Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat schon früher, zuletzt in der 164. Sitzung des Bundestags, dem Grundgedanken des Antrags Drucksache Nr. 2705 der Bayernpartei zugestimmt. Dieser Gedanke ist ohne Zweifel via Straßburg nach München gelangt. Auf dem Wege dorthin hat er sehr viele Federn gelassen, wie ich Ihnen nachher noch zeigen werde.
Was beantragt wird, ist nichts Neues in der Welt. Es gibt Beispiele für solche kleineren, weitergehenden Postvereine innerhalb des Weltpostvereins. So gibt es den ibero-amerikanischen Postverein, der 23 Staaten umschließt, Staaten, die in Europa, in Amerika und — soweit es spanische Kolonien sind — in Afrika liegen. Wir haben seit 1935 den skandinavischen Postverein, innerhalb dessen für den Postverkehr reduzierte Gebühren gelten. Seit einigen Jahren schließlich gibt es jetzt den italienischfranzösischen Postvertrag, nach dem im Verkehr zwischen den beiden Ländern nur die Inlandsgebühren erhoben werden.
Es lag natürlich der Gedanke nahe, in Straßburg, wo man sich nach allen Richtungen hin um mehr Einheit in Europa bemüht, diese Beispiele zum Vorbild für die Bildung eines allgemeinen europäischen Postvereins mit genereller Geltung der Inlandsgebühren und der generellen Vereinfachung und Rationalisierung des Postbetriebes zu nehmen. Das ist in der Tat geschehen. In Straßburg hat das Sekretariat einen Bericht über diese Frage angefertigt, der jetzt zu Ende dieses Monats der Beratenden Versammlung zugeleitet werden wird. Die Wirtschaftskommission der Versammlung hat eine Empfehlung ausgearbeitet, die als Drucksache Nr. 154 im Mai dieses Jahres erschienen ist. Aus dieser Empfehlung möchte ich Ihnen die entscheidenden Punkte zitieren. Sie werden dabei sehen, daß das, was in Straßburg geplant ist, sehr viel weiter geht als das, was in dem summarischen Antrag der Bayernpartei gefordert wird. Es heißt da:
Die Versammlung empfiehlt dem Ministerrat
1. alle möglichen Maßnahmen zu prüfen, um die schnelle Einrichtung eines Postvereins zwischen allen Mitgliedstaaten nach dem Vorbild dessen, der zwischen Frankreich und Italien schon besteht, zu schaffen;
2. auf Telephonverbindungen die gleichen Erleichterungen auszudehnen, die für die Postverbindungen geplant sind, und dabei nur die Entfernungen zu berücksichtigen, nicht aber die Grenzen, die die einzelnen Länder trennen;
3. eine Konferenz der europäischen Post- und Fernmeldedienste einzuberufen mit dem Auftrag, die oben genannten Ziele auf der Grundlage der vorbereitenden Arbeit des Sekretariats zu erreichen.
Der Antrag Drucksache Nr. 2705 der Bayernpartei ist nicht auf der Höhe dieses Empfehlungsentwurfs
des Europarates. Das hat meine Fraktion veranlaßt, den Abänderungsantrag einzubringen, der Ihnen als Umdruck Nr. 361 vorliegt. In dem Antrag der Bayernpartei werden der Bundesregierung Schritte empfohlen. Es wird aber nicht gesagt, welche Schritte sie tun soll. Wir haben mit diesen Dingen die Erfahrung gemacht, daß die Schritte der Bundesregierung zuwenig zahlreich und zuwenig weitgehend sind. Deshalb sollte man ihr etwas konkreter sagen, was sie tun soll. Unser Antrag nimmt daher die Grundgedanken des Empfehlungsentwurfs der Versammlung, der jetzt Ende des Monats zur Abstimmung stehen wird und der sicher einstimmig angenommen werden wird, auf und faßt sie in den Punkten 1 und 2 zusammen. Wir können also das, was wir hier im Bundestag wollen, mit dem verzahnen, was wir in Straßburg als Delegierte tun und was nach diesem Antrag die Bundesregierung im Ministerrat tun soll.
Darüber hinaus enthält der Punkt 3 den Vorschlag, sich nicht darauf zu beschränken, dort die multilaterale Aktion in Angriff zu nehmen, sondern auch durch zweiseitiges Vorgehen dem Ziele näherzukommen. Wir sollten hier so vorgehen, wie wir es in dem andern Anliegen getan haben, in dem wir auch versuchen, die deutschen Grenzen ein wenig aufzuweichen. Wir haben hier von der Abschaffung des Visumzwanges gesprochen. Auch da hat meine Fraktion vorgeschlagen, daß wir beides tun, daß wir im Europarat, in der OEEC und durch zweiseitiges Vorgehen versuchen, diesen Visumzwang loszuwerden. Soviel ich unterrichtet bin, wird gerade diese zweiseitige Methode sehr bald auch praktische Resultate, zunächst einmal mit einigen wenigen europäischen Staaten, bringen. Das haben wir also auch unter Punkt 3 unseres Änderungsantrags vorgeschlagen.
Wir sollten jedem europäischen Staat — und nicht nur Frankreich — diesen Vorschlag machen. Bei Frankreich ist man am widerspenstigsten in europäischen Dingen, die nichts einbringen, wo es um die tatsächliche deutsche Gleichberechtigung geht. Wenn es dort um Jugendpaß oder um Abschaffung des Visumzwanges geht — dabei ist nichts zu gewinnen, das ist wirkliche Gleichheit für beide —, dann wird es in Frankreich abgelehnt. Und so hat der Herr Bundespostminister die gleiche Erfahrung gemacht auf dem Gebiet der Vereinfachung des Postverkehrs zwischen Frankreich und Deutschland. Soviel ich unterrichtet bin, ist es nicht einmal möglich gewesen, einen normalen Zeitungsverkehr zwischen Deutschland und Frankreich herzustellen. Wenn wir in Straßburg sind, dann müssen wir immer zwei Tage darauf warten, bis die deutschen Zeitungen über die Kehler Brücke kommen und wir das Neueste aus Bonn erfahren. Wir sollten dieses Angebot jedem Staat machen. Zum Beispiel Italien und Schweden und andere werden sehr viel schneller darauf eingehen. Und wenn wir erst einmal eine Bresche in diese Front geschlagen haben, werden wir sehr bald weiterkommen.
Ich bitte Sie also, dem Antrag der Bayernpartei nicht in der vorgelegten Form zuzustimmen, sondern in der konkreteren Form, die meine Fraktion vorschlägt.
Ich bitte um Entschuldigung, Herr Präsident, wenn ich noch einige Worte zu der Freifahrkarte sage, obschon meine sehr kurze Redezeit inzwischen abgelaufen ist. Wir sind gegen diesen Antrag nach Inhalt und Form. Wozu haben wir Freifahrkarten?
Wir haben eine Freifahrkarte, um unserer Arbeit nachgehen zu können.
Weil es sich um die Arbeit handelt, drum geben wir unseren Landtagsabgeordneten eine Freifahrkarte für ihr Land und keine Freifahrkarte für das ganze Bundesgebiet. Und wir Bundestagsabgeordneten, die wir unser Aktionsfeld im ganzen Bund haben, haben eine Freifahrkarte für das ganze Bundesgebiet.
— Ja, sehen Sie, die Bayernpartei begründet ihren Antrag damit, daß darin ein Ausdruck für die gesamteuropäische Solidarität gesehen werden soll. Nun, meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten doch zunächst einmal gesamtdeutsche Solidarität üben und als gesamtdeutsche und als geeinte Nation in Europa eingehen. Es ist mir nicht bekannt, daß die Bayernpartei im Bayerischen Landtag den Antrag eingebracht hätte, eine Freifahrkarte für das gesamte Bundesgebiet zu beantragen, um die gesamtdeutsche Solidarität zum Ausdruck zu bringen.
Vielleicht, meine Herren von der Bayernpartei, bringen Sie diesen Antrag im Bayerischen Landtag noch nachträglich ein.