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ID0116906700

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    Deutscher Bundestag — 169. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Oktober 1951 6955 169. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 17. Oktober 1951. Geschäftliche Mitteilungen 6956B Anfrage Nr. 205 der Fraktion der SPD betr. Fall Platow (Nm. 2552, 2695 der Drucksachen) 6956B Änderungen der Tagesordnung 6956B Dr. Gerstenmaier (CDU) 6956C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit (Nr. 2658 der Drucksachen) 6956C Dr. Jaeger (CSU), Berichterstatter 6956D Beschlußfassung 6957C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Nr. 2659 der Drucksachen) 6957C, 6967A Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter . . 6967A Arndgen (CDU) 6969D Beschlußfassung 6969D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (Nr. 2627 der Drucksachen) 6957C Dr. Wellhausen (FDP), Berichterstatter 6957D Beschlußfassung 6958C Mitteilung betr. Vorlage des Berichts der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein 6958D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Steuerberechtigung und die Zerlegung bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer (Zerlegungsgesetz) (Nr. 2644 der Drucksachen) 6959A Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . 6959A Ausschußüberweisung 6959B Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Juni 1949 (Nr. 2639 der Drucksachen) 6959B Brandt (SPD), Antragsteller 6959B, 6961C Dr. Krone (CDU) 6960B Dr. Reif (FDP) 6960C Gundelach (KPD) 6960D Ewers (DP) 6961A Ausschußüberweisung 6962A Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über Leistungen aus vor der Währungsreform eingegangenen Renten-und Pensionsversicherungen vom 11. Juni 1951 (Nr. 2640 der Drucksachen) 6962A Ausschußüberweisung 6962A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln (Getreidegesetz) (Nr. 2449 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Nr. 2685 der Drucksachen) 6962B Dr. Horlacher (CSU): als Berichterstatter 6962B als Abgeordneter 6965A a Kriedemann (SPD) . . . . 6963D, 6965D Dannemann (FDP) 6965C Dr. Niklas, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 6966B Abstimmungen 6966C Beratung des Antrags der Abg. Dr. Ott u Gen. betr. Protest gegen die Zwangsumsiedlung in Rumänien (Nr. 2645 der Drucksachen) 6970A Dr. Ott (BHE-DG), Antragsteller . 6970A Dr. Gerstenmaier (CDU) . . 6971C, 6975D Dr. Trischler (FDP) 6972C Renner (KPD) 6973D Paul (Württemberg) (SPD) 6975B Ausschußüberweisung 6976C Besprechung der Erklärung der Bundesregierung (betr. Ergebnis der von der Bundesregierung bei den Alliierten unternommenen Schritte wegen Wiederherstellung der deutschen Einheit und gesamtdeutschen Wahlen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Einstellung der zwischen der Bundesregierung und den Hohen Kommissaren geführten Verhandlungen wegen der Durchführung der Washingtoner Beschlüsse i (Nr. 2656 der Drucksachen; Umdruck Nr. 336) 6976C Tillmanns (CDU) 6976D, 6995C Wehner (SPD) 6978B, 6993D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . . 6981C Dr. von Merkatz (DP) 6982B Reimann (KPD) 6983D Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP) 6986B Fisch (KPD) 6988B Frau Wessel (Z) 6990B von Thadden (Fraktionsios) 6991D Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 6992C Tichi (BHE-DG) 6993A Euler (FDP) 6995A Abstimmungen 6995D Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 328) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Erhöhung aller Unfallrenten (Nr. 2622 der Drucksachen) 6996A Beschlußfassung 6996A Beratung der Übersicht Nr. 39 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 325) 6996C Beschlußfassung 6996C Nächste Sitzung 6996C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Robert Tillmanns


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde begrüßen die gestrige Erklärung der Bundesregierung zur Frage der Wiederherstellung der deutschen Einheit mit größter Genugtuung. Die Note der Hohen Kommissare ist unseres Erachtens ein Dokument von entscheidender politischer Bedeutung. Denn sie zeigt, daß Bundestag und Bundesregierung in ihrer gemeinsamen entschlossenen Politik, die deutsche Einheit in Freiheit zu verwirklichen, auf dem richtigen Wege sind. Ich kann nur der dringenden Hoffnung Ausdruck geben, daß die große Gemeinsamkeit, die in dieser Grundfrage des deutschen Schicksals bisher in diesem Hause gewaltet hat, auch weiterhin bestehen bleiben möge.
    Die Bedeutung der Note der Hohen Kommissare liegt vor allem darin, daß die drei Westmächte sich erneut feierlich zur Wiedervereinigung Deutschlands bekennen und daß sie unsere Forderung, daß freie gesamtdeutsche Wahlen der erste Schritt zur Wiedervereinigung sind, zu ihrer eigenen machen.

    (Vizepräsident Dr. Schmid übernimmt den Vorsitz.)

    Sie bejahen diese Wahlen, sobald die Wiedervereinigung auf Grund demokratischer Richtlinien stattfindet und die Schaffung eines freien Deutschlands gesichert ist. Diese Voraussetzung ist auch unsere eigene. Sie deckt sich mit allen bisherigen Erklärungen von Bundestag und Bundesregierung, daß die Wiedervereinigung nur in freier Willensentscheidung des deutschen Volkes erfolgen kann, d. h. daß sie unter keinen Umständen zur Unterwerfung unseres Volkes unter einen fremden Machtwillen führen darf. Das ist nicht nur die Forderung des deutschen Volkes in der Bundesrepublik, sondern in noch viel stärkerem Maße die Forderung aller Deutschen in der Sowjetzone. Wir


    (Dr. Tillmanns)

    sprechen vor allem in ihrem Namen — da sie nicht selbst sprechen können —, wenn wir auf der unabdingbaren Freiheit der Wahlen, ihrer Vorbereitung und Durchführung bestehen und wenn Wir klare Garantien für die Respektierung des bekundeten Volkswillens verlangen.
    Wir bekennen uns damit zu den Grundlagen der freien Welt. Unser Volk gehört nun einmal nach seiner Geschichte und Kultur zu dieser freien Welt, zu Europa. Deshalb gibt es nur einen Weg der Wiedervereinigung, nämlich die Einbeziehung ganz Deutschlands — und dieses Deutschland endet nicht an der Oder-Neiße-Linie — in ein freies Europa. Das ist der Sinn des ersten Satzes der Regierungserklärung vom 27. September 1951, dem wir mit großer Mehrheit hier zugestimmt haben, nämlich des Satzes: „Oberstes Ziel der Politik der Bundesrepublik ist die Wiedervereinigung Deutschlands in einem freien und geeinten Europa". Damit ist gesagt, daß deutsche Einheit und Vereinigung Europas keine Gegensätze, sondern ein und dasselbe bedeuten. Es gibt Deutschland nicht ohne oder gar außerhalb Europas, und es gibt kein Europa ohne ganz Deutschland.
    Es mag sein, daß diese Einsicht noch umkämpft ist, daß vor allem auch bei unseren westlichen Nachbarn aus der Vergangenheit her noch Hemmungen lebendig sind, die sich einer solchen Einsicht entgegenstellen. Man ist dort gelegentlich noch geneigt, in diesem Einheitswillen unseres Volkes den Ausdruck einer Art nationalistischen Strebens zu sehen. Ach nein, meine Damen und Herren, für die 18 Millionen Deutschen in der Sowjetzone ist ihr Wille zu Deutschland nichts anderes als ein ganz einfacher Wille, endlich einmal wieder leben zu können, existieren zu können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Sie haben erfahren, daß die freiheitliche und soziale Ordnung in Staat und Gesellschaft wirklich ein unverzichtbarer Wert unserer menschlichen Existenz ist; und sie werden einst, wenn sie wieder mit uns in Freiheit vereinigt sind, wahrscheinlich bessere Europäer sein als manche, die weiter im Westen wohnen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Das Deutschland, das die bolschewistische Diktatur kennengelernt hat, ist nicht etwa eine schwache Stelle oder eine Einbruchsstelle für totalitäre Mächte in Europa, sondern es wird das stärkste Bollwerk der Freiheit dieses Kontinents sein. Wir stellen mit Genugtuung fest, daß der letzte Kongreß der Europa-Bewegung in Hamburg diese Einsicht bereits feierlich bekundet hat.
    Niemand sollte in den Fehler zurückfallen, anzunehmen — es klang gestern etwas Ähnliches an —, wenn wir von Europa sprechen, könne die Spaltung oder die Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands gemeint sein oder unser Streben zur Einheit Deutschlands bedeute den Verzicht auf Europa. Die Koordinierung, das Zusammenwirken dieser beiden großen Grundanliegen scheint uns schlechthin die Aufgabe aller deutschen Politik zu sein. Wir begrüßen deshalb die Erklärung der Alliierten, daß auch sie die Wiederherstellung der deutschen Einheit in diesem Sinne wollen, als einen großen Erfolg der Politik der Bundesregierung.
    Nicht weniger bedeutsam erscheint uns die Antwort der Alliierten auf den Antrag der Bundesregierung, eine internationale Untersuchung darüber zu veranlassen, ob in allen Teilen Deutschlands die Voraussetzungen für freie Wahlen gegeben sind. Sie lautet: die drei Regierungen werden bei erster passender Gelegenheit den Vereinten Nationen vorschlagen, daß diese eine solche Untersuchung vornehmen, die sich auf das ganze deutsche Gebiet erstreckt. Der Herr Bundeskanzler hat gestern bereits ausgesprochen, daß damit die Frage, ob freie Wahlen überhaupt möglich sind, ob die Voraussetzungen dafür wirklich vorhanden sind, endlich an die richtige Stelle gerichtet ist, nämlich an die Regierung der Sowjetunion. Vor den Vereinten Nationen wird sie sich eindeutig erklären müssen, und damit, meine Damen und Herren, wird der Nebel zerrissen, den die Machthaber der Sowjetzone bisher geflissentlich mit ihrer Forderung nach gesamtdeutschen Beratungen verbreitet haben. Sie haben dadurch den Eindruck zu erwecken versucht, als hätten wir Deutsche etwas miteinander zu verhandeln oder gar in dieser Frage Differenzen zu beseitigen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Nein, zwischen den Deutschen hüben und drüben bestehen in der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands und der freien Wahlen keine Meinungsverschiedenheiten.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr richtig!)

    Wir sind uns darüber einig, daß eine solche Vereinigung nur in einer freien politischen Ordnung erfolgen kann. Außerdem ist Herr Grotewohl nicht der Sprecher des deutschen Volkes in der Sowjetzone.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wenn er spricht, dann spricht er im Auftrage einer auswärtigen Macht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.) Gesamtdeutsche Beratungen mit diesem Partner würden praktisch schon — von der östlichen Seite her — ein Gespräch auf internationaler Ebene und nicht auf deutscher Ebene sein.


    (Zustimmung in der Mitte.)

    Deswegen halten wir an der Ablehnung solcher Beratungen fest. Es ist viel richtiger, daß nicht mit dem Beauftragten, sondern mit dem Auftraggeber selbst verhandelt wird. Wir begrüßen es daher, daß die Sowjetunion nun vor den Vereinten Nationen selber wird erklären müssen, was sie eigentlich in bezug auf die Wiedervereinigung Deutschlands will.
    Mir scheint, der Bundestag hat keinen Anlaß, von seinen früheren Beschlüssen in dieser Frage, insbesondere von den Beschlüssen vom 27. September dieses Jahres abzugehen.

    (Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!)

    Wir haben unseren ernsten Willen, alle Voraussetzungen für die Abhaltung freier Wahlen zu klären, dadurch bekundet, daß wir die Grundzüge einer Wahlordnung ausgearbeitet haben. Die ausweichende Antwort, die Grotewohl gerade zu diesem Punkte unserer Beschlüsse gegeben hat, zeigt am deutlichsten, in welcher Verlegenheit er sich befindet. Wir haben nur den Wunsch, daß die Regierung den Entwurf der Wahlordnung möglichst bald hier vorlegen möge.
    Zu den anderen Beschlüssen und zu dem übrigen Inhalt der Erklärung der Bundesregierung hat Herr Grotewohl überhaupt geschwiegen. Er hat geschwiegen zu dem Vorschlag einer internationalen Untersuchung in ganz Deutschland, und er hat sich auch wiederum völlig ausgeschwiegen zu der schon wiederholt erhobenen Forderung, daß doch endlich einmal in Berlin, wo sämtliche recht-


    (Dr, Tillmanns)

    lichen Voraussetzungen für die Veranstaltung von freien Wahlen gegeben sind, ein Anfang gemacht werden möge, damit diejenigen, die so viel von der Wiedervereinigung sprechen, einmal beweisen können, daß es ihnen wirklich ernst ist. Statt dessen haben die jüngsten Erklärungen Grotewohls nun wieder Beratungen in den Vordergrund geschoben. Man bemüht sich, das von uns erzwungene Thema der freien Wahlen wieder in den Hintergrund zu drängen und statt dessen voraussetzungslose Beratungen, deren Ziele uns ja nur zu bekannt sind, in den Vordergrund zu schieben. Es ist bezeichnend, daß in dem Augenblick, in dem Herr Grotewohl diese Beratungen verlangt hat, auch ein Antrag der Fraktion der Kommunistischen Partei hier in diesem Hause vorgelegt wird, der dasselbe verlangt.
    Darüber hinaus hat Herr Grotewohl nunmehr deutlich erkennen lassen, auf was es ihm eigentlich ankommt. Er hat die Forderung erhoben bzw. erheben lassen, daß die Bundesregierung möglichst sofort die Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren über die Ablösung des Besatzungsstatuts abbrechen möge. Schon im Gesamtdeutschen Ausschuß dieses Hauses ist in dieser Frage einmütig der Standpunkt eingenommen worden, daß die Führung solcher Verhandlungen zur selbstverständlichen Pflicht und zum selbstverständlichen Recht der Bundesregierung gehört. Herr Grotewohl will eben vor allem die Einigung Europas stören.
    Wie sehr es ihm um die Erreichung dieses Zieles zu tun ist, geht aus der Drucksache Nr. 2656, dem Antrag der Fraktion der KPD, hervor, der ebenfalls die Einstellung der zwischen der Bundesregierung und den Hohen Kommissaren geführten Verhandlungen wegen der Durchführung der Washingtoner Beschlüsse verlangt. Ich weiß nicht, ob dieser Antrag der kommunistischen Fraktion nicht etwas voreilig gewesen ist. Inzwischen hat nämlich Herr Pieck drüben erklärt, es sei ja gar nicht so ernst gewesen mit diesem Verlangen. Er hat wohl gemerkt, daß man damit voreilig die Katze aus dem Sack gelassen hat, und möchte sie nun geschwind wieder hineinstecken. Bis zur kommunistischen Fraktion scheint diese neue Linie noch nicht durchgedrungen zu sein.

    (Heiterkeit.)

    Sonst hätte sie voraussichtlich diesen Antrag zurückgezogen. Nachdem sie das nicht getan hat,
    bleibt uns nichts anderes übrig, als ihn abzulehnen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wir bleiben dabei, daß wir uns in der großen Aufgabe, in einem gemeinsamen Europa ein einiges Deutschland wiederherzustellen, am allerwenigsten von denen drüben im Osten stören lassen werden. Es bleibt unser gemeinsames Ziel: ein einiges Deutschland in einem freien und geeinten Europa!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner gestrigen Mitteilung dem Bundestag die Antwort der Alliierten Hohen Kommission vom 15. Oktober auf die Note der Bundesregierung vom 4. Oktober vorgetragen. Er hat außerdem mitgeteilt, daß der in der Regierungserklärung vom 27. September angekündigte und in den Grundzügen umrissene Vorschlag einer Wahlordnung für freie, allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlen unter internationaler Kontrolle im Gebiet der vier BeSatzungszonen und Berlins ausgearbeitet werde, um Bundestag und Bundesrat vorgelegt zu werden.
    Die sozialdemokratische Fraktion begrüßt jeden Schritt im Sinne der Beschlüsse des Bundestages vom 27. September, der nach vorn trägt und der das Gesetz des Handelns in den Händen der deutschen Demokratie sichert. Sie erwartet von der Bundesregierung, daß sie, die in ihrer Erklärung vom 27. September die Wiederherstellung der deutschen Einheit als das oberste Ziel ihrer Politik bezeichnete, alles tut, um dem Willen des ganzen deutschen Volkes zur Wiedervereinigung in einem freien Rechtsstaat stets klar Ausdruck zu geben. Dieser Wille zur deutschen Einheit muß in der Innen- und Außenpolitik zum bestimmenden Faktor werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Deshalb bedauert es die sozialdemokratische Fraktion, daß Sie, Herr Bundeskanzler, gestern Ihre Erklärung dem Bundestag in einer Weise vorgetragen haben, die der zentralen Bedeutung des Problems der deutschen Einheit nicht gerecht wurde.

    (Zurufe von der Mitte: Nanu!)

    Nach der Auffasung der sozialdemokratischen Fraktion verpflichten sowohl der Wortlaut der Beschlüsse vom 27. September als auch der Geist, der sie erfüllt, zu einer besonders deutlichen Demonstration der Rolle des frei gewählten Deutschen Bundestages als des Trägers des deutschen Einheitswillens, und von der Bundesregierung wird erwartet, daß sie gerade in der zentralen Frage der deutschen Politik die Stellung der parlamentarischen Opposition respektiere. Wenn, Herr Bundeskanzler, statt dessen der Versuch gemacht wird, die Grundhaltung der Sozialdemokratischen Partei in Zweifel zu ziehen und gar zu verdächtigen, dann läuft das - gleichgültig, welche Beweggründe maßgebend sein mögen — auf eine Schwächung des Fundamentes hinaus, von dem aus Stein für Stein zum Gebäude der deutschen Einheit gefügt werden muß. Es kann und es wird nicht ohne ernste Meinungsverschiedenheiten im Ringen um Deutschlands Wiedervereinigung abgehen. Sie sind unvermeidlich, sie können sogar fruchtbar sein. Aber auf keinen Fall kann diesem grundlegenden Anliegen des ganzen deutschen Volkes damit gedient werden, daß es für polemische Finessen ausgenutzt wird.

    (Lebhafte Zurufe von den Regierungsparteien: Hört! Hört! — Das ist doch unerhört! — Unruhe.)

    Lassen Sie uns alle an unsere Verantwortung vor dem deutschen Volke denken! Lassen Sie uns nicht vergessen, was viele hunderttausend junger Menschen im August dieses Jahres in Berlin stellvertretend für die leidgeprüfte Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone uns fragten, nämlich: Was tut ihr für die Verwirklichung der Einheit Deutschlands?! Lassen Sie uns auch daran denken, daß wir in dieser Hinsicht den uns von keiner Seite abzunehmenden Beitrag zur friedlichen Zusammenarbeit der Nationen Europas und der Welt zu leisten haben.

    (Sehr richtig! und Beifall bei der SPD.)

    Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, besorgt sein sollten, es könnten außerhalb Deutschlands Mißverständnisse und gar Mißtrauen hinsichtlich der deutschen Stellungnahme zur großen Auseinandersetzung um Freiheit oder Knechtschaft entstehen,


    (Wehner)

    so, bitte, grenzen Sie sich von Ausführungen ab, wie wir sie in dem Ihnen doch gewiß nicht fernstehenden Blatt „Rheinischer Merkur" gefunden haben, die in den Artikeln „Der deutsche Januskopf" und „Die Versuchung" darauf hinauslaufen, Verdächtigungen zu starten. Darin wird die Sozialdemokratische Partei bezichtigt, das Spiel des Herrn Grotewohl zu spielen.

    (Zuruf von der SPD: Das ist ja unerhört! — Unruhe.)

    Aber, meine Damen und Herren, darin wird auch der nichtsozialdemokratische Teil des Bundestages beschuldigt, einem, wie es heißt, „gesamtdeutschen Elend" zuzusteuern, nur deshalb, weil dieser Bundestag am 27. September Beschlüsse gefaßt hat, die der Verwirklichung der Einheit Deutschlands durch freie Wahlen in allen vier Zonen und in Berlin unter internationaler Kontrolle und gleichen Bedingungen dienen. Was würden Sie, meine Damen und Herren von der Christlich-Demokratischen Union, sagen, wenn Ihnen unterstellt würde, durch die Propagierung solcher Gedankengänge werde der Versuch gemacht, die Beschlüsse des Bundestages vom 27. September, die doch ein Ganzes darstellen, zu torpedieren? Sie haben gesehen, daß die sozialdemokratische Fraktion sich gegen jede Verzerrung der Grundlinie ihrer Politik, die sie vor dem ganzen Volke vertritt, rücksichtslos abgrenzt. Es wäre recht und billig, wenn der Herr Bundeskanzler und die CDU das im Hinblick auf solche Verdächtigungen ebenfalls täten.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Am 27. September beschloß der Deutsche Bundestag:
    1. Die vordringlichste politische Forderung des ganzen deutschen Volkes und seiner frei gewählten Vertretung, des Deutschen Bundestages, ist es, die Einheit Deutschlands in Freiheit mit friedlichen Mitteln wiederherzustellen.
    2. Um dieses Ziel zu fördern, wird die Bundesregierung ersucht,
    a) an die Regierungen der vier Besatzungsmächte die Aufforderung zu richten, dem deutschen Volk baldigst Gelegenheit zu geben, in allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlen unter internationaler Kontrolle eine verfassung- und gesetzgebende sowie regierungsbildende und -kontrollierende Nationalversammlung für das Gebiet der vier Besatzungszonen und Berlins zu wählen,
    b) bis spätestens 15. Oktober dem Bundestag in einer Regierungserklärung Bericht über die Stellungnahme der Besatzungsmächte zu erstatten,
    c) unverzüglich in einem Weißbuch die Dokumente zu veröffentlichen, die Aufschluß über die Bemühungen um die Herstellung der deutschen Einheit geben.
    Meine Damen und Herren, der Text dieses Beschlusses entspricht Wort für Wort dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion.
    Der Deutsche Bundestag hat ferner am 27. September beschlossen:
    Freie Wahlen in allen Sektoren Berlins sind der Anfang der Verwirklichung der deutschen Einheit.
    Der Bundestag begrüßt die Initiative, die Senat und Abgeordnetenhaus in Berlin für freie Wahlen in allen Sektoren auf der Grundlage der Wahlordnung von 1946 ergriffen haben. Freie Wahlen in allen Sektoren Berlins sind sofort durchführbar. Es bedarf lediglich eines Beschlusses der vier Besatzungsmächte, damit sie unter den bei den Berliner Wahlen vom Oktober 1946 erprobten Voraus- setzungen ausgeschrieben werden und stattfinden können.
    Auch dieser Beschluß, meine Damen und Herren, ist das Ergebnis des entsprechenden Antrags der sozialdemokratischen Fraktion. Der Bundestag billigte am 27. September mit den Stimmen der sozialdemokratischen Fraktion die Regierungserklärung, deren Kernstück die Ankündigung einer Wahlordnung bildete, die, wie vielen von Ihnen bekannt sein wird, von einem Kreis von Juristen und Politikern entworfen wurde, an dem Sozialdemokraten maßgeblich beteiligt waren. Ich darf Sie daran erinnern, daß unter Punkt 2 der am 25. September von der Sozialdemokratischen Partei veröffentlichten Erklärung, daß die SPD-Fraktion nach Prüfung des Appells der sowjetzonalen Volkskammer die folgenden Schritte für notwendig halte, die Forderung nach der Annahme einer solchen Wahlordnung aufgeführt ist.
    Gestern hat uns nun der Herr Bundeskanzler den Text des Schreibens der Alliierten Hohen Kommission vom 15. Oktober vorgetragen. Die Alliierten Hohen Kommissare teilen im Auftrag ihrer Regierungen mit, daß die drei Regierungen
    — die, wie betont wird, „stets die Wiedervereinigung Deutschlands unterstützt haben und unterstützen werden, sobald sie nach demokratischen Grundsätzen stattfinden kann, welche die Schaffung eines freien Deutschlands sichern, das imstande ist, seine Rolle bei der friedlichen Vereinigung freier europäischer Nationen zu spielen"
    — nunmehr von neuem den Gedanken einer Wahl unterstützen. Die Alliierten Hohen Kommissare erinnern daran, daß sie am 26. Mai 1950 und am 10. Oktober 1950 an General Tschuikow geschrieben haben; ferner erinnern sie daran, daß die drei Außenminister am 14. Mai 1950 in London, am 14. September 1950 in New York entsprechende Erklärungen abgegeben haben. Sie verweisen auf Vorschläge, die am 5. März dieses Jahres von den Stellvertretern der Außenminister der drei Mächte auf der Pariser Konferenz gemacht wurden.
    Wir vermissen in diesem Schreiben der Alliierten Hohen Kommissare den ausdrücklichen Hinweis darauf, daß j et z t durch einen entsprechenden Schritt die sowjetische Besatzungsmacht von den in der Note der Bundesregierung vom 4. dieses Monats dargelegten Vorschlägen unterrichtet werde.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Widerspruch in der Mitte.)

    Meine politischen Freunde erwarten von der
    Bundesregierung, daß sie die Alliierte Hohe Kommission um eine ergänzende Klarstellung ersucht.
    Im Schreiben der Alliierten Hohen Kommission wird auf den Vorschlag der Bundesregierung Bezug genommen, durch eine neutrale internationale Kommission unter Kontrolle der Vereinten Nationen in der sowjetischen Besatzungszone und bei uns untersuchen zu lassen — ich zitiere —,
    inwieweit die bestehenden Verhältnisse die
    Abhaltung freier Wahlen ermöglichen.
    Im Schreiben der Hohen Kommissare heißt es:
    Die drei Regierungen hegen den Wunsch,
    Ihnen mitzuteilen, daß sie bei der ersten sich
    bietenden Gelegenheit Ihre Auffassung den


    (Wehner)

    Vereinten Nationen unterbreiten und den Antrag stellen werden, daß die Vereinten Nationen eine Untersuchung durchführen, die sich auf das ganze deutsche Gebiet erstreckt.
    Dann heißt es weiter:
    Die drei Regierungen sind zu der Auffassung gelangt, daß nur durch solche Maßnahmen zweckmäßig und zufriedenstellend festgestellt werden kann, ob im gesamten Gebiet Deutschlands Voraussetzungen vorliegen, welche die Abhaltung allgemeiner Wahlen als praktisch durchführbar erscheinen lassen.
    Wir wünschen an dieser Stelle festzustellen — um alle Mißverständnisse auszuschalten —, daß es dem Deutschen Bundestag darauf ankommt, den vier Besatzungsmächten den Willen und die Bereitschaft des Bundestages zur Durchführung freier, allgemeiner, gleicher und direkter Wahlen in den vier Zonen und Berlin unter internationaler Kontrolle zu unterbreiten. In unserem Beschluß sprechen wir ja von der „vordringlichsten politischen Forderung des ganzen deutschen Volkes".

    (Abg. Dr. Schumacher: Sehr gut!)

    Wir begrüßen es, daß die drei Regierungen unser Anliegen und unseren Vorschlag vor die Vereinten Nationen bringen wollen. Wir unterstreichen, daß es uns auf praktische Schritte ankommt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Praktische Schritte, meine Damen und Herren, das ist auch unser Stichwort zu den jüngsten Erklärungen der sowjetzonalen Volkskammer und ihrer Sprecher. Wir vermissen in ihnen eine klare Stellungnahme zu den positiven Vorschlägen, die Bundestag und Bundesregierung am 27. September beschlossen haben.

    (Abg. Dr. Schumacher: Sehr richtig!)

    Ein, wie es heißt, „Friedensvertrag" ist doch nicht von den Deutschen zu erörtern oder gar zu erzwingen. Auf die angebliche Bedeutung gerade solcher Erörterungen hat aber Herr Grotewohl das Schwergewicht seiner jüngsten Ausführungen verlegt. Sogar der Präsident der sowjetzonalen Volkskammer, Herr Dieckmann, hat zugegeben, daß die sogenannte gesamtdeutsche Beratung nicht umhin können werde, sich schließlich an die Regierungen der Besatzungsmächte zu wenden. Er meinte, dadurch werde dem Volk auf jeden Fall ein „Anschauungsunterricht" vermittelt. Uns kommt es nicht auf Anschauungsunterricht, sondern auf konkrete Schritte zur deutschen Einheit an!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Deshalb haben wir angeboten und wiederholen es: Freie Wahlen in allen Sektoren Berlins sind der Anfang der Verwirklichung der deutschen Einheit.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Maßgebende Sprecher der SED haben diesen Vorschlag in Parteifunktionärsversammlungen scharf polemisch behandelt. Herr Grotewohl hat ihn mit Schweigen übergangen. Die sowjetzonale Volkskammer hat sich nicht dazu geäußert. An der Stellungnahme zu diesem Vorschlag, die Einheit Berlins auf der Grundlage freier Wahlen herzustellen, können wir prüfen, welcher Grad von Wahrheitsgehalt und Willen hinter den Formeln der sowjetzonalen Volkskammer steckt.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Die sowjetzonale Volkskammer hat aber neuerdings einen Vorstoß gemacht, der den Charakter eines Ultimatums hat. Ich meine das auf Verlangen des Herrn Grotewohl an den Bundestag gestellte Ansinnen, der Bundesregierung durch einen Beschluß Verhandlungen mit den Vertretern der westlichen Besatzungsmächte zu untersagen. Allerdings hat Herr Pieck nachträglich gesagt, dieses Ansinnen müsse nicht als Bedingung betrachtet werden. Aus Parteireden muß allerdings gefolgert werden, daß diesem Ansinnen eine geradezu zentrale Bedeutung beigemessen wird. Damit erhebt sich wieder die Frage, ob es den sowjetzonalen Sprechern, ungeachtet des Freiheitswillens der Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone, nur darauf ankommt, ein neues sogenanntes „Entlarvungsmanöver" nach alter Schablone durchzuführen.
    Die Stellung der Sozialdemokratischen Partei zu den im Washingtoner Kommuniqué dargelegten konkreten Formen der europäischen Integration ist bekannt. Die Sozialdemokratische Partei hält sie für den Ausdruck eines verhängnisvollen Prinzips, dessen Folgen im Falle der Anwendung ein schwerer Mißerfolg des Gedankens der europäischen Zusammenarbeit sein würde.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Die sozialdemokratische Fraktion kann aus diesen Gründen auch unter keinen Umständen die heute veröffentlichten Darlegungen eines hohen Beamten des State Departements akzeptieren, in denen Schumanplan, Straßburger Rat und anderes als Bestandteile oder Voraussetzungen eines geeinten Europas hingestellt werden. Abgesehen davon — und darum wird in den kommenden Monaten gerungen werden, meine Damen und Herren, — soll an dieser Stelle festgestellt werden, daß es, solange Deutschland getrennt ist, eine Angelegenheit des Staatswesens ist, Verhandlungen mit den Besatzungsmächten zu führen. Es kommt auf die dabei vertretene deutsche Auffassung und auf die parlamentarische Kontrolle an.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Lassen Sie mich nun noch einiges zur Frage der angekündigten Wahlordnung sagen.

    (Abg. Euler: Was wird denn sonst vertreten, als die deutsche Auffassung?)

    — Es kommt, Herr Euler — das sagte ich ohne jede Polemik als Stellungnahme meiner Fraktion —, auf die dabei vertretene deutsche Auffassung an.

    (Sehr gut! bei der SPD und Zuruf: Das versteht Herr Euler nicht!)

    Lassen Sie mich also noch einiges zur Frage der angekündigten Wahlordnung sagen. Die sozialdemokratische Fraktion hätte gewünscht, sie wäre dem Bundestag, wie angekündigt, heute vorgelegt worden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich annehme, daß Meinungsverschiedenheiten über die Kompetenzen der Nationalversammlung die Ursache dieser Verzögerung sind.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich möchte dazu einiges Sachliche sagen.
    Im Auftrage meiner Fraktion habe ich am 27. September dargelegt, weshalb die Nationalversammlung verfassunggebend, gesetzgebend und regierungsbildend sein muß. Es handelt sich ganz einfach darum, meine Damen und Herren, ob wir die Schwierigkeiten der Übergangszeit meistern wollen oder ob wir auf Grund eigener Unzulänglichkeiten zwischen der vollzogenen Wahl und dem


    (Wehner)

    späteren Zusammentreten eines Reichstags einen Spielraum für Desperados und für die Machenschaften eines totalitären Förderalismus lassen wollen.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Lachen bei der BP.)

    — Verstehen Sie mich nicht falsch, meine Herren von der Bayernpartei! Ich bezeichne damit nicht jeden Föderalismus als totalitär. Ich sage nur, es gibt auch — und darauf wollte ich ernsthaft hingewiesen haben — eine totalitäre Spielart von Föderalismus, mit der wir uns auseinanderzusetzen haben.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Dr. von Merkatz: Das sind doch Gegensätze!)

    Sehen Sie, die Folgen solcher Unterlassungen wären unserer Meinung nach schwerstwiegend. Mein Parteifreund Dr. Kurt Schumacher hat schon vor Jahren gesagt: „Im Falle der deutschen Einheit sind die Kommunisten die Föderalisten der Zukunft." Die Grundlage der deutschen Politik, meine Damen und Herren, ist doch die Durchsetzung der Demokratie. Dies ist das Prinzip, dem alles unterzuordnen ist. In und mit den einzelnen juristischen Vorschriften des Grundgesetzes ist die deutsche Einheit nicht schon einfach geregelt. Ich bitte Sie um Aufmerksamkeit für den Bericht, den Herr Professor Schmid im Auftrage des Hauptausschusses im Parlamentarischen Rat erstattet hat und in dem es — ich zitiere nur einen Satz — heißt:
    Die echte Verfassung des deutschen Volkes wird also nicht im Wege der Abänderung dieses Grundgesetzes geschaffen werden. Sie wird originär entstehen, und nichts in diesem Grundgesetz wird die Freiheit des Gestaltungswillens unseres Volkes beschränken.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Eine Befolgung der im veröffentlichten Telegramm des Herrn bayerischen Ministerpräsidenten dargelegten Wünsche würde unseres Erachtens darauf hinauslaufen, die deutsche Einheit zu erschweren. Das ist sicher nicht der Wille des Herrn Ministerpräsidenten Ehard. Es zeugt aber davon, daß nicht nur in Bonn, sondern auch anderswo wichtige deutsche Probleme noch nicht genügend durchdacht sind. Würde die Nationalversammlung nur verfassunggebend sein dürfen, dann blieben die realen Machtfaktoren nebeneinander bestehen. Die bei freien Wahlen zurückgedrängten SED-Kräfte würden weiter einen Staatsapparat behalten, den sie auch nach der Niederlage im Sinne der Verhinderung der demokratischen Einheit des deutschen Volkes ausspielen könnten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir halten es nicht für gut, daß sich der Herr Bundeskanzler, ohne den Bundestag zu befragen, auf Wünsche solcher Art eingelassen hat.
    Auch nach den jüngsten Verlautbarungen der sowjetzonalen Volkskammer kommt es darauf an, die Sowjetunion selbst zu einer verbindlichen Erklärung zu veranlassen. Die von Herrn Grotewohl zitierten Äußerungen einer sowjetischen Zeitung, des Herrn General Tschuikow und des Leiters einer sowjetrussischen Delegation, die an den Jubiläumsfeierlichkeiten in Pankow teilnahm, gehören nicht auf diese Ebene. Die Interpretationen deutscher Staatsbürger sowjetischen Glaubens sind kein vollwertiger Ersatz. Sie werden gern und stets pompös auftreten; aber das hilft nichts.
    Wir wollen die deutsche Einhéit verwirklichen, und deshalb ist unser Wunsch nach einer Viermächtekonferenz eine nationale Notwendigkeit, ein Wunsch, der von allen Deutschen unterstützt wird. Daher haben wir bei uns alles zu tun, was in deutschen Kräften steht.
    Deshalb nochmals: Berlin ist der Anfang der Verwirklichung der deutschen Einheit. Dort kann mart es erweisen!

    (Beifall bei der SPD.)

    Zu der vorliegenden Drucksache Umdruck Nr. 336 beantrage ich namens meiner Fraktion Überweisung an den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)