Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der FDP hat in ihrer überwiegenden Mehrheit diesen Staatsvertrag abgelehnt. Allerdings gebe ich zu, daß nunmehr, nach den Erklärungen des Herrn Bundesinnenministers, hinsichtlich des Inhaltes des Staatsvertrages eine neue Lage entstanden ist. Trotzdem kann mich das Schreiben der drei Herren Ministerpräsidenten nicht befriedigen, solange die darin enthaltenen Erklärungen nicht Inhalt des Staatsvertrages sind. Also erst dann, Herr Bundesinnenminister, wenn die Zusicherungen der drei Ministerpräsidenten Bestandteil des Staatsvertrages werden, würde sich meine Fraktion unter Umständen noch einmal mit dem materiellen Gehalt des Staatsvertrages auseinandersetzen können.
Grundsätzlich müssen wir aber den Staatsvertrag auch aus rein formellen und verfassungsrechtlichen Bedenken ablehnen. Wo kommen wir hin, wenn jenes System der innerstaatlichen Vereinbarung zwischen den Ländern Schule macht! Im Südwestraum fängt man an. Wer garantiert uns, daß nicht morgen die Länder des Nordwestraumes ebenfalls einen Staatsvertrag schließen und so dem Nordwestdeutschen Rundfunk eine neue Gestalt geben, so daß das spätere Bundesrundfunkgesetz Änderungen hieran zumindest nur mit großen Schwierigkeiten treffen könnte? Vielleicht ist das beim NWDR sogar noch leichter; denn da sitzen in dem führenden Gremium, im Hauptausschuß, die Ministerpräsidenten und die Vertreter der Kultusminister, also insgesamt schon acht, und bei der Kollegialität, die man sich dort in den letzten Jahren immer entgegengebracht hat, ist durchaus die Gefahr gegeben, daß wir im nordwestdeutschen Raum einen Staatsvertrag über den Nordwestdeutschen Rundfunk bekommen. Wir müssen also diese Art der Vorwegnahme der Regelungen ablehnen.
Ich freue mich, daß die drei Ministerpräsidenten, die doch Vertreter der föderativen Staatsordnung sind, bestätigt haben, daß Art. 73 Ziffer 7 des Grundgesetzes dem Bund ausschließliche Rechte für das Post- und Fernmeldewesen gibt und daß also auch der Rundfunk unter Post- und Fernmeldewesen zu rubrizieren ist, was die Vertreter der Bayernpartei hier ja unlängst bestritten haben, was aber nicht zu bestreiten ist, wenn man die Protokolle des Parlamentarischen Rates nachliest.
— Ja, die andere Richtung war in der Argumentation etwas gemäßigter.
Wir möchten daher, daß dieser Staatsvertrag möglichst nicht ratifiziert wird, und ich sehe da auch gewisse Schwierigkeiten. Wir haben hier in dem Vertrag noch die Länder Baden, Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern'. Ich weiß gar nicht, wieviel Landtage dieser Länder überhaupt noch aktionsfähig sind, und ich weiß nicht, ob es nicht zweckmäßig wäre, erst auf die Entscheidung über den Südweststaat zu warten. Jedenfalls scheint mir dieser Staatsvertrag durch die staatsrechtliche Entwicklung da unten in wenigen Wochen überholt zu sein.
Ich hoffe also, daß er schon an diesen rein formalen Bedenken scheitern wird.
Im übrigen, Herr Kollege Jacobs, bin ich in der Kritik mit Ihnen in vielem einig; aber in einigen Fragen glaube ich, daß der Inhalt dieses Staatsvertrages etwas besser ist, als er auf den ersten Blick erscheint. Die Rundfunkräte z. B. scheinen mir hier besser zusammengesetzt zu sein, als etwa beim Nordwestdeutschen Rundfunk
der Hauptausschuß und der Verwaltungsrat gestaltet sind, bei denen leider nicht die eigentliche Überparteilichkeit gewahrt ist. Ich habe in der Debatte der 140. Sitzung am 9. Mai 1951 schon zum Ausdruck gebracht, daß man nicht auf dem Umweg über Ministerpräsidenten und Kultusminister parteipolitische Exponenten in die Führung des Rundfunks bringen sollte; denn wenn man das tut, muß man alle in den Landtagen des Sendegebietes vertretenen Fraktionen an der Verantwortung mitbeteiligen. Das ist z. B. bei dem Nordwestdeutschen Rundfunk in Nordwestdeutschland nicht geschehen. Hier ist also die Lösung zumindest besser als die, die sich bei uns in Nordwestdeutschland in den vergangenen Jahren nicht bewährt hat.
Der Herr Bundesinnenminister hat auf das Bundesrundfunkgesetz hingewiesen. Es ist sehr bedauerlich, daß, wir es nicht schon längst haben; denn dann wäre die heutige Debatte überflüssig gewesen. Ich hoffe, Herr Bundesinnenminister — und ich wiederhole hier meine Bitte, die ich aus Anlaß der Debatte Ihres Haushaltsplans an Sie gerichtet habe —, daß das Kontrollratsgesetz Nr. 3 baldigst aufgehoben wird, damit endlich die Neuordnung des besatzungsatmosphärisch entstandenen deutschen Rundfunks erfolgen kann, jene Neuordnung durch das Bundesrundfunkgesetz, die längst fällig ist.
Daß z. B. § 7 das Recht der Gegendarstellung enthält — ich erwähne, daß hier § 11 des Pressegesetzes von 1874 hineingearbeitet worden ist, damit jede Richtung das Recht der Gegendarstellung habe —, das, Herr Kollege Jacobs, scheint mir auch ein Fortschritt zu sein. Überhaupt läßt sich manches aus dem Staatsvertrag vielleicht später einmal auf die Grundsätze übernehmen, die wir
beim Bundesrundfunkgesetz angewendet haben wollen. Allerdings gibt es einige Dinge wie die Einschränkung der Rechte des Intendanten, die uns als liberale Fraktion tief betrüben. Ich weiß, daß mancher Intendant gar nicht frei ist, sondern stark in parteipolitischen Fesseln liegt. Trotzdem müssen wir als Liberale anerkennen, daß höchste Leistung eines Intendanten nur in schöpferischer Freiheit möglich ist, und daher lehnen wir die Art der Einschränkung der Arbeit des Intendanten, die sich aus §§ 14, 15 und 16 ergibt, ab. Wir hoffen, daß dieser Grundsatz bei den kommenden Rundfunkgesetzen keine Schule macht.
Herr Kollege Jacobs hat hier von der Disharmonie eines Duodezorchesters gesprochen. Ich will nicht ins Musikalische steigen; aber mir scheint doch, daß man bei solchen Staatsverträgen auch einmal die gesamtpolitische große Entwicklung betrachten müßte. Wir haben ja nicht zufällig einen Art. 29 des Grundgesetzes, der die Neuordnung der inneren Gliederung unseres Bundesgebietes vorsieht. Mir scheint hier ein Widerspruch zu liegen zwischen den Reden und den Versuchen, auf der europäischen Ebene auch Praxis zu zeigen, und jenem Postkutschen-Denken, wie es sich in solchen Staatsverträgen zeigt. Wer wollte leugnen, daß zwischen Land und Land doch ein Unterschied ist? Manche Länder sind doch mehr originell als originär entstanden, und uns kommt es etwas eigenartig vor, wenn sich gerade recht zufällig entstandene Länder in Staatsverträge flüchten. Meine Damen und Herren, das sollte nicht Schule machen, sondern wir wollen hoffen, daß hier dem Bund gegeben wird, was des Bundes ist.
Nicht zuletzt in diesem Zusammenhang noch eine Mahnung an den Herrn Bundesfinanzminister und den Herrn Bundespostminister. Herr Bundesfinanzminister, Sie können mit der Übernahme des früheren Reichsvermögens des Rundfunks, des jetzigen Bundesvermögens, das leider von den Ländern und von den öffentlich-rechtlichen Körperschaften des Rundfunks allzu schnell mit Beschlag belegt worden ist, manches zur Verbesserung Ihrer gesamten finanziellen Situation tun, und Sie, Herr Bundespostminister, dürfen sich nicht gefallen lassen, daß Postvermögen von Ländern allzusehr in Anspruch genommen wird.
Ein Wort noch zum Bundesrundfunkgesetz, weil das hiermit in einem kontinuierlichen Zusammenhang steht. Herr Bundesinnenminister, vielleicht ist es zweckmäßig, auch noch den Gedanken eines Bundessenders anzuschneiden. Wir sehen gerade in diesem Falle, wie nötig es bei der Wellenverteilung im Zuge der Neuordnung des deutschen Rundfunks sein wird, die repräsentative „Deutsche Welle" zu schaffen, die früher einmal in dem Deutschlandsender vorhanden war und die uns heute fehlt, und zwar als Sprachrohr Deutschlands nach außen, als Sender, der kein Bundesregierungssender, aber ein Bundessender im staatspolitischen Sinne sein soll.
Schließlich noch ein Wort für jene zweitausend Menschen des Rundfunks, die außerhalb der Funkhäuser stehen, die Avantgardisten gewesen sind, politisch unbelastet, die nun einmal das Unglück hatten, unter einem Reichspropagandaleiter und unter einem Reichsrundfunk zu arbeiten. Vielleicht werden wir hier auch manchem im Rahmen der Neuordnung des deutschen Rundfunks wieder den Weg zum Mikrophon öffnen können, manchem, der heute verhindert ist, seine Fachkenntnisse dem deutschen Rundfunk zur Verfügung zu stellen, weil er durch allzu enge Teaminteressen und Intendantenkorporationen gehindert wird, an den eigentlichen Arbeitsort zu kommen.