Rede von
Dr.
Hermann
Etzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Bundestagsfraktion der Bayernpartei gebe ich folgende Erklärung ab:
Die Bayernpartei hat nie einen Zweifel an ihrer Grundmeinung gelassen, daß das Ziel der Deutschen aller Stämme und Länder Gesamtdeutschland sein muß und daß die gegenwärtigen Konstruktionen im zweigeteilten deutschen Lebensraum nicht endgültigen Charakter haben können. Sie sieht in der Herstellung Gesamtdeutschlands nicht nur die Voraussetzung für die Verwirklichung des unverzichtbaren und unveräußerlichen Lebensrechts der Deutschen auf eine eigene, auf Freiheit und Demokratie gegründete nationale Existenz innerhalb der friedlichen Völker dieser Erde sowie Mittel und Weg der Deutschen, sich aus ihrer Herabwürdigung aufzurichten, sondern auch einen wesentlichen Beitrag zum Frieden, dessen Erhaltung oberstes Gebot ist. Sie wendet sich entschieden gegen die verschiedentlich im Ausland geäußerte Auffassung, daß die Deutschen nicht gleichzeitig beides — politische Freiheit und Vereinigung —, sondern nur eines nach dem andern erlangen könnten.
Die Bayernpartei läßt die staats- und völkerrechtliche Streitfrage, ob das Reich, wenn auch nicht juristisch, so doch tatsächlich fortbesteht, oder ob es im Jahre 1945 auf Grund bedingungsloser Kapitulation und nachfolgender Auflösung der Grundlagen des Reichsverbandes, also durch Debellation untergegangen ist, hier dahingestellt. Sie verweist aber auf das entschiedenste und mit allem Nachdruck darauf, daß die erstrebte und ersehnte neue politische Gemeinschaft der Deutschen nur nach Maßgabe der bestehenden verfassungsrechtlichen Zustände, also nach dem Grundgesetz und den Verfassungen der Bundesländer erfolgen kann. Die Fraktion der Bayernpartei bedauert daher, daß der Herr Bundeskanzler in seinem über die alliierte Oberkommission an die Regierungen Großbritanniens, Frankreichs und der Vereinigten Staaten gerichteten Schreiben vom 4. Oktober unter Außerachtlassung oder Verkennung dieser Rechtslage von einer gesetzgebenden Nationalversammlung gesprochen hat. Eine Nationalversammlung kann keine andere Aufgabe haben, als eine Verfassung auszuarbeiten, die nach Art. 146 des Grundgesetzes von der Bevölkerung selbst in freier Entscheidung zu beschließen oder zu verwerfen ist.
Niemals kann ihr eine gesetzgebende oder gar eine regierungsbildende Rolle zufallen.
Die Fraktion der Bayernpartei hat gestern durch ihren Sprecher erneut klargestellt, daß sie sich zu den Prinzipien eines föderalistisch aufgebauten Gesamtdeutschlands und eines förderalistisch geeinten Europas bekennt. Jeder Versuch, zu den Grundlagen der Weimarer Republik zurückzukehren, muß abgelehnt und zurückgewiesen werden.
Der geschichtliche Ablauf und die aus ihm zu ziehenden Lehren zwingen eindringlich und unerbittlich zu der Erkenntnis, daß eine Restauration Weimars und des Zentralismus zu einer neuen gefährlichen Fehlentwicklung des politischen deut-
schen Geschicks von unabsehbarer Tragweite führen würde. Einem auch nur mit einem Mindestmaß an politischer Phantasie und Erkenntniskraft begabten Volk kann es nicht zukommen, in seinem Sturz einfach auf staatliche und nationale Organisationsformen zurückzugreifen, die in einer so furchtbaren Weise widerlegt und ad absurdum geführt worden sind. Die deutsche Geschichte seit der gewaltsamen Beseitigung der Monarchien im Jahre 1918 ist die Geschichte der vergeblichen Versuche, eine neue tragfähige und dauerhafte politische Konstruktion im deutschen Lebensraum zu schaffen.
Die Bundestagsfraktion der Bayernpartei erhebt in diesem geschichtlichen Augenblick ihre warnende Stimme. Sie fordert alle verantwortlichen und einsichtsvollen politischen Kräfte auf, nicht einen Weg einzuschlagen, der erneut in das Verderben führen müßte. Nur eine echte, auf freier und gleichberechtigter Partnerschaft beruhende und aus ihr lebende Konföderation kann einer glücklichen Zukunft im deutschen Lebensraum den Weg bereiten.