Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 169. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Henle, Dr. Besold, Schill, Determann, Dr. Veit, Hilbert, Frau Dr. Rehling und Etzel .
— Zur Kenntnis genommen.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundeskanzler hat am 10. Oktober 1951 die Anfrage Nr. 205 der Fraktion der SPD betreffend Fall Platow — Nr. 2552 der Drucksachen beantwortet. Das Schreiben wird als Drucksache Nr. 2695 vervielfältigt.
Meine Damen und Herren! Entsprechend dem Vorschlag des Ältestenrats schlage ich Ihnen vor, von der heutigen Tagesordnung zu streichen die Punkte 7, 8, 9, 11, 12, 13, 15 und 16. Außerdem bitte ich, die Tagesordnung zu ergänzen durch den Punkt: Aussprache über die Regierungserklärung, die in der gestrigen Sitzung vom Herrn Bundeskanzler abgegeben worden ist. Ich darf vorschlagen, daß der Punkt 17 der Tagesordnung mit dieser Aussprache verbunden wird.
Wir hoffen, daß wir etwa um 15 Uhr so weit sind, mit der Beratung dieses Tagesordnungspunktes beginnen zu können.
— Herr Abgeordneter Dr. Gerstenmaier!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich recht verstanden habe, soll auch der Punkt 15 der heutigen Tagesordnung gestrichen werden.
Ich möchte mir den Vorschlag erlauben, den Punkt 15 nicht zu streichen, sondern ihn als zweitletzten Punkt der Tagesordnung zur Verhandlung kommen zu lassen, d. h. unmittelbar vor der Aussprache über die Regierungserklärung von gestern.
Darf ich annehmen, meine Damen und Herren, daß Sie damit einverstanden sind? Ich hatte das schon selber vorschlagen wollen, nur habe ich erst aus der Aufstellung über die gestrige Besprechung in der Ältestenratssitzung dem Vorschlag des Ältestenrats entsprechend auch diesen Punkt zur Streichung vorgeschlagen. Wir würden also den Punkt 15 bestehen lassen und dann als Punkt 16 die Aussprache über die Regierungserklärung einfügen und den Punkt 17 damit verbinden. Ich glaube, dann sind wir uns einig.
Ich rufe zunächst auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes über den Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit (Nr. 2658 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Jaeger. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hatte in seiner 65. Sitzung vom 27. Juli dieses Jahres beschlossen, den Vermittlungsausschuß anzurufen hinsichtlich des vom Bundestag am 11. Juli dieses Jahres verabschiedeten Gesetzes zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit. Nur in drei der fünf Punkte, in denen der Vermittlungsausschuß angerufen worden ist, ist eine Änderung des Beschlusses des Bundestages herbeizuführen. Der Vermittlungsausschuß schlägt Ihnen vor, diese Änderungen vorzunehmen, die nur von geringfügiger Bedeutung sind.
Ich darf Sie zuerst darauf aufmerksam machen, daß in dem Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache Nr. 2658, die Ihnen vorliegt, in der ersten Änderung ein Druckfehler zu berichtigen ist; denn es heißt im vorliegenden Text des § 2 Abs. 2 Ziffer 1 des Gesetzes:
1. für Jugendliche, die an einer Veranstaltung teilnehmen, die der geistigen, sittlichen und beruflichen Förderung der Jugend dient.
Das Wort „und" muß durch das Wort „oder" ersetzt werden, weil die Förderungsziele alternativ und nicht kumulativ gemeint sind. Ich darf annehmen, daß Sie diese Berichtigung zur Grundlage Ihrer kommenden Abstimmungen machen. Der Vermittlungsausschuß hat sich deswegen zu dieser Regelung entschlossen, um jeden Zweifel daran zu beseitigen, daß auch Veranstaltungen der Gewerkschaften, des Bauernverbands oder anderer Berufsorganisationen unter diejenigen fallen, für die eine Ausnahmebestimmung vorgesehen wird.
Dem weiteren Antrag des Bundesrates, der in § 4 Abs. 3 eine Änderung der Bestimmungen über Tanzveranstaltungen einführen wollte, hat der Vermittlungsausschuß einstimmig nicht stattgegeben, weil sie sich als praktisch nicht durchführbar erweisen würden und weil sie außerdem nicht in die Systematik des Gesetzentwurfs passen würden.
Hingegen hat sich der Vermittlungsausschuß bei einer Stimmenthaltung einstimmig dahin entschieden, dem § 6 Abs. 2 eine andere Fassung zu geben, und zwar dergestalt, daß das Recht der Anerkennung nach Abs. 1 der Obersten Landesbehörde zusteht. Er hat sich deswegen dazu entschlossen, weil verfassungsrechtliche Bedenken dagegen bestehen, daß hier durch Bundesgesetz eine Bundesbehörde bestimmt wird. Das könnte allenfalls nur durch ein eigenes Gesetz, das eigens hierfür formuliert werden und eine eigene Bundesoberbehörde bestimmen müßte, nach Art. 87 Abs. 3 des Grundgesetzes geschehen. Im Interesse der vereinfachten Verabschiedung des Gesetzes hat man davon abgesehen und darauf hingewiesen, daß bereits eine Prädikatisierungsstelle für Filme in Wiesbaden besteht, die durch Vertrag — Verwaltungsabkommen — der deutschen Länder geschaffen wurde. Es würde nach den Erklärungen der Minister der Länder, die im Ausschuß waren, keine Schwierigkeiten machen, durch ein Zusatzabkommen auch noch die Bestimmungen, die hier einschlägig sind, unter die Zuständigkeit dieser Behörde zu bringen. Sollte dies wider Erwarten nicht gelingen, so könnten wir vom Bundestag aus später ein Ergänzungsgesetz gemäß Art. 87 Abs. 3 des Grundgesetzes einbringen.
Dem weiteren Vorschlag des Bundesrats, in § 7 in der dritten Zeile die Zahl „16" durch „18" zu ersetzen und auf diese Weise Jugendlichen auch bis zu 18 Jahren den Zutritt zu Spielhallen zu verbieten, hat der Ausschuß einstimmig deswegen nicht entsprochen, weil j a in den Statuten der Spielbanken selbst eine Altersgrenze festgesetzt ist, die zum Teil sogar noch höher liegen soll.
Es wurde dann nur noch als dritte Änderung die übliche Berlin-Klausel verabschiedet.
Der Vermittlungsausschuß hat sich dahin ausgesprochen, daß eine gemeinsame Abstimmung über den Vorschlag gemäß § 10 Abs. 3 seiner Geschäftsordnung nicht erforderlich ist, so daß Sie die Möglichkeit haben, über jeden einzelnen Punkt eigens abzustimmen. Da jedoch der Vermittlungsausschuß in sämtlichen Punkten einstimmig entschieden hat — in einem Punkt bei einer Stimmenthaltung — und da die Änderungen gegenüber unserem ursprünglichen Beschluß sachlich überhaupt nicht erheblich sind, darf ich Sie bitten, dem Entwurf möglichst im ganzen Ihre Zustimmung zu geben.
Herr Abgeordneter Dr. Jaeger, eine Frage! Sie haben gesagt: möglichst im ganzen. Darf ich daraus entnehmen, daß der Vermittlungsausschuß nicht den Vorschlag macht, daß nur einheitlich abgestimmt werden kann?
Wie ich ausgeführt habe, überläßt es der Vermittlungsausschuß Ihrer Entscheidung, ob Sie einheitlich abstimmen wollen oder zu jedem Punkt einzeln. Üblicherweise wird jedoch nur dann einzeln abgestimmt, wenn es eigens beantragt wird.
Eben darum; das wollte ich feststellen. Letztesmal war es auch nicht beantragt und wurde doch gewünscht. Darum frage ich.
Meine Damen und Herren, darf ich unterstellen, daß eine einheitliche Abstimmung vom Bundestag gewünscht wird? — Das ist offenbar der Fall. Sollen Erklärungen abgegeben werden? — Das ist heute nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung über den Mündlichen Bericht des Vermittlungsausschusses Drucksache Nr. 2658. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? -
Das erste war die Mehrheit. Bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf Punkt 2:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes über den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Nr. 2659 der Drucksachen).
Da der Berichterstatter im Augenblick nicht da ist — ich bitte, ihn zu unterrichten —, rufe ich zunächst auf Punkt 3:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (Nr. 2627 der Drucksachen).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Wellhausen. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben am 10. Juli 1951 das bekannte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Kreditanstalt für Wiederaufbau hier verabschiedet. Der Bundesrat hat zu vier Punkten den Vermittlungsausschuß angerufen. Die Drucksache Nr. 2627 liegt Ihnen vor und gibt die Vorschläge des Vermittlungsausschusses wieder. Ich darf folgendes dazu bemerken.
Zu Ziffer 1: Der Verwaltungsrat hatte nach dem Gesetz des Wirtschaftsrats vom 5. November 1948 eine geringere Zahl der Mitglieder als jetzt vorgesehen, nämlich nur 20 Mitglieder. Jetzt sind es nach den Beschlüssen des Bundestags 27. Der Bundesrat beanstandet nun, daß gegenüber jetzt fünf Vertretern der Bundesregierung nur vier Mitglieder des Bundesrats bestellt werden. In dem ursprünglichen Verwaltungsrat, also entsprechend dem Gesetz des Wirtschaftsrats, hatte der Bundesrat, der damals Länderrat hieß, drei Vertreter, und die Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets hatte auch drei Mitglieder. Der Vermittlungsausschuß war mit Mehrheit der Meinung, man solle dem Wunsche, die Zahl der Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrats gleichzusetzen, entsprechen.
Sodann war im ursprünglichen Gesetz die Ausgabe von Inhaberschuldverschreibungen der Kreditanstalt für Wiederaufbau — es ist sicher eine langweilige Materie, und sehr wenige Herren werden sie verstehen, wenn sie sich etwas anderes erzählen — abhängig von der Zustimmung des Länderrats. Das Gesetz, das der Bundestag beschlossen hat, nahm entsprechend der Vorlage der Regierung von einer Zustimmung des Bundesrats, der an die Stelle des Länderrats getreten ist, Abstand. - Jetzt wird sogar schon hinter mir geredet. —
Der Bundesrat wollte es dennoch gern durchsetzen und der Vermittlungsausschuß, der glaubte, — — Ich kann mich nicht verständlich machen, wenn auch noch hinter mir gesprochen wird!
Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen beanstandet, daß auch noch hinter ihm gesprochen wird. Ich bitte doch, ihm in gemeinsamer Zusammenarbeit die Möglichkeit zu geben, sich verständlich zu machen.
Besonders am Anfang der Sitzung!
Der Vermittlungsausschuß glaubte in seiner großen Mehrheit, es bei dem Beschluß des Bundestages belassen zu sollen, nachdem, wie die Begründung der Regierung sehr richtig ausführt, Länderinteressen nicht berührt werden. Sie finden daher in der Drucksache Nr. 2627 zu dieser Beanstandung des Bundesrats keinen Vorschlag des Vermittlungsausschusses, da der Bundesrat mit seiner Anregung in der Minderheit geblieben ist.
Ich komme nunmehr zu Ziffer 2 der Drucksache Nr. 2627. Nach dem Wirtschaftsratsgesetz war der Verwaltungsrat nicht in der Lage — oder vielleicht muß man sagen: nicht gesetzlich ermächtigt —, aus sich heraus Ausschüsse zu bilden und seine Befugnisse auf diese Ausschüsse zu übertragen. Der Bundestag hatte das in seinem Gesetz ebenfalls nicht vorgesehen, und es ist meines Erachtens ein Verdienst des Bundesrats, die Anregung hierzu gegeben zu haben, indem er nämlich vorschlägt, dem § 7 einen Abs. 6 anzufügen, den die verehrten Herren in der Drucksache Nr. 2521, die Sie sicherlich bei sich haben, unter Ziffer d) nachsehen können.
Der Vermittlungsausschuß hat sich ausführlich darüber unterhalten, wieweit diese Delegationsbefugnis gehen sollte, und hat es für richtig befunden, einen ziemlich großen Umfang vorzusehen. Demgemäß hat er Ziffer 2 der Drucksache Nr. 2627 beschlossen. Die Bestimmung weicht von der Drucksache Nr. 2521 in zwei Punkten ab. Einmal ist diese Delegationsbefugnis widerruflich — und es ist sicher richtig, das noch gesetzlich zu verankern —, und zum andern ist der Satz 3 des § 7 Abs. 5 nunmehr in der Delegationsbefugnis fortgelassen. Andernfalls könnte der Verwaltungsrat mehr oder weniger alles delegieren, und das ist ja ebenso wie im bürgerlichen Leben beim Aufsichtsrat nicht der Sinn eines solchen Verwaltungsrats. Daß er Ausnahmen für die §§ 8, 9 und 10 macht, die sich mit der Satzung, mit dem Jahresabschluß und ähnlich wichtigen Dingen beschäftigen, ist wohl selbstverständlich.
Ich komme zu Ziffer 3. Nach dem Wirtschaftsratsgesetz obliegt die Aufsicht über die Anstalt, von der ich spreche, dem Verwaltungsrat, also dem Kabinett; damals hieß es Verwaltungsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebiets. Dementsprechend haben wir im Bundestag beschlossen: Die Anstalt untersteht der Aufsicht der Bundesregierung. Nun hatte man geglaubt, eine Delegationsmöglichkeit hinzufügen zu sollen und hierfür die folgende Fassung gewählt: „Die Ausübung der Aufsicht kann dem Bundesminister für Wirtschaft übertragen werden." Damit wich der Bundesrat von dem Vorschlag der Regierung ab, die statt „dem Bundesminister für Wirtschaft" nur „einen Bundesminister" gesagt hat. Wir kommen damit wieder an das berühmte Kapitel, das von dieser Stelle in
den letzten Wochen mehrfach behandelt worden ist, zur babylonischen Sprachverwirrung in der Bundesregierung, zumindest hinsichtlich der Zuständigkeit der beiden Minister für Finanzen und für Wirtschaft, damit Sie mich nicht falsch verstehen. Der Vermittlungsausschuß hat geglaubt, in diese Divergenzen nicht eingreifen zu sollen, und hat gesagt: die Fassung des Regierungsentwurfs wird wiederhergestellt. Es wurde in diesem Zusammenhang — gewissermaßen prophetisch — erwähnt, daß es vielleicht andere Mittel und Wege gäbe, um die Zuständigkeitsdiskussion aus der Welt zu schaffen, und meine Freunde haben, wie Sie sich erinnern werden, die Initiative in dieser Sache inzwischen ergriffen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
„Die Bundesregierung".
Damit glaube ich die Beschlüsse des Vermittlungsausschusses hinreichend erklärt zu haben, und ich bitte das Hohe Haus, diesen Beschlüssen zuzustimmen.
Meine Damen und Herren! Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Es besteht offenbar nicht der Wunsch, Erklärungen abzugeben. Ich schlage Ihnen vor, über sämtliche Punkte des Antrags des Vermittlungsausschusses zusammen abzustimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrage Drucksache Nr. 2627 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Die Gegenstimmen bitte! — Enthaltungen? — Bei zwei Enthaltungen angenommen.
Herr Abgeordneter Dr. Arndt ist noch nicht hier. Meine Damen und Herren, darf ich die Gelegenheit benutzen, zwischendurch eine Mitteilung zu machen. In der 166. Sitzung des Deutschen Bundestags hat der Herr Abgeordnete Dr. Gülich beanstandet, daß der Herr Bundesfinanzminister einem Auftrag des Bundestags, bis zum 15. September den Bericht der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein vorzulegen, nicht entsprochen und daß der Herr Bundesfinanzminister nicht einmal um eine Nachfrist gebeten habe. Ich fühle mich veranlaßt, festzustellen, daß diese Beanstandung des Herrn Abgeordneten Dr. Gülich durchaus berechtigt war, soweit der Abgeordnete Dr. Gülich die Tatsachen kennen konnte. Ich habe nachträglich feststellen müssen, daß durch ein bedauerliches Versehen im Verkehr zwischen dem Präsidium des Bundestags und einem Ausschuß die Tatsache, daß der Bericht der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein zwar nicht vom Herrn Bundesfinanzminister, aber vom Präsidenten der Bundesmonopolverwaltung unmittelbar — zwar auch nicht bis zum 15. September, aber immerhin am 21. September hier eingehend — vorgelegt worden ist, dem Herrn Abgeordneten Dr. Gülich und dem Hause nicht bekannt wurde, so daß also die Folgerungen, die Herr Abgeordneter Dr. Gülich daraus gezogen hat, abgesehen von dieser Verspätung sich als nicht gerechtfertigt herausgestellt haben. Ich stelle ausdrücklich fest, daß Herr Abgeordneter Dr. Gülich von diesem Vorgang nichts wissen konnte und daß er nachher erfreulicherweise dann auch dazu beigetragen hat, diesen Irrtum aufzuklären. Im übrigen befindet sich dieser Bericht inzwischen
im Druck, so daß Sie in aller Kürze von dem Bericht Kenntnis nehmen können. — Darf ich annehmen, daß die Angelegenheit damit erledigt ist?
Herr Abgeordneter Dr. Arndt ist noch nicht da. Ich muß also zu Punkt 4 der Tagesordnung übergehen:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Steuerberechtigung und die Zerlegung bei der Einkommensteuer und der
Körperschaftsteuer (Nr. 2644 der Drucksachen).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. — Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dieser ersten Lesung nur einige wenige allgemeine Worte vorausschicken. Der Entwurf dieses sogenannten Zerlegungsgesetzes entspricht einem dringenden Wunsch der Mehrheit der Länder. Er beruht darauf. daß die Einkommen- und die Körperschaftsteuer, die früher dem Reich zuflossen, jetzt den einzelnen Ländern zustehen, abgesehen von dem Anteil, den der Bund nunmehr nach Art. 106 des Grundgesetzes erhalten wird.
Der bisher anerkannte Grundsatz, daß der einzelne Steueranspruch dem Lande zusteht, an dessen Finanzamt die Steuer nach den Vorschriften der Reichsabgabenordnung über die örtliche Zuständigkeit zur Besteuerung zu entrichten ist, führt nicht in allen Fällen zu einem befriedigenden Ergebnis. In dem Entwurf sind daher eine Zerlegung und eine Verteilung der Steuer auf verschiedene Länder vorgesehen, um dem einzelnen Lande zunächst einmal die Steuerbeträge zuzuführen, die ihm nach seiner wirklichen Steuerkraft zukommen, und um gerechte Grundlagen für den horizontalen Finanzausgleich zu schaffen. Eine Zerlegung der Steuer im Verhältnis der Länder untereinander soll jedoch wegen der Überlastung der Finanzämter auf die Fälle beschränkt werden, in denen sich der Arbeitsaufwand wirklich lohnt.
Auf Einzelheiten des Gesetzentwurfes möchte ich nicht eingehen. Ich möchte aber noch folgendes betonen. Die Ausdehnung der Vorschriften auf Berlin ist vorgesehen, sobald dieses Land die Anwendung des Gesetzes beschlossen hat.
Das Zerlegungsgesetz soll erstmalig auf das Kalenderjahr 1951 angewendet werden.
Meine Damen und Herren! Sie haben die Begründung des Gesetzentwurfes gehört. Eine Aussprache sollte nicht stattfinden. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. - Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Juni 1949 .
Zur Begründung, für die Ihnen der Ältestenrat
zehn Minuten vorschlägt, Herr Abgeordneter
Brandt, bitte! — Für die Aussprache schlägt Ihnen
der Ältestenrat sechzig Minuten vor.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische
Fraktion erstrebt mit dem Antrag auf Drucksache Nr. 2639 eine Verstärkung der Vertretung Berlins im Deutschen Bundestag. Wir beabsichtigen nicht, bei dieser Gelegenheit eine allgemeine Berlin-Debatte zu führen, und wir haben auch nicht die Absicht, in umfassende rechtliche Erörterungen über den Status Berlins einzutreten. Es scheint mir jedoch wichtig zu sein, auf drei Tatbestände zur Begründung dieses Antrages zu verweisen.
Erstens kann es kaum mehr einem Zweifel unterliegen, daß das Land Berlin nach deutschem Recht zur Bundesrepublik gehört, wenngleich Art. 23 des Grundgesetzes zeitbedingt und nicht total im Jahre 1949 durch die Militärgouverneure suspendiert wurde, eine Suspendierung, die übrigens durch die tatsächliche Entwicklung seit 1949 weitgehend aufgelockert worden ist. Es ist eine der Aufgaben dieses Hohen Hauses gewesen, aus dem besatzungsrechtlich Möglichen im Falle Berlin die tatsächlichen Konsequenzen zu ziehen, wie es vor allem auch in zunehmendem Maße durch die Einbeziehung Berlins in Bundesgesetze geschehen ist.
Zweitens möchte ich darauf hinweisen, daß sich die alliierten Militärgouverneure in ihrem Genehmigungsschreiben vom 12. Mai 1949 einer Vertretung Berlins im Deutschen Bundestag nicht widersetzen, aber sagen, daß diese Berliner Vertretung bis auf weiteres nicht stimmberechtigt sein dürfe und daß es sich um eine kleinere Zahl von Vertretern oder Abgeordneten handeln solle. Im Wahlgesetz zum ersten Deutschen Bundestag, wie es am 10. Mai 1949 vom Parlamentarischen Rat beschlossen worden war und dann etwas abgewandelt am 15. Juni von den Ministerpräsidenten erlassen wurde, ist diese, wie die Alliierten gesagt hatten, kleinere Zahl im § 26 mit der Ziffer „acht" angegeben.
Drittens möchte ich noch erwähnen, daß am 8. Oktober dieses Jahres eine Anordnung der Alliierten Kommandantur in Berlin erlassen worden ist, durch die nunmehr nach anfänglichen alliierten Widerständen Bundesgesetze durch einfaches Mantelgesetz unverändert nach Berlin übernommen werden können. Die alliierten Kommandanten haben in diesem Zusammenhang ihrerseits betont, daß das nicht als eine Änderung der verfassungsrechtlichen Stellung Berlins betrachtet werden solle; aber sie haben durch diese eben zitierte Anordnung zum Ausdruck gebracht, daß es offensichtlich nicht im Sinne der alliierten Politik liegt, die Politik der Verschmelzung Berlins mit dem westlichen Bundesgebiet zu behindern.
Wenn die Bundesgesetze nun im Regelfalle nach Berlin übernommen werden sollen, dann wird es angesichts der besonderen wirtschaftlichen und sozialen Lage Berlins in einer Reihe von Fällen sicherlich notwendig sein, daß diese Besonderheiten so, wie es jetzt etwa beim Lastenausgleich praktiziert wird, schon hier im Bundestag und in seinen Ausschüssen bei der Ausarbeitung der Bundesgesetze Berücksichtigung finden. Gerade aus diesem Grunde scheint es uns richtig zu sein, daß Berlin stärker vertreten ist, um eben auch in den zahlreichen Ausschüssen dieses Hohen Hauses stärker mitwirken zu können.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit ganz eindeutig feststellen, daß meine politischen Freunde und ich unverrückbar an der Forderung festhalten, daß Berlin so rasch wie möglich voll und gleichberechtigt, d. h. auch stimmberechtigt im Deutschen Bundestag vertreten sein soll. Aber diese Frage läßt sich nicht auf dem Wege über eine Änderung
des Wahlgesetzes lösen, und darum haben wir uns heute, ohne von der weiterreichenden Forderung abzugehen, darauf beschränkt, zu sagen: Wir wollen ein praktisches Problem lösen. Wir wollen heute nicht an die Frage des Stimmrechts rühren, wir wollen heute auch nicht die Formulierung des § 26 des Wahlgesetzes vom Jahre 1949 insofern zur Diskussion stellen, als wir uns darüber unterhalten, was unter der dort gefundenen Formulierung zu verstehen ist, daß „bis zum Eintritt" des Landes Berlin in die Bundesrepublik diese oder jene Zahl von Berliner Vertretern mitwirke. Es kann sich dabei offensichtlich nur um einen Eintritt mit vollen Rechten handeln, zumal das Wahlgesetz den durch das Grundgesetz geschaffenen Rechtszustand nicht ändern konnte und kann.
Bleibt also, meine Damen und Herren, die Frage der Zahl. Die alliierten Militärgouverneure hatten damals gesagt, eine kleinere Zahl von Berlinern sollte hier mitwirken. Die Ministerpräsidenten und der Parlamentarische Rat hatten sich auf acht Abgeordnete geeinigt. Die Alliierten hatten von sich aus keine Zahl bündig vorgeschrieben. Sie haben dieser Frage auch offenbar keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Ich möchte darüber hinaus darauf verweisen, daß, wenn jetzt meine Fraktion die Zahl 19 vorschlägt, es sich auch dabei noch um eine kleinere Zahl handelt; denn der § 26 des Wahlgesetzes geht vom Gebiet Groß-Berlin aus, während die Ziffer 19 auf Grund der Einwohnerzahl der Westsektoren von Berlin im Verhältnis zur Einwohnerziffer des westlichen Bundesgebiets errechnet ist, die damals zugrunde gelegt wurde und heute zugrunde gelegt werden muß. Ich möchte aber auch hier, um Mißverständnisse auszuschließen, darauf hinweisen, daß sich diese hoffentlich so verstärkte Vertretung Berlins — zunächst ohne Stimmrecht — natürlich, wenngleich sie der Ziffer nach auf Grund der Einwohnerzahl der Westsektoren errechnet ist, immer als eine Vertretung ganz Berlins fühlen wird.
Es handelt sich für uns also heute um einen praktischen Schritt, dabei zugleich um einen Schritt auf dem Wege der engeren Eingliederung Berlins in den Bund. Es handelt sich um die Regelung einer formalen Frage; aber dabei sollte wohl auch darauf hingewiesen werden, daß die tatsächliche politische Entwicklung die Sonderbestimmungen gegenüber Berlin aus dem Jahre 1949 als überholt erscheinen läßt und daß es notwendig wäre, von deutscher und alliierter Seite jene Maßnahmen zu erwägen, die den heutigen politischen Gegebenheiten und Erfordernissen besser Rechnung tragen würden als die Sonderbestimmungen des Jahres 1949.
Ohne darauf weiter einzugehen, bittet die sozialdemokratische Fraktion Sie, diesen praktischen Schritt der stärkeren Vertretung und engeren Mitarbeit Berlins im Bundestag zu ermöglichen. Ich darf im Namen meiner politischen Freunde anregen, daß dieser Gesetzentwurf nach der Beratung hier zweckmäßigerweise dem Ausschuß zum Schutze der Verfassung überwiesen wird, der bereits andere Änderungsanträge zum Wahlgesetz überwiesen erhalten hat.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache der ersten Beratung.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Krone.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion steht zu diesem Antrag und begrüßt ihn. Ich habe die Hoffnung, daß nicht Juristen darangehen und den Versuch machen, irgendwelche Zwirnsfäden juristischer Art zu entdecken. Ich glaube es nicht. Aber was ich vor allen Dingen betonen möchte: Es geht hier um eine politische Frage und darum, daß damit der Wunsch der Stadt Berlin zum Ausdruck gebracht werden soll, auf dem großen Wege der Angleichung des Bundes und Berlins auch auf diesem Gebiete einen Schritt vorwärts zu tun. Heute morgen haben wir im Berlin-Ausschuß das Gesetz über die Stellung Berlins im Finanzsystem der Länder beraten. Wir haben die Geltung der großen sozialen Gesetze für Berlin beschlossen. Es kommt jetzt darauf an, auch der Repräsentanz der Stadt Berlin hier im Bundestag die Form zu geben, die notwendig ist; denn dieser Bund und dieses Haus sprechen ja nicht nur für die 48 Millionen hier im Westen. Sie sprechen ebenso wie die Regierung für die drei Millionen Berlins und für die 18 Millionen Menschen der Zone. Daß auch diese Stimmen hier im Bundestag zur Geltung kommen, ist der Sinn und das Anliegen dieses Gesetzes. Meine Fraktion wird dem Gesetz zustimmen und begrüßt es.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reif.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Krone hat auf die gesamtdeutsche Verantwortung des Bundes hingewiesen, und Sie werden verstehen, wenn die Berliner Vertreter in diesem Hause diese gesamtdeutsche Verantwortung in besonderem Maße für sich als verbindlich betrachten. Sie werden weiterhin verstehen, daß wir — ich sage das selbst auf die Gefahr, was ich nicht gern tue, pro domo zu reden — auf Grund der Tatsache, daß wir nunmehr die Möglichkeit haben, Bundesgesetze durch einfache Mantelgesetzgebung in Berlin einzuführen, gehalten sind, uns noch mehr als bisher an der Ausschußarbeit zu beteiligen. Wenn nun schon die sozialdemokratische Fraktion, die über fünf Berliner Vertreter verfügt, angesichts dieser Erweiterung und Intensivierung unserer Arbeit den Wunsch hat, daß die Berliner Vertretung verstärkt wird, so werden Sie es verstehen, daß jemand, der wie ich ganz allein für seine Partei und seine Fraktion diese Arbeit zu leisten hat, sehr viel Verständnis für den Wunsch hat, in dieser Arbeit Verstärkung zu erhalten. Im übrigen entspricht dieser Vorschlag ja einem Beschluß des Berliner Senats, an dem alle Berliner Parteien teilgenommen haben, und er entspricht im Grunde genommen weniger dem Bedürfnis nach Repräsentation als der Notwendigkeit, die nunmehr in verstärktem Maße an uns herantretende sachliche Ausschußarbeit wirklich leisten zu können. Deshalb bitte ich das Haus, diesem Antrag seine Zustimmung zu erteilen.
Das Wort hat der Abgeordnete Gundelach.
Meine Damen und Herren! Wir Kommunisten lehnen den vorliegenden Gesetzentwurf der SPD-Fraktion ab, der auf eine verstärkte West-Berliner Vertretung im Bundestag abzielt. Es ist meiner Meinung nach eine ziemliche Anmaßung, wenn der Vertreter der SPD von der Vertretung ganz Berlins spricht und wenn ein anderer Vertreter von West-Berlin davon spricht, daß dieser Bundestag auch die Deutsche Demokra-
tische Republik — mit seinen Worten: die gesamte Ostzone — mit vertritt. Wir sind gegen Bestrebungen, die auf der Linie der Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands liegen und nur eine Westorientierung bedeuten.
Wir brauchen dringend — das bringen auch wir bei dieser Frage zum Ausdruck — die Einheit Deutschlands, und ist dieses Ziel, die Einheit Deutschlands, die allein im Interesse des gesamten Volkes liegt, erreicht, dann wird Berlin wieder Hauptstadt von Gesamtdeutschland sein, und dann wird auch die gesamte Berliner Bevölkerung ihre entsprechende Vertretung in einem Parlament Gesamtdeutschlands haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der verehrte Kollege Herr Dr. Krone hat von „juristischen Zwirnsfäden" gesprochen. Gestatten Sie mir die Bemerkung, daß ich das Wort sehr ungern höre. Wenn wir zwölf Jahre lang die Achtung des Rechtes nur noch als Spinnfäden kannten, sollten wir uns jetzt darüber klar sein, daß das Recht in einem Rechtsstaat keine Zwirnsfäden, sondern Schiffstaue legt, vielleicht sogar Eisentrossen, über die man nicht hinwegspringen kann, wenn man nicht Gewalt vor Recht setzen will. Die Rechtsfragen, die der Antrag, gegen dessen Tendenz wir gar nichts einzuwenden haben, aufwirft, wollen doch einmal angesprochen sein.
Hier soll ein Wahlgesetz geändert werden, das mit der Durchführung der Wahl — noch sind wir in der Wahlprüfung; die Wahl ist insofern noch nicht voll durchgeführt — doch ein für allemal beendet ist; denn es hatte nur für einen einzigen Wahlgang Gültigkeit. In ihm ist genau festgelegt, wer am Stichtag Mitte August 1949 diesen Bundestag durch seine Anwesenheit — hoffentlich nur! — bereichern soll. Auch für Berlin ist es festgelegt. Und nun soll dieses Gesetz, das einen völlig abgeschlossenen staatsrechtlichen Vorgang behandelt, nach zwei Jahren — anscheinend doch wohl mit rückwirkender Kraft — geändert werden. Ich sehe nicht ein, wieso nun plötzlich in einen Wahlkörper, der auf Grund einer Wahl berufen worden ist, neue, hochwillkommene Gesichter einrücken können.
Insbesondere ist darauf hinzuweisen, daß wie bei jedem Wahlgesetz die Volksmeinung an einem bestimmten Stichtag nun einmal entscheidend ist, weswegen die Frage der Wahlperiode eine hochpolitische, außerordentlich bedeutsame Frage ist, deren Bedeutung man insbesondere deshalb nicht unterschätzen sollte, weil allzuviele Wahlgänge bekanntlich Wahlmüdigkeit zu erzeugen pflegen.
Nun hat inzwischen die Berliner Vertretung nicht nur ihre Zusammensetzung, sondern auch ihren Charakter völlig geändert. Wir haben eine neue Verfassung in Berlin, wir haben jetzt einen Senat, wir haben dort eine Volksvertretung; bis dahin gab es nur die Stadtverordnetenversammlung. Die Meinung ist doch offenbar die, daß das heutige Berliner Parlament — Herbst 1951 — bestimmen soll, wer mit Wirkung vom August 19 4 9 hier im Bundestag sitzt.
Alle diese Fragen muß der Jurist, der seine Hemmungen nicht für Zwirnsfäden erachtet, einmal ansprechen. Ich bitte höflichst, diese Vorlage — wenn es nicht schon beantragt sein sollte — jedenfalls auch dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Brandt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sicher von seiten meiner politischen Freunde nichts dagegen einzuwenden, daß die rechtlichen Gesichtspunkte, die hier angedeutet wurden, nach jeder Seite hin in den zuständigen Ausschüssen überprüft werden. Aber wenn hier die Wahl steht, Herr Kollege Ewers, zwischen Zwirnsfaden und Schiffstau, dann entscheide ich mich für das Gummiband, sofern es nämlich um die besatzungsrechtliche Stellung in dem besonderen Falle des Landes Berlin im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland geht. Es geht darum, daß der deutsche Gesetzgeber nicht frei die Voraussetzungen dafür hat bestimmen können, wie dieses Land Berlin in der Bundesrepublik stehen sollte. Schritt für Schritt haben wir uns zwei Jahre lang bemüht, dieses Land Berlin immer enger mit der Bundesrepublik zu verpflechten.
Es kommt noch einiges hinzu. Es ist ja ein Unterschied, Herr Kollege Ewers, ob wir beantragen, daß jetzt Wahlen in Berlin veranstaltet werden, oder ob wir — wie wir es getan haben — beantragen, daß weiter für diesen ersten Bundestag auf dem Wege der indirekten Entsendung eine — leider noch nicht stimmberechtigte — Mitwirkung geschaffen wird, aber durch mehr Abgeordnete. Wie gesagt, diese Fragen mögen im Ausschuß weiter erörtert und geklärt werden.
Erlauben Sie mir nur noch ein Wort an die Adresse des Kollegen Gundelach! Es ist nicht richtig, wenn hier gesagt wird, daß es sich um eine verstärkte Westberliner Vertretung im Bundestag handeln solle. Im Abgeordnetenhaus von Berlin sitzen Vertreter, die in West-Berlin gewählt wurden, weil auf Grund des Druckes einer Besatzungsmacht nur dort gewählt werden konnte. Aber unter diesen in den Westsektoren gewählten Abgeordneten sind auch solche, die aus dem Ostsektor kommen, und es sind im Abgeordnetenhaus auch solche dabei, die bei den letzten freien Wahlen im Ostsektor von der Bevölkerung des Ostsektors gewählt worden sind. Wenn Sie, Herr Kollege Gundelach, Ihren politischen Freunden einen Rat geben wollen — es ist ihnen auf andere Weise auch schon nahegelegt worden —: Auch denen werden die 11 Plätze, die ihnen auf Grund der Wahlen von 1946 zukämen, weiter freigehalten.
— Es hat doch nicht den geringsten Sinn, Herr Kollege Gundelach, hier von einer Politik der Spaltung Berlins zu sprechen, wenn jedes Kind in Berlin und in Deutschland weiß, daß Sie den Vorschlag, freie Wahlen in ganz Berlin durchzuführen, abgelehnt haben.
Wenn Sie Ihre Meinung dazu geändert haben, dann erklären Sie es bei einem späteren Punkt der heutigen Tagesordnung. Sonst nimmt Ihnen niemand diese Redensarten über die Spaltung Berlins ab!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, es ist beantragt worden, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß zum Schutze der Verfassung und weiter dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. Ist das Haus mit dieser Überweisung und damit einverstanden, daß der Ausschuß zum Schutze der Verfassung federführend ist? — Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung erfolgt.
Da ich Herrn Abgeordneten Dr. Arndt noch nicht im Hause sehe, — —
— Ja, er wird jeden Augenblick kommen, meine Damen und Herren; dieser Augenblick dauert aber nun schon über 3/4 Stunden. Wir kommen jetzt zu Punkt 6 der Tagesordnung und können nachher zu Punkt 2 zurückkehren. Ich rufe also auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über Leistungen aus vor der Währungsreform eingegangenen Renten-und Pensionsversicherungen vom 11. Juni 1951 .
Darf ich annehmen, meine Damen und Herren, daß auf eine mündliche Begründung des Gesetzentwurfs verzichtet wird?
Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Geld und Kredit als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Es ist offenbar der Fall.
Wir kommen zum Punkt 10 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln (Nr. 2449 der Drucksachen);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Nr. 2685 der Drucksachen). (Erste Beratung: 158. Sitzung).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 40 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Horlacher. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Getreidegesetz vom 4. November 1950 ist ergänzt und geändert worden durch ein Gesetz vom 5. August 1951. Seit der Verkündung des Getreidegesetzes haben sich aus wirtschaftlichen Verhältnissen heraus wieder weitere Ergänzungen und Änderungen als notwendig erwiesen, so daß die Einleitung von Art. 1 des Änderungsgesetzes künftig lauten wird:
Das Gesetz über den Verkehr mit Getreide und
Futtermitteln vom 4. November 1950 (BGB1. S. 721) in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Getreide und
Futtermitteln vom 5. August
1951 wird wie folgt geändert:
In § 3 dieses Gesetzes soll die Ermächtigung aufgenommen werden, Vorschriften zur Klarstellung der Waren- und Preisangebote, über die Sortierung, Kennzeichnung und Verpackung, Mengenoder Gewichtseinheiten von mittelbaren und unmittelbaren Erzeugnissen aller Art zu erlassen. Das war notwendig. Sie sehen aus der Vorlage, nach welcher Richtung das Gesetz ergänzt wird. In der Überschrift heißt es:
Verwendung von Getreide — Ausmahlung — Beimischung —— und jetzt kommt noch dazu —
Kennzeichnung.
Dann war es notwendig, in § 3 Abs. 1 die Bestimmung der Ziffer 6 anzufügen, die besagt, daß bestimmte Mehl- und Brotsorten in einem dem Bedarf entsprechenden Umfange anzubieten sind. Das heißt, es waren Vorschriften zu schaffen, daß das Angebot erfolgen muß. Hier ist insbesondere gemeint, daß Vorsorge für eine ausreichende Anbietung von Konsumbrot getroffen wird.
Weiter ist ein neuer Abs. 2 angefügt worden: Der Bundesminister kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern bestimmen, daß Getreidemahlerzeugnisse, Schälmühlenerzeugnisse, Teigwaren, Nährmittel, Brot und Kleingebäck nur in bestimmter Sortierung, Kennzeichnung, Verpackung, in bestimmten Mengen- oder Gewichtseinheiten feilgehalten, angeboten, verkauft oder sonst in den Verkehr gebracht werden dürfen.
Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat den von der Regierung beantragten neuen Abs. 2 zu § 4, des Inhalts, daß die Vorschriften des Abs. 1 auf andere Verarbeitungsbetriebe der Getreidewirtschaft erstreckt werden können, abgelehnt. Hier war insbesondere von der Teigwarenindustrie eine Art Kontingentierung gewünscht worden. Der Ausschuß konnte sich dem nicht anschließen. Ich selber habe den Vermittlungsvorschlag gemacht, hier noch den Termin bis 30. Juli 1952 einzufügen. Aber das ist auch abgelehnt worden.
Sodann wurde abgelehnt, dem § 5 einen neuen Abs. 4 folgender Fassung hinzuzufügen:
Der Verwaltungsrat besteht aus dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter, die vom Bundesminister bestellt werden, und aus Vertretern der beteiligten Wirtschaftskreise einschließlich der Verbraucher. Ihm steht die Beschlußfassung in allen grundsätzlichen Fragen zu, die zu dem Aufgabengebiet der Mühlenstelle gehören. Er beaufsichtigt den Vorstand. Der Vorsitzende des Verwaltungsrats und sein Stellvertreter haben kein Stimmrecht.
Da es sich um die Mühlenstelle handelt, hat sich hier wieder eine grundsätzliche Debatte entwickelt. Ich muß hierzu objektiv feststellen, daß von seiten des Herrn Kollegen Kriedemann, also von seiten der SPD, erhebliche Bedenken in bezug auf die Mühlenstelle vorgebracht wurden. Er hat einen Antrag gestellt, in dem Getreidegesetz selbst den 5 betreffend die Mühlenstelle zu streichen. Dieser Antrag wurde vom Ausschuß mit Mehrheit abgelehnt. Der Ausschuß hat aber auch den von mir vorhin bekanntgegebenen Antrag auf Änderung der Regierungsvorlage abgelehnt, und zwar ziemlich einstimmig, weil wir das Selbstverwaltungsorgan der Mühlenstelle nicht im Verwaltungsrat durch einen von der Regierung bestimmten Vorsitzenden und Stellvertreter ergänzen wollen. Da wahrscheinlich die Regierungsseite im Vorstand selber mitwirkt, wäre der Vorstand gleichzeitig mit das Kontrollorgan des Verwaltungsrates geworden.
Das wurde abgelehnt. Es bleibt also dabei, wie es im ursprünglichen Getreidegesetz vom 4. November 1950 geregelt ist.
In § 8 sind die Bestimmungen der Abs. 4 und 5 geändert worden, weil die bisherige Fassung Schwierigkeiten bereitet hat. Es war den obersten Landesbehörden insbesondere keine Möglichkeit gegeben, bei der Weiterleitung der Ware von sich aus Auflagen zu erteilen. Eine solche Maßnahme erscheint jedoch im Interesse einer gleichmäßigen und ordnungsmäßigen Verteilung der Ware innerhalb eines Landes oder eines Landesteiles dringend geboten. In § 8 wurde dem Abs. 5 folgender Schlußsatz angefügt:
Die Obersten Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten Stellen können über die Zuteilung des Getreides innerhalb des Landes Bestimmungen treffen.
Der Wunsch der Regierung, das auch auf die Zuteilung der aus Getreide hergestellten Erzeugnisse auszudehnen, wurde nicht erfüllt. Der Ausschuß hat das einstimmig abgelehnt. Es sind die Worte „und die daraus hergestellten Erzeugnisse" herausgeblieben, so daß sich die Befugnis jetzt nur auf die Zuteilung des Getreides bezieht.
Dem § 8 Abs. 6 wird folgender Schlußsatz angefügt:
Wird aus den vorhandenen Vorräten Getreide wieder in den Verkehr gebracht, so gilt Abs. 5 entsprechend.
Ich komme nun zu § 10. Die bisherigen Bestimmungen des § 10 Abs. 2 und 3 des Getreidegesetzes sind für die praktische Anwendung zu schwerfällig und außerdem unvollständig. Deswegen sind sie hier geändert worden. Die starke Abhängigkeit der Bundesrepublik von den ausländischen Einfuhren hat erhebliche Einflüsse auf das inländische Preisniveau. Zum Zwecke der Erreichung der erforderlichen Beweglichkeit in der Festsetzung von Preisen ist es notwendig, daß die Bundesregierung die entsprechenden Ermächtigungen erhält. Es ist auch notwendig, bei den zu erlassenden Rechtsverordnungen die besonderen gebietlichen Verhältnisse zu beachten. Daher soll der Bundesernährungsminister die nach Landesrecht zuständigen Landesbehörden mit dem Erlaß entsprechender Bestimmungen beauftragen können. Dem § 10 ist in Abs. 3 Buchstabe b folgender Schlußsatz angefügt:
Den Obersten Landesbehörden steht das Recht zur Verfügung dieser Art in den Fällen zu, in denen eine übergebietliche Regelung nicht erforderlich ist.
Nun besteht hier noch eine Unstimmigkeit. Ich bitte Sie, mir als Berichterstatter die Möglichkeit zu geben, das zu korrigieren. Im Abs. 4 heißt es:
Der Bundesminister kann im Einvernehmen mit den Bundesministern für Wirtschaft und der Finanzen seine Befugnisse nach Absätzen 2 und 3 auf die nach Landesrecht für die Preisregelung zuständigen Landesbehörden übertragen.
In dem angefügten Schlußsatz von § 10 Abs. 3 Buchstabe b müssen die Worte „Den Obersten Landesbehörden" ersetzt werden durch die Worte: .,Den nach Landesrecht zuständigen Landesbehörden". Ich beantrage diese Änderung. Sie ist notwendig, damit eine harmonische Durchführung des Gesetzes möglich ist und damit nicht die hohe Bürokratie wieder das Streiten darüber anfängt, wer hier zuständig ist. Deswegen muß der Wortlaut in Abs. 3 und 4 miteinander in Übereinstimmung gebracht werden. Hier, Herr Präsident, ist der Antrag; auch die Begründung ist dabei. Das bitte ich als Ergänzung hinnehmen zu wollen.
Bei § 14 will ich mich nicht weiter aufhalten. Im Ausschuß hat darüber auch keine Aussprache stattgefunden. Sie können die Begründung aus der Regierungsvorlage entnehmen.
Wichtig ist noch § 17 betreffend die Meldepflicht. Hier ist in Abs. 1 der Satz hinzugefügt:
Die Meldepflicht kann auch auf den übergebietlichen Warenverkehr erstreckt werden.
Der Sinn des Getreidegesetzes ist nämlich auch der, die Bewegung des Getreides zu verfolgen. Die Regierung soll die Gewißheit haben, daß das Getreide auch dort hingelangt, wo es hingelangen muß, d. h. es muß in den Dienst der Brotversorgung gestellt werden.
In § 18 wir im Abs. 3 folgender Schlußsatz angefügt:
Im übrigen können ohne Entgelt Proben von Getreide aller Art, Getreidemahlerzeugnissen, Schälmühlenerzeugnissen, Teigwaren, Nährmitteln, Brot und Kleingebäck sowie von Futtermitteln entnommen werden.
Wichtig ist noch, daß nach § 23 ein § 24 eingefügt wird, der bestimmt, daß sich die Geltung des Gesetzes auch auf das Land Berlin erstreckt. In den meisten Gesetzen nehmen wir ja einen solchen Paragraphen auf.
In Art. 2 wird noch folgender Abs. 2 angefügt: Der Bundesminister wird ermächtigt, den Wortlaut des Getreidegesetzes im Bundesgesetzblatt bekanntzumachen und dabei etwaige redaktionelle Unstimmigkeiten des Ge- setzestextes zu beseitigen.
Der Ausschuß hat den Zusatz gemacht, daß redaktionelle Unstimmigkeiten beseitigt werden können; sachliche Änderungen dürfen jedoch nicht vorgenommen werden.
Ich habe mich bemüht, Ihnen in sachlicher Weise Bericht zu erstatten. Ich habe Sie im Auftrage des Ausschusses zu bitten, der Vorlage in der vom Ausschuß beantragten Fassung Ihre Zustimmung zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe zur zweiten Beratung auf: Art. 1, Ziffer 1, — Ziffer 2, — Ziffer 3, — Ziffer 4, — Ziffer 5, — Ziffer 6.
— Zu welchem Punkt, Herr Abgeordneter Kriedemann?
Lassen Sie mich lieber zur Mühlenstelle allgemein reden. Ich möchte gerne etwas zu den §§ 5 und 6 des Gesetzes sagen.
Ich rufe also Art. 1 insgesamt auf. Wir kommen dann am schnellsten weiter. Sie wollen zu einem Punkt, der mir im Augenblick nicht ersichtlich ist, sprechen. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich wegen der Kürze der Zeit, die für die Beratung dieses Gesetzes hier angesetzt ist, nur — —
Im Rahmen der zweiten Beratung haben Sie keine Redezeitbegrenzung!
Wunderbar! Ich danke sehr. — Ich will mich trotzdem nur mit einem Punkt dieses Abänderungsgesetzes beschäftigen, den meine Freunde und ich allerdings für außerordentlich wichtig halten. Ich lege einen Antrag meiner Freunde zugrunde — den ich Ihnen überreichen darf —: „Die §§ 5 und 6 des Getreidegesetzes vom 4. November 1950 werden gestrichen". Der Herr Berichterstatter hat eben darauf hingewiesen, daß diese Frage im Ausschuß schon eingehend behandelt worden ist. Da der Antrag im Ausschuß abgelehnt worden ist, glaube ich, durch seine Wiederholung Ihre Aufmerksamkeit hier auf den Punkt hinlenken zu sollen, der ganz zweifellos im Abänderungsgesetz zum Getreidegesetz der entscheidende Punkt ist. Es ist mir leicht, das jetzt hier zu sagen. Leider ist weder der Herr Minister noch der Herr Staatssekretär hier; ich riskiere also nicht einmal einen Widerspruch. Aber den hätte ich auch sonst nicht zu befürchten. Es handelt sich um folgendes.
Mit dem Getreidegesetz haben wir alle zusammen dem Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft zur Sicherung der Getreideversorgung eine ganze Reihe von Vollmachten gegeben, die mit dem freien Spiel der Kräfte, so wie wir es sonst verstehen, nicht vereinbar sind, die sich aber zwingend aus unserer immerhin noch sehr ernsten Getreideversorgungslage ergeben. Der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft kann Vorschriften über die Ausnutzung der Mühlenkapazitäten erlassen, er kann vor allen Dingen Vorschriften darüber erlassen, wie das Getreide ausgemahlen werden soll usw. usw.
Man hat seinerzeit versucht, diese Vollmachten des Ministers dadurch, sagen wir einmal, abzumildern, daß man ihre Durchführung einer Mühlenstelle übertragen hat, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts durch § 5 des Getreidegesetzes eingerichtet worden ist. Diese Mühlenstelle sollte aus Vertretern der beteiligten Wirtschaftskreise einschließlich der Verbraucher gebildet werden. Sie ist dann viel schneller, als manch einer hier bei der Abstimmung über das Gesetz vielleicht angenommen hat, vor Aufgaben von außerordentlicher Bedeutung gestellt worden. Dabei hat sich in der Praxis doch ganz ohne Zweifel herausgestellt, daß es nun einmal nicht geht, ausgesprochen hoheitliche Funktionen durch dem Ministerium angehängte Körperschaften des öffentlichen Rechts, zuzusammengesetzt aus den unmittelbar Beteiligten, erledigen zu lassen. Bedenken Sie bitte nur, daß erst fast ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Getreidegesetzes, sozusagen in diesen Tagen, der Entwurf einer Geschäftsordnung für die Mühlenstelle dem Kabinett zugeleitet werden konnte. Ich denke gar nicht daran, diese lange Zeit, die dazu notwendig war, etwa auf Saumseligkeit, auf Müdigkeit — oder ich weiß nicht, was — der dafür zuständigen Stellen zu schieben. In dieser langen Zeitspanne kommt eben nichts anderes zum Ausdruck als die Schwierigkeiten, die nun einmal damit verbunden sind, wenn man solche Aufgaben klar hoheitlichen Charakters auf anderer Ebene zu lösen versucht.
Ein weiterer Beweis dafür, daß diese sehr wichtige Aufgabe, z. B. Ausmahlungsquoten vernünftig festzusetzen, dann aber auch im Interesse der Sicherung der Ernährung gegenüber allen Interessentenwünschen durchzusetzen, auf eine solche Weise nicht zu lösen ist, kommt in der Tatsache zum Ausdruck, daß die Regierung sich nun in ihrem Abänderungsgesetz das Recht zu sichern versucht hat, einen Beamten zum Vorsitzenden des
Verwaltungsrates der Mühlenstelle machen zu können — offenbar und zugegebenermaßen doch aus der Erfahrung heraus, daß die unmittelbar beteiligten Kreise sich bestens dafür bedanken, so unerfreuliche und unpopuläre Maßnahmen wie etwa die Kontrolle der Betriebe auf Innehaltung solcher Vermahlungsvorschriften dann auch wirksam zu gestalten. Denn das liefe ja doch darauf hinaus, daß irgendein maßgebender Herr aus der Mühlenwirtschaft dafür verantwortlich würde, daß aus mehr oder weniger verbindlichen oder unverbindlichen Beschlüssen oder Meinungsäußerungen etwas wird, was auch hantiert werden kann. Er muß also sozusagen die Prüfer in die Betriebe seiner Verbandskollegen hineinschicken. Das tut man natürlich nicht gern, und es ist durchaus begreiflich, sowohl daß es diese Schwierigkeiten gegeben hat, wie daß die Bundesregierung versucht hat, über diese Schwierigkeiten dadurch hinwegzukommen, daß mit der Durchführung dieser hoheitlichen Aufgaben eben nicht jemand aus den beteiligten Kreisen sozusagen ehrenamtlich betraut werden soll, sondern jemand aus dem Stabe des Ministeriums, ein Beamter.
Wir haben bei der Beratung dieses Abänderungsantrages unsere großen Bedenken dagegen geäußert, daß man hier die Erfahrungen mit dem bisherigen Nichtfunktionieren der Mühlenstelle nur mit einem halben Schritt verwerten will, also einen Beamten dort hinsetzen will, der dann aber kein Stimmrecht im Verwaltungsrat haben soll, und haben vorgeschlagen, aus dem, was nun studiert werden konnte und was in seinen Resultaten auch gar nicht verwunderlich ist, alle Konsequenzen zu ziehen und sich dazu zu bekennen, daß hoheitliche Aufgaben eben nicht abgetreten werden können, sondern dort erledigt werden müssen, wo sie hingehören, und daß sie an einer Stelle erledigt werden müssen, die in vollem Umfang und ohne alle Umwege auch politisch-parlamentarisch kontrolliert werden kann, nämlich im Ministerium. Diese Überlegung liegt unserem Antrage zugrunde, § 5 des Gesetzes, mit dem die Mühlenstelle eingerichtet wird, zu streichen.
Daraus ergibt sich auch die Forderung auf Streichung des § 6, mit dem ein Beschwerdeausschuß für Beschwerden gegen die Entscheidungen der Mühlenstelle eingerichtet worden ist. Ein solcher Beschwerdeausschuß ist dann überflüssig; denn gegen Maßnahmen des Ministeriums kann sich jeder Staatsbürger auf den hinreichend bekannten Wegen in jedem Augenblick beschwerdeführend um sein Recht bemühen.
Bitte, meine Damen und Herren, schenken Sie dem Problem einen Augenblick Ihre Aufmerksamkeit. Es handelt sich gar nicht um einen Grundsatzstreit; es handelt sich auch nicht um eine formale Angelegenheit, sondern schon um etwas, was materiell von großer Bedeutung ist. Ob man Mühlenkontingente einführt, neu einführt oder neu berechnet oder, was noch viel wichtiger ist, auf die Beachtung dieser Mühlenkontingente mit allem Nachdruck Gewicht legt, ob man sich über die Verteilung des Auslandsgetreides auf die einzelnen Mühlen neu orientieren muß oder ob man die Kontrolle der Durchführung der Vorschriften, die auf eine möglichst rationelle Verwendung des Getreides abzielen, sichert, — ob das alles funktioniert oder nicht, ist für unsere Getreidebilanz schon von außerordentlicher Bedeutung. In Anerkennung dieser Bedeutung sollte man die Durchführung eben auch dem Ministerium überlassen und diese Mühlenstelle abschaffen, nachdem sich aus der
Praxis eines Jahres erwiesen hat, daß sie nicht zum wirkungsvollen Eingriff gebracht werden kann. Das ist übrigens eine Erfahrung, auf Grund deren man niemandem einen Vorwurf machen sollte. Das war gar nicht anders zu erwarten.
Für meine Freunde und für mich liegt in dieser Sache wirklich so viel praktische Bedeutung und ein so großes Stück Verantwortung, daß wir uns — immer wieder unter Hinweis auf die bisher gemachten negativen Erfahrungen — nicht entschließen können, diesem Abänderungsgesetz zuzustimmen, wenn diese Mühlenstelle — noch dazu in der gegenwärtigen Form und unter Ablehnung des Wunsches der Bundesregierung — hier drinbleibt.
Herr Abgeordneter Kriedemann, darf ich Sie bitten, Ihren Antrag heute noch unterschreiben zu lassen, damit wir geschäftsordnungsmäßig vorgehen können.
Im übrigen darf ich unterstellen, daß das Haus sich über die von ihm beschlossenen Gesetze so im klaren ist, daß es sich erübrigt, die §§ 5 und 6 des Getreidegesetzes vorzulesen.
Herr Abgeordneter Dr. Horlacher, bitte!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute sind wir in einer guten demokratischen Debatte und können uns deshalb über eine Frage auseinandersetzen, ohne politisch hitzig zu werden. Es ist ein sehr schöner Gegenstand. Zum Herrn Kollegen Kriedemann kann ich mit einem Dichterwort sagen: Halb zog es ihn, halb sank er hin. Ich selber bin auch nicht von der Fassung begeistert, wie sie hier im Getreidegesetz drinsteht, aber momentan weiß ich keine bessere Fassung. Die Konstruktion ist ja auch originell, daß die Mühlenstelle zwar Selbstverwaltungsaufgaben hat, auf der anderen Seite aber den Weisungen des Ministeriums folgen muß und daß das Ministerium hier Verfügungen aufheben kann, die die Mühlenstelle als solche trifft. Die Mühlenstelle ist also unter der Kontrolle des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, so daß man vielleicht sagen könnte, es würde ein Beirat genügen. Wir brauchen hier nicht den Charakter der Mühlenstelle zu behandeln. Das sind persönliche Bedenken von mir. Ich wünsche aber unbedingt, daß uns im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten seitens der Regierung einmal ein Bericht über das Funktionieren der Mühlenstelle gegeben wird, wenn eine gewisse Erfahrung vorliegt. Eine gewisse Stelle ist doch notwendig. Es wäre unbedingt dafür zu sorgen — Herr Kollege Kriedemann, das ist unsere Sorge —, daß hier ein Ausgleich zwischen Großmühlen, Kleinmühlen und Mittelmühlen geschaffen wird, daß also inwendig das Gefüge so aufeinander abgestimmt ist, insbesondere auch bezüglich der Quoten des zu vermahlenden Auslandsgetreides, daß keine ungesunde Konkurrenzwirtschaft im Mehlverkehr usw. eintritt.
Das sind die Kernfragen. Es sind schon wesentliche Fragen von hoher materieller Bedeutung, Fragen, die für die Brotversorgung der Bevölkerung von Bedeutung sind. Mir kommt es auch darauf an, daß ein eigenes Organ der Müllerei endlich einmal für Durchsichtigkeit und dafür sorgt, daß auch bei diesem Gewerbe wieder Gehorsam gegenüber den Gesetzen geübt wird. Sonst tut ja jeder, was er mag. Die Regierung kann vorschreiben, was sie will, manche halten sich nicht daran.
Es ist im Interesse des Ganzen notwendig, daß die gegenseitige Konkurrenz aufhört. Die Mühlenstelle, die Beteiligten, die hier selber mitarbeiten sollen, hätten schon ein reiches Tätigkeitsfeld. Ich achte den Berufsstand der Müller sehr, weil er mit dem Bauernstand sehr nahe verwandt ist. Doch das ist eine Frage für sich. Müller und Bauern haben in der Zwangswirtschaft ganz gut zusammengearbeitet,
so daß hier gewisse Verbindungen bestehen. Es wäre also wichtig, wenn die Herren dafür sorgen würden, daß in ihrem eigenen und im Interesse der gesamten Bevölkerung hier eine ordnungsgemäße Wirtschaft eintritt.
Ich bitte Sie aber, jetzt keine Entscheidung zu treffen, sondern es so zu lassen, wie es im Getreidegesetz geregelt ist. Damit noch weitere Erfahrungen gesammelt werden können und die Sache überlegt werden kann, ersuche ich, dem Antrag Kriedemann nicht zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dannemann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es trifft zu, daß dieses Gesetz dem Herrn Bundesernährungsminister weitestgehende Vollmachten bezüglich der Anbietung, Vermahlung und Weiterverarbeitung des Getreides gibt. Es trifft zweifellos auch zu, daß weitgehende Hoheitsaufgaben in diesem Gesetz verankert sind. Gerade deswegen war die überwiegende Mehrheit des Ausschusses der Meinung, daß die Wirtschaft nicht ausgeschaltet werden sollte. Wir sind sehr darauf erpicht, daß eine Mühlenstelle auf alle Fälle erhalten bleibt, schon um das durchzuführen, was mein Kollege Dr. Horlacher soeben zum Ausdruck gebracht hat. Wir wollen nicht einen bösen Kampf zwischen Großmühlen und Kleinmühlen entstehen lassen.
Wir möchten vor allen Dingen darauf dringen, daß nicht die Verwaltung allein darüber entscheidet, was mit dem Getreide und dem verarbeiteten Getreide geschieht. Das hat uns im Ausschuß auch dazu bewogen, dem Vorschlag der Regierungsvorlage nicht zuzustimmen, der darauf hinauslief, den Verwaltungsrat in der Weise zusammenzusetzen, daß neben dem Vorstand der Mühlenstelle, der vom Minister vorgeschlagen und eingesetzt wird, auch der erste Vorsitzende des Verwaltungsrates und sein Stellvertreter vom Minister eingesetzt werden. Vielmehr waren wir der Meinung, daß auch hier die Wirtschaft selbst bestimmen soll, wer als Vorsitzender fungiert.
Aus diesen Gründen möchte ich Sie, meine verehrten Damen und Herren, bitten, dem Vorschlag der SPD nicht zuzustimmen. Eine Zustimmung würde nämlich dazu führen, daß die Durchführung des Gesetzes einzig und allein in der Hand des Staates läge und die Wirtschaft restlos ausgeschaltet würde.
Herr Abgeordneter Kriedemann!
Meine Damen und Herren! Auch uns liegt der Ausgleich zwischen den Interessen der größeren, kleineren und mittleren Mühlen durchaus am Herzen, und wir wünschen nur, daß dieser Interessenausgleich unter Wahrung
volkswirtschaftlicher Gesichtspunkte erfolgt. Wir sind aber der Ansicht, daß diese Dinge in der Hand des dafür verantwortlichen Ministeriums immer noch besser untergebracht sind als in den Händen der beteiligten Wirtschaftskreise. Denn es wird sich erst in der Praxis herausstellen, ob die Mühlenstelle wirklich nach allen Seiten unabhängig und frei ist, oder ob das nicht vielleicht anders ist.
Wir haben auch gar keine Bedenken dagegen, daß die Durchführung eines Gesetzes, das in diesem Hause beschlossen ist, dem dafür zuständigen Organ, nämlich der Regierung, dem Ministerium, anvertraut ist. Wir sind für jede Mitwirkung der Wirtschaft, da wo es sich um Beratung handelt, außerordentlich dankbar, und kein vernünftiger Mensch wird darauf verzichten. Das Ministerium ist in vollem Umfang in der Lage, sich beraten oder sich mit Rat dienen zu lassen. Aber man braucht deswegen noch längst nicht die Durchführung dieser Bestimmungen — und das sind Vorschriften, die für einzelne Betriebe, hoffentlich nicht für uns alle, von geradezu lebensentscheidender Bedeutung sein können — aus der verantwortlichen Stelle herauszunehmen. Daher unser Antrag auf Streichung des § 5.
Es interessiert mich nun die Stellungnahme der Regierung. Sie hat den Vorschlag gemacht, die bisherige Konstruktion — mit der man versuchte, die Geschichte völlig in Form der Selbstverwaltung zu erledigen — aus den Erfahrungen heraus, daß das eben nicht gelungen ist, zu ändern, indem sie sich eine stärkere Eingriffsmöglichkeit sichert, nämlich den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter — wenn auch ohne Stimmrecht — bestellen zu können. Dies war doch offenbar vom Standpunkt der Regierung aus eine notwendige Verbesserung. Sie ist aber von der Mehrheit im Ausschuß abgelehnt worden. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, wie die Herren, die bisher in ihren Amtsgeschäften darunter zu leiden hatten, daß die seinerzeit eingeführte Konstruktion nicht funktioniert hat, nun weiterarbeiten wollen, nachdem man ihnen die Möglichkeit einer Änderung, einer Verbesserung genommen hat. Um hieraus die letzte Konsequenz zu ziehen, wollen wir eben die ganze Mühlenstelle streichen, um damit die Verantwortung klarzustellen. Ich bitte Sie noch einmal, unseren Antrag anzunehmen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sachlage ist doch folgende. Die Ihnen vorliegende Novelle sieht keine organische Änderung vor. Die in § 5 des Getreidegesetzes fundierte Mühlenstelle sollte nicht beseitigt werden. Ich weiß nicht, ob alle Herrschaften den Wortlaut des Getreidegesetzes so im Kopf haben. Vielleicht darf ich ganz kurz darauf hinweisen, daß der Gedanke des Getreidegesetzes damals der war: die Erfassung des Getreides, die Direktion des Getreides durch die Mühlenstelle, sonst aber Freiheit. Das war der Gedankengang, dem sich das Hohe Haus damals, als das Geteidegesetz im November 1950 beschlossen wurde, einmütig anschloß.
Richtig ist, was Herr Kriedemann sagt, daß gewisse Schwierigkeiten in der Organisation der Mühlenstelle der Regierung Veranlassung gaben, diesen für § 5 vorgesehenen Abänderungsvorschlag zu machen, der heißt: Der Verwaltungsrat besteht aus dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter, die vom Bundesminister bestellt werden, und aus Vertretern der beteiligten Wirtschaftskreise. Dieser Antrag der Regierung ist aus den vom Herrn Abgeordneten Dannemann vorher erwähnten Gründen im Ernährungsausschuß abgelehnt worden.
Im Ernährungsausschuß hat dann Herr Kriedemann ähnliche Ausführungen gemacht wie heute und hat angeregt, den § 5 des Gesetzes zu streichen und damit die Mühlenstelle ganz zu beseitigen. Wir sind uns vor acht Tagen im Ernährungsausschuß, als diese Sache zur Debatte stand, darüber im klaren gewesen, daß das doch einen integrierenden Bestandteil des Getreidegesetzes betrifft, und waren der Meinung, daß man es nach Ablehnung unseres Änderungsvorschlages zu § 5 doch bei dem alten § 5 des Getreidegesetzes belassen solle.
Trotz aller Schwierigkeiten, die sich zugestandenermaßen ergeben haben, möchte ich bitten, daß man eine Änderung des Gesetzes nicht vornimmt und nicht, wie Herr Abgeordneter Kriedemann und seine Fraktion es anregen, den § 5 streicht und damit die Mühlenstelle beseitigt.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelbesprechung zu Art. 1.
Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Herrn Abgeordneten Kriedemann. Dieser bedeutet praktisch., daß eine Ziffer 1 a mit dem Text eingefügt wird:
Die §§ 5 und 6 des Getreidegesetzes vom 4. November 1950 werden gestrichen.
Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —Das zweite war die Mehrheit; der Antrag des Herrn Abgeordneten Kriedemann ist abgelehnt.
Herr Abgeordneter Dr. Horlacher hat beantragt, in Ziffer 6 — das bezieht sich auf den fettgedruckten Teil auf Seite 5 oben der Ihnen vorliegenden Drucksache Nr. 2685, meine Damen und Herren — die Worte „Obersten Landesbehörden" zu ersetzen durch die Worte „nach Landesrecht zuständigen Landesbehörden". Dann würde es also heißen:
Den nach Landesrecht zuständigen Landesbehörden steht das Recht zur Verfügung dieser
Art in den Fällen zu, in denen eine übergebietliche Regelung nicht erforderlich ist.
Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Horlacher sind, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Damit komme ich zur Abstimmung über Art. 1 in der insoweit abgeänderten Fassung. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Art. 1 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf Art. 2, — Einleitung und Überschrift des Gesetzes. — Keine Wortmeldungen? — Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Art. 2 sowie der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Wünscht jemand in der allgemeinen Aussprache das Wort zu nehmen? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich rufe in der Einzelbesprechung auf Art. 1, — Art. 2, — Einleitung und Überschrift in der Fassung der zweiten Beratung. — Auch keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen aufgerufenen Artikeln sowie der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln . Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, kehre ich zurück zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes über den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Nr. 2659 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Arndt. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte sehr um Entschuldigung, daß es mir aus zwingenden Gründen nicht möglich war, heute rechtzeitig in der Plenarsitzung anwesend zu sein.
Im Auftrage des Vermittlungsausschusses habe ich Ihnen folgendes zu berichten: Der Bundestag hat am 10. Juli 1951 das Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung verabschiedet. Der Bundesrat hat in seiner 65. Sitzung am 27. Juli 1951, also rechtzeitig, beschlossen, gegen dieses Gesetz den Vermittlungsausschuß anzurufen, um dort Abänderungsanträge durchzusetzen, die der Bundesrat im einzelnen schriftlich niedergelegt hatte.
Der erste Abänderungsantrag des Bundesrates bezog sich auf die Präambel. Der Bundesrat wünschte, es solle in die Präambel des Gesetzes aufgenommen werden, daß der Bundestag das Gesetz „mit Zustimmung des Bundesrates" verabschiedet habe. Der Vermittlungsausschuß hat sich diesem Wunsch des Bundesrates einhellig nicht anschließen können, und zwar aus den folgenden Gründen: Die Eingangsformel eines Gesetzes ist überhaupt nicht Gegenstand unserer Beschlußfassung. Aufgabe des Herrn Bundespräsidenten ist es, das Gesetz auszufertigen und zu verkünden. Bei dieser Gelegenheit hat er auch zu beurkunden, ob die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates gewahrt sind oder nicht. Handelt es sich um ein Zustimmungsgesetz, so wird daher der Herr Bundespräsident gut daran tun, bei Ausfertigung und Verkündung des Gesetzes hervorzuheben, daß der Bundesrat zugestimmt hat. Die beiden gesetzgebenden Körperschaften werden überdies auch ihrerseits bei der Verabschiedung eines solchen Gesetzes schon aus politischen Gründen und rechtlich mindestens incidenter in Erwägung zu ziehen haben, ob es sich um ein Zustimmungsgesetz handelt oder
nicht. Dagegen wäre es auch mit der Logik nicht vereinbar, daß wir unsererseits als Bundestag beschließen, der Bundesrat habe einem Gesetz zugestimmt, ehe sich der Bundesrat im Rücklauf mit dem Gesetz überhaupt hat beschäftigen können. Wir waren uns im Vermittlungsausschuß darüber einig, daß es sich bei diesem Gesetz um ein Zustimmungsgesetz handelt Wir waren uns aber auch darüber einig, daß es untunlich und nicht angängig ist, unsererseits hierüber in der Präambel etwas zu sagen. Infolgedessen ist insoweit eine Veränderung nicht vorgenommen worden.
Punkt 2 der Beanstandungen des Bundesrates bezog sich auf die Sitzbestimmung. Sie werden sich daran erinnern, meine Damen und Herren, daß bei diesem Gesetz eine Eigentümlichkeit zu verzeichnen ist, daß nämlich das eigentliche Gesetz nur bestimmt, der Sitz der Bundesanstalt werde durch Gesetz festgelegt, und daß wir dann in einem besonderen Gesetz Nürnberg als Sitz der Bundesanstalt festgelegt haben. Eine weitere Eigentümlichkeit des Verfahrens ist, daß der Bundesrat zwar die Bestimmung, daß der Sitz der Anstalt durch Gesetz festgelegt werde, beanstandet hat, das besondere Gesetz dagegen, wonach nämlich Nürnberg Sitz der Bundesanstalt wird, hat passieren lassen. Infolgedessen standen wir vor der Frage, daß eine geradezu unlösbare Situation gegeben wäre, wenn wir jetzt das Gesetz über die Organisation der Bundesanstalt verändert hätten. In diesem Falle hätte alles von der Verkündung abgehangen, davon, ob das eine oder das andere Gesetz früher oder später verkündet worden wäre, ob es im Bundesgesetzblatt an erster oder zweiter Stelle gestanden hätte. Dann hätte man durch die Rechtsprechung entscheiden lassen müssen, welche der Bestimmungen nun gültig sei oder nicht. Schon aus diesen Gründen hat der Vermittlungsausschuß mit großer Mehrheit beschlossen, der Beanstandung des Bundesrates, nämlich daß der Sitz durch den Verwaltungsrat bestimmt werde, nicht zuzustimmen, sondern es bei unserer Bestimmung zu belassen, daß der Sitz durch Gesetz festgelegt werde, da ja das Gesetz über den Sitz schon von Bundestag und Bundesrat übereinstimmend verabschiedet war.
Drittens hat der Bundesrat gewünscht, daß im § 2 des Gesetzes anstatt „Benehmen" das Wort „Einvernehmen" gesetzt werden solle. Dabei handelt es sich um die Abgrenzung der Landesarbeitsämter und Arbeitsämter. Der Bundesrat wünschte, daß diese gebietliche Abgrenzung wegen ihrer Bedeutung nicht von dem Bundesarbeitsminister nur im Benehmen mit den Ländern vorgenommen werden solle, sondern nicht ohne Zustimmung, also nur im Einvernehmen mit den Ländern vorgenommen werden könne. Der Vermittlungsausschuß hat sich diesem Wunsch aus praktischen Bedenken nicht anschließen können, weil es im Streit- oder Zweifelsfall eine Instanz geben muß, die entscheidet, da es ja, wenn zwei notwendig sind — der Bundesarbeitsminister und der zuständige Landesarbeitsminister —, unter Umständen zu keiner Entscheidung kommt. Wir haben es deshalb bei dem „Benehmen" belassen. Ich bin aber als Berichterstatter beauftragt und ermächtigt, hier hervorzuheben, daß es zum Benehmen selbstverständlich nicht genügt, wenn ein Bundesministerium an ein Landesministerium lediglich einmal einen Brief schreibt und dann, wenn dieser Brief vielleicht nicht innerhalb sehr kurzer Frist beantwortet wird, sagt, daß das Benehmen ja hergestellt sei und nunmehr entschieden werden könne.
„Benehmen" ist ein traditionell feststehender staatsrechtlicher Begriff. Er erfordert, daß seitens der Bundesbehörde alles zu geschehen hat, um ein freundliches Einverständnis mit der Landesbehörde herzustellen. Oder, um es einmal nach einer anderen Richtung hin auszudrücken, „Benehmen" ist nicht nur ein juristischer Begriff, sondern er bedeutet auch gutes Benehmen seitens der Behörde, die zu entscheiden hat gegenüber der Landesbehörde, mit der sie zusammenwirken soll. Wir hoffen, daß es nach dieser Richtung hin zu keinen weiteren Beanstandungen kommt.
Viertens hatte der Bundesrat gewünscht, daß nach § 5 des Gesetzes der Präsident der Bundesanstalt die Geschäfte nicht nur nach Richtlinien des Vorstandes führen solle, sondern auch nach Weisungen. Das bedeutet, daß ihm im Einzelfall hätten vom Vorstande Weisungen gegeben werden können. Der Vermittlungsausschuß ist mit Mehrheit der Auffassung gewesen, daß hierin letzten Endes eine Verlagerung der Geschäftsführung vom Präsidenten auf den Vorstand zu sehen sei und es nicht der Verwaltungsübung entspreche, eine solche Befugnis zu Weisungen im Einzelfall zu geben. Der Vermittlungsausschuß hat es daher bei den „Richtlinien" belassen, allerdings den Zusatz „allgemeine" deshalb gestrichen, weil es sich für Richtlinien von selbst versteht, daß es sich dabei um generelle Richtlinien handelt. Damit ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß durch das Statut, durch die Satzung der Anstalt dem Präsidenten in seinem Innenverhältnis zum Vorstand zur Pflicht gemacht wird, bei Geschäften besonderer Art, die nicht zur allgemeinen Geschäftsführung gehören, sich der Zustimmung des Vorstandes zu vergewissern.
Weiterhin hat der Bundesrat zu § 11 gefordert, die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Es handelt sich im § 11 um die Vertreter der öffentlichen Körperschaften im Verwaltungsrat. Die Regierungsvorlage hatte vorgesehen, daß der Bundesrat fünf Mitglieder haben solle, dagegen die kommunalen Spitzenverbände nur drei. Das Hohe Haus hatte hierin eine Änderung vorgenommen und die Vertretung des Bundesrats auf vier Mitglieder beschränkt, dagegen den kommunalen Spitzenverbänden drei statt vier Sitze im Verwaltungsrat zugestanden. Der Vermittlungsausschuß hat die Regierungsvorlage den Wünschen des Bundesrats entsprechend wiederhergestellt, und zwar in der Erwägung, daß die Interessen der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften im wesentlichen parallel seien und ihre Vertretung deshalb trotz der großen Bedeutung, die sie gerade auf dem Gebiete der Arbeitsvermittlung und der Arbeitslosenfürsorge haben, mit drei Mitgliedern genüge, daß es dagegen der Bedeutung des Bundesrats entspreche, ihm fünf Mitglieder zuzubilligen.
Der Bundesrat hatte dann eine Reihe von redaktionellen oder stilistischen Wünschen, die selbst bis in die Interpunktion hineingingen. Ich glaube, ich brauche die Zeit des Hohen Hauses mit einem Bericht darüber nicht in Anspruch zu nehmen und kann mich auf das Ernsthafte und Wesentliche beschränken.
Dann war ein zentraler Punkt der Wünsche des Bundesrats der § 26, die Art der Wahl des Präsidenten der Bundesanstalt sowie der Präsidenten der Landesarbeitsämter und der Direktoren der Arbeitsämter. Wir sind hierbei zu dem Ergebnis gekommen, daß die Art des Gesetzes, wie es der Bundestag verabschiedet hatte, unzweckmäßig sei, weil daraus im Streitfalle nicht klar genug zu erkennen wäre, wann etwa eine gerichtliche Entscheidung einsetzen könne und müsse. Das Verfahren erschien uns — kurz gesagt — nicht genügend synchronisiert. Deshalb ist mit großer Mehrheit ein Vermittlungsvorschlag angenommen worden, der jetzt folgendes vorsieht: Der Präsident der Bundesanstalt und sein ständiger Stellvertreter werden von dem Verwaltungsrat gewählt. In dieser Wahl wird zum Ausdruck gebracht, daß die Anstalt ein betontes Selbstverwaltungsrecht hat. Aber der so Gewählte braucht von der Bundesregierung nicht dem Herrn Bundespräsidenten vorgeschlagen zu werden, wenn die Bundesregierung glaubt, sachliche Gründe zu haben, sich mit der Person des Gewählten nicht einverstanden zu erklären. Die Bundesregierung hat schon dadurch, daß sie die Ernennung durch den Herrn Bundespräsidenten gegenzeichnen muß, ein selbständiges Prüfungsrecht und eine politische Verantwortung auch dem Parlament gegenüber dafür, daß sie sich diese Wahl zu eigen macht. Es müssen also nach dem Vermittlungsvorschlag der Verwaltungsrat dadurch, daß er wählt, und die Bundesregierung dadurch, daß sie dem Herrn Bundespräsidenten vorschlägt, zusammenwirken. Der Gewählte ist noch nicht vorgeschlagen, und es kann nicht vorgeschlagen werden, wer nicht gewählt ist. Wenn beides zusammentrifft, dann wird die Ernennung durch den Herrn Bundespräsidenten vollzogen. Das ist der Sinn des Vermittlungsvorschlags, durch den die Mehrheit des Ausschusses geglaubt hat, sowohl das Interesse der Anstalt an ihrer Selbstverwaltung als auch das öffentliche Interesse der Bundesregierung an dieser Anstalt in gleicher und gerechter Weise zu berücksichtigen. Entsprechend sind auch die Bestimmungen für die Präsidenten der Landesarbeitsämter und ihrer ständigen Stellvertreter und für die Direktoren der Arbeitsämter umgearbeitet worden.
Ein erheblicher Streit bestand, wie Sie alle wissen, darüber, wie es mit dem Übergang der Beamten, Angestellten und Arbeiter, der bisher in der Arbeitsverwaltung beschäftigten Personen auf die Bundesanstalt zu halten wäre. Der Bundesrat hatte Gewicht darauf gelegt, daß alle diese Verwaltungsangehörigen der Arbeitsverwaltung gewissermaßen en bloc auf die Bundesanstalt zu übernehmen seien. Der Vermittlungsausschuß hat mit erheblicher Mehrheit einen Vermittlungsvorschlag angenommen, der für die Beamten folgende Regelung trifft:
Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bei den Arbeitsämtern und Landesarbeitsämtern beschäftigten Personen werden
mit dem Tage des Inkrafttretens Beamte der
Bundesanstalt.
Dieser Übergang erfolgt also kraft Gesetzes, so daß keinerlei Zwielicht oder Unklarheit entstehen kann, ob eine solche Person nun noch Landesbeamter ist oder Beamter der Bundesanstalt wird.
Auf diese Personen finden dann die Vorschriften des Kap. 5 des Reichsgesetzes zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Allgemeinen Beamtenrechts usw. vom 30. Juni 1933 Anwendung, wobei ich hervorzuheben habe, daß sich der § 37 Abs. 1 Satz 2 selbstverständlich auf die Beamten in § 37 Abs. 1 Satz 1 bezieht. Vielleicht hätte es konkreter heißen müssen:
Im übrigen finden auf diese Beamten die Vorschriften usw. Anwendung.
Die Bundesanstalt hat jedoch die Befugnis, bei
gewissen Beamten, deren Kreis dann in § 37 Abs. 2
im einzelnen genau umrissen ist, eine Versetzung in den Wartestand vorzunehmen. Wir haben im Gesetz nicht ausdrücklich hervorgehoben, daß die Bundesanstalt wohl zunächst mit der Landesverwaltung in Verbindung treten und klären wird, ob die Landesverwaltung den Beamten in ihrem Bereiche anderweit beschäftigt, wodurch sich eine Versetzung in den Wartestand erübrigen würde; das haben wir als selbstverständlich vorausgesetzt. Im übrigen aber erschienen der Mehrheit des Vermittlungsausschusses die Rechte und Interessen der Bundesanstalt daran, ungeeignete Beamte nicht übernehmen zu müssen, dadurch gewahrt, daß wir in § 37 Abs. 2 im einzelnen die Voraussetzungen aufgeführt haben, unter denen die Bundesanstalt Beamte innerhalb eines Jahres nach Übergang dieser Verwaltung in den Wartestand versetzen kann. „Wartestand" haben wir anstatt „Ruhestand" gewählt, weil das der Tradition im Beamtenrecht entspricht und außerdem auch die Versetzung in den Wartestand weniger kostspielig ist als die Versetzung in den Ruhestand.
Ich glaube, ich kann im übrigen insoweit auf den Ihnen allen vorliegenden Text des Vermittlungsvorschlages Bezug nehmen. Durch diesen Vermittlungsvorschlag sind dann eine ganze Reihe von Bestimmungen überflüssig geworden, so daß die §§ 38, 39 und 40 entfallen können.
Hinsichtlich der Verwaltungsangehörigen, die Arbeiter oder Angestellte sind, glaubte der Vermittlungsausschuß mit erheblicher Mehrheit, sich auf den Vermittlungsvorschlag beschränken zu können, daß diese Personen mit unveränderten Rechten und Pflichten von der Bundesanstalt übernommen werden, weil die Bundesanstalt dann die Möglichkeit hat, von den aus dem Arbeitsverhältnis sich ergebenden etwaigen Kündigungsrechten oder anderen Befugnissen Gebrauch zu machen.
Eine weitere Beanstandung des Bundesrats betraf den Übergang des Reichsstocks für Arbeitseinsatz. Der Bundesrat wünschte eine andere Abfassung der Bestimmung insoweit, als das Vermögen des Reichsstocks und das entsprechende, seit dem 8. Mai 1945 aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung gebildete Vermögen auf die Bundesanstalt übergehen sollte, und zwar um eine Aufrollung des Streites zu vermeiden, ob es sich bei dem neu gebildeten Vermögen um Vermögen des Bundes oder der Länder handelt. Wir haben festgestellt, daß, wie man es auch ausdrückt, diese Streitfrage berührt wird, aber wir waren darüber einig, daß unsere textliche Abfassung diese Streitfrage weder positiv noch negativ entscheiden solle. Wir haben geglaubt, daß die von uns in § 44 Satz 2 jetzt gewählte Formulierung die rebus sic stantibus neutralste ist.
Bei § 45, dem Vermögensübergang, ist durch den Bundesrat auch noch streitig geworden, ob es sich bei dem Vermögensübergang nur um den Übergang. der Aktiven handeln könne oder dieser Übergang auch die Passiven mit umfassen müsse. Wir haben die Bestimmungen, wie sie der Bundestag selbst verabschiedet hatte, bestehen lassen, aber hinzugefügt, daß über die Verbindlichkeiten, wie sie vor der Währungsreform entstanden sind, noch ein besonderes Bundesgesetz ergehen müsse. Dies war deshalb nötig, weil wir nicht in einem solchen Sondergesetz der allgemeinen Regelung der Reichsverbindlichkeiten und der Staatsschulden aus der Zeit vor der Währungsreform vorgreifen konnten. Dagegen erschien es uns möglich und tunlich, für die Verbindlichkeiten, die nach der Währungsreform entstanden sind, alsbald einen Übergang von den Ländern auf die Bundesanstalt hier im Gesetz zu bestimmen.
Diese Veränderungen im Gesetzestext und die Verspätung der Verabschiedung durch die Vermittlungstätigkeit hatten zur Folge, daß wir die alten Daten über das Inkrafttreten und die Termine nicht bestehen lassen konnten. Infolgedessen haben wir im § 56 bestimmt, daß das: Gesetz erst am 1.. Januar 1952 in Kraft tritt. Daraus ergab sich dann z. B. für § 46 eine entsprechende Terminänderung von dem 1. Oktober 1953 auf den 1. Januar 1954.
Damit hoffe ich, Ihnen im wesentlichen die Vermittlungsvorschläge des Vermittlungsausschusses berichtet zu haben, und ich bitte Sie, diesen Vorschlägen zuzustimmen.
Der Vermittlungsausschuß hat schließlich nach seiner Geschäftsordnung noch geprüft, ob es sich um einzelne Vorschläge handelt, über die getrennt abgestimmt werden kann, oder ob es sich um Vorschläge handelt, die zusammengehören. Ein sachlicher Zusammenhang besteht vielfach zwischen den einzelnen Abänderungen nicht, wohl aber bestand und besteht ein Vermittlungszusammenhang, auf den allein es ankommt. Überdies ist es ja ein Zustimmungsgesetz, so daß sich auch daraus ergibt, daß letzten Endes über alle diese hier vermittelten Abänderungen nur zusammen entschieden werden kann. Aus dem Grunde hat der Vermittlungsausschuß nach § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß im Bundestag über diese Änderungen gemeinsam abzustimmen sei. Es kann daher nur eine einzige Abstimmung über diesen einheitlichen Vermittlungsvorschlag erfolgen. Ich bitte Sie, diesem Vermittlungsvorschlag Ihre Zustimmung zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Meine Damen und Herren! Besteht der Wunsch, Erklärungen abzugeben? Herr Abgeordneter Arndgen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrage der Regierungsparteien habe ich die Erklärung abzugeben, daß die Fraktionen der CDU, der FDP und der DP den Vermittlungsvorschlag in Sachen Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ablehnen, weil in dem Vermittlungsvorschlag allzu weitgehende Änderungen an dem Beschluß des Bundestags zu diesem Gesetz vorgenommen wurden.
Weitere Erklärungen sollen offenbar nicht abgegeben werden. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses Drucksache Nr. 2659. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrage zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit. Damit ist der Antrag des Vermittlungsausschusses abgelehnt.
Meine Damen und Herren! Ich fahre in der Tagesordnung fort. Ich weise darauf hin, daß der
Punkt 14 der Tagesordnung im Zusammenhang mit Punkt 18 erledigt werden soll.
Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ott und Genossen betreffend Protest gegen die Zwangsumsiedlung in Rumänien .
Ich schlage Ihnen eine Begründungszeit von 5 Minuten und eine Aussprachezeit von höchstens 60 Minuten vor. — Herr Abgeordneter Dr. Ott!
Dr. Ott , Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seitdem der Deutsche Bundestag bestrebt ist, die Bundesrepublik Deutschland wieder zu einem souveränen Staat zu formen, haben wir es uns hier angelegen sein lassen, gegen alle Erscheinungen des Unrechts und der Gewalt aufzutreten, selbst wenn eine der Besatzungsmächte unsere Rechtsauffassung nicht zu teilen vermochte oder gar ihre Interessen der Rechtsidee überordnete. Während es sich hierbei meist um Ereignisse handelte, die auf unserem Staatsgebiet geschahen, habe ich heute mit großem Ernst und aller Entschiedenheit auf ein grausames, ungeheuerliches Kollektivverbrechen hinzuweisen, das in jüngster Zeit an einem deutschen Volksstamm in einem russischen Satellitenstaat begangen wurde und begangen wird.
Seit dem 18. Juni 1951 werden in Rumänien die Banater Schwaben zu Tausenden zwangsweise und unter Bedingungen, die den Gesetzen der Menschlichkeit und der Menschenwürde Hohn sprechen, aus dem Südwesten in den östlichen und südöstlichen Teil Rumäniens umgesiedelt. Bei dieser furchtbaren Gewaltaktion, die zur Zeit und damit sechs Jahre nach Kriegsende praktiziert wird, werden ohne vorherige Ankündigung über Nacht nicht nur jahrhundertealte Dorf- und Glaubensgemeinschaften, sondern in vielen Fällen auch die Familien auseinandergerissen. Kinder über 12 Jahre werden ihren Eltern fortgenommen und der Betreuung durch die Parteieinrichtungen unterstellt.
Zweck und Ziel des verbrecherischen Tuns der Bukarester volksdemokratischen Regierung ist es, den zumeist römisch-katholischen Stamm der Banater Schwaben als eine religiöse und ethnische Gruppe zu vernichten. Einen Eindruck von der Grausamkeit dieser Aktion, die die Freiheit und Menschenwürde zutiefst mißachtet und jeden Eigentumsbegriff negiert, möge Ihnen der Bericht „Die Deportationen im Banat" aus dem Wiener Wochenblatt „Der Heimatbote" vom 25. August 1951 vermitteln. Hieraus darf ich wie folgt zitieren:
Die Bedingungen, unter denen die Aussiedlungen erfolgen, sind einfach unvorstellbar.
Männer, Frauen, Kinder, Greise, Säuglinge,
Vieh, Hausgerät — alles zusammen wird in
Güterwaggons verladen, die kurz vor der Ab-
fahrt des Zuges verschlossen werden. Die zur
Aussiedlung vorgesehenen Personen müssen sich
innerhalb weniger Stunden bereitmachen. Sie
dürfen nur das Notwendigste an Hausrat und
Lebensmitteln mitnehmen. Die Transporte
werden in das Gebiet zwischen Braila - GalatzConstanza gebracht. Man nimmt an, daß die
Arbeitsfähigen dort bei dem Bau des Schwarzmeer-Kanals und anderen Aufbauarbeiten eingesetzt werden.
Einen Augenzeugenbericht gibt uns ein Briefschreiber aus Hatzfeld:
Man hat die Dörfer einfach umstellt, ist zu den
Leuten gegangen und hat ihnen gesagt, daß sie in zwei bis drei Stunden fertig sein müssen zum Fortgehen. Kaum waren die Leute aus dem Dorf hinaus, da begann das Plündern und Niedermachen. Alles, was nicht beweglich war, wurde zusammengeschlagen. Und zum Schluß gab es große Gelage. Kein Wunder: In den Kellern der Weggeführten stehen Fässer mit 60 bis 70 Hektoliter Wein. Bei uns fehlen ungefähr 360 Familien.
Soweit der Augenzeugenbericht.
Dieses Verbrechen und die daraus erwachsenen Verpflichtungen des Deutschen Bundestages erhalten eine besondere Bedeutung, wenn man sich dessen eingedenk ist, daß es sich gerade bei den Banater Schwaben um einen Volksstamm handelt, der seit jeher schon als bester deutscher Vorposten im Ausland galt. Als Nachkommen deutscher Auswanderer des 18. Jahrhunderts haben die Banater Schwaben bis heute in bewundernswerter Weise danach getrachtet, das stolze Erbe, welches ihre Vorväter und Väter dem ehemals ungerodeten Boden abgerungen haben, zu bewahren. Jeder Europäer weiß um die Sauberkeit der Dörfer und Höfe und um den Fleiß der Banater Schwaben. Als Student konnte ich mich persönlich auf meinen Wanderungen auch durch Rumänien von der gerade in diesem Lande einmaligen Schaffenskraft dieser unserer deutschen Brüder und Schwestern überzeugen. Nikolaus Lenau und Adam MüllerGuttenbrunn seien als geistige Vertreter dieser vorbildlichen deutschen Volksgruppe nur beispielsweise erwähnt. Es ist eine historische Tatsache, daß dieser deutsche Stamm seinerzeit der österreichischungarischen Monarchie und nach 1918 den Nachfolgestaaten Rumänien, Jugoslawien und Ungarn nur zum Ruhme gereicht und Beachtliches zum allgemeinen Wohlstand beigetragen hat.
Dieser treudeutsche Volksstamm wurde bereits durch die Ereignisse des Krieges und der Nachkriegszeit erheblich in seiner Substanz dezimiert. Die Zahl der im Banat verbliebenen Deutschen belief sich auf rund 200 000 Menschen. Nunmehr rollen seit Monaten Güterzüge ostwärts, in denen die Banater Schwaben zu Tausenden von ihren angestammten Wohnsitzen verschleppt werden. Informationen zufolge sollen von der Zwangsverschleppung bisher rund 30 000 Menschen erfaßt sein. Ich bitte Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu versuchen, sich einmal in die Situation einzufühlen, die unsere Brüder und Schwestern im Banat erleben, wenn sie über Nacht von ihrer Scholle, von Haus und Hof und allem, was ihnen lieb und teuer war, vertrieben werden. Tränen, Kummer und Todesangst quälen heute diese armen Menschen selbst sechs Jahre nach Beendigung des Krieges. Wir müssen erkennen, daß dieser Terrorakt vollkommen in der bolschewistischen Linie liegt. Das bolschewistische Regime will ja gerade alle Menschen, die noch bodenständig und kulturbewußt sind, entwurzeln, um sie als gefügige Masse ihrem materialistischen System um so leichter unterordnen zu können.
Wenn wir uns all dessen bewußt werden, so ist festzustellen, daß die öffentliche Anteilnahme des deutschen Volkes an dem tragischen Ergehen eines von dem Untergang bedrohten Stammes beschämend gering ist.
—Bitte, Herr Präsident, noch einige Minuten. —
Die Ursache hierzu ist das Ausbleiben eines zu er-
wartenden Protestes im deutschen Blätterwald gegen das an unseren Landsleuten begangene Verbrechen wider die Menschlichkeit.
Als im Jahre 1945 unsere deutschen Brüder und Schwestern im Osten vertrieben, vergewaltigt und gemordet wurden, da mußten wir dieses seit Menschengedenken ungeheuerlichste Verbrechen machtlos und untätig, aber mit großer Bitterkeit im Herzen, erdulden. Nunmehr hat sich die Situation grundlegend geändert. Schweigen wir heute zu den Verbrechen, die an irgendeinem Ort an irgendeinem Teile unseres Volkes begangen werden, so machen wir uns mitschuldig.
Nachdem ich in Erfahrung gebracht habe, daß von kommunistischer Seite unser Antrag als eine Einmischung in die innerstaatlichen Verhältnisse Rumäniens ausgelegt wird, möchte ich hier alle etwaigen staatsrechtlichen Bedenken ausschließen. Verletztes Rechtsgut der kriminellen Handlungen, die zur Zeit im Banat erfolgen, sind deutsche Menschen und ihr Eigentum. Darüber hinaus ist es nicht nur das Recht, sondern die Pflicht eines jeden freiheitliebenden Volkes, auf den Plan zu treten, wenn die Menschenwürde mißachtet wird. Das ist in Rumänien der Fall. Ich darf Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, als Geistlicher sagen, daß Gottes- und Naturgesetz über jeglichem Staatsgesetz stehen.
Somit ergibt sich vornehmlich für uns Deutsche, aber auch für alle freien Völker, die eindeutige Verpflichtung zum Handeln, um die Tragödie eines ganzen deutschen Volksstammes abzuwenden. Nach dem von der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Recht projektierten „Gesetzbuch von Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit" gelten Handlungen von Regierungen, die auf eine ganze oder teilweise Vernichtung nationaler, ethnischer, rassischer oder religiöser Gruppen abzielen, als Verbrechen gegen den Frieden. Dieser Entwurf ist noch nicht rechtskräftig; die furchtbaren Geschehnisse in Rumänien aber nehmen ihren Lauf. Ich darf darauf hinweisen, daß vom Nürnberger Militärtribunal eine große Zahl Deutscher, die zum Teil nur höchste Befehle ausgeführt haben, deswegen zum Tode oder zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt wurden, weil Polen aus dem Warthegau in das Generalgouvernement umgesiedelt wurden.
Meine Damen und Herren, ich glaube, hinsichtlich des objektiven Tatbestandes und der dringenden Veranlassung zum Handeln alles Erforderliche gesagt zu haben. Wollen wir den Anspruch erheben, als Vertreter der freien Welt und damit als Verfechter der Menschenwürde ernst genommen zu werden, so dürfen wir zu diesem grausamen Schicksal unserer 200 000 Brüder und Schwestern nicht schweigen. Es müssen mit größter Entschlossenheit und größtem Bemühen alle Möglichkeiten erwogen werden, die nur irgendwie geeignet sind, das schwere Los der Ausgesiedelten und derer, die noch jetzt von der Zwangsumsiedlung bedroht sind, zu mildern oder zu verhüten. Wir fordern dies mit aller Entschiedenheit von der Bundesregierung, aber auch von der deutschen Presse und von allen Instanzen, deren Wort in dieser Angelegenheit von Gewicht sein kann.
Ein Antrag, der von allen Fraktionen in erfreulicher und auch erforderlicher Einmütigkeit unterzeichnet ist, beinhaltet diese Forderungen. Er liegt Ihnen mit der Drucksache Nr. 2645 vom 4. Oktober 1951 vor und hat folgenden Wortlaut:
Protest gegen die Zwangsumsiedlung in Rumänien.
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, vor aller Welt gegen die seit dem 18. Juni 1951 in Rumänien im Gange befindliche Zwangsumsiedlung aus dem Südwesten in den Osten des Landes, von der auch die restlichen 200 000 Banater Schwaben betroffen sind, zu protestieren und bei den Vereinten Nationen Anklage zu erheben.
Um unserem Antrag vor der Weltöffentlichkeit eine gewichtige Bedeutung zu verleihen, bitte ich Sie, meine Damen und Herren, diesen unseren Antrag annehmen zu wollen.
Herr Abgeordneter, ich beziehe mich auf die freundliche Unterhaltung, die ich gestern mit Herrn Abgeordneten Kahn hatte, und bitte Sie, künftighin in gleicher Weise wie er zu verfahren und möglichst frei zu sprechen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gerstenmaier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Angelegenheit verdient ganz zweifellos die Aufmerksamkeit dieses Hauses. Ich bin mit dem Herrn Antragsteller insoweit einig, und ich bedaure nur, daß seine Darlegungen, die, wie ich mich überzeugt habe, auf nackten Tatbestandsberichten beruhen,
bis jetzt nicht ein weiteres Echo in der Welt zu finden vermochten. In einem Augenblick, in dem wir mit billigsten und auch mit weniger billigen Propagandaparolen überschüttet werden, in denen es von Frieden und Einheit nur so knallt, stehen wir vor einer Situation, in der 50 000 Menschen wie die Hunde oder noch schlechter behandelt werden,
und das im Bereich des Nahen Ostens, in einem Gebiet, das wir jederzeit zu Europa gerechnet haben.
Das Trauerspiel, das sich sozusagen vor unseren Augen vollzieht und vor das die östliche Propaganda, die sich schamlos eine Friedenspropaganda nennt, den Vorhang der Lüge schiebt, das muß dem deutschen Volk hier einmal vor Augen gestellt werden. Es muß vor allem denen zum Bewußtsein gebracht werden, die meinen, hinter diesen Parolen von Frieden, Freiheit und Einheit, die uns aus dem Osten entgegentönen, könnte doch wenigstens ein Kern oder ein Schimmer von Wahrheit sein.
Meine Damen und Herren! Hier brauchen wir nicht an Sibirien, hier brauchen wir nicht an das Elend deutscher Kriegsgefangener hinter dem Ural zu erinnern; nein, was hier berichtet wird, das geschieht noch im unmittelbaren Bereich der europäischen Völker. Hier kommt an den Tag, hier wird wieder einmal jedem, der es wissen will, deutlich, wie der Friede und wie die Freiheit in den Ländern verstanden werden, die sich zum Wortführer des Friedens und der Freiheit in der Welt aufgeworfen haben.
— Herr Renner, ich will Ihnen einmal etwas sagen. Ich habe gestern abend geschwankt, ob ich Sie einmal fragen sollte, ob Sie nun mit einem klassischen Zitat von Johann Wolfgang Goethe oder mit einem französischen Zitat bedient werden wollen. Sie haben die Auswahl, Herr Renner. Ich finde, daß Sie gestern abend eine charmante Rede gehalten haben.
- „Von allen Geistern, die verneinen, ist mir der Schalk am wenigsten zur Last." Es gibt noch eine andere Möglichkeit, und das ist ein Wort eines französischen Philosophen: „Le communisme est une maladie senile". — Daran erinnere ich mich, wenn ich Sie hier höre mit Ihrem verzweifelten Auftrag, diese Tatbestände zu verwischen und dem deutschen Volke außer Sicht zu halten!
Das ist der Tatbestand, meine Damen und Herren! Das muß dem deutschen Volk zum Bewußtsein gebracht werden. Es muß vor allem denen zum Bewußtsein gebracht werden, die nun anfangen, zu meinen, man könne sich in Sachen der Freiheit vielleicht doch noch neutral verhalten. Keine Rede davon! Wir sind schon einmal zu spät gegen Tyrannen und Henker angetreten.
Meine Damen und Herren, nur einmal und nicht wieder!
Noch gibt es in diesem Hause, und zwar in allen Lagern — Herr Renner, auch bei Ihnen —, Männer, die die Spuren der Tyrannei und des Märtyrertums an ihrem Leibe tragen, und wir sollten vergessen, was wir hier der Freiheit und dem Leid von 50 000 Menschen schuldig sind?! Nehmen Sie, meine Damen und Herren, das, was Herr Kollege Ott hier als Tatbestand auf den Tisch gelegt hat, grimmig ernst. Es ist so, und wir sind in der Lage, die dokumentarischen Beweise dafür vorzulegen. Soviel zum Tatbestand.
Nun zum Antrag. Ich glaube nicht, daß der Antrag in der vorliegenden Form vollziehbar ist, und zwar aus Gründen rein formalrechtlicher Art, die ich hier nicht weiter auseinandersetzen will. Ich möchte Ihnen den Vorschlag machen, daß wir den Antrag heute dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten mit dem Petitum überweisen, daß er sich möglichst schnell mit der Sache befaßt. Ich bin nämlich der Meinung, daß hier im Plenum nicht die Diskussion darüber geführt werden kann, wie das Anliegen des Antrages am zweckmäßigsten hinsichtlich der Weltöffentlichkeit, aber auch hinsichtlich dessen behandelt werden kann, was im Rahmen des freien Teiles der deutschen Nation möglich ist, was von uns und durch unsere Hand an praktischer Hilfe für diejenigen geschehen kann, die dort in den Lagern vor Galatz liegen und einem elenden und jammervollen Schicksal im kommenden Winter entgegengehen. Diese Frage muß genau erwogen werden, und deshalb bitte ich, daß wir diesen Antrag, so wie er ist, dem Ausschuß überweisen und ihm das Petitum mitgeben, daß der Ausschuß diesen Antrag vorziehen und mit einigen praktischen Vorschlägen so schnell wie möglich zur definitiven Beschlußfassung an das Plenum zurückbringen möchte.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Trischler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine beiden Vorredner haben den Fragenkomplex bereits eingehend geschildert. Es handelt sich hier um einen Teil des furchtbaren Schicksals des Deutschtums im Südosten nach dem zweiten Weltkrieg. Die Banater Schwaben sind nur ein kleiner Teil der früher mehr als 3 Millionen Deutschen, die in dem Raum des früheren Ungarn und später in den drei Nachfolgestaaten gelebt haben.
Aus einer Wüste ward ein blühend Eden, aus Sümpfen hob sich eine neue Welt.
Man kann wohl sagen, daß diese Donauschwaben, darunter die Banater Schwaben, bestimmt auf der Welt zu den besten Kolonisatoren gehören. Wer diese Gebiete jemals bereist hat, wird einsehen, daß sie zu dem besten Bauerntum auch des gesamten Deutschtums, inklusive Deutschland und Österreich, gehören. Sie haben ihre Aufgabe jahrhundertelang hindurch glänzend erfüllt. Nach dem ersten Weltkrieg wurden sie in drei Staaten aufgeteilt.
Es kam das Zeitalter der Minderheiten in Europa. Es wurden ihnen in Minderheiten-Schutzverträgen internationaler Art, in den Staatsverfassungen ihrer Staaten, in den staatlichen Gesetzen alle möglichen Rechte zugesichert; es wurde ihnen auch das Recht zugestanden, ihre eigenen kulturellen und wirtschaftlichen und politischen Organisationen zu schaffen. Sie haben es getan, und das, was ihnen bewilligt wurde — mit vollem Recht —, das hat man nachher zum Anlaß genommen, um ihr Schicksal radikal nach dem zweiten Weltkrieg zu ändern. Gewiß war die Frage der Einberufung der waffenfähigen Männer in die Waffen-SS heikel. Aber wie ist sie vor sich gegangen? Auch diese sind nur auf Grund von zwischenstaatlichen Verträgen — die die Regierungen ihrer eigenen Staaten mit dem „Dritten Reich" damals abgeschlossen hatten — eingerückt. Was war die Folge? Daß Hunderttausende dieser Menschen nach 1945 buchstäblich vernichtet wurden. Nur ein Teil konnte fliehen. Gerade von den Banater Schwaben, die rund 350 000 ausgemacht haben, sind nur wenige Zehntausende nach Österreich und in das Bundesgebiet gekommen. Der Rest ist zurückgeblieben. Man kann sagen, daß in Rumänien im allgemeinen nicht soviel Menschen umgekommen sind wie z. B. in Jugoslawien, wo fast 40 % der gesamten Bevölkerung deutscher Nationalität das Leben einbüßten. Aber die Banater Schwaben sind dadurch sehr betroffen mit den Siebenbürger Sachsen, die dageblieben
waren, daß Zehntausende von arbeitsfähigen Männern, Frauen und Mädchen nach Rußland verschleppt wurden. Ein Teil von ihnen kehrte nach Deutschland und Österreich zurück, ein Teil auch wieder in die Heimat.
Und nun, nach sechs Jahren Friedenszeit, sechs Jahre nach dem Krieg, beginnt wieder dasselbe Schicksal, und es ist kein Einzelfall. Es beleuchtet blitzartig die Situation, wie sie in diesen Ländern, die soviel von Freiheit und Frieden sprechen, aussieht. Schauen wir doch ein bißchen weiter in den Südosten. Aus Bulgarien werden seit den letzten Monaten laufend Zehntausende Türken nach der Türkei ausgewiesen. Wenn Sie die Zeitungen verfolgt haben, konnten Sie sehen, daß aus Budapest Zehntausende Menschen ausgesiedelt werden, aus der Stadt auf das Land, weil man angeblich diese Elemente nicht wünscht und weil man sie als unzuverlässig erklärt.
In diesen Rahmen fällt auch das Schicksal dieser Banater Schwaben. Entlang der jugoslawischen Grenze in einem etwa 50 bis 60 km breiten Streifen, hat man mit der Aussiedlung nicht nur von Deutschen — das wollen wir offen zugeben —begonnen. Am ersten waren die Serben dran, die geschlossen über die Grenze nach Jugoslawien ausgesiedelt wurden, und dann kamen Deutsche, zum Teil sogar auch Rumänen, auch andere Nationalitäten, sogar Tschechen eingenommen, in die Gebiete östlich und nordöstlich von Bukarest. Mein Vorredner Ott hat eingehend die Art und Weise geschildert, wie das alles vor sich geht.
Dieser Antrag, der hier gestellt ist, stellt uns nun vor die Frage: Was können wir machen oder was sollen wir machen? Auch ich bin der Meinung, daß das, was der Antrag verlangt, berechtigt ist. Er verlangt zunächst Protesterhebung. Das ist richtig, das können wir tun. Wir können in aller Feierlichkeit vor dem Bundestag, vor der deutschen Öffentlichkeit und damit vor der Weltöffentlichkeit Protest gegen dieses Vorgehen erheben. Er verlangt auf der andern Seite die Erhebung einer Klage bei den Vereinten Nationen. Wenn man dieses Problem genau studiert, so ist praktisch kein gangbarer Weg dazu vorhanden. Es ist nicht möglich, daß wir durch die Bundesregierung oder irgendeine andere Stelle dort eine klage erheben. Aber es ist möglich, verschiedene internationale Stellen auf diese Aufgabe aufmerksam zu machen, und darum halten wir es auch für richtig und glücklich, daß wir das Problem hier behandeln.
Auch ich möchte im Namen der FDP, der DP und der Bayernpartei den Antrag stellen, den zur Debatte stehenden Antrag nicht in der vorliegenden Form anzunehmen, sondern ihn dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zu überweisen, aber zusätzlich noch an den Ausschuß für Heimatvertriebene, weil wir dort wirklich erörtern wollen, was wir machen können. Wir können in breitester Öffentlichkeit aufklärend wirken. Wir können Hilfe suchen bei allen möglichen internationalen Stellen. Das ist zum Teil geschehen.
Auch bei der Bundesregierung ist dieser Fall seit vielen Wochen bekannt, und das Bundesministerium für Vertriebene hat bereits vor mehreren Wochen einen Beauftragten der Banater Landsmannschaft in die Schweiz gesandt, der dort an verschiedenen Stellen vorgesprochen und um Hilfe nachgesucht hat.
Womit wir aber insbesondere helfen können, ist, daß wir einigen von diesen Menschen die Möglichkeit geben könnten, zu ihren Familienangehörigen ins Bundesgebiet zu kommen. Es gibt eine ganze Reihe von Banater Schwaben, die hier sind. Leider wird gerade die Erteilung der Zuzugsgenehmigungen in den letzten Monaten nicht so gehandhabt, wie es notwendig wäre. Wir wissen, daß bis zum 1. Februar dieses Jahres auf dem Gebiete des Zuzugs über verschiedene Stellen der Alliierten die einzelnen Länder zuständig waren. Bis dahin sind auch laufend aus diesen südöstlichen Gebieten — Ungarn, Rumänien und Jugoslawien — Familienzusammenführungen durchgeführt worden. Jetzt ist es so, daß das Bundesministerium des Innern für diese Frage zuständig ist.
Wir erlebten in den letzten Wochen eine ganze Reihe von Fällen, in denen sich die zuständigen Landesbehörden, nachdem sie den Zuzug erteilt hatten, bereit erklärten, Wohnraum und zum Teil Arbeitsplätze zu bewilligen. Das Bundesministerium hat den Zuzug abgelehnt!
Gerade diese Frage wird geeignet sein, um sich im Ausschuß darüber zu unterhalten, wie wir besonders für diese betroffenen Menschen die Möglichkeit schaffen können, den Begriff der Familienzusammenführung mit Rücksicht auf deren besondere Notlage etwas weiter und breiter zu fassen und ihnen die Möglichkeit zu schaffen, daß mehrere von ihnen herauskommen können. Ich glaube, wir werden im Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten und im Ausschuß für Heimatvertriebene die Möglichkeit haben, uns mit diesen Problemen eingehend zu befassen, und wir werden voraussichtlich auf Grund der Beschlüsse der Ausschüsse zu einer entsprechenden Entschließung des Bundestags kommen.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Ich bin jedenfalls nicht so wie der erste Redner belastet; ich war nicht bei der SA!
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich erst einmal eine rein formale, verfassungsrechtliche Feststellung machen! Der Antrag fordert oder regt die Klageerhebung bei der UNO an. Der Sprecher der CDU — —
— lassen Sie mich aussprechen, ich habe 10 Minuten Zeit — wie auch derjenige der FDP hat darauf hingewiesen, daß das kein gangbarer Weg sei. Wieso ist das kein gangbarer Weg, Herr Gerstenmaier? Sie haben doch gestern als einen ungeheuren Erfolg beklatscht, daß die Hohen Kommissare die Vorschläge des Herrn Bundeskanzlers betreffend Durchführung gesamtdeutscher Wahlen über die Hohen Kommissare an die UNO weiterleiten. Also, warum geht man in dieser Frage nicht denselben Weg? Ich kann Ihnen sagen, warum Sie denselben Weg nicht gehen können! Wenn Sie denselben Weg gingen, dann müßten Sie die Behauptungen hier beweisen!
Dann würde Ihr Auftreten so enden, wie Ihr Auftreten in der Frage der Kriegsgefangenen geendet
hat, die Sie ja auch vor die UNO gebracht haben.
Als Sie da den Beweis antreten sollten, war die Aktion beendet.
Als Sie den Beweis für Ihre Behauptungen antreten sollten, war die Aktion zu Ende.
Deshalb lehnen Sie die Klage bei der UNO ab und Sie schieben dieses Problem auf das übliche Gleis der Hetze
gegen die Sowjetunion, der Hetze gegen die Völker der Volksdemokratien!
Daß Sie diese Hetze ausgerechnet fünf Minuten vor Beginn der großen Auseinandersetzung um die gestrige Regierungserklärung führen, hat einen sehr tiefen, einen besonderen Sinn, aber einen für den Eingeweihten durchaus erkennbaren Sinn.
Es wird ein Probegalopp geritten. — Aber Sie haben sich Ihre Bundesgenossen nicht genau angesehen, Herr Gerstenmaier!
Wir erleben hier folgendes. Der Herr Dr. Ott, das Mitglied der faschistischen sudetendeutschen Legion, dieser Hitler-Formation, der das deutsche Volk und das tschechische Volk unsägliches Elend verdanken, dieser Provokateur, dessen Tätigkeit, ebenso wie die seiner Hintermänner, ihre Krönung in Lidice gefunden hat, dieser Bursche stellt sich hier hin und hält eine Hetzrede!
Herr Abgeordneter Renner, ich rufe Sie zur Ordnung!
Er stellt sich hier hin und hält eine Hetzrede, der Mann, der besser täte, sich an seine eigene Brust zu schlagen und hier — ich habe schon einen Ordnungsruf erhalten — den Mund zu halten. Wenn es darum geht, für Menschenwürde und Menschenrecht einzutreten,
dann ist er der Mann, der am allerletzten berufen ist, sich eine solche Rolle anzumaßen.
Der Geist, der aus diesem Antrag herausstinkt, ist der Geist der NS-Auslandsorganisation,
das ist der Geist des Gauleiters Bohle, der ja damals, als das Sudetengebiet noch zur Tschechoslowakei gehörte, bereits den Titel „Amtsleiter" und „Gauleiter" trug. Wollen Sie, Herr Dr. Ott, seine Rolle wieder aufnehmen? Wollen Sie Gauleiter des Herrn Konrad Adenauer in Rumänien werden?
So stehen doch die Fragen! Die ganze Arroganz
dieser faschistischen, nationalistischen Elemente
spricht aus diesem Antrag! Was erlaubt
Ihnen, von angeblichen Greueltaten zu reden, für
die Ihnen auch nur die Spur eines Beweises fehlt!
Herr Dr. Gerstenmaier, daß Sie sich in dieser Gesellschaft bewegen, wundert mich nicht. Aber in der Liste der Unterzeichner steht auch der Name einer Frau aus diesem Hause. Dieser möchte ich sagen: es tut mir in der Seele weh, daß ich Sie in dieser Gesellschaft seh'!
Und nun etwas über die Hintergründe.
Wer steht denn eigentlich hinter dieser Aktion? Sehen Sie mal, kennen Sie dieses Organ „SüdostStimmen"? Wenn nicht, dann wird es Zeit, daß Sie es sich anschaffen. Wenn Sie es kennen würden, dann hätten Sie nämlich, wenn Sie diese Nummer 1 gelesen hätten, gewußt, was heute hier gespielt wird. Diese Nummer hätte Ihnen die Hintergründe dessen aufgezeigt, worum es sich hier handelt. Hier werden die Personen, die Inspiratoren dieser Aktion genannt.
— Dieser Aktion! Nachdem Sie sich Herrn Gerstenmaier so angeschlossen haben, muß ich wohl annehmen, daß es auch Ihre Aktion ist. Was für Leute sind das? Ich sage Ihnen die Namen: Dr. Vladko Macek, kroatischer Bauernführer; Professor Augustin Popa, Klausenburg, rumänischer Nationalist; Ferenc Nagy, ehemaliger ungarischer Ministerpräsident, Führer der Kleinlandwirtepartei; Karl Peyer, ehemaliger ungarischer Minister, Führer der ungarischen Sozialdemokratie; Dr. Miho Krek, slowenische Volkspartei;
Dr. Konstantin Fotic, früher jugoslawischer Gesandter in Washington, Präsident des serbischen Nationalkomitees;
Visoianu, Präsident des rumänischen Nationalkomitees.
Und dann die Geldgeber! Wer ist die Organisation, die diese Hetze gegen die Sowjetunion betreibt? Darum geht es doch in Wirklichkeit. Das ist eine amerikanische Organisation Free Europe. Diese amerikanische Organisation verteilt nach diesem christ-katholischen Organ
— das ist ein christ-katholisches Organ, damit Sie es wissen — fröhlich Dollars. Und hier erhebt sich nach diesem Blatt ein Streit darüber, ob die 200 000 an eine bestimmte Organisation gegebenen Dollars richtig angewendet sind. Also der übliche Streit der Agenten um die Dollars!
Herr Abgeordneter Renner, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Also, die Hintermänner sind herausgestellt.
Die Absichten, die sie verfolgen, sind klar.
— Die Mörder sitzen in Ihren Reihen,
nicht in unseren Reihen.
Herr Abgeordneter, — —
— Herr Abgeordneter Renner, — —
So liegen die Dinge! Angesichts der Hintergründe dieser Aktion,
angesichts der Absicht, nicht etwa diesen Menschen zu helfen, die sich vermutlich eine Hilfe von den ehemaligen Faschisten verbitten würden, falls sie überhaupt Hilfe benötigen, angesichts der tatsächlichen Absicht, eine Hetze gegen die Sowjetunion zu inszenieren, sagen war Ihnen offen, was hinter Ihrem Antrag steht. Wir lehnen diesen provokatorischen, arroganten, faschistischen Antrag ab.
Das Wort hat der Abgeordnete Paul.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben — das möchte ich zur Einleitung dem Herrn Kollegen Renner und seinen Parteifreunden sagen — Verständnis dafür, daß diese Leute, da sie gezwungen sind, um ihren Kopf zu kämpfen, jede Gelegenheit ergreifen, um ihre Bewährung zu erweisen.
Aber ich hätte doch gehofft, daß sie sich in dem Bestreben, immer und immer wieder ihr politisches Hennecke-Übersoll zu schaffen,
einen besseren Anlaß ausgesucht hätten als den, der heute zur Debatte steht.
Meine Damen und Herren, das, was jetzt in Rumänien geschieht, ist, so hoffen wir, das letzte Glied in der großen Kette der Tragödien, die sich seit dem Jahre 1945 abgespielt haben. Nach der Austreibung der Deutschen aus den Gebieten hinter der Oder und Neiße, aus dem Sudetenland, aus Ungarn und Jugoslawien ist nun die Reihe auch an die letzten gekommen, die in Rumänien im Banat noch am Leben geblieben sind. Daß sie eine Heimat haben, das kann man ja wahrhaftig schon nicht mehr behaupten.
Wenn wir hier zum Protest unsere Stimme erheben, so kommt dem eine besondere Bedeutung zu. Als die große Tragödie des Jahres 1945 und die der folgenden Jahre abrollte, gab es kein deutsches Parlament. Jetzt aber ist ein deutsches Parlament geschaffen. Da haben wir die Pflicht, die Stimme dieses Parlaments zur Geltung zu bringen. Wir hoffen, daß diese Stimme auch über die Grenzen dieses Landes hinausdringt.
Ich möchte den Herren von da drüben noch eines sagen. Durch die Austreibung und durch das, was jetzt geschieht, ist etwas vernichtet worden, was auch Sie ein wenig angehen sollte, nämlich eine bodenständige, verwurzelte Arbeiterbewegung.
Ich rede jetzt nicht von dem, was in den Sudeten war,
was in Schlesien und was auch in Ungarn und Jugoslawien gewesen ist. Ich will bei der Sache bleiben. Ich weiß, daß es in diesem von Deutschen bewohnten Teile Rumäniens eine schwache, aber tapfere Arbeiterbewegung gegeben hat. Das, was nach den Efscheinungen des Krieges und der ganzen Politik und der Halb- und Ganzdiktaturen, die auch dort herrschten, noch übrig geblieben ist, das wird nun jetzt noch vernichtet und zugrunde gerichtet.
Wenn wir als deutsche Sozialdemokraten, für die ich zu sprechen die Ehre habe, das Wort nehmen, so können wir uns darauf berufen, daß wir gegen jede Barbarei gekämpft haben, ganz gleich, von wem und gegen wen sie begangen wurde, ganz gleich, in welcher Nation, gegen welche Konfession und gegen welche Rasse.
Ich gebe zu, es können nicht alle, die heute die Stimme zum Protest erheben, das gleiche von sich behaupten.
Das mag traurig und bedauerlich sein im Interesse der Sache, um die es geht. Aber ich erkläre, daß wir deutschen Sozialdemokraten uns mit dem ganzen moralischen Gewicht unserer Partei dem Protest anschließen und daß wir den Appell über dieses Haus hinaus an das deutsche Volk und an die Welt richten, in der Hoffnung, daß endlich die Menschlichkeit so stark sein werde, der Fortsetzung dieser Barbarei ein Ende zu bereiten.
Namens meiner Fraktion schließe ich mich den Anträgen an, diesen Antrag, an den Ausschuß für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten und an den Ausschuß für die Angelegenheiten der Heimatvertriebenen zu überweisen. Diese Ausschüsse mögen dem Hohen Hause die geeigneten Anregungen unterbreiten, damit Maßnahmen ergriffen werden können, um dieser Schande unserer Zeit ein Ende zu bereiten.
Das Wort hat noch einmal der Abgeordnete Dr. Gerstenmaier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, zu sagen: Wenn Herr Renner sich akkurat in die Gretchenrolle begibt, dann ist das für uns ein schlechtes Theater. Aber ich glaube, daß es falsch wäre, wenn wir, so wie die Dinge in Deutschland laufen, diese Herren auch hier in einigen Punkten immerfort weiter ignorieren würden, und zwar aus folgendem Grunde: Es ist nicht zu bestreiten, daß die Propaganda — sie kann so schlecht oder so gut gemacht werden, wie sie will — in der Masse, in der sie gemacht wird, und in der Hemmungslosigkeit, in der sie vom Osten her
gemacht wird — offensichtlich mit außerordentlich reichen Mitteln dotiert —, allmählich leicht zu betörende Gemüter zu verwirren in der Lage ist; und das wollen wir nicht haben.
Aber nun noch ein anderes, was wir uns auch in diesem Hause selbst von Herrn Renner nicht sagen lassen können und sagen lassen dürfen. Ich weiß nicht, ob es gestattet ist, das hier zu sagen, und ich sage es nicht gern; aber es ist eine Unverfrorenheit sonder Beispiel, wenn uns Herr Renner hier sagt, daß z. B. in Sachen der deutschen Kriegsgefangenen Beweise von uns vor dem internationalen Gremium, vor dem die Sache verhandelt worden ist — das sind die Vereinten Nationen —, nicht hätten erbracht werden können. Herr Renner, wir haben hunderttausend Beweise, wenn Sie es ganz genau wissen wollen.
Es ist eine Unverschämtheit, das abzustreiten. Und die Beweise, die uns jetzt hinsichtlich der Vernichtung von 50 000 Banater Schwaben und wahrscheinlich einer Unzahl anderer Menschen aus dem Südosten vorliegen, die Beweise von der Tragödie, die sich vor den Toren von Galatz vollzieht, haben wir uns auch nicht gesucht und nicht hierher bestellt als Ouvertüre vor diesem letzten Punkt der Tagesordnung; sie sind uns hier leider Gottes auf den Tisch gekommen, und wir haben nicht die Absicht, sie zu ignorieren. Wenn Sie so wollen, betrachten wir allerdings diesen Punkt als eine Ouvertüre zu dem, was jetzt in diesem Hause zur Verhandlung steht.
Der Kampf um die Freiheit von dem Bereich Deutschlands aus, der frei ist, wird noch mutiger, noch energischer und noch entschlossener geführt werden müssen denn seit langem. Sie können sich darauf verlassen: wir sind keine Defaitisten; in diesem Punkt werden Sie sich bei uns verrechnet haben!
Selbst die Langweiligkeit Ihrer sturen Lügen kann uns nicht mehr davon abbringen, dagegen anzutreten.
Herr Renner hat gemeint, weil uns das Statut der Vereinten Nationen die Annahme des Antrages in der vorliegenden Form nicht möglich macht, seien wir am Ende unserer Weisheit. Meine Damen und Herren, so ist es nun freilich nicht. Ich schlage vor, daß sich der Ausschuß damit befaßt und daß die Bundesregierung auf einen Beschluß des Deutschen Bundestages hin an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz mit der Bitte herantritt, bei der Regierung dieser Freien Volksrepublik Rumänien um die Entsendung einer Delegation in dieses Gebiet nachzusuchen
und zweitens über die Mitgliedsregierungen der Vereinten Nationen an die Vereinten Nationen das Ersuchen zu richten, daß diese ebenfalls eine Delegation in das Gebiet entsenden. Dann können wir in Ruhe die Feststellung abwarten, ob die Berichte, die dokumentarisch geprüft und von dem Rechtsanwalt Peter Maurus, Stuttgart-W, Falkertstraße 107, bestätigt sind, Lügen sind, wie uns Herr Renner hier mit seinen Märchenerzählungen glauben machen will, oder ob sie leider Gottes traurige Wahrheit sind.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist beantragt worden, diesen Antrag zunächst dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten — Herr Abgeordneter Paul, ich darf annehmen, daß Sie diesen Ausschuß auch gemeint haben — und zweitens dem Ausschuß für Vertriebene zu überweisen. Federführend würde der Auswärtige Ausschuß sein. Das Haus ist damit einverstanden.
Ich rufe die nächsten beiden Punkte der Tagesordnung auf:
a) Aussprache über die Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 16. Oktober 1951;
b) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Einstellung der zwischen der Bundesregierung und den Hohen Kommissaren geführten Verhandlungen wegen der Durchführung der Washingtoner Beschlüsse .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für diese Beratung eine Gesamtredezeit von zwei Stunden, dazu für den Antrag der Fraktion der KPD eine Begründungszeit von 20 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Tillmanns.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde begrüßen die gestrige Erklärung der Bundesregierung zur Frage der Wiederherstellung der deutschen Einheit mit größter Genugtuung. Die Note der Hohen Kommissare ist unseres Erachtens ein Dokument von entscheidender politischer Bedeutung. Denn sie zeigt, daß Bundestag und Bundesregierung in ihrer gemeinsamen entschlossenen Politik, die deutsche Einheit in Freiheit zu verwirklichen, auf dem richtigen Wege sind. Ich kann nur der dringenden Hoffnung Ausdruck geben, daß die große Gemeinsamkeit, die in dieser Grundfrage des deutschen Schicksals bisher in diesem Hause gewaltet hat, auch weiterhin bestehen bleiben möge.
Die Bedeutung der Note der Hohen Kommissare liegt vor allem darin, daß die drei Westmächte sich erneut feierlich zur Wiedervereinigung Deutschlands bekennen und daß sie unsere Forderung, daß freie gesamtdeutsche Wahlen der erste Schritt zur Wiedervereinigung sind, zu ihrer eigenen machen.
Sie bejahen diese Wahlen, sobald die Wiedervereinigung auf Grund demokratischer Richtlinien stattfindet und die Schaffung eines freien Deutschlands gesichert ist. Diese Voraussetzung ist auch unsere eigene. Sie deckt sich mit allen bisherigen Erklärungen von Bundestag und Bundesregierung, daß die Wiedervereinigung nur in freier Willensentscheidung des deutschen Volkes erfolgen kann, d. h. daß sie unter keinen Umständen zur Unterwerfung unseres Volkes unter einen fremden Machtwillen führen darf. Das ist nicht nur die Forderung des deutschen Volkes in der Bundesrepublik, sondern in noch viel stärkerem Maße die Forderung aller Deutschen in der Sowjetzone. Wir
sprechen vor allem in ihrem Namen — da sie nicht selbst sprechen können —, wenn wir auf der unabdingbaren Freiheit der Wahlen, ihrer Vorbereitung und Durchführung bestehen und wenn Wir klare Garantien für die Respektierung des bekundeten Volkswillens verlangen.
Wir bekennen uns damit zu den Grundlagen der freien Welt. Unser Volk gehört nun einmal nach seiner Geschichte und Kultur zu dieser freien Welt, zu Europa. Deshalb gibt es nur einen Weg der Wiedervereinigung, nämlich die Einbeziehung ganz Deutschlands — und dieses Deutschland endet nicht an der Oder-Neiße-Linie — in ein freies Europa. Das ist der Sinn des ersten Satzes der Regierungserklärung vom 27. September 1951, dem wir mit großer Mehrheit hier zugestimmt haben, nämlich des Satzes: „Oberstes Ziel der Politik der Bundesrepublik ist die Wiedervereinigung Deutschlands in einem freien und geeinten Europa". Damit ist gesagt, daß deutsche Einheit und Vereinigung Europas keine Gegensätze, sondern ein und dasselbe bedeuten. Es gibt Deutschland nicht ohne oder gar außerhalb Europas, und es gibt kein Europa ohne ganz Deutschland.
Es mag sein, daß diese Einsicht noch umkämpft ist, daß vor allem auch bei unseren westlichen Nachbarn aus der Vergangenheit her noch Hemmungen lebendig sind, die sich einer solchen Einsicht entgegenstellen. Man ist dort gelegentlich noch geneigt, in diesem Einheitswillen unseres Volkes den Ausdruck einer Art nationalistischen Strebens zu sehen. Ach nein, meine Damen und Herren, für die 18 Millionen Deutschen in der Sowjetzone ist ihr Wille zu Deutschland nichts anderes als ein ganz einfacher Wille, endlich einmal wieder leben zu können, existieren zu können.
Sie haben erfahren, daß die freiheitliche und soziale Ordnung in Staat und Gesellschaft wirklich ein unverzichtbarer Wert unserer menschlichen Existenz ist; und sie werden einst, wenn sie wieder mit uns in Freiheit vereinigt sind, wahrscheinlich bessere Europäer sein als manche, die weiter im Westen wohnen.
Das Deutschland, das die bolschewistische Diktatur kennengelernt hat, ist nicht etwa eine schwache Stelle oder eine Einbruchsstelle für totalitäre Mächte in Europa, sondern es wird das stärkste Bollwerk der Freiheit dieses Kontinents sein. Wir stellen mit Genugtuung fest, daß der letzte Kongreß der Europa-Bewegung in Hamburg diese Einsicht bereits feierlich bekundet hat.
Niemand sollte in den Fehler zurückfallen, anzunehmen — es klang gestern etwas Ähnliches an —, wenn wir von Europa sprechen, könne die Spaltung oder die Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands gemeint sein oder unser Streben zur Einheit Deutschlands bedeute den Verzicht auf Europa. Die Koordinierung, das Zusammenwirken dieser beiden großen Grundanliegen scheint uns schlechthin die Aufgabe aller deutschen Politik zu sein. Wir begrüßen deshalb die Erklärung der Alliierten, daß auch sie die Wiederherstellung der deutschen Einheit in diesem Sinne wollen, als einen großen Erfolg der Politik der Bundesregierung.
Nicht weniger bedeutsam erscheint uns die Antwort der Alliierten auf den Antrag der Bundesregierung, eine internationale Untersuchung darüber zu veranlassen, ob in allen Teilen Deutschlands die Voraussetzungen für freie Wahlen gegeben sind. Sie lautet: die drei Regierungen werden bei erster passender Gelegenheit den Vereinten Nationen vorschlagen, daß diese eine solche Untersuchung vornehmen, die sich auf das ganze deutsche Gebiet erstreckt. Der Herr Bundeskanzler hat gestern bereits ausgesprochen, daß damit die Frage, ob freie Wahlen überhaupt möglich sind, ob die Voraussetzungen dafür wirklich vorhanden sind, endlich an die richtige Stelle gerichtet ist, nämlich an die Regierung der Sowjetunion. Vor den Vereinten Nationen wird sie sich eindeutig erklären müssen, und damit, meine Damen und Herren, wird der Nebel zerrissen, den die Machthaber der Sowjetzone bisher geflissentlich mit ihrer Forderung nach gesamtdeutschen Beratungen verbreitet haben. Sie haben dadurch den Eindruck zu erwecken versucht, als hätten wir Deutsche etwas miteinander zu verhandeln oder gar in dieser Frage Differenzen zu beseitigen.
Nein, zwischen den Deutschen hüben und drüben bestehen in der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands und der freien Wahlen keine Meinungsverschiedenheiten.
Wir sind uns darüber einig, daß eine solche Vereinigung nur in einer freien politischen Ordnung erfolgen kann. Außerdem ist Herr Grotewohl nicht der Sprecher des deutschen Volkes in der Sowjetzone.
Wenn er spricht, dann spricht er im Auftrage einer auswärtigen Macht.
Gesamtdeutsche Beratungen mit diesem Partner würden praktisch schon — von der östlichen Seite her — ein Gespräch auf internationaler Ebene und nicht auf deutscher Ebene sein.
Deswegen halten wir an der Ablehnung solcher Beratungen fest. Es ist viel richtiger, daß nicht mit dem Beauftragten, sondern mit dem Auftraggeber selbst verhandelt wird. Wir begrüßen es daher, daß die Sowjetunion nun vor den Vereinten Nationen selber wird erklären müssen, was sie eigentlich in bezug auf die Wiedervereinigung Deutschlands will.
Mir scheint, der Bundestag hat keinen Anlaß, von seinen früheren Beschlüssen in dieser Frage, insbesondere von den Beschlüssen vom 27. September dieses Jahres abzugehen.
Wir haben unseren ernsten Willen, alle Voraussetzungen für die Abhaltung freier Wahlen zu klären, dadurch bekundet, daß wir die Grundzüge einer Wahlordnung ausgearbeitet haben. Die ausweichende Antwort, die Grotewohl gerade zu diesem Punkte unserer Beschlüsse gegeben hat, zeigt am deutlichsten, in welcher Verlegenheit er sich befindet. Wir haben nur den Wunsch, daß die Regierung den Entwurf der Wahlordnung möglichst bald hier vorlegen möge.
Zu den anderen Beschlüssen und zu dem übrigen Inhalt der Erklärung der Bundesregierung hat Herr Grotewohl überhaupt geschwiegen. Er hat geschwiegen zu dem Vorschlag einer internationalen Untersuchung in ganz Deutschland, und er hat sich auch wiederum völlig ausgeschwiegen zu der schon wiederholt erhobenen Forderung, daß doch endlich einmal in Berlin, wo sämtliche recht-
lichen Voraussetzungen für die Veranstaltung von freien Wahlen gegeben sind, ein Anfang gemacht werden möge, damit diejenigen, die so viel von der Wiedervereinigung sprechen, einmal beweisen können, daß es ihnen wirklich ernst ist. Statt dessen haben die jüngsten Erklärungen Grotewohls nun wieder Beratungen in den Vordergrund geschoben. Man bemüht sich, das von uns erzwungene Thema der freien Wahlen wieder in den Hintergrund zu drängen und statt dessen voraussetzungslose Beratungen, deren Ziele uns ja nur zu bekannt sind, in den Vordergrund zu schieben. Es ist bezeichnend, daß in dem Augenblick, in dem Herr Grotewohl diese Beratungen verlangt hat, auch ein Antrag der Fraktion der Kommunistischen Partei hier in diesem Hause vorgelegt wird, der dasselbe verlangt.
Darüber hinaus hat Herr Grotewohl nunmehr deutlich erkennen lassen, auf was es ihm eigentlich ankommt. Er hat die Forderung erhoben bzw. erheben lassen, daß die Bundesregierung möglichst sofort die Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren über die Ablösung des Besatzungsstatuts abbrechen möge. Schon im Gesamtdeutschen Ausschuß dieses Hauses ist in dieser Frage einmütig der Standpunkt eingenommen worden, daß die Führung solcher Verhandlungen zur selbstverständlichen Pflicht und zum selbstverständlichen Recht der Bundesregierung gehört. Herr Grotewohl will eben vor allem die Einigung Europas stören.
Wie sehr es ihm um die Erreichung dieses Zieles zu tun ist, geht aus der Drucksache Nr. 2656, dem Antrag der Fraktion der KPD, hervor, der ebenfalls die Einstellung der zwischen der Bundesregierung und den Hohen Kommissaren geführten Verhandlungen wegen der Durchführung der Washingtoner Beschlüsse verlangt. Ich weiß nicht, ob dieser Antrag der kommunistischen Fraktion nicht etwas voreilig gewesen ist. Inzwischen hat nämlich Herr Pieck drüben erklärt, es sei ja gar nicht so ernst gewesen mit diesem Verlangen. Er hat wohl gemerkt, daß man damit voreilig die Katze aus dem Sack gelassen hat, und möchte sie nun geschwind wieder hineinstecken. Bis zur kommunistischen Fraktion scheint diese neue Linie noch nicht durchgedrungen zu sein.
Sonst hätte sie voraussichtlich diesen Antrag zurückgezogen. Nachdem sie das nicht getan hat,
bleibt uns nichts anderes übrig, als ihn abzulehnen.
Wir bleiben dabei, daß wir uns in der großen Aufgabe, in einem gemeinsamen Europa ein einiges Deutschland wiederherzustellen, am allerwenigsten von denen drüben im Osten stören lassen werden. Es bleibt unser gemeinsames Ziel: ein einiges Deutschland in einem freien und geeinten Europa!
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner gestrigen Mitteilung dem Bundestag die Antwort der Alliierten Hohen Kommission vom 15. Oktober auf die Note der Bundesregierung vom 4. Oktober vorgetragen. Er hat außerdem mitgeteilt, daß der in der Regierungserklärung vom 27. September angekündigte und in den Grundzügen umrissene Vorschlag einer Wahlordnung für freie, allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlen unter internationaler Kontrolle im Gebiet der vier BeSatzungszonen und Berlins ausgearbeitet werde, um Bundestag und Bundesrat vorgelegt zu werden.
Die sozialdemokratische Fraktion begrüßt jeden Schritt im Sinne der Beschlüsse des Bundestages vom 27. September, der nach vorn trägt und der das Gesetz des Handelns in den Händen der deutschen Demokratie sichert. Sie erwartet von der Bundesregierung, daß sie, die in ihrer Erklärung vom 27. September die Wiederherstellung der deutschen Einheit als das oberste Ziel ihrer Politik bezeichnete, alles tut, um dem Willen des ganzen deutschen Volkes zur Wiedervereinigung in einem freien Rechtsstaat stets klar Ausdruck zu geben. Dieser Wille zur deutschen Einheit muß in der Innen- und Außenpolitik zum bestimmenden Faktor werden.
Deshalb bedauert es die sozialdemokratische Fraktion, daß Sie, Herr Bundeskanzler, gestern Ihre Erklärung dem Bundestag in einer Weise vorgetragen haben, die der zentralen Bedeutung des Problems der deutschen Einheit nicht gerecht wurde.
Nach der Auffasung der sozialdemokratischen Fraktion verpflichten sowohl der Wortlaut der Beschlüsse vom 27. September als auch der Geist, der sie erfüllt, zu einer besonders deutlichen Demonstration der Rolle des frei gewählten Deutschen Bundestages als des Trägers des deutschen Einheitswillens, und von der Bundesregierung wird erwartet, daß sie gerade in der zentralen Frage der deutschen Politik die Stellung der parlamentarischen Opposition respektiere. Wenn, Herr Bundeskanzler, statt dessen der Versuch gemacht wird, die Grundhaltung der Sozialdemokratischen Partei in Zweifel zu ziehen und gar zu verdächtigen, dann läuft das - gleichgültig, welche Beweggründe maßgebend sein mögen — auf eine Schwächung des Fundamentes hinaus, von dem aus Stein für Stein zum Gebäude der deutschen Einheit gefügt werden muß. Es kann und es wird nicht ohne ernste Meinungsverschiedenheiten im Ringen um Deutschlands Wiedervereinigung abgehen. Sie sind unvermeidlich, sie können sogar fruchtbar sein. Aber auf keinen Fall kann diesem grundlegenden Anliegen des ganzen deutschen Volkes damit gedient werden, daß es für polemische Finessen ausgenutzt wird.
Lassen Sie uns alle an unsere Verantwortung vor dem deutschen Volke denken! Lassen Sie uns nicht vergessen, was viele hunderttausend junger Menschen im August dieses Jahres in Berlin stellvertretend für die leidgeprüfte Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone uns fragten, nämlich: Was tut ihr für die Verwirklichung der Einheit Deutschlands?! Lassen Sie uns auch daran denken, daß wir in dieser Hinsicht den uns von keiner Seite abzunehmenden Beitrag zur friedlichen Zusammenarbeit der Nationen Europas und der Welt zu leisten haben.
Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, besorgt sein sollten, es könnten außerhalb Deutschlands Mißverständnisse und gar Mißtrauen hinsichtlich der deutschen Stellungnahme zur großen Auseinandersetzung um Freiheit oder Knechtschaft entstehen,
so, bitte, grenzen Sie sich von Ausführungen ab, wie wir sie in dem Ihnen doch gewiß nicht fernstehenden Blatt „Rheinischer Merkur" gefunden haben, die in den Artikeln „Der deutsche Januskopf" und „Die Versuchung" darauf hinauslaufen, Verdächtigungen zu starten. Darin wird die Sozialdemokratische Partei bezichtigt, das Spiel des Herrn Grotewohl zu spielen.
Aber, meine Damen und Herren, darin wird auch der nichtsozialdemokratische Teil des Bundestages beschuldigt, einem, wie es heißt, „gesamtdeutschen Elend" zuzusteuern, nur deshalb, weil dieser Bundestag am 27. September Beschlüsse gefaßt hat, die der Verwirklichung der Einheit Deutschlands durch freie Wahlen in allen vier Zonen und in Berlin unter internationaler Kontrolle und gleichen Bedingungen dienen. Was würden Sie, meine Damen und Herren von der Christlich-Demokratischen Union, sagen, wenn Ihnen unterstellt würde, durch die Propagierung solcher Gedankengänge werde der Versuch gemacht, die Beschlüsse des Bundestages vom 27. September, die doch ein Ganzes darstellen, zu torpedieren? Sie haben gesehen, daß die sozialdemokratische Fraktion sich gegen jede Verzerrung der Grundlinie ihrer Politik, die sie vor dem ganzen Volke vertritt, rücksichtslos abgrenzt. Es wäre recht und billig, wenn der Herr Bundeskanzler und die CDU das im Hinblick auf solche Verdächtigungen ebenfalls täten.
Meine Damen und Herren! Am 27. September beschloß der Deutsche Bundestag:
1. Die vordringlichste politische Forderung des ganzen deutschen Volkes und seiner frei gewählten Vertretung, des Deutschen Bundestages, ist es, die Einheit Deutschlands in Freiheit mit friedlichen Mitteln wiederherzustellen.
2. Um dieses Ziel zu fördern, wird die Bundesregierung ersucht,
a) an die Regierungen der vier Besatzungsmächte die Aufforderung zu richten, dem deutschen Volk baldigst Gelegenheit zu geben, in allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlen unter internationaler Kontrolle eine verfassung- und gesetzgebende sowie regierungsbildende und -kontrollierende Nationalversammlung für das Gebiet der vier Besatzungszonen und Berlins zu wählen,
b) bis spätestens 15. Oktober dem Bundestag in einer Regierungserklärung Bericht über die Stellungnahme der Besatzungsmächte zu erstatten,
c) unverzüglich in einem Weißbuch die Dokumente zu veröffentlichen, die Aufschluß über die Bemühungen um die Herstellung der deutschen Einheit geben.
Meine Damen und Herren, der Text dieses Beschlusses entspricht Wort für Wort dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion.
Der Deutsche Bundestag hat ferner am 27. September beschlossen:
Freie Wahlen in allen Sektoren Berlins sind der Anfang der Verwirklichung der deutschen Einheit.
Der Bundestag begrüßt die Initiative, die Senat und Abgeordnetenhaus in Berlin für freie Wahlen in allen Sektoren auf der Grundlage der Wahlordnung von 1946 ergriffen haben. Freie Wahlen in allen Sektoren Berlins sind sofort durchführbar. Es bedarf lediglich eines Beschlusses der vier Besatzungsmächte, damit sie unter den bei den Berliner Wahlen vom Oktober 1946 erprobten Voraus- setzungen ausgeschrieben werden und stattfinden können.
Auch dieser Beschluß, meine Damen und Herren, ist das Ergebnis des entsprechenden Antrags der sozialdemokratischen Fraktion. Der Bundestag billigte am 27. September mit den Stimmen der sozialdemokratischen Fraktion die Regierungserklärung, deren Kernstück die Ankündigung einer Wahlordnung bildete, die, wie vielen von Ihnen bekannt sein wird, von einem Kreis von Juristen und Politikern entworfen wurde, an dem Sozialdemokraten maßgeblich beteiligt waren. Ich darf Sie daran erinnern, daß unter Punkt 2 der am 25. September von der Sozialdemokratischen Partei veröffentlichten Erklärung, daß die SPD-Fraktion nach Prüfung des Appells der sowjetzonalen Volkskammer die folgenden Schritte für notwendig halte, die Forderung nach der Annahme einer solchen Wahlordnung aufgeführt ist.
Gestern hat uns nun der Herr Bundeskanzler den Text des Schreibens der Alliierten Hohen Kommission vom 15. Oktober vorgetragen. Die Alliierten Hohen Kommissare teilen im Auftrag ihrer Regierungen mit, daß die drei Regierungen
— die, wie betont wird, „stets die Wiedervereinigung Deutschlands unterstützt haben und unterstützen werden, sobald sie nach demokratischen Grundsätzen stattfinden kann, welche die Schaffung eines freien Deutschlands sichern, das imstande ist, seine Rolle bei der friedlichen Vereinigung freier europäischer Nationen zu spielen"
— nunmehr von neuem den Gedanken einer Wahl unterstützen. Die Alliierten Hohen Kommissare erinnern daran, daß sie am 26. Mai 1950 und am 10. Oktober 1950 an General Tschuikow geschrieben haben; ferner erinnern sie daran, daß die drei Außenminister am 14. Mai 1950 in London, am 14. September 1950 in New York entsprechende Erklärungen abgegeben haben. Sie verweisen auf Vorschläge, die am 5. März dieses Jahres von den Stellvertretern der Außenminister der drei Mächte auf der Pariser Konferenz gemacht wurden.
Wir vermissen in diesem Schreiben der Alliierten Hohen Kommissare den ausdrücklichen Hinweis darauf, daß j et z t durch einen entsprechenden Schritt die sowjetische Besatzungsmacht von den in der Note der Bundesregierung vom 4. dieses Monats dargelegten Vorschlägen unterrichtet werde.
Meine politischen Freunde erwarten von der
Bundesregierung, daß sie die Alliierte Hohe Kommission um eine ergänzende Klarstellung ersucht.
Im Schreiben der Alliierten Hohen Kommission wird auf den Vorschlag der Bundesregierung Bezug genommen, durch eine neutrale internationale Kommission unter Kontrolle der Vereinten Nationen in der sowjetischen Besatzungszone und bei uns untersuchen zu lassen — ich zitiere —,
inwieweit die bestehenden Verhältnisse die
Abhaltung freier Wahlen ermöglichen.
Im Schreiben der Hohen Kommissare heißt es:
Die drei Regierungen hegen den Wunsch,
Ihnen mitzuteilen, daß sie bei der ersten sich
bietenden Gelegenheit Ihre Auffassung den
Vereinten Nationen unterbreiten und den Antrag stellen werden, daß die Vereinten Nationen eine Untersuchung durchführen, die sich auf das ganze deutsche Gebiet erstreckt.
Dann heißt es weiter:
Die drei Regierungen sind zu der Auffassung gelangt, daß nur durch solche Maßnahmen zweckmäßig und zufriedenstellend festgestellt werden kann, ob im gesamten Gebiet Deutschlands Voraussetzungen vorliegen, welche die Abhaltung allgemeiner Wahlen als praktisch durchführbar erscheinen lassen.
Wir wünschen an dieser Stelle festzustellen — um alle Mißverständnisse auszuschalten —, daß es dem Deutschen Bundestag darauf ankommt, den vier Besatzungsmächten den Willen und die Bereitschaft des Bundestages zur Durchführung freier, allgemeiner, gleicher und direkter Wahlen in den vier Zonen und Berlin unter internationaler Kontrolle zu unterbreiten. In unserem Beschluß sprechen wir ja von der „vordringlichsten politischen Forderung des ganzen deutschen Volkes".
Wir begrüßen es, daß die drei Regierungen unser Anliegen und unseren Vorschlag vor die Vereinten Nationen bringen wollen. Wir unterstreichen, daß es uns auf praktische Schritte ankommt.
Praktische Schritte, meine Damen und Herren, das ist auch unser Stichwort zu den jüngsten Erklärungen der sowjetzonalen Volkskammer und ihrer Sprecher. Wir vermissen in ihnen eine klare Stellungnahme zu den positiven Vorschlägen, die Bundestag und Bundesregierung am 27. September beschlossen haben.
Ein, wie es heißt, „Friedensvertrag" ist doch nicht von den Deutschen zu erörtern oder gar zu erzwingen. Auf die angebliche Bedeutung gerade solcher Erörterungen hat aber Herr Grotewohl das Schwergewicht seiner jüngsten Ausführungen verlegt. Sogar der Präsident der sowjetzonalen Volkskammer, Herr Dieckmann, hat zugegeben, daß die sogenannte gesamtdeutsche Beratung nicht umhin können werde, sich schließlich an die Regierungen der Besatzungsmächte zu wenden. Er meinte, dadurch werde dem Volk auf jeden Fall ein „Anschauungsunterricht" vermittelt. Uns kommt es nicht auf Anschauungsunterricht, sondern auf konkrete Schritte zur deutschen Einheit an!
Deshalb haben wir angeboten und wiederholen es: Freie Wahlen in allen Sektoren Berlins sind der Anfang der Verwirklichung der deutschen Einheit.
Maßgebende Sprecher der SED haben diesen Vorschlag in Parteifunktionärsversammlungen scharf polemisch behandelt. Herr Grotewohl hat ihn mit Schweigen übergangen. Die sowjetzonale Volkskammer hat sich nicht dazu geäußert. An der Stellungnahme zu diesem Vorschlag, die Einheit Berlins auf der Grundlage freier Wahlen herzustellen, können wir prüfen, welcher Grad von Wahrheitsgehalt und Willen hinter den Formeln der sowjetzonalen Volkskammer steckt.
Die sowjetzonale Volkskammer hat aber neuerdings einen Vorstoß gemacht, der den Charakter eines Ultimatums hat. Ich meine das auf Verlangen des Herrn Grotewohl an den Bundestag gestellte Ansinnen, der Bundesregierung durch einen Beschluß Verhandlungen mit den Vertretern der westlichen Besatzungsmächte zu untersagen. Allerdings hat Herr Pieck nachträglich gesagt, dieses Ansinnen müsse nicht als Bedingung betrachtet werden. Aus Parteireden muß allerdings gefolgert werden, daß diesem Ansinnen eine geradezu zentrale Bedeutung beigemessen wird. Damit erhebt sich wieder die Frage, ob es den sowjetzonalen Sprechern, ungeachtet des Freiheitswillens der Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone, nur darauf ankommt, ein neues sogenanntes „Entlarvungsmanöver" nach alter Schablone durchzuführen.
Die Stellung der Sozialdemokratischen Partei zu den im Washingtoner Kommuniqué dargelegten konkreten Formen der europäischen Integration ist bekannt. Die Sozialdemokratische Partei hält sie für den Ausdruck eines verhängnisvollen Prinzips, dessen Folgen im Falle der Anwendung ein schwerer Mißerfolg des Gedankens der europäischen Zusammenarbeit sein würde.
Die sozialdemokratische Fraktion kann aus diesen Gründen auch unter keinen Umständen die heute veröffentlichten Darlegungen eines hohen Beamten des State Departements akzeptieren, in denen Schumanplan, Straßburger Rat und anderes als Bestandteile oder Voraussetzungen eines geeinten Europas hingestellt werden. Abgesehen davon — und darum wird in den kommenden Monaten gerungen werden, meine Damen und Herren, — soll an dieser Stelle festgestellt werden, daß es, solange Deutschland getrennt ist, eine Angelegenheit des Staatswesens ist, Verhandlungen mit den Besatzungsmächten zu führen. Es kommt auf die dabei vertretene deutsche Auffassung und auf die parlamentarische Kontrolle an.
Lassen Sie mich nun noch einiges zur Frage der angekündigten Wahlordnung sagen.
— Es kommt, Herr Euler — das sagte ich ohne jede Polemik als Stellungnahme meiner Fraktion —, auf die dabei vertretene deutsche Auffassung an.
Lassen Sie mich also noch einiges zur Frage der angekündigten Wahlordnung sagen. Die sozialdemokratische Fraktion hätte gewünscht, sie wäre dem Bundestag, wie angekündigt, heute vorgelegt worden.
Ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich annehme, daß Meinungsverschiedenheiten über die Kompetenzen der Nationalversammlung die Ursache dieser Verzögerung sind.
Ich möchte dazu einiges Sachliche sagen.
Im Auftrage meiner Fraktion habe ich am 27. September dargelegt, weshalb die Nationalversammlung verfassunggebend, gesetzgebend und regierungsbildend sein muß. Es handelt sich ganz einfach darum, meine Damen und Herren, ob wir die Schwierigkeiten der Übergangszeit meistern wollen oder ob wir auf Grund eigener Unzulänglichkeiten zwischen der vollzogenen Wahl und dem
späteren Zusammentreten eines Reichstags einen Spielraum für Desperados und für die Machenschaften eines totalitären Förderalismus lassen wollen.
— Verstehen Sie mich nicht falsch, meine Herren von der Bayernpartei! Ich bezeichne damit nicht jeden Föderalismus als totalitär. Ich sage nur, es gibt auch — und darauf wollte ich ernsthaft hingewiesen haben — eine totalitäre Spielart von Föderalismus, mit der wir uns auseinanderzusetzen haben.
Sehen Sie, die Folgen solcher Unterlassungen wären unserer Meinung nach schwerstwiegend. Mein Parteifreund Dr. Kurt Schumacher hat schon vor Jahren gesagt: „Im Falle der deutschen Einheit sind die Kommunisten die Föderalisten der Zukunft." Die Grundlage der deutschen Politik, meine Damen und Herren, ist doch die Durchsetzung der Demokratie. Dies ist das Prinzip, dem alles unterzuordnen ist. In und mit den einzelnen juristischen Vorschriften des Grundgesetzes ist die deutsche Einheit nicht schon einfach geregelt. Ich bitte Sie um Aufmerksamkeit für den Bericht, den Herr Professor Schmid im Auftrage des Hauptausschusses im Parlamentarischen Rat erstattet hat und in dem es — ich zitiere nur einen Satz — heißt:
Die echte Verfassung des deutschen Volkes wird also nicht im Wege der Abänderung dieses Grundgesetzes geschaffen werden. Sie wird originär entstehen, und nichts in diesem Grundgesetz wird die Freiheit des Gestaltungswillens unseres Volkes beschränken.
Meine Damen und Herren! Eine Befolgung der im veröffentlichten Telegramm des Herrn bayerischen Ministerpräsidenten dargelegten Wünsche würde unseres Erachtens darauf hinauslaufen, die deutsche Einheit zu erschweren. Das ist sicher nicht der Wille des Herrn Ministerpräsidenten Ehard. Es zeugt aber davon, daß nicht nur in Bonn, sondern auch anderswo wichtige deutsche Probleme noch nicht genügend durchdacht sind. Würde die Nationalversammlung nur verfassunggebend sein dürfen, dann blieben die realen Machtfaktoren nebeneinander bestehen. Die bei freien Wahlen zurückgedrängten SED-Kräfte würden weiter einen Staatsapparat behalten, den sie auch nach der Niederlage im Sinne der Verhinderung der demokratischen Einheit des deutschen Volkes ausspielen könnten.
Wir halten es nicht für gut, daß sich der Herr Bundeskanzler, ohne den Bundestag zu befragen, auf Wünsche solcher Art eingelassen hat.
Auch nach den jüngsten Verlautbarungen der sowjetzonalen Volkskammer kommt es darauf an, die Sowjetunion selbst zu einer verbindlichen Erklärung zu veranlassen. Die von Herrn Grotewohl zitierten Äußerungen einer sowjetischen Zeitung, des Herrn General Tschuikow und des Leiters einer sowjetrussischen Delegation, die an den Jubiläumsfeierlichkeiten in Pankow teilnahm, gehören nicht auf diese Ebene. Die Interpretationen deutscher Staatsbürger sowjetischen Glaubens sind kein vollwertiger Ersatz. Sie werden gern und stets pompös auftreten; aber das hilft nichts.
Wir wollen die deutsche Einhéit verwirklichen, und deshalb ist unser Wunsch nach einer Viermächtekonferenz eine nationale Notwendigkeit, ein Wunsch, der von allen Deutschen unterstützt wird. Daher haben wir bei uns alles zu tun, was in deutschen Kräften steht.
Deshalb nochmals: Berlin ist der Anfang der Verwirklichung der deutschen Einheit. Dort kann mart es erweisen!
Zu der vorliegenden Drucksache Umdruck Nr. 336 beantrage ich namens meiner Fraktion Überweisung an den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Wehner vermißt in der Note der drei Hohen Kommissare die Erklärung, daß sie die Beschlüsse des Bundestags der Sowjetregierung übermitteln wollen, und er hat gebeten, darauf hinzuwirken, daß das geschieht. Der Beschluß des Bundestages lautete, daß die Bundesregierung dahin vorstellig werden sollte, daß die westalliierten Regierungen bei der UNO die Einsetzung einer Untersuchungskommission beantragen sollten. Dem ist entsprochen worden. Eine Antwort auf den Beschluß des Bundestags in dem Sinne, wie Herr Wehner das eben ausgeführt hat, liegt bisher nicht vor. Ich weiß auch nicht, ob es sich empfiehlt, auf eine solche Antwort zu drängen.
Die Sache hinsichtlich der Untersuchungskommission ist jetzt im Lauf. Die UNO tritt am 6. November in Paris zusammen; ich meine, wir sollten unsere ganzen Anstrengungen darauf konzentrieren, daß nun von den drei westalliierten Regierungen dieser Antrag auf Einsetzung einer solchen neutralen Kommission möglichst bei Zusammentritt der UNO schon gestellt wird. '
Dann hat der Abgeordnete Wehner gesagt, daß angekündigt worden sei, einen Vorschlag zu einem Wahlgesetz jetzt schon vorzulegen. Das ist nicht der Fall, etwas Derartiges ist nicht angekündigt worden. Der Bundestag hat auch am 27. September lediglich beschlossen, daß die Bundesregierung bis zum 15. Oktober über den Erfolg ihrer Vorstellungen bei den drei Westalliierten berichten solle. Meine Damen und Herren! Der Vorschlag für eine Wahlordnung wird mit größter Beschleunigung behandelt; aber die Angelegenheit ist nicht so einfach, wie Herr Wehner sich das denkt. Das Grundgesetz besteht, und das Grundgesetz sagt, daß es erst dann außer Kraft tritt, wenn für ganz Deutschland eine Verfassung beschlossen ist. Auf der anderen Seite verkenne ich nicht, daß gewisse Gefahren vorhanden sind, wenn ein Zustand eintritt, wie Herr Wehner ihn kurz geschildert hat. Man muß diese nicht leichte Rechtsfrage überlegen. Ich hoffe aber, daß schon in verhältnismäßig wenigen Tagen ein solcher Vorschlag für eine Wahlordnung den zuständigen Stellen zugehen kann.
— Ich habe das doch gestern gesagt: Der Bundesrat und der Bundestag.
Endlich hat Herr Abgeordneter Wehner erklärt, daß die Bedeutung einer solchen Aktion, wie sie die Antwortnote der Westalliierten darstellt, geschwächt werde, wenn ich die Haltung der .SPD in Zweifel zöge oder gar verdächtigte, und er hat auch von parteipolitischen Finessen gesprochen. Ich weiß nicht, inwiefern ich die Haltung der Sozialdemokratischen Partei in Zweifel gezogen habe — bis zu der Rede des Herrn Abgeordneten Luetkens. Und es war doch wohl jedem, der diese Rede gehört hat, erlaubt, Bedenken zu äußern.
Diese geäußerten Bedenken haben ja auch den Erfolg gehabt,
daß die sozialdemokratische Fraktion die Ausführungen ihres Sprechers mißbilligt hat,
— Ja, Herr Kollege Schumacher, das habe ich auch nie verlangt.
Das, was Herr Kollege Wehner gesagt hat, daß man nämlich die Bedeutung einer solchen Aktion nicht schwächen solle, gilt auch, Wenn man den Bundeskanzler so behandelt, wie ich gestern von Ihnen, meine Herren, hier behandelt worden bin, als diese Frage vorgetragen wurde.
Das Wort hat der Abgeordnete von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe namens meiner politischen Freunde und meiner Fraktion zu erklären, daß ich nicht die Absicht habe, dieses ernste Thema in Form einer weiteren Polemik fortzusetzen. Worauf es hier ankommt, ist die Klarheit einer Konzeption! Wir sind der Überzeugung, daß jede der politischen Parteien, die den Willen des Bundestags tragen — ich stimme Herrn Kollegen Wehner absolut zu, daß der Bundestag Träger des deutschen Willens zur Einigung zu sein hat —, in absoluter Klarheit ihre Zielsetzung in dieser Stunde bekanntzugeben und mit dazu beizutragen hat, daß die gemeinsame deutsche Hoffnung auf die Wiedervereinigung unseres Landes in Erfüllung geht. Die Sozialdemokratie hat nicht nur gestern, sondern in den vergangenen beiden Jahren den Willen der Bundesregierung und der sie tragenden Koalition, diesen Staat so zu führen, daß das Ziel der deutschen Einigung in Freiheit und in einem freien Europa erreicht wird, im In- und im Auslande fortgesetzt in Frage gestellt. Ich begrüße die gestrige Aussprache wegen des Ergebnisses, das heute in der Rede des Herrn Abgeordneten Wehner zum Ausdruck gekommen ist. Daran knüpfe ich die Hoffnung, daß die Unklarheiten, die durch eine unangemessene Polemik verursacht worden sind, langsam ausgeräumt werden können. Alle, was die Schritte der Regierung, in voller Kraft das große Ziel der Wiedervereinigung unseres Landes anzustreben, in Zweifel setzt, schwächt im In- und Auslande die Möglichkeit der Einigung.
jener tiefgreifende und in die Zukunft weisende Wandel des Nationalgefühls unseres Landes.
Unser deutsches nationales Anliegen ist zugleich das europäische Anliegen; denn Westeuropa allein stellt nicht die Daseinsfülle Europas dar, und Osteuropa ist verlorengegangen an den Machtbereich der Sowjetunion. Ebensowenig wie ein Torso Europas im Westen bestehen kann, ebensowenig kann der Teil Deutschlands in der Bundesrepublik, der Westen Deutschlands, die Daseinsfülle ganz Deutschlands darstellen. Aber so wie aus dem westlichen Teile Deutschlands und aus dem westlichen Teile Europas die Energien und Impulse aufstehen, um das Ganze wieder darzustellen, das Ganze wieder zurückzugewinnen, die Wiederherstellung der mitteleuropäischen Ordnung und damit auch die Befreiung Osteuropas einzuleiten, so ist es unsere Aufgabe, Aufgabe dieser Bundesrepublik, sich als den Kernstaat, als den Treuhänder, als den Sachwalter all dieser Bestrebungen zu betrachten und den Weg der europäischen und damit auch unserer deutschen und der osteuropäischen Befreiung zu beschreiten.
Meine Damen und Herren! Es sind drei Richtungen, nach denen man diesen Weg praktisch zu gehen versucht. Die eine ist, Garantien zu schaffen, um in der sowjetisch besetzten Zone Zustände herbeizuführen, die die Durchführung freier Wahlen ermöglichen, d. h. die innere und äußere Befreiung der Menschen vom terroristischen Zwang herbeizuführen, der sie daran hindert, ihren Willen frei und unbeeinflußt zum Ausdruck zu bringen.
Die zweite Richtung ist, diesen freien Willen zum Ausdruck zu bringen, d. h. die Abhaltung freier, allgemeiner deutscher Wahlen.
Die dritte Richtung schließlich ist diejenige, die von der von der sowjetischen Besatzungsmacht beauftragten Regierung in Ostdeutschland einge-
halten wird, d. h. die Herbeiführung gesamtdeutscher Beratungen.
Wenn man das Maß der Initiative, die auf dem Boden der Bundesrepublik erstanden ist, mit dem Maß an Initiative vergleicht, das die Machthaber der sowjetisch besetzten Zone entfaltet haben, so ergibt sich folgendes klare Bild vor dem deutschen Volk. Die Bundesregierung hat Schritte unternommen, um den Zustand für die Abhaltung freier, tatsächlich freier gesamtdeutscher Wahlen herbeizuführen. Sie hat ferner mit allen Parteien dieses Hauses das Grundkonzept dafür erarbeitet, in welchen Formen diese freien Wahlen durchgeführt werden sollen. Diese entscheidende Initiative auf beiden Gebieten ist im Bereich der Bundesrepublik entfaltet worden.
Demgegenüber steht das überaus magere Ergebnis an Initiative der Machthaber der sowjetisch besetzten Zone, die nichts weiter herbeiführen wollen als ein Gespräch, um damit erstens die Herstellung der Voraussetzungen für eine freie Wahl und zweitens die Durchführung dieser Wahlen zu verhindern. Wir sagen demgegenüber: Die Leute dort drüben, die von der Sowjetunion gelenkt werden, sollen nun die Karten auf den Tisch legen und bekennen, was sie tatsächlich wollen, was ihre Auftraggeber zugestehen wollen, d. h. ob die Sowjetunion tatsächlich auf die weitere Eroberung mitteleuropäischen und insbesondere deutschen Gebietes verzichten will oder nicht. Um diese Frage geht es, und deshalb sind meine politischen Freunde nach eingehender Überlegung und Prüfung des Problems der Auffassung, daß über die eigentlichen Kernfragen gesprochen werden muß und nicht in ein verführerisches Manöver von Gesprächen ausgewichen werden darf, die gar nichts erbringen ' können und nur über die Tatsache hinwegtäuschen, um die es geht: die Befreiung der sowjetisch besetzten Zone von innerem und äußerem Zwang und die tatsächliche Durchführung der Wahlen.
Die Bundesregierung hat einen entscheidenden Erfolg errungen mit der gestern bekanntgegebenen Antwort auf ihre Note, die sie im Auftrag des Bundestages im Anschluß an die Beschlüsse vom 27. September an die Regierungen der drei Besatzungsmächte gerichtet hat. Es handelt sich um eine Dreimächteerklärung, nicht nur um leere Versprechungen der einen und der anderen Macht, nicht nur um eine leere Demonstration, sondern um einen Schritt bei der UNO auf Einsetzung einer Untersuchungskommission, auf den die Sowjetunion nun eine klare Antwort geben muß.
Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem gesamtdeutschen Gespräch sagen. Da drüben wird stets die These vertreten, hier werde nur irgendein Vorwand in Gestalt der Legitimation oder Nichtlegitimation jener Machthaber gesucht. Meine Damen und Herren, das ist nicht die Frage. Unser Maßstab, unsere Frage, die wir uns ständig zu stellen haben, ist folgende: Was wünschen die Deutschen jenseits des Eisernen Vorhangs? Sie legitimieren uns; ihren Willen, ihren Wunsch haben wir zu erfüllen, und im Rahmen dieser ihrer Wünsche ist es überhaupt erst möglich, die praktischen Maßnahmen zu überlegen. Gespräche, die dazu dienen sollen, von der Verwirklichung der Befreiung und damit der Einigung hinwegzulenken, werden wir ablehnen; denn es wäre eine Versündigung an der deutschen Zukunft, auf eine solche Täuschung des deutschen Volkes hereinzufallen.
Zum Abschluß noch ein kurzes Wort zu dem, was man Integration in den Westen nennt. Hier besteht eine nicht unerhebliche Kontroverse zwischen der Opposition und der Regierung. Die Opposition hat oft erklärt: Im Ziele sind wir einig; der Streit geht um die Methoden. Ich glaube, die Stunde ist so ernst geworden, daß dieser überflüssige Methodenstreit ein Ende finden sollte. Es ist einleuchtend: eine Lösung der weltpolitischen Frage einer wirklichen Befreiung und damit der Einigung Deutschlands ist nur dadurch möglich, daß sich die westliche Welt zusammenfindet, und dazu ist die echte deutsche Partnerschaft erforderlich. Hierzu haben meine politischen Freunde seinerzeit in Hamburg fünf Forderungen aufgestellt, die ich hier wiederholen möchte: erstens die Forderung der Gleichheit im Rahmen der Gemeinschaft, zweitens die Forderung der gleichen Verteidigungswürdigkeit jedes .Gliedes dieser Gemeinschaft, drittens die Forderung eines Mitspracherechtes bei allen Instanzen, die über die Mittel und Möglichkeiten dieser Gemeinschaft verfügen, viertens das Prinzip des europäischen Lastenausgleichs, auf daß jeder nach seinen Kräften für die Gemeinschaft beitrage, und schließlich das Fundament, auf dem jede internationale Gemeinschaft ruhen muß, das Fundament des Vertrauens. Dies sind die fünf Hauptprinzipien, unter denen wir eine Integration sehen, eine Integration, die die unerläßliche Voraussetzung ist, um die von der Opposition geforderten praktischen Maßnahmen für die Einigung Deutschlands herbeizuführen.
Ich glaube, meine Damen und Herren, die Dinge sind einfach, viel einfacher, als sie die Kompliziertheit der Debatten insbesondere gestern vermuten läßt. Wir wünschen — und sind uns darin mit der Regierung einig — einen starken, klaren Impuls auf dem Weg zur Befreiung unserer ganzen Nation im Rahmen einer europäischen Gemeinschaft. auch der Befreiung aller osteuropäischen Völker, damit dieser europäische Kontinent als ein Faktor der Ordnung und des echten Friedens wieder entstehe.
Das Wort hat der Abgeordnete Reimann.
Meine Damen und Herren! Die Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik hat sich erneut an den Bundestag gewandt und erwartet eine klare Antwort auf die Ihnen bekannten zwei Fragen. Das deutsche Volk hat nicht verstehen können, daß der Bundestag in seiner Sitzung vom 27. September den Vorschlag der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik nicht zustimmend beantwortet hat und statt dessen einer Regierungserklärung Dr. Adenauers zugestimmt hat, in der Vorbedingungen für gesamtdeutsche Wahlen genannt wurden und die Frage der Beschleunigung des Abschlusses eines Friedensvertrages mit Deutschland umgangen wurde. Um so mehr erwartet das deutsche Volk von der heutigen Sitzung des Bundestages eine klare, eindeutige und zustimmende Antwort auf die beiden Fragen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik.
Unser Volk empfindet in wachsendem Maße die gefahrvolle Situation und die Verschärfung der internationalen Spannungen. Leben und Existenz besonders unseres Volkes sind bedroht durch eine Politik, die an Stelle der Lösung der internationalen Probleme durch Verhandlungen die Drohung
mit der Atombombe setzt, wie das vor allem auf den Konferenzen von San Franzisko und Washington zum Ausdruck kam.
Für die Erhaltung des Friedens in Europa und damit des Lebens und der Existenz unserer Nation ist vor allem die friedliche Lösung des Deutschlandproblems erforderlich. Darum hat der Appell der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik an den Bundestag Zustimmung in allen Schichten unseres Volkes gefunden. Darum erwartet das Volk in seiner Gesamtheit, daß die Tür zur deutschen Verständigung, die von der Volkskammer geöffnet wurde, nicht durch eine kurzsichtige, die Interessen unseres Volkes unberücksichtigt lassende Politik wieder zugestoßen wird. Die Abgeordneten des Bundestages würden nie vor den Fragen ihrer Wähler bestehen können,
wenn sie eine den Interessen unserer Nation und den Erwartungen unseres Volkes widersprechende Entscheidung
zu dem Vorschlag der Volkskammer auf gesamtdeutsche Beratungen fällen würden.
Die Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik hat an ihren Vorschlag keinerlei Bedingungen geknüpft. Sie hat in ihrer zweiten Sitzung ausdrücklich erklärt, daß sie ihren Vorschlag auf gesamtdeutsche Beratungen über freie Wahlen in ganz Deutschland zu einer Nationalversammlung und über den Abschluß des Friedensvertrages ohne jede Bedingung mache. Um so bedauerlicher ist es, daß der Bundestag in seiner Sitzung vom 27. September den Vorschlag der Volkskammer unbeantwortet gelassen und den Bedingungen Dr. Adenauers zu gesamtdeutschen Wahlen zugestimmt hat. Herr Dr. Adenauer hat in wiederholten Erklärungen zu diesen 14 Punkten weitere Bedingungen für gesamtdeutsche Wahlen genannt.
Die offene Sprache des „Rheinischen Merkur", der die Meinung des Herrn Adenauer wiedergibt, und die Äußerungen des Regierungssprechers, die deutsche Einheit sei nur ein Trugbild, beweisen die ablehnende Haltung Dr. Adenauers zur Wiederherstellung der deutschen Einheit überhaupt.
Der Versuch, durch die 14 Punkte die Bestrebungen zur Wiederherstellung der deutschen Einheit auf Grund des Vorschlages der Volkskammer zum Scheitern zu bringen, wurde durch die verantwortungsbewußte Haltung der Volkskammer vereitelt. Die Volkskammer hat in ihrer letzten Sitzung ausdrücklich erklärt, daß sie die Mehrzahl der 14 Punkte für gesamtdeutsche Wahlen annimmt und über andere Fragen mit den Vertretern des Bundestages zu verhandeln bereit ist.
Damit gibt es keine Gründe mehr, die eindeutigen Fragen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik verneinend oder ausweichend zu beantworten. Es ist geradezu erschütternd, daß der Bundeskanzler Dr. Adenauer, anstatt in seiner Regierungserklärung auf die Fragen der Volkskammer einzugehen, eine Mitteilung über die Note der Hohen Kommissare macht, die den Abgeordneten bereits durch die amerikanische „Neue Zeitung" bekannt war. Herr Dr. Adenauer hat sich mit seiner Regierungserklärung auf das Niveau eines verspäteten Boten begeben. Wenn Herr Dr. Adenauer in seiner Regierungserklärung sagt, Ministerpräsident Otto Grotewohl habe auf die 14 Punkte nichts geantwortet, so möchte ich noch einmal feststellen, daß die Mehrzahl der 14 Punkte vom Ministerpräsidenten Otto Grotewohl als annehmbar bezeichnet wurde
und daß andere Punkte in gesamtdeutschen Beratungen zwischen Vertretern des Bundestages und der Deutschen Demokratischen Republik behandelt werden können. Ministerpräsident Grotewohl sagte ausdrücklich: Das trifft besonders auf die Fragen der internationalen Kontrolle über die Wahlen zu.
Herr Dr. Adenauer hat in seiner gestrigen Regierungserklärung weiterhin die Behauptung aufgestellt, Ministerpräsident Otto Grotewohl habe die Einstellung der Geheimverhandlungen Dr. Adenauers mit den Hohen Kommissaren zu einer Bedingung gesamtdeutscher Beratungen gemacht. Ich möchte demgegenüber noch einmal ausdrücklich feststellen, daß sowohl in den Ausführungen des Ministerpräsidenten Otto Grotewohl als auch im Antrage der CDU-Fraktion an die Volkskammer und in der Rede des Präsidenten der Deutschen Demokratischen Republik, Wilhelm Pieck, vom 13. Oktober ausdrücklich betont wird, daß die Einstellung der Verhandlungen zwischen Dr. Adenauer und den Hohen Kommissaren keine Vorbedingung für die Aufnahme gesamtdeutscher Beratungen ist. Unser Antrag in dieser Richtung hat nichts mit der Verständigung zwischen beiden Parlamenten zu tun.
Herr Dr. Adenauer hat also seine Regierungserklärung auf einer falschen Darlegung des Vorschlages der Volkskammer aufgebaut. Das gestrige Auftreten Dr. Adenauers, die Art, wie die Rechte des Bundestags durch den Bundeskanzler mißachtet werden, wie auch der gesamte Inhalt der Regierungserklärung zeigen, daß Dr. Adenauer unter allen Umständen gegen den Willen des deutschen Volkes und unter Mißachtung des Bundestags gesamtdeutsche Beratungen über freie Wahlen in ganz Deutschland und über den Abschluß eines Friedensvertrags verhindern will.
Auch der Inhalt der Note der Hohen Kommissare beweist, daß diese gesamtdeutsche Beratungen verhindern wollen, weil ihnen ein gespaltenes Deutschland für ihre Aggressionspläne zweckdienlicher ist. Gemäß der Regierungserklärung vom 27. September, die auch die Unterstützung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion fand, wurde die Abhaltung gesamtdeutscher Wahlen zu einer Angelegenheit der Besatzungsmächte gemacht,
obwohl sie eindeutig ausschließlich eine Angelegenheit des deutschen Volkes ist. In der Note der Hohen Kommissare wurde mitgeteilt, daß sie bei der ersten passenden Gelegenheit ihre Ansichten den Vereinten Nationen unterbreiten werden. Die Hohen Kommissare bestimmen also, wann die passende Gelegenheit für die Weiterleitung der Wahlvorschläge an die Vereinten Nationen gegeben ist. In der Note der Hohen Kommission heißt es weiter, daß nur durch solche Maßnahmen zweckmäßig und zufriedenstellend festgelegt werden kann, ob in dem Gesamtgebiet Deutschlands Bedingungen gegeben sind, die das Abhalten einer allgemeinen Wahl als praktisch durchführbar erscheinen lassen. Mit dem Vorschlag Dr. Adenauers wird also den Hohen Kommissaren, d. h. ausländischen Instanzen, die Gelegenheit gegeben, die Abhaltung gesamtdeut-
scher Wahlen mit der Begründung zu verhindern, daß die Bedingungen für gesamtdeutsche Wahlen nicht gegeben seien.
Ich möchte demgegenüber feststellen, weder die Hohen Kommissare noch die Vereinten Nationen sind die Instanz, die über gesamtdeutsche Wahlen und über das Wahlgesetz für gesamtdeutsche Wahlen zu entscheiden hat. Diese Fragen sind ausschließlich Angelegenheiten des deutschen Volkes! Gesamtdeutsche Wahlen können nur stattfinden, wenn sich die Vertreter Ost- und Westdeutschlands in einer gesamtdeutschen Beratung über das Wahlgesetz und über alle anderen Fragen, die mit gesamtdeutschen Wahlen zusammenhängen, verständigen. Wer gesamtdeutsche Beratungen nicht will, will somit auch keine gesamtdeutschen Wahlen,
ist ein Feind der Einheit Deutschlands
und handelt gegen die Interessen des deutschen Volkes!
Es ist charakteristisch für die Politik Dr. Schumachers und der Führung der SPD, daß sie auch in ihren Zusatzanträgen und in ihrer gesamten Stellungnahme den Vorschlag gesamtdeutscher Beratungen über freie Wahlen in ganz Deutschland und über den Abschluß des Friedensvertrags einfach verschweigt. Die unter Fraktionszwang erfolgte Zustimmung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zur Regierungserklärung Dr. Adenauers am 27. September beweist, daß sich die Politik Dr. Schumachers prinzipiell nicht von der Politik Dr. Adenauers unterscheidet und daß Dr. Schumacher ebenso wie Dr. Adenauer keine gesamtdeutschen Beratungen über Wahlen für Einheit und Frieden wünscht. Dr. Schumacher möchte dem Volke gegenüber eine Zustimmung zur Einheit Deutschlands und zu gesamtdeutschen Wahlen vortäuschen, behindert aber gleichzeitig durch die Ablehnung gesamtdeutscher Beratungen die Einleitung der Einheit auf demokratischer Grundlage.
In der Bundestagsdebatte vom 27. September wurde durch Dr. Adenauer und ebenso durch den Sprecher der SPD-Fraktion kein Wort zum Vorschlag der Volkskammer gesagt, bei gesamtdeutschen Beratungen die Beschleunigung des Abschlusses eines Friedensvertrages mit Deutschland zu besprechen. Auch in der gestrigen Regierungserklärung Dr. Adenauers wurde dieser Vorschlag der Volkskammer mit keinem Worte erwähnt. Dr. Adenauer fürchtet. seine wahre Einstellung zum Abschluß eines Friedensvertrages gegenüber dem deutschen Volke kundzutun. Er fürchtet das, weil er weiß, daß seine Haltung im Gegensatz zu den Interessen und Wünschen unseres Volkes steht, das nichts sehnlicher wünscht, als sechs Jahre nach Kriegsende endlich einen Friedensvertrag zu bekommen und damit diesen unwürdigen Zustand zu beenden.
Das deutsche Volk will durch den Abschluß des Friedensvertrages und den Abzug der Besatzungstruppen sein Selbstbestimmungsrecht zurückerhalten und nicht mehr fremde Herren über seine nationalen Interessen bestimmen lassen. Das deutsche Volk will über sein Schicksal selbst entscheiden, es will Herr im eigenen Hause sein. Das deutsche Volk will in einem einigen, demokratischen, unabhängigen, friedliebenden Deutschland
leben. Das ist die einzig mögliche Grundlage für ein friedliches Zusammenleben aller Völker Europas, zu denen auch die Sowjetunion gehört.
Dr. Adenauer aber will keinen Abschluß eines Friedensvertrages, weil er dadurch seine politische Konzeption, die mit der amerikanischen übereinstimmt, gefährdet sieht. Ich möchte eine Erklärung des Sprechers der amerikanischen Regierung wiedergeben, die heute in der „Welt" veröffentlicht worden ist. Darin heißt es, die amerikanische Regierung werde niemals die Eingliederung Westdeutschlands in das westeuropäische Verteidigungssystem als Preis für freie Wahlen hergeben.
Indem Dr. Schumacher ebenfalls die Frage des Abschlusses eines Friedensvertrags übergeht, leistet er der Politik Dr. Adenauers Hilfsdienste.
Die Lösung aller Fragen von nationaler Bedeutung des deutschen Volkes, insbesondere aber die Rettung des Friedens erfordern die Wiederherstellung der deutschen Einheit auf demokratischer und friedlicher Grundlage. Der Weg dazu wurde durch den Appell der Volkskammer, gesamtdeutsche Beratungen über freie Wahlen in Deutschland und über die Beschleunigung des Abschlusses eines Friedensvertrages abzuhalten, eröffnet.
Mir ist bekannt, daß Abgeordnete aller Fraktionen mit den Beschlüssen des Bundestages vom 27. September innerlich nicht einverstanden waren
und sich nur dem Fraktionszwang unterwarfen.
Meine Herren, die Vorgänge bei der außenpolitischen Debatte in der gestrigen Sitzung des Bundestages zeigen, daß in der sozialdemokratischen Fraktion starke Differenzen über die Politik der SPD-Führung in den Grundfragen unseres nationalen Lebens bestehen.
In den nächsten Tagen, meine Herren, wird ja noch mehr in dieser Richtung kommen.
Ich möchte an jeden Bundestagsabgeordneten noch einmal appellieren,
seine Entscheidung einzig und allein von seiner Verantwortung gegenüber seinen Wählern, gegenüber dem ganzen deutschen Volk bestimmen zu lassen.
Ich stelle im Namen der kommunistischen Fraktion folgenden Antrag:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Bundestag nimmt die von der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik an ihn ergangene Einladung
auf Durchführung einer gesamtdeutschen Be-
ratung an und wählt als Vertretung des Bundestages einen aus Mitgliedern aller Fraktionen zusammengesetzten Ausschuß.
Dieser Ausschuß hat die Aufgabe, gemeinschaftlich mit den Vertretern der Volkskammer die nachstehenden beiden Fragen zu erörtern und zu klären:
1. Abhaltung von freien, gleichen und geheimen demokratischen Wahlen
für eine Nationalversammlung für ganz Deutschland zur Schaffung eines einheitlichen, demokratischen, friedliebenden Deutschlands.
2. Beschleunigter Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland.
— Nun, wenn Sie der Meinung sind, wir kämen schlecht weg in ganz Deutschland, warum stimmen Sie dann nicht zu!
Ich bitte alle Abgeordneten, diesem Antrag, der dem Verlangen des deutschen Volkes nach Verständigung, Einheit und Frieden entspricht, die Zustimmung nicht zu versagen.
Das Wort hat der Abgeordnete von Rechenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist noch nicht sehr lange her, da stand ich drüben im Bundesratssaal fast allein vor dem gesamtdeutschen Ausschuß und dem außenpolitischen Ausschuß und kämpfte vergeblich um eine Antwort auf den ersten Grotewohlbrief, eine Antwort, die ganz gewiß nicht zu den Bedingungen des Herrn Grotewohl ja sagen sollte, die aber den Zweck und das Ziel hatte, Herrn Grotewohl die Möglichkeit und Gelegenheit zu geben, sich selbst zu entlarven. Diese meine Absicht scheiterte vor allen Dingen an dem Widerstand der SPD,
die dahin argumentierte: mit solchen Verbrechern darf man überhaupt nicht reden; dadurch würden wir sie anerkennen, und überdies würden sie es ja auch gar nicht ehrlich meinen.
Nur kurze Zeit ist das her, und eine ganz erhebliche Wendung scheint mir eingetreten zu sein. Ist man jetzt vielleicht im Lager der Herren von der SPD der Meinung, das Angebot Grotewohls gebe tatsächlich die Möglichkeit, zu gesamtdeutschen Wahlen zu kommen, wäre tatsächlich irgendwo ehrlich gemeint? Was Grotewohl mit seinem Vorschlag will, hat er ja selber sehr deutlich ausgesprochen. Es kommt ihm darauf an, die jetzt entrierten Verhandlungen zwischen den Westalliierten und der Regierung der deutschen Bundesrepublik zum Scheitern zu bringen. Dabei zielt er eigentlich gar nicht so sehr auf uns ab; er zielt in Richtung auf die Hohen Kommissare. Die Reaktion, die diese Versuche von drüben bei uns finden, könnte doch nur zu leicht das noch lange nicht eingeschlafene, im Gegenteil sehr starke Mißtrauen über die zukünftigen Absichten, die zukünftige Haltung des 1 deutschen Volkes in dieser Frage beeinflussen, so daß man uns Bedingungen stellt, die die Verhandlungen zum Scheitern bringen müßten.
Aber, meine Damen und Herren, sehr viel interessanter — und ich wundere mich eigentlich, daß noch niemand von Ihnen darauf gekommen ist! — ist doch folgende Überlegung: Wenn Grotewohl diese Verhandlungen stören will, sieht er doch wenigstens die Möglichkeit, daß sie zu einem Erfolge führen könnten. Denn wer macht sich die Mühe, Verhandlungen zu stören, von denen er schon von vornherein glaubt, daß sie ja doch in einer Sackgasse enden werden? Interessant diese Meinung; denn wir alle wissen ja doch, welche Schwierigkeiten bei diesen Verhandlungen bestehen. Wir wissen alle, daß noch lange nicht ein gutes Ende da ist; wir fürchten alle — und darum ist unsere Skepsis so groß —, daß man sich bei dem Durcheinander auf der alliierten Seite immer noch nicht klar darüber geworden ist, daß man Unvereinbares nicht vereinen kann. Das ist die Skepsis, die uns eventuell ein Scheitern dieser Verhandlungen möglich erscheinen läßt. Um so besser, wenn ich jetzt höre, daß Grotewohl — sprich: der Russe! — doch immerhin auf die Idee kommen konnte, daß die Verhandlungen sich so gestalten, daß in diesem Hause eine große Mehrheit den Ergebnissen zustimmen kann. Ein Erfolg ist das selbstverständlich.
Aber nun kommt doch eine geradezu groteske Situation. Herr Wehner hat sich vorhin darüber beschwert, daß er verdächtigt würde, er — oder die SPD — treibe das Spiel des Herrn Grotewohl. Ja, meine Damen und Herren, sehen Sie denn nicht die Groteske? Hier wird ein Manöver unterstützt, das von den Russen dazu bestimmt ist, die wenigstens teilweise Freiheit der westdeutschen Menschen zu hintertreiben. Sicher: wenn man versucht — und das muß man ja —, eine vernünftige Politik in diesem Hause zu treiben, muß man seine Grenzen kennen und wissen, worauf es ankommt. Man könnte also vielleicht der Meinung sein, daß das Ganze von der SPD etwa im Sinne meines Auftretens vor einem halben Jahr gemeint wäre: daß nämlich gemeint wäre, hier Herrn Grotewohl zu entlarven, daß es ihm mit seinen Vorschlägen gar nicht ehrlich sei. Ich kann daran nicht glauben, vor allem deshalb nicht, weil wir ja gleich den dokumentarischen Beweis dafür haben, mit welcher Inbrunst gerade die SPD glaubt, gesamtdeutsche Wahlen herbeiführen zu können, nachdem Herr Dr. Schumacher es dem Herrn Bundeskanzler vorgeworfen hat, daß er in diesem Zusammenhang von der Oder-Neiße-Grenze sprach, die doch ein „Fernziel" sei. Meine Damen und Herren von der SPD, täuschen Sie sich nicht. Sie werden nirgends im deutschen Volke Gefolgschaft finden, wenn Sie einen Friedensvertrag abschließen wollen, in dem die Oder-Neiße-Grenze Fernziel ist.
— Ich verdrehe nicht. Es ist gesagt worden, die Oder-Neiße-Grenze sei ein Fernziel.
— „Demagoge" soll ja hier nicht gesagt werden. Ich nehme es ihm nicht übel!
Versuchen wir die Haltung der SPD anders zu erklären. Es kann also kein Entlarvungsversuch sein! Was aber sonst?
Und da komme ich zu folgender Überlegung. Wir wissen doch, daß die SPD sich zu Europa bekennt. Aber bei jeder Gelegenheit in Straßburg und bei jeder Gelegenheit auch hier stoßen wir, wenn auch nur die kärglichsten, kümmerlichsten Versuche gemacht werden, den europäischen Gedanken weiterzutreiben, auf das Nein der SPD. Noch vor einigen Tagen in Paris hat der Vertreter der SPD in der politischen Kommission des Europarates auf den Vorschlag Schuman-Mollet, eventuell ein Kommissariat zur Abstimmung der gemeinsamen europäischen Außenpolitik zu bilden,
erklärt, das wäre ja doch nur ein Versuch, das Besatzungsstatut mit anderen Mitteln fortzusetzen. Das ist ja immer die Argumentation, die wir bei allen diesen Versuchen hören.
Ich habe bisher — um sehr deutlich zu sprechen — geglaubt, daß diese ganze Haltung der SPD in bezug auf Europa in Wirklichkeit gar nichts mit ihrem ehrlichen Bekenntnis zu diesem Ziel zu tun hätte; ich habe geglaubt, ihre Ablehnungen seien innerpolitisch bedingte Kampfmittel. Ich bin sehr skeptisch geworden, nachdem ich gestern hören mußte, wie Herr Dr. Luetkens erklärte, daß eine teilweise Souveränität Westdeutschlands nicht wünschbar wäre. Wir kennen doch alle Herrn Dr. Luetkens als einen sehr ruhigen, sehr überlegten Mann, der sehr genau in die außenpolitischen Absichten der Führung der SPD eingeweiht ist. Gewiß, die SPD ist hörbar davon abgerückt; sie konnte ja gar nicht anders. Denn welch ein Sturm der Entrüstung würde sich in Westdeutschland erheben, wenn man sich etwa zu diesem Bekenntnis von Herrn Dr. Luetkens nachträglich noch bekannt hätte.
Aber für mich bleibt es doch bei der Tatsache. Ich komme gar nicht darum herum. Ist es denn tatsächlich so, daß in Wahrheit die europäische Zukunft seitens der SPD nicht so gesehen wird, wie wir bisher geglaubt hatten, daß sie tatsächlich der Meinung ist: „Wenn nur Westdeutschland in Europa integriert werden soll, dann nicht!"? Meine Damen und Herren, diese Haltung kann ich nicht
verstehen.
Aber diese Haltung bedeutet den Weg in die Neutralität, in die Neutralisierung Deutschlands. Es gibt dann keinen andern Weg für das deutsche Volk, wenn wir die Einigung haben wollen. Unter der heutigen Weltlage ist tatsächlich nur diese eine Möglichkeit offen.
Es ist geradezu grotesk und bezeichnend für die politisch harmlose Ahnungslosigkeit des deutschen Volkes, wenn dieser Gedanke,
der ja gar nicht neu ist und der eines der Kriegsziele der vereinten Westalliierten war, jetzt wieder von uns Deutschen ventiliert wird. Meine Damen und Herren, die Sie mit dem Gedanken der Neutralität spielen, ist Ihnen eigentlich gar nicht klar, daß das ja die Grundkonzeption des Morgenthau-Plans war?
Gewiß, dieser Plan ist gescheitert. Unser Glück, unsere Zukunftschance bedeutet es, daß dieser Plan gescheitert ist, scheitern mußte. Warum? Die Idee gemeinsamer Niederhaltung Deutschlands setzte auch Gemeinsamkeit der Interessen voraus. Diese Gemeinsamkeit der Interessen war Gott sei Dank nicht vorhanden. Im Gegenteil, die gegenseitigen Interessen stehen so, daß keiner von den großen Weltblöcken dem anderen die Ausnutzung des deutschen Potentials gönnen kann.
Um so unverständlicher ist es. wenn jetzt auf unserer Seite wieder mit diesem Gedanken gespielt wird. Wir müssen uns doch darüber klar sein:
Seien wir uns ganz klar: wir spielen hier mit der deutschen Zukunft; wir spielen hier ein sehr gefährliches Spiel!
Wir wollen uns nicht verfangen, wir wollen uns nicht an unseren eigenen Gefühlen berauschen.
Wir haben die Pflicht, sehr kühl und sehr ruhig im Interesse unseres deutschen Volkes, für das wir die Verantwortung tragen, aufzutreten. Wir sprechen immer davon: wir wollen die Ostdeutschen nicht abschreiben. Ich komme selber aus Ostdeutschland, und nie werde ich darauf verzichten. Aber ich will auch die Westdeutschen nicht abschreiben.
Ich will auch die Westdeutschen nicht versacken lassen. Ich will die Wiedervereinigung, — das ist ein schlechter Ausdruck, es muß heißen: die Befreiung.
Ich bin' überzeugt, Sie täuschen sich, wenn Sie glauben, das deutsche Volk folgt Ihnen, wenn Sie dem deutschen Volk eine Wiedervereinigung zumuten, bei der es in den Zustand von Potsdam, in den Zustand der Sklaverei zurückkommt.
— Darauf kommt Ihre Politik, das weiß ich seit gestern, heraus.
— Wer hier irre redet, das überlasse ich sehr gern dem Urteil der deutschen Öffentlichkeit, die genau weiß, wer hier richtig spricht und wer Gefühlsduselei macht.
Deshalb sage ich: wir müssen die Frage der gesamtdeutschen Wahlen mit der genügenden Vorsicht behandeln.
Wenn wir zu einer Einigung mit dem Osten kommen wollen, gibt es dazu nur einen Weg: das ist der Weg über Europa. Nur dann sehe ich die friedliche Möglichkeit. An einer kriegerischen Möglichkeit ist niemand interessiert: das wäre unser Ende.
Wenn nämlich der Russe vor einem stark gewordenen Europa nicht mehr die Sorge zu haben braucht, daß es eventuell als Brückenkopf für einen Angriff gebraucht werden könnte, dann ist der Moment gekommen, in dem Stalin überhaupt kein Interesse mehr hat — ich nehme an, auch Herr Reimann wird ihn nicht so weit interessieren —, diesen Pfahl im Fleisch, den letzten Endes das deutsche Gebiet innerhalb seines Gebietes bedeutet, bei sich zu behalten.
Das ist die Lösung. Darum bejahe ich Europa, darum will ich kein Deutsches Reich schaffen. Nein, ich will ein Europa schaffen, in dem Deutschland ein gleichberechtigter Teil ist. Das ist der Weg, um unsere Ostdeutschen zu befreien. Ich empfehle dem Bundestag, diesem Weg mit der geruhsamen Vorsicht zu folgen. Wir sollen nicht so töricht sein, das Spiel derjenigen zu treiben, die in Wirklichkeit unsere deutsche Freiheit nur im Munde führen und in Wahrheit ganz etwas anderes beabsichtigen.
Infolgedessen lehnt meine Fraktion den Antrag der KPD ab und billigt es durchaus, wenn die Bundesregierung nicht überstürzt ein Wahlgesetz vorlegt, solange man noch gar nicht weiß, ob und unter welchen Bedingungen drüben gewählt werden kann. Wir sind mit diesem Vorgehen durchaus einverstanden und danken dem Herrn Bundeskanzler für diese Haltung.
Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.
Meine Damen und Herren! Ich habe den Antrag meiner Fraktion zu begründen, in dem verlangt wird, die Verhandlungen, die gegenwärtig mit den Hohen Kommissaren über die Durchführung des Washingtoner Abkommens geführt werden, abzubrechen. Am 14. September wurden die Beschlüsse der Washingtoner Außenministerkonferenz bekanntgegeben. Sie umfassen im wesentlichen drei Punkte: erstens, daß die westalliierte Besatzung in Westdeutschland verbleibt, und zwar auf unbestimmte Zeit und in ständig wachsendem Umfang; zweitens, daß Westdeutschland in die sogenannte westliche Verteidigungsgemeinschaft einbezogen werden soll. Das würde die Bereitstellung deutscher Fremdenlegionen unter einem US-Oberkommando bedeuten. Das würde die Auslieferung der deutschen Wirtschaftskraft an die westliche Rüstungsproduktion und schließlich die völlige Ausblutung der deutschen Finanzkraft und des Arbeitsvermögens unseres Volkes bedeuten.
Drittens besagen die Washingtoner Beschlüsse, daß man unter der Bedingung der Leistung eines sogenannten Verteidigungsbeitrages bereit sei, Westdeutschland ein gewisses Maß von Souveränität zurückzugeben und ihm damit eine gewisse „Gleichberechtigung" einzuräumen.
Dieses scheinbare Zugeständnis, das, wie gesagt, an die Bedingung der vorherigen Leistung des „Verteidigungsbeitrages" geknüpft ist, enthält aber gleichzeitig eine ganze Anzahl diskriminierender Vorbehalte.
Als Herrn Adenauer das Kommuniqué der Washingtoner Konferenz überbracht wurde, erklärte er: Wir danken Gott, daß die Entscheidungen von Washington so gefallen sind. Später erklärte er: Es ist eine sehr gute Nachricht, die wir aus Washington erhalten haben. Nun, meine Damen und Herren, für Herrn Adenauer mögen diese Nachrichten sehr gut gewesen sein. Für ihn waren diese Beschlüsse tatsächlich die Krönung seiner Anstrengungen, die er seit Jahr und Tag unternommen hat, angefangen bei den geschickt eingefädelten Interviews an ausländische Zeitungen bis zu den festen Vereinbarungen, die er unter Mißachtung des Willens unseres Volkes und unter Brüskierung selbst des Bundestages getroffen hat.
Für das deutsche Volk aber haben die Beschlüsse von Washington eine andere Bedeutung. Sie haben die Bedeutung der Ankündigung, daß Deutschland als Hauptkriegsbasis des amerikanischen Aufmarsches und damit als Kriegsschauplatz ausersehen ist. Sie bedeuten die Ankündigung von Not, von Krieg, von Katastrophe und Untergang, wenn diese Entwicklung nicht im letzten Augenblick verhindert wird.
Die Manöver, die gerade jetzt in der amerikanischen und britischen Zone stattgefunden haben, haben einen sehr deutlichen Anschauungsunterricht über das gegeben, was man in Washington plant. Sie beweisen eines: sie beweisen, daß die Veranstalter der Manöver tatsächlich ernst machen wollen, daß sie Deutschland als Schlachtfeld und schließlich als Gebiet der verbrannten Erde ausersehen haben. Sie beweisen außerdem, daß sie bereit sind, rücksichtslos alles zu vernichten, was es hier auf deutschem Boden an Hab und Gut und an Menschenleben gibt.
Unser Volk sagt: Das darf nicht sein, weil wir leben und nicht untergehen wollen!
Man kann seitens der Hohen Kommissare mit Herrn Adenauer Gespräche hinter verschlossenen Türen führen. Man kann mit ihm Verschiedenes ausmachen, unter anderem auch ausmachen, daß er demnächst die ersten 250 000 Mann an deutscher Jugend bereitzustellen hat. Man kann mit ihm ausmachen, daß er mithilft, den Raub der deutschen Kohle zu betreiben oder die Bereitstellung der deutschen Rohstoffe für die westlichen Rüstungen. Aber man kann mit Herrn Adenauer nicht ausmachen, daß ihm das deutsche Volk auf diesem Wege Folge leistet.
Denn letzten Endes wird allein das Volk darüber entscheiden, was aus den geheimen Abmachungen des Herrn Adenauer wird.
Schon kurz nach Bekanntgabe der Washingtoner Beschlüsse haben die Beratungen begonnen, die ihrer Realisierung dienen. Diese Beratungen haben nun einiges zutage gefördert. Was auf den Schlössern der Hohen Kommissare in Ernich, in Röttgen und in Mehlem ausgehandelt und in einigen wenigen Dokumenten auch bekanntgeworden ist, beweist, daß das Gerede über die Rückerstattung der Souveränität an die Deutschen nichts anderes als eine Täuschung ist, daß sich die Westmächte in Wirklichkeit die Entscheidung in allen wichtigen Angelegenheiten Westdeutschlands vorbehalten haben. Sie haben sich erstens die Entscheidung vorbehalten in allen Fragen, die die sogenannte Sicherheit der in der Bundesrepublik stationierten westlichen Streitkräfte berühren. Das bedeutet praktisch, daß alle politischen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen von Bedeutung an das Diktatregime der Hohen Kommissare gebunden bleiben.
Zweitens behalten sie sich vor die Entscheidung in allen Fragen, die Berlin betreffen.
Drittens behalten sie sich vor die Entscheidung in allen Fragen, die die Wiedervereinigung Deutschlands und einen künftigen Friedensvertrag mit Deutschland betreffen. Damit erbringen sie den bisher deutlichsten Beweis dafür, wer die Hauptschuld an der Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands trägt.
Viertens behalten sie sich das Recht vor, alle nun etwa mit der Bundesregierung abzuschließenden Verträge, die auf der Basis der sogenannten „Gleichberechtigung" geschlossen würden, jederzeit zu annullieren, wenn nach ihrer Auffassung der Bestand der demokratischen Grundordnung gefährdet ist. Das würde bedeuten, daß, wenn in Westdeutschland eine Bundesregierung jemals ein Programm entwickeln sollte, das den amerikanischen Auffassungen über eine demokratische Ordnung nicht vollkommen entspricht, damit alle bis dahin geschlossenen Verträge für null und nichtig erklärt würden und das reine Willkürrecht der Besatzungsmacht wiederhergestellt würde. Auch die innere Ordnung eines separaten westdeutschen Staates soll demnach auf unbestimmte Zeit von dem Willen der amerikanischen Herren abhängig bleiben.
Fünftens behalten sie sich das Recht vor, auch den Handel Westdeutschlands sowohl mit der Deutschen Demokratischen Republik wie mit dem Osten wie mit der ganzen übrigen Welt zu reglementieren und zu beeinträchtigen. Auf unbestimmte Zeit soll es also keine freien Handelsbeziehungen innerhalb Deutschlands und mit der Welt geben.
Sechstens behalten sie sich das Recht vor, die entscheidenden Bestimmungen über Aufbau und Besitzverhältnisse in der Grundstoff- und Schwerindustrie zu treffen.
Und letztens behalten sie es sich vor, über die Höhe und die Art der Aufbringung der Besatzungskosten allein zu entscheiden.
Darum, meine Damen und Herren, weil es sich hier um Bestimmungen handelt, die den Lebensnerv unseres Volkes treffen, um Bestimmungen, die uns der amerikanischen Kriegspolitik gegenüber willenlos machen sollen, darum fordern wir den Abbruch der Verhandlungen.
Viele spielen jetzt den Entrüsteten, und es geht die Legende um von dem „armen alten Mann" hier, der von seinen amerikanischen Freunden getäuscht
worden sei. Man konstruiert Gegensätze zwischen
dem Geist von Röttgen und dem Geist von
Washington. Keine Spur davon! Genau der Geist
von Washington ist es, der die Verhandlungen in
Röttgen und in Mehlem bestimmt. Das weiß Herr
Adenauer so gut wie Herr McCloy, und kein
anderer als sein eigener Staatssekretär hat uns dies
vor drei Tagen bestätigt. Herr Professor Hallstein,
der bekanntgab, daß man sich „in der Grundlinie"
da oben verständigt habe, erklärte, daß man bereit
sei, freiwillig auf Souveränitätsrechte zu verzichten.
Er sagte deutlich, welche Rechte der Souveränität man zur Preisgabe für geeignet halte und aus welchen Gründen. Er erklärte wörtlich:
Es ist auch unser Interesse, daß die Alliierten
ein unbezweifelbares und unanfechtbares Recht
haben, in Berlin zu sein. Es ist auch unser Interesse, daß die von den Alliierten übernommenen Verpflichtungen, Deutschland wieder zu vereinigen, unvermindert bleiben.
Er erklärt also, die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands müsse nicht nur, sondern solle sogar nach „unserem" eigenen Wunsch eine Angelegenheit sein, die allein der Entscheidung der Alliierten unterstehe und nicht der Selbstentscheidung des deutschen Volkes. Meine Damen und Herren, das ist die freiwillige Preisgabe des Rechtsanspruchs auf Selbstbestimmung unseres Volkes.
Nun wird gesagt, es gebe eine andere Lösung. Herr von Rechenberg hat erklärt, wir könnten auf dem Wege über ein „neues Europa" den kriegerischen Weg zur Wiedervereinigung, den vorhin Herr v. Merkatz propagiert hat, vermeiden. Nun, ich möchte ihn fragen: Hat er sich denn schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie das vor sich gehen soll, wenn er schon nicht ein Europa meint, das an der Werra endet? Herr Bundeskanzler Adenauer hat uns erklärt, wie dieses Europa aussehen sollte, nämlich gestaltet auf der Grundlage seiner, des Herrn Adenauer, und des Herrn McCloy politischen Prinzipien.
Sie sagen, dieses „neue Europa" sei durch den „politischen Charakter" bestimmt. Nun gut, wenn dieses Europa nicht an der Werra aufhört, wenn die Länder der Volksdemokratien und die Sowjetunion bis zum Ural zu diesem Europa gehören sollen, wie stellen Sie sich dann die Änderung des „politischen Charakters" vor? Wie wollen Sie das dort geschaffene Regime der Volksherrschaft anders beseitigen als auf dem Wege des Krieges?
Das ist doch nichts anderes als die Konzeption des Krieges, der gewaltsamen Revision der europäischen Landkarte, der geographischen wie der politischen Landkarte.
Gestatten Sie mir zum Schluß noch eine Bemerkung an die Adresse der sozialdemokratischen Fraktion.
Herr Abgeordneter Fisch, Ihre Redezeit ist abgelaufen!
Ich bitte mir noch eine Bemerkung zu gestatten. —
Herr Dr. Schumacher hat nach der Washingtoner Konferenz erklärt, das Ergebnis dieser Konferenz sei für seine Partei unannehmbar. Und er hat am 10. Oktober erklärt, erst wenn feststehe, daß die Sowjetunion nicht bereit sei, die deutsche Einheit wiederherzustellen, dürfte über die Eingliederung Deutschlands in das europäische Verteidigungssystem weiter verhandelt werden. Nun wohl, Herr Dr. Schumacher,
bleiben Sie bei Ihrem Wort! Wenn Sie das wirklich wollen und wenn Sie die Informationen, die Sie von Herrn McCloy erhalten haben, richtig, d. h. so, wie es die Wähler der sozialdemokratischen Abgeordneten erwarten, verwerten wollen, dann stehen Sie auf und sagen Sie, welches die Ratschläge waren, die man Ihnen gegeben hat! Stehen Sie auf und sagen Sie: man darf keine Stunde mehr auf den Schlössern der Hohen Kommissare weiterverhandeln!
Man muß dann aber auch die Teilnahme an den hier eingesetzten konspirativ arbeitenden Ausschüssen, die der Behandlung der Washingtoner Beschlüsse dienen, ablehnen, an dem Sechser-Ausschuß, an dem Koordinierungs-Ausschuß, denn diese Ausschüsse sind nur dazu da, die Diskussion über die Lebensfragen unseres Volkes von der Bühne der Öffentlichkeit wegzuziehen und sie in die Dunkelkammer zu verbannen. Darum, meine Damen und Herren,
appelliere ich an alle diejenigen, die ihre Einwände und Bedenken — —
Herr Abgeordneter Fisch, es ist nun wirklich Zeit, daß Sie Schluß machen!
Ich komme jetzt zum Schluß.
Sie kündigen es immer an, und dann denke ich, es ist so weit. Aber dann fangen Sie immer noch einen Absatz an!
Darum ist es die Pflicht aller derjenigen, die ihre Besorgnis gegenüber den Washingtoner Beschlüssen zum Ausdruck gebracht haben, konsequent zu sein. Hier gibt es keine Zwischenstellung, hier gibt es nur ein Ja oder ein Nein, nur eine Entscheidung, und die konsequente Entscheidung kann nur lauten: Keine Stunde länger mehr wird dort oben verhandelt!
Das Wort hat Frau Abgeordnete Wessel.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wenn ich als Sprecherin der Zentrumsfraktion zu der gestrigen Erklärung der Bundesregierung, zu der Frage gesamtdeutscher Wahlen Stellung nehme, geschieht es in dem Bewußtsein, daß damit ein Anliegen meiner politischen Freunde und meiner Person in das Kraftfeld der Außen-und Innenpolitik der Bundesregierung gerückt worden ist, dessen baldige Realisierung wir von ganzem Herzen bejahen.
Meine Stellungnahme und die der Zentrumsfraktion zum Osten und zur sowjetisch besetzten Ostzone hat in diesem Hohen Hause nicht immer die Bejahung gefunden, die man jetzt als selbstverständliche Voraussetzung für die Herbeiführung der deutschen Einheit durch gesamtdeutsche Wahlen feststellen kann. Denn noch vor einigen Monaten mußte man sich in diesem Hohen Hause sehr vorsichtiger Formulierungen bedienen, um nicht zumindest in den Verdacht zu kommen, gleichsam wie Parzival, gegenüber der kommunistischen Gefahr ein reiner Tor zu sein oder, wie andere glaubten, damit dem Kommunismus Vorschub zu leisten. Die Stellungnahme der Zentrumsfraktion und meine eigene gegenüber dem Kommunismus ist immer klar und eindeutig ablehnend gewesen, schon aus der ganzen weltanschaulichen und politischen Haltung meiner Partei.
Aber wir brauchten keine Schwenkung in. unserer Stellungnahme zur Ostpolitik jetzt vorzunehmen wie andere Parteien in diesem Hohen Hause, weil wir schon immer der Auffassung waren, daß man die Tür nach dem Osten und der Ostzone nicht zuschlagen darf, wenn man die Wiederherstellung der deutschen Einheit als die zentrale Frage der deutschen Politik sieht. Da bei der gegenwärtigen Stellung der Deutschen auf Grund des Potsdamer Abkommens — das möchte ich gegenüber den Darlegungen des Herrn Kollegen Reimann sagen — sowohl in der Bundesrepublik wie in der Ostzone die Durchführung der deutschen Einheit nicht ohne, sondern nur mit dem Willen der vier Besatzungsmächte möglich ist, mußte auch Sowjetrußland in das Blickfeld unserer Politik einbezogen bleiben.
Aus den Ausführungen des Herrn Kollegen von Rechenberg ist in seiner Rede — es war seine persönliche Einstellung — so etwas Ähnliches durchgeklungen: daß auch er seit Monaten für diesen Standpunkt gekämpft habe. Aber ich möchte es noch einmal sagen und dabei feststellen, daß sich die Motive, die er bei seiner Darstellung erwähnte, doch wesentlich von meinen und denen meiner politischen Freunde unterscheiden. Ich glaube, der Herr Kollege von Rechenberg hat mit seinen heutigen Darlegungen den Menschen drüben in der Ostzone viele Hoffnungen genommen,
weil er es nicht über sich bringen konnte, diese Frage der gesamtdeutschen Einheit freizuhalten von polemischen Darstellungen.
Wir sehen diese Frage — ich betone es noch einmal - als die Zentralfrage der deutschen Politik an, und wir werden die Bundesregierung in ihrer Politik der Forderung nach gesamtdeutschen Wahlen zur . Herbeiführung der Einheit Deutschlands in Freiheit in jeder Weise unterstützen, weil wir damit das von uns stets verfolgte Ziel der Erfüllung näherbringen.
Wir haben mit großer Genugtuung von der Erklärung der Regierungen der drei westlichen Besatzungsmächte Kenntnis genommen, daß sie den Willen und den Wunsch des deutschen Volkes nach gesamtdeutschen Wahlen voll und ganz unterstützen und bei der UNO die Bestellung einer unabhängigen Kommission beantragen werden, damit diese
für ganz Deutschland die notwendigen Voraussetzungen prüft, die zur Durchführung dieser Wahl erforderlich sind. Auch hier stelle ich mit Genugtuung fest, daß die Bundesregierung die Institution der Vereinten Nationen zur Durchführung dieser Arbeit vorgeschlagen hat, und ich glaube, wir haben am 27. September hier in diesem Hohen Hause die Bundesregierung aufgefordert, die UNO mit einzuschließen als die Organisation, die in der Lage ist und auch die Mittel dazu hat, die Voraussetzungen für gesamtdeutsche Wahlen zu schaffen. Ich stelle dieses nur darum fest, um einmal wieder an einen Antrag zu erinnern, den die Zentrumsfraktion vor Jahresfrist gestellt hat, die Aufnahme in die UNO als ein wichtiges Ziel der Bundespolitik zu sehen. Dieser Antrag wird vielleicht jetzt nicht mehr als so abwegig betrachtet. Der Herr Bundeskanzler sollte auch hier in dem Antrag meiner Fraktion eine Förderung und Unterstützung seiner Außenpolitik sehen, Deutschland immer mehr in den Bund der freien Völker einzugliedern.
Wenn, wie ich bereits feststellte, die Durchführung gesamtdeutscher Wahlen nur mit Zustimmung aller vier Besatzungsmächte möglich ist — und ich meine, wir können es nicht deutlich genug aussprechen, damit die Situation und die Position klar wird, in der wir uns befinden — und wenn die drei westlichen Besatzungsmächte diese Zustimmung bereits ausgesprochen haben — ich glaube, es tut der deutschen Ehre keinen Abbruch, wenn wir erklären, daß wir den Regierungen von Amerika, England und Frankreich für diese Zustimmung dankbar sind —, so müssen wir es heute in diesem Hohen Hause aussprechen, daß wir nunmehr erwarten, daß Sowjetrußland die gleiche Erklärung abgibt und sich ebenfalls in gleicher Weise bereit erklärt, durch eine internationale Kommission der UNO die Voraussetzungen für die Durchführung dieser Wahlen prüfen zu lassen. Ich spreche es mit aller Deutlichkeit aus, daß meine politischen Freunde und ich diese Erklärung und Zustimmung der Sowjetunion für ebenso erforderlich halten wie die der drei westlichen Besatzungsmächte, wenn nicht mit Recht der Verdacht aufkommen soll, daß die bisherigen Angebote der Ostzonenregierung nicht die Unterstützung von Sowjetrußland haben.
Ohne diese klare Unterstützung und Erklärung Rußlands haben auch offizielle Gespräche zwischen Deutschen in der Bundesrepublik und in der Ostzone keinen praktischen Wert. Alle gesamtdeutschen Gepräche von Deutschen über Herbeiführung der Einheit sind solange nicht fundiert, als es nicht eine alliierte Vereinbarung über ihre Realisierung gibt; und da eine Vereinigung der Deutschen in echter Freiheit nur über gesamtdeutsche Wahlen herbeigeführt werden kann, so muß solchen Gesprächen, wenn sie erfolgreich sein sollen, zuvor die klare Zustimmung von Sowjetrußland zu gesamtdeutschen Wahlen vorausgehen.
Denjenigen, die immer wieder an uns die Aufforderung richten — wie es auch heute Herr Kollege Reimann getan hat —, solche gesamtdeutschen Gespräche herbeizuführen — und die meisten draußen im Lande richten diesen Wunsch an uns aus der tiefen Sorge um das gesamtdeutsche Schicksal und vor allem um das Schicksal der Deutschen in der Ostzone —, muß man die wahre Situation klarmachen, daß es jetzt an Rußland liegt, die Voraussetzungen für die angestrebten deutschen Wahlen durch seine Zustimmung zu schaffen, damit die Vertreter der Ostzonenbevölkerung in Freiheit
deutsche Belange bei gesamtdeutschen Wahlen wahrnehmen können.
Auch der Vorschlag der Volkskammer, gemeinsame Beratungen von Volkskammer und Bundestag herbeizuführen, wie auch in diesem Hohen Hause heute durch die kommunistische Fraktion beantragt worden ist, hat in der gegenwärtigen Situation keine Aussicht auf positive Ergebnisse, sondern worauf es jetzt ankommt, Herr Reimann, ist die klare Stellungnahme Sowjetrußlands.
Herr Grotewohl und die Volkskammer sollten ihre
Aufgabe jetzt darin sehen, ihre Appelle nicht an
den Bundestag, sondern nach Moskau zu richten.
Zum Schluß noch einige Ausführungen. Uns ist hier ein kommunistischer Antrag in dem Sinne vorgelegt worden, wir sollten einen Friedensvertrag fordern. Wann ist es in der Weltgeschichte der Fall gewesen, daß besiegte Staaten den Friedensvertrag bestimmen können? Wenn die Dinge so einfach lägen, Herr Reimann, dann wäre es den Russen sehr leicht möglich gewesen, zumindest einmal den Österreichern ihren Friedensvertrag zu geben.
Meine Herren und Damen, durch die Stellungnahme der Bundesregierung und der Regierungen der drei westlichen Besatzungsmächte ist jetzt der erste Schritt dazu getan, daß der Eiserne Vorhang im Osten hochgezogen und damit eines der gefährlichsten Spannungsfelder für den Frieden Europas und der Welt verkleinert werden kann. Auch die Tür zu gemeinsamen deutschen Gesprächen könnte damit geöffnet werden. Es ist unsere Hoffnung und die. aller Deutschen, die es ehrlich mit dem Frieden meinen, daß jetzt Sowjetrußland den Schritt tut, den das ganze deutsche Volk in Ost und West ersehnt: in Einheit und Freiheit zur Befriedung Europas und der Welt beizutragen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter von Thadden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Reimann hat versucht, zu erklären, was sich der Kreml unter den Vorschlägen des Ostens vorstellt. Zur Frage 1: Wollt Ihr deutsche Beratungen? Herr Reimann, meine Damen und Herren! Ich glaube, man sollte es sich überlegen, ob man nicht auf der Basis der 14 Punkte, die die Bundesregierung verkündet hat und die vom Osten in ihren maßgeblichen Teilen anerkannt sein sollen, und des Vorschlags, Wahlen unter der Kontrolle der UNO hier durchzuführen, diskutieren sollte. Man sollte es versuchen, wobei es keineswegs notwendig ist, daß sich unsere Unterhändler derartige Wippchen gefallen lassen, wie sie sich die Stellvertreter der Außenminister der Westmächte monatelang in Paris gefallen ließen.
Meine Damen und Herren, wir reden über die Wiederherstellung der deutschen Einheit, wählen aber für den Westen nach der Konzeption des Bundeskanzlers zunächst einmal die europäische Integration mit dem Einschluß Westdeutschlands in ein westliches System, dessen oberste Stufe der Atlantikpakt ist und in dem die 250 000 deutschen Soldaten als Anfangsstufe ein integrierender Bestandteil sind. Ich bin der Auffassung, daß diese Linie nicht dazu führen kann, eine deutsche Ein-
heit zunächst bis zur Oder wiederherzustellen. Ganz abgesehen davon — um zu den 250 000 Mann etwas zu sagen — leuchtet es mir nicht ein, daß wir mit 250 000 Mann etwas schaffen sollen, was wir mit 200 Divisionen vor 6 Jahren nicht geschafft haben.
- Denken Sie doch bitte daran, daß in der französischen Armee wie in der Wählerschaft jeder vierte Kommunist ist und wahrscheinlich sofort überlaufen wird.
Meine Damen und Herren, Herr Staatssekretär Hallstein sagte kürzlich, daß wir in einer zweigeteilten Welt zu wählen hätten. Wenn man in dieser Zweiteilung den Kommunismus und den Nichtkommunismus oder Antikommunismus versteht, dann haben wir schon immer gewählt, nämlich antikommunistisch. Das bedeutet aber noch lange nicht, daß wir uns nun an Partner anschließen müssen, deren höchstes Ziel — und da denke ich an die Franzosen — bisher die Verhinderung der deutschen Einheit gewesen ist. General Clay veröffentlichte kürzlich sehr verdienstvolle Memoiren, in denen er darauf hinwies, daß es 1945 die Franzosen waren, die die Einrichtung gesamtdeutscher Staatssekretariate unterhalb des Kontrollrats verhindert und damals als erste angefangen haben, die Teilung durch den Eisernen Vorhang vorzubereiten. Herr Bundeskanzler, besitzen Sie von seiten des französischen Außenministers eine verbindliche Zusage dahingehend, daß er sich Ihre Forderungen nach einem Gesamtdeutschland ohne die Oder-Neiße-Linie zu eigen macht? In der Zeitung des Herrn Außenministers Schuman stand es kürzlich ganz anders zu lesen, nämlich, man könne sich diesem Ziel einer Wiedervereinigung Deutschlands in den Grenzen von 1937 nicht anschließen.
Meine Damen und Herren, ich bin noch von einem andern überzeugt. Wenn wir durch eine totale Ablehnung aller Gesprächsmöglichkeiten jedes Band zerschneiden, wird der Terror, der dann in der Ostzone einsetzen wird, mit nichts zu vergleichen und noch viel fürchterlicher sein als das, was dort bisher passiert ist.
Ein letztes noch, meine Damen und Herren! Vom Osten wurde gesagt, man solle zunächst einmal über gesamtdeutsche Wahlen und zweitens über den Abschluß des Friedensvertrags verhandeln. Ich möchte das, was Frau Kollegin Wessel eben gesagt hat, noch mit einigen Sätzen erweitern. Der Abschluß eines Friedensvertrags im Jahre 1951 — so lautet ja die offizielle Formulierung — sollte für uns Deutsche absolut indiskutabel sein; denn er würde die Zustände, die wir heute im Jahre 1951 haben, ad infinitum mit deutscher Unterschrift verewigen. Ein deutscher Friedensvertrag ist meines Erachtens erst dann möglich, wenn wir schrittweise der Einheit Deutschlands in seinen alten Grenzen nähergekommen sind; erst dann, vorher nicht!
Meine Damen und Herren! Es ist kaum möglich, innerhalb von fünf Minuten ein derart großes Thema
— hören Sie mir doch einen Moment zu — und diese ganzen Dinge erschöpfend zu behandeln. Eines ist aber möglich, Sie auf einige Gefahren hinzuweisen, die für das Gesamtdeutschland entstehen, wenn Sie am bisherigen Wege unkorrigiert festhalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Bundestagsfraktion der Bayernpartei gebe ich folgende Erklärung ab:
Die Bayernpartei hat nie einen Zweifel an ihrer Grundmeinung gelassen, daß das Ziel der Deutschen aller Stämme und Länder Gesamtdeutschland sein muß und daß die gegenwärtigen Konstruktionen im zweigeteilten deutschen Lebensraum nicht endgültigen Charakter haben können. Sie sieht in der Herstellung Gesamtdeutschlands nicht nur die Voraussetzung für die Verwirklichung des unverzichtbaren und unveräußerlichen Lebensrechts der Deutschen auf eine eigene, auf Freiheit und Demokratie gegründete nationale Existenz innerhalb der friedlichen Völker dieser Erde sowie Mittel und Weg der Deutschen, sich aus ihrer Herabwürdigung aufzurichten, sondern auch einen wesentlichen Beitrag zum Frieden, dessen Erhaltung oberstes Gebot ist. Sie wendet sich entschieden gegen die verschiedentlich im Ausland geäußerte Auffassung, daß die Deutschen nicht gleichzeitig beides — politische Freiheit und Vereinigung —, sondern nur eines nach dem andern erlangen könnten.
Die Bayernpartei läßt die staats- und völkerrechtliche Streitfrage, ob das Reich, wenn auch nicht juristisch, so doch tatsächlich fortbesteht, oder ob es im Jahre 1945 auf Grund bedingungsloser Kapitulation und nachfolgender Auflösung der Grundlagen des Reichsverbandes, also durch Debellation untergegangen ist, hier dahingestellt. Sie verweist aber auf das entschiedenste und mit allem Nachdruck darauf, daß die erstrebte und ersehnte neue politische Gemeinschaft der Deutschen nur nach Maßgabe der bestehenden verfassungsrechtlichen Zustände, also nach dem Grundgesetz und den Verfassungen der Bundesländer erfolgen kann. Die Fraktion der Bayernpartei bedauert daher, daß der Herr Bundeskanzler in seinem über die alliierte Oberkommission an die Regierungen Großbritanniens, Frankreichs und der Vereinigten Staaten gerichteten Schreiben vom 4. Oktober unter Außerachtlassung oder Verkennung dieser Rechtslage von einer gesetzgebenden Nationalversammlung gesprochen hat. Eine Nationalversammlung kann keine andere Aufgabe haben, als eine Verfassung auszuarbeiten, die nach Art. 146 des Grundgesetzes von der Bevölkerung selbst in freier Entscheidung zu beschließen oder zu verwerfen ist.
Niemals kann ihr eine gesetzgebende oder gar eine regierungsbildende Rolle zufallen.
Die Fraktion der Bayernpartei hat gestern durch ihren Sprecher erneut klargestellt, daß sie sich zu den Prinzipien eines föderalistisch aufgebauten Gesamtdeutschlands und eines förderalistisch geeinten Europas bekennt. Jeder Versuch, zu den Grundlagen der Weimarer Republik zurückzukehren, muß abgelehnt und zurückgewiesen werden.
Der geschichtliche Ablauf und die aus ihm zu ziehenden Lehren zwingen eindringlich und unerbittlich zu der Erkenntnis, daß eine Restauration Weimars und des Zentralismus zu einer neuen gefährlichen Fehlentwicklung des politischen deut-
schen Geschicks von unabsehbarer Tragweite führen würde. Einem auch nur mit einem Mindestmaß an politischer Phantasie und Erkenntniskraft begabten Volk kann es nicht zukommen, in seinem Sturz einfach auf staatliche und nationale Organisationsformen zurückzugreifen, die in einer so furchtbaren Weise widerlegt und ad absurdum geführt worden sind. Die deutsche Geschichte seit der gewaltsamen Beseitigung der Monarchien im Jahre 1918 ist die Geschichte der vergeblichen Versuche, eine neue tragfähige und dauerhafte politische Konstruktion im deutschen Lebensraum zu schaffen.
Die Bundestagsfraktion der Bayernpartei erhebt in diesem geschichtlichen Augenblick ihre warnende Stimme. Sie fordert alle verantwortlichen und einsichtsvollen politischen Kräfte auf, nicht einen Weg einzuschlagen, der erneut in das Verderben führen müßte. Nur eine echte, auf freier und gleichberechtigter Partnerschaft beruhende und aus ihr lebende Konföderation kann einer glücklichen Zukunft im deutschen Lebensraum den Weg bereiten.
Das Wort hat der Abgeordnete Tichi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir in den Montagblättern lasen, daß der Herr Bundeskanzler auf dem Parteitag der Exil-CDU am Sonntag erklärt hat, wir wären der deutschen Einheit näher, haben wir uns darüber aufrichtig gefreut, weil wir schon wegen unserer Schicksalsgefährten drüben die Schaffung eines geeinten Deutschlands ehrlich wollen und wünschen.
Die gestrige Erklärung des Herrn Bundeskanzlers hat diesen unseren Optimismus teilweise gedämpft. Wir anerkennen die Bemühungen der Alliierten, die notwendigen Vorbedingungen für freie, allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlen in ganz Deutschland zu schaffen. Wir befürchten aber sehr, daß es bei den zwischen den Alliierten und Sowjetrußland vorhandenen Spannungen zu keiner befriedigenden Vereinbarung kommen wird. Es gibt im deutschen Volke Gruppen, die verlangen, daß parallel zu den Bemühungen der Alliierten direkte Gespräche zwischen Ost und West stattfinden und daß man diesen Gesprächen nicht aus dem Wege gehen solle. Auch die Wahlordnung, die die Regierung nach der gestrigen Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vorbereiten soll, ist nach dieser Auffassung nur in freien Vereinbarungen zu formulieren und zu beschließen.
Meine Damen und Herren! Es ist selbstverständlich, daß für solche Gespräche zwischen West und Ost erst einmal die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden müssen. Wir wollen es deutlich sagen: Wenn heute von gesamtdeutschen Wahlen gesprochen wird, dann muß zuerst klar sein, daß es vorläufig lediglich um gemeinsame Wahlen in den vier Besatzungszonen Deutschlands geht und um nicht mehr. Wahre und wirklich gesamtdeutsche Wahlen sind unser wirkliches Ziel, dabei inbegriffen die Länder jenseits der Oder-NeißeLinie, das Sudetenland und das Land an der Saar. Herr Grotewohl muß endlich aufhören, die OderNeiße-Linie vorbehaltlos als definitive Friedensgrenze zu bezeichnen. Es muß aber auch sein
Außenminister Dertinger aufhören zu erklären, daß „die Sudetengebiete uns niemals gehörten und daß wir sie nie haben wollen; und wir wollen mit der gleichen Endgültigkeit auf dem Gebiete der territorialen Abmachungen mit der befreundeten Tschechoslowakei wie mit Polen Vereinbarungen treffen". So geht es natürlich nicht. Der Friede in Europa ist bedroht, wenn es nicht gelingen sollte, diese deutschen Volksstämme in einem gemeinsamen deutschen Vaterlande zu vereinigen, in dem sie ohne Furcht und Sorgen in wahrer Demokratie in Zukunft leben können.
Aber noch eins. Wir teilen die verfassungsrechtlichen Bedenken, die der bayerische Ministerpräsident Dr. Ehard in seinem Fernschreiben vom 13. 10. an den Herrn Bundeskanzler zum Ausdruck gebracht hat. Auch wir haben volles Verständnis dafür, daß ein wiedervereinigtes Deutschland, wenn es zu einer echten Einheit gelangen sollte, ein föderalistisches sein kann. Wir lehnen aber vom Standpunkt der Heimatvertriebenen im Osten und auch im Westen jeden überspitzten Föderalismus ab. Die bisherige Tätigkeit des Bundesrats, namentlich in der Frage der Umsiedlung, hat uns schwere Enttäuschungen gebracht und den wahrhaft engherzigen föderalistischen Egoismus auch einiger Aufnahmeländer deutlich gezeigt.
Wir bitten die Regierung, in ihren Bestrebungen, ein geeintes Deutschland zu schaffen, trotz aller Schwierigkeiten, die sich ergeben, unbeirrt fortzufahren. Nur so dienen wir dem Frieden in Europa und werden Deutschland vor einem neuerlichen Unglück bewahren.
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.
Meine Damen und Herren! Noch einige Feststellungen, die auf Grund dieser Debatte notwendig geworden sind. Der Abgeordnete Freiherr von Rechenberg hat hier — ich nehme an, namens der FDP — einige Erklärungen über unsere Politik gegeben, die nicht unwidersprochen bleiben können. Ich muß allerdings sagen, Behauptungen, die stellenweise zu Unterstellungen werden, um nicht ein härteres Wort zu gebrauchen, sind kein Diskussionsgegenstand für dieses Haus.
Es ist — ich zitiere dem Sinne nach — gesagt worden, die SPD werde nirgends Gefolgschaft finden für einen Friedensvertrag ohne die Gebiete jenseits der Oder und Neiße. Meine Damen und Herren! Ohne jede Polemik stelle ich hier fest: Am 9. März hat der Sprecher unserer Fraktion, Herr Abgeordneter Schumacher, zu dieser Frage folgendes erklärt:
Der Hauptbestandteil eines Friedensvertrages noch 1951 wäre aber ein anderer. Er soll die Befreiung der Sowjets von ihrer größten europäischen und deutschen Sorge sein, die imstande ist, das ganze Satellitensystem zu schwächen und zu lähmen. Das Hauptziel dieses Friedensvertrages wäre, die deutsche Zustimmung zur Oder-Neiße-Linie als der endgültigen Grenze zu erlangen. Zur gleichen Zeit, in der man hier wilhelminisch, hitlerisch und in allen anderen Sprachen des Nationalismus unserem Volk propagandistisch kommt, verhandelt der sogenannte Ministerpräsident von
Pankow mit Polen! Dieser Monat März ist der Monat der deutsch-polnischen Freundschaft.
Wir
— so sagte der Sprecher meiner Fraktion welter — wollen die Freundschaft mit dem polnischen Volk — aber nicht um den Preis des deutschen Selbstmords. Die Kommunisten haben nicht das Recht, auf Menschen und Gebiete Deutschlands zu verzichten, die ihnen doch nicht gehören, diese kommunistische Partei, eine Funktion einer Besatzungsmacht!
Ich stelle das nur zu den unserer Politik hier gemachten Unterstellungen fest.
Es ist hier weiter gesagt worden, wir spielten mit der deutschen Zukunft, und die sozialdemokratische Politik komme auf Potsdam hinaus. Ich stelle hier aus der Rede des Abgeordneten Dr. Schumacher in Hamburg vom 9. Oktober folgendes fest — ich darf es mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren —:
Es gibt hier kein starres System der Reihenfolgen. Selbst die Freunde der jetzt angebotenen Form der westeuropäischen Integration werden wohl kaum die Integration Westeuropas mit dem Verzicht auf die deutsche Einheit erkaufen wollen. Das wäre aber das Ergebnis der hier propagierten Linie. Integration und Einheit dürfen nicht miteinander konkurrieren, am wenigsten aber solche Integrationsverträge, die sogar für den deutschen
Westen die deutsche Selbstaufgabe sind.
Die Sozialdemokratische Partei ist ihrer internationalen Linie und Konzeption treu. Sie ist also nicht gegen eine Integration schlechthin, sondern diese konkrete Integration, die die Bundesrepublik unter fremde Verfügungsgewalt bringt und damit jeder Anziehungskraft beraubt.
Diese zweite Feststellung zu der zweiten Behauptung.
Der Herr Bundeskanzler hat sich mit einigem beschäftigt, was ich hier namens meiner Fraktion vorgetragen hatte. Ich meine — ohne dies vertiefen zu wollen —, die Kritik der Opposition kann auch in diesem Falle der deutschen Position nützen. Prüfen Sie sie sachlich und gründlich, und vielleicht finden Sie einiges, was Sie bei solcher sachlichen und gründlichen Prüfung anders beurteilen als jetzt in der Hitze des Gefechts.
Ich will hier auch nicht vertiefen, was über die Kompetenz der Nationalversammlung gesagt worden ist. Unser Standpunkt ist ernsthaft dargelegt worden, und er ist aus ernster Sorge geboren. Sie müssen sich, wenn Sie eine andere Auffassung haben, mit ihm auseinandersetzen. Das kann aber doch nicht Anlaß zu einer Polemik sein, die jenseits sachlicher Auseinandersetzungen liegt. Unserer Auffassung nach entsteht die Einheit aus elementarem Recht. Unserer Auffassung nach enthält der Art. 146 des Grundgesetzes die Aufforderung an alle Deutschen — die wir lebendig machen und zu einem politischen Faktor machen müssen —, für die Einheit zu wirken. Das ist unser Standpunkt.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat hier über das gesprochen, was ich in dem Zusammenhang von Verdächtigungen gesagt habe. Ich stelle nur fest: das bezog sich nicht einfach oder, wenn Sie wollen, gar nicht auf das, was sich gestern hier ereignet hat. Wenn Sie die Rede
nachlesen, werden Sie finden, daß das andere Zusammenhange hatte. Aber weil dieser Zusammenhang hier in die Debatte hineingebracht worden ist, möchte ich feststellen, daß das Abrücken der sozialdemokratischen Fraktion von der gestrigen Rede des Abgeordneten Dr. Luetkens allein durch den Widerspruch bestimmt war, der in dieser Rede gegen die erklärte Politik der Sozialdemokratischen Partei enthalten war. Hier liegt der einzige Grund. Die Haltung des Bundeskanzlers und der anderen Parteien hat dabei für die Sozialdemokratie keine Rolle gespielt.
Der Herr Bundeskanzler ist leider mit keinem Wort auf das eingegangen, was ich über den „Rheinischen Merkur" und die darin enthaltenen Ausführungen gesagt habe. Ich stelle das hier mit Bedauern fest.
Zu der Erklärung, daß nicht angesagt gewesen sei, heute die Wahlordnung zu behandeln, stelle ich lediglich sachlich fest — das ist kein Streitgegenstand —, daß der Herr Bundesminister Kaiser und sein Staatssekretär im Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen dies in Aussicht gestellt hatten. Wenn sich das später geändert hat, so ist das also eine Angelegenheit auf anderer Ebene.
Zum Schluß darf ich vielleicht trotz des Lärms, der zur Zeit in diesem Hause herrscht, noch eine Feststellung treffen. Sie betrifft das, was der Bundeskanzler über einen Irrtum meinerseits, wie er meinte, bezüglich des hier am 27. September gefaßten Beschlusses gesagt hat. Ich hatte diesen Beschluß zitiert und will mir erlauben, noch einmal einige Sätze daraus wiederzugeben. Es heißt unter Punkt 2 des Beschlusses — Sie finden ihn als Antrag auf Drucksache Nr. 2596 -:
Um dieses Ziel
— das in Punkt 1 behandelt wird —
zu fördern, wird die Bundesregierung ersucht: an die Regierungen der vier Besatzungsmächte die Aufforderung zu richten, dem deutschen Volk baldigst Gelegenheit zu geben, in freien, allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlen unter internationaler Kontrolle eine verfassungs- und gesetzgebende sowie regierungsbildende und kontrollierende Nationalversammlung für das Gebiet der vier Besatzungszonen und Berlin zu wählen.
Das war der Beschluß, der gefaßt worden ist. Der Herr Bundeskanzler, der gesagt hatte, ich irrte mich, ein solcher Beschluß sei nicht gefaßt worden, und es sei auch nicht ratsam, auf ihn zu pochen, hat mir nachträglich schriftlich mitgeteilt, daß er mich eben mißverstanden habe; denn Ziffer 1 des Beschlusses des Bundestags, sei den Hohen Kommissaren tatsächlich übermittelt worden; es liege aber eine Antwort hierauf noch nicht vor.
Das, meine Damen und Herren, zu diesen Feststellungen. Ich sage noch einmal: Prüfen Sie sachlich die Stellungnahme auch der Opposition! Vielleicht finden Sie einiges, was des Nachdenkens wert ist.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Euler.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße sehr die sehr maßvollen Erklärungen, die eben der Kollege Wehner abgegeben hat.
Es ist aber bei der Selbstprüfung, in die offensichtlich die Sozialdemokratie eingetreten ist,
sehr nützlich, darauf hinzuweisen, daß das, was vorhin der Kollege von Rechenberg ausgeführt hat, seinen sehr ernsten Grund findet in all den Erklärungen äußerster Negation, die Herr Dr. Schumacher seit dem Tage laufend abgegeben hat, an dem die Debatte über das Petersberg-Abkommen zu dem Zwischenruf führte: „Bundeskanzler der Alliierten!". Seitdem war an Versuchen der Einreihung Deutschlands in die Welt der freien Völker nichts zu verwirklichen, was nicht von Herrn Dr. Schumacher mit den extremsten Kritiken ausgestattet wurde. Ob man an das denkt, was er damals sagte, als wir über den Beitritt zum Europarat zu entscheiden hatten, ob man an seine Erklärungen über den Schumanplan denkt — „Verlängerung des Besatzungsstatuts auf 40 Jahre", „Verewigung des Besatzungsstatuts", „Kolonialstatut" —, an seine Erklärungen zum Washingtoner Abkommen — „es bietet keine Grundlage" — es ist eine einzige Reihe äußerst radikal geprägter Negativismen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie, Sie übersehen dabei die eine Kleinigkeit: mit ständiger Verneinung in Worten und in Taten ist die Vertrauensgrundlage nicht zu schaffen, ohne die eine europäische Politik zur Stärkung der Freiheit und des Rechts und zur Stärkung der Welt, die diese Ideale vertritt, nicht möglich ist.
Das hat sehr dazu beigetragen, die Sorgen der verantwortlich denkenden Menschen in unserem Volk zu vergrößern und im Ausland der sozialdemokratischen Politik jene entschiedene Kritik einzutragen, die wir uns im Interesse der Entwicklung unserer Einreihung in die Welt der freien Völker nicht wünschen können.
Aus den letzten Tagen nur eine Stimme, die der Basler „Nationalzeitung"; das ist ein sozialdemokratisches Blatt,
ein Blatt, das bisher
für die Innen- und Außenpolitik der deutschen Sozialdemokratie
außerordentliches Verständnis gehabt hat.
Dr. Schumacher
— schreibt die „Nationalzeitung" —
spielt die Rolle eines oppositionellen Nebenregierungschefs. Jedesmal, wenn der Bundeskanzler irgendwo gesprochen hat, spricht nachher der sozialdemokratische Parteiführer und bringt die ihm notwendig erscheinenden Korrekturen an.
Herr Abgeordneter Euler, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich bin gleich fertig mit diesem Zitat.
Herr Dr. Schumacher verlangt immer mehr und stets zuviel. Er fördert damit die europäische Integration in keiner Weise und zerschlägt das dünne, zerbrechliche Porzellan, das Adenauer herstellt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Tillmanns.
Meine Damen und Herren! Zu den beiden Anträgen der kommunistischen Fraktion, dem Antrag Drucksache Nr. 2656 betreffend die Einstellung der zwischen der Bundesregierung und den Hohen Kommissaren geführten Verhandlungen, und zu dem Antrag Umdruck Nr. 336, betreffend Wahl einer Vertretung des Bundestags für die gesamtdeutsche Beratung, habe ich namens der Fraktionen der Regierungskoalition zu erklären, daß wir beide Anträge ablehnen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen nun zur Abstimmung. Es liegt vor einmal der Antrag der Fraktion der KPD — Umdruck Nr. 336 —, der im Zusammenhang mit der Erklärung der Bundesregierung steht. Von Herrn Abgeordneten Wehner ist dazu Ausschußüberweisung beantragt. Ich habe also zunächst über den Überweisungsantrag abstimmen zu lassen. Ich bitte diejenigen, die der Überweisung zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegen- probe. — Letzteres ist die Mehrheit; der Antrag auf Überweisung ist abgelehnt.
Ich muß also nunmehr den Antrag unmittelbar zur Abstimmung stellen. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist gegen wenige Stimmen abgelehnt.
Wir kommen nun zu dem Antrag auf Drucksache Nr. 2656. Dazu ist auch Ausschußüberweisung von Herrn Abgeordneten Wehner beantragt.
— Nicht? Dann lasse ich unmittelbar abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen. die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist von einer überwiegenden Mehrheit abgelehnt.
Damit kommen wir zu Punkt 18 der Tagesordnung:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse .
Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Mit diesem Antrag sollte auch der Antrag der SPD unter Punkt 14 der Tagesordnung betreffend Erhöhung aller Unfallrenten überwiesen werden, und zwar an den Ausschuß für Arbeit. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 19:
Beratung der Übersicht Nr. 39 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen .
Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende der Sitzung. Ich berufe die nächste, die 170. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 24. Oktober 1951, 13 Uhr 30, ein.
Ich schließe die 169. Sitzung des Deutschen Bundestages.