Rede von
Hans
Ewers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte gedacht, daß eine Debatte über diese Vorlage nicht nötig sei und daß man angesichts des Ausschußbeschlusses hier ohne weiteres zur Verabschiedung kommen könne. Da meine Fraktion Antragstellerin war und da von anderen Fraktionsrednern einige richtungweisende Worte gesprochen worden sind, möchte ich nicht etwa irgend etwas bestreiten, was gesagt worden ist, sondern nur noch etwas hinzufügen.
Die Vorlage, die uns die Bundesregierung möglichst bald unterbreiten möge, wird von den außerordentlich vielseitigen, zum Teil schon lediglich auf Gewohnheitsrecht beruhenden Rechtszuständen in deutschen Ländern auszugehen haben. Es wird sich dann ergeben, daß dieser Rechtszustand meines Wissens in keinem Lande bisher voll befriedigend ist und daß sich vielleicht überhaupt keine voll befriedigende Lösung erzielen läßt.
Denn man muß bedenken: Wir haben es hier mit zwei Personen zu tun, in erster Linie mit einer, die im Verdacht steht, geisteskrank zu sein, und in zweiter Linie mit einem Irrenarzt. Es gibt ausgezeichnete Irrenärzte. Es gibt auf diesem Fachgebiet aber auch Arzte mittlerer Art und Güte, und es mag mein Schicksal als Anwalt gewesen sein, meistens nur mit der zweiten Kategorie in Verbindung gekommen zu sein.
Der Arzt muß nämlich wissen, daß ihm auch einmal ein vielleicht etwas psychopathisch veranlagter, aber dem Wesen nach gesunder Mensch vorgeführt wird, der in die Rolle eines — ich hätte beinahe gesagt — Angeklagten geraten ist und mit dem dann psychologische Prüfungen vorgenommen werden, bei denen der Arzt zunächst nach dem „Kontakt" fragt. Die Frage, ob man mit einem Menschen, der gegen seinen Willen, vielleicht unter polizeilichem Zwang, irgendwo eingeliefert ist, in Kontakt kommt, hängt nicht nur von dem Vernommenen, sondern auch von dem Vernehmenden ab, und die Formularfragen, die ich da zum Teil gesehen habe, sind meines Erachtens das Unpsychologischste, was man sich überhaupt nur vorstellen kann. Kein Wunder, daß der Kontakt da ausbleibt! Das alles mögen nur die Grenzfälle sein; andererseits aber ist klar: die Forderung, daß die Öffentlichkeit vor gemeingefährlichen Geisteskranken geschützt werden muß, wird nach dem Münchener Urteil in jenem Mordprozeß heute besonders laut erhoben. Aber dazu müssen wir sagen: Der Psychiater erklärt, so-was komme 'in hundert Jahren vielleicht einmal vor, aber es könne vorkommen. Folglich sind vorbeugende Maßnahmen ja offenbar auch nur mit
größter Vorsicht vorzusehen. Ich meine, dieses Gebiet ist außerordentlich schwierig, und ich verstehe das Innenministerium durchaus, daß es nur mit Widerstreben an die Aufgabe herantritt. Aber diese einzelnen, zum Teil allerdings von der Presse stark aufgebauschten Fälle schreien nach einer gesetzlichen Regelung, anhand derer jedenfalls der Einweisende, die Anstalt und die Rechtsvertreter genau so wie die Gerichte wissen, woran man ist, und wobei ein bestimmtes Verfahren vorgesehen ist, das sehr vielgestaltig je nach der Lage des einzelnen Falles sein mag, das aber bestimmte Regeln vorschreibt.
Ich glaube nicht, daß wir auf Anhieb ein vollendetes Gesetz bekommen. Aber irgendeine Regelung hält, glaube ich, mit mir der ganze Bundestag für unbedingt eilbedürftig.