Rede von
Arno
Hennig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Warum spricht man nicht zu den Patenten? — Herr Renner, heute sprechen wir von der Kunst! Das ist ein sehr, sehr weites Feld. Ich weiß nicht, ob sich die Deutschen völlig darüber klar sind, welche furchtbaren Verluste an Kunstgegenständen Gesamtdeutschland erlitten hat. Es wird erst in dem Augenblick, da es ein wiedervereinigtes Deutschland gibt, ganz ermessen werden können, was wir verloren haben.
Nach unserer Schätzung fehlen dem gesamtdeutschen Kunstbesitz ungefähr 900 000 Kunstgegenstände, angefangen von der Sixtinischen Madonna bis zu den Beständen von Porzellan- und Münzsammlungen.
Auch wir begrüßen den Antrag der Bayernpartei und unterstützen ihn. Wir möchten aber die Bundesregierung darauf hinweisen, daß bis zur Stunde noch namhafte Bestände aus westdeutschem Besitz in den Wiener Museen liegen, die dort nicht freigegeben werden konnten und auch noch nicht zurückgewonnen wurden. Wir sind dankbar dafür — wenn wir die Sammlungen in München, in Wiesbaden und Celle sehen durften —, daß uns so namhafte Teile erhalten und daß sie in so ausgezeichnetem Zustand zurückgegeben worden sind, nachdem sie zum Teil der Welt — einer achtungsvoll aufschauenden Welt — gezeigt werden konnten. Aber der Kunstbesitz gehört ins Land, und ein Volk, das so furchtbare Niederbrüche hinter sich hat wie wir, ist gerade auf die seelischen Quellkräfte dieser Kunstgegenstände angewiesen. Wenn sie heute, im Laufe des harten Ringens um unsere materielle Existenz, noch nicht so gewürdigt werden und man auch hier im Bundestag den Einwand hört: „Warum sprecht ihr nicht von den Patenten?", so wird doch die Zeit kommen, in der man erkannt haben wird, daß Kunstwerte als seelische Substanz, aus der ein Volk wesenhaft lebt, mindestens ebenso wertvoll sind wie Patente.