Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Weitere Wortmeldungen scheinen nicht vorzuliegen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist der Antrag gestellt worden, den Antrag an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen.
Wer für die Überweisung dieses Antrages an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Letzteres ist die Mehrheit.
Nun muß ich über den Antrag selbst abstimmen lassen.
— Nein, es ist der Antrag gestellt, ihn anzunehmen; also muß ich darüber abstimmen lassen.
Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte
ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Letzteres war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich habe bekanntzugeben, daß das Mitglied des USA-Kongresses Armstrong gern eine Ansprache an interessierte Abgeordnete des Hauses halten möchte, und zwar um 20 Uhr drüben im Ruheraum. Die Kolleginnen und Kollegen, die sich diese Ansprache anhören wollen, sind eingeladen, sich dort einzufinden.
Dann rufe ich auf Punkt 15 der Tagesordnung: Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse .
Die Liste soll durch einen Antrag der kommunistischen Fraktion auf Drucksache Nr. 2809 betreffend Freigabe von Lebensmitteln ergänzt werden.
— Ich stelle fest, daß das Haus damit einverstanden ist, daß die Liste ergänzt wird.
Wer für die Überweisung der auf Umdruck Nr. 355 verzeichneten Anträge an die zuständigen Ausschüsse unid für Überweisung des Antrags Nr. 2809 der Drucksachen an den Ausschuß für Wirtschaft ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Gegenprobe! — Angenommen.
Nun rufe ich auf Punkt 3 der Tagesordnung, der zurückgestellt worden war:
Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Staatsvertrag der Länder Baden, Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern über den Südwestfunk .
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Jacobs. — Der Ältestenrat schlägt für die Begründung 20 Minuten und für die allgemeine Aussprache 90 Minuten vor.
Der Abgeordnete Jacobs hat gebeten, falls er seine Redezeit für die Begründung überschreiten sollte, dies auf die Redezeit der Fraktion für die Aussprache anzurechnen. Wenn wir dem zustimmen, folgen wir einer Übung des Hauses. — Bitte, Herr Abgeordneter!
Jacobs , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So wichtig und notwendig es gewesen wäre, wenn der Herr Bundesinnenminister, der den Wunsch hatte, an dieser Debatte teilzunehmen, dazu auch Gelegenheit bekommen hätte — nicht nur, weil dann die Minister-hank nicht mehr so ausgesprochen leer wäre, sondern auch, weil uns die Hoffnung bewegt, daß sein Dabeisein uns vielleicht hätte Veranlassung geben können, zu glauben, in ihm in diesem Fall einen sattelgerechten Reiter auf dem parlamentarischen Gaul zu wissen —, so ist anderseits die Angelegenheit — auch in ihrer zeitlichen Behandlung — zu ernst, als daß eine weitere Hinausschiebung am Platze wäre. Interpellationen werden in der Regel von den zuständigen Parlamenten und den Regierungen, an die sie gerichtet sind, weniger nach dem beurteilt, was sie beinhalten, sondern mehr nach ihrer politischen Herkunft und dem quantitativen Gehalt der Interpellanten.
Weil der sozialdemokratischen Fraktion als der Interpellantin des hier mit zur Debatte gestellten Fragenkomplexes sehr daran gelegen war und noch ist, das von mir zu begründende Anliegen möglichst zu einem solchen des gesamten Hauses werden zu lassen, hatten sich ihre für diese Frage zuständigen Mitglieder an die sachverständigen Mitglieder anderer demokratischer Fraktionen dieses Hohen Hauses gewandt, um durch das, was man eine interfraktionelle Demarche zu nennen pflegt, dieser von vornherein wenigstens den parlamentarischen Initiativerfolg zu sichern. Aus mir im einzelnen nicht bekannten Gründen ist daraus nichts geworden. Das bedauern wir sehr. Trotzdem hegen wir die Hoffnung, daß im Hinblick auf die ebenso sachliche wie temperamentvolle, ja zum Teil sogar leidenschaftliche Anteilnahme und Reaktion, die dieser Staatsvertrag der Länder Baden, Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern über den Südwestfunk in der Repräsentanz der öffentlichen Meinung gefunden hat, Ihnen allen, meine Damen und Herren, Veranlassung gegeben ist, Versäumtes in der Sache dadurch nachzuholen, daß sie erstens mir zuhören, womit Sie ja gleichzeitig einer sonn- i täglichen Empfehlung des Herrn Präsidenten dieses Hohen Hauses entsprechen würden,
und zum andern Ihre Bereitschaft zu erkennen geben, im Anschluß an meine Begründung in eine sachliche Diskussion über den ganzen Fragenkomplex einzutreten.
Wenn meine Fraktion sich erst vor Monatsfrist zur Einbringung dieser Interpellation entschlossen hat — ohne dann auf die sofortige Behandlung zu drängen —, geschah dies, weil sie bis dato die Hoffnung nicht aufgegeben hatte, es möge den Vertragskontrahenten noch die Einsicht kommen, daß das, was ihre Referenten erzeugt haben, doch eine greuliche, wasserköpfige Mißgeburt ist, bei der selbst die wohlmeinendste Nachbarin damit rechnen müßte, der Geschmacklosigkeit bezichtigt zu werden, wenn sie mit dem Hinweis zu trösten versuchte: „Er steht ihm aber jut!"
Ich meine das selbstverständlich nur bildlich. Oder anders ausgedrückt: Mit dieser — gelinde gesagt — Fleißarbeit demokratischer Konvertiten sollten sich die in Frage kommenden Länderregierungen und die zuständigen Parlamente besser nicht identifizieren. Zur Ehre und zum Ruhm der Landtage von Baden und Württemberg-Hohenzollern sei gesagt, daß sie sich bis heute auch noch nicht zu Vätern dieser Mißgeburt bekannt haben.
— Es bestand Gelegenheit, sich dazu zu bekennen. — Übereifer ist, besonders in der Politik,
sicherlich kein Gradmesser für Qualität, und, um
ein Wort eines Rezensenten des neuesten Buches von Arthur Koestler zu gebrauchen:
Kreuzfahrer der Politik — auch wenn sie vorgeben, es im Namen der Demokratie zu tun — sind mit und ohne Haken immer ein Kreuz für ihre Völker. Man kann sie gut entbehren.
Nichts wäre der Sache weniger dienlich, als jetzt noch aus einem falsch verstandenen Prestigebedürfnis heraus an dem Übernommenen und ursprünglich Gewollten festzuhalten. Ich darf mir in diesem Zusammenhang den geziemenden oder — ich überlasse es Ihrer Beurteilung — nicht geziemenden Hinweis erlauben, daß es ja auch in der Vergangenheit nicht wenige bedeutende polilitische Männer gegeben hat — ich denke da an Talleyrand und einige andere historische Standardfiguren —, die oftmals Einsicht durch Umkehr bewiesen haben, was sie in unserem Erinnerungsbild nicht geringer erscheinen läßt.
Es bestand also hinreichend Möglichkeit, zu dieser Einsicht zu gelangen, da kaum Gelegenheit gegeben war, sich nicht vom anhaltenden Protest der öffentlichen Meinung zu überzeugen, selbst nicht in den hartnäckigen und wohl nur seltenen Fällen ministerieller Ungeneigtheit, überhaupt um die Meinung der Gazetten wissen zu wollen. Dafür war der Bogen zu weit gespannt, und in seltener Einmütigkeit erwies sich die Einheitsfront des politischen Journalismus gegen dieses Vertragswerk, eine Front, die noch über den alphabetischen Telephonjargon von Aristoteles über Xanthippe hinaus in diesem Falle von Adenauer bis zum Z.K. reicht.
Das, was in dem durch unsere Interpellation beanstandeten Vertragswerk enthalten ist — sowohl im Hinblick auf das Staatsrechtliche als auch auf den materiellen Inhalt der Bestimmungen —, schafft Fakten von wesentlicher politischer Bedeutung. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß dieses Vertragswerk noch nicht zum Zuge gekommen ist, weil das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in der Frage der staatlichen Neuordnung des Südwestraumes aufschiebende Wirkung gehabt hat. Weil dem so ist und weil wir unsere Interpellation in der Sache nach wie vor als gerechtfertigt erachten, legen wir Wert darauf, in diesem speziellen Fall das Wort „Interpellation" im Sinne der Ursprünglichkeit seiner Bedeutung aufgefaßt zu sehen, d. h. also mit dem Ziel der vorläufigen Aufhebung der Maßnahmen und der Ersetzung des Staatsvertrags in der uns nach Form und Inhalt einzig möglich erscheinenden Weise.
Der Staatsvertrag scheint uns nach zwei Richtungen Fragen aufzuwerfen, an deren Behandlung ein außerordentliches Interesse vorliegen muß, wollen wir nicht Gefahr laufen, uns ohne zwingenden Grund der rechtlichen Basis zu begeben, die unsere Zuständigkeit begründet. Wie schon aus dem Text der Interpellation ersichtlich, handelt es sich einmal um das Verhältnis des Bundes zu den Ländern. Im Weiteren geht es um die Frage, in welchem Umfang sich dieser Staatsvertrag über den Südwestfunk im Widerspruch zu den im Grundgesetz garantierten Grundfreiheiten befindet.
Erstens: Der Staatsvertrag greift in die dem Bund gemäß Art. 73 Ziffer 7 des Grundgesetzes zustehenden Rechte ein und schmälert für die Zukunft die Rechtsposition des Bundes im Verhältnis zu den Ländern.
Zweitens: Der Staatsvertrag verletzt trotz der in der gemeinsamen Erklärung der drei Ministerpräsidenten versuchten Abschwächung das dem Südwestfunk bisher ebenso wie allen andern westdeutschen Rundfunkanstalten zugestandene Recht der freien Meinungsäußerung, verletzt damit Art. 5 des Bonner Grundgesetzes und die in der praktischen Handhabung des Rechtes der Rundfunkanstalten bisher gegebene Lage.
Drittens: Der Staatsvertrag ist kein geeignetes Mittel, zur Aufhebung des Besatzungsrechtes — ich möchte einschränkend sagen: des Besatzungsrechtes hinsichtlich des Rundfunks — beizutragen, sondern bringt im Gegenteil die Gefahr mit sich, daß durch die Vorgänge, die sich anläßlich seines Abschlusses ereignet haben, Veranlassung für die Verlängerung des Besatzungsrechts und Mißtrauen in unsere Fähigkeit, föderalistische Vorbehalte mit demokratischen Grundsätzen in Einklang zu bringen, entstehen können.
In geradezu souveräner Mißachtung nun einmal bestehender Zuständigkeiten des Bundes sind diese übergangen worden. Der § 23 des Vertrages und das, was er materiell beinhaltet, ist eine durch nichts zu rechtfertigende Kompetenzüberschreitung der vertragschließenden Länder gegenüber dem Bund. Nach dem genannten Paragraphen beispielsweise ist das Vermögen des Südwestfunks reines Ländervermögen, an dem der Bund keinerlei Anteil hat. Ich weiß, daß gegen diese Behauptung der Einwand kommen wird, daß es sich keinesfalls um eine Präjudizierung der Vermögensverhältnisse aus früherer Zeit handeln soll, sondern mit dieser Bestimmung lediglich die Quasi-Konfiskation des Vermögens, das nachträglich, nach Bildung der Länder, erworben ist, zum Ausdruck kommen soll. Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie und unter welchen Umständen eine solche Inventur zu klaren und zu rechtfertigenden Ergebnissen kommen könnte.
Vor dem Eingreifen der Besatzungsmächte war das Rundfunkvermögen Reichsvermögen, und während der Besatzungsdauer sind außer den Vermögensstücken, die der Funk von Post und Reichsrundfunkgesellschaft übernommen hat, die laufenden Einnahmen aus den Zahlungen der Bundespost durch Abführung der Hörergebühren geleistet worden.
Auch wenn ich darauf verzichten muß, weitere Einzelheiten des Vertrages zum Nachweis effektiver Kompetenzüberschreitungen heranzuziehen, ergibt sich die Rechtsunwirksamkeit des Staatsvertrages schon dadurch, daß der Bund gemäß Art. 73 Ziffer 7 mit Art. 93 des Grundgesetzes gegebenenfalls sein Mitbestimmungsrecht im Wege der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht geltend zu machen hätte.
Außer auf die Debatte im Parlamentarischen Rat über diese und ähnliche Artikel des Grundgesetzes, die der Hauptausschuß in seiner Sitzung vom 5. Januar 1949 eingehend beraten hatte, wobei sich die Beratung mit dem die ausschließliche Gesetzgebung des Bundes regelnden Artikel befaßte, kann ich mich in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen von v. Mangoldt in seinem Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Anmerkung zu Art. 73 Ziffer 7 am Ende, berufen.
In der Bestimmung des § 23 liegt eine Disposition der Länder über Mittel, an denen der Bund interessiert sein muß, mindestens beteiligt zu sein.
Als dem Rundfunkrat des Südwestfunks der Text des Staatsvertrags bekannt wurde, in dem kein Wort vom Bund stand, hat er innerhalb der
Grenzen seiner Befugnisse auf diesen unmöglichen Zustand hingewiesen — was immerhin kennzeichnend ist im Hinblick auf die Animosität der Regierungsstellen gegen die Funktionsfähigkeit der Einrichtungen, genannt Rundfunk- und Verwaltungsrat — und die Regierungen gebeten, wenigstens in einigen besonders krassen Punkten den Staatsvertrag abzuändern und die Bundesregierung mit den Länderregierungen wenigstens insofern auf eine Stufe zu stellen, als auch die Bundesregierung für ihre wichtigen Mitteilungen ebenso Sendezeiten beanspruchen dürfe wie die vertragschließenden Länder.
Dann wurde auf die rechtlichen Bedenken aufmerksam gemacht, wonach im Falle der Auflösung des Südwestfunks durch die vorgesehene relativ kurzfristige Kündigungszeit des Vertrages das ganze Vermögen nur auf die Länder übergehen soll. Das Vermögen des Südwestfunks stammt aber aus den Werten, die kraft der Ordonnance 188 als der bisherigen Rechtsgrundlage aus Post-, also früherem Reichseigentum auf den Südwestfunk übergegangen sind, und aus den Hörergebühren, die auf Grund der Sende- und Empfangshoheit, die auch nicht den Ländern zusteht, von der Post eingezogen und bis auf den 20 %igen Postanteil an den Südwestfunk abgeführt worden sind.
Es wäre ungerecht, meine Damen und Herren, nicht zu sagen, daß der Bund doch auch in diesem Vertragswerk in einem gewissen Zusammenhang erwähnt ist. Es ist sogar besonders interessant für Sie, zu erfahren, in welchem Zusammenhang in diesem Vertrag der Bund erwähnt ist. Ich meine damit die Ziffer 8 der gemeinsamen Erklärung der Länderregierungen über ihre Bereitschaft, beim Bund für eine Befreiung von Umsatzsteuer und für eine günstige Regelung für den Südwestfunk bei der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer eintreten zu wollen. Obwohl im Interesse einer nicht gering zu erachtenden auch zukünftigen Qualitätssteigerung der Rundfunkdarbietungen gewiß nichts gegen die Absicht einzuwenden ist, für eine Befreiung des Rundfunks von ihn sonst hemmenden und belastenden Steuern einzutreten, ist es doch sehr bemerkenswert, daß diese Generosität wohl nur deshalb zu finden ist, weil sie ausschließlich zu Lasten des Bundes ginge, da hinsichtlich der Steuern, die auch in diesem Falle die Länder für sich einziehen, gar nicht von dieser Art von Befreiung die Rede ist. Ich finde, meine Damen und Herren: Großzügigkeit mit den Geldern anderer Leute mindert den Wert solcher Absichten und setzt doch wohl auch den Willen voraus, fremder Leute Finger im eigenen Portefeuille wühlen zu lassen.
Als die Länderregierungen sahen, daß die gesamte öffentliche Meinung bis — und das ist durchaus verständlich! — auf die von der rheinisch-pfälzischen Regierung herausgegebene „Staatszeitung" gegen den Staatsvertrag Stellung nahm und etwas zu ihrer Beruhigung geschehen mußte, haben sie eine gemeinsame Erklärung zunächst telefonisch unterzeichnet, weil die Sache ja so furchtbar eilig war,
eine Erklärung, in der mit vielen Worten wenig gesagt war und nichts, was die gefährlichen Bestimmungen des Staatsvertrages abgeändert hätte. — Ja, ich habe den Eindruck, als ob die Länder manchen Organisationen hierin voraus sind
und bei solchen Dingen auch schon das Telefon als Ersatz benutzen können.
Aber auch in diesem Chaos von Nuancierungen, genannt gemeinsame Erklärung, ist wiederum der Bund völlig übergangen, damit der Griff auf das Vermögen der Anstalt, das bisher nicht Ländervermögen war, beschränkt und dem Bund nicht einmal das bescheidene Recht der Einräumung von Sendezeiten für wichtige Mitteilungen zugestanden worden.
Wir werden uns im Verlauf der Debatte wie anschließend in den zuständigen Ausschüssen sicherlich noch mit diesem ganzen Fragenkomplex beschäftigen müssen, da die Frage, was Bundessache und was Ländersache ist, noch keinesfalls ausdiskutiert ist.
Es ist sicherlich kein Zweifel an der Annahme erlaubt, daß sich die vertragschließenden Länder bei der Abfassung dieses monströsen Vertragswerks etwas gedacht haben. Ganz gewiß hatten sie dabei ein bestimmtes Ziel im Auge, und zwar in der Sache sehr massiv, obzwar sonst geradezu diabolische Bemühungen erkennbar sind, mit Rücksicht auf die Wirkung in der Öffentlichkeit es dieser möglichst zu verschweigen.
Ich weiß nicht, ob dieser Staatsvertrag bei dem kürzlich kreierten Karnevalsschlager: „Man kann auch alles übertreiben!" Pate gestanden hat. Aber im wohlverstandenen Interesse der beteiligten Länder darf daran erinnert werden, daß, wenn auch der Appetit beim Essen zu kommen pflegt, es auch dem Gourmand schlecht bekommt, wenn er mehr ißt, als er zu verdauen in der Lage ist.
Sehen Sie sich einmal dieses Vertragswerk und die — hier muß man schon sagen — Verspeisungsfolge an. Die bisherige Organisation des Südwestfunks sah, wie bei den übrigen westdeutschen Rundfunkanstalten, vor, daß der Intendant die Anstalt öffentlichen Rechts leitete, daß er aber seinen Etat von dem Rundfunkrat vorgeschlagen bekam, daß ein Verwaltungsrat gebildet wurde, der die Verwaltung, die technische Geschäftsführung dauernd überwachte, und daß vom Rundfunkrat ein Programmausschuß gewählt wurde, der den Intendanten in der Programmgestaltung beriet. Die Prüfung der Jahresrechnung erfolgte durch den Verwaltungsrat nach Einholung eines Prüfungsberichts von einem vom Lande Rheinland-Pfalz ernannten Sachverständigen. Die Genehmigung der Jahresrechnung und Erteilung der Entlastung war wiederum eine Sache des Rundfunkrats. Im Rundfunkrat saß natürlich auch ein Vertreter einer jeden der drei Regierungen. Im übrigen wurden die Rundfunkratsmitglieder von den Institutionen des öffentlichen Lebens gewählt, denen man ein besonderes Interesse für den Rundfunk zutraute. Der Rundfunkrat selber wählte seinerseits wiederum den Verwaltungsrat.
Der Staatsvertrag hat nun keinesfalls seine Absicht, den Funk zu säkularisieren, aufgegeben, sondern — und dies ist, glaube ich, noch ein besonderer Vorwurf gegen ihn — er sucht sein Ziel durch ein sorgfältig ausgeklügeltes Netz von Paragraphen zu erreichen, das der geschickte Fischer dann im gegebenen Moment zusammenziehen kann. Während der Verwaltungsrat bisher nur ein kaufmännischtechnisches Kontrollorgan war und es seinem Wesen gemäß auch nur sein kann, das mit der Programmgestaltung außer hinsichtlich der Kosten nichts zu tun hatte, wird ihm nach diesem Staatsvertrag die entscheidende Machtstellung einge-
Jacobs)
räumt; denn der Intendant wird an seine Beschlüsse auch hinsichtlich des Programms gebunden.
Trotz dieser Vermehrung der Aufgaben des Verwaltungsrats wird dieser von 11 bzw. 12 Mitgliedern auf 9 Mitglieder verkleinert, und — merken Sie die Absicht — von diesen 9 Mitgliedern werden nicht wie bisher alle vom Rundfunkrat gewählt, sondern nur 6, während 3 von den Regierungen ernannt werden. Die 6 vom Rundfunkrat gewählten Mitglieder sind persönliche Mitglieder und daher unvertretbar. Für den Fall ihres Unvermögens, an einer Sitzung teilzunehmen, fällt ihre Stimme aus. Die 3 Regierungsvertreter sind aber ersetzbar. Sie erscheinen also in jeder Sitzung, einmal als Minister, einmal als Oberregierungsrat und einmal als Ministerialrat.
Die Regierungen erhalten also durch diese an ihre Weisungen gebundenen und zum Bericht verpflichteten Beamten einen Einblick in jeden geschäftlichen Vorgang der Anstalt. Sie können aber ihren Einfluß nicht nur durch einen auswechselbaren Vertreter im Verwaltungsrat geltend machen, sondern sie haben sogar ein Recht der Beanstandung des Haushalts, den bisher der Rundfunkrat in letzter Instanz beschlossen hat. Darüber hinaus haben sie ein Kündigungsrecht, erstmalig zum 1. April 1954, dann jedes Jahr, so daß jede Forderung der Regierung nicht nur an der Beanstandung des Haushalts, sondern auch in der Kündigung des Vertrags überhaupt eine von keinem Intendanten übersehbare Unterstützung findet. Wenn die Regierungen nicht wollen, kommt nämlich überhaupt kein Etat zustande, ganz abgesehen davon, daß es für eine Rundfunkanstalt völlig unmöglich ist, langfristig zu planen, wenn das Damoklesschwert der Kündigung dauernd über ihrem Haupt schwebt. Diese Kündigungsmöglichkeit ist widersinnig, oder sie hat vielmehr nur dann einen Sinn, und zwar einen sehr schlauen Sinn, möchte ich sagen, wenn sie beim ersten Termin ausgenutzt wird, um damit das aus Nicht-Ländervermögen bestehende Anstaltseigentum in das Ländervermögen zu überführen und dann eine Anstalt nach eigenem Gutdünken aufzubauen, in deren Statuten die Abhängigkeit von der Länderregierung nicht mehr schamhaft verschwiegen zu werden braucht.
Sie sehen also, daß überkompensierte Minderwertigkeitskomplexe nicht auf von Statur kleine Menschen beschränkt bleiben, sondern anscheinend ihren Niederschlag auch in kleinen Staatsgebilden finden. Dieser Staatsvertrag ist eine Politik mit Pauken und Trompeten, allerdings ausgeführt in der Disharmonie der Töne einer Duodezkapelle. Andererseits: wieviel beklagenswerter Mangel an Vertrauen in das Funktionieren anderer demokratischer Einrichtungen, die sich in der Zwischenzeit in unserem Volke gebildet haben, als der Parlamente und Regierungen! Wie soll das, was man unter Demokratie doch nur verstehen kann, in unserem Volk zum Tragen kommen, wenn man von vornherein die demokratische Honorigkeit von Einrichtungen wie Rundfunk- und Verwaltungsrat in Zweifel zieht? Bei so viel Eigensüchtigkeit und angemaßter Unfehlbarkeit ist doch mit Recht die Frage nach der Unterscheidung eines demokratischen Staatssystems von einem anderen erlaubt.
Angesichts dieses Tatbestandes dürfen Sie es mir nicht verübeln, wenn ich — wie Bernhard Shaw in seinem „Kaiser von Amerika" — frage: „Warum soll ein guter König nicht besser als ein schlechter Minister sein?" Ich will hier keine Debatte über die Monarchie führen, ich denke nicht daran; denn sie wäre in unserer Situation ein Streit um des Kaisers Bart. Aber wann begreifen endlich gewisse Leute, nachdem die hellhörige Presse und andere interessierte Organisationen, die Parteien, einschließlich der Millionenorganisation der Gewerkschaften, es längst gemerkt haben, daß mit der unbotmäßigen — —
— Mindestens so wichtig wie eine Ärztekammer, wenigstens was die Menge anbelangt, Herr Kollege Dr. Hammer! — Ich sage, ich lege Wert auf die Betonung der Worte „unbotmäßige Bevormundung". Wann begreifen diese Leute, daß durch solche Methoden der sowieso schon stark strapazierte demokratische Gaul eines Tages zu Tode geritten sein wird? Eine Rundfunkanstalt ist nicht schon deshalb undemokratisch und staatsgefährlich, weil sie sich nicht mit allen Maßnahmen oder Unterlassungen der jeweiligen Regierung solidarisch erklärt. Kluge Leute sollten aber auch wissen, daß bei aller Anerkennung des Bedürfnisses, im Rundfunk um eine Politik im Interesse des Staates zu wissen, das beim Hörer um so eher ankommt, je weniger der Rundfunk gegängelt wird. Wer Ohren hat zu hören, wird immer wieder die Bestätigung dafür bekommen, daß eine in eigener Zuständigkeit und Freiwilligkeit zustande gekommene politische Sendung eines Rundfunks, die naturgemäß nicht antidemokratischen Charakters sein darf, beim Hörer auf viel besseren und fruchtbareren Boden fällt, als es durch sogenannte amtliche Verlautbarungen möglich wäre. Oder etwa, auf die Presse angewandt, da sie ihrem Wesen gemäß vom Rundfunk gar nicht getrennt werden kann: sie wurde deshalb auch bei der Erörterung des Staatsvertrages mit Recht hellhörig, weil sie gewisse Befürchtungen hinsichtlich der damit präjudizierten Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit der Presse hatte. Ein durchaus objektiver, mit ein bißchen Wohlwollen gewürzter Artikel — um nur einen Namen zu nennen — von Walter Henkels dient doch dem Verständnis der parlamentarischen Einrichtungen und ihrer Reputation bei der Bevölkerung weit mehr, als es durch alle anderen Arten, insbesondere durch eine Art, die ein Staatsrundfunk vermitteln könnte, der Fall ist.
Worauf es, meine Damen und Herren, ankommen muß, das ist, mit bemüht zu bleiben, daß in unseren Rundfunkanstalten immer — mindestens an der entscheidenden Stelle — Demokraten tätig sind. Und wer um die leitenden Männer in den westdeutschen Rundfunkanstalten weiß — das gilt in besonderem Ausmaß für den Südwestfunk —, der weiß, daß nach dieser Richtung auf sie manchmal viel mehr Verlaß ist als auf so manche Ministerialbeamten, die bei ihren gelegentlichen Zusammenkünften im quasi Bonner nationalbolschewistischen Hauptquartier aus ihrer antidemokratischen Gesinnung durchaus kein Hehl machen.
Gewiß — um am Schluß noch auf ein weiteres Argument einzugehen —, unser aus vielen Gründen berechtigtes Bedürfnis, an Stelle von Besatzungsrecht deutsches Recht zu setzen, kann und darf keinesfalls zur Folge haben, aus alliierter Vormundschaft nur deshalb entlassen zu werden, um, ledig dieser Bevormundung, gewisse beklagenswerte Zustände der Vergangenheit wieder fröhliche Urständ feiern zu lassen.
Gönnen Sie mir, meine Damen und Herren, den Erfolg, nicht auf taube Ohren gestoßen zu sein, auch wenn Sie der Meinung sind, daß ich persönlich
es nicht verdient habe; aber die Sache ist es, die es
verdient, und sie allein sollte beredter Anwalt sein.