so unhöflich. Uns ist von der Existenz solcher Machtgruppen nichts bekannt. Es gibt nur Restitutionspflichtige, die sich in einer Organisation zusammengeschlossen haben, um Unrecht von sich abzuwehren.
Mit der Überweisung unseres Antrags an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, zu dessen Arbeiten wir mit unserem Antrag vom 6. Juli einen Beitrag leisten wollten, sind wir einverstanden.
Ich eröffne die Aussprache im Rahmen der Redezeit von 60 Minuten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben eine sehr schwierige Materie vor uns, auch psychologisch gesehen; denn sie berührt die Empfindungen mancher Kreise sowohl im Inland als auch im Ausland.
Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie seinerzeit die Beratungen über das Rückerstattungsgesetz geführt wurden, als ich amtierender Präsident des Parlamentarischen Rates in Stuttgart war und daran, welche Gegenvorschläge wir der amerikanischen Kommission gemacht haben, die an den Beratungen beteiligt war. Wir sind aus verschiedenen Gründen nicht zu einer Verständigung gekommen. Wir mußten eine Reihe von Fragen wie etwa die der Berücksichtigung der Härtefälle, die der Rechtsnachfolger und des Instanzenzuges, besonders die Frage, welche Instanz an oberster Stelle zu entscheiden habe — alle diese Fragen, die der Kollege Etzel erwähnt hat —, zurückstellen, weil die Mentalität noch frisch war, die die Verbrechen des Nationalsozialismus auf diesem Gebiet hervorgerufen hat.
Aus dieser Mentalität sind in der Gesetzgebung gewisse Verschärfungen eingetreten. Ich habe immer das Empfinden: wenn wir uns in allen Bevölkerungsschichten stärker von dem nationalsozialistischen Gedankengut entfernt hätten, wenn nicht mehr solche Bewegungen aufgekommen wären, die eine Sehnsucht nach Rückkehr in die ehemaligen Verhältnisse erkennen lassen, wäre schon längst eine breitere Vertrauensgrundlage hergestellt; dann könnten auch diese Härtefälle einer gesetzlichen Regelung zugeführt werden.
Aber die aufgezeigten Umstände erschweren uns die Arbeit ungeheuer. Solche Radikalinskis rufen bei vielen ausländischen Bürgern Stimmungen hervor, die sich nur wieder an unseren Mitbürgern rächen. Unser gesamtes Volk muß deswegen zu einer ganz anderen psychologischen Einstellung kommen und muß das erkennen, was in der Vergangenheit nicht richtig war. Und zu den anderen müssen wir sagen, daß sie in den Forderungen nicht zu weit gehen sollen, damit sie nicht bei Leuten, die für diese Zustände nicht verantwortlich gemacht werden können, erneut Verstimmungen hervorrufen. Das ist das Grundproblem, das vor uns liegt.
Der Herr Kollege Etzel hat die einzelnen Gesichtspunkte hervorgehoben. Ich kann ihm da in keinem Teil widersprechen. Er hat auch die Verhältnisse im einzelnen genau unterschieden. Wir müssen uns mit diesen Fragen noch intensiv beschäftigen.
Es gibt einzelne Fälle, die besonders kraß liegen. Ich darf ein Beispiel erwähnen, auf das der Kollege Etzel auch hingewiesen hat. Ich meine den Fall, daß Ländereien für den Bau der Autobahnen abgetreten werden mußten. Ganze Bauernhöfe sind dabei verschwunden. Das nationalsozialistische Regime hat einfach andere Ländereien — meistens aus jüdischem Besitz — beschlagnahmt. Der Bauer hat dann — so ist der Rechtszustand damals gewesen — aus reichseigenem Vermögen neuen Besitz erhalten. Nach dem jetzt geltenden Restitutionsgesetz hält man sich an den Bauern. Nach meiner Überzeugung muß man sich an den heutigen Rechtsnachfolger des ehemaligen Nazireichs halten, also in diesem Fall an den Bund.
Das sind alles Probleme, die unbedingt der Klärung bedürfen. Das Gesetz, das die Amerikaner damals aus einer bestimmten Mentalität erlassen haben, ist in beiderseitigem Interesse dringend reformbedürftig.
Wir können hier nicht auf die Einzelheiten eingehen. Wir haben nur den Wunsch, daß der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestags möglichst bald eine brauchbare Grundlage für die Regelung dieser Fragen schafft, damit wir mit den Hohen Kommissaren in entsprechende Verhandlungen eintreten können, um die gröbsten Härtefälle zu beseitigen. Es muß hier eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, um den Interessen auf beiden Seiten in gerechter Weise Rechnung zu tragen. Deswegen bin ich auch dafür, daß dieser Antrag der Bayernpartei dem Rechtsausschuß überwiesen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion des Bundestags hat bekanntlich bereits vor einiger Zeit das Gesamtproblem der Wiedergutmachung einschließlich des Problems der Rückerstattung aufgeworfen und die Prüfung der Frage gefordert, was bundesgesetzlich geschehen soll, um hier einen Rechtszustand zu gewährleisten, der deutschen Vorstellungen entspricht. Schon längere Zeit zuvor hatte die Freie Demokratische Partei durch ihre Fraktion hier einen speziellen Antrag dahin einbringen lassen, daß das Rückerstattungsrecht durch Bundesgesetz zu vereinheitlichen sei. Beide Anträge liegen im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht. Dieser hat sich auch durch eine Unterkommission sehr eingehend damit beschäftigt und ausführliche Beratungen mit dem Bundesjustizministerium und dem Auswärtigen Amt gepflogen und steht vor dem Abschluß der Beratungen. Daher das muß ich sehr klar erklären —ist nicht ganz einzusehen, was eigentlich dieser Antrag der Bayernpartei soll.
Er bringt nämlich — auch wenn er vom 6. Juli ist, Herr Kollege — nichts Neues. Sie haben allerdings in Ihrer Parteikorrespondenz und Parteipresse seit längerer Zeit die Behauptung verbreiten lassen, die Bayernpartei sei die einzige, die sich getraue, dieses „heiße Eisen" anzufassen.
Ich muß hier feststellen, daß das unwahr ist;
denn die Freien Demokraten und die Sozialdemokraten haben lange vor Ihnen dieses sogenannte heiße Eisen angefaßt.
Wir scheuen uns in diesem Hause, das berufen ist, für das deutsche Recht zu sorgen, nicht, alle Fragen anzusprechen, deren Regelung für die Gerechtigkeit und für die Herstellung eines Rechtszustandes wichtig ist.
Wir sind allerdings zugleich der Meinung, daß es nicht angeht, nur dieses spezielle Rückerstattungsproblem anzusprechen, wie Sie das getan haben; denn es ist in Deutschland noch verdammt viel zur Entschädigung und zur allgemeinen Wiedergutmachung zu tun. Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß alle diese Fragen zusammengehören und daß das Problem der Rückerstattung nur als ein Teilproblem des großen Problems der Wiedergutmachung behandelt werden kann.
Ich glaube, daß ich damit alles gesagt habe, was ich zu Ihrem Antrag auszuführen hatte. Wir werden, wie gesagt, demnächst hier im Parlament die Gelegenheit bekommen, diese Fragen auf breitester Grundlage zu diskutieren und unsere Wünsche an die Bundesregierung heranzutragen.
Nur noch ein Wort. Es kommt dabei immer etwas zu kurz, daß es nämlich seit Jahrhunderten ein deutscher Rechtsgrundsatz ist, daß an gestohlenem oder geraubtem Hab und Gut ein gutgläubiger Erwerb nicht möglich ist. Das muß auch nach deutscher Auffassung die Vorrangstellung im Rückerstattungsrecht haben. Ich stehe deshalb nicht an, zu erklären, daß wir Sozialdemokraten uns zu diesem Grundsatz der Rückerstattung mit aller Eindeutigkeit bekennen, aber zugleich nicht verkennen, daß die Regelung so, wie sie uns sehr unterschiedlich von den Alliierten aufgezwungen ist, in
Einzelfällen durchaus zu unzumutbaren Ungerechtigkeiten und Härten führt, weshalb wir Gelegenheit nehmen werden, bei der Verabschiedung der Anträge, die schon im Rechtsausschuß liegen, deutsche gesetzgeberische Maßnahmen zu fordern, die geeignet sind, diese Ungerechtigkeiten zu beseitigen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen auf dem Standpunkt,
daß dort, wo Unrecht geschehen ist, Recht geschaffen werden muß. Auf der anderen Seite möchten wir aber davor warnen, „Recht" durch neues Unrecht zu schaffen. Diese Gefahr besteht gerade auf dem Gebiet, um das es sich heute dreht. Sie dürfen nicht verkennen, daß mit Hilfe der Kräfte, die von fast allen Parteien herausgestellt wurden, ein Unrecht Methode wurde, das vielleicht seinen Gipfel in den Ansprüchen fand, die ein gewisser Herr Kempner an einen ehemaligen Zentrums-Reichstagsabgeordneten stellte, dem er sein Haus in aller Ruhe, in allem Frieden verkaufen konnte und das er heute plötzlich zurückfordert, ohne nach menschlichem Recht dazu einen Anspruch zu haben.
Zum zweiten möchte ich darauf hinweisen, daß man bei der Berechnung auch all die Schäden mit einrechnen soll, die dem deutschen Steuerzahler durch nicht ganz saubere Maßnahmen von Leuten entstanden sind, die von den Alliierten in hohe Posten hineingesetzt . wurden und die die moralischen Voraussetzungen, diese hohen Posten auszufüllen, nicht mitbrachten.
Weiter möchte ich noch folgendes sagen. Herr Professor Carlo Schmid von der SPD hat hier einmal erklärt, man solle in den Fällen, in denen keine Nachfahren der Vorbesitzer jüdischen Vermögens vorhanden sind, wenigstens den Wert dieses Vermögens nach Tel Aviv oder Jerusalem überweisen. Ich entsinne mich, daß die israelische Regierung immer wieder betont hat, sie befinde sich im Kriegszustand mit Deutschland. Ich entsinne mich weiter, daß dieselbe israelische Regierung ja letzten Endes nur durch eine Aggression entstanden ist, die nach Nürnberger Recht mit einem Urteil enden würde, das vielleicht manchen Leuten in Tel Aviv oder Jerusalem nicht passen würde.
Des weiteren würde man,
nach dem Nürnberger Recht urteilend, damit auch die Aggressoren im vorderasiatischen Raum, jene, die den Arabern ihre Heimat genommen haben, entsprechend — —
Ich bitte Sie, .zum Schluß zu kommen, Herr Abgeordneter Dr. Richter.
Dann würde man wahrscheinlich andere Wege und Methoden finden müssen.
— Ich habe gar keinen Grund, mich zu schämen. Genau so, wie ich mich als Vertriebener jederzeit für meine Heimat einsetze, kann ich den Wunsch der Araber verstehen, daß ihre Heimat nicht für dauernd von den Juden gestohlen bleiben soll.
Herr Abgeordneter, kommen Sie zum Schluß!
Wenn Herr Professor Schmid
gesagt hat, daß man der israelischen Regierung das Geld nach Tel Aviv oder Jerusalem hinterherschicken soll, dann möchte ich betont haben: er würde das Geld einer Macht nachschicken, die selbst erklärt hat, mit uns im Kriegszustand zu stehen,
also einer Macht, die uns doch anscheinend noch nach 1945 irgendwie den Krieg erklärt haben muß. Das würde bedeuten, daß er dann mit dem Feind zusammenarbeitet und ein Kollaborateur ist,
der nach der Sprachregelung unserer alliierten Befreier doch irgendeine Strafe finden muß, die Sie sehr gut kennen, die Sie doch bejaht haben und die er dann auch verdienen würde.
Herr Abgeordneter Dr. Richter, ich habe Sie dahin verstanden, daß Herr Abgeordneter Dr. Schmid ein Kollaborateur sei, der mit dem Feind zusammenarbeite.
— Es bleibt das gleiche. Es handelt sich jedenfalls um eine Beleidigung von Abgeordneten des Deutschen Bundestags. Ich rufe Sie zur Ordnung, Herr Abgeordneter Richter.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es wäre die Pflicht dieses Hauses, sich dagegen zu wehren, daß von dieser Tribüne ein antisemitischer Strolch redet.
Herr Abgeordneter Mellies, wollen Sie das Wort?
— Bitte schön!
Herr Präsident! Ich möchte Ihnen namens der sozialdemokratischen Fraktion die dringende Bitte vortragen, Ihre Ordnungsmaßnahme noch einmal zu überlegen und doch einmal zu prüfen, ob angesichts dieser unerhörten Beleidigung der Mitglieder dieses Hauses ein einfacher Ordnungsruf genügt. Ich gehöre sicher nicht zu denjenigen, die sehr drastischen Ordnungsmaßnahmen
das Wort reden; aber wenn wir hier derartige Dinge in diesem Umfange zulassen, wie das heute geschehen ist, dann werden wir bald vor viel schlimmeren Entwicklungen stehen.
Meine Damen und Herren, im übrigen ist es ja leider so, daß unsere Geschäftsordnung keine Bestimmung enthält, die verhindert, daß jemand über Dinge reden darf, von denen er nichts versteht; denn Herr Richter hat wirklich bewiesen, daß bei ihm von dem Problem, über das hier geredet wurde, kein blasser Schimmer vorhanden ist.
Zweitens kann man ja nun — das möchte ich meinem Kollegen Schoettle sagen — Menschen nicht überfordern. Ich glaube, Herr Kollege Schoettle, man kann nicht von jemandem fordern, daß er sich schämen solle, wenn er dazu einfach nicht in der Lage ist und kein Gefühl dafür hat.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
— Herr Abgeordneter Richter, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich habe keine Möglichkeit, Ihnen noch einmal das Wort zu geben.
Bitte schön, Herr Abgeordneter Dr. Schneider!
— Meine Damen und Herren, es ist zwar sehr
zweckmäßig, daß zwei Herren gleichzeitig reden.
Gestatten Sie mir aber, daß ich jetzt zunächst Herrn Abgeordneten Dr. Schneider bitte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist außerordentlich bedauerlich, daß es gelegentlich der Diskussion über ein solch ernstes Problem, wie es die Restitution darstellt — diejenigen, die sich wie wir damit beschäftigen, wissen, wie ernst und kompliziert das ganze Problem ist —, zu einer derartigen Auseinandersetzung hier überhaupt kommen konnte. Ich persönlich will dazu nicht weiter Stellung nehmen; ich sage, es ist außerordentlich bedauerlich.
Zu dem Antrag der Bayernpartei möchte ich folgendes sagen. Ich wundere mich, von Herrn Kollegen Dr. Arndt zu hören — ich habe das nicht gewußt —, daß die Bayernpartei mit Bezugnahme auf den Antrag, den sie jetzt eingebracht hat, behauptet, daß sie die einzige politische Gruppe sei,
die sich mit der Frage der Restitution beschäftige. Ich darf darauf hinweisen, daß wir es vor langer, langer Zeit waren — ich weiß gar nicht mehr die Nummer der Drucksache unseres Antrages —, die hier zum ersten Male das Problem aufgeworfen haben, allerdings nur in einem Teilstück, und daß dann die SPD ihren umfassenden Antrag gestellt hat, den wir damals hier gehört haben und den Herr Professor Carlo Schmid in seinen Einzelheiten begründet hat. Ich glaube, wir befassen uns damit jetzt schon neun Monate im Rechtsausschuß. Wir haben das Problem dort schon sehr eingehend diskutiert, haben dort teilweise schon Sachverständige gehört und sind schließlich wegen der
Schwierigkeit des Gesamtproblems dazu übergegangen, einen Unterausschuß zu bilden, der sich jetzt auch schon wieder monatelang mit diesem Problem befaßt. Ich sehe also keine rechte sachliche Notwendigkeit für den Antrag der Bayernpartei. Er geht einfach in den Dingen auf, die bereits vorliegen. Ich habe aber nichts dagegen, daß er dem Rechtsausschuß als Material überwiesen wird.
Was nun die Frage selbst anbelangt, so kann man über Restitution nicht sprechen, wenn man in dieses schwierige Problem nicht eingedrungen ist. Das ist nicht ein einheitlicher Komplex, sondern es liegt auf verschiedenen Ebenen, hat verschiedene Beteiligte, es sind verschiedene Gründe, aus denen sie geschädigt worden sind, einmal so und einmal so. Das muß alles im einzelnen geprüft und im einzelnen überlegt werden. Das eine steht jedenfalls für mich aus meiner Praxis fest, die ich im zivilen Leben ausübe und in der ich viel mit diesen Dingen zu tun habe, daß nämlich das amerikanische Gesetz Nr. 59, das mir ganz besonders bekannt ist, in der Form, in der es jetzt vorliegt, verschiedene Abänderungen erfahren muß, wenn nicht Härten und Ungerechtigkeiten eintreten sollen, die dem einzelnen nicht zugemutet werden können und die nach allgemeinem Empfinden auch nicht gerecht sind. Auf die näheren Einzelheiten will ich nicht eingehen. Wir werden das Problem der Restitution demnächst, wenn unser Unterausschuß mit seinen Arbeiten fertig ist und der Rechtsausschuß in seiner Gesamtheit zu einem Entschluß gekommen sein wird, hier in seinen Einzelheiten zu diskutieren haben.
Also auch meine Freunde haben nichts dagegen, daß der Antrag der Bayernpartei dem Rechtsausschuß überwiesen wird.
Zu einem Schlußwort Herr Abgeordneter Dr. Etzel.
Dr. Etzel (BP), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich mache mich grundsätzlich keiner Unfairneß schuldig. Ich verstehe darum nicht, wie Herr Kollege Dr. Arndt eine Behauptung aufstellen kann, die nicht begründet ist. Er sagt erstens: Bereits vor Monaten haben die SPD und die FDP Anträge zu dem Sachgebiet eingebracht. Das wurde von uns nie bestritten. Diese Anträge sind allgemein gehalten und nicht substantiiert, wie es unser Antrag ist. Das darf ich zu Punkt 1 sagen.
Zweitens: Es ist hier auch sonst üblich, daß Fraktionen dieses Hohen Hauses, um einer Angelegenheit einen besonderen Nachdruck zu verleihen und die Beschleunigung der Beratung zu erwirken, von sich aus zu einem Sachgegenstand Anträge einbringen, obwohl dem Hohen Hause darauf bezügliche Anträge schon vorliegen. Wir haben das von uns aus nie beanstandet; wir haben es im Interesse der Förderung eines Sachgegenstandes begrüßt. Wir haben das selbst dann, wenn wir die sogenannten Betroffenen waren, d. h. wenn wir kopiert worden sind, nicht übel-, sondern dankbar aufgenommen.
Darum haben wir es auch, als die SDP vor kurzem einen von uns schon längst zu § 53 Abs. 3 des Gesetzes nach Art. 131 des Grundgesetzes vom 11. Mai dieses Jahres eingebrachten Antrag — ich glaube,
er ist bereits im Mai oder Juni vorgelegt worden — kopiert und nahezu wörtlich übernommen hat, durchaus nicht als ein Plagiat angesehen, sondern wir waren darüber erfreut, daß unsere Initiative nun auch auf dieser Seite des Hauses geteilt und gebilligt wird.
Drittens: Herr Kollege Dr. Arndt sagt, wir hätten in unserer Parteikorrespondenz behauptet, daß die Bayernpartei allein es gewesen sei, die dieses Problem aufgegriffen und zum Gegenstand eines Initiativschrittes gemacht habe. Ich bitte Herrn Kollegen Dr. Arndt, mir doch das Druckstück oder den Roto-Umdruck einer solchen Korrespondenzausgabe der Bayernpartei zu zeigen. Ich wäre ihm dankbar. In Wahrheit ist niemals eine solche Feststellung und Erklärung mit Wissen und Willen maßgebender und verantwortlicher Kreise der Bayernpartei erfolgt.
Vielleicht ist Herr Dr. Arndt einem Mißverständnis erlegen. Der „Rheinische Merkur" hat vor, ich glaube, etwa 2 1/2 oder 3 Monaten eine Notiz unter der Stichmarke „ Ein heißes Eisen" gebracht. Darin warf der Korrespondent die Frage auf, warum denn dieses heiße Eisen von niemandem angepackt werde. Nun war wenige Wochen vorher die Bayernpartei in der Lage gewesen, diesen substantiierten Antrag einzubringen. In dem Bemühen und in dem Willen, die Sachlage richtig darzustellen, habe ich selbst an den „Rheinischen Merkur" geschrieben und ihn darauf hingewiesen, daß wir das heiße Eisen mit unserem Antrag Nr. soundsoviel — die entsprechende Bundestagsdrucksache legte ich bei — angepackt hätten. Das und nichts anderes ist erklärt worden, und darin kann niemand etwas Unfaires erblicken wollen. Wir sind damit niemandem zu nahe getreten. Es widerspricht den unverzichtbaren Grundsätzen der Bayernpartei, unfair oder illoyal zu handeln.
Meine Damen und Herren, es handelt sich augenblicklich nicht um die Loyalität der Bayernpartei, sondern um die Restitution. — Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist beantragt worden, diesen Antrag dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. — Das ist der Fall.
Ich rufe auf den Punkt 7 der Tagesordnung:
a) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen der öffentlichen Fürsorge über den Antrag der Fraktion der SPD zur Interpellation betreffend Winterbeihilfe (Nrn. 2805, 2724 der Drucksachen);
b) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Gewährung von Winterbeihilfen (Nrn. 2806, 2539 der Drucksachen).
Berichterstatter ist zunächst der Herr Abgeordnete Junglas.
Zu beiden Punkten schlägt Ihnen der Ältestenrat eine Redezeit von 90 Minuten vor.
Ich bitte Herrn Abgeordneten Junglas, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Antrag der SPD auf Drucksache Nr. 2724 wird vorgeschlagen, einem Kreis von Personen eine gewisse Sonderbeihilfe zu gewähren. Es ist zu unterscheiden zwischen der pflichtmäßigen Wirtschaftsbeihilfe, die in jedem Winter gegeben wird, und dieser Beihilfe, die heute zur Debatte steht und die man zweckmäßig als „Weihnachtsbeihilfe" bezeichnen sollte. Die grundsätzlichen Forderungen dieses Antrages sind — mit einigen Ausnahmen — dadurch erledigt, daß gemeinsame Erlasse der Bundesministerien des Innern, der Finanzen und für Arbeit vom 9. und 29. Oktober diese Weihnachtsbeihilfe geregelt haben, und zwar sowohl hinsichtlich des in Frage kommenden Personenkreises, als auch hinsichtlich der Verrechnungsfähigkeit nach den Grundsätzen der Kriegsfolgenhilfe.
Für unseren Ausschuß blieb nur eine Debatte mit dem Ziele übrig, einen Beschluß herbeizuführen einmal über die Höhe der zu gewährenden Beihilfe und zum anderen über den Personenkreis, insbesondere über den Personenkreis der ALU-, d. h. der Arbeitslosenunterstützungsempfänger, und der ALFÜ-, der Arbeitslosenfürsorgeunterstützungsempfänger. Über diese Fragen war noch zu debattieren.
Der Ausschuß für Fragen der öffentlichen Fürsorge, dem dieser Antrag zur Erledigung zugeleitet worden war, kam zu dem Ergebnis, daß die Winterbeihilfe nicht niedriger sein dürfe als die, die eine Gruppe schon im vergangenen Jahre bekommen hat. In der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung sind im vergangenen Jahr als Weihnachtsbeihilfe 25 DM für den Hauptunterstützungsempfänger und 5 DM für jede zuschlagsberechtigte Person bewilligt worden. Die übrigen Unterstützungsberechtigten haben im vergangenen Jahr nur 15 bzw. 5 DM bezogen. Mit den vorgenannten Erlassen vom 9. und 29. Oktober dieses Jahres haben die 3 genannten Ministerien den Betrag von 15 DM auf 20 DM erhöht, den Zuschlag von 5 DM für die Zuschlagsberechtigten jedoch belassen.
Auf der anderen Seite blieb die Frage offen, ob Arbeitslosenunterstützungs- und Arbeitslosenfürsorgeunterstiitzungsempfänger auch in den Kreis der Berechtigten einbezogen werden sollten und ob auch diese Beträge auf die Kriegsfolgenhilfe verrechnet werden könnten, d. h. also daß der Bund 85 % und die pflichtigen Bezirksfürsorgeverbände 15 % tragen sollten. Nach langen Verhandlungen, die auch im Haushaltsausschuß weitergeführt werden mußten, ist dann schließlich ein Beschluß zustande gekommen. Ich bemerke, daß in Antrag Drucksache Nr. 2724 für den Hauptunterstützungsempfänger 30 DM und für jeden zuschlagsberechtigten Angehörigen 12 DM gefordert waren und weiterhin beantragt war, die ALFÜ-Bezieher in den Kreis der Kriegsfolgenhilfeempfänger einzubeziehen.
Der Ausschuß für Fragen der öffentlichen Fürsorge schlägt Ihnen nunmehr vor, folgenden Antrag anzunehmen:
Die Bundesregierung wird ersucht, die in ihren Rundschreiben vom 9. und 29. Oktober 1951 als verrechnungsfähig anerkannte Weihnachtsbeihilfe für Empfänger von Arbeitslosenfürsorgeunterstützung auf 25 DM für den Haushaltungs-
vorstand und für den Alleinstehenden und auf 10 DM für jeden zuschlagsberechtigten Angehörigen zu erhöhen.
das entspricht dem im vorigen Jahre den ALFÜ-
Empfängern gegebenen Betrag, bleibt jedoch um 5 DM unter dem Betrag der übrigen Unterstützungsempfänger, der aber in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahre ebenfalls um 5 DM erhöht worden ist. — Weiter heißt es im Antrag des Ausschusses:
Die hiernach zu gewährenden Mehrbeträge sind jedoch im Falle der Gewährung einer Winterbeihilfe auf diese anzurechnen.
Wenn also die vorgenannten Bezieher bereits die geringere Unterstützung von 20 DM bezogen haben, dann werden ihnen jetzt noch die 5 DM nachgezahlt.
In diesem Beschluß ist irrtümlicherweise zu sagen versäumt worden — obschon der Ausschuß wollte, daß es erwähnt würde —, daß diese Regelung auch für Berlin gilt. Ich bitte, bei der Annahme dieses Beschlusses davon auszugehen, daß dieser Zusatz eigentlich noch dazugehört. Es wäre also zu diesem Beschluß noch hinzuzusetzen: „Diese Regelung gilt auch für Berlin".
Im übrigen bitte ich, den Beschluß des Ausschusses für öffentliche Fürsorge anzunehmen und damit den Antrag Drucksache Nr. 2724 als erledigt zu erklären.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Zur Berichterstattung zu Punkt 7 b) der Tagesordnung erteile ich dem Abgeordneten Schüttler das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Sozialpolitik befaßte sich in der Sitzung vom 8. November 1951 mit dem ihm überwiesenen Antrag der KPD Drucksache Nr. 2539. Die Antragsteller fordern die Gewährung einer einmaligen Winterbeihilfe in Geld und Naturalien an alle Arbeitslosenunterstützungs-, Arbeitslosenfürsorgeunterstützungs-, Renten- und sonstigen Unterstützungsempfänger. Ein fast gleichlautender Antrag der Fraktion der SPD wurde vom Ausschuß für öffentliche Fürsorge beraten. Da das Ergebnis seiner Beratung bereits vorlag, stellte der Ausschuß für Sozialpolitik einstimmig folgenden Antrag:
Der Bundestag wolle beschließen, den Antrag — Nr. 2539 der Drucksachen — durch den Mündlichen Bericht des Ausschusses für Fragen der öffentlichen Fürsorge — Nr. 2805 der Drucksachen — zu dem Antrag der Fraktion der SPD zur Interpellation betr. Winterbeihilfe — Nr. 2724 der Drucksachen — als erledigt zu betrachten.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion wird den Ausschußanträgen zustimmen. Diese Zustimmung fällt uns nicht ganz leicht. Erstens sind die vorgeschlagenen Sätze nicht so hoch, wie wir von der sozialdemokratischen Fraktion es in unserer Interpellation gewünscht hatten, und zweitens sind wir der Auffassung, daß der durch den Bund übernommene Teil der Kosten in seiner Höhe nicht dem entspricht, was man eigentlich erwarten und verlangen könnte. Wenn wir heute nicht zu einer Beschlußfassung kämen, würde das zur Folge haben, daß sich die Auszahlung der Winterbeihilfe erheblich verzögern würde; es wäre kaum möglich, die Auszahlung zu Weihnachten vorzunehmen. Da wir aber alle wissen, daß die Betroffenen dringend auf diese Unterstützung warten, sind wir der Auffassung, daß das Hohe Haus heute noch diesen Beschluß fassen muß, und aus diesem Grunde werden wir dem Antrag unsere Zustimmung geben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
— Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind nicht in der Lage, uns mit diesem Vorschlag einverstanden oder zufrieden zu erklären.
— Ja, sicher ist das nicht erforderlich für Sie; aber ich bin der bescheidenen Auffassung, daß die Betroffenen draußen ebensowenig zufrieden sein werden mit dem, was Sie ihnen an Hungerpfennigen geben, wie wir Kommunisten das sind.
Der Vorschlag des Ausschusses bezieht sich ausschließlich auf die Empfänger von Arbeitslosenunterstützung und Arbeitslosenfürsorgeunterstützung. In unserem Antrag hatten wir — ganz abgesehen von der Differenz in der Zahl — verlangt, daß diese Winterbeihilfe dem gesamten Personenkreis der Sozialberechtigten einschließlich der Empfänger von Arbeitslosenunterstützung und Arbeitslosenfürsorgeunterstützung zugute kommen sollte. Wir hatten darüber hinaus den Antrag gestellt, die Bezieher von Renten, soweit sie Ausgleichsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz erhalten, einzubeziehen, also die Schwerbeschädigten, die Witwen und die Kriegereltern.
— Sie rufen mir zu: Dieser Personenkreis der Sozialberechtigten soll ja auch einbezogen werden!
— Das ist doch nicht wahr! Er soll ja nur insofern einbezogen werden, als sein Einkommen aus Rente nicht höher ist als der örtliche Wohlfahrtsunterstützungsrichtsatz. Sie schränken also Ihre Zulage auf einen Personenkreis ein, der, was Renteneinkommen angeht, in seiner Gesamtheit nicht besser gestellt ist als der Personenkreis, der von der öffentlichen Wohlfahrtspflege betreut wird. Wie man da noch sagen kann, die Sozialberechtigten in der Gesamtheit seien einbezogen, ist unerfindlich.
Aber ich darf Sie auf einige Tatsachen hinweisen, die die Stimmung unter den Empfängern von Rente erklären. Ich habe vor einigen Wochen in diesem Hause von dieser Stelle aus gesagt, daß bei dem sogenannten Rentenanpassungsgesetz der Erfolg der war, daß Städte in der Größenordnung etwa Essens für den Rest des Etatsjahrs eine halbe Million DM einsparen auf Grund der Tatsache, daß sie die Beträge, die hier an Rentenzulage gewährt worden sind, ihrerseits als Einkommen betrachten
und auf die Wohlfahrtsunterstützung anrechnen. Das Ergebnis davon ist, daß eine große Anzahl von Personen entweder ganz aus der Wohlfahrtspflege ausscheiden muß oder nur einen Teil der bisherigen Zulagen erhält.
Die Wirkung dieses Gesetzes, über das Sie draußen so große lobende Worte der Anerkennung gemacht haben, war also die, daß das reale Einkommen der Sozialberechtigten sich in den allermeisten Fällen überhaupt nicht verbessert hat.
Was Sie gaben, haben die Gemeinden wieder in Abzug gebracht; und was Sie heute gewähren, bezieht sich auch nur auf den engen Personenkreis, den ich hier wahrheitsgemäß umrissen habe.
Die Organisationen der Sozialberechtigten, die Organisationen der Kriegsopfer haben Ihnen sowohl wie uns in zahllosen Resolutionen und Entschließungen bekanntgegeben, daß die Sozialberechtigten einschließlich der Kriegsopfer mit den derzeitigen elenden Sozial- und Kriegsopferrenten sowieso nicht auskommen, daß sie aber ganz und gar außerstande sind, die Sonderbedürfnisse, die der Winter mit seinen Begleiterscheinungen auslöst, zu decken. Sie wissen genau so wie ich es weiß, daß die Organisationen der Kriegsopfer z. B. eine Winterbeihilfe vom Bundestag erwarten. Das ist gefordert. Man kann also unseren Antrag nicht so behandeln, daß man sagt, es sei ein Agitationsantrag. Unser Antrag enthält das, was die Organisationen der Kriegsopfer, der Sozialberechtigten, der Erwerbslosen draußen fordern.
Aus den Kreisen der Sozialberechtigten ist uns aber auch ihre Auffassung mitgeteilt worden, daß
o ihre Forderungen vordringlicher sind als etwa die Finanzierung der Wiederaufrüstung oder etwa die Abdeckung der Besatzungskosten.
Folgerichtig haben wir in unserem Antrag den Vorschlag gemacht, daß die Mittel, die die Durchführung unseres Antrages erfordert, in der Form gewonnen werden sollen, daß die Besatzungsleistungen und die Leistungen für die Grenzschutzpolizei, dieses kaschierte Militär, eingestellt werden sollen. — Wenn Ihr Vorschlag angenommen wird, werden Sie erleben, daß Ihnen die Empörung der Sozialberechtigten draußen recht deutlich entgegentritt.
Wir sind deshalb nicht in der Lage, uns mit der geringfügigen Zuwendung, die der Ausschuß vorschlägt, zufriedenzugeben; wir halten unseren Antrag aufrecht und erwarten von dem Herrn Vorsitzenden, daß er über unseren Antrag noch einmal abstimmen läßt.
Ich fühle keine Verpflichtung, mich mit der Haltung der sozialdemokratischen Fraktion auseinanderzusetzen.
Aber, Herr Kollege Mellies, die Erklärung, die Sie in Ihrer Zusage gegeben haben, hinkt ja doch bedenklich. Zeitmangel? Unser Antrag ist auf den Tag genau am 3. September gestellt worden, Ihr Antrag am 24. Oktober. Heute haben wir Mitte November. An der Zeit, diese Anträge zu realisieren, hat es also bestimmt nicht gefehlt.
— Na ja, entschuldigen Sie, wenn die Empörung etwas mit mir durchgeht!
Mit solchen fadenscheinigen Erklärungen werden Sie Ihre eigenen Leute nicht beruhigen. Ich darf Ihnen zum Schluß vielleicht noch eines offenbaren: daß in den Leitungen der Organisationen, von denen ich gesprochen habe, überwiegend sozialdemokratische Spitzenfunktionäre stehen. Sie entscheiden also hier nicht nur gegen die Notleidenden selber, sondern auch gegen die Auffassung Ihrer eigenen Genossen in den Leitungen dieser Organisationen. Daß der Bundestag, daß die Koalitionsparteien nicht mehr gewährt haben als das, was sie an Hungerpfennigen in diesem Vorschlage gewähren, ist sehr verständlich angesichts der Tatsache, daß ihnen j a der Herr Bundesfinanzminister den Befehl gegeben hat, eine Stillhalteaktion auf dem Gebiete der Sozialpolitik zu betreiben,
stillzuhalten gegenüber dem Hunger der Sozialberechtigten, aber fröhlich jede Ausgabe für die Besatzungstruppen zu schlucken und freudig die Milliardenbeträge zu schlucken, die die Remilitarisierung kosten wird. Das ist der Inhalt Ihrer Politik: Hunger für das Volk, aber Geld in Hülle und Fülle für die Sicherung der Belange
der wirklichen Machthaber in diesem Lande, der
westdeutschen Großkapitalisten, der Pferdmengesse, der Kriegstreiber und Aufrüstungshyänen.
Weitere Wortmeldungen scheinen nicht vorzuliegen. Die Aussprache ist geschlossen. Ich lasse abstimmen.
Ich muß, Herr Abgeordneter Renner, nach der Geschäftsordnung über die Ausschußanträge abstimmen lassen, zunächst über den Antrag auf Drucksache Nr. 2805. Das ist die Abstimmung zu Punkt 7 a der Tagesordnung. Wer für die Annahme des Ausschußantrages mit dem von dem Berichterstatter beantragten Zusatz ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Stimmenthaltung der kommunistischen Frak-
— So? Ich habe es nicht so gesehen.
Zu Punkt 7 b der Tagesordnung ist über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 2806 abzustimmen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen die Stimmen der kommunistischen Fraktion angenommen.
Damit ist Punkt 7 der Tagesordnung erledigt. Ich rufe auf, da die Punkte 8 und 9 erledigt sind, Punkt 10:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD
betreffend sofortige Wiedergutmachung von
Manöverschäden .
Hierzu schlägt Ihnen der Ältestenrat vor, auf die Begründung und auf eine Aussprache zu verzichten und den Antrag alsbald an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zu überweisen. — Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Bekanntgabe des Entwurfs des „Generalvertrags" zwischen der Bundesrepublik und den Herren Hohen Kommissaren .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Begründung 15 Minuten, für die Aussprache 60 Minuten vor. —Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wer begründet diesen Antrag? — Herr Abgeordneter Renner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Die Verhandlungen Dr. Adenauers mit den drei westlichen Hohen Kommissaren hinter verschlossenen Türen bewirken eine weitere Vertiefung der Spaltung Deutschlands und zerren Deutschland in einen dritten Weltkrieg hinein, der den sicheren Untergang des deutschen Volkes bedeutet."
So beurteilt Ministerpräsident Grotewohl
am 10. Oktober 1951 die Folgen der von Dr. Adenauer seit Jahren betriebenen Geheimpolitik der Wiederaufrüstung, dieser Aggressionspolitik des westdeutschen Militarismus und Imperialismus.
Erlauben Sie mir einen kurzen Rückblick auf den Verlauf dieses Prozesses der geheimen Rüstungspolitik Adenauers, dieser Dunkelkammerpolitik, die er ohne Berücksichtigung des Volkswillens, gegen den klaren Willen der überwältigenden Mehrheit der westdeutschen Bevölkerung, ohne Auftrag des Bundestags, also hinter dem Rucken dos deutschen Volkes und des Bundestags, j a selbst ohne Verständigung mit den Ministern seines eigenen Kabinetts seit Jahren betreibt. Um in die Kriegspolitik der amerikanischen Imperialisten auch das westdeutsche Potential an Soldatenreserven und an Rüstungsindustrie einzubeziehen und auf deutschem Boden die Ausgangsbasis für den geplanten deutschen Krieg gegen die Völker der Sowjetunion, die Länder der Volksdemokratien und gegen unsere deutschen Brüder im Osten Deutschlands vorbereiten zu können, hat der USA-Imperialismus den Bonner Weststaat von Gesamtdeutschland abgespalten. Durch das Besatzungsstatut hat er sich die absolute Verfügungsgewalt über Westdeutschland gesichert, durch das Besatzungsstatut, das von dem Herrn Adenauer und den hinter ihm stehenden Koalitionsparteien bekanntlich vorbehaltlos anerkannt worden ist. Zwecks Tarnung seines Inhalts und zur Irreführung der deutschen Öffentlichkeit hat die Adenauer-Regierung in Zusammenhang mit dem Geheimprotokoll vom 22. November 1949 der Herren Hohen Kommissare ein Kommuniqué herausgegeben, in dem es heißt, daß sie sich verpflichtet habe, die Entmilitarisierung aufrechtzuerhalten und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die Neubildung irgendwelcher Streitkräfte zu verhindern. In krassem Gegensatz zu dieser Erklärung stand das Interview, das Adenauer am 4. Dezember 1949 einem Korrespondenten der amerikanischen Zeitung „The Plain Dealer" gegeben hat. Darin hat er, völlig im Sinne der amerikanischen Kriegstreiber, erklärt, daß er eine autorisierte deutsche Streitmacht unter einem europäischen Oberkommando für wichtig und für notwendig erachte. Diese Erklärung ist keine 10 Tage nach dem angeblich strikten Verbot jeglicher Remilitarisierung erfolgt. Damals, also vor fast zwei Jahren, hatte die deutsche Öffentlichkeit noch nicht die entscheidende Rolle erkannt, die dem deutschen Imperialismus in den amerikanischen Kriegsvorbereitungen zugedacht ist. Demzufolge gab es auch in einem Teil der bürgerlichen Presse Westdeutschlands einen Proteststurm gegen diese Äußerung Adenauers. In der breitesten deutschen Öffentlichkeit hat sie geradezu einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.
Wir Kommunisten haben den vollen Inhalt dieser Erklärung begriffen und den Versuch gemacht, Adenauer zur Rechenschaft zu ziehen. Am 16. Dezember 1949 antwortete Dr. Adenauer auf unsere genau formulierten Fragen vor dem Parlament mit eiserner Stirn sechsmal mit einem Nein. Nein sagte er u. a. zu unserer Frage: Beabsichtigt der Bundeskanzler, den westlichen Alliierten die Bereitschaft der Bundesregierung zur Aufstellung einer westdeutschen Streitmacht in irgendeiner Form zum Ausdruck zu bringen? Ich machte damals zu diesem glatten Nein einen Zwischenruf, auf welchen hin Adenauer wörtlich zugab, daß „im äußersten Falle die Frage eines deutschen Kontingents im Rahmen der Armee einer europäischen Föderation zu überlegen sei". Der Abgeordnete und Vorsitzende unserer Partei, Herr Reimann, wandte sich damals scharf und klar gegen die Kriegspolitik Adenauers im Rahmen des Atlantikpaktes. Das Hohe Haus hat ihn mit wütenden Zwischenrufen und Lärmszenen zum Schweigen bringen wollen. Zum Schluß seiner Ausführungen wurde ihm das Wort entzogen. Unser damaliger Antrag wurde von allen übrigen Mitgliedern des Bundestags abgelehnt.
Kurz darauf wurde bekannt, daß sich deutsche Militärs in der illegalen Offiziersorganisation „Bruderschaft" mit Remilitarisierungsplänen beschäftigen und ganz offen mit dem Bonner Kabinettschef konspirieren. Ich denke u. a. an die Vorschläge des Herrn Generals von Manteuffel, des ehemaligen Kommandeurs der Hitlerschen „Großdeutschland"-Formation, die er in einer Denkschrift an Adenauer gemacht hat. Damals wurde auch der ehemalige Panzergeneral von Schwerin als militärischer Experte in die Bonner Regierungskanzlei berufen.
Im Herbst 1950 trat die bisher geheim betriebene Remilitarisierung Westdeutschlands in das Stadium einer offen geforderten legalen Wiederaufrüstung. Dr. Adenauer legte am 17. August 1950 den drei Hohen Kommissaren konkrete Pläne zur Remilitarisierung vor. Mit der lächerlichen, oft genug widerlegten Begründung, daß die Volkspolizei der DDR die Grundlage einer echten Angriffsmacht darstelle, forderte er die beschleunigte Schaffung einer starken westdeutschen Streitmacht. Auch über die deutsche Beteiligung an westeuropäischen Armeen sollte schnell entschieden werden. Außerdem sei die sofortige Verstärkung der Besatzungstruppen und sämtlicher Luftstreitkräfte notwendig, „um einen Schutzvorhang für die Aufrüstung Westdeutschlands, Westberlins und anderer westlicher Nationen zu bilden". So wörtlich Herr Adenauer! Dieses neuerliche Angebot Adenauers hinter dem Rücken des Volkes entfachte einen Proteststurm. Wir haben verlangt, die verhängnisvollen Remilitarisierungspläne einer Selbstentscheidung des deutschen Volkes zu unterstellen.
Kurze Zeit später, unmittelbar vor der Abreise des amerikanischen Hohen Kommissars McCloy zu den Konferenzen nach Washington, übergab Dr. Adenauer ihm ein geheimes Memorandum, in dem er sein Angebot zur Remilitarisierung Westdeutschlands genau fixiert hatte. Dieses Memorandum war ohne Kenntnis und ohne Zustimmung seiner eigenen Regierung verfaßt worden. Es wurde
erst zwei Tage später, am 31. August, im Bonner Kabinett behandelt und führte zu dem bekannten Austritt des damaligen Innenministers Dr. Heinemann aus der Regierung. Aus diesem Geheimmemorandum ist erst drei Monate später ein Teilauszug veröffentlicht worden. Diese Veröffentlichung hat zwei Tatsachen, die bis dahin hartnäckig von Adenauer abgestritten worden waren, enthüllt. Der Bundeskanzler hat wiederholt um die Verstärkung der Besatzungstruppen gebeten und erneuert in diesem Memorandum diese Bitte in dringender Form. Der Bundeskanzler hat ferner wiederholt seine Bereitschaft erklärt, im Falle der Bildung einer internationalen westeuropäischen Armee einen Beitrag in Form eines deutschen Kontingents zu leisten, also dieselben Probleme, die heute klar und eindeutig als Auffassung Adenauers der ganzen Öffentlichkeit bekannt sind.
Gegen den klaren Willen des Volkes, ohne Parlamentsbeschluß, ja ohne Zustimmung und ohne Unterrichtung selbst seines eigenen Kabinetts also hat Dr. Adenauer mit der ihm eigenen Selbstherrlichkeit dieses folgenschwere Angebot gemacht und den Inhalt später glatt abgestritten. Am 25. November 1950 schrieb darüber „Die Welt":
Der Kanzler hat nunmehr eingestanden, daß er die Unwahrheit gesagt und das deutsche Volk wochenlang irregeführt hat.
Das Memorandum aber tat seine Wirkung. Sowohl die Außenministerkonferenz als auch der Nordatlantikpakt-Ausschuß im September 1950 haben den Beschluß gefaßt, daß
die Verwendung des deutschen Menschenpotentials und deutscher Hilfsquellen im Sinne des Memorandums geregelt werden sollte und daß nunmehr die Methode, nach der Deutschland seinen Beitrag am wirkungsvollsten leisten kann, untersucht wird.
Auch über die Verstärkung der Besatzungstruppen wurden die entsprechenden Beschlüsse gefaßt.
Die Adenauer-Regierung führte anschließend auch praktische Maßnahmen zur Vorbereitung der Remilitarisierung Zug um Zug durch. Theodor Blank wurde zum Regierungsbeauftragten für die militärischen Maßnahmen ernannt. Aus der Dienststelle Schwerin wurden die Nazimilitärs Ostermann, von Busche und Kielmansegg übernommen. Andere Generale wurden mit der Vorbereitung eines Kommandostabes beauftragt. Ein Wehrpflichtgesetz und ein Gesetz zur Beseitigung des im Grundgesetz verankerten Rechtes der Kriegsdienstverweigerung wurden vorbereitet. Im Dezember faßten die Kriegs- und Außenminister der Nordatlantikpaktstaaten in Paris bereits konkrete Beschlüsse über die Rolle Deutschlands in einer Europa-Armee. Die Hohen Kommissare wurden beauftragt, mit der Adenauer-Regierung einen deutschen Militärplan auszuarbeiten.
Diese deutschen und alliierten Militärbesprechungen begannen auf dem Petersberg am 9. Januar 1951. Vertreten durch die bekannten Herren Generale, wurde „geredet", wie man uns gesagt hat, über technische Einzelheiten der Aufrüstung, nur verhandelt. Am 21. April 1951 wurde durch eine Veröffentlichung der Rhein-Neckar-Zeitung in Heidelberg das bisher erreichte Resultat bekannt. Danach haben die deutschen Generale die Aufstellung einer deutschen Armee von 12 Divisionen in einer Stärke von 250 000 Mann mit einem selbständigen deutschen Kommando einschließlich Panzerwagen und Flugzeugen gefordert.
Das Bekanntwerden dieser Tatsachen führte zur Massenbewegung für eine Volksbefragung gegen. die Remilitarisierung. Im Bundestag sind die Koalitionsparteien und die sozialdemokratischen Führer der Remilitarisierungspolitik Hitlers — —, nein, Adenauers
— Verzeihung, dieser falsche Zungenschlag liegt sehr, sehr nahe — dieser Remilitarisierungsaktion zu Hilfe gekommen, indem sie verlangt haben, daß die Volksbefragungsaktion für verfassungswidrig erklärt wird. Dieses gegen Recht und Verfassung bestehende Zweckverbot brachte dann die Regierung auch prompt heraus. Der Widerstand des Volkes gegen diese Aufrüstung war allerdings damit nicht aufzuhalten.
Neue Tatsachen wurden bekannt. In dem Adenauer-Exposé an die Oberkommissare wurden eine deutsche Armee von sechs Armeekorps, eine zweijährige Militärdienstpflicht, die Wiedererrichtung des deutschen Generalstabs sowie eines Kriegsministeriums gefordert.
Mitte September 1951 kam dann die entscheidende Konferenz der westlichen Außenminister in Washington; sie brachte die Vorbereitung des Krieges in ein akutes Stadium. Es wurde beschlossen, westdeutsche Truppenkontingente in die Europa-Armee Eisenhowers aufzunehmen und Westdeutschland in schnellstem Tempo zum strategischen Aufmarschgebiet zu machen.
Dann begannen die Geheimverhandlungen Adenauers, über die wir bisher in diesem Hohen Hause noch nichts Konkretes gehört haben. Wir wissen von einem Rahmenvertrag; wir wissen von Nebenverträgen, die abgeschlossen worden sind. Wir wissen, daß diese Verträge ein Abkommen zur Regelung des Status der Besatzungsmächte und der Privilegien der alliierten Streitkräfte beinhalten. Wir wissen, daß in diesem Abkommen der Anteil an deutschen militärischen Kräften, die wir hier aufstellen sollen, genau festgelegt ist. Wir wissen, welche Abmachungen über die Zurverfügungsstellung des Potentials unserer Rüstungsindustrie getroffen worden sind. All diese Dinge wissen wir, aber, wie gesagt, nur durch Meldungen aus der Zeitung. Herr Adenauer hat bisher weder das deutsche Volk noch den Bundestag auch nur entfernt über den Inhalt dieser Verhandlungen informiert. Er hat nur einmal hier an dieser Stelle gesagt, daß die Dinge ja nicht allzu bös und übel seien, da der Herr Schumacher, der Herr Ollenhauer und der Herr — wer war der Dritte aus Ihrem Kreise? —
ja von Herrn McCloy genauestens über die Sache orientiert worden seien.
Nun tagen die Außenminister in Paris. Herr Adenauer hat als Vertreter seinen Staatssekretär dahin geschickt. Es geht in Paris im Augenblick darum, den Schlußstrich unter diese Abmachungen zu setzen, die Adenauer gegen das Interesse unseres Volkes abgeschlossen hat. Es gilt also, konkret festzulegen, in welcher Form, in welchem Umfang deutsche junge Menschen zur Verfügung gestellt werden sollen für den verbrecherisch geplanten Krieg der amerikanischen Imperialisten gegen die Sowjetunion, gegen die Volksdemokratien, gegen unsere eigenen deutschen Brüder im Osten.
Nach dem „Weser-Kurier" vom 12. November 1951 hat das in Paris abzuschließende Vertragswerk der Regierung auch die Funktion übertragen, die Wahrerin der gesamten deutschen Interessen zu sein. Die Regelung aller Grenzfragen allerdings müsse dem Friedensvertrag vorbehalten bleiben, der durch den Generalvertrag nicht präjudiziert werden könne. Worum geht es also in Paris? Um die Anerkennung der von Adenauer allein übernommenen Verpflichtung zur Remilitarisierung Westdeutschlands, zur Eingliederung Westdeutschlands in die Atlantik-Kriegsfront gegen die Kräfte der Demokratie und des Friedens.
Daß der Bundestag zu diesen Dingen bisher geschwiegen hat,
daß diese Verhandlungen Adenauers bestenfalls
auf der Basis geführt worden sind, daß die Koalitionsparteien insgeheim in Parteikonventikeln
über die Einzelheiten orientiert worden sind, daß
ferner Adenauer diese Verhandlungen führen
konnte bei Tolerierung aller seiner Schritte durch
die sozialdemokratische Fraktionsführung, ist ein
Tatbestand, den die genannten Parteien einmal vor
ihren Wählern und vor dem deutschen Volk werden
verantworten müssen. Wir sind der Meinung, daß
Schluß gemacht werden muß mit der Geheimpolitik
Adenauers, daß Schluß gemacht werden muß mit
der Aufrüstung, Schluß gemacht werden muß mit
dieser Regierung der Aufrüstung, einer Aufrüstung,
die zwangsläufig zu einem neuen Krieg führen muß.
Wir sind aber auch der Meinung, daß Schluß gemacht werden muß mit der bisherigen Politik dieses Bundestages,
der vom Volke eingesetzt worden ist.
Kommen Sie zum Schluß!
Das Volk erwartet vom Bundestag, daß er den Frieden garantiert und die Einheit Deutschlands wiederherstellt.
Kommen Sie zum Schluß, Herr Abgeordneter Renner!
Ich komme zum Schluß.
Wir sind der Meinung, daß der Wille unseres Volkes dahin geht, den Frieden gesichert zu erhalten und die Einheit Deutschlands wiederhergestellt zu sehen. Dieser Wunsch unseres Volkes, des gesamten deutschen Volkes, ist nicht zu realisieren mit den Methoden der Kriegspolitik eines Adenauer. Er ist nur zu realisieren auf dem Wege, den die Deutsche Volkskammer uns vorgeschlagen hat, auf dem Wege der Durchführung gesamtdeutscher Beratungen mit dem Ziel der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, mit dem Ziel der Sicherung des Friedens und des Abschlusses eines Friedensvertrages.
Darum fordern wir in unserem Antrag, daß Adenauer mit seinen geheimen Verhandlungen Schluß macht. Wir fordern, daß ihm der Bundestag untersagt, seinen Namen unter diese Abmachungen ' zu setzen, Abmachungen, die für unser Volk den Tod bedeuten!
Das Wort hat der Abgeordnete Krone.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Renner, ich habe schon bessere und trefflichere Reden von Ihnen gehört
als Ihre heutige Vorlesung, die Sie im Eiltempo hier heruntergerasselt haben. Ich glaube, in keinem Land der Welt, auch nicht in Rußland, ist es üblich, in ein schwebendes Verfahren in der Weise einzugreifen, wie Sie es hier tun.
Ich stelle den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung.
Es ist der Antrag auf Übergang zur Tagesordnung gestellt. Wird dagegen gesprochen?
— Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Ich bitte das Hohe Haus, diesen Antrag abzulehnen.
Es kommt nicht darauf an, über die Dinge, um die es hier geht, sich in schönen Worten auszulassen. Es kommt also gar nicht darauf an, ob meine Rede schön konzipiert war oder nicht, sondern es kommt darauf an, daß meine Rede Wahrheiten enthüllt hat!
Es kommt darauf an, klarzustellen, daß Herr Adenauer durch den Bundestag in keinem Augenblick zur Führung dieser Verhandlungen autorisiert war. Wer hat ihm den Auftrag gegeben? In wessen Namen verhandelt er? In wessen Auftrag und in wessen Interesse verschachert er die Jugend Westdeutschlands? Diese Fragen sind zu klären.
Deshalb bin ich der Meinung, daß der Antrag auf Übergang zur Tagesordnung nichts anderes bedeutet als ein Vorbeidrücken des Bundestages an der Verantwortung, die Erteilung einer Ermächtigung an Adenauer, unser Volk in den Krieg, in den Tod zu führen. Es kommt der Tag,
wo Sie dem deutschen Volk werden Rechenschaft ablegen müssen. Es kommt der Tag, seien Sie dessen gewiß! Die Geschichte wird über Sie und über alle Kriegstreiber und Kriegshetzer hinweggehen. Die Kräfte des Friedens sind stärker als die von Ihnen repräsentierten Kräfte der Vernichtung und des Todes. Aber Sie müssen ja diesen Antrag stellen, weil Sie, wie ich schon gesagt habe, diese Adenauer-Politik durch Ihr Stillschweigen und durch Ihr Tolerieren bisher gedeckt haben. Sie müssen ja schweigen über das, was in Paris und
in den Schlössern der Hohen Kommissare gegen
unser Volk beschlossen und getrieben worden ist.
Darum dieser Antrag! Über diesen Antrag und über Ihre Haltung zu diesem Antrag werden eines Tages die deutsche Jugend und das gesamte deutsche Volk mit Ihnen abrechnen!
Es hat noch e i n Mitglied des Hauses das Recht, f ü r den Antrag zu sprechen. Besteht das Bedürfnis? — Das ist offenbar nicht der Fall.
— Herr Abgeordneter Strauß, nachdem der Antrag gestellt ist, dürfen noch zwei Abgeordnete sprechen, einer dafür und einer dagegen. In Anbetracht des Umstandes, daß ich gestern so freundlich auf die Handhabung der Geschäftsordnung aufmerksam gemacht worden bin, wollte ich mich bemühen, heute nicht wieder einen Fehler zu begehen.
Ich lasse abstimmen. Es ist der Antrag auf Übergang zur Tagesordnung gestellt. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen die Stimmen der kommunistischen Fraktion angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 12 a und b der Tagesordnung:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der Bayernpartei betreffend Inlandsporto im Brief- und Postkartenverkehr zwischen europäischen Staaten .
b) Beratung des Antrags der Fraktion der Bayernpartei betreffend Europäisches Abkommen über gebührenfreie Benutzung der staatlichen Verkehrsmittel .
Wer begründet den Antrag? — Das Wort hat der Abgeordnete Etzel.
Dr. Etzel (BP), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden Anträge Drucksachen Nrn. 2705 und 2706 bedürfen eigentlich keiner Begründung, sie sprechen für sich selbst. In einer Zeit, die von der Losung der — erlauben Sie mir den wenig ansprechenden Ausdruck — europäischen Integration widerhallt, erscheinen Schritte berechtigt, die geeignet sind, einer europäischen Solidarität, wenn nicht als Realität, so doch als Idee Ausdruck zu geben, auf jeden Fall ihr den Weg bereiten zu helfen. Gewiß ist Deutschland, sind die vorerst beiden Deutschländer noch nicht Mitglieder des Weltpostvereins, sowenig wie der Vereinten Nationen selbst, denen der Weltpostverein als Sonderorganisation angegliedert ist. Wir glauben aber, daß es einem Lande, dessen berühmter Sohn und Generalpostmeister Heinrich von Stephan der geistige Vater des Weltpostvereins war, wohl ansteht, mit einer Initiative hervorzutreten, die einer universellen Fortentwicklung des Weltpostvereinsgedankens wenigstens innerhalb Europas und dem Hochziel einer Annäherung und Verständigung der europäischen Völker dienen soll.
Bei dem Vorschlag eines europäischen Abkommens über die gebührenfreie Benützung der staatlichen Verkehrsmittel leitete uns der Gedanke, daß die Konferenzen und sonstigen Zusammenkünfte der Politiker und Parlamentarier der verschiedenen Länder durch gegenseitige Besuche und Studienreisen ergänzt werden sollten. Sie anzuregen und zu erleichtern, ist der Zweck unseres Antrags. Es dürfte nicht zu bestreiten sein, daß die zunftmäßigen internationalen Kongresse und Aussprachen der Parlamentarier und ihre sonst so verdienstvollen Arbeiten trotz der Hilfe der Presse meist nicht die erhofften, in die Tiefe und die Breite gehenden politischen und psychologischen Wirkungen bei den Völkern selbst haben. Die erleichterte Möglichkeit, sich in den Ländern umzusehen, sie und ihre Bevölkerungen aus eigener Anschauung im persönlichen Verkehr und Gespräch mit Menschen aller Schichten in eindringlicher Unmittelbarkeit, sozusagen aus erster Hand kennenzulernen, wird wesentlich dazu beitragen, Zweifel und Besorgnisse zu zerstreuen und Vorurteile, Voreingenommenheiten, Mißverständnisse und Mißtrauen zu beseitigen.
Wenn schon unsere Anträge praktisch gemeint sind, so dürfen wir doch auch ihren symbolischen Gehalt und Zweck betonen. Wir würden es für besonders wirkungsvoll halten, wenn das Hohe Haus sich entschließen wollte, sie in unmittelbarer Abstimmung zu billigen und zu beschließen.
Das Wort hat der Staatssekretär Dr. Schneider.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann als Vertreter des Herrn Ministers für das Post- und Fernmeldewesen natürlich nur zu den die Post betreffenden Anträgen Stellung nehmen.
Zunächst zu dem Antrag Drucksache Nr. 2705. Die Bundesregierung begrüßt den Antrag und bittet, ihn anzunehmen. Auf den Änderungsantrag der SPD werde ich nachher noch zurückkommen. Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat persönlich jede sich bietende Gelegenheit dazu benutzt, vor deutschen und ausländischen Zuhörern für den Gedanken einer europäischen Postunion zu werben. Auch die deutsch-französische Parlamentarierkonferenz in Rheinfelden bei Basel, die am 19. und 20. Juni 1950 stattgefunden hat, und ebenso die deutsche Delegation des Europarats in Straßburg haben vorgeschlagen, im europäischen Briefpostverkehr Inlandsgebühren einzuführen.
Die amtliche Tätigkeit des Bundespostministeriums hat sich bisher auf eine Fühlungnahme mit unserem wichtigsten Nachbarland, nämlich Frankreich, beschränkt. Leider haben die in dieser Richtung getanen Schritte bisher noch zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt. Der stellvertretende Hohe Kommissar der Französischen Republik für Deutschland hat vielmehr in einem Schreiben vom 14. April 1951 mitgeteilt, daß eine derartige Maßnahme im Hinblick auf die ungünstige finanzielle Lage der französischen Postverwaltung zur Zeit noch auf erhebliche Schwierigkeiten stoße und noch weitere Erörterungen zwischen den französischen Regierungsstellen erforderlich seien.
Die Einführung der Inlandsgebühren im europäischen Verkehr — das muß man ohne weiteres
zugeben — hat natürlich für die einzelnen europäischen Staaten zunächst — ich sage: zunächst — beträchtliche Minderungen an Einnahmen zur Folge. Für die Deutsche Bundespost würden sie sich allein im Verkehr mit Frankreich jährlich auf schätzungsweise 260 000 DM — das sind 35 bis 40 % der bisherigen Auslandsgebühren, die wir im Verkehr mit Frankreich vereinnahmen — belaufen. Nun gebe ich ohne weiteres zu, daß das kein ins Gewicht fallender Betrag ist. Die Dinge bekommen aber schon ein anderes Gesicht, wenn man den gesamten Europaverkehr berücksichtigt. Der Einnahmenausfall für die deutsche Post würde dann etwa 13 Millionen, für Österreich 6 Millionen, für Belgien 8 Millionen und für Frankreich sogar etwa 22 Millionen, in D-Mark umgerechnet, betragen. So versteht man die eben erwähnten Bedenken der französischen Regierungsstellen gegen die beabsichtigten Maßnahmen.
Bei der technischen Durchführung ist noch zu berücksichtigen, daß die Gewichtsstufen und die Gebührentarife in den einzelnen Ländern im innerstaatlichen Verkehr nach ganz verschiedenen Grundsätzen aufgebaut sind. Es wäre deshalb zunächst einmal nötig, in diesen Punkten eine Einheitlichkeit herzustellen, was aber meines Erachtens nicht auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen dürfte.
Zur Erreichung des erstrebten Zieles bedarf es übrigens nicht des Abschlusses von Staatsverträgen, also von förmlichen Verträgen zwischen den beteiligten Staaten, sondern Abkommen zwischen den Postverwaltungen der beteiligten Länder würden genügen, vorausgesetzt natürlich, daß die nach innerstaatlichem Recht zuständigen Organe der Herabsetzung des Auslandsportos auf die Inlandsätze zustimmen würden.
Trotz des zunächst für die Deutsche Bundespost zu erwartenden Gebührenausfalls im Briefverkehr mit den europäischen Ländern wird sich die Bundespost — das zu erklären bin ich ausdrücklich beauftragt — mit Nachdruck für die Verwirklichung des mit dem vorliegenden Antrag Drucksache Nr. 2705 verfolgten Ziels einsetzen. Zwei Gründe sind dafür maßgebend: Erstens: Der Gebührenausfall wird nach unserer Auffassung bei dem zu erwartenden gesteigerten Verkehr voraussichtlich allmählich ausgeglichen werden. Zweitens ist diese Maßnahme wie kaum eine andere dazu angetan, die wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Beziehungen zwischen den europäischen Ländern zu fördern, zu festigen, und — last not least — auch dem Mann im Volke vor Augen zu führen, daß ganz Europa eine Einheit bildet. Auf einem — gewiß nicht allein ausschlaggebenden — Gebiet würde die Einführung des Inlandsportos ein wesentliches Glied in der Verwirklichung einer natürlich nur schrittweise durchführbaren Gesamteuropapolitik bedeuten, zu der auch die europäische Postunion gehört.
Nun komme ich zu dem Abänderungsantrag der SPD. Dieser Antrag — Umdruck Nr. 361 — ist erst während dieser Sitzung verteilt worden. Ich kann dazu im einzelnen natürlich namens der Bundesregierung keine abschließende Erklärung abgeben. Die Grundgedanken dieses Antrags decken sich ganz mit den Absichten unseres Herrn Ministers und werden — wie ich schon erklärt habe — von der Bundesregierung begrüßt. Sie decken sich durchaus mit ihren Absichten. Einzelheiten — ich kann im Augenblick natürlich nicht beurteilen, was der in dem Antrag angeführte italienischfranzösische Postvertrag im einzelnen enthält — wären wohl am besten im Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen zu behandeln.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat schon früher, zuletzt in der 164. Sitzung des Bundestags, dem Grundgedanken des Antrags Drucksache Nr. 2705 der Bayernpartei zugestimmt. Dieser Gedanke ist ohne Zweifel via Straßburg nach München gelangt. Auf dem Wege dorthin hat er sehr viele Federn gelassen, wie ich Ihnen nachher noch zeigen werde.
Was beantragt wird, ist nichts Neues in der Welt. Es gibt Beispiele für solche kleineren, weitergehenden Postvereine innerhalb des Weltpostvereins. So gibt es den ibero-amerikanischen Postverein, der 23 Staaten umschließt, Staaten, die in Europa, in Amerika und — soweit es spanische Kolonien sind — in Afrika liegen. Wir haben seit 1935 den skandinavischen Postverein, innerhalb dessen für den Postverkehr reduzierte Gebühren gelten. Seit einigen Jahren schließlich gibt es jetzt den italienischfranzösischen Postvertrag, nach dem im Verkehr zwischen den beiden Ländern nur die Inlandsgebühren erhoben werden.
Es lag natürlich der Gedanke nahe, in Straßburg, wo man sich nach allen Richtungen hin um mehr Einheit in Europa bemüht, diese Beispiele zum Vorbild für die Bildung eines allgemeinen europäischen Postvereins mit genereller Geltung der Inlandsgebühren und der generellen Vereinfachung und Rationalisierung des Postbetriebes zu nehmen. Das ist in der Tat geschehen. In Straßburg hat das Sekretariat einen Bericht über diese Frage angefertigt, der jetzt zu Ende dieses Monats der Beratenden Versammlung zugeleitet werden wird. Die Wirtschaftskommission der Versammlung hat eine Empfehlung ausgearbeitet, die als Drucksache Nr. 154 im Mai dieses Jahres erschienen ist. Aus dieser Empfehlung möchte ich Ihnen die entscheidenden Punkte zitieren. Sie werden dabei sehen, daß das, was in Straßburg geplant ist, sehr viel weiter geht als das, was in dem summarischen Antrag der Bayernpartei gefordert wird. Es heißt da:
Die Versammlung empfiehlt dem Ministerrat
1. alle möglichen Maßnahmen zu prüfen, um die schnelle Einrichtung eines Postvereins zwischen allen Mitgliedstaaten nach dem Vorbild dessen, der zwischen Frankreich und Italien schon besteht, zu schaffen;
2. auf Telephonverbindungen die gleichen Erleichterungen auszudehnen, die für die Postverbindungen geplant sind, und dabei nur die Entfernungen zu berücksichtigen, nicht aber die Grenzen, die die einzelnen Länder trennen;
3. eine Konferenz der europäischen Post- und Fernmeldedienste einzuberufen mit dem Auftrag, die oben genannten Ziele auf der Grundlage der vorbereitenden Arbeit des Sekretariats zu erreichen.
Der Antrag Drucksache Nr. 2705 der Bayernpartei ist nicht auf der Höhe dieses Empfehlungsentwurfs
des Europarates. Das hat meine Fraktion veranlaßt, den Abänderungsantrag einzubringen, der Ihnen als Umdruck Nr. 361 vorliegt. In dem Antrag der Bayernpartei werden der Bundesregierung Schritte empfohlen. Es wird aber nicht gesagt, welche Schritte sie tun soll. Wir haben mit diesen Dingen die Erfahrung gemacht, daß die Schritte der Bundesregierung zuwenig zahlreich und zuwenig weitgehend sind. Deshalb sollte man ihr etwas konkreter sagen, was sie tun soll. Unser Antrag nimmt daher die Grundgedanken des Empfehlungsentwurfs der Versammlung, der jetzt Ende des Monats zur Abstimmung stehen wird und der sicher einstimmig angenommen werden wird, auf und faßt sie in den Punkten 1 und 2 zusammen. Wir können also das, was wir hier im Bundestag wollen, mit dem verzahnen, was wir in Straßburg als Delegierte tun und was nach diesem Antrag die Bundesregierung im Ministerrat tun soll.
Darüber hinaus enthält der Punkt 3 den Vorschlag, sich nicht darauf zu beschränken, dort die multilaterale Aktion in Angriff zu nehmen, sondern auch durch zweiseitiges Vorgehen dem Ziele näherzukommen. Wir sollten hier so vorgehen, wie wir es in dem andern Anliegen getan haben, in dem wir auch versuchen, die deutschen Grenzen ein wenig aufzuweichen. Wir haben hier von der Abschaffung des Visumzwanges gesprochen. Auch da hat meine Fraktion vorgeschlagen, daß wir beides tun, daß wir im Europarat, in der OEEC und durch zweiseitiges Vorgehen versuchen, diesen Visumzwang loszuwerden. Soviel ich unterrichtet bin, wird gerade diese zweiseitige Methode sehr bald auch praktische Resultate, zunächst einmal mit einigen wenigen europäischen Staaten, bringen. Das haben wir also auch unter Punkt 3 unseres Änderungsantrags vorgeschlagen.
Wir sollten jedem europäischen Staat — und nicht nur Frankreich — diesen Vorschlag machen. Bei Frankreich ist man am widerspenstigsten in europäischen Dingen, die nichts einbringen, wo es um die tatsächliche deutsche Gleichberechtigung geht. Wenn es dort um Jugendpaß oder um Abschaffung des Visumzwanges geht — dabei ist nichts zu gewinnen, das ist wirkliche Gleichheit für beide —, dann wird es in Frankreich abgelehnt. Und so hat der Herr Bundespostminister die gleiche Erfahrung gemacht auf dem Gebiet der Vereinfachung des Postverkehrs zwischen Frankreich und Deutschland. Soviel ich unterrichtet bin, ist es nicht einmal möglich gewesen, einen normalen Zeitungsverkehr zwischen Deutschland und Frankreich herzustellen. Wenn wir in Straßburg sind, dann müssen wir immer zwei Tage darauf warten, bis die deutschen Zeitungen über die Kehler Brücke kommen und wir das Neueste aus Bonn erfahren. Wir sollten dieses Angebot jedem Staat machen. Zum Beispiel Italien und Schweden und andere werden sehr viel schneller darauf eingehen. Und wenn wir erst einmal eine Bresche in diese Front geschlagen haben, werden wir sehr bald weiterkommen.
Ich bitte Sie also, dem Antrag der Bayernpartei nicht in der vorgelegten Form zuzustimmen, sondern in der konkreteren Form, die meine Fraktion vorschlägt.
Ich bitte um Entschuldigung, Herr Präsident, wenn ich noch einige Worte zu der Freifahrkarte sage, obschon meine sehr kurze Redezeit inzwischen abgelaufen ist. Wir sind gegen diesen Antrag nach Inhalt und Form. Wozu haben wir Freifahrkarten?
Wir haben eine Freifahrkarte, um unserer Arbeit nachgehen zu können.
Weil es sich um die Arbeit handelt, drum geben wir unseren Landtagsabgeordneten eine Freifahrkarte für ihr Land und keine Freifahrkarte für das ganze Bundesgebiet. Und wir Bundestagsabgeordneten, die wir unser Aktionsfeld im ganzen Bund haben, haben eine Freifahrkarte für das ganze Bundesgebiet.
— Ja, sehen Sie, die Bayernpartei begründet ihren Antrag damit, daß darin ein Ausdruck für die gesamteuropäische Solidarität gesehen werden soll. Nun, meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten doch zunächst einmal gesamtdeutsche Solidarität üben und als gesamtdeutsche und als geeinte Nation in Europa eingehen. Es ist mir nicht bekannt, daß die Bayernpartei im Bayerischen Landtag den Antrag eingebracht hätte, eine Freifahrkarte für das gesamte Bundesgebiet zu beantragen, um die gesamtdeutsche Solidarität zum Ausdruck zu bringen.
Vielleicht, meine Herren von der Bayernpartei, bringen Sie diesen Antrag im Bayerischen Landtag noch nachträglich ein.
Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen, Herr Abgeordneter!
Ich komme zum Schluß. Der Antrag der Bayernpartei ist wenig diskutabel. Er verrät keine große politische Einsicht; er steht gar nicht auf der Tagesordnung des praktischen europäischen Geschehens. Wir Delegierten im Europarat sind bisher noch nicht einmal das Visum losgeworden.
Und deswegen, glauben wir, sollten wir hier Opposition machen.
Wir Sozialdemokraten wehren uns immer dagegen, daß an dem Feuer des Europagedankens französische Nationalgerichte gekocht werden. Wir wehren uns auch dagegen, daß von Abgeordneten Süppchen nach bayernparteilichen Rezepten gekocht werden.
Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluß!
Dieser Antrag ist ohne Wert, und Anträge ohne Wert sollte man damit abtun, daß man über sie zur Tagesordnung übergeht, was ich hiermit beantragen möchte.
Das Wort hat der Abgeordnete Decker.
Kollege Mommer hat ganz verkehrte geographische Vermutungen geäußert. Unser Antrag kommt nämlich nicht von Straßburg her, wo wir auch gar nicht vertreten sind, sondern er kommt von Basel. Aber das ist kein Grund, daß
sich diese beiden Anträge nicht miteinander vertragen könnten, wenn sie sich, von Basel und der Ihre von Straßburg herkommend, in Bonn zufällig treffen. Ich sehe auch zwischen den beiden Anträgen wirklich keine Widersprüche, und ich sehe auch nicht ein, warum sich hier so eine Art von Eifersucht entwickeln sollte. Im Gegenteil, wir müßten doch alle miteinander am gleichen Strang ziehen, d. h. die europäische Einigung suchen. Deshalb glauben wir, daß sich diese beiden Anträge sehr gut ergänzen, und wir sind der Ansicht, daß sie gemeinsam dem zuständigen Ausschuß überwiesen werden sollten.
Bezüglich des zweiten Antrags wegen der Freifahrkarte für ausländische Abgeordnete möchte ich sagen, daß dieser Gedanke doch nicht bloß von der Bayernpartei ausgegangen ist, sondern auch von einer Tagung in Basel, und daß gerade die französischen Delegierten es damals besonders begrüßt haben, daß dieser Gedanke geäußert worden ist.
Hier wollen wir eben den ersten Schritt tun.
Das Wort hat der Abgeordnete Strauß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist, Gott sei Dank, keine bayerische Angelegenheit, die wir hier auszutragen haben,
sondern eine gesamteuropäische Sache. Aus diesem
Grunde komme ich auch nicht in die Gefahr, mit in
die Konkurrenz um die Priorität zu treten, die
3) heute eine so erhebliche Rolle spielt.
— Das ist immer zweiseitig, Herr Kollege Besold.
Es ist auch unerheblich, ob hier der Straßburger Einfluß oder der Basler Einfluß obgewaltet hat. Wenn es der Basler Einfluß ist, kann man nur sagen, daß die Geschwindigkeit, mit der dieser Antrag eingereicht worden ist, nachdem seit dem Juni 1950 so viel Zeit vergangen ist, jedenfalls die des voreuropäischen Zeitalters noch wesentlich unterboten hat.
— Sie sagen: Wenigstens aber doch! Da muß ich erwidern: es ist — ich will damit keine böswillige Kritik üben — vielleicht doch nicht der richtige Weg, daß Angelegenheiten, die bei der deutschfranzösischen Parlamentarierkonferenz erörtert und beschlossen worden sind und die bereits im Europarat vorliegen, mit Ladehemmungen von einem bis anderthalb Jahren in der Form eines Antrages im Deutschen Bundestag auftauchen, um hier behandelt zu werden.
— Der Kollege Besold sagt, ich hätte noch gar nichts getan. Dazu muß ich bemerken, ich halte es einfach nicht für richtig — denn es ist leeres Stroh gedroschen —, daß Dinge, die bereits im Europarat zur Annahme empfohlen oder bei der Parlamentarierkonferenz beschlossen sind, der Schaufensterwirkung wegen noch dem Deutschen Bundestag zur „wohlwollenden Agitation" unterbreitet werden.
Es ist auch gar nichts dagegen zu sagen, wenn er diesen Antrag begrüßt; er liegt ja auf der Linie der Politik, die das Bundespostministerium schon seit einiger Zeit verfolgt. Aber Sie müssen nicht unbedingt mit dem Bundespostministerium in Konkurrenz um die Priorität treten;
sonst wären es ja zu viele Konkurrenten. Richtig ist aber: die Tendenz, das Ziel, das mit diesen Anträgen verfolgt wird, ist zu begrüßen. Hier sollte man nach dem, was der Herr Staatssekretär des Bundespostministeriums geäußert hat, eigentlich auch einmal eines mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen — ich glaube, Kollege Mommer hat es schon anklingen lassen —: Wenn man zu Europa hinwill, genügt es nicht, daß man sich in großen Resolutionen und Programmen ergeht, während man nicht in der Lage ist, die einfachsten praktischen Schritte zu machen, um Europa zu verwirklichen.
Die Verwirklichung von Europa sollte schließlich auch nicht an den Budget- oder Kalkulationsschwierigkeiten scheitern, die einige Post- und Fernmeldeministerien in Europa machen, indem sie ausrechnen, wieviel Millionen DM oder Lire oder Franken ihnen entgehen, wenn für die Sendungen nach dem Ausland nur die Inlandsposttarife angewendet werden. Da soll man in Gottes Namen Entfernungstarife nehmen und nicht Geldschwierigkeiten vorschützen, wenn es sich darum handelt, hier praktisch einen Schritt nach vorwärts zu tun; dagegen muß ich mich mit aller Deutlichkeit verwahren und das Bundespostministerium ersuchen, in den weiteren Verhandlungen auf diesen Gesichtspunkt mit aller Energie und mit allem Nachdruck hinzuweisen. Auf diesem Wege werden wir der Verwirklichung Europas einen Schritt näherkommen.
Zum anderen aber möchte ich sagen, Herr Kollege Mommer: wir sind darüber erfreut, daß Sie trotz allem Skeptizismus die Plattform des Europarats immerhin für geeignet halten, eine Aussprache darüber zu führen. Der Europarat genießt ja sonst bei Ihnen keine große Sympathie; aber auf diesem Gebiet halten Sie ihn offenbar wenigstens für eine brauchbare Basis.
Was die Freifahrkarte betrifft, so habe ich keinen Zweifel daran, daß sämtliche Landtagsabgeordnete der Bayernpartei bereit wären, eine ihnen vom Bund spendierte Freifahrkarte zum Zwecke der Erweiterung ihrer Basis anzunehmen.
— Ich habe berechtigten Grund zu der Annahme, daß die Herren Abgeordneten der Bayernpartei im bayerischen Landtag noch einige andere Interessen als nur das hätten, den Deutschen Bundestag zu sehen.
Die praktischen Beispiele besprechen wir aber lieber in München, Kollege Besold.
Das Ersuchen des Kollegen Mommer an den Deutschen Bundestag, den Antrag der SPD anzunehmen, und der Antrag des Kollegen Dr. Decker beide Anträge dem Ausschuß zu überweisen, lassen
es als notwendig erscheinen, daß wir beide Anträge — allerdings im Hinblick auf die Ende des Monats stattfindende Europaratstagung mit möglichster Beschleunigung — einmal dem Ausschuß für Post-und Fernmeldewesen, zum andern dem Ausschuß für Verkehrswesen überweisen und daß wir sie zur Mitberatung auch dem Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten übergeben, was ich hiermit formell beantragen möchte.
Das Wort hat der Abgeordnete Kohl .
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, ,es sind nun so viele Worte gewechselt, daß wir ruhig zum Schluß kommen können. An und für sich ist es doch erfreulich, daß im ganzen Hause dem Gedanken, in der Verwirklichung der europäischen Idee einen Schritt weiterzugehen, Rechnung getragen worden ist. Es ist aber bedauerlich, daß wir Deutschen uns immer ein bißchen zerreden, wenn wir zu einer solchen Frage Stellung nehmen.
Wir sollten dem Postausschuß den Auftrag erteilen, möglichst rasch zu der Portofrage Stellung zu nehmen, und die andere Angelegenheit dem Verkehrsausschuß übergeben.
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
Gerade weil ich keine Weltreise umsonst machen will, komme ich hierher. Ich finde es außerordentlich überflüssig — und ich kann mich da der Argumentation des Kollegen Mommer weitestgehend anschließen —, daß wir eine solche Freifahrkarte für Europa beschließen.
Was nun den anderen Modus der Postgebühren anlangt, so ist dazu kurz folgendes zu sagen. Der Antrag der Bayernpartei ist recht allgemein gehalten, der Abänderungsantrag der Sozialdemokratie ist sehr spezifiziert. Wir alle können ihn durchlesen. In der Tendenz sind beide Anträge gleich. Ich glaube, wir kommen am weitesten, wenn wir den Abänderungsantrag der Sozialdemokratie annehmen. Die Regierung soll dann sehen, wie sie weiter prozediert. Den Antrag der Bayernpartei, den wir als auslösendes Moment ansehen und wofür wir der Bayernpartei selbstverständlich dankbar sein wollen, sollten wir als erledigt erklären.
Zum Schluß nochmals zu der Angelegenheit der Freifahrkarte. Ich finde es falsch, solche Dinge hier zu eruieren, die im Volke nur mißverstanden werden. Wenn wir als deutsche Abgeordnete in dem von uns zu betreuenden Rayon mit einer Freifahrkarte herumfahren können, ist das recht und schön; aber wer ins Ausland fahren möchte, soll seine Fahrkarte auch in Zukunft selbst bezahlen, und zwar sowohl der Deutsche als auch der Franzose.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich muß zunächst über die Anträge auf Überweisung an den zuständigen Fachausschuß abstimmen lassen, zunächst über 12 a) der Tagesordnung. Nicht nur der Antrag der Bayernpartei, sondern auch der Abänderungsantrag der SPD, Umdruck Nr. 361, sollen an den Post- und Fernmeldeausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten überwiesen werden. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Zu Punkt 12 b) — Antrag auf Drucksache Nr. 2706 — ist einmal Übergang zur Tagesordnung und zum andern Überweisung an den Ausschuß für Verkehr als den federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten beantragt worden. Über den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung muß ich zunächst abstimmen lassen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Es ist beschlossen, zur Tagesordnung überzugehen.
Punkt 13 der Tagesordnung ist erledigt.
Ich rufe Punkt 14 auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der Bayernpartei betreffend Gebietliche Verteilung des eingeführten Weizens .
Wer begründet den Antrag? Das- Wort hat Abgeordneter Lampl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß gestehen: ich habe Hemmungen, auch diesen Antrag noch zu begründen.
-- Ich danke sehr. Ich darf feststellen, daß ich in keinerlei Prioritätsrechte eingreifen möchte. Ich darf fernerhin feststellen — ich bitte zu gestatten, daß ich das vorausschicke —, daß ich mich in keiner Weise gescheiter als andere fühle. Wenn ich mir trotzdem erlaube, diesen Antrag zu begründen, so deshalb, weil sich bei der Verteilung des Auslandsweizens ganz zweifellos Unzuträglichkeiten ergeben haben. Besonders seit September dieses Jahres sind einzelne Teile des Bundesgebietes außerordentlich benachteiligt worden, übrigens trotz gegenteiliger Zusicherungen des Bundesernährungsministeriums. Diese Unzuträglichkeiten benachteiligen z. B. Bayern, sie treffen aber auch vermutlich andere binnenländische Gebiete, die außerhalb der Hauptverkehrsadern, außerhalb der Hauptwasserstraßen liegen.
Selbstverständlich darf die Verteilung von Importen nicht nur nach Verkehrsgesichtspunkten vorgenommen werden, wobei, nebenbei bemerkt, dieses Bild auch noch schief sein kann, denn wenn der Weizen nicht weiter läuft, etwa vom Rhein weg, dann sind es eben die Vermahlungsprodukte. Bei der Verteilung des Auslandsweizens sind vor allem wirtschaftliche Auswirkungen zu beachten. Zunächst gibt es verschiedene Qualitäten. Es kann natürlich keine Rede davon sein, daß unser inländischer Weizen etwa allgemein schlechter als der ausländische sein müßte. Wir sehen ja gerade beim Importweizen so ziemlich alle Übergänge vom Mahlweizen zum Futterweizen. Es ist auch zweifellos so, daß die meisten unserer Weizensorten sich in Kleberbeschaffenheit und Backfähigkeit durchaus mit den besten Auslandsweizen zu messen vermögen. Aber die inländische Ernte an Weizen ist in diesem Jahr feucht eingebracht worden. Wir
haben Feuchtigkeitsgrade bis 18 % und vielleicht noch darüber. Demgegenüber — und das ist hier der Vorteil — ist der Auslandsweizen besonders hart und trocken und weist zumeist nicht mehr als 12 % Wassergehalt auf, Unterschiede also, die klima- und naturbedingt sind. In einem anderen Jahr, das in der Wachstumszeit des Weizens trockener ist, wird es wieder besser sein.
Unter diesen Umständen geht es nicht an, den binnenländischen Mühlen der Hauptanbaugebiete die ganze einseitige Last dieses heurigen feuchten Weizens aufzubürden. Unter solchen Verhältnissen muß ein Ausgleich mit Hartweizen überall erfolgen, nicht etwa nur am Rhein. Dieser Ausgleich ist auch in finanzieller Hinsicht unbedingt notwendig. Selbstverständlich erlaubt harter, trockener Weizen eine größere Ausbeute. Er erlaubt auch die Herstellung hochwertiger Mahlerzeugnisse und er erlaubt schließlich auch ein bevorzugtes Absetzen dieser Erzeugnisse in Gebieten, die beinahe ausschließlich auf die Verwertung und Vermahlung der heurigen inländischen Weizenernte angewiesen sind.
Unter diesen Umständen stört die Verteilung des Importgetreides in der heutigen Form zweifellos die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Markt entscheidend, und zwar zuungunsten aller binnenländischen Verarbeitungsstellen. Was erreicht vierden muß und was dieser Antrag erreichen will, sind gleiche Startbedingungen für das Mühlengewerbe auch in geographisch ungünstiger Lage. Zur Zeit bedeutet die Zuweisung eines jeden Zentners Auslandsweizen zweifellos eine wirtschaftliche Bevorzugung. Dabei ist nicht zu verkennen, daß es sich um erhebliche Größenverhältnisse handelt, wenn man sich vorstellt, daß es ja 40 bis 50 % des gesamten Weizenbedarfs sind, die in Westdeutschland eingeführt werden müssen.
Der vorliegende Antrag bezweckt daher, die Verteilung des Auslandsweizens zukünftig unter Zugrundelegung der Bevölkerungszahl, unter Zugrundelegung weiterhin des Selbstversorgeranteils und schließlich auch des Verbrauchs je Kopf der Bevölkerung vorzunehmen. Es ist also notwendig, die Eigenernten aller Länder und den hereingekommenen Auslandsweizen als Einheit zu betrachten, wozu bemerkt werden darf, daß besonders bei dem jetzigen Zuteilungsverfahren die eigene Ernte in Bayern überschätzt worden ist, ganz abgesehen davon, daß aus den Hauptanbaugebieten nicht unerhebliche Getreidemengen in benachbarte Länder abfließen, eine Menge, die nicht festgestellt werden kann.
Wie die Dinge liegen, dürfte es nicht schwer sein, einen Schlüssel zu finden, um jedem Land einen bestimmten Prozentsatz an Einfuhrgut zuzuteilen. Was den von mir begründeten Antrag anbetrifft, so darf ich dem Hohen Hause vorschlagen, ihn an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen und darf vielleicht auch der Erwartung Ausdruck geben, daß dieser Ausschuß den Antrag entsprechend seiner Bedeutung in angemessener Zeit in Bearbeitung nehmen wird.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin ein alter parlamentarischer Hase.
Infolgedessen nehme ich zu diesen Dingen vorsichtig Stellung und freue mich auch, daß mein Herr Vorredner, der Abgeordnete Lampl, der auch einen zahmen Namen trägt, so vorsichtig vorgegangen ist.
Aber nachdem der Hase nun einmal ein so schönes zahmes Tier ist, werde ich mich nächstens in einen parlamentarischen Kater verwandeln und werde dann die weißen Mäuse selber auffressen.
Das vorausgeschickt, und damit sind wir wieder in Ordnung mit der heutigen Bemerkung. Es ist zwar geschäftsordnungsmäßig nicht ganz zulässig, Herr Präsident; aber ich habe es so untergebracht.
Mit Ihnen habe ich immer Nachsicht, Herr Kollege.
Aber jetzt ein paar Bemerkungen zu dem Antrag selber. Der Antrag ist schon vor einiger Zeit gekommen, und der Herr Kollege Lampl wird zugeben, daß unterdessen die Beratungen im Bundesernährungsministerium weitergegangen sind. Sie haben auch schon ein gewisses Ausmaß erreicht. Es ist hier unbedingt notwendig, daß zwischen den großen Mühlen in der Rheingegend und an den Wasserstraßen und den Binnenmühlen, ob große, kleine oder mittlere, ein bestimmter Ausgleich getroffen wird. Ich habe immer gewünscht, daß das in der Mühlenstelle endlich einmal zum Austrag gebracht wird. Wenn wir schon die Mühlenstelle geschaffen haben, dann ist es Aufgabe der Beteiligten selber, diese Fragen zu erledigen. Der Versorgungsplan für das neue Wirtschaftsjahr ist in weitem Umfange im Gange, und es ist auch den Gesichtspunkten der Bevölkerungszahl, der Selbstverbraucher Rechnung getragen worden. Über diese Dinge wird uns also im zuständigen Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der Vertreter der Bundesregierung genügend Auskunft geben können. Ich glaube, wir brauchen hier in eine weitere Erörterung der Einzelheiten nicht einzutreten. Ich habe nur den Wunsch, daß der Ausgleich zwischen Groß, Klein und Mittel, zwischen denen, die das qualitätsmäßig bessere Auslandsgetreide in frachtnaher Entfernung beziehen können, und denen, die weiter drin im Lande liegen, gerecht herbeigeführt wird.
Im einzelnen werden wir uns im Ausschuß darüber zu unterhalten haben. Deswegen bin ich auch dafür, daß wir uns beschleunigt im Ausschuß über die Frage unterhalten.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Dr. Sonnemann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Ausführungen von Herrn Abgeordneten Dr. Horlacher kann ich insofern beitreten, als nicht nur die Vorbereitungen für einen entsprechenden Versorgungsplan in unserem Hause getroffen worden sind, sondern diese Vorbereitungen sind in einer Sitzung am 6. dieses Monats abgeschlossen worden.
An dieser Sitzung hat ein Vertreter des Landes Bayern teilgenommen; er hat sich ausdrücklich für befriedigt erklärt.
Das ist auch weiter kein Wunder; denn wenn der Antrag u. a. damit begründet worden ist, daß ein neuer Ausgleichsschlüssel gefunden werden müsse, weil sonst die Gefahr bestünde, daß Weizen aus Bayern abflösse, so ist dem entgegenzuhalten, daß wir bisher aus Bayern — und zwar aus Bayern als dem einzigen Lande der Bundesrepublik — 12 000 t Weizen in die Vorratsstelle allein deswegen übernommen haben, weil die bayerischen Mühlen notorisch nicht mehr in der Lage waren, den Weizen zu lagern, da sie voll eingedeckt waren.
Ich glaube, daß sich der Antrag deswegen erübrigt, weil, wie gesagt, der neue Versorgungsplan am 6. November mit Zustimmung des Vertreters des Landes Bayern fertiggestellt worden ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Lampl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich bin vollkommen mißverstanden worden; zwar nicht vom Herrn Abgeordneten Dr. Horlacher, aber vom Herrn Staatssekretär Dr. Sonnemann. Ich habe in gar keiner Weise bezweifelt, daß wir eine eigene Ernte haben, sondern ich habe gefordert, daß wir durch die Zuteilung von möglichst größeren Mengen von Auslandsweizen zu unserer leider klimabedingt feucht hereingekommenen Ernte Aufmischungsmöglichkeiten bekommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
die Eigenerzeugung kann nicht in diesem Maße angerechnet werden, weil übrigens auch ein Teil dieser Erzeugung abfließt. Das war die Formulierung.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Es ist inzwischen beantragt worden, diesen Antrag an den Ernährungsausschuß zu überweisen, und ich will in diesem Stadium der Diskussion der Überweisung nicht widersprechen. Ich möchte nur nicht den Eindruck entstehen lassen, als ob der Ernährungsausschuß dem hier angesprochenen Problem keine Aufmerksamkeit geschenkt habe. Es ist dort schon vor vielen Wochen behandelt worden, und insofern ist der Antrag wahrlich überflüssig.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dr. Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte gehofft, daß dieser Antrag ohne eine Debatte an den Ausschuß gehen würde. Aber der Verlauf der Dinge zwingt mich doch, noch einige Bemerkungen zu machen. Der Herr Abgeordnete Lampl hat darauf hingewiesen, daß der bayerische Weizen in Kleber- und Backfähigkeit dem ausländischen fast gleich sei, und hat erklärt, daß die Dinge nur in diesem Jahre durch einen größeren Feuchtigkeitsgehalt schwieriger geworden sind. Ja, wenn das so ist und wenn man eine augenblickliche Hilfe will, dann verlangt man nicht eine Gesetzesvorlage, daß der ganze Verteilungsschlüssel geändert werde, sondern man beantragt eine Notstandsmaßnahme. Wenn man hier
aber einen anderen Schlüssel nach dem Grundsatz
Bevölkerungszahl, Selbstversorgungsmenge und
Verbrauch je Kopf verlangt, dann spricht das allen
wirtschaftlich vernünftigen Grundsätzen Hohn!
Dann muß man bei diesen Dingen auch die Produktion und die Ernte der Gebiete mit in Rechnung
setzen und muß verhüten, daß wir in der Zeit, in
der wir leben und in der wir bei Getreide sehr
sorgfältig arbeiten müssen, den Weizen durch
Deutschland nebeneinander vorbei spazierenfahren.
Ich kann mir nicht helfen: ich sehe diesen Antrag mehr oder weniger als einen reinen Agitationsantrag an.
Meine Damen und Herren, wenn man nach d e m Grundsatz unsere Wirtschaft betreiben will, dann wird man wahrscheinlich auch einmal mit dem Antrag kommen, daß die deutsche Hochseefischerei nach Bayern entsprechend der Kopfzahl verteilt wird, vielleicht auch der Weinbau an Mosel und Rhein.
— So weit kommt es noch! Und dann bringen wir die Dinge in Ordnung?
Ich bin durchaus dafür, daß dieser Antrag an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten geht. Er wird aber nach meiner persönlichen Überzeugung dort eine Zustimmung nicht finden.
Das Wort hat der Abgeordnete Margulies.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den letzten Ausführungen des Kollegen von der Bayernpartei entnehme ich, daß er sich die Argumentation des Verbandes bayerischer Handelsmühlen zu eigen macht, der j a seit Jahr und Tag in einem harten Kampfe mit dem Verband süddeutscher Mühlen, Sitz Mannheim, liegt. Die Entdeckung, daß das Auslandsgetreide ungerecht verteilt wird, hängt sehr stark damit zusammen, daß zeitweise nach Beginn der neuen Ernte das Inlandsgetreide, über dessen Wassergehalt usw. der Herr Kollege uns bereits unterrichtet hat, teurer war als der eingeführte Auslandsweizen.
— Nein, nicht deswegen. Aber nachdem das inzwischen durch Erhöhung des Abgabepreises der Einfuhr- und Vorratsstelle für das eingeführte Auslandsgetreide geändert worden ist, möchte ich annehmen, daß der Antrag als solcher schon hinter den Dingen herhinkt. Ich bin der Ansicht, daß wir unter allen Umständen die Beratung im Ernährungsausschuß sehr sorgfältig vornehmen sollten und uns bei der Gelegenheit vielleicht auch überlegen müßten, ob es jetzt nicht allmählich an der Zeit ist, das eingeführte Auslandsgetreide zum cif-Preis abzugeben, um damit die Preisgerechtigkeit wiederherzustellen.
Weitere Wortmeldungen scheinen nicht vorzuliegen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist der Antrag gestellt worden, den Antrag an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen.
Wer für die Überweisung dieses Antrages an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Letzteres ist die Mehrheit.
Nun muß ich über den Antrag selbst abstimmen lassen.
— Nein, es ist der Antrag gestellt, ihn anzunehmen; also muß ich darüber abstimmen lassen.
Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte
ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Letzteres war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich habe bekanntzugeben, daß das Mitglied des USA-Kongresses Armstrong gern eine Ansprache an interessierte Abgeordnete des Hauses halten möchte, und zwar um 20 Uhr drüben im Ruheraum. Die Kolleginnen und Kollegen, die sich diese Ansprache anhören wollen, sind eingeladen, sich dort einzufinden.
Dann rufe ich auf Punkt 15 der Tagesordnung: Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse .
Die Liste soll durch einen Antrag der kommunistischen Fraktion auf Drucksache Nr. 2809 betreffend Freigabe von Lebensmitteln ergänzt werden.
— Ich stelle fest, daß das Haus damit einverstanden ist, daß die Liste ergänzt wird.
Wer für die Überweisung der auf Umdruck Nr. 355 verzeichneten Anträge an die zuständigen Ausschüsse unid für Überweisung des Antrags Nr. 2809 der Drucksachen an den Ausschuß für Wirtschaft ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Gegenprobe! — Angenommen.
Nun rufe ich auf Punkt 3 der Tagesordnung, der zurückgestellt worden war:
Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Staatsvertrag der Länder Baden, Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern über den Südwestfunk .
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Jacobs. — Der Ältestenrat schlägt für die Begründung 20 Minuten und für die allgemeine Aussprache 90 Minuten vor.
Der Abgeordnete Jacobs hat gebeten, falls er seine Redezeit für die Begründung überschreiten sollte, dies auf die Redezeit der Fraktion für die Aussprache anzurechnen. Wenn wir dem zustimmen, folgen wir einer Übung des Hauses. — Bitte, Herr Abgeordneter!
Jacobs , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So wichtig und notwendig es gewesen wäre, wenn der Herr Bundesinnenminister, der den Wunsch hatte, an dieser Debatte teilzunehmen, dazu auch Gelegenheit bekommen hätte — nicht nur, weil dann die Minister-hank nicht mehr so ausgesprochen leer wäre, sondern auch, weil uns die Hoffnung bewegt, daß sein Dabeisein uns vielleicht hätte Veranlassung geben können, zu glauben, in ihm in diesem Fall einen sattelgerechten Reiter auf dem parlamentarischen Gaul zu wissen —, so ist anderseits die Angelegenheit — auch in ihrer zeitlichen Behandlung — zu ernst, als daß eine weitere Hinausschiebung am Platze wäre. Interpellationen werden in der Regel von den zuständigen Parlamenten und den Regierungen, an die sie gerichtet sind, weniger nach dem beurteilt, was sie beinhalten, sondern mehr nach ihrer politischen Herkunft und dem quantitativen Gehalt der Interpellanten.
Weil der sozialdemokratischen Fraktion als der Interpellantin des hier mit zur Debatte gestellten Fragenkomplexes sehr daran gelegen war und noch ist, das von mir zu begründende Anliegen möglichst zu einem solchen des gesamten Hauses werden zu lassen, hatten sich ihre für diese Frage zuständigen Mitglieder an die sachverständigen Mitglieder anderer demokratischer Fraktionen dieses Hohen Hauses gewandt, um durch das, was man eine interfraktionelle Demarche zu nennen pflegt, dieser von vornherein wenigstens den parlamentarischen Initiativerfolg zu sichern. Aus mir im einzelnen nicht bekannten Gründen ist daraus nichts geworden. Das bedauern wir sehr. Trotzdem hegen wir die Hoffnung, daß im Hinblick auf die ebenso sachliche wie temperamentvolle, ja zum Teil sogar leidenschaftliche Anteilnahme und Reaktion, die dieser Staatsvertrag der Länder Baden, Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern über den Südwestfunk in der Repräsentanz der öffentlichen Meinung gefunden hat, Ihnen allen, meine Damen und Herren, Veranlassung gegeben ist, Versäumtes in der Sache dadurch nachzuholen, daß sie erstens mir zuhören, womit Sie ja gleichzeitig einer sonn- i täglichen Empfehlung des Herrn Präsidenten dieses Hohen Hauses entsprechen würden,
und zum andern Ihre Bereitschaft zu erkennen geben, im Anschluß an meine Begründung in eine sachliche Diskussion über den ganzen Fragenkomplex einzutreten.
Wenn meine Fraktion sich erst vor Monatsfrist zur Einbringung dieser Interpellation entschlossen hat — ohne dann auf die sofortige Behandlung zu drängen —, geschah dies, weil sie bis dato die Hoffnung nicht aufgegeben hatte, es möge den Vertragskontrahenten noch die Einsicht kommen, daß das, was ihre Referenten erzeugt haben, doch eine greuliche, wasserköpfige Mißgeburt ist, bei der selbst die wohlmeinendste Nachbarin damit rechnen müßte, der Geschmacklosigkeit bezichtigt zu werden, wenn sie mit dem Hinweis zu trösten versuchte: „Er steht ihm aber jut!"
Ich meine das selbstverständlich nur bildlich. Oder anders ausgedrückt: Mit dieser — gelinde gesagt — Fleißarbeit demokratischer Konvertiten sollten sich die in Frage kommenden Länderregierungen und die zuständigen Parlamente besser nicht identifizieren. Zur Ehre und zum Ruhm der Landtage von Baden und Württemberg-Hohenzollern sei gesagt, daß sie sich bis heute auch noch nicht zu Vätern dieser Mißgeburt bekannt haben.
— Es bestand Gelegenheit, sich dazu zu bekennen. — Übereifer ist, besonders in der Politik,
sicherlich kein Gradmesser für Qualität, und, um
ein Wort eines Rezensenten des neuesten Buches von Arthur Koestler zu gebrauchen:
Kreuzfahrer der Politik — auch wenn sie vorgeben, es im Namen der Demokratie zu tun — sind mit und ohne Haken immer ein Kreuz für ihre Völker. Man kann sie gut entbehren.
Nichts wäre der Sache weniger dienlich, als jetzt noch aus einem falsch verstandenen Prestigebedürfnis heraus an dem Übernommenen und ursprünglich Gewollten festzuhalten. Ich darf mir in diesem Zusammenhang den geziemenden oder — ich überlasse es Ihrer Beurteilung — nicht geziemenden Hinweis erlauben, daß es ja auch in der Vergangenheit nicht wenige bedeutende polilitische Männer gegeben hat — ich denke da an Talleyrand und einige andere historische Standardfiguren —, die oftmals Einsicht durch Umkehr bewiesen haben, was sie in unserem Erinnerungsbild nicht geringer erscheinen läßt.
Es bestand also hinreichend Möglichkeit, zu dieser Einsicht zu gelangen, da kaum Gelegenheit gegeben war, sich nicht vom anhaltenden Protest der öffentlichen Meinung zu überzeugen, selbst nicht in den hartnäckigen und wohl nur seltenen Fällen ministerieller Ungeneigtheit, überhaupt um die Meinung der Gazetten wissen zu wollen. Dafür war der Bogen zu weit gespannt, und in seltener Einmütigkeit erwies sich die Einheitsfront des politischen Journalismus gegen dieses Vertragswerk, eine Front, die noch über den alphabetischen Telephonjargon von Aristoteles über Xanthippe hinaus in diesem Falle von Adenauer bis zum Z.K. reicht.
Das, was in dem durch unsere Interpellation beanstandeten Vertragswerk enthalten ist — sowohl im Hinblick auf das Staatsrechtliche als auch auf den materiellen Inhalt der Bestimmungen —, schafft Fakten von wesentlicher politischer Bedeutung. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß dieses Vertragswerk noch nicht zum Zuge gekommen ist, weil das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in der Frage der staatlichen Neuordnung des Südwestraumes aufschiebende Wirkung gehabt hat. Weil dem so ist und weil wir unsere Interpellation in der Sache nach wie vor als gerechtfertigt erachten, legen wir Wert darauf, in diesem speziellen Fall das Wort „Interpellation" im Sinne der Ursprünglichkeit seiner Bedeutung aufgefaßt zu sehen, d. h. also mit dem Ziel der vorläufigen Aufhebung der Maßnahmen und der Ersetzung des Staatsvertrags in der uns nach Form und Inhalt einzig möglich erscheinenden Weise.
Der Staatsvertrag scheint uns nach zwei Richtungen Fragen aufzuwerfen, an deren Behandlung ein außerordentliches Interesse vorliegen muß, wollen wir nicht Gefahr laufen, uns ohne zwingenden Grund der rechtlichen Basis zu begeben, die unsere Zuständigkeit begründet. Wie schon aus dem Text der Interpellation ersichtlich, handelt es sich einmal um das Verhältnis des Bundes zu den Ländern. Im Weiteren geht es um die Frage, in welchem Umfang sich dieser Staatsvertrag über den Südwestfunk im Widerspruch zu den im Grundgesetz garantierten Grundfreiheiten befindet.
Erstens: Der Staatsvertrag greift in die dem Bund gemäß Art. 73 Ziffer 7 des Grundgesetzes zustehenden Rechte ein und schmälert für die Zukunft die Rechtsposition des Bundes im Verhältnis zu den Ländern.
Zweitens: Der Staatsvertrag verletzt trotz der in der gemeinsamen Erklärung der drei Ministerpräsidenten versuchten Abschwächung das dem Südwestfunk bisher ebenso wie allen andern westdeutschen Rundfunkanstalten zugestandene Recht der freien Meinungsäußerung, verletzt damit Art. 5 des Bonner Grundgesetzes und die in der praktischen Handhabung des Rechtes der Rundfunkanstalten bisher gegebene Lage.
Drittens: Der Staatsvertrag ist kein geeignetes Mittel, zur Aufhebung des Besatzungsrechtes — ich möchte einschränkend sagen: des Besatzungsrechtes hinsichtlich des Rundfunks — beizutragen, sondern bringt im Gegenteil die Gefahr mit sich, daß durch die Vorgänge, die sich anläßlich seines Abschlusses ereignet haben, Veranlassung für die Verlängerung des Besatzungsrechts und Mißtrauen in unsere Fähigkeit, föderalistische Vorbehalte mit demokratischen Grundsätzen in Einklang zu bringen, entstehen können.
In geradezu souveräner Mißachtung nun einmal bestehender Zuständigkeiten des Bundes sind diese übergangen worden. Der § 23 des Vertrages und das, was er materiell beinhaltet, ist eine durch nichts zu rechtfertigende Kompetenzüberschreitung der vertragschließenden Länder gegenüber dem Bund. Nach dem genannten Paragraphen beispielsweise ist das Vermögen des Südwestfunks reines Ländervermögen, an dem der Bund keinerlei Anteil hat. Ich weiß, daß gegen diese Behauptung der Einwand kommen wird, daß es sich keinesfalls um eine Präjudizierung der Vermögensverhältnisse aus früherer Zeit handeln soll, sondern mit dieser Bestimmung lediglich die Quasi-Konfiskation des Vermögens, das nachträglich, nach Bildung der Länder, erworben ist, zum Ausdruck kommen soll. Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie und unter welchen Umständen eine solche Inventur zu klaren und zu rechtfertigenden Ergebnissen kommen könnte.
Vor dem Eingreifen der Besatzungsmächte war das Rundfunkvermögen Reichsvermögen, und während der Besatzungsdauer sind außer den Vermögensstücken, die der Funk von Post und Reichsrundfunkgesellschaft übernommen hat, die laufenden Einnahmen aus den Zahlungen der Bundespost durch Abführung der Hörergebühren geleistet worden.
Auch wenn ich darauf verzichten muß, weitere Einzelheiten des Vertrages zum Nachweis effektiver Kompetenzüberschreitungen heranzuziehen, ergibt sich die Rechtsunwirksamkeit des Staatsvertrages schon dadurch, daß der Bund gemäß Art. 73 Ziffer 7 mit Art. 93 des Grundgesetzes gegebenenfalls sein Mitbestimmungsrecht im Wege der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht geltend zu machen hätte.
Außer auf die Debatte im Parlamentarischen Rat über diese und ähnliche Artikel des Grundgesetzes, die der Hauptausschuß in seiner Sitzung vom 5. Januar 1949 eingehend beraten hatte, wobei sich die Beratung mit dem die ausschließliche Gesetzgebung des Bundes regelnden Artikel befaßte, kann ich mich in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen von v. Mangoldt in seinem Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Anmerkung zu Art. 73 Ziffer 7 am Ende, berufen.
In der Bestimmung des § 23 liegt eine Disposition der Länder über Mittel, an denen der Bund interessiert sein muß, mindestens beteiligt zu sein.
Als dem Rundfunkrat des Südwestfunks der Text des Staatsvertrags bekannt wurde, in dem kein Wort vom Bund stand, hat er innerhalb der
Grenzen seiner Befugnisse auf diesen unmöglichen Zustand hingewiesen — was immerhin kennzeichnend ist im Hinblick auf die Animosität der Regierungsstellen gegen die Funktionsfähigkeit der Einrichtungen, genannt Rundfunk- und Verwaltungsrat — und die Regierungen gebeten, wenigstens in einigen besonders krassen Punkten den Staatsvertrag abzuändern und die Bundesregierung mit den Länderregierungen wenigstens insofern auf eine Stufe zu stellen, als auch die Bundesregierung für ihre wichtigen Mitteilungen ebenso Sendezeiten beanspruchen dürfe wie die vertragschließenden Länder.
Dann wurde auf die rechtlichen Bedenken aufmerksam gemacht, wonach im Falle der Auflösung des Südwestfunks durch die vorgesehene relativ kurzfristige Kündigungszeit des Vertrages das ganze Vermögen nur auf die Länder übergehen soll. Das Vermögen des Südwestfunks stammt aber aus den Werten, die kraft der Ordonnance 188 als der bisherigen Rechtsgrundlage aus Post-, also früherem Reichseigentum auf den Südwestfunk übergegangen sind, und aus den Hörergebühren, die auf Grund der Sende- und Empfangshoheit, die auch nicht den Ländern zusteht, von der Post eingezogen und bis auf den 20 %igen Postanteil an den Südwestfunk abgeführt worden sind.
Es wäre ungerecht, meine Damen und Herren, nicht zu sagen, daß der Bund doch auch in diesem Vertragswerk in einem gewissen Zusammenhang erwähnt ist. Es ist sogar besonders interessant für Sie, zu erfahren, in welchem Zusammenhang in diesem Vertrag der Bund erwähnt ist. Ich meine damit die Ziffer 8 der gemeinsamen Erklärung der Länderregierungen über ihre Bereitschaft, beim Bund für eine Befreiung von Umsatzsteuer und für eine günstige Regelung für den Südwestfunk bei der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer eintreten zu wollen. Obwohl im Interesse einer nicht gering zu erachtenden auch zukünftigen Qualitätssteigerung der Rundfunkdarbietungen gewiß nichts gegen die Absicht einzuwenden ist, für eine Befreiung des Rundfunks von ihn sonst hemmenden und belastenden Steuern einzutreten, ist es doch sehr bemerkenswert, daß diese Generosität wohl nur deshalb zu finden ist, weil sie ausschließlich zu Lasten des Bundes ginge, da hinsichtlich der Steuern, die auch in diesem Falle die Länder für sich einziehen, gar nicht von dieser Art von Befreiung die Rede ist. Ich finde, meine Damen und Herren: Großzügigkeit mit den Geldern anderer Leute mindert den Wert solcher Absichten und setzt doch wohl auch den Willen voraus, fremder Leute Finger im eigenen Portefeuille wühlen zu lassen.
Als die Länderregierungen sahen, daß die gesamte öffentliche Meinung bis — und das ist durchaus verständlich! — auf die von der rheinisch-pfälzischen Regierung herausgegebene „Staatszeitung" gegen den Staatsvertrag Stellung nahm und etwas zu ihrer Beruhigung geschehen mußte, haben sie eine gemeinsame Erklärung zunächst telefonisch unterzeichnet, weil die Sache ja so furchtbar eilig war,
eine Erklärung, in der mit vielen Worten wenig gesagt war und nichts, was die gefährlichen Bestimmungen des Staatsvertrages abgeändert hätte. — Ja, ich habe den Eindruck, als ob die Länder manchen Organisationen hierin voraus sind
und bei solchen Dingen auch schon das Telefon als Ersatz benutzen können.
Aber auch in diesem Chaos von Nuancierungen, genannt gemeinsame Erklärung, ist wiederum der Bund völlig übergangen, damit der Griff auf das Vermögen der Anstalt, das bisher nicht Ländervermögen war, beschränkt und dem Bund nicht einmal das bescheidene Recht der Einräumung von Sendezeiten für wichtige Mitteilungen zugestanden worden.
Wir werden uns im Verlauf der Debatte wie anschließend in den zuständigen Ausschüssen sicherlich noch mit diesem ganzen Fragenkomplex beschäftigen müssen, da die Frage, was Bundessache und was Ländersache ist, noch keinesfalls ausdiskutiert ist.
Es ist sicherlich kein Zweifel an der Annahme erlaubt, daß sich die vertragschließenden Länder bei der Abfassung dieses monströsen Vertragswerks etwas gedacht haben. Ganz gewiß hatten sie dabei ein bestimmtes Ziel im Auge, und zwar in der Sache sehr massiv, obzwar sonst geradezu diabolische Bemühungen erkennbar sind, mit Rücksicht auf die Wirkung in der Öffentlichkeit es dieser möglichst zu verschweigen.
Ich weiß nicht, ob dieser Staatsvertrag bei dem kürzlich kreierten Karnevalsschlager: „Man kann auch alles übertreiben!" Pate gestanden hat. Aber im wohlverstandenen Interesse der beteiligten Länder darf daran erinnert werden, daß, wenn auch der Appetit beim Essen zu kommen pflegt, es auch dem Gourmand schlecht bekommt, wenn er mehr ißt, als er zu verdauen in der Lage ist.
Sehen Sie sich einmal dieses Vertragswerk und die — hier muß man schon sagen — Verspeisungsfolge an. Die bisherige Organisation des Südwestfunks sah, wie bei den übrigen westdeutschen Rundfunkanstalten, vor, daß der Intendant die Anstalt öffentlichen Rechts leitete, daß er aber seinen Etat von dem Rundfunkrat vorgeschlagen bekam, daß ein Verwaltungsrat gebildet wurde, der die Verwaltung, die technische Geschäftsführung dauernd überwachte, und daß vom Rundfunkrat ein Programmausschuß gewählt wurde, der den Intendanten in der Programmgestaltung beriet. Die Prüfung der Jahresrechnung erfolgte durch den Verwaltungsrat nach Einholung eines Prüfungsberichts von einem vom Lande Rheinland-Pfalz ernannten Sachverständigen. Die Genehmigung der Jahresrechnung und Erteilung der Entlastung war wiederum eine Sache des Rundfunkrats. Im Rundfunkrat saß natürlich auch ein Vertreter einer jeden der drei Regierungen. Im übrigen wurden die Rundfunkratsmitglieder von den Institutionen des öffentlichen Lebens gewählt, denen man ein besonderes Interesse für den Rundfunk zutraute. Der Rundfunkrat selber wählte seinerseits wiederum den Verwaltungsrat.
Der Staatsvertrag hat nun keinesfalls seine Absicht, den Funk zu säkularisieren, aufgegeben, sondern — und dies ist, glaube ich, noch ein besonderer Vorwurf gegen ihn — er sucht sein Ziel durch ein sorgfältig ausgeklügeltes Netz von Paragraphen zu erreichen, das der geschickte Fischer dann im gegebenen Moment zusammenziehen kann. Während der Verwaltungsrat bisher nur ein kaufmännischtechnisches Kontrollorgan war und es seinem Wesen gemäß auch nur sein kann, das mit der Programmgestaltung außer hinsichtlich der Kosten nichts zu tun hatte, wird ihm nach diesem Staatsvertrag die entscheidende Machtstellung einge-
Jacobs)
räumt; denn der Intendant wird an seine Beschlüsse auch hinsichtlich des Programms gebunden.
Trotz dieser Vermehrung der Aufgaben des Verwaltungsrats wird dieser von 11 bzw. 12 Mitgliedern auf 9 Mitglieder verkleinert, und — merken Sie die Absicht — von diesen 9 Mitgliedern werden nicht wie bisher alle vom Rundfunkrat gewählt, sondern nur 6, während 3 von den Regierungen ernannt werden. Die 6 vom Rundfunkrat gewählten Mitglieder sind persönliche Mitglieder und daher unvertretbar. Für den Fall ihres Unvermögens, an einer Sitzung teilzunehmen, fällt ihre Stimme aus. Die 3 Regierungsvertreter sind aber ersetzbar. Sie erscheinen also in jeder Sitzung, einmal als Minister, einmal als Oberregierungsrat und einmal als Ministerialrat.
Die Regierungen erhalten also durch diese an ihre Weisungen gebundenen und zum Bericht verpflichteten Beamten einen Einblick in jeden geschäftlichen Vorgang der Anstalt. Sie können aber ihren Einfluß nicht nur durch einen auswechselbaren Vertreter im Verwaltungsrat geltend machen, sondern sie haben sogar ein Recht der Beanstandung des Haushalts, den bisher der Rundfunkrat in letzter Instanz beschlossen hat. Darüber hinaus haben sie ein Kündigungsrecht, erstmalig zum 1. April 1954, dann jedes Jahr, so daß jede Forderung der Regierung nicht nur an der Beanstandung des Haushalts, sondern auch in der Kündigung des Vertrags überhaupt eine von keinem Intendanten übersehbare Unterstützung findet. Wenn die Regierungen nicht wollen, kommt nämlich überhaupt kein Etat zustande, ganz abgesehen davon, daß es für eine Rundfunkanstalt völlig unmöglich ist, langfristig zu planen, wenn das Damoklesschwert der Kündigung dauernd über ihrem Haupt schwebt. Diese Kündigungsmöglichkeit ist widersinnig, oder sie hat vielmehr nur dann einen Sinn, und zwar einen sehr schlauen Sinn, möchte ich sagen, wenn sie beim ersten Termin ausgenutzt wird, um damit das aus Nicht-Ländervermögen bestehende Anstaltseigentum in das Ländervermögen zu überführen und dann eine Anstalt nach eigenem Gutdünken aufzubauen, in deren Statuten die Abhängigkeit von der Länderregierung nicht mehr schamhaft verschwiegen zu werden braucht.
Sie sehen also, daß überkompensierte Minderwertigkeitskomplexe nicht auf von Statur kleine Menschen beschränkt bleiben, sondern anscheinend ihren Niederschlag auch in kleinen Staatsgebilden finden. Dieser Staatsvertrag ist eine Politik mit Pauken und Trompeten, allerdings ausgeführt in der Disharmonie der Töne einer Duodezkapelle. Andererseits: wieviel beklagenswerter Mangel an Vertrauen in das Funktionieren anderer demokratischer Einrichtungen, die sich in der Zwischenzeit in unserem Volke gebildet haben, als der Parlamente und Regierungen! Wie soll das, was man unter Demokratie doch nur verstehen kann, in unserem Volk zum Tragen kommen, wenn man von vornherein die demokratische Honorigkeit von Einrichtungen wie Rundfunk- und Verwaltungsrat in Zweifel zieht? Bei so viel Eigensüchtigkeit und angemaßter Unfehlbarkeit ist doch mit Recht die Frage nach der Unterscheidung eines demokratischen Staatssystems von einem anderen erlaubt.
Angesichts dieses Tatbestandes dürfen Sie es mir nicht verübeln, wenn ich — wie Bernhard Shaw in seinem „Kaiser von Amerika" — frage: „Warum soll ein guter König nicht besser als ein schlechter Minister sein?" Ich will hier keine Debatte über die Monarchie führen, ich denke nicht daran; denn sie wäre in unserer Situation ein Streit um des Kaisers Bart. Aber wann begreifen endlich gewisse Leute, nachdem die hellhörige Presse und andere interessierte Organisationen, die Parteien, einschließlich der Millionenorganisation der Gewerkschaften, es längst gemerkt haben, daß mit der unbotmäßigen — —
— Mindestens so wichtig wie eine Ärztekammer, wenigstens was die Menge anbelangt, Herr Kollege Dr. Hammer! — Ich sage, ich lege Wert auf die Betonung der Worte „unbotmäßige Bevormundung". Wann begreifen diese Leute, daß durch solche Methoden der sowieso schon stark strapazierte demokratische Gaul eines Tages zu Tode geritten sein wird? Eine Rundfunkanstalt ist nicht schon deshalb undemokratisch und staatsgefährlich, weil sie sich nicht mit allen Maßnahmen oder Unterlassungen der jeweiligen Regierung solidarisch erklärt. Kluge Leute sollten aber auch wissen, daß bei aller Anerkennung des Bedürfnisses, im Rundfunk um eine Politik im Interesse des Staates zu wissen, das beim Hörer um so eher ankommt, je weniger der Rundfunk gegängelt wird. Wer Ohren hat zu hören, wird immer wieder die Bestätigung dafür bekommen, daß eine in eigener Zuständigkeit und Freiwilligkeit zustande gekommene politische Sendung eines Rundfunks, die naturgemäß nicht antidemokratischen Charakters sein darf, beim Hörer auf viel besseren und fruchtbareren Boden fällt, als es durch sogenannte amtliche Verlautbarungen möglich wäre. Oder etwa, auf die Presse angewandt, da sie ihrem Wesen gemäß vom Rundfunk gar nicht getrennt werden kann: sie wurde deshalb auch bei der Erörterung des Staatsvertrages mit Recht hellhörig, weil sie gewisse Befürchtungen hinsichtlich der damit präjudizierten Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit der Presse hatte. Ein durchaus objektiver, mit ein bißchen Wohlwollen gewürzter Artikel — um nur einen Namen zu nennen — von Walter Henkels dient doch dem Verständnis der parlamentarischen Einrichtungen und ihrer Reputation bei der Bevölkerung weit mehr, als es durch alle anderen Arten, insbesondere durch eine Art, die ein Staatsrundfunk vermitteln könnte, der Fall ist.
Worauf es, meine Damen und Herren, ankommen muß, das ist, mit bemüht zu bleiben, daß in unseren Rundfunkanstalten immer — mindestens an der entscheidenden Stelle — Demokraten tätig sind. Und wer um die leitenden Männer in den westdeutschen Rundfunkanstalten weiß — das gilt in besonderem Ausmaß für den Südwestfunk —, der weiß, daß nach dieser Richtung auf sie manchmal viel mehr Verlaß ist als auf so manche Ministerialbeamten, die bei ihren gelegentlichen Zusammenkünften im quasi Bonner nationalbolschewistischen Hauptquartier aus ihrer antidemokratischen Gesinnung durchaus kein Hehl machen.
Gewiß — um am Schluß noch auf ein weiteres Argument einzugehen —, unser aus vielen Gründen berechtigtes Bedürfnis, an Stelle von Besatzungsrecht deutsches Recht zu setzen, kann und darf keinesfalls zur Folge haben, aus alliierter Vormundschaft nur deshalb entlassen zu werden, um, ledig dieser Bevormundung, gewisse beklagenswerte Zustände der Vergangenheit wieder fröhliche Urständ feiern zu lassen.
Gönnen Sie mir, meine Damen und Herren, den Erfolg, nicht auf taube Ohren gestoßen zu sein, auch wenn Sie der Meinung sind, daß ich persönlich
es nicht verdient habe; aber die Sache ist es, die es
verdient, und sie allein sollte beredter Anwalt sein.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine dringende Verpflichtung nach außerhalb, die mich den ganzen Tag in Anspruch nahm, hat mir erst im letzten Augenblick gestattet, hier vor dem Hohen Hause zu erscheinen. Die Fraktion der SPD hat in ihrer Interpellation, die Ihnen in der Drucksache Nr. 2692 vorliegt, die Auffassung vertreten, daß der Staatsvertrag über den Südwestfunk in bedenklicher Weise das Bundesrundfunkgesetz präjudiziere, das in meinem Hause in der Vorbereitung begriffen ist. Sie hat deshalb die Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, was diese zu tun gedenkt, um das Inkrafttreten des Staatsvertrages zu verhindern.
Im Namen der Bundesregierung erwidere ich folgendes. Die Bundesregierung hatte in dieser Angelegenheit aus gleicher Besorgnis Fühlung mit den drei beteiligten Landesregierungen genommen. Diese Verhandlungen schweben noch und sind nicht abgeschlossen. Gerade beim Betreten des Hohen Hauses habe ich eben noch einen Schriftsatz der drei Herren Ministerpräsidenten vom 14. dieses Monats bekommen, den ich mit meinen Sachbearbeitern noch einmal durchprüfen muß. Er ist sehr aufschlußreich, und deshalb trage ich Ihnen jetzt das Wesentliche dieses Schriftsatzes vor.
Die drei beteiligten Landesregierungen haben durch ihre Regierungschefs in diesem Schreiben vom 14. November 1951 an den Herrn Bundeskanzler die Erklärung abgegeben, daß nach ihrer Auffassung die folgenden Aufgaben in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes gehören — ich erinnere an den Art. 73 Ziffer 7 des Grundgesetzes —.
Erstens die Fragen des Trägers der Funkhoheit, die Fragen der Verleihung des Funkhoheitsrechts
und der Sender- und Hörerlizenzgebühren. Das ist der erste Punkt, in dem die drei Herren Ministerpräsidenten ihre Übereinstimmung mit uns dokumentieren.
Zweitens, sie anerkennen, daß die Verteilung und Überwachung des Wellenplans wiederum nach Art. 73 Ziffer 7 des Grundgesetzes in die ausschließliche Kompetenz des Bundes fällt.
Drittens, sie anerkennen, daß die Aufstellung technischer Vorschriften zur Funkwellenkontrolle in die ausschließliche Kompetenz des Bundes fällt.
Viertens, sie anerkennen, daß die Sicherung des Funkgeheimnisses Angelegenheit der Bundesgesetzgebung ist.
Fünftens, sie anerkennen, daß der Entstörungsdienst in unsere Kompetenz fällt.
Sechstens, sie anerkennen, daß die Bekämpfung der Schwarzhörer in unsere Kompetenz fällt, und schließlich anerkennen sie das Verbot der Verbreitung unbefugt aufgefangener Nachrichten.
Das genannte Schreiben fährt folgendermaßen fort:
Die Punkte 1 und 2
— die ich eben vortrug — umfassen selbstverständlich auch das Recht des I Bundes, in seiner Gesetzgebung Vorschriften über den Sendebereich zu treffen, der den einzelnen von ihm zugelassenen Sendern zugewiesen ist. Wenn demgegenüber im Vertrag
— es handelt sich um die §§ 3 und 4 des Vertrags — Bestimmungen aufgenommen worden sind, welche den Sendebereich und die technischen Aufgaben des Südwestfunks betreffen, so füllen diese
— nach Meinung der drei Herren Ministerpräsidenten —
ein jedenfalls zur Zeit bestehendes Vakuum aus.
Es müsse abgewartet werden, ob diese später durch Bundesgesetz abgelöst würden. — Soweit das eben eingegangene Schreiben.
Diese bemerkenswerten Erklärungen der Herren Ministerpräsidenten beziehen sich also auf den sendetechnischen Bereich des Rundfunks, d. h. auf die gesamte Sendeordnung und auf die künftige zweckmäßige Verteilung der Sender im Bundesgebiet. Aber sie beziehen sich nicht auf den sogenannten kulturellen Bereich des Rundfunks. Hierunter verstehen die Herren Ministerpräsidenten der drei Länder die Organisation der einzelnen das Programm herstellend en Rundfunkanstalt. In diesem Bereich wird dem Bund keinerlei Gesetzgebungsbefugnis zuerkannt.
Ich habe schon betont, daß ich dieses Schreiben erst bei Betreten des Hauses bekam und mir noch eine Prüfung vorbehalten muß. Sie werden Verständnis dafür haben, daß die Situation angesichts der schwierigen Rechtslage und der Schwierigkeit der tatsächlichen Verhältnisse sehr sorgfältig geprüft werden muß.
Die Bundesregierung ist bei den Vorverhandlungen auch bestrebt gewesen, den Entwurf des Bundesrundfunkgesetzes in aufrichtiger Zusammenarbeit mit den Ländern zu entwerfen und ihn auf sie abzustimmen. Andererseits aber wird die Bundesregierung in den Verhandlungen mit den Ländern die dem Bund nach Art. 73 Ziffer 7 des Grundgesetzes zukommenden Gesetzgebungskompetenzen wahren. Dabei wird zur Aufklärung noch festzustellen sein, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Bundesrundfunkgesetz die Regelung innerorganisatorischer Angelegenheiten der Rundfunkanstalt auf die Länder überträgt.
Diese Frage ist heute offen.
Die Bundesregierung hat in ihren bisherigen Verhandlungen mit Rheinland-Pfalz, mit Baden und mit Württemberg-Hohenzollern auch die Frage angeschnitten, ob sich einige Bestimmungen des Staatsvertrages über den Südwestfunk mit der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes genannten Freiheit der Berichterstattung im Rundfunk vereinbaren lassen. Der Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz hat mir hierzu ein 25 Seiten langes Rechtsgutachten seines Justizministeriums übermittelt, in dem sein Ministerium und er selbst diese Frage bejahen. Aber auch dieses Gutachten, das ebenfalls erst vor wenigen Tagen in meine Hand gelangt ist, muß noch eingehend geprüft werden.
Die Bundesregierung wird den Bundestag unterrichten, sobald die erwähnten Verhandlungen mit den drei Ländern abgeschlossen sind. In diese Verhandlungen wird der Inhalt des in meinem Hause in Ausarbeitung begriffenen Bundesrundfunkgesetzes bereits hineinspielen. Die Unterrichtung des Bundestages wird daher spätestens mit der Vorlage des Bundesrundfunkgesetzes erfolgen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mende.
— Meine Damen und Herren, ich habe unterlassen, zunächst festzustellen, ob das Haus überhaupt die Absicht hat, in eine Aussprache einzutreten. Ich bitte also diejenigen, die eine Aussprache wünschen, die Hand zu erheben. — Die Zahl von 50 ist zweifellos überschritten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Mende.
— Die Redezeit ist bereits auf 90 Minuten festgesetzt. Das war aber schon vorher bestimmt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der FDP hat in ihrer überwiegenden Mehrheit diesen Staatsvertrag abgelehnt. Allerdings gebe ich zu, daß nunmehr, nach den Erklärungen des Herrn Bundesinnenministers, hinsichtlich des Inhaltes des Staatsvertrages eine neue Lage entstanden ist. Trotzdem kann mich das Schreiben der drei Herren Ministerpräsidenten nicht befriedigen, solange die darin enthaltenen Erklärungen nicht Inhalt des Staatsvertrages sind. Also erst dann, Herr Bundesinnenminister, wenn die Zusicherungen der drei Ministerpräsidenten Bestandteil des Staatsvertrages werden, würde sich meine Fraktion unter Umständen noch einmal mit dem materiellen Gehalt des Staatsvertrages auseinandersetzen können.
Grundsätzlich müssen wir aber den Staatsvertrag auch aus rein formellen und verfassungsrechtlichen Bedenken ablehnen. Wo kommen wir hin, wenn jenes System der innerstaatlichen Vereinbarung zwischen den Ländern Schule macht! Im Südwestraum fängt man an. Wer garantiert uns, daß nicht morgen die Länder des Nordwestraumes ebenfalls einen Staatsvertrag schließen und so dem Nordwestdeutschen Rundfunk eine neue Gestalt geben, so daß das spätere Bundesrundfunkgesetz Änderungen hieran zumindest nur mit großen Schwierigkeiten treffen könnte? Vielleicht ist das beim NWDR sogar noch leichter; denn da sitzen in dem führenden Gremium, im Hauptausschuß, die Ministerpräsidenten und die Vertreter der Kultusminister, also insgesamt schon acht, und bei der Kollegialität, die man sich dort in den letzten Jahren immer entgegengebracht hat, ist durchaus die Gefahr gegeben, daß wir im nordwestdeutschen Raum einen Staatsvertrag über den Nordwestdeutschen Rundfunk bekommen. Wir müssen also diese Art der Vorwegnahme der Regelungen ablehnen.
Ich freue mich, daß die drei Ministerpräsidenten, die doch Vertreter der föderativen Staatsordnung sind, bestätigt haben, daß Art. 73 Ziffer 7 des Grundgesetzes dem Bund ausschließliche Rechte für das Post- und Fernmeldewesen gibt und daß also auch der Rundfunk unter Post- und Fernmeldewesen zu rubrizieren ist, was die Vertreter der Bayernpartei hier ja unlängst bestritten haben, was aber nicht zu bestreiten ist, wenn man die Protokolle des Parlamentarischen Rates nachliest.
— Ja, die andere Richtung war in der Argumentation etwas gemäßigter.
Wir möchten daher, daß dieser Staatsvertrag möglichst nicht ratifiziert wird, und ich sehe da auch gewisse Schwierigkeiten. Wir haben hier in dem Vertrag noch die Länder Baden, Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern'. Ich weiß gar nicht, wieviel Landtage dieser Länder überhaupt noch aktionsfähig sind, und ich weiß nicht, ob es nicht zweckmäßig wäre, erst auf die Entscheidung über den Südweststaat zu warten. Jedenfalls scheint mir dieser Staatsvertrag durch die staatsrechtliche Entwicklung da unten in wenigen Wochen überholt zu sein.
Ich hoffe also, daß er schon an diesen rein formalen Bedenken scheitern wird.
Im übrigen, Herr Kollege Jacobs, bin ich in der Kritik mit Ihnen in vielem einig; aber in einigen Fragen glaube ich, daß der Inhalt dieses Staatsvertrages etwas besser ist, als er auf den ersten Blick erscheint. Die Rundfunkräte z. B. scheinen mir hier besser zusammengesetzt zu sein, als etwa beim Nordwestdeutschen Rundfunk
der Hauptausschuß und der Verwaltungsrat gestaltet sind, bei denen leider nicht die eigentliche Überparteilichkeit gewahrt ist. Ich habe in der Debatte der 140. Sitzung am 9. Mai 1951 schon zum Ausdruck gebracht, daß man nicht auf dem Umweg über Ministerpräsidenten und Kultusminister parteipolitische Exponenten in die Führung des Rundfunks bringen sollte; denn wenn man das tut, muß man alle in den Landtagen des Sendegebietes vertretenen Fraktionen an der Verantwortung mitbeteiligen. Das ist z. B. bei dem Nordwestdeutschen Rundfunk in Nordwestdeutschland nicht geschehen. Hier ist also die Lösung zumindest besser als die, die sich bei uns in Nordwestdeutschland in den vergangenen Jahren nicht bewährt hat.
Der Herr Bundesinnenminister hat auf das Bundesrundfunkgesetz hingewiesen. Es ist sehr bedauerlich, daß, wir es nicht schon längst haben; denn dann wäre die heutige Debatte überflüssig gewesen. Ich hoffe, Herr Bundesinnenminister — und ich wiederhole hier meine Bitte, die ich aus Anlaß der Debatte Ihres Haushaltsplans an Sie gerichtet habe —, daß das Kontrollratsgesetz Nr. 3 baldigst aufgehoben wird, damit endlich die Neuordnung des besatzungsatmosphärisch entstandenen deutschen Rundfunks erfolgen kann, jene Neuordnung durch das Bundesrundfunkgesetz, die längst fällig ist.
Daß z. B. § 7 das Recht der Gegendarstellung enthält — ich erwähne, daß hier § 11 des Pressegesetzes von 1874 hineingearbeitet worden ist, damit jede Richtung das Recht der Gegendarstellung habe —, das, Herr Kollege Jacobs, scheint mir auch ein Fortschritt zu sein. Überhaupt läßt sich manches aus dem Staatsvertrag vielleicht später einmal auf die Grundsätze übernehmen, die wir
beim Bundesrundfunkgesetz angewendet haben wollen. Allerdings gibt es einige Dinge wie die Einschränkung der Rechte des Intendanten, die uns als liberale Fraktion tief betrüben. Ich weiß, daß mancher Intendant gar nicht frei ist, sondern stark in parteipolitischen Fesseln liegt. Trotzdem müssen wir als Liberale anerkennen, daß höchste Leistung eines Intendanten nur in schöpferischer Freiheit möglich ist, und daher lehnen wir die Art der Einschränkung der Arbeit des Intendanten, die sich aus §§ 14, 15 und 16 ergibt, ab. Wir hoffen, daß dieser Grundsatz bei den kommenden Rundfunkgesetzen keine Schule macht.
Herr Kollege Jacobs hat hier von der Disharmonie eines Duodezorchesters gesprochen. Ich will nicht ins Musikalische steigen; aber mir scheint doch, daß man bei solchen Staatsverträgen auch einmal die gesamtpolitische große Entwicklung betrachten müßte. Wir haben ja nicht zufällig einen Art. 29 des Grundgesetzes, der die Neuordnung der inneren Gliederung unseres Bundesgebietes vorsieht. Mir scheint hier ein Widerspruch zu liegen zwischen den Reden und den Versuchen, auf der europäischen Ebene auch Praxis zu zeigen, und jenem Postkutschen-Denken, wie es sich in solchen Staatsverträgen zeigt. Wer wollte leugnen, daß zwischen Land und Land doch ein Unterschied ist? Manche Länder sind doch mehr originell als originär entstanden, und uns kommt es etwas eigenartig vor, wenn sich gerade recht zufällig entstandene Länder in Staatsverträge flüchten. Meine Damen und Herren, das sollte nicht Schule machen, sondern wir wollen hoffen, daß hier dem Bund gegeben wird, was des Bundes ist.
Nicht zuletzt in diesem Zusammenhang noch eine Mahnung an den Herrn Bundesfinanzminister und den Herrn Bundespostminister. Herr Bundesfinanzminister, Sie können mit der Übernahme des früheren Reichsvermögens des Rundfunks, des jetzigen Bundesvermögens, das leider von den Ländern und von den öffentlich-rechtlichen Körperschaften des Rundfunks allzu schnell mit Beschlag belegt worden ist, manches zur Verbesserung Ihrer gesamten finanziellen Situation tun, und Sie, Herr Bundespostminister, dürfen sich nicht gefallen lassen, daß Postvermögen von Ländern allzusehr in Anspruch genommen wird.
Ein Wort noch zum Bundesrundfunkgesetz, weil das hiermit in einem kontinuierlichen Zusammenhang steht. Herr Bundesinnenminister, vielleicht ist es zweckmäßig, auch noch den Gedanken eines Bundessenders anzuschneiden. Wir sehen gerade in diesem Falle, wie nötig es bei der Wellenverteilung im Zuge der Neuordnung des deutschen Rundfunks sein wird, die repräsentative „Deutsche Welle" zu schaffen, die früher einmal in dem Deutschlandsender vorhanden war und die uns heute fehlt, und zwar als Sprachrohr Deutschlands nach außen, als Sender, der kein Bundesregierungssender, aber ein Bundessender im staatspolitischen Sinne sein soll.
Schließlich noch ein Wort für jene zweitausend Menschen des Rundfunks, die außerhalb der Funkhäuser stehen, die Avantgardisten gewesen sind, politisch unbelastet, die nun einmal das Unglück hatten, unter einem Reichspropagandaleiter und unter einem Reichsrundfunk zu arbeiten. Vielleicht werden wir hier auch manchem im Rahmen der Neuordnung des deutschen Rundfunks wieder den Weg zum Mikrophon öffnen können, manchem, der heute verhindert ist, seine Fachkenntnisse dem deutschen Rundfunk zur Verfügung zu stellen, weil er durch allzu enge Teaminteressen und Intendantenkorporationen gehindert wird, an den eigentlichen Arbeitsort zu kommen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Jacobs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde es außerordentlich bedauern, wenn der Herr Bundesinnenminister, wie er andeutete, dann nichts mehr gegen diesen Staatsvertrag einzuwenden hätte, wenn die in einem sehr umfangreichen Schreiben der beteiligten Länderregierungen gemachten Zusicherungen verwirklicht würden. Ich befürchte, Herr Bundesinnenminister, daß Ihnen bei der Nachprüfung doch einiges einfällt — Sie ließen es ja offen, da Sie, wie Sie sagten, erst sehr kurze Zeit im Besitz der Unterlagen seien — und daß Sie die Unmöglichkeit der Situation hinsichtlich des Staatsvertrags dann auch noch einsehen werden. Mir persönlich wäre es sehr lieb, Sie kämen zu dieser Auffassung, weil ich dann nicht gezwungen wäre, Ihnen die Reitfähigkeit im Sattel des parlamentarischen Gauls wieder absprechen zu müssen, die ich Ihnen vorher bereitwillig zugestanden habe.
Denn selbst wenn hier die Frage hinsichtlich der Zuständigkeiten von Bund und Ländern nur für den einen oder andern von uns interessant sein sollte, so liegt mir doch viel daran, nach der Richtung nicht völlig ins Leere hineingeredet zu haben.
Nun zu den übrigen Bestimmungen des Vertrages und dem ganz offenbaren — vielleicht nicht gewollten, aber doch objektiv vorhandenen — Versuch, Grundrechte, nämlich die Meinungsfreiheit im Rundfunk zu unterbinden. Ich darf Ihnen dazu, weil ich über die ganze Atmosphäre des Zustandekommens dieses Vertrages zwangsläufig verhältnismäßig gut informiert bin, folgendes sagen: Ein Teil der Referenten ist bei der Festlegung dieses Staatsvertrages von der Voraussetzung ausgegangen, daß es sich bei den Hörergeldern doch eigentlich um Steuern handle. Diesen Ast hat ja nicht einmal der Herr Bundesfinanzminister erklettert, obwohl man ihm doch wirklich nicht den Vorwurf machen kann, Mangel an Phantasie in der Erfindung neuer Steuern bewiesen zu haben. Darüber hinaus ist von einem Teil der Referenten ganz offen zum Ausdruck gebracht worden, daß es sich hier darum handeln müsse, einer Organisation und ihren Männern Fesseln anzulegen, die doch so maßlos besser bezahlt würden als sie selber.
Gewiß, meine Damen und Herren, ich glaube nicht, daß ein Rundfunkintendant jemals ein Gelübde zur ewigen Armut abgelegt hat, ehe er die Stelle des Intendanten übernommen hat, wie es heute bei den Beamten leider der Fall ist. Aber die Tatsache des zweifellos vorhandenen, klaffenden Unterschiedes zwischen der Bezahlung bei der Beamtenschaft und etwa bei den Angestellten des Rundfunks darf doch keine Veranlassung sein, das Bestehen dieser Kluft zur Grundlage von einengenden, und zwar die Meinungsfreiheit einengenden Bestimmungen eines Vertrages zu machen. Im speziellen Fall kommt noch hinzu: der intellektuelle Urheber dieses Staatsvertrags — ich verrate kein Geheimnis, wenn ich Ihnen
4 sage, daß ich dabei einen bestimmten Ministerialrat im Ministerium des Landes Rheinland-Pfalz im Auge habe —
— doch, Herr Kollege Kemper, es tut mir leid, auf ihn geht eine der tragenden Tendenzen des Vertragsentwurfs zurück — hat schon vor Jahren zu mir gesagt, daß er als Mitglied der CDU in diesem Fall antiklerikal, nämlich antibischöflich sei, weil der Intendant des Südfunks den Namen Bischof trägt.
Alle diese Momente sind in einem Konglomerat aus
unverstandenen Dingen zusammengetragen worden.
Meine Damen und Herren, hüten wir uns vor dem Vorwurf, der uns gemacht werden könnte, wir seien allzu sehr geneigt, den Rundfunk als Institution aus demselben Blickwinkel zu sehen, wie der Durchschnittsbürger bis dato uns, das Parlament, und die Regierung gesehen habe. Mit welchem Recht wollen wir einen Vorwurf gegen diese falsche Perspektive erheben, wenn wir selber diesem Fehler in dem Augenblick unterliegen, in dem wir eine andere, für viele von uns in ihrem Wesen unbekannte Institution beurteilen sollen? Denn ich bat doch, besonders darauf zu achten, und bitte Sie, auch jetzt noch einmal in den Bereich Ihrer Überlegungen einzubeziehen: das in diesem Staatsvertrag der Regierung de facto gegebene Recht zur Etatgestaltung beinhaltet doch praktisch die Möglichkeit, das Programm allein zu gestalten. Und ein Programm in die Abhängigkeit eines immer bedürftigen und nimmersatten — zwangsläufig nimmersatten — Finanzministers zu bringen, würde doch zu einer unerträglichen geistigen und kulturellen Verarmung des Rundfunks führen, deren Schaden und Nachteile wir vielleicht zu spät merken würden. Wir möchten doch auch in Zukunft Rundfunk hören und baldmöglichst auch Rundfunk sehen! Aber ein Programm, das sich auf der Basis knapp bemessener finanzieller Mittel entwickeln müßte, deren Zuteilung vom Wohlwollen der Regierung abhängig ist, wäre doch ein Programm, bei dem uns Hören und Sehen vergehen würde.
Deshalb meine besondere Bitte, sich hier nicht mit dem Hinweis zu begnügen, daß seitens der in Frage kommenden Länderregierungen entsprechende Erklärungen abgegeben wurden, die den Vertrag erst in einer bestimmten Richtung interpretieren.
In diesem Zusammenhang darf das gesagt werden, was der Verleger Jacobsohn zu Tucholsky einmal gesagt hat. Als er wieder einmal mit einem unverständlichen Manuskript kam und erklärte: „Das wollte ich sagen", da sagte der Verleger: „Dann sag's!" — Warum hat man das, was man angeblich in dem Vertrag wollte, nicht in den Vertrag hineingenommen und es zu einem Bestandteil des Vertrages gemacht? Warum hat man uns damit erst die Möglichkeit genommen, zu all diesen Dingen Stellung zu nehmen, die heute zwangsläufig unsere Kritik herausfordern müssen?
Ich glaube nicht, daß jemand unter uns das Recht hat, die Gefahren, die aus diesem Staatsvertrag auch nach gewissen Abänderungen entstehen würden, zu übersehen. Im Interesse der Wahrung des Ansehens unseres Parlaments in der Öffentlichkeit sollten wir mit daran interessiert sein und mithelfen, daß dieser Staatsvertrag in seiner Gänze in der Wolfsschlucht verschwindet. Bei aller Anerkenntnis der notwendigen Reserve gegenüber großen Worten, aber eben, weil es für viele nicht erkennbar ist, obwohl es in der Sache gar nicht übersehen werden kann, handelt es sich bei der Stellungnahme zu diesem Punkt der Tagesordnung in Wirklichkeit um eine demokratische Bewährungsprobe allererster Ordnung, von der ich im Interesse der Gesamtheit des Hauses wünschen möchte, daß wir sie bestehen.
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Besprechung der Interpellation ist geschlossen.
Damit sind wir zugleich am Ende der heutigen Tagesordnung.
Zu einer persönlichen Bemerkung hat noch Herr Abgeordneter Dr. Richter das Wort gewünscht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sehr leicht möglich, daß man — bewußt oder unbewußt — falsch verstanden wird,
wenn man nur eine ganz kurze Zeit zur Ausführung seiner Gedanken zur Verfügung hat.
Ich möchte Ihnen im übrigen eines sagen.
Das, was mir entscheidend ist, ist nicht das Anti, sondern das Pro.
Aber das Anti überwog in dem Augenblick,
als man sich mit all den Dingen befaßte, die vorhin zur Debatte standen, über die wir sprachen.
Ich möchte darüber hinaus noch eines betont haben:
diejenigen, die offensichtlich nicht erfaßt haben, —
— Das mag sein, daß Sie nicht alle so intelligent sind wie ich; das gebe ich zu. —
Ich sage: diejenigen, die nicht erfaßt haben, daß es sich um ganz andere Dinge handelte als bloß etwa um das Pro und Kontra der Frage, die vorhin behandelt wurde, diejenigen, die nicht erfaßt haben, daß es sich um Dinge von weltweiter Bedeutung handelte,
die auch ein General McArthur ganz besonders herausgehoben und betont hat, die sollten sich einmal ernsthaft mit dieser Frage befassen.
Nur das hierzu!
— Sie sollten nicht von Arroganz reden; das ist Ihr Vorrecht!
Des weiteren möchte ich doch eines betont haben.
Ich habe es bedauert, daß man in diesem Hause,
in dem sonst durchaus mit Recht
über Dinge gesprochen wurde und in dem Dinge behandelt wurden,
die jeder gute Demokrat bejahen konnte
— was Sie ja oftmals nicht sind, das gebe ich zu —,
einer grundlegenden demokratischen Entscheidung
nicht gerecht wurde,
die meiner Überzeugung nach besonders hervorgehoben werden mußte,
zumal es sich — —
Herr Abgeordneter Richter, — —
— um ein Land handelt, das mit Deutschland in besten Beziehungen steht.
Herr Abgeordneter Richter, wenn ich läute, bitte ich, Ihre Ausführungen zu unterbrechen. Ich möchte darauf hinweisen: Sie haben das Wort zu einer persönlichen Bemerkung.
Eine persönliche Bemerkung hat entweder gegen Sie persönlich gerichtete Angriffe oder mißverständliche eigene Ausführungen richtigzustellen; Sie haben aber hier keine neue Debatte im Rahmen einer persönlichen Bemerkung anzufangen.
Ich möchte dazu nur eines noch sagen.
Es wäre meiner Überzeugung nach notwendig gewesen,
daß man in diesem Hause einmal ein Wort
der wirklich ein Lob seitens der gesamten Menschheit verdient hätte,
der kürzlich erst einen ganz großen Erfolg seiner Politik erzielte
und dem dann wenigstens i c h von meinem Standpunkt aus
meinen Glückwunsch
zu seinem Erfolg ausgesprochen haben möchte.
Herr Abgeordneter Richter, — —
Das ist der Staatspräsident Perón.
Herr Abgeordneter Richter, Sie haben zum zweitenmal auf mein Glockenzeichen nicht reagiert. Ich rufe Sie zur Ordnung.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste, die 176. Sitzung des Deutschen Bundestags auf Donnerstag den 22. November 1951, 13 Uhr 30.
Die 175. Sitzung ist geschlossen.