Meine Damen und Herren! Vor einiger Zeit hat der sehr geschätzte Abgeordnete Dr. Horlacher von dieser Stelle aus geäußert, er sei ein alter „parlamentarischer Hase". Ich habe von den hinteren Sitzen der namenlosen parlamentarischen Mitläufer dagegen heftig protestiert.
Wenn Herr Dr. Horlacher schon den Tiervergleich wünscht, warum bleibt er dann so bescheiden bei dem kleinen Hasen? Es gibt doch größere Tiere, mit denen er sich besser vergleichen könnte!
Wenn man nun einmal beim Tiervergleich ist und sich fragt: wo landest du noch, wenn das so fortgeführt wird? —, dann kommt man hinter dem Hasen gleich zum Swinegel. Aber das lehne ich auch wiederum ab, weil bei dem bekannten Wettlauf zwischen Swinegel und Hasen der Swinegel bekannterweise gemogelt hat, und das ist etwas Ehrenrühriges. Ich möchte also in diesem Falle für mich in Anspruch nehmen: ich bin eine kleine weiße Maus,
die so vielfach zu Experimenten gebraucht und mißbraucht wird. Ich möchte hier experimentieren, ob es gelingt, bei der Mehrheit dieses Hohen Hauses Interesse für gesundheitspolitische Fragen zu erwecken.
Meine Damen und Herren! Friedrich von Schiller
schrieb kurz vor seinem Sterben: Sorgt für eure Gesundheit; ohne sie kann man nicht gut sein. Die Politiker beschäftigen sich, von rühmlichen Ausnahmen abgesehen, gewöhnlich erst mit ihrer Gesundheit und mit den Heilern, wenn sie selbst krank geworden sind. Dann entdeckt man zu seinem Entsetzen erst, daß man in der falschen Krankenkasse ist; man ist wieder einmal auf einen Prospekt hereingefallen, die Hauptkosten trägt man selbst. Und ist nun ein Bundestagsabgeordneter unglücklicherweise in der Ortskrankenkasse verblieben, dann geht es ihm wie dem Kollegen aus München, dem trotz ärztlicher Schweigepflicht und ärztlicher Ethik laut Nr. 2 der Zeitschrift des Verbandes der deutschen Ärzte, des Hartmannbundes, vom Arzt bescheinigt wurde:
Der Dank des Bundestagsabgeordneten. Ein Bundestagsabgeordneter erkrankte und begab sich in ärztliche Behandlung. Das Dienstauto des Bundestagsabgeordneten stand dem Arzt für diese Krankenbesuche „selbstverständlich" zur Verfügung. Nach zwei Monaten war die Behandlung erfolgreich beendet. Der Herr Bundestagsabgeordnete überreichte dem Arzt seinen Kassenschein und ließ es sich nicht nehmen, für die erfolgreiche zweimonatige Behandlung seinen Dank persönlich auszusprechen. Er gehörte zu den freiwillig Versicherten der Allgemeinen Ortskrankenkasse München.
Dr. St., München
Ich bitte den Herrn Präsidenten um Entschuldigung, wenn ich in etwa von dem § 1 abgeschweift
bin. Aber ich komme ja aus Kiel und kehre immer
wieder zur „Kaiserlichen Werft" zurück.
Alle Münchner Abgeordneten stehen nun unter dem Verdacht, sich vom ärztlichen Standpunkt unangebracht in Krankheitsfällen der Allgemeinen Ortskrankenkasse zu bedienen, wozu ganz öffentlich zu bemerken wäre, daß der Abgeordnete in München kein Dienstauto hat, seine Entschädigung durch Fernbleiben von der Parlamentsarbeit wegen Krankheit sehr stark stranguliert wird und daß im Nichtversicherungsfalle sein Krankheitsunkostenkonto gewaltig in die Höhe schnellt. Auch wenn der Bundestagsabgeordnete durch Genuß von Milch einen ausgewachsenen Typhus bekommt, dann merkt er leider zu spät, daß er sich doch vorher eigentlich viel mehr mit gesundheitspolitischer Gesetzgebung hätte befassen müssen.
Der amerikanische Statistiker Dublin weist in seinem Buche „Gesundheit als Wirtschaftsgut" nach, daß die gesundheitliche Lebenskraft eines Volkes das Fünffache alles Kapitals an Sachwerten ausmacht. Für die Erhaltung und Pflege dieses Volkskapitals, meine Damen und Herren, sind nach meiner und meiner Freunde Ansicht nicht nur die Ärzte und Heiler, sondern auch die Politiker verantwortlich.
Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf hat man den Eindruck, als wäre die ganze Facharztordnung eine standespolitische Angelegenheit. Wir betrachten sie hingegen als eine gesundheitspolitische Frage von durchaus erheblicher Bedeutung. Kann man dem § 1 in der vorliegenden Fassung seine Zustimmung geben? Meine politischen Freunde sagen ja zur Neuregelung der Facharztordnung, nein zu dem vorliegenden § 1.
Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat durch Verordnung vom 12. September 1950 den Bundesgesundheitsrat gebildet. In § 2 dieser Verordnung heißt es:
Der Bundesgesundheitsrat hat die Aufgabe, die Bundesregierung bei der Vorbereitung der Gesundheitsgesetzgebung zu beraten.
In der Geschäftsordnung des Bundesgesundheitsrats heißt es in § 1:
Es werden ständige Ausschüsse des Bundesgesundheitsrates gebildet:
1. Gesundheitswesen im allgemeinen .
In § 2 heißt es:
Nach Bedarf können vom Bundesminister des Innern Ausschüsse zur Beratung von Sonderfragen eingesetzt werden.
Der Ausschuß für Gesundheitswesen hat in diesen Tagen den Gesetzentwurf über das Bundesgesundheitsamt verabschiedet; er wird Ihnen demnächst zur Beschlußfassung zugehen. Der Bundesgesundheitsrat wird dann, wie die Regierung auf eine Anfrage schon mitgeteilt hat, seine Tätigkeit aufnehmen.
Meine Damen und Herren! Hier kann mit Hilfe des Bundesgesundheitsrats eine Aufgabe gelöst werden, wenn das Parlament die Voraussetzungen dazu schafft. Man komme mir nicht mit dem Einwand der vorläufigen Regelung, wie es meine sehr geschätzte Kollegin Frau Dr. Steinbiß schon getan hat. Die vorläufigen Gesetzeskinder haben nach unserer Erfahrung ein zähes Leben.
Ich glaube kaum, daß wir dann in dieser Legislaturperiode noch dazu kommen dürften, eine Änderung vorzunehmen. Wir wollen eine Lösung der Facharztordnung anstreben, die auch unserem Laienempfinden die Beruhigung gibt: Wir als Hüter und Wahrer der Volksgesundheit haben dem Gedanken der Anerkennung des Facharztes die gebührende Wertung zuteil werden lassen. Wir beantragen deshalb zu § 1 dieses Gesetzentwurfes folgende Änderung:
Zur Durchführung der in § la bezeichneten Aufgabe wird ein Ausschuß des Bundesgesundheitsrates eingesetzt.
Abs. 2 kann dann gestrichen werden. Wir glauben, so auch am besten den Schwierigkeiten zu entgehen, die sich bei dem Schwebezustand, in welchem sich eine Reihe von Landesärztekammern befindet, in der Regelung der Frage der Facharztordnung ergeben würden, wenn man sie den Landesärztekammern allein überließe.
Verehrte Kollegin vom Gesundheitsausschuß: Warum gerade bei dieser Frage diese Eile? Der Antrag stammt vom 17. Mai 1951, der Antrag der CDU betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom
14. Oktober 1949, der Ausschußbeschluß, die gesetzliche Regelung dieser Materie vorzubereiten, vom 2. Februar 1950. Wir schreiben heute den
15. November 1951, und bald ist wieder Silvester.
Meine Damen und Herren, wir haben noch weit wichtigere Fragen auf gesundheitspolitischem Gebiet im Augenblick im Rückstand, die vordringlich geregelt werden müssen. Wenn Sie unserem Antrag die Zustimmung geben, ermöglichen Sie dem Bundesgesundheitsrat einen guten Start, die Angelegenheit aus dem Standespolitischen auf die höhere Ebene des Gesundheitspolitischen zu führen. Der Arzt ist bei der Regelung der Facharztordnung als Mitglied des Bundesgesundheitsrates nicht ausgeschlossen; aber neben ihm wirken an der Lösung dieser Aufgabe dann die Kräfte mit, die sich berufen fühlen, am Werke der Volksgesundheit mit der gleichen Hingabe mitzuarbeiten.