Rede von
Dr.
Eugen
Gerstenmaier
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, zu sagen: Wenn Herr Renner sich akkurat in die Gretchenrolle begibt, dann ist das für uns ein schlechtes Theater. Aber ich glaube, daß es falsch wäre, wenn wir, so wie die Dinge in Deutschland laufen, diese Herren auch hier in einigen Punkten immerfort weiter ignorieren würden, und zwar aus folgendem Grunde: Es ist nicht zu bestreiten, daß die Propaganda — sie kann so schlecht oder so gut gemacht werden, wie sie will — in der Masse, in der sie gemacht wird, und in der Hemmungslosigkeit, in der sie vom Osten her
gemacht wird — offensichtlich mit außerordentlich reichen Mitteln dotiert —, allmählich leicht zu betörende Gemüter zu verwirren in der Lage ist; und das wollen wir nicht haben.
Aber nun noch ein anderes, was wir uns auch in diesem Hause selbst von Herrn Renner nicht sagen lassen können und sagen lassen dürfen. Ich weiß nicht, ob es gestattet ist, das hier zu sagen, und ich sage es nicht gern; aber es ist eine Unverfrorenheit sonder Beispiel, wenn uns Herr Renner hier sagt, daß z. B. in Sachen der deutschen Kriegsgefangenen Beweise von uns vor dem internationalen Gremium, vor dem die Sache verhandelt worden ist — das sind die Vereinten Nationen —, nicht hätten erbracht werden können. Herr Renner, wir haben hunderttausend Beweise, wenn Sie es ganz genau wissen wollen.
Es ist eine Unverschämtheit, das abzustreiten. Und die Beweise, die uns jetzt hinsichtlich der Vernichtung von 50 000 Banater Schwaben und wahrscheinlich einer Unzahl anderer Menschen aus dem Südosten vorliegen, die Beweise von der Tragödie, die sich vor den Toren von Galatz vollzieht, haben wir uns auch nicht gesucht und nicht hierher bestellt als Ouvertüre vor diesem letzten Punkt der Tagesordnung; sie sind uns hier leider Gottes auf den Tisch gekommen, und wir haben nicht die Absicht, sie zu ignorieren. Wenn Sie so wollen, betrachten wir allerdings diesen Punkt als eine Ouvertüre zu dem, was jetzt in diesem Hause zur Verhandlung steht.
Der Kampf um die Freiheit von dem Bereich Deutschlands aus, der frei ist, wird noch mutiger, noch energischer und noch entschlossener geführt werden müssen denn seit langem. Sie können sich darauf verlassen: wir sind keine Defaitisten; in diesem Punkt werden Sie sich bei uns verrechnet haben!
Selbst die Langweiligkeit Ihrer sturen Lügen kann uns nicht mehr davon abbringen, dagegen anzutreten.
Herr Renner hat gemeint, weil uns das Statut der Vereinten Nationen die Annahme des Antrages in der vorliegenden Form nicht möglich macht, seien wir am Ende unserer Weisheit. Meine Damen und Herren, so ist es nun freilich nicht. Ich schlage vor, daß sich der Ausschuß damit befaßt und daß die Bundesregierung auf einen Beschluß des Deutschen Bundestages hin an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz mit der Bitte herantritt, bei der Regierung dieser Freien Volksrepublik Rumänien um die Entsendung einer Delegation in dieses Gebiet nachzusuchen
und zweitens über die Mitgliedsregierungen der Vereinten Nationen an die Vereinten Nationen das Ersuchen zu richten, daß diese ebenfalls eine Delegation in das Gebiet entsenden. Dann können wir in Ruhe die Feststellung abwarten, ob die Berichte, die dokumentarisch geprüft und von dem Rechtsanwalt Peter Maurus, Stuttgart-W, Falkertstraße 107, bestätigt sind, Lügen sind, wie uns Herr Renner hier mit seinen Märchenerzählungen glauben machen will, oder ob sie leider Gottes traurige Wahrheit sind.