Rede von
Dr.
Richard
Hammer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Wie grotesk die Situation geworden ist, mögen Sie aus folgendem ersehen. Eine große Anzahl von Direktoren von Heil- und Pflegeanstalten machen im Augenblick die Aufnahme eines Geisteskranken von einer Zustimmungserklärung dieses Geisteskranken abhängig, weil sie fürchten, mit dem Richter in Konflikt zu kommen. Sie unterstellen den Geisteskranken also bereits, daß sie geschäftsfähig sind.
Ich bitte, hier eine andere Überlegung anstellen zu dürfen. Nach den Erlebnissen Deutschlands in den letzten Jahrzehnten ist es völlig richtig, daß man die Aufmerksamkeit des Volkes auf die sorgfältige Wahrung seiner Freiheitsbereiche richtet. Sie alle haben aus den illustrierten Zeitschriften Kenntnis davon genommen, wie intensiv die deutsche Presse sich solcher wirklichen und angeblichen Skandalgeschichten annimmt. Ich bitte Sie aber, auch einmal an folgendes zu denken. Wenn Sie die deutsche Presse in die Hand nehmen, so finden Sie täglich die Meldungen über eine Reihe von Mordtaten und Greueltaten, Sie lesen, wie ein Vater seiner Frau und seinen Kindern die Gurgel durchschneidet, und ähnliche Dinge. Merkwürdigerweise fehlt dabei der Kommentar, nämlich die Überlegung, wie es zustande kommen konnte, daß bei der derzeitigen Situation zweifellos eine ganze Reihe von gemeingefährlichen Geisteskranken zum Schutz der Umgebung nicht rechtzeitig untergebracht werden konnte. Auch daran müssen wir denken, wenn wir auf eine Beschleunigung der Vorlage eines entsprechenden Gesetzes drängen.
Im übrigen ist ein Irrengesetz kein Gesetz, das eine Zwangseinweisung zu regeln hat. Ein Irrengesetz ist vielmehr im wesentlichen ein Gesetz, in dem man sich mit der Fürsorgepflicht des Staates und damit befaßt, wie für arme Kranke die entsprechenden Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden sollen. Erst am Rande dieses Gesetzes stehen die Probleme jener zahlenmäßig kleinen Gruppe von Personen, die zum Schutze der Umgebung wegen ihrer Gemeingefährlichkeit in Anstalten eingewiesen werden müssen. Dabei scheint mir immer noch eine Musterregelung diejenige meines Heimatlandes zu sein. Dort gab es eine alte großherzoglich-hessische Verordnung, nach der der Geisteskranke in Übereinstimmung von Sorge-pflichtigen und Arzt eingewiesen werden durfte. Die Polizei hatte nichts damit zu tun.
Wir bitten Sie, ebenso wie wir, dem Antrag zuzustimmen.