Rede von
Adolf
von
Thadden
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(Fraktionslos)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DRP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Reimann hat versucht, zu erklären, was sich der Kreml unter den Vorschlägen des Ostens vorstellt. Zur Frage 1: Wollt Ihr deutsche Beratungen? Herr Reimann, meine Damen und Herren! Ich glaube, man sollte es sich überlegen, ob man nicht auf der Basis der 14 Punkte, die die Bundesregierung verkündet hat und die vom Osten in ihren maßgeblichen Teilen anerkannt sein sollen, und des Vorschlags, Wahlen unter der Kontrolle der UNO hier durchzuführen, diskutieren sollte. Man sollte es versuchen, wobei es keineswegs notwendig ist, daß sich unsere Unterhändler derartige Wippchen gefallen lassen, wie sie sich die Stellvertreter der Außenminister der Westmächte monatelang in Paris gefallen ließen.
Meine Damen und Herren, wir reden über die Wiederherstellung der deutschen Einheit, wählen aber für den Westen nach der Konzeption des Bundeskanzlers zunächst einmal die europäische Integration mit dem Einschluß Westdeutschlands in ein westliches System, dessen oberste Stufe der Atlantikpakt ist und in dem die 250 000 deutschen Soldaten als Anfangsstufe ein integrierender Bestandteil sind. Ich bin der Auffassung, daß diese Linie nicht dazu führen kann, eine deutsche Ein-
heit zunächst bis zur Oder wiederherzustellen. Ganz abgesehen davon — um zu den 250 000 Mann etwas zu sagen — leuchtet es mir nicht ein, daß wir mit 250 000 Mann etwas schaffen sollen, was wir mit 200 Divisionen vor 6 Jahren nicht geschafft haben.
- Denken Sie doch bitte daran, daß in der französischen Armee wie in der Wählerschaft jeder vierte Kommunist ist und wahrscheinlich sofort überlaufen wird.
Meine Damen und Herren, Herr Staatssekretär Hallstein sagte kürzlich, daß wir in einer zweigeteilten Welt zu wählen hätten. Wenn man in dieser Zweiteilung den Kommunismus und den Nichtkommunismus oder Antikommunismus versteht, dann haben wir schon immer gewählt, nämlich antikommunistisch. Das bedeutet aber noch lange nicht, daß wir uns nun an Partner anschließen müssen, deren höchstes Ziel — und da denke ich an die Franzosen — bisher die Verhinderung der deutschen Einheit gewesen ist. General Clay veröffentlichte kürzlich sehr verdienstvolle Memoiren, in denen er darauf hinwies, daß es 1945 die Franzosen waren, die die Einrichtung gesamtdeutscher Staatssekretariate unterhalb des Kontrollrats verhindert und damals als erste angefangen haben, die Teilung durch den Eisernen Vorhang vorzubereiten. Herr Bundeskanzler, besitzen Sie von seiten des französischen Außenministers eine verbindliche Zusage dahingehend, daß er sich Ihre Forderungen nach einem Gesamtdeutschland ohne die Oder-Neiße-Linie zu eigen macht? In der Zeitung des Herrn Außenministers Schuman stand es kürzlich ganz anders zu lesen, nämlich, man könne sich diesem Ziel einer Wiedervereinigung Deutschlands in den Grenzen von 1937 nicht anschließen.
Meine Damen und Herren, ich bin noch von einem andern überzeugt. Wenn wir durch eine totale Ablehnung aller Gesprächsmöglichkeiten jedes Band zerschneiden, wird der Terror, der dann in der Ostzone einsetzen wird, mit nichts zu vergleichen und noch viel fürchterlicher sein als das, was dort bisher passiert ist.
Ein letztes noch, meine Damen und Herren! Vom Osten wurde gesagt, man solle zunächst einmal über gesamtdeutsche Wahlen und zweitens über den Abschluß des Friedensvertrags verhandeln. Ich möchte das, was Frau Kollegin Wessel eben gesagt hat, noch mit einigen Sätzen erweitern. Der Abschluß eines Friedensvertrags im Jahre 1951 — so lautet ja die offizielle Formulierung — sollte für uns Deutsche absolut indiskutabel sein; denn er würde die Zustände, die wir heute im Jahre 1951 haben, ad infinitum mit deutscher Unterschrift verewigen. Ein deutscher Friedensvertrag ist meines Erachtens erst dann möglich, wenn wir schrittweise der Einheit Deutschlands in seinen alten Grenzen nähergekommen sind; erst dann, vorher nicht!
Meine Damen und Herren! Es ist kaum möglich, innerhalb von fünf Minuten ein derart großes Thema
— hören Sie mir doch einen Moment zu — und diese ganzen Dinge erschöpfend zu behandeln. Eines ist aber möglich, Sie auf einige Gefahren hinzuweisen, die für das Gesamtdeutschland entstehen, wenn Sie am bisherigen Wege unkorrigiert festhalten.