Rede von
Peter
Jacobs
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde es außerordentlich bedauern, wenn der Herr Bundesinnenminister, wie er andeutete, dann nichts mehr gegen diesen Staatsvertrag einzuwenden hätte, wenn die in einem sehr umfangreichen Schreiben der beteiligten Länderregierungen gemachten Zusicherungen verwirklicht würden. Ich befürchte, Herr Bundesinnenminister, daß Ihnen bei der Nachprüfung doch einiges einfällt — Sie ließen es ja offen, da Sie, wie Sie sagten, erst sehr kurze Zeit im Besitz der Unterlagen seien — und daß Sie die Unmöglichkeit der Situation hinsichtlich des Staatsvertrags dann auch noch einsehen werden. Mir persönlich wäre es sehr lieb, Sie kämen zu dieser Auffassung, weil ich dann nicht gezwungen wäre, Ihnen die Reitfähigkeit im Sattel des parlamentarischen Gauls wieder absprechen zu müssen, die ich Ihnen vorher bereitwillig zugestanden habe.
Denn selbst wenn hier die Frage hinsichtlich der Zuständigkeiten von Bund und Ländern nur für den einen oder andern von uns interessant sein sollte, so liegt mir doch viel daran, nach der Richtung nicht völlig ins Leere hineingeredet zu haben.
Nun zu den übrigen Bestimmungen des Vertrages und dem ganz offenbaren — vielleicht nicht gewollten, aber doch objektiv vorhandenen — Versuch, Grundrechte, nämlich die Meinungsfreiheit im Rundfunk zu unterbinden. Ich darf Ihnen dazu, weil ich über die ganze Atmosphäre des Zustandekommens dieses Vertrages zwangsläufig verhältnismäßig gut informiert bin, folgendes sagen: Ein Teil der Referenten ist bei der Festlegung dieses Staatsvertrages von der Voraussetzung ausgegangen, daß es sich bei den Hörergeldern doch eigentlich um Steuern handle. Diesen Ast hat ja nicht einmal der Herr Bundesfinanzminister erklettert, obwohl man ihm doch wirklich nicht den Vorwurf machen kann, Mangel an Phantasie in der Erfindung neuer Steuern bewiesen zu haben. Darüber hinaus ist von einem Teil der Referenten ganz offen zum Ausdruck gebracht worden, daß es sich hier darum handeln müsse, einer Organisation und ihren Männern Fesseln anzulegen, die doch so maßlos besser bezahlt würden als sie selber.
Gewiß, meine Damen und Herren, ich glaube nicht, daß ein Rundfunkintendant jemals ein Gelübde zur ewigen Armut abgelegt hat, ehe er die Stelle des Intendanten übernommen hat, wie es heute bei den Beamten leider der Fall ist. Aber die Tatsache des zweifellos vorhandenen, klaffenden Unterschiedes zwischen der Bezahlung bei der Beamtenschaft und etwa bei den Angestellten des Rundfunks darf doch keine Veranlassung sein, das Bestehen dieser Kluft zur Grundlage von einengenden, und zwar die Meinungsfreiheit einengenden Bestimmungen eines Vertrages zu machen. Im speziellen Fall kommt noch hinzu: der intellektuelle Urheber dieses Staatsvertrags — ich verrate kein Geheimnis, wenn ich Ihnen
4 sage, daß ich dabei einen bestimmten Ministerialrat im Ministerium des Landes Rheinland-Pfalz im Auge habe —
— doch, Herr Kollege Kemper, es tut mir leid, auf ihn geht eine der tragenden Tendenzen des Vertragsentwurfs zurück — hat schon vor Jahren zu mir gesagt, daß er als Mitglied der CDU in diesem Fall antiklerikal, nämlich antibischöflich sei, weil der Intendant des Südfunks den Namen Bischof trägt.
Alle diese Momente sind in einem Konglomerat aus
unverstandenen Dingen zusammengetragen worden.
Meine Damen und Herren, hüten wir uns vor dem Vorwurf, der uns gemacht werden könnte, wir seien allzu sehr geneigt, den Rundfunk als Institution aus demselben Blickwinkel zu sehen, wie der Durchschnittsbürger bis dato uns, das Parlament, und die Regierung gesehen habe. Mit welchem Recht wollen wir einen Vorwurf gegen diese falsche Perspektive erheben, wenn wir selber diesem Fehler in dem Augenblick unterliegen, in dem wir eine andere, für viele von uns in ihrem Wesen unbekannte Institution beurteilen sollen? Denn ich bat doch, besonders darauf zu achten, und bitte Sie, auch jetzt noch einmal in den Bereich Ihrer Überlegungen einzubeziehen: das in diesem Staatsvertrag der Regierung de facto gegebene Recht zur Etatgestaltung beinhaltet doch praktisch die Möglichkeit, das Programm allein zu gestalten. Und ein Programm in die Abhängigkeit eines immer bedürftigen und nimmersatten — zwangsläufig nimmersatten — Finanzministers zu bringen, würde doch zu einer unerträglichen geistigen und kulturellen Verarmung des Rundfunks führen, deren Schaden und Nachteile wir vielleicht zu spät merken würden. Wir möchten doch auch in Zukunft Rundfunk hören und baldmöglichst auch Rundfunk sehen! Aber ein Programm, das sich auf der Basis knapp bemessener finanzieller Mittel entwickeln müßte, deren Zuteilung vom Wohlwollen der Regierung abhängig ist, wäre doch ein Programm, bei dem uns Hören und Sehen vergehen würde.
Deshalb meine besondere Bitte, sich hier nicht mit dem Hinweis zu begnügen, daß seitens der in Frage kommenden Länderregierungen entsprechende Erklärungen abgegeben wurden, die den Vertrag erst in einer bestimmten Richtung interpretieren.
In diesem Zusammenhang darf das gesagt werden, was der Verleger Jacobsohn zu Tucholsky einmal gesagt hat. Als er wieder einmal mit einem unverständlichen Manuskript kam und erklärte: „Das wollte ich sagen", da sagte der Verleger: „Dann sag's!" — Warum hat man das, was man angeblich in dem Vertrag wollte, nicht in den Vertrag hineingenommen und es zu einem Bestandteil des Vertrages gemacht? Warum hat man uns damit erst die Möglichkeit genommen, zu all diesen Dingen Stellung zu nehmen, die heute zwangsläufig unsere Kritik herausfordern müssen?
Ich glaube nicht, daß jemand unter uns das Recht hat, die Gefahren, die aus diesem Staatsvertrag auch nach gewissen Abänderungen entstehen würden, zu übersehen. Im Interesse der Wahrung des Ansehens unseres Parlaments in der Öffentlichkeit sollten wir mit daran interessiert sein und mithelfen, daß dieser Staatsvertrag in seiner Gänze in der Wolfsschlucht verschwindet. Bei aller Anerkenntnis der notwendigen Reserve gegenüber großen Worten, aber eben, weil es für viele nicht erkennbar ist, obwohl es in der Sache gar nicht übersehen werden kann, handelt es sich bei der Stellungnahme zu diesem Punkt der Tagesordnung in Wirklichkeit um eine demokratische Bewährungsprobe allererster Ordnung, von der ich im Interesse der Gesamtheit des Hauses wünschen möchte, daß wir sie bestehen.