Rede:
ID0116906900

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Bundeskanzler.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 169. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Oktober 1951 6955 169. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 17. Oktober 1951. Geschäftliche Mitteilungen 6956B Anfrage Nr. 205 der Fraktion der SPD betr. Fall Platow (Nm. 2552, 2695 der Drucksachen) 6956B Änderungen der Tagesordnung 6956B Dr. Gerstenmaier (CDU) 6956C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit (Nr. 2658 der Drucksachen) 6956C Dr. Jaeger (CSU), Berichterstatter 6956D Beschlußfassung 6957C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Nr. 2659 der Drucksachen) 6957C, 6967A Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter . . 6967A Arndgen (CDU) 6969D Beschlußfassung 6969D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (Nr. 2627 der Drucksachen) 6957C Dr. Wellhausen (FDP), Berichterstatter 6957D Beschlußfassung 6958C Mitteilung betr. Vorlage des Berichts der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein 6958D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Steuerberechtigung und die Zerlegung bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer (Zerlegungsgesetz) (Nr. 2644 der Drucksachen) 6959A Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . 6959A Ausschußüberweisung 6959B Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Juni 1949 (Nr. 2639 der Drucksachen) 6959B Brandt (SPD), Antragsteller 6959B, 6961C Dr. Krone (CDU) 6960B Dr. Reif (FDP) 6960C Gundelach (KPD) 6960D Ewers (DP) 6961A Ausschußüberweisung 6962A Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über Leistungen aus vor der Währungsreform eingegangenen Renten-und Pensionsversicherungen vom 11. Juni 1951 (Nr. 2640 der Drucksachen) 6962A Ausschußüberweisung 6962A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln (Getreidegesetz) (Nr. 2449 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Nr. 2685 der Drucksachen) 6962B Dr. Horlacher (CSU): als Berichterstatter 6962B als Abgeordneter 6965A a Kriedemann (SPD) . . . . 6963D, 6965D Dannemann (FDP) 6965C Dr. Niklas, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 6966B Abstimmungen 6966C Beratung des Antrags der Abg. Dr. Ott u Gen. betr. Protest gegen die Zwangsumsiedlung in Rumänien (Nr. 2645 der Drucksachen) 6970A Dr. Ott (BHE-DG), Antragsteller . 6970A Dr. Gerstenmaier (CDU) . . 6971C, 6975D Dr. Trischler (FDP) 6972C Renner (KPD) 6973D Paul (Württemberg) (SPD) 6975B Ausschußüberweisung 6976C Besprechung der Erklärung der Bundesregierung (betr. Ergebnis der von der Bundesregierung bei den Alliierten unternommenen Schritte wegen Wiederherstellung der deutschen Einheit und gesamtdeutschen Wahlen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Einstellung der zwischen der Bundesregierung und den Hohen Kommissaren geführten Verhandlungen wegen der Durchführung der Washingtoner Beschlüsse i (Nr. 2656 der Drucksachen; Umdruck Nr. 336) 6976C Tillmanns (CDU) 6976D, 6995C Wehner (SPD) 6978B, 6993D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . . 6981C Dr. von Merkatz (DP) 6982B Reimann (KPD) 6983D Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP) 6986B Fisch (KPD) 6988B Frau Wessel (Z) 6990B von Thadden (Fraktionsios) 6991D Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 6992C Tichi (BHE-DG) 6993A Euler (FDP) 6995A Abstimmungen 6995D Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 328) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Erhöhung aller Unfallrenten (Nr. 2622 der Drucksachen) 6996A Beschlußfassung 6996A Beratung der Übersicht Nr. 39 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 325) 6996C Beschlußfassung 6996C Nächste Sitzung 6996C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner gestrigen Mitteilung dem Bundestag die Antwort der Alliierten Hohen Kommission vom 15. Oktober auf die Note der Bundesregierung vom 4. Oktober vorgetragen. Er hat außerdem mitgeteilt, daß der in der Regierungserklärung vom 27. September angekündigte und in den Grundzügen umrissene Vorschlag einer Wahlordnung für freie, allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlen unter internationaler Kontrolle im Gebiet der vier BeSatzungszonen und Berlins ausgearbeitet werde, um Bundestag und Bundesrat vorgelegt zu werden.
    Die sozialdemokratische Fraktion begrüßt jeden Schritt im Sinne der Beschlüsse des Bundestages vom 27. September, der nach vorn trägt und der das Gesetz des Handelns in den Händen der deutschen Demokratie sichert. Sie erwartet von der Bundesregierung, daß sie, die in ihrer Erklärung vom 27. September die Wiederherstellung der deutschen Einheit als das oberste Ziel ihrer Politik bezeichnete, alles tut, um dem Willen des ganzen deutschen Volkes zur Wiedervereinigung in einem freien Rechtsstaat stets klar Ausdruck zu geben. Dieser Wille zur deutschen Einheit muß in der Innen- und Außenpolitik zum bestimmenden Faktor werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Deshalb bedauert es die sozialdemokratische Fraktion, daß Sie, Herr Bundeskanzler, gestern Ihre Erklärung dem Bundestag in einer Weise vorgetragen haben, die der zentralen Bedeutung des Problems der deutschen Einheit nicht gerecht wurde.

    (Zurufe von der Mitte: Nanu!)

    Nach der Auffasung der sozialdemokratischen Fraktion verpflichten sowohl der Wortlaut der Beschlüsse vom 27. September als auch der Geist, der sie erfüllt, zu einer besonders deutlichen Demonstration der Rolle des frei gewählten Deutschen Bundestages als des Trägers des deutschen Einheitswillens, und von der Bundesregierung wird erwartet, daß sie gerade in der zentralen Frage der deutschen Politik die Stellung der parlamentarischen Opposition respektiere. Wenn, Herr Bundeskanzler, statt dessen der Versuch gemacht wird, die Grundhaltung der Sozialdemokratischen Partei in Zweifel zu ziehen und gar zu verdächtigen, dann läuft das - gleichgültig, welche Beweggründe maßgebend sein mögen — auf eine Schwächung des Fundamentes hinaus, von dem aus Stein für Stein zum Gebäude der deutschen Einheit gefügt werden muß. Es kann und es wird nicht ohne ernste Meinungsverschiedenheiten im Ringen um Deutschlands Wiedervereinigung abgehen. Sie sind unvermeidlich, sie können sogar fruchtbar sein. Aber auf keinen Fall kann diesem grundlegenden Anliegen des ganzen deutschen Volkes damit gedient werden, daß es für polemische Finessen ausgenutzt wird.

    (Lebhafte Zurufe von den Regierungsparteien: Hört! Hört! — Das ist doch unerhört! — Unruhe.)

    Lassen Sie uns alle an unsere Verantwortung vor dem deutschen Volke denken! Lassen Sie uns nicht vergessen, was viele hunderttausend junger Menschen im August dieses Jahres in Berlin stellvertretend für die leidgeprüfte Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone uns fragten, nämlich: Was tut ihr für die Verwirklichung der Einheit Deutschlands?! Lassen Sie uns auch daran denken, daß wir in dieser Hinsicht den uns von keiner Seite abzunehmenden Beitrag zur friedlichen Zusammenarbeit der Nationen Europas und der Welt zu leisten haben.

    (Sehr richtig! und Beifall bei der SPD.)

    Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, besorgt sein sollten, es könnten außerhalb Deutschlands Mißverständnisse und gar Mißtrauen hinsichtlich der deutschen Stellungnahme zur großen Auseinandersetzung um Freiheit oder Knechtschaft entstehen,


    (Wehner)

    so, bitte, grenzen Sie sich von Ausführungen ab, wie wir sie in dem Ihnen doch gewiß nicht fernstehenden Blatt „Rheinischer Merkur" gefunden haben, die in den Artikeln „Der deutsche Januskopf" und „Die Versuchung" darauf hinauslaufen, Verdächtigungen zu starten. Darin wird die Sozialdemokratische Partei bezichtigt, das Spiel des Herrn Grotewohl zu spielen.

    (Zuruf von der SPD: Das ist ja unerhört! — Unruhe.)

    Aber, meine Damen und Herren, darin wird auch der nichtsozialdemokratische Teil des Bundestages beschuldigt, einem, wie es heißt, „gesamtdeutschen Elend" zuzusteuern, nur deshalb, weil dieser Bundestag am 27. September Beschlüsse gefaßt hat, die der Verwirklichung der Einheit Deutschlands durch freie Wahlen in allen vier Zonen und in Berlin unter internationaler Kontrolle und gleichen Bedingungen dienen. Was würden Sie, meine Damen und Herren von der Christlich-Demokratischen Union, sagen, wenn Ihnen unterstellt würde, durch die Propagierung solcher Gedankengänge werde der Versuch gemacht, die Beschlüsse des Bundestages vom 27. September, die doch ein Ganzes darstellen, zu torpedieren? Sie haben gesehen, daß die sozialdemokratische Fraktion sich gegen jede Verzerrung der Grundlinie ihrer Politik, die sie vor dem ganzen Volke vertritt, rücksichtslos abgrenzt. Es wäre recht und billig, wenn der Herr Bundeskanzler und die CDU das im Hinblick auf solche Verdächtigungen ebenfalls täten.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Am 27. September beschloß der Deutsche Bundestag:
    1. Die vordringlichste politische Forderung des ganzen deutschen Volkes und seiner frei gewählten Vertretung, des Deutschen Bundestages, ist es, die Einheit Deutschlands in Freiheit mit friedlichen Mitteln wiederherzustellen.
    2. Um dieses Ziel zu fördern, wird die Bundesregierung ersucht,
    a) an die Regierungen der vier Besatzungsmächte die Aufforderung zu richten, dem deutschen Volk baldigst Gelegenheit zu geben, in allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlen unter internationaler Kontrolle eine verfassung- und gesetzgebende sowie regierungsbildende und -kontrollierende Nationalversammlung für das Gebiet der vier Besatzungszonen und Berlins zu wählen,
    b) bis spätestens 15. Oktober dem Bundestag in einer Regierungserklärung Bericht über die Stellungnahme der Besatzungsmächte zu erstatten,
    c) unverzüglich in einem Weißbuch die Dokumente zu veröffentlichen, die Aufschluß über die Bemühungen um die Herstellung der deutschen Einheit geben.
    Meine Damen und Herren, der Text dieses Beschlusses entspricht Wort für Wort dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion.
    Der Deutsche Bundestag hat ferner am 27. September beschlossen:
    Freie Wahlen in allen Sektoren Berlins sind der Anfang der Verwirklichung der deutschen Einheit.
    Der Bundestag begrüßt die Initiative, die Senat und Abgeordnetenhaus in Berlin für freie Wahlen in allen Sektoren auf der Grundlage der Wahlordnung von 1946 ergriffen haben. Freie Wahlen in allen Sektoren Berlins sind sofort durchführbar. Es bedarf lediglich eines Beschlusses der vier Besatzungsmächte, damit sie unter den bei den Berliner Wahlen vom Oktober 1946 erprobten Voraus- setzungen ausgeschrieben werden und stattfinden können.
    Auch dieser Beschluß, meine Damen und Herren, ist das Ergebnis des entsprechenden Antrags der sozialdemokratischen Fraktion. Der Bundestag billigte am 27. September mit den Stimmen der sozialdemokratischen Fraktion die Regierungserklärung, deren Kernstück die Ankündigung einer Wahlordnung bildete, die, wie vielen von Ihnen bekannt sein wird, von einem Kreis von Juristen und Politikern entworfen wurde, an dem Sozialdemokraten maßgeblich beteiligt waren. Ich darf Sie daran erinnern, daß unter Punkt 2 der am 25. September von der Sozialdemokratischen Partei veröffentlichten Erklärung, daß die SPD-Fraktion nach Prüfung des Appells der sowjetzonalen Volkskammer die folgenden Schritte für notwendig halte, die Forderung nach der Annahme einer solchen Wahlordnung aufgeführt ist.
    Gestern hat uns nun der Herr Bundeskanzler den Text des Schreibens der Alliierten Hohen Kommission vom 15. Oktober vorgetragen. Die Alliierten Hohen Kommissare teilen im Auftrag ihrer Regierungen mit, daß die drei Regierungen
    — die, wie betont wird, „stets die Wiedervereinigung Deutschlands unterstützt haben und unterstützen werden, sobald sie nach demokratischen Grundsätzen stattfinden kann, welche die Schaffung eines freien Deutschlands sichern, das imstande ist, seine Rolle bei der friedlichen Vereinigung freier europäischer Nationen zu spielen"
    — nunmehr von neuem den Gedanken einer Wahl unterstützen. Die Alliierten Hohen Kommissare erinnern daran, daß sie am 26. Mai 1950 und am 10. Oktober 1950 an General Tschuikow geschrieben haben; ferner erinnern sie daran, daß die drei Außenminister am 14. Mai 1950 in London, am 14. September 1950 in New York entsprechende Erklärungen abgegeben haben. Sie verweisen auf Vorschläge, die am 5. März dieses Jahres von den Stellvertretern der Außenminister der drei Mächte auf der Pariser Konferenz gemacht wurden.
    Wir vermissen in diesem Schreiben der Alliierten Hohen Kommissare den ausdrücklichen Hinweis darauf, daß j et z t durch einen entsprechenden Schritt die sowjetische Besatzungsmacht von den in der Note der Bundesregierung vom 4. dieses Monats dargelegten Vorschlägen unterrichtet werde.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Widerspruch in der Mitte.)

    Meine politischen Freunde erwarten von der
    Bundesregierung, daß sie die Alliierte Hohe Kommission um eine ergänzende Klarstellung ersucht.
    Im Schreiben der Alliierten Hohen Kommission wird auf den Vorschlag der Bundesregierung Bezug genommen, durch eine neutrale internationale Kommission unter Kontrolle der Vereinten Nationen in der sowjetischen Besatzungszone und bei uns untersuchen zu lassen — ich zitiere —,
    inwieweit die bestehenden Verhältnisse die
    Abhaltung freier Wahlen ermöglichen.
    Im Schreiben der Hohen Kommissare heißt es:
    Die drei Regierungen hegen den Wunsch,
    Ihnen mitzuteilen, daß sie bei der ersten sich
    bietenden Gelegenheit Ihre Auffassung den


    (Wehner)

    Vereinten Nationen unterbreiten und den Antrag stellen werden, daß die Vereinten Nationen eine Untersuchung durchführen, die sich auf das ganze deutsche Gebiet erstreckt.
    Dann heißt es weiter:
    Die drei Regierungen sind zu der Auffassung gelangt, daß nur durch solche Maßnahmen zweckmäßig und zufriedenstellend festgestellt werden kann, ob im gesamten Gebiet Deutschlands Voraussetzungen vorliegen, welche die Abhaltung allgemeiner Wahlen als praktisch durchführbar erscheinen lassen.
    Wir wünschen an dieser Stelle festzustellen — um alle Mißverständnisse auszuschalten —, daß es dem Deutschen Bundestag darauf ankommt, den vier Besatzungsmächten den Willen und die Bereitschaft des Bundestages zur Durchführung freier, allgemeiner, gleicher und direkter Wahlen in den vier Zonen und Berlin unter internationaler Kontrolle zu unterbreiten. In unserem Beschluß sprechen wir ja von der „vordringlichsten politischen Forderung des ganzen deutschen Volkes".

    (Abg. Dr. Schumacher: Sehr gut!)

    Wir begrüßen es, daß die drei Regierungen unser Anliegen und unseren Vorschlag vor die Vereinten Nationen bringen wollen. Wir unterstreichen, daß es uns auf praktische Schritte ankommt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Praktische Schritte, meine Damen und Herren, das ist auch unser Stichwort zu den jüngsten Erklärungen der sowjetzonalen Volkskammer und ihrer Sprecher. Wir vermissen in ihnen eine klare Stellungnahme zu den positiven Vorschlägen, die Bundestag und Bundesregierung am 27. September beschlossen haben.

    (Abg. Dr. Schumacher: Sehr richtig!)

    Ein, wie es heißt, „Friedensvertrag" ist doch nicht von den Deutschen zu erörtern oder gar zu erzwingen. Auf die angebliche Bedeutung gerade solcher Erörterungen hat aber Herr Grotewohl das Schwergewicht seiner jüngsten Ausführungen verlegt. Sogar der Präsident der sowjetzonalen Volkskammer, Herr Dieckmann, hat zugegeben, daß die sogenannte gesamtdeutsche Beratung nicht umhin können werde, sich schließlich an die Regierungen der Besatzungsmächte zu wenden. Er meinte, dadurch werde dem Volk auf jeden Fall ein „Anschauungsunterricht" vermittelt. Uns kommt es nicht auf Anschauungsunterricht, sondern auf konkrete Schritte zur deutschen Einheit an!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Deshalb haben wir angeboten und wiederholen es: Freie Wahlen in allen Sektoren Berlins sind der Anfang der Verwirklichung der deutschen Einheit.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Maßgebende Sprecher der SED haben diesen Vorschlag in Parteifunktionärsversammlungen scharf polemisch behandelt. Herr Grotewohl hat ihn mit Schweigen übergangen. Die sowjetzonale Volkskammer hat sich nicht dazu geäußert. An der Stellungnahme zu diesem Vorschlag, die Einheit Berlins auf der Grundlage freier Wahlen herzustellen, können wir prüfen, welcher Grad von Wahrheitsgehalt und Willen hinter den Formeln der sowjetzonalen Volkskammer steckt.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Die sowjetzonale Volkskammer hat aber neuerdings einen Vorstoß gemacht, der den Charakter eines Ultimatums hat. Ich meine das auf Verlangen des Herrn Grotewohl an den Bundestag gestellte Ansinnen, der Bundesregierung durch einen Beschluß Verhandlungen mit den Vertretern der westlichen Besatzungsmächte zu untersagen. Allerdings hat Herr Pieck nachträglich gesagt, dieses Ansinnen müsse nicht als Bedingung betrachtet werden. Aus Parteireden muß allerdings gefolgert werden, daß diesem Ansinnen eine geradezu zentrale Bedeutung beigemessen wird. Damit erhebt sich wieder die Frage, ob es den sowjetzonalen Sprechern, ungeachtet des Freiheitswillens der Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone, nur darauf ankommt, ein neues sogenanntes „Entlarvungsmanöver" nach alter Schablone durchzuführen.
    Die Stellung der Sozialdemokratischen Partei zu den im Washingtoner Kommuniqué dargelegten konkreten Formen der europäischen Integration ist bekannt. Die Sozialdemokratische Partei hält sie für den Ausdruck eines verhängnisvollen Prinzips, dessen Folgen im Falle der Anwendung ein schwerer Mißerfolg des Gedankens der europäischen Zusammenarbeit sein würde.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Die sozialdemokratische Fraktion kann aus diesen Gründen auch unter keinen Umständen die heute veröffentlichten Darlegungen eines hohen Beamten des State Departements akzeptieren, in denen Schumanplan, Straßburger Rat und anderes als Bestandteile oder Voraussetzungen eines geeinten Europas hingestellt werden. Abgesehen davon — und darum wird in den kommenden Monaten gerungen werden, meine Damen und Herren, — soll an dieser Stelle festgestellt werden, daß es, solange Deutschland getrennt ist, eine Angelegenheit des Staatswesens ist, Verhandlungen mit den Besatzungsmächten zu führen. Es kommt auf die dabei vertretene deutsche Auffassung und auf die parlamentarische Kontrolle an.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Lassen Sie mich nun noch einiges zur Frage der angekündigten Wahlordnung sagen.

    (Abg. Euler: Was wird denn sonst vertreten, als die deutsche Auffassung?)

    — Es kommt, Herr Euler — das sagte ich ohne jede Polemik als Stellungnahme meiner Fraktion —, auf die dabei vertretene deutsche Auffassung an.

    (Sehr gut! bei der SPD und Zuruf: Das versteht Herr Euler nicht!)

    Lassen Sie mich also noch einiges zur Frage der angekündigten Wahlordnung sagen. Die sozialdemokratische Fraktion hätte gewünscht, sie wäre dem Bundestag, wie angekündigt, heute vorgelegt worden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich annehme, daß Meinungsverschiedenheiten über die Kompetenzen der Nationalversammlung die Ursache dieser Verzögerung sind.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich möchte dazu einiges Sachliche sagen.
    Im Auftrage meiner Fraktion habe ich am 27. September dargelegt, weshalb die Nationalversammlung verfassunggebend, gesetzgebend und regierungsbildend sein muß. Es handelt sich ganz einfach darum, meine Damen und Herren, ob wir die Schwierigkeiten der Übergangszeit meistern wollen oder ob wir auf Grund eigener Unzulänglichkeiten zwischen der vollzogenen Wahl und dem


    (Wehner)

    späteren Zusammentreten eines Reichstags einen Spielraum für Desperados und für die Machenschaften eines totalitären Förderalismus lassen wollen.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Lachen bei der BP.)

    — Verstehen Sie mich nicht falsch, meine Herren von der Bayernpartei! Ich bezeichne damit nicht jeden Föderalismus als totalitär. Ich sage nur, es gibt auch — und darauf wollte ich ernsthaft hingewiesen haben — eine totalitäre Spielart von Föderalismus, mit der wir uns auseinanderzusetzen haben.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Dr. von Merkatz: Das sind doch Gegensätze!)

    Sehen Sie, die Folgen solcher Unterlassungen wären unserer Meinung nach schwerstwiegend. Mein Parteifreund Dr. Kurt Schumacher hat schon vor Jahren gesagt: „Im Falle der deutschen Einheit sind die Kommunisten die Föderalisten der Zukunft." Die Grundlage der deutschen Politik, meine Damen und Herren, ist doch die Durchsetzung der Demokratie. Dies ist das Prinzip, dem alles unterzuordnen ist. In und mit den einzelnen juristischen Vorschriften des Grundgesetzes ist die deutsche Einheit nicht schon einfach geregelt. Ich bitte Sie um Aufmerksamkeit für den Bericht, den Herr Professor Schmid im Auftrage des Hauptausschusses im Parlamentarischen Rat erstattet hat und in dem es — ich zitiere nur einen Satz — heißt:
    Die echte Verfassung des deutschen Volkes wird also nicht im Wege der Abänderung dieses Grundgesetzes geschaffen werden. Sie wird originär entstehen, und nichts in diesem Grundgesetz wird die Freiheit des Gestaltungswillens unseres Volkes beschränken.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Eine Befolgung der im veröffentlichten Telegramm des Herrn bayerischen Ministerpräsidenten dargelegten Wünsche würde unseres Erachtens darauf hinauslaufen, die deutsche Einheit zu erschweren. Das ist sicher nicht der Wille des Herrn Ministerpräsidenten Ehard. Es zeugt aber davon, daß nicht nur in Bonn, sondern auch anderswo wichtige deutsche Probleme noch nicht genügend durchdacht sind. Würde die Nationalversammlung nur verfassunggebend sein dürfen, dann blieben die realen Machtfaktoren nebeneinander bestehen. Die bei freien Wahlen zurückgedrängten SED-Kräfte würden weiter einen Staatsapparat behalten, den sie auch nach der Niederlage im Sinne der Verhinderung der demokratischen Einheit des deutschen Volkes ausspielen könnten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir halten es nicht für gut, daß sich der Herr Bundeskanzler, ohne den Bundestag zu befragen, auf Wünsche solcher Art eingelassen hat.
    Auch nach den jüngsten Verlautbarungen der sowjetzonalen Volkskammer kommt es darauf an, die Sowjetunion selbst zu einer verbindlichen Erklärung zu veranlassen. Die von Herrn Grotewohl zitierten Äußerungen einer sowjetischen Zeitung, des Herrn General Tschuikow und des Leiters einer sowjetrussischen Delegation, die an den Jubiläumsfeierlichkeiten in Pankow teilnahm, gehören nicht auf diese Ebene. Die Interpretationen deutscher Staatsbürger sowjetischen Glaubens sind kein vollwertiger Ersatz. Sie werden gern und stets pompös auftreten; aber das hilft nichts.
    Wir wollen die deutsche Einhéit verwirklichen, und deshalb ist unser Wunsch nach einer Viermächtekonferenz eine nationale Notwendigkeit, ein Wunsch, der von allen Deutschen unterstützt wird. Daher haben wir bei uns alles zu tun, was in deutschen Kräften steht.
    Deshalb nochmals: Berlin ist der Anfang der Verwirklichung der deutschen Einheit. Dort kann mart es erweisen!

    (Beifall bei der SPD.)

    Zu der vorliegenden Drucksache Umdruck Nr. 336 beantrage ich namens meiner Fraktion Überweisung an den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Wehner vermißt in der Note der drei Hohen Kommissare die Erklärung, daß sie die Beschlüsse des Bundestags der Sowjetregierung übermitteln wollen, und er hat gebeten, darauf hinzuwirken, daß das geschieht. Der Beschluß des Bundestages lautete, daß die Bundesregierung dahin vorstellig werden sollte, daß die westalliierten Regierungen bei der UNO die Einsetzung einer Untersuchungskommission beantragen sollten. Dem ist entsprochen worden. Eine Antwort auf den Beschluß des Bundestags in dem Sinne, wie Herr Wehner das eben ausgeführt hat, liegt bisher nicht vor. Ich weiß auch nicht, ob es sich empfiehlt, auf eine solche Antwort zu drängen.

    (Abg. Euler: Nein!)

    Die Sache hinsichtlich der Untersuchungskommission ist jetzt im Lauf. Die UNO tritt am 6. November in Paris zusammen; ich meine, wir sollten unsere ganzen Anstrengungen darauf konzentrieren, daß nun von den drei westalliierten Regierungen dieser Antrag auf Einsetzung einer solchen neutralen Kommission möglichst bei Zusammentritt der UNO schon gestellt wird. '

    (Abg. Euler: Sehr richtig!)

    Dann hat der Abgeordnete Wehner gesagt, daß angekündigt worden sei, einen Vorschlag zu einem Wahlgesetz jetzt schon vorzulegen. Das ist nicht der Fall, etwas Derartiges ist nicht angekündigt worden. Der Bundestag hat auch am 27. September lediglich beschlossen, daß die Bundesregierung bis zum 15. Oktober über den Erfolg ihrer Vorstellungen bei den drei Westalliierten berichten solle. Meine Damen und Herren! Der Vorschlag für eine Wahlordnung wird mit größter Beschleunigung behandelt; aber die Angelegenheit ist nicht so einfach, wie Herr Wehner sich das denkt. Das Grundgesetz besteht, und das Grundgesetz sagt, daß es erst dann außer Kraft tritt, wenn für ganz Deutschland eine Verfassung beschlossen ist. Auf der anderen Seite verkenne ich nicht, daß gewisse Gefahren vorhanden sind, wenn ein Zustand eintritt, wie Herr Wehner ihn kurz geschildert hat. Man muß diese nicht leichte Rechtsfrage überlegen. Ich hoffe aber, daß schon in verhältnismäßig wenigen Tagen ein solcher Vorschlag für eine Wahlordnung den zuständigen Stellen zugehen kann.

    (Abg. Renner: Wer sind denn die zuständigen Stellen? Der Bundestag? — Gegenruf rechts: Sie nicht!)



    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    — Ich habe das doch gestern gesagt: Der Bundesrat und der Bundestag.
    Endlich hat Herr Abgeordneter Wehner erklärt, daß die Bedeutung einer solchen Aktion, wie sie die Antwortnote der Westalliierten darstellt, geschwächt werde, wenn ich die Haltung der .SPD in Zweifel zöge oder gar verdächtigte, und er hat auch von parteipolitischen Finessen gesprochen. Ich weiß nicht, inwiefern ich die Haltung der Sozialdemokratischen Partei in Zweifel gezogen habe — bis zu der Rede des Herrn Abgeordneten Luetkens. Und es war doch wohl jedem, der diese Rede gehört hat, erlaubt, Bedenken zu äußern.

    (Abg. Euler: Das war dringend nötig!)

    Diese geäußerten Bedenken haben ja auch den Erfolg gehabt,

    (Abg. Dr. Schumacher: Gar nicht! Sie haben doch nicht darauf eingewirkt!)

    daß die sozialdemokratische Fraktion die Ausführungen ihres Sprechers mißbilligt hat,

    (Abg. Dr. Schumacher: Das ist doch nicht auf Sie zurückzuführen! Ihre Ansicht bestimmt doch unsere Meinung nicht!)

    — Ja, Herr Kollege Schumacher, das habe ich auch nie verlangt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Schumacher: Ja, warum sagen Sie es denn erst?)

    Das, was Herr Kollege Wehner gesagt hat, daß man nämlich die Bedeutung einer solchen Aktion nicht schwächen solle, gilt auch, Wenn man den Bundeskanzler so behandelt, wie ich gestern von Ihnen, meine Herren, hier behandelt worden bin, als diese Frage vorgetragen wurde.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Abg. Mellies: Sie haben das Parlament unerhört behandelt! Gerade umgekehrt war es, Herr Bundeskanzler!)