Rede von
Dr.
Robert
Lehr
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine dringende Verpflichtung nach außerhalb, die mich den ganzen Tag in Anspruch nahm, hat mir erst im letzten Augenblick gestattet, hier vor dem Hohen Hause zu erscheinen. Die Fraktion der SPD hat in ihrer Interpellation, die Ihnen in der Drucksache Nr. 2692 vorliegt, die Auffassung vertreten, daß der Staatsvertrag über den Südwestfunk in bedenklicher Weise das Bundesrundfunkgesetz präjudiziere, das in meinem Hause in der Vorbereitung begriffen ist. Sie hat deshalb die Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, was diese zu tun gedenkt, um das Inkrafttreten des Staatsvertrages zu verhindern.
Im Namen der Bundesregierung erwidere ich folgendes. Die Bundesregierung hatte in dieser Angelegenheit aus gleicher Besorgnis Fühlung mit den drei beteiligten Landesregierungen genommen. Diese Verhandlungen schweben noch und sind nicht abgeschlossen. Gerade beim Betreten des Hohen Hauses habe ich eben noch einen Schriftsatz der drei Herren Ministerpräsidenten vom 14. dieses Monats bekommen, den ich mit meinen Sachbearbeitern noch einmal durchprüfen muß. Er ist sehr aufschlußreich, und deshalb trage ich Ihnen jetzt das Wesentliche dieses Schriftsatzes vor.
Die drei beteiligten Landesregierungen haben durch ihre Regierungschefs in diesem Schreiben vom 14. November 1951 an den Herrn Bundeskanzler die Erklärung abgegeben, daß nach ihrer Auffassung die folgenden Aufgaben in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes gehören — ich erinnere an den Art. 73 Ziffer 7 des Grundgesetzes —.
Erstens die Fragen des Trägers der Funkhoheit, die Fragen der Verleihung des Funkhoheitsrechts
und der Sender- und Hörerlizenzgebühren. Das ist der erste Punkt, in dem die drei Herren Ministerpräsidenten ihre Übereinstimmung mit uns dokumentieren.
Zweitens, sie anerkennen, daß die Verteilung und Überwachung des Wellenplans wiederum nach Art. 73 Ziffer 7 des Grundgesetzes in die ausschließliche Kompetenz des Bundes fällt.
Drittens, sie anerkennen, daß die Aufstellung technischer Vorschriften zur Funkwellenkontrolle in die ausschließliche Kompetenz des Bundes fällt.
Viertens, sie anerkennen, daß die Sicherung des Funkgeheimnisses Angelegenheit der Bundesgesetzgebung ist.
Fünftens, sie anerkennen, daß der Entstörungsdienst in unsere Kompetenz fällt.
Sechstens, sie anerkennen, daß die Bekämpfung der Schwarzhörer in unsere Kompetenz fällt, und schließlich anerkennen sie das Verbot der Verbreitung unbefugt aufgefangener Nachrichten.
Das genannte Schreiben fährt folgendermaßen fort:
Die Punkte 1 und 2
— die ich eben vortrug — umfassen selbstverständlich auch das Recht des I Bundes, in seiner Gesetzgebung Vorschriften über den Sendebereich zu treffen, der den einzelnen von ihm zugelassenen Sendern zugewiesen ist. Wenn demgegenüber im Vertrag
— es handelt sich um die §§ 3 und 4 des Vertrags — Bestimmungen aufgenommen worden sind, welche den Sendebereich und die technischen Aufgaben des Südwestfunks betreffen, so füllen diese
— nach Meinung der drei Herren Ministerpräsidenten —
ein jedenfalls zur Zeit bestehendes Vakuum aus.
Es müsse abgewartet werden, ob diese später durch Bundesgesetz abgelöst würden. — Soweit das eben eingegangene Schreiben.
Diese bemerkenswerten Erklärungen der Herren Ministerpräsidenten beziehen sich also auf den sendetechnischen Bereich des Rundfunks, d. h. auf die gesamte Sendeordnung und auf die künftige zweckmäßige Verteilung der Sender im Bundesgebiet. Aber sie beziehen sich nicht auf den sogenannten kulturellen Bereich des Rundfunks. Hierunter verstehen die Herren Ministerpräsidenten der drei Länder die Organisation der einzelnen das Programm herstellend en Rundfunkanstalt. In diesem Bereich wird dem Bund keinerlei Gesetzgebungsbefugnis zuerkannt.
Ich habe schon betont, daß ich dieses Schreiben erst bei Betreten des Hauses bekam und mir noch eine Prüfung vorbehalten muß. Sie werden Verständnis dafür haben, daß die Situation angesichts der schwierigen Rechtslage und der Schwierigkeit der tatsächlichen Verhältnisse sehr sorgfältig geprüft werden muß.
Die Bundesregierung ist bei den Vorverhandlungen auch bestrebt gewesen, den Entwurf des Bundesrundfunkgesetzes in aufrichtiger Zusammenarbeit mit den Ländern zu entwerfen und ihn auf sie abzustimmen. Andererseits aber wird die Bundesregierung in den Verhandlungen mit den Ländern die dem Bund nach Art. 73 Ziffer 7 des Grundgesetzes zukommenden Gesetzgebungskompetenzen wahren. Dabei wird zur Aufklärung noch festzustellen sein, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Bundesrundfunkgesetz die Regelung innerorganisatorischer Angelegenheiten der Rundfunkanstalt auf die Länder überträgt.
Diese Frage ist heute offen.
Die Bundesregierung hat in ihren bisherigen Verhandlungen mit Rheinland-Pfalz, mit Baden und mit Württemberg-Hohenzollern auch die Frage angeschnitten, ob sich einige Bestimmungen des Staatsvertrages über den Südwestfunk mit der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes genannten Freiheit der Berichterstattung im Rundfunk vereinbaren lassen. Der Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz hat mir hierzu ein 25 Seiten langes Rechtsgutachten seines Justizministeriums übermittelt, in dem sein Ministerium und er selbst diese Frage bejahen. Aber auch dieses Gutachten, das ebenfalls erst vor wenigen Tagen in meine Hand gelangt ist, muß noch eingehend geprüft werden.
Die Bundesregierung wird den Bundestag unterrichten, sobald die erwähnten Verhandlungen mit den drei Ländern abgeschlossen sind. In diese Verhandlungen wird der Inhalt des in meinem Hause in Ausarbeitung begriffenen Bundesrundfunkgesetzes bereits hineinspielen. Die Unterrichtung des Bundestages wird daher spätestens mit der Vorlage des Bundesrundfunkgesetzes erfolgen.