Rede von
Hans
Ewers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der verehrte Kollege Herr Dr. Krone hat von „juristischen Zwirnsfäden" gesprochen. Gestatten Sie mir die Bemerkung, daß ich das Wort sehr ungern höre. Wenn wir zwölf Jahre lang die Achtung des Rechtes nur noch als Spinnfäden kannten, sollten wir uns jetzt darüber klar sein, daß das Recht in einem Rechtsstaat keine Zwirnsfäden, sondern Schiffstaue legt, vielleicht sogar Eisentrossen, über die man nicht hinwegspringen kann, wenn man nicht Gewalt vor Recht setzen will. Die Rechtsfragen, die der Antrag, gegen dessen Tendenz wir gar nichts einzuwenden haben, aufwirft, wollen doch einmal angesprochen sein.
Hier soll ein Wahlgesetz geändert werden, das mit der Durchführung der Wahl — noch sind wir in der Wahlprüfung; die Wahl ist insofern noch nicht voll durchgeführt — doch ein für allemal beendet ist; denn es hatte nur für einen einzigen Wahlgang Gültigkeit. In ihm ist genau festgelegt, wer am Stichtag Mitte August 1949 diesen Bundestag durch seine Anwesenheit — hoffentlich nur! — bereichern soll. Auch für Berlin ist es festgelegt. Und nun soll dieses Gesetz, das einen völlig abgeschlossenen staatsrechtlichen Vorgang behandelt, nach zwei Jahren — anscheinend doch wohl mit rückwirkender Kraft — geändert werden. Ich sehe nicht ein, wieso nun plötzlich in einen Wahlkörper, der auf Grund einer Wahl berufen worden ist, neue, hochwillkommene Gesichter einrücken können.
Insbesondere ist darauf hinzuweisen, daß wie bei jedem Wahlgesetz die Volksmeinung an einem bestimmten Stichtag nun einmal entscheidend ist, weswegen die Frage der Wahlperiode eine hochpolitische, außerordentlich bedeutsame Frage ist, deren Bedeutung man insbesondere deshalb nicht unterschätzen sollte, weil allzuviele Wahlgänge bekanntlich Wahlmüdigkeit zu erzeugen pflegen.
Nun hat inzwischen die Berliner Vertretung nicht nur ihre Zusammensetzung, sondern auch ihren Charakter völlig geändert. Wir haben eine neue Verfassung in Berlin, wir haben jetzt einen Senat, wir haben dort eine Volksvertretung; bis dahin gab es nur die Stadtverordnetenversammlung. Die Meinung ist doch offenbar die, daß das heutige Berliner Parlament — Herbst 1951 — bestimmen soll, wer mit Wirkung vom August 19 4 9 hier im Bundestag sitzt.
Alle diese Fragen muß der Jurist, der seine Hemmungen nicht für Zwirnsfäden erachtet, einmal ansprechen. Ich bitte höflichst, diese Vorlage — wenn es nicht schon beantragt sein sollte — jedenfalls auch dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen.