Rede:
ID0116907800

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Fisch.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 169. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Oktober 1951 6955 169. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 17. Oktober 1951. Geschäftliche Mitteilungen 6956B Anfrage Nr. 205 der Fraktion der SPD betr. Fall Platow (Nm. 2552, 2695 der Drucksachen) 6956B Änderungen der Tagesordnung 6956B Dr. Gerstenmaier (CDU) 6956C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit (Nr. 2658 der Drucksachen) 6956C Dr. Jaeger (CSU), Berichterstatter 6956D Beschlußfassung 6957C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Nr. 2659 der Drucksachen) 6957C, 6967A Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter . . 6967A Arndgen (CDU) 6969D Beschlußfassung 6969D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (Nr. 2627 der Drucksachen) 6957C Dr. Wellhausen (FDP), Berichterstatter 6957D Beschlußfassung 6958C Mitteilung betr. Vorlage des Berichts der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein 6958D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Steuerberechtigung und die Zerlegung bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer (Zerlegungsgesetz) (Nr. 2644 der Drucksachen) 6959A Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . 6959A Ausschußüberweisung 6959B Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Juni 1949 (Nr. 2639 der Drucksachen) 6959B Brandt (SPD), Antragsteller 6959B, 6961C Dr. Krone (CDU) 6960B Dr. Reif (FDP) 6960C Gundelach (KPD) 6960D Ewers (DP) 6961A Ausschußüberweisung 6962A Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über Leistungen aus vor der Währungsreform eingegangenen Renten-und Pensionsversicherungen vom 11. Juni 1951 (Nr. 2640 der Drucksachen) 6962A Ausschußüberweisung 6962A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln (Getreidegesetz) (Nr. 2449 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Nr. 2685 der Drucksachen) 6962B Dr. Horlacher (CSU): als Berichterstatter 6962B als Abgeordneter 6965A a Kriedemann (SPD) . . . . 6963D, 6965D Dannemann (FDP) 6965C Dr. Niklas, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 6966B Abstimmungen 6966C Beratung des Antrags der Abg. Dr. Ott u Gen. betr. Protest gegen die Zwangsumsiedlung in Rumänien (Nr. 2645 der Drucksachen) 6970A Dr. Ott (BHE-DG), Antragsteller . 6970A Dr. Gerstenmaier (CDU) . . 6971C, 6975D Dr. Trischler (FDP) 6972C Renner (KPD) 6973D Paul (Württemberg) (SPD) 6975B Ausschußüberweisung 6976C Besprechung der Erklärung der Bundesregierung (betr. Ergebnis der von der Bundesregierung bei den Alliierten unternommenen Schritte wegen Wiederherstellung der deutschen Einheit und gesamtdeutschen Wahlen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Einstellung der zwischen der Bundesregierung und den Hohen Kommissaren geführten Verhandlungen wegen der Durchführung der Washingtoner Beschlüsse i (Nr. 2656 der Drucksachen; Umdruck Nr. 336) 6976C Tillmanns (CDU) 6976D, 6995C Wehner (SPD) 6978B, 6993D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . . 6981C Dr. von Merkatz (DP) 6982B Reimann (KPD) 6983D Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP) 6986B Fisch (KPD) 6988B Frau Wessel (Z) 6990B von Thadden (Fraktionsios) 6991D Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 6992C Tichi (BHE-DG) 6993A Euler (FDP) 6995A Abstimmungen 6995D Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 328) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Erhöhung aller Unfallrenten (Nr. 2622 der Drucksachen) 6996A Beschlußfassung 6996A Beratung der Übersicht Nr. 39 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 325) 6996C Beschlußfassung 6996C Nächste Sitzung 6996C Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Freiherr Hans Albrecht von Rechenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist noch nicht sehr lange her, da stand ich drüben im Bundesratssaal fast allein vor dem gesamtdeutschen Ausschuß und dem außenpolitischen Ausschuß und kämpfte vergeblich um eine Antwort auf den ersten Grotewohlbrief, eine Antwort, die ganz gewiß nicht zu den Bedingungen des Herrn Grotewohl ja sagen sollte, die aber den Zweck und das Ziel hatte, Herrn Grotewohl die Möglichkeit und Gelegenheit zu geben, sich selbst zu entlarven. Diese meine Absicht scheiterte vor allen Dingen an dem Widerstand der SPD,

    (Sehr richtig! rechts)

    die dahin argumentierte: mit solchen Verbrechern darf man überhaupt nicht reden; dadurch würden wir sie anerkennen, und überdies würden sie es ja auch gar nicht ehrlich meinen.
    Nur kurze Zeit ist das her, und eine ganz erhebliche Wendung scheint mir eingetreten zu sein. Ist man jetzt vielleicht im Lager der Herren von der SPD der Meinung, das Angebot Grotewohls gebe tatsächlich die Möglichkeit, zu gesamtdeutschen Wahlen zu kommen, wäre tatsächlich irgendwo ehrlich gemeint? Was Grotewohl mit seinem Vorschlag will, hat er ja selber sehr deutlich ausgesprochen. Es kommt ihm darauf an, die jetzt entrierten Verhandlungen zwischen den Westalliierten und der Regierung der deutschen Bundesrepublik zum Scheitern zu bringen. Dabei zielt er eigentlich gar nicht so sehr auf uns ab; er zielt in Richtung auf die Hohen Kommissare. Die Reaktion, die diese Versuche von drüben bei uns finden, könnte doch nur zu leicht das noch lange nicht eingeschlafene, im Gegenteil sehr starke Mißtrauen über die zukünftigen Absichten, die zukünftige Haltung des 1 deutschen Volkes in dieser Frage beeinflussen, so daß man uns Bedingungen stellt, die die Verhandlungen zum Scheitern bringen müßten.
    Aber, meine Damen und Herren, sehr viel interessanter — und ich wundere mich eigentlich, daß noch niemand von Ihnen darauf gekommen ist! — ist doch folgende Überlegung: Wenn Grotewohl diese Verhandlungen stören will, sieht er doch wenigstens die Möglichkeit, daß sie zu einem Erfolge führen könnten. Denn wer macht sich die Mühe, Verhandlungen zu stören, von denen er schon von vornherein glaubt, daß sie ja doch in einer Sackgasse enden werden? Interessant diese Meinung; denn wir alle wissen ja doch, welche Schwierigkeiten bei diesen Verhandlungen bestehen. Wir wissen alle, daß noch lange nicht ein gutes Ende da ist; wir fürchten alle — und darum ist unsere Skepsis so groß —, daß man sich bei dem Durcheinander auf der alliierten Seite immer noch nicht klar darüber geworden ist, daß man Unvereinbares nicht vereinen kann. Das ist die Skepsis, die uns eventuell ein Scheitern dieser Verhandlungen möglich erscheinen läßt. Um so besser, wenn ich jetzt höre, daß Grotewohl — sprich: der Russe! — doch immerhin auf die Idee kommen konnte, daß die Verhandlungen sich so gestalten, daß in diesem Hause eine große Mehrheit den Ergebnissen zustimmen kann. Ein Erfolg ist das selbstverständlich.
    Aber nun kommt doch eine geradezu groteske Situation. Herr Wehner hat sich vorhin darüber beschwert, daß er verdächtigt würde, er — oder die SPD — treibe das Spiel des Herrn Grotewohl. Ja, meine Damen und Herren, sehen Sie denn nicht die Groteske? Hier wird ein Manöver unterstützt, das von den Russen dazu bestimmt ist, die wenigstens teilweise Freiheit der westdeutschen Menschen zu hintertreiben. Sicher: wenn man versucht — und das muß man ja —, eine vernünftige Politik in diesem Hause zu treiben, muß man seine Grenzen kennen und wissen, worauf es ankommt. Man könnte also vielleicht der Meinung sein, daß das Ganze von der SPD etwa im Sinne meines Auftretens vor einem halben Jahr gemeint wäre: daß nämlich gemeint wäre, hier Herrn Grotewohl zu entlarven, daß es ihm mit seinen Vorschlägen gar nicht ehrlich sei. Ich kann daran nicht glauben, vor allem deshalb nicht, weil wir ja gleich den dokumentarischen Beweis dafür haben, mit welcher Inbrunst gerade die SPD glaubt, gesamtdeutsche Wahlen herbeiführen zu können, nachdem Herr Dr. Schumacher es dem Herrn Bundeskanzler vorgeworfen hat, daß er in diesem Zusammenhang von der Oder-Neiße-Grenze sprach, die doch ein „Fernziel" sei. Meine Damen und Herren von der SPD, täuschen Sie sich nicht. Sie werden nirgends im deutschen Volke Gefolgschaft finden, wenn Sie einen Friedensvertrag abschließen wollen, in dem die Oder-Neiße-Grenze Fernziel ist.

    (Lebhafter Beifall rechts. — Zuruf von der SPD: Wer will denn das? — Abg. Henßler: Nennen Sie uns ein Dokument, das das enthält! — Weiterer Zuruf von der SPD: Verdrehen Sie nicht!)

    — Ich verdrehe nicht. Es ist gesagt worden, die Oder-Neiße-Grenze sei ein Fernziel.

    (Zurufe von der SPD: Sie werden die Antwort bekommen! — Demagoge!)



    (Dr. Freiherr von Rechenberg)

    — „Demagoge" soll ja hier nicht gesagt werden. Ich nehme es ihm nicht übel!

    (Anhaltende Unruhe. — Zuruf von der SPD: Wir sind doch hier kein Theater! — Glocke des Präsidenten.)

    Versuchen wir die Haltung der SPD anders zu erklären. Es kann also kein Entlarvungsversuch sein! Was aber sonst?

    (Zuruf von der SPD: Das werden Sie nie verstehen!)

    Und da komme ich zu folgender Überlegung. Wir wissen doch, daß die SPD sich zu Europa bekennt. Aber bei jeder Gelegenheit in Straßburg und bei jeder Gelegenheit auch hier stoßen wir, wenn auch nur die kärglichsten, kümmerlichsten Versuche gemacht werden, den europäischen Gedanken weiterzutreiben, auf das Nein der SPD. Noch vor einigen Tagen in Paris hat der Vertreter der SPD in der politischen Kommission des Europarates auf den Vorschlag Schuman-Mollet, eventuell ein Kommissariat zur Abstimmung der gemeinsamen europäischen Außenpolitik zu bilden,

    (Zuruf von der SPD: Das würde noch fehlen!)

    erklärt, das wäre ja doch nur ein Versuch, das Besatzungsstatut mit anderen Mitteln fortzusetzen. Das ist ja immer die Argumentation, die wir bei allen diesen Versuchen hören.

    (Sehr gut! rechts.)


    (Vizepräsident Dr. Schäfer übernimmt den Vorsitz.)

    Ich habe bisher — um sehr deutlich zu sprechen — geglaubt, daß diese ganze Haltung der SPD in bezug auf Europa in Wirklichkeit gar nichts mit ihrem ehrlichen Bekenntnis zu diesem Ziel zu tun hätte; ich habe geglaubt, ihre Ablehnungen seien innerpolitisch bedingte Kampfmittel. Ich bin sehr skeptisch geworden, nachdem ich gestern hören mußte, wie Herr Dr. Luetkens erklärte, daß eine teilweise Souveränität Westdeutschlands nicht wünschbar wäre. Wir kennen doch alle Herrn Dr. Luetkens als einen sehr ruhigen, sehr überlegten Mann, der sehr genau in die außenpolitischen Absichten der Führung der SPD eingeweiht ist. Gewiß, die SPD ist hörbar davon abgerückt; sie konnte ja gar nicht anders. Denn welch ein Sturm der Entrüstung würde sich in Westdeutschland erheben, wenn man sich etwa zu diesem Bekenntnis von Herrn Dr. Luetkens nachträglich noch bekannt hätte.

    (Zurufe von der SPD.)

    Aber für mich bleibt es doch bei der Tatsache. Ich komme gar nicht darum herum. Ist es denn tatsächlich so, daß in Wahrheit die europäische Zukunft seitens der SPD nicht so gesehen wird, wie wir bisher geglaubt hatten, daß sie tatsächlich der Meinung ist: „Wenn nur Westdeutschland in Europa integriert werden soll, dann nicht!"? Meine Damen und Herren, diese Haltung kann ich nicht
    verstehen. (Abg. Renner: Hört! Hört!)

    Aber diese Haltung bedeutet den Weg in die Neutralität, in die Neutralisierung Deutschlands. Es gibt dann keinen andern Weg für das deutsche Volk, wenn wir die Einigung haben wollen. Unter der heutigen Weltlage ist tatsächlich nur diese eine Möglichkeit offen.

    (Lebhafte Zurufe links.)

    Es ist geradezu grotesk und bezeichnend für die politisch harmlose Ahnungslosigkeit des deutschen Volkes, wenn dieser Gedanke,

    (Zuruf des Abg. Dr. Greve)

    der ja gar nicht neu ist und der eines der Kriegsziele der vereinten Westalliierten war, jetzt wieder von uns Deutschen ventiliert wird. Meine Damen und Herren, die Sie mit dem Gedanken der Neutralität spielen, ist Ihnen eigentlich gar nicht klar, daß das ja die Grundkonzeption des Morgenthau-Plans war?

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Gewiß, dieser Plan ist gescheitert. Unser Glück, unsere Zukunftschance bedeutet es, daß dieser Plan gescheitert ist, scheitern mußte. Warum? Die Idee gemeinsamer Niederhaltung Deutschlands setzte auch Gemeinsamkeit der Interessen voraus. Diese Gemeinsamkeit der Interessen war Gott sei Dank nicht vorhanden. Im Gegenteil, die gegenseitigen Interessen stehen so, daß keiner von den großen Weltblöcken dem anderen die Ausnutzung des deutschen Potentials gönnen kann.
    Um so unverständlicher ist es. wenn jetzt auf unserer Seite wieder mit diesem Gedanken gespielt wird. Wir müssen uns doch darüber klar sein:

    (Zuruf des Abg. Dr. Greve — Weitere Zurufe und Unruhe bei der SPD)

    Seien wir uns ganz klar: wir spielen hier mit der deutschen Zukunft; wir spielen hier ein sehr gefährliches Spiel!

    (Zurufe und Unruhe bei der SPD.)

    Wir wollen uns nicht verfangen, wir wollen uns nicht an unseren eigenen Gefühlen berauschen.

    (Zurufe von der SPD: Unerhört! — Weitere erregte Zurufe von der SPD.)

    Wir haben die Pflicht, sehr kühl und sehr ruhig im Interesse unseres deutschen Volkes, für das wir die Verantwortung tragen, aufzutreten. Wir sprechen immer davon: wir wollen die Ostdeutschen nicht abschreiben. Ich komme selber aus Ostdeutschland, und nie werde ich darauf verzichten. Aber ich will auch die Westdeutschen nicht abschreiben.

    (Lebhafte Zurufe von der SPD.)

    Ich will auch die Westdeutschen nicht versacken lassen. Ich will die Wiedervereinigung, — das ist ein schlechter Ausdruck, es muß heißen: die Befreiung.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich bin' überzeugt, Sie täuschen sich, wenn Sie glauben, das deutsche Volk folgt Ihnen, wenn Sie dem deutschen Volk eine Wiedervereinigung zumuten, bei der es in den Zustand von Potsdam, in den Zustand der Sklaverei zurückkommt.

    (Erregte Zurufe von der SPD: Wer will denn das?)



    (Dr. Freiherr von Rechenberg)

    — Darauf kommt Ihre Politik, das weiß ich seit gestern, heraus.

    (Abg. Dr. Greve: Sie reden ja irre, Herr von Rechenberg!)

    — Wer hier irre redet, das überlasse ich sehr gern dem Urteil der deutschen Öffentlichkeit, die genau weiß, wer hier richtig spricht und wer Gefühlsduselei macht.

    (Abg. Dr. Greve: Glauben Sie, daß das deutsche Volk das glaubt, was Sie da oben zusammenschwindeln?)

    Deshalb sage ich: wir müssen die Frage der gesamtdeutschen Wahlen mit der genügenden Vorsicht behandeln.

    (Rufe von der SPD: Aha! und Hört! Hört!) Wenn wir zu einer Einigung mit dem Osten kommen wollen, gibt es dazu nur einen Weg: das ist der Weg über Europa. Nur dann sehe ich die friedliche Möglichkeit. An einer kriegerischen Möglichkeit ist niemand interessiert: das wäre unser Ende.


    (Zuruf des Abg. Dr. Greve.)

    Wenn nämlich der Russe vor einem stark gewordenen Europa nicht mehr die Sorge zu haben braucht, daß es eventuell als Brückenkopf für einen Angriff gebraucht werden könnte, dann ist der Moment gekommen, in dem Stalin überhaupt kein Interesse mehr hat — ich nehme an, auch Herr Reimann wird ihn nicht so weit interessieren —, diesen Pfahl im Fleisch, den letzten Endes das deutsche Gebiet innerhalb seines Gebietes bedeutet, bei sich zu behalten.
    Das ist die Lösung. Darum bejahe ich Europa, darum will ich kein Deutsches Reich schaffen. Nein, ich will ein Europa schaffen, in dem Deutschland ein gleichberechtigter Teil ist. Das ist der Weg, um unsere Ostdeutschen zu befreien. Ich empfehle dem Bundestag, diesem Weg mit der geruhsamen Vorsicht zu folgen. Wir sollen nicht so töricht sein, das Spiel derjenigen zu treiben, die in Wirklichkeit unsere deutsche Freiheit nur im Munde führen und in Wahrheit ganz etwas anderes beabsichtigen.
    Infolgedessen lehnt meine Fraktion den Antrag der KPD ab und billigt es durchaus, wenn die Bundesregierung nicht überstürzt ein Wahlgesetz vorlegt, solange man noch gar nicht weiß, ob und unter welchen Bedingungen drüben gewählt werden kann. Wir sind mit diesem Vorgehen durchaus einverstanden und danken dem Herrn Bundeskanzler für diese Haltung.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Fisch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Ich habe den Antrag meiner Fraktion zu begründen, in dem verlangt wird, die Verhandlungen, die gegenwärtig mit den Hohen Kommissaren über die Durchführung des Washingtoner Abkommens geführt werden, abzubrechen. Am 14. September wurden die Beschlüsse der Washingtoner Außenministerkonferenz bekanntgegeben. Sie umfassen im wesentlichen drei Punkte: erstens, daß die westalliierte Besatzung in Westdeutschland verbleibt, und zwar auf unbestimmte Zeit und in ständig wachsendem Umfang; zweitens, daß Westdeutschland in die sogenannte westliche Verteidigungsgemeinschaft einbezogen werden soll. Das würde die Bereitstellung deutscher Fremdenlegionen unter einem US-Oberkommando bedeuten. Das würde die Auslieferung der deutschen Wirtschaftskraft an die westliche Rüstungsproduktion und schließlich die völlige Ausblutung der deutschen Finanzkraft und des Arbeitsvermögens unseres Volkes bedeuten.

    (Lachen in der Mitte und rechts.)

    Drittens besagen die Washingtoner Beschlüsse, daß man unter der Bedingung der Leistung eines sogenannten Verteidigungsbeitrages bereit sei, Westdeutschland ein gewisses Maß von Souveränität zurückzugeben und ihm damit eine gewisse „Gleichberechtigung" einzuräumen.

    (Abg. Renner: Sehr richtig!)

    Dieses scheinbare Zugeständnis, das, wie gesagt, an die Bedingung der vorherigen Leistung des „Verteidigungsbeitrages" geknüpft ist, enthält aber gleichzeitig eine ganze Anzahl diskriminierender Vorbehalte.
    Als Herrn Adenauer das Kommuniqué der Washingtoner Konferenz überbracht wurde, erklärte er: Wir danken Gott, daß die Entscheidungen von Washington so gefallen sind. Später erklärte er: Es ist eine sehr gute Nachricht, die wir aus Washington erhalten haben. Nun, meine Damen und Herren, für Herrn Adenauer mögen diese Nachrichten sehr gut gewesen sein. Für ihn waren diese Beschlüsse tatsächlich die Krönung seiner Anstrengungen, die er seit Jahr und Tag unternommen hat, angefangen bei den geschickt eingefädelten Interviews an ausländische Zeitungen bis zu den festen Vereinbarungen, die er unter Mißachtung des Willens unseres Volkes und unter Brüskierung selbst des Bundestages getroffen hat.
    Für das deutsche Volk aber haben die Beschlüsse von Washington eine andere Bedeutung. Sie haben die Bedeutung der Ankündigung, daß Deutschland als Hauptkriegsbasis des amerikanischen Aufmarsches und damit als Kriegsschauplatz ausersehen ist. Sie bedeuten die Ankündigung von Not, von Krieg, von Katastrophe und Untergang, wenn diese Entwicklung nicht im letzten Augenblick verhindert wird.
    Die Manöver, die gerade jetzt in der amerikanischen und britischen Zone stattgefunden haben, haben einen sehr deutlichen Anschauungsunterricht über das gegeben, was man in Washington plant. Sie beweisen eines: sie beweisen, daß die Veranstalter der Manöver tatsächlich ernst machen wollen, daß sie Deutschland als Schlachtfeld und schließlich als Gebiet der verbrannten Erde ausersehen haben. Sie beweisen außerdem, daß sie bereit sind, rücksichtslos alles zu vernichten, was es hier auf deutschem Boden an Hab und Gut und an Menschenleben gibt.
    Unser Volk sagt: Das darf nicht sein, weil wir leben und nicht untergehen wollen!

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Man kann seitens der Hohen Kommissare mit Herrn Adenauer Gespräche hinter verschlossenen Türen führen. Man kann mit ihm Verschiedenes ausmachen, unter anderem auch ausmachen, daß er demnächst die ersten 250 000 Mann an deutscher Jugend bereitzustellen hat. Man kann mit ihm ausmachen, daß er mithilft, den Raub der deutschen Kohle zu betreiben oder die Bereitstellung der deutschen Rohstoffe für die westlichen Rüstungen. Aber man kann mit Herrn Adenauer nicht ausmachen, daß ihm das deutsche Volk auf diesem Wege Folge leistet.

    (Sehr gut! bei der KPD.)



    (Fisch)

    Denn letzten Endes wird allein das Volk darüber entscheiden, was aus den geheimen Abmachungen des Herrn Adenauer wird.
    Schon kurz nach Bekanntgabe der Washingtoner Beschlüsse haben die Beratungen begonnen, die ihrer Realisierung dienen. Diese Beratungen haben nun einiges zutage gefördert. Was auf den Schlössern der Hohen Kommissare in Ernich, in Röttgen und in Mehlem ausgehandelt und in einigen wenigen Dokumenten auch bekanntgeworden ist, beweist, daß das Gerede über die Rückerstattung der Souveränität an die Deutschen nichts anderes als eine Täuschung ist, daß sich die Westmächte in Wirklichkeit die Entscheidung in allen wichtigen Angelegenheiten Westdeutschlands vorbehalten haben. Sie haben sich erstens die Entscheidung vorbehalten in allen Fragen, die die sogenannte Sicherheit der in der Bundesrepublik stationierten westlichen Streitkräfte berühren. Das bedeutet praktisch, daß alle politischen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen von Bedeutung an das Diktatregime der Hohen Kommissare gebunden bleiben.
    Zweitens behalten sie sich vor die Entscheidung in allen Fragen, die Berlin betreffen.
    Drittens behalten sie sich vor die Entscheidung in allen Fragen, die die Wiedervereinigung Deutschlands und einen künftigen Friedensvertrag mit Deutschland betreffen. Damit erbringen sie den bisher deutlichsten Beweis dafür, wer die Hauptschuld an der Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands trägt.
    Viertens behalten sie sich das Recht vor, alle nun etwa mit der Bundesregierung abzuschließenden Verträge, die auf der Basis der sogenannten „Gleichberechtigung" geschlossen würden, jederzeit zu annullieren, wenn nach ihrer Auffassung der Bestand der demokratischen Grundordnung gefährdet ist. Das würde bedeuten, daß, wenn in Westdeutschland eine Bundesregierung jemals ein Programm entwickeln sollte, das den amerikanischen Auffassungen über eine demokratische Ordnung nicht vollkommen entspricht, damit alle bis dahin geschlossenen Verträge für null und nichtig erklärt würden und das reine Willkürrecht der Besatzungsmacht wiederhergestellt würde. Auch die innere Ordnung eines separaten westdeutschen Staates soll demnach auf unbestimmte Zeit von dem Willen der amerikanischen Herren abhängig bleiben.
    Fünftens behalten sie sich das Recht vor, auch den Handel Westdeutschlands sowohl mit der Deutschen Demokratischen Republik wie mit dem Osten wie mit der ganzen übrigen Welt zu reglementieren und zu beeinträchtigen. Auf unbestimmte Zeit soll es also keine freien Handelsbeziehungen innerhalb Deutschlands und mit der Welt geben.
    Sechstens behalten sie sich das Recht vor, die entscheidenden Bestimmungen über Aufbau und Besitzverhältnisse in der Grundstoff- und Schwerindustrie zu treffen.
    Und letztens behalten sie es sich vor, über die Höhe und die Art der Aufbringung der Besatzungskosten allein zu entscheiden.
    Darum, meine Damen und Herren, weil es sich hier um Bestimmungen handelt, die den Lebensnerv unseres Volkes treffen, um Bestimmungen, die uns der amerikanischen Kriegspolitik gegenüber willenlos machen sollen, darum fordern wir den Abbruch der Verhandlungen.
    Viele spielen jetzt den Entrüsteten, und es geht die Legende um von dem „armen alten Mann" hier, der von seinen amerikanischen Freunden getäuscht
    worden sei. Man konstruiert Gegensätze zwischen
    dem Geist von Röttgen und dem Geist von
    Washington. Keine Spur davon! Genau der Geist
    von Washington ist es, der die Verhandlungen in
    Röttgen und in Mehlem bestimmt. Das weiß Herr
    Adenauer so gut wie Herr McCloy, und kein
    anderer als sein eigener Staatssekretär hat uns dies
    vor drei Tagen bestätigt. Herr Professor Hallstein,
    der bekanntgab, daß man sich „in der Grundlinie"
    da oben verständigt habe, erklärte, daß man bereit
    sei, freiwillig auf Souveränitätsrechte zu verzichten.

    (Abg. Renner: Hört! Hört!)

    Er sagte deutlich, welche Rechte der Souveränität man zur Preisgabe für geeignet halte und aus welchen Gründen. Er erklärte wörtlich:
    Es ist auch unser Interesse, daß die Alliierten
    ein unbezweifelbares und unanfechtbares Recht
    haben, in Berlin zu sein. Es ist auch unser Interesse, daß die von den Alliierten übernommenen Verpflichtungen, Deutschland wieder zu vereinigen, unvermindert bleiben.
    Er erklärt also, die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands müsse nicht nur, sondern solle sogar nach „unserem" eigenen Wunsch eine Angelegenheit sein, die allein der Entscheidung der Alliierten unterstehe und nicht der Selbstentscheidung des deutschen Volkes. Meine Damen und Herren, das ist die freiwillige Preisgabe des Rechtsanspruchs auf Selbstbestimmung unseres Volkes.
    Nun wird gesagt, es gebe eine andere Lösung. Herr von Rechenberg hat erklärt, wir könnten auf dem Wege über ein „neues Europa" den kriegerischen Weg zur Wiedervereinigung, den vorhin Herr v. Merkatz propagiert hat, vermeiden. Nun, ich möchte ihn fragen: Hat er sich denn schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie das vor sich gehen soll, wenn er schon nicht ein Europa meint, das an der Werra endet? Herr Bundeskanzler Adenauer hat uns erklärt, wie dieses Europa aussehen sollte, nämlich gestaltet auf der Grundlage seiner, des Herrn Adenauer, und des Herrn McCloy politischen Prinzipien.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Sie sagen, dieses „neue Europa" sei durch den „politischen Charakter" bestimmt. Nun gut, wenn dieses Europa nicht an der Werra aufhört, wenn die Länder der Volksdemokratien und die Sowjetunion bis zum Ural zu diesem Europa gehören sollen, wie stellen Sie sich dann die Änderung des „politischen Charakters" vor? Wie wollen Sie das dort geschaffene Regime der Volksherrschaft anders beseitigen als auf dem Wege des Krieges?

    (Schlußrufe von der Mitte und rechts.)

    Das ist doch nichts anderes als die Konzeption des Krieges, der gewaltsamen Revision der europäischen Landkarte, der geographischen wie der politischen Landkarte.

    (Erneute Schlußrufe.)

    Gestatten Sie mir zum Schluß noch eine Bemerkung an die Adresse der sozialdemokratischen Fraktion.

    (Wiederholte Schlußrufe. — Glocke des Präsidenten.)