Rede von
Dr.
Franz Josef
Strauß
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist, Gott sei Dank, keine bayerische Angelegenheit, die wir hier auszutragen haben,
sondern eine gesamteuropäische Sache. Aus diesem
Grunde komme ich auch nicht in die Gefahr, mit in
die Konkurrenz um die Priorität zu treten, die
3) heute eine so erhebliche Rolle spielt.
— Das ist immer zweiseitig, Herr Kollege Besold.
Es ist auch unerheblich, ob hier der Straßburger Einfluß oder der Basler Einfluß obgewaltet hat. Wenn es der Basler Einfluß ist, kann man nur sagen, daß die Geschwindigkeit, mit der dieser Antrag eingereicht worden ist, nachdem seit dem Juni 1950 so viel Zeit vergangen ist, jedenfalls die des voreuropäischen Zeitalters noch wesentlich unterboten hat.
— Sie sagen: Wenigstens aber doch! Da muß ich erwidern: es ist — ich will damit keine böswillige Kritik üben — vielleicht doch nicht der richtige Weg, daß Angelegenheiten, die bei der deutschfranzösischen Parlamentarierkonferenz erörtert und beschlossen worden sind und die bereits im Europarat vorliegen, mit Ladehemmungen von einem bis anderthalb Jahren in der Form eines Antrages im Deutschen Bundestag auftauchen, um hier behandelt zu werden.
— Der Kollege Besold sagt, ich hätte noch gar nichts getan. Dazu muß ich bemerken, ich halte es einfach nicht für richtig — denn es ist leeres Stroh gedroschen —, daß Dinge, die bereits im Europarat zur Annahme empfohlen oder bei der Parlamentarierkonferenz beschlossen sind, der Schaufensterwirkung wegen noch dem Deutschen Bundestag zur „wohlwollenden Agitation" unterbreitet werden.
Es ist auch gar nichts dagegen zu sagen, wenn er diesen Antrag begrüßt; er liegt ja auf der Linie der Politik, die das Bundespostministerium schon seit einiger Zeit verfolgt. Aber Sie müssen nicht unbedingt mit dem Bundespostministerium in Konkurrenz um die Priorität treten;
sonst wären es ja zu viele Konkurrenten. Richtig ist aber: die Tendenz, das Ziel, das mit diesen Anträgen verfolgt wird, ist zu begrüßen. Hier sollte man nach dem, was der Herr Staatssekretär des Bundespostministeriums geäußert hat, eigentlich auch einmal eines mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen — ich glaube, Kollege Mommer hat es schon anklingen lassen —: Wenn man zu Europa hinwill, genügt es nicht, daß man sich in großen Resolutionen und Programmen ergeht, während man nicht in der Lage ist, die einfachsten praktischen Schritte zu machen, um Europa zu verwirklichen.
Die Verwirklichung von Europa sollte schließlich auch nicht an den Budget- oder Kalkulationsschwierigkeiten scheitern, die einige Post- und Fernmeldeministerien in Europa machen, indem sie ausrechnen, wieviel Millionen DM oder Lire oder Franken ihnen entgehen, wenn für die Sendungen nach dem Ausland nur die Inlandsposttarife angewendet werden. Da soll man in Gottes Namen Entfernungstarife nehmen und nicht Geldschwierigkeiten vorschützen, wenn es sich darum handelt, hier praktisch einen Schritt nach vorwärts zu tun; dagegen muß ich mich mit aller Deutlichkeit verwahren und das Bundespostministerium ersuchen, in den weiteren Verhandlungen auf diesen Gesichtspunkt mit aller Energie und mit allem Nachdruck hinzuweisen. Auf diesem Wege werden wir der Verwirklichung Europas einen Schritt näherkommen.
Zum anderen aber möchte ich sagen, Herr Kollege Mommer: wir sind darüber erfreut, daß Sie trotz allem Skeptizismus die Plattform des Europarats immerhin für geeignet halten, eine Aussprache darüber zu führen. Der Europarat genießt ja sonst bei Ihnen keine große Sympathie; aber auf diesem Gebiet halten Sie ihn offenbar wenigstens für eine brauchbare Basis.
Was die Freifahrkarte betrifft, so habe ich keinen Zweifel daran, daß sämtliche Landtagsabgeordnete der Bayernpartei bereit wären, eine ihnen vom Bund spendierte Freifahrkarte zum Zwecke der Erweiterung ihrer Basis anzunehmen.
— Ich habe berechtigten Grund zu der Annahme, daß die Herren Abgeordneten der Bayernpartei im bayerischen Landtag noch einige andere Interessen als nur das hätten, den Deutschen Bundestag zu sehen.
Die praktischen Beispiele besprechen wir aber lieber in München, Kollege Besold.
Das Ersuchen des Kollegen Mommer an den Deutschen Bundestag, den Antrag der SPD anzunehmen, und der Antrag des Kollegen Dr. Decker beide Anträge dem Ausschuß zu überweisen, lassen
es als notwendig erscheinen, daß wir beide Anträge — allerdings im Hinblick auf die Ende des Monats stattfindende Europaratstagung mit möglichster Beschleunigung — einmal dem Ausschuß für Post-und Fernmeldewesen, zum andern dem Ausschuß für Verkehrswesen überweisen und daß wir sie zur Mitberatung auch dem Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten übergeben, was ich hiermit formell beantragen möchte.