Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 77. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Ich bitte den Schriftführer Herrn Abgeordneten Tenhagen, die Liste der abwesenden Mitglieder zu verlesen. Damit Sie nicht über die etwas große Zahl der abwesenden Mitglieder erstaunt sind, möchte ich gleich vorausschicken, daß sich eine größere Zahl von Abgeordneten auf einer Besichtigungsfahrt des Ausschusses für Wirtschaftspolitik im Gebiet Salzgitter befinden.
Es fehlen wegen Erkrankung die Abgeordneten Morgenthaler, Frau Dr. Brökelschen, Kalbitzer, Mißmahl, Meitmann, Frau Albrecht, Dr. Gülich, Hellwege, Dr. von Campe, Wittmann, Dr. Bertram. Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Orth, Mayer , Etzel, Naegel, Dr. Schröder (Düsseldorf), Stücklen, Dr. Kopf, Sabel, Dr. Holzapfel, Stauch, Blachstein, Keuning, Dr. Koch, Bielig, Dr. Schöne, Matzner, Bergmann. Lange, Dr. Veit, Dr. Suhr, Neumann, Roth, Kalbfell, Even, Dr. Middelhauve, Dr. Zawadil, Stegner, Grundmann, Freudenberg, Wirths, Kuhlemann, Aumer, Dr. Besold, Dr. Falkner, Wallner, Harig, Fisch, Niebergall, Agatz, Dr. Ott, Dr. Richter (Niedersachsen), Gockeln. Außerdem fehlen die Abgeordneten Reimann, Renner, Rische, Vesper, Müller (Offenbach).
Meine Damen und Herren! Ich habe dann zu meiner Freude Herrn Abgeordneten Bettgenhäuser nach neunzehnwöchiger Erkrankung hier wieder unter uns zu begrüßen und ihm meine Glückwünsche zu seiner Genesung auszusprechen.
Ich habe weiter mitzuteilen, daß der Herr Bundesminister für Verkehr unter dem 18. Juli 1950 die Anfrage Nr. 91 der Fraktion der SPD — Drucksache Nr. 1097 — betreffend Flaggen bei der Bundesbahn mit der Drucksache Nr. 1178 beantwortet hat.
Ich habe weiter mitzuteilen daß die Gruppe Deutsche Reichspartei mir mit Schreiben vom 14. Juli 1950 mitteilt, daß der Abgeordnete Herr Dr. Franz Richter nicht mehr Vorsitzender dieser Gruppe ist, sondern daß mit dem Vorsitz dieser Gruppe mit sofortiger Wirkung der Herr Abgeordnete Heinz Frommhold beauftragt worden ist.
Ich habe weiter mitzuteilen, daß die Fraktion der Freien Demokratischen Partei bereit ist, den Punkt 7 der Tagesordnung betreffend Umsatzsteuer für die Verbände der freien Wohlfahrtspflege heute von der Tagesordnung abzusetzen, wie mir seitens der Fraktion mitgeteilt wird. Ich darf wohl das Einverständnis des Hauses damit annehmen.
— Auf Freitag dann, selbstverständlich!
Außerdem habe ich noch nachzuholen: Auch Frau Abgeordnete Dr. Gröwel ist nach monatelanger Krankheit infolge eines Autounfalls wieder hier unter uns.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nunmehr zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Beratung des Antrages der Abgeordneten
Dr. Dr. Nöll von der Nahmer, Dr. Preusker,
Dr. Hoffmann, Dr. Dr. Höpker-Aschoff, Dr. Reif, Dr. Oellers und Genossen betreffend Einsparung von 150 Millionen DM Zinsen seitens des Bundes, der Bundesbahn und der Bundespost durch Umwandlung bisher verzinslicher Ausgleichsforderungen zugunsten der Bank deutscher Länder in eine unverzinsliche Bundesschuld .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Regelung der Gesamtredezeit dieses Gegenstandes folgendes vor: 10 Minuten für den Antragsteller, 40 Minuten für die Aussprache. Darf ich das Einverständnis des Hauses dazu feststellen? — Ich höre keinen Widerspruch; dann ist demgemäß beschlossen.
An den Herrn Vertreter der Bundesregierung bzw. an den Herrn Bundesfinanzminister darf ich den Appell richten, sich im Sinne des `Vorschlages des Ältestenrats ebenfalls möglichst mit 10 Minuten für die Stellungnahme zu begnügen.
Der Antrag wird für die Antragsteller von Herrn Abgeordneten Dr. Dr. Nöll von der Nahmer eingebracht, dem ich hiermit das Wort erteile.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Schon am Freitag hat dieses Hohe Haus einen sehr schätzenswerten Versuch zur Einsparung auf dem Gebiete der Diäten durch die Beantragung der namentlichen Abstimmung gemacht. Diesen guten Absichten, zu sparen, folgt nun ein weiterer Antrag, der allerdings diesmal um einen etwas größeren Betrag geht, um die immerhin nicht ganz unerhebliche Summe von 150 Millionen DM, um die wir, wie meine Freunde glauben, die Ausgaben des Bundeshaushalts einschließlich von Post und Eisenbahn senken können. Der Antrag zeigt vor allem auch eines: Es ist nicht richtig, wenn immer behauptet wird, es seien heute keine großen Einsparungen an den Ausgaben mehr möglich. Meine Damen und Herren, wenn man die „Schönheiten" der Haushaltspläne im einzelnen erforscht, dann sieht man immer wieder in verborgenen Falten noch ganz erhebliche Millionenbeträge stecken, die man einsparen und wodurch man für andere notwendigere Aufgaben Mittel freibekommen kann.
Ich darf nun zunächst einmal die sachliche Begründung des Antrages geben. Wer sich im einzelnen für die Ausgleichsforderungen interessiert, der findet in den Monatsberichten der Bank deutscher Länder, Juliheft 1949 Seite 30 ff., eine sehr schöne und aufschlußreiche Darstellung. Im übrigen haben wir ja in dem Antrage selbst die Gesetze genau zitiert, die hier zugrunde liegen. Insgesamt sind für 5 429 000 000 Ausgleichsforderungen zugunsten der Bank deutscher Länder und der vier Postsparkassenämter — auf sie dürfte nur ein geringerer Betrag entfallen — ausgegeben worden. Diese 5 429 000 000 müssen nach den angegebenen Gesetzen mit 3 % verzinst werden. Diese Zinsenlast ist aufgeteilt worden zwischen dem Bundeshaushalt, der im letzten Haushaltsjahr mit 103,52 Millionen belastet wurde, und 54,26 Millionen, die von Post und Bundesbahn aufzubringen sind. Bisher waren auch noch die drei Länder der französischen Besatzungszone auf Grund der angegebenen Gesetzesbestimmungen an der Zinsaufbringung beteiligt. Das fällt jetzt weg. Im einzelnen ist dies im § 18 des Überleitungsgesetzes geregelt, das wir ja in der vorigen Woche in erster Lesung hier beraten haben.
Nun entsteht die entscheidende Frage; Wieso kann man diese gewaltigen Zinslasten, die hier dem
Bund, seiner Post und seiner Eisenbahn auferlegt werden, einsparen? Meine Damen und Herren, man muß zwei Arten von Ausgleichsforderungen unterscheiden: einmal die hier zur Diskussion stehenden, die also der Bank deutscher Länder ausgehändigt worden sind, und die Ausgleichsforderungen zugunsten der sonstigen Banken. Diese Ausgleichsforderungen stellen den Gegenwert für die D-MarkBeträge dar, die als Bar- und Giralgelder bei der Währungsreform seitens der Bank deutscher Länder zur Verfügung gestellt werden mußten. Wir wollen hier nicht auf die Frage eingehen, ob es überhaupt noch nach moderner geldtheoretischer Erkenntnis nötig ist, einen derartigen Teil des Geldumlaufs, der mehr oder minder konstant ist, durch besondere Sicherheiten zu „decken". Wenn man das nun schon einmal gemacht hat, so mag es dabei sein Bewenden haben. Das tut letztlich keinem weh. Aber, meine Damen und Herren, keine Notwendigkeit ist dafür einzusehen, daß nun diese Ausgleichsforderungen auch noch verzinst werden; denn die Bank deutscher Länder ihrerseits zahlt ja auch keine Zinsen für die Noten, für das Giralgeld, das sie damals bei der Währungsreform ausgegeben hat. Die Folge ist also, daß diese ganzen Zinsleistungen in ihrer enormen Höhe gar nichts anderes darstellen als eine bloße Subvention der Notenbank seitens der Steuerzahler. Nun leben wir ja im Zeitalter der Subventionen, und die Subvention ist das Alpha und Omega der heutigen Wirtschaftspolitik.
Aber, meine Damen und Herren, das ist nun doch etwas Neues, daß selbst eine Notenbank schon zu den Subventionsempfängern gehören soll. Das war noch nie da, und das geht nun doch entschieden zu weit! Bund, Post und Eisenbahn können, wie wir im Haushaltsausschuß leider Gottes ständig feststellen müssen, nicht die dringendsten sozialen Aufwendungen finanzieren. Auf der andern Seite sehen wir aus der Gewinn- und Verlustrechnung der Bank deutscher Länder, daß diese Bank die Subventionen wirklich nicht braucht. Wenn Sie sich die Gewinn- und Verlustrechnung einmal ansehen, dann finden Sie im letzten Jahr eine außergewöhnliche Belastung durch den Notendruck. Der Notendruck hat nicht weniger als 72,6 Millionen gekostet. Nach Rückstellungen von 50 Millionen werden dann immer noch offene Gewinne von 79,5 Millionen ausgewiesen, die seit der Währungsreform, seit dem 2. Halbjahr 1948, erzielt wurden.
Also hier bekommt jemand Subventionen, der es wirklich nicht nötig hat! Es liegt kein Grund mehr vor, daß wir bei dieser Sachlage die Verzinsung der Ausgleichsforderungen zugunsten der Bank deutscher Länder weiter aufrechterhalten.
Die Herren des Bundesrats möchte ich besonders darauf hinweisen, daß es sich vielleicht auch für die Länder einmal empfiehlt, die Ausgleichsforderungen, die sie den Landeszentralbanken und den Postscheckämtern gegeben haben, daraufhin nachzuprüfen, ob diese Ausgleichsforderungen verzinslich bleiben müssen oder ob da nicht auch für die Länder unter Umständen erhebliche Ersparnisse zu erzielen sind.
Meine Damen und Herren! Der Antrag ist mit vollem Einverständnis, wie ich wohl sagen kann, des Herrn Bundesfinanzministers gestellt worden. Wie ich aus dem Finanzministerium heute härte, hat inzwischen auch die Fühlungnahme mit dem Peters-berg stattgefunden. Die in dem Antrag erwähnten Gesetze sind Militärregierungsgesetze. Sie müssen
geändert werden. Mir ist gesagt worden, daß seitens des Petersbergs wohl nicht mit Schwierigkeiten zu rechnen sein wird. Im einzelnen wird es Sache der Regierung sein, hier noch die endgültigen Verhandlungen zu führen.
Namens meiner Freunde bitte ich das Hohe Haus, diesen Antrag, der, wie ich sagen kann, mit vollem Einverständnis und Willen der Regierung gestellt worden ist, heute anzunehmen. Ich glaube nicht, daß bei einer Ausschußberatung noch Ergänzungen usw. möglich wären oder daß durch die Ausschußberatungen die Dinge klarer werden, als sie hier dargestellt worden sind. Dieses Hohe Haus möge einmal einmütig seinen Willen bekunden, alle Ausgaben, die nicht wirklich dringend notwendig sind, einzusparen. Ich darf Sie also bitten, diesen Antrag heute im Plenum anzunehmen. Es wird dann Aufgabe der Regierung sein, das Weitere zu veranlassen.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Ausführungen des Herrn Antragstellers gehört. Ich erteile nunmehr dem Herrn Bundesfinanzminister das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Erklärung muß sehr kurz sein. Als ich davon Kenntnis erhielt, daß der Antrag eingebracht worden ist, habe ich pflichtgemäß mit der Bank deutscher Länder Fühlung genommen. Die Verhandlungen mit der Bank deutscher Länder laufen bereits. Ich hoffe, daß sie zu einem günstigen Ergebnis führen. Aber solange die Verhandlungen laufen, ist es wohl nicht tunlich, daß ich hier über den Gang der Verhandlungen berichte.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst Herr Abgeordneter Scharnberg. 8 Minuten.
Meine Damen und Herren! Ich werde nur sehr kurz sprechen, nicht die 8 Minuten. Ich bin der Meinung, daß der Antrag Nöll von der Nahmer sehr beachtlich ist. Wir haben ja früher auch in der Notenbank die Goldbestände gehabt, die keine Zinsen gebracht haben, und man kann die vorgeschlagene Behandlung der Ausgleichsforderungen vielleicht als eine Analogie zu damals ansehen. Selbstverständlich können — und das liegt ja wohl auch im Sinne der Antragsteller — nur solche Ausgleichsforderungen in Frage kommen, die seinerzeit bei der Einführung der neuen Währung der Bank deutscher Länder ausgehändigt worden sind, also nicht etwa solche Ausgleichsforderungen, die später aufgekauft worden sind. Im übrigen muß auch noch einmal geprüft werden, in welchem Ausmaß auch diese Ausgleichsforderungen unverzinslich gestellt werden, und deswegen scheint es mir notwendig, daß noch Verhandlungen mit der Bank deutscher Länder eingeleitet werden.
Ich möchte infolgedessen den Antrag stellen, daß der Antrag an den Ausschuß für Geld und Kredit federführend und an den Haushaltsausschuß zwecks Durchführung dieser Verhandlungen und Prüfung des Antrags abgegeben wird.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat liegt die Frage dieses Antrags, glaube ich, nicht so einfach, wie es von
seiten der Antragsteller eben vorgetragen worden
ist. Es ist bekannt, daß die Gewinnrechnung der Bank deutscher Länder fast ausschließlich auf den Zinsen der Ausgleichsforderungen beruht. Es ist doch sehr die Frage zu erwägen, woher die Bank deutscher Länder die Reserven nehmen soll, die sie nötig hat, um die Refinanzierungsaufgaben, die wir ihr übertragen wollen, durchzuführen: Denn es wird nicht ohne weiteres die Vorstellung sein, daß sie ersatzweise sich aus zusätzlichen Zinseinnahmen anläßlich der Refinanzierung die Beträge verschafft, auf denen ihre Rechnung heute beruht. Dazu kommt, daß die Angelegenheit ein ganz anderes Gesicht bekommen könnte, wenn, wie man hört, beabsichtigt ist, den Gewinn der Bundesnotenbank künftig dem Bund zufließen zu lassen.
Daraus allein, daß der Herr Bundesfinanzminister soeben erklärt hat, er könnte zur Zeit keine Stellungnahme der Regierung zu diesem Antrag abgeben, und daß selbstverständlich über einen solchen Antrag nicht beschlossen werden kann, ohne mit den Sachverständigen, insbesondere mit der Bank deutscher Länder, zu verhandeln, ergibt sich, daß der Antrag auf Verweisung an den Ausschuß der sachgemäß richtige ist.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache über die Drucksache Nr. 1040.
Wir kommen zur Abstimmung. Der weitergehende Antrag ist nach altem Brauch der, die Drucksache Nr. 1040 an die Ausschüsse zu überweisen.
— Dann haben wir über zwei Anträge zu entscheiden.
— Sie ziehen Ihren Antrag zurück. Es bleibt also übrig: der Ausschuß für Geld und Kredit. Wer dafür ist, daß die Drucksache Nr. 1040 an den Ausschuß für Geld und Kredit überwiesen wird, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist wohl fast einstimmig angenommen worden.
Meine Damen und Herren! Wir kommen dann zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung der Interpellation der Abgeordneten Lübke, Dr. Frey, Struve, Dr. Dr. Müller
und Genossen betreffend Zollbegünstigungsgesetz (Nr. 1081 der Drucksachen).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen bezüglich dieses Punktes vor: für den Berichterstatter 10 Minuten Redezeit und insgesamt 60 Minuten Redezeit. Darf ich zunächst das Einverständnis des Hauses zu dieser Redezeit erbitten. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist demgemäß beschlossen. An den Herrn Vertreter der Bundesregierung darf ich den gleichen Appell richten, sich mit 10 Minuten zu begnügen.
Wer von den Herren Interpellanten wünscht das Wort? — Bitte, Herr Abgeordneter Lübke.
Lübke , Interpellant: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir erhalten von alliierter Seite sehr häufig Mahnungen in der Richtung, daß wir alle Versuche unternehmen sollen, unsere Außenhandelsposition zu verbessern. Daß dazu auch die entsprechenden handelspolitischen Instrumente
gehören, insbesondere ein entsprechender Zolltarif, liegt auf der Hand. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, haben die deutschen Stellen allerdings sehr mühsame Wege zu gehen. Mindestens scheinen auf diesem Gebiet die Bemühungen, mit der alliierten Kommission ins klare zu kommen, bisher keinen Erfolg gehabt zu haben.
Es war verständlich, daß wir in der Zwischenzeit nach dem Kriege versuchen mußten, eine ganze Anzahl von Zollpositionen für wichtige Lebensmittel abzubauen. Der Wirtschaftsrat hat in seinem Gesetz vom 22. August 1949 dementsprechende Festlegungen vorgenommen. Das Gesetz sollte nur bis zum 31. Dezember 1949 Geltung haben. Infolgedessen leitete der Herr Bundesfinanzminister damals schon seiner Zollverwaltung eine neue Zollbegünstigungsliste zu, so daß danach, wenn auch zunächst mit Stundung, die Einfuhr der fraglichen Lebensmittel behandelt wurde.
Mit Schreiben vom 14. März hat die Alliierte Hohe Kommission dieses Verfahren abgelehnt. Sie hat ihrerseits verlangt, das Gesetz des Wirtschaftsrats vom 22. August 1949 wieder in Kraft zu setzen, so daß wir im März 1950 an derselben Stelle standen wie im August 1949. Hätten wir nicht zu gleicher Zeit das Importausgleichsgesetz gehabt, dann wären schon damals ganz erhebliche Einbrüche bei der Ernährungsindustrie und insbesondere bei der bäuerlichen Veredelungsproduktion entstanden. Da aber auch am 30. Juni das Importausgleichsgesetz ablief, mußte wenigstens versucht werden — und von den deutschen Stellen hätte alles unternommen werden müssen, um diesem Versuch zum Erfolg zu verhelfen —, bis zum 30. Juni entweder das Zollbegünstigungsgesetz durchzubekommen oder wenigstens auf dem Verordnungsweg eine neue Zollbegünstigungsliste herauszugeben.
Es ist keines von beiden möglich gewesen. Die alliierten Stellen haben sich mit vielleicht von ihrer Seite aus durchschlagenden Begründungen den Verhandlungen bis Ende des ersten Semesters, also bis zum 30. Juni, absolut versagt. Auf den Antrag vom 25. März dieses Jahres, sich zu dem Kabinettsbeschluß vom 14. März, der ebenfalls eine neue Liste auf diesem Gebiet vorschlug, zu äußern, war jedenfalls bis zum 30. Juni keine Antwort eingelaufen.
Um inzwischen nun die Verhandlungen nicht zum Stillstand kommen zu lassen, sollte wenigstens auf der Referentenebene verhandelt werden. Die Alliierte Hohe Kommission teilte mit, daß sie die notwendigen Sachverständigen auf diesem Gebiet nicht zur Verfügung stellen könnte.
Wir stehen also nun seit dem 1. Juli vor einem völligen Vakuum; und wenn nicht die außenpolitischen Ereignisse höchst unerfreulicher Natur eingetreten wären, dann hätte die weitere Entwicklung auf dem Gebiet des Lebensmittelmarktes im In- und Ausland unsere bäuerliche Veredelungsproduktion und weite Teile unserer Ernährungsindustrie vor ganz katastrophale Situationen gestellt.
Es ist für uns wirklich schwer zu ertragen, daß wichtigste gesetzgeberische Arbeiten auf dem Gebiet des Außenhandels nur in vollem Einvernehmen mit der Hohen Alliierten Kommission zum Abschluß gebracht werden können. Wenn aber diese Tatsache schon einmal besteht, dann sollte man annehmen, daß man sich von beiden Seiten die äußerste Mühe gäbe, um wenigstens Verzögerungen mit so katastrophalen Folgen wie in diesem Fall zu vermeiden.
Ich frage deshalb die deutsche Regierung: erstens: Sind von den eigenen Regierungsstellen die erforderlichen dringlichen Vorstellungen unternommen worden? Zweitens: Wann ist unter den gegebenen Umständen mit der Inkraftsetzung der vorbereiteten Zollbegünstigungsliste zu rechnen? Drittens: Kann bis zum Inkrafttreten des neuen Zollbegünstigungsgesetzes im Wege einer Verwaltungsanordnung eine Abänderung der bisher geltenden Zollbegünstigungsliste vorgenommen werden?
Sie haben die Ausführungen des Herrn Interpellanten gehört. — Zur Beantwortung erteile ich dem Herrn Bundesfinanzminister das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich darf die gestellten Fragen dadurch beantworten, daß ich einen Bericht über die ganze Entwicklung der Angelegenheit gebe. Aus diesem Bericht ergeben sich ohne weiteres die Antworten auf die gestellten Fragen, insbesondere auf die Frage zu 3. Die Frage zu 3 ist zu bejahen. Ich darf folgendes bemerken.
Erstens. Das vom vormaligen Wirtschaftsrat erlassene Gesetz über vorübergehende Gewährung von Zollbegünstigungen vom 22./23. August 1949, das für eine größere Zahl von Waren sowohl auf dem Ernährungssektor wie auf dem gewerblichen Gebiet an Stelle der im Zolltarif vorgesehenen Zollsätze Zollfreiheit oder ermäßigte Zollsätze zur Anwendung kommen ließ, war bis 31. 12. 1949 befristet. Ab 1. 1. 1950 hatten demgemäß die tarifmäßigen Zollsätze wieder Anwendung zu finden. Verwaltungsseitig war beabsichtigt, den gesetzgebenden Körperschaften ein neues Zollbegünstigungsgesetz mit neugefaßter Liste der Zollbegünstigungen zuzuleiten, durch das der Sache nach die alte Liste der Zollbegünstigungen — wenn auch in abgewandelter, den veränderten wirtschaftlichen Bedürfnissen angepaßter Gestaltung — mit Wirkung vom 1. 1. 1950 für weiterhin anwendbar erklärt werden sollte. Entsprechende gesetzgeberische Vorarbeiten waren seit Herbst 1949 im Gange, kamen aber nicht zum rechtzeitigen Abschluß, weil das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erst am 21. Dezember 1949 bekanntgab, bei welchen Positionen der bisherigen Zollbegünstigungsliste und in welchem Ausmaß jeweils es eine Abänderung für erforderlich hielt.
Um zu vermeiden, daß ab 1. 1. 1950 die Zollsätze des Gebrauchszolltarifs angewendet werden mußten, ordnete meine Verwaltung unter dem 27. 12. 1949 und ergänzend unter dem 11. 1. 1950 an, daß mit Wirkung ab 1. 1. 1950 die in dem geplanten neuen Zollbegünstigungsgesetz vorgesehenen Zollbegünstigungen angewendet werden sollten, und zwar in der Form, daß sicherheitslose und zinslose Stundung gewährt werden sollte bei vorgesehener Zollfreiheit für' den vollen tarifmäßigen Zoll, bei vorgesehener Zollermäßigung für den Unterschiedsbetrag zwischen dem tarifmäßigen und dem ermäßigten Zollsatz. Für die gewährte Stundung sollte Widerruf vorbehalten bleiben für den Fall, daß das geplante Gesetz nicht oder nicht in der gedachten Form in Kraft treten sollte.
Diese Verwaltungsanweisungen wurden von der Alliierten Hohen Kommission als ungesetzlich beanstandet, und ich wurde angewiesen, unverzüglich Maßnahmen zu treffen, um die am 31. 12. 1949 gültige Zollbegünstigungsliste wieder in Kraft setzen zu lassen, die bis zum Inkrafttreten des geplanten neuen Zollbegünstigungsgesetzes Anwendung finden sollte. Entsprechende Maßnahmen sind von mir durch Verfügung vorn 17. 4. 1950 getroffen worden.
Demgemäß werden zur Zeit, und zwar mit Wirkung vom 1. 1. 1950, die Zollbegünstigungen aus dem Wirtschaftsratsgesetz vom 22./23. August 1949 angewendet, und zwar auch infolge Fehlens eines Gesetzes im Wege der verwaltungsmäßigen Stundung der vollen oder der Unterschiedszollbeträge.
Zweitens. Der Entwurf des neuen Zollbegünstigungsgesetzes ist der Alliierten Hohen Kommission mit Schreiben des Herrn Bundeskanzlers vom 25. 3. 1950 mit der Bitte um baldige Überprüfung und Zustimmungserklärung übersandt worden. Nach mehrmaliger Erinnerung hat die Alliierte Hohe Kommission mit Schreiben vom 20. 5. 1950 erwidert, daß der Gesetzesvorschlag über Vorzugszölle zur Zeit geprüft werde und die Hohe Kommission das Bundeskanzleramt demnächst von ihrer Stellungnahme in Kenntnis setzen werde.
Neuerdings, und zwar am 12. 7. 1950, ist das Customs Sub-Committee der Alliierten Hohen Kommission in Frankfurt a. M. in eine Erörterung der geplanten neuen Zollbegünstigungsliste mit den Sachbearbeitern der Bundesministerien Finanzen, Ernährung und Wirtschaft eingetreten, die am 17. des Monats fortgesetzt wurde und in diesen Tagen zum Abschluß gelangen soll, so daß in nicht zu ferner Zeit nach Genehmigung der Alliierten Hohen Kommission der Entwurf des geplanten neuen Zollbegünstigungsgesetzes den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet werden könnte.
Drittens. Das wirtschaftliche Bedürfnis, die alte Zollbegünstigungsliste abzuändern, und zwar vor allem in der Richtung einer Aufhebung oder auch Herabsetzung bisher gewährter Zollbegünstigung, hat sich insbesondere für eine größere Anzahl von Positionen des landwirtschaftlichen und des Ernährungssektors ergeben. Einerseits hat sich seit Erlaß des alten Zollbegünstigungsgesetzes die inländische Erzeugung so gesteigert, daß sie den Inlandsbedarf zu decken vermag. Andererseits droht die zollfrei oder zu stark ermäßigten Zollsätzen hereinströmende, im Preis billigere Auslandsware die noch nicht unter gleichen Startbedingungen arbeitende inländische Landwirtschaft aus dem Wettbewerb völlig auszuschalten. Diese schon seit längerer Zeit bestehende Gefahr vergrößerte sich für die Zeit ab 1. 7. 1950 noch erheblich infolge des endgültigen Außerkrafttretens des Importausgleichsgesetzes am 30. 6. 1950.
Auf Veranlassung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist deshalb das Bundeskanzleramt mit Schreiben vom 21. 6. 1950 an die Alliierte Hohe Kommission mit der Bitte herangetreten, sich damit einverstanden zu erklären, daß für eine Reihe bestimmter Positionen der alten Zollbegünstigungsliste mit Wirkung vom 1. 7. 1950 Zollbegünstigung im Weg der Stundung nicht mehr oder nur noch insoweit gewährt wird, als der tarifmäßige Zoll den ermäßigten Zollsatz übersteigt, der in dem Entwurf des neuen Zollbegünstigungsgesetzes vorgesehen ist. Bei der Alliierten Hohen Kommission scheint der Wille zu bestehen, der gestellten Bitte zu entsprechen. Verhandlungen über diese Liste vordringlicher Positionen sind am 28. 6. 1950 zwischen dem Customs Sub-Kommittee der Alliierten Hohen Kommission und Vertretern der Bundesministerien Finanzen, Ernährung und Wirtschaft erstmalig aufgenommen worden, konnten aber erst am 14. 7. 1950 zum endgültigen Abschluß gebracht werden. Ausgehandelt ist eine Liste mit den dort angegebenen künftig zu erhebenden Zollsätzen oder Streichungen bisher gewährter Zollbegünstigungen, für die aber noch durch das Customs Sub-Committee die Genehmigung der Alliierten Hohen Kommission eingeholt werden muß. Im Fall dieser Genehmigung sollen in der bisher angewendeten Zollbegünstigungsliste vom August 1949 die in der Vordringlichkeitsliste aufgeführten laufenden Nummern die jeweils dort angegebene Neufassung erhalten. Das bedeutet, daß bei allen aufgeführten Positionen die bisher gewährte Zollfreiheit entweder ganz in Wegfall kommt und durch den tarifmäßigen Zollsatz ersetzt wird oder einem Zollsatz in der jeweils in der Dringlichkeitsliste vorgesehenen Höhe Platz macht.
Völlig beseitigt wird die bisher gewährte Zollfreiheit für eine Reihe von Waren, darunter Rindvieh zu Schlachtzwecken. Gegenüber den Sätzen des Zolltarifs noch ermäßigte Zollsätze an Stelle bisher gewährter Zollfreiheit sollen für eine große Reihe von Waren eintreten.
Die fraglichen Änderungen gegenüber der bisher angewendeten Zollbegünstigungsliste können heute nicht mehr mit Wirkung ab 1. Juli 1950 in Kraft gesetzt werden, sondern erst mit Wirkung von einem noch zu bestimmenden künftigen Tage ab, falls die Alliierte Hohe Kommission die erbetene Zustimmung erteilt.
Die mit dem Customs Sub-Committee ausgehandelten Zollsätze der Vordringlichkeitsliste liegen zumeist unter den in dem ursprünglichen Entwurf des geplanten neuen Zollbegünstigungsgesetzes vorgegesehenen Sätzen, da das Customs Sub-Committee grundsätzlich den Standpunkt vertrat, daß die festzusetzenden Zollsätze in Übereinstimmung mit den im Entwurf für einen Wertzolltarif vorgesehenen Sätzen stehen müßten. Mit den ausgehandelten Zollsätzen glaubt jedoch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einen ausreichenden Schutz der heimischen Landwirtschaft sichergestellt zu haben.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Aussprache. Als erster hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kneipp zum Wort gemeldet. Nach der Verteilungsliste acht Minuten bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn etwas unsere Abhängigkeit vom Petersberg dokumentiert hat, dann ist es die Behandlung dieses Falles,
und wenn etwas für eine alsbaldige Revision des Besatzungsstatuts spricht, dann ist es gerade die Behandlung dieser Zollbegünstigungsliste.
Es steht ja in Ziffer 2 g des Besatzungsstatuts, daß in der Außenhandelspolitik und der Devisenwirtschaft die Hohen Kommissare noch besondere Rechte geltend machen können. Aber wir müssen heute im Rahmen dieser Aussprache erneut fordern, daß gerade dieser Punkt so rasch wie möglich abgeändert wird, und daß hier eine gewisse Souveränität, wenn
ich den Ausdruck gebrauchen darf, der Bundesregierung alsbald hergestellt wird.
Die Darlegungen des Herrn Finanzministers, die leider schlecht verständlich waren, haben uns das eindeutig ad oculos demonstriert.
Sowohl die Landwirtschaft als auch die Industrie, also die Gesamtwirtschaft ist daran interessiert, daß diese Zollbegünstigungsliste so rasch wie möglich abgeändert wird.
Als dieses Gesetz im Wirtschaftsrat im August vorigen Jahres über die Bühne ging, da hatten wir ganz andere Verhältnisse als heute. An die Stelle eines gewissen Mangels oder eines besonders großen Mangels vor allen Dingen auf dem Gebiete der Land- und Ernährungswirtschaft ist ein gewisser Überfluß eingetreten. Ich habe dieses Gesetz heute früh einmal nachgeprüft, wie es sich auf Landwirtschaft und Industrie verteilt. 48 der 68 Positionen erstrecken sich auf die Land- und Ernährungswirtschaft, und 20 Positionen auf industrielle Erzeugnisse.
Wenn ich mir vorstelle, daß z. B. Schaffleisch noch zollfrei eingeführt werden kann, während in Deutschland kein Landwirt seine Schafe zu mehr als 25 bis 28 DM je Schaf auf dem Markt überhaupt abstoßen kann, dann ist das doch ein Beweis, daß so rasch wie möglich eine neue Zolliste eingeführt werden muß.
Ich darf auch darauf hinweisen, daß damals, im August vorigen Jahres, die Konservenindustrie noch nicht in diesem Überfluß steckte, in dem sie heute steckt. Auch Konserven aller Art konnten damals zollfrei eingeführt werden. Heute erstickt unsere Konservenindustrie in ihren riesigen Vorräten.
Ich bin aber auch mit der gesetzlichen Behandlung des Falles durch die Regierung nicht ganz einverstanden. Das Parlament hätte damals, als diese Schwierigkeiten auftauchten, sofort Kenntnis bekommen müssen, und es hätte versucht werden müssen, meiner Ansicht nach auf dem Wege über ein neues Gesetz, den Gesetzgeber — das ist der Bundestag — damit zu befassen.
Ich stehe aber auch auf dem Standpunkt, daß die ganze Sache durch die Hohen Kommissare nicht formell einwandfrei verlaufen ist. Denn man hat ja keinerlei öffentliche Bekanntmachung irgendwelcher Art erfahren. Also wäre praktisch nach Ablauf des Zollbegünstigungsgesetzes das alte noch geltende Gesetz — das ist praktisch der Bülowsche Tarif des Jahres 1902 mit seinen Abänderungen 1925 und später — ohne weiteres in Kraft.
Man hat manchmal den Eindruck, als ob sich auf dem Petersberg Einflüsse geltend machten, die der gesamten Wirtschaft durchaus abträglich sind,
und es muß ein Sinn der Aussprache heute sein, die Hohen Kommissare auf dem Wege über ein in der Richtung einiges Parlament aufzufordern, diese Einflüsse auszuschalten.
Wird weiterhin das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich teile die Auffassung meines Herrn Vorredners, daß es sicherlich zweckmäßiger gewesen wäre, man hätte diese Angelegenheit hier vors Parlament gebracht, anstatt sie auf einer — sagen wir mal, mit allem Respekt vor allen Beteiligten — unteren Etage solange herumzuschleppen. Das wäre schon deshalb richtiger gewesen, weil hier doch für die Abgeordneten die Möglichkeit gewesen wäre, alle Gesichtspunkte gleichmäßig in Erwägung zu ziehen, die bei der Behandlung von Zollfragen nun einmal erwogen werden müssen. Nichts ist für unsere innere Ordnung gefährlicher, als wenn sich bei den Beteiligten — das mag die Landwirtschaft sein, mag die gewerbliche Wirtschaft sein, mag in einem Falle der Verbraucher, in einem anderen Falle der Erzeuger sein — der Eindruck festsetzt, als würden die jeweiligen Gesichtspunkte nicht berücksichtigt, als würden die Verhandlungen ein wenig einseitig geführt.
Wir haben bisher noch keine Gelegenheit gehabt, zu den einzelnen Positionen etwas sagen zu können. Die meisten von uns wissen nur andeutungsweise, um was da gekämpft worden ist. Deshalb war es uns leider nicht möglich, der Regierung in ihrem Bemühen, hier ein handelspolitisches Instrument von Wirksamkeit in die Hand zu bekommen, unsere Hilfe angedeihen zu lassen. Ich glaube, die Regierung hätte gescheiter daran getan, sich dieser Hilfe auch auf die Gefahr hin zu versichern, daß es vorher zu Auseinandersetzungen unter uns über die eine oder die andere Zollposition gekommen wäre. Ich würde es für dringend notwendig halten, daß uns nun wenigstens nachträglich noch so schnell wie möglich Gelegenheit gegeben wird, zu diesen Dingen Stellung zu nehmen. Noch haben wir die neuen Zollsätze nicht, noch können sie nicht angewendet werden, noch kann auch der Herr Finanzminister, dessen Ausführungen hier im Hause leider praktisch gar nicht verstanden werden konnten, dem Hause mitteilen, wann denn nun nach Fortfall des Importausgleichs und einiger anderer Maßnahmen neue Maßnahmen wirksam werden können. Wahrscheinlich haben wir alle das Bedürfnis, und wohl auch noch die Zeit, uns als Parlament in diese Angelegenheit einzuschalten. Deshalb möchte ich mit allem Nachdruck bitten, daß man von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, schon im Interesse der Verhinderung von Mißverständnissen, die, soweit mir bekannt ist, dadurch entstanden sind, daß nicht alle Beteiligten Gelegenheit hatten, sich um die einzelnen Positionen so zu kümmern, wie das in wichtigen Fällen doch wohl richtig gewesen wäre.
Meine Damen und Herren, wird das Wort weiter gewünscht? — Ich stelle ausdrücklich fest: das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache über Drucksache Nr. 1081 und erkläre damit die Interpellation als erledigt.
Wir kommen zu Punkt 3a und b der Tagesordnung:
3a) Beratung der Interpellation der Abgeordten Meyer , Dr. Bärsch, Blachstein, Bromme, Cramer, Kalbitzer, Frau Krahnstöver, Meitmann, Mertins, Lohmüller, Peters, Pohle, Stech, Steinhörster, Wehner und Fraktion der SPD betreffend Finanzierung des Baues von Hochseeschiffen (Nr. 952 der Drucksachen);
b) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Darlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, diese beiden Punkte gemeinsam zu behandeln, und zwar mit der Maßgabe, daß die Redezeit für die Herren Interpellanten auf 10 Minuten festgesetzt wird, für die Beantwortung durch die Regierung auf 10 Minuten, für die Einbringung des Gesetzentwurfs Drucksache Nr. 1018 auf 10 Minuten, und daß 60 Minuten für die Gesamtredezeit in Aussicht genommen werden. Ich habe zunächst Ihr Einverständnis einzuholen für die Festsetzung von 10 Minuten zur Begründung durch die Herren Antragsteller und von 60 Minuten als Gesamtredezeit. — Ich darf Ihr Einverständnis feststellen, und darf zugleich an den Herrn Bundesverkehrsminister appellieren, sich bei der Beantwortung der Interpellation und ebenso bei der Einbringung des Gesetzentwurfes mit je 10 Minuten zu begnügen.
Wer von den Herren Interpellanten wünscht das Wort zur Begründung? — Herr Abgeordneter Meyer .
Meyer (SPD), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, auch namens meiner Freunde, daß diese Interpellation erst heute, nachdem seit ihrer Einbringung wiederum zwei Monate verstrichen sind, zur Verhandlung gestellt wird. Die Interpellation enthält schon in Frage 1 einen Termin, den 31. Mai 1950, bis zu dem wir zu wissen wünschten, ob die für die Finanzierung des Neubaus von Hochseeschiffen, im wesentlichen also des Neubaus von Schiffen, die eine Wasserverdrängung von mehr als 2700 BRT haben, notwendigen Mittel zur Verfügung stehen, und zwar durch Aktionen des Bundes; denn daß die beteiligten Länder zum Anlaufen dieses Neubauprogramms aus eigener Initiative bereits Mittel
zur Verfügung gestellt bzw. für deren Aufbringung sich verbürgt haben, war uns hinreichend bekannt. Wir meinen aber, daß der Neubau der deutschen Handelsflotte eine Angelegenheit ist, die wir nicht nur den Beteiligten überlassen können, also den bei den interessierten Ländern domizilierenden Werften bzw. Reedereien, sondern eine Angelegenheit, die von wesentlicher Bedeutung für die gesamte deutsche Wirtschaft ist. Aus diesem Grunde bedauern wir außerordentlich, daß die Interpellation erst heute behandelt werden kann.
Ebenso aber bedauern wir, daß auch das Gesetz betreffend den Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte nicht früher zur Verhandlung gekommen ist. Bereits am 21. März hat der Herr Bundesverkehrsminister uns in seiner schriftlichen Antwort auf unsere Anfrage Drucksache Nr. 662 mitgeteilt, daß der Gesetzentwurf vorliege und dem Kabinett zur Beschlußfassung zugehen werde. Seitdem sind wiederum drei Monate verflossen. Das Parlament wird also, wenn nicht durch die Parlamentsferien noch eine weitere Verzögerung eintritt, wieder in die „angenehme" Lage versetzt sein, nunmehr mit Blitzesschnelle zu arbeiten, damit dieser Gesetzentwurf noch vor Beginn der Parlamentsferien verabschiedet werden kann. Wir erachten es für dringlich geboten, die deutsche Öffentlichkeit, insonderheit auch die als Auftraggeber am Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte wesentlich beteiligten Reedereien wissen zu lassen, wie die Länder mit Rücksicht auf die von ihnen im wesentlich vorfinanzierten und bereits jetzt in Auftrag gegebenen Schiffsbauten entlastet werden.
Wir erachten es im übrigen aber für ebenso dringlich, daß Klarheit darüber geschaffen wird, welche Denkvorstellungen die Bundesregierung darüber hat, woher die übrigen 150 Millionen beschafft werden sollen, von denen sie selbst bei ihren Presseveröffentlichungen im März und April wiederholt gesprochen hat. Diese Veröffentlichungen wurden mit dem Bemerken herausgegeben, daß die deutsche Öffentlichkeit sich nicht zu beunruhigen brauche, nachdem die Hergabe von der ECA abgelehnt war; dieses Programm von 250 Millionen DM werde durchgeführt und könne durchgeführt werden.
Besprechungen, die wir vom Verkehrsausschuß aus letzthin in Hamburg hatten, haben, soweit es sich dabei um Reedereivertreter handelte, Klarheit darüber geschaffen, daß es ohne Hilfestellung des Bundes kaum möglich sein wird, 150 Millionen DM am offenen Kapitalmarkt angeliehen zu bekommen. Wir erwarten also, daß über diesen Punkt Klarheit geschaffen wird; denn die Durchführung des Gesamtprogramms auch in diesem zunächst nur verhältnismäßig bescheidenen Umfang, dieses Programms für den Neubau von Hochseeschiffen, hängt wesentlich davon ab, daß insgesamt 250 Millionen DM für die Finanzierung zur Verfügung stehen.
Meine Damen und Herren, ich brauche zur Begründung unserer Interpellation nicht auf die Einzelheiten einzugehen; sie werden aus unseren Fragen klar. Die allgemeine volkswirtschaftliche Bedeutung des Wiederaufbaues einer Handelsflotte ist jedem Mitglied dieses Hohen Hauses, nehme ich an, hinlänglich bekannt. Aber auch im Hinblick auf die europäische Wirtschaftssituation erscheint es dringlich, nicht nur einen Anfang zu machen. Wir müssen vielmehr in der Planung des Wiederaufbaues unserer Handelsflotte darüber hinaus auch an die Fortsetzung denken, die im nächsten Jahre nötig ist. Nach uns gewordenen, allerdings nicht sehr einheitlichen Auskünften der beteiligten Vertreter sind die deutschen Werften jetzt zu etwa zwei Dritteln ihrer Kapazität beschäftigt. Wenn die deutschen Werften also ihre Arbeitsplatzkapazität auch über den Oktober dieses Jahres hinaus ausnutzen wollen und sollen, dann müssen sie notwendigerweise schon ab Oktober mit der Vorbereitung des Programms für das Jahr 1951/52 beginnen. Nachdem die Vorbereitung der jetzt in Aussicht gestellten Maßnahmen für 1950 bereits so lange Zeit erfordert hat, fürchten wir, daß wir bei der Vorbereitung künftiger Programme unter gleiche Zeitschwierigkeiten geraten werden.
Wir möchten deshalb in Verbindung mit unserer Interpellation die zusätzliche Frage an den Herrn Bundesverkehrsminister richten, wieweit die Vorbereitung oder die Weiterführung des Schiffsbauprogramms nach dem Jahre 1950 vorgesehen ist. Wenn wir richtig unterrichtet sind, befinden sich im ordentlichen Haushalt des Haushalts des Herrn Bundesverkehrsministers — der Haushaltsplan steckt noch im Entwurf — für die Finanzierung des 100 Millionen-DM-Programms 60 Millionen DM. Weitere 70 Millionen DM sollten aus ERP-Mitteln gewonnen werden. Nach den Mitteilungen, die der Herr Bundesverkehrsminister bei der Beantwortung unserer Anfrage Nr. 59 gegeben hat, müssen wir aber damit rechnen, daß von diesen 70 Millionen etwa 40 Millionen noch für die Finanzierung des Überhanges aus dem Jahre 1949/50 — Schiffe bis 2700 BRT — verwendet werden, so daß dann nur 25 Millionen DM verfügbar bleiben. Wenn diese 25 Millionen dann für die Finanzierung des Programms der sogenannten Flüchtlingsländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein verbraucht werden, stehen von den 100 Millionen dann in der Tat nur 60 Millionen zur Verfügung. Wir würden es begrüßen, wenn der Herr Bundesverkehrsminister uns
darüber recht eindeutigen Aufschluß geben könnte. Wir erachten es für dringend geboten, daß die Öffentlichkeit, die beteiligte Werftindustrie und der deutsche Schiffsbau endlich klaren Aufschluß darüber haben, wie sie im Interesse der deutschen Wirtschaft disponieren können.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Ausführungen des Herrn Interpellanten gehört.
Ich erteile nunmehr das Wort dem Herrn Bundesverkehrsminister und bitte ihn, nicht nur die Interpellation zu beantworten, sondern auch gleich den Gesetzentwurf einzubringen, weil wir für beide Punkte eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorgesehen haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Interpellation der SPD-Fraktion Drucksache Nr. 952 ist am 12. Mai bei dem Präsidium des Bundestages eingebracht worden. Bereits am 9. Mai lag dem Bundesrat der Entwurf des Gesetzes über Darlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen vor. Nachdem dieser Entwurf im Bundesratsausschuß für Verkehr behandelt worden ist und nachdem zu erwarten war, daß er dort verhältnismäßig glatt verabschiedet werden würde, habe ich mit Schreiben vom 26. Mai den Herrn Präsidenten dieses Hohen Hauses gebeten, die Interpellation zusammen mit der Einbringung des Gesetzentwurfs auf die Tagesordnung zu setzen. Wenn das den Wünschen der Herren Interpellanten nicht entsprach, dann hätte ich doch erwarten dürfen, daß ich' darüber unterrichtet wurde. Ich hätte selbstverständlich die Interpellation auch früher beantworten können. Aber ich legte Wert darauf, daß die Fragen, die ja zum Teil noch sehr ungeklärt waren, einigermaßen präzise beantwortet werden konnten.
Die Fragen der Herren Interpellanten wegen der Finanzierung des Baues von Hochseeschiffen beantworte ich im Namen der Bundesregierung wie folgt:
Zu Frage 1: Im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesfinanzminister sind 100 Millionen DM für die Finanzierung des Baues von Hochseeschiffen im Etatjahr 1950/51 im außerordentlichen Haushalt vorgesehen und werden daher zu gegebener Zeit zur Verfügung gestellt werden können. Die Vorfinanzierung für diesen Betrag erfolgt im Einvernehmen mit den Küstenländern durch diese Länder und ihre Bankinstitute.
Zu Frage 2: Eine gesetzliche Sicherung der von der Bundesrepublik gewährten Mittel zur Förderung des Schiffbaues ist in dem Gesetz über Darlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen nicht vorgesehen. Eine solche gesetzliche Bindung ist auch nicht zweckmäßig, da die Entwicklung in der Zukunft sich heute nicht genügend übersehen läßt. Von den für das laufende Etatjahr vorgesehenen und eingeplanten Mitteln werden etwa 90 % für den Neubau von Schiffen auf deutschen Werften zur Verfügung stehen und damit zur Verbesserung der Beschäftigungslage deutscher Arbeitskräfte dienen.
Zu Frage 3: § 4 des Gesetzentwurfes über Darlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen regelt die Gewährung von Aufbaudarlehen an neue Schiffahrtsunternehmungen.
Zu Frage 4: Die Bereitstellung der für des Etatjahr 1950/51 in Aussicht genommenen 250 Millionen DM ist in folgender Form vorgesehen:
1. 100 Millionen DM aus dem außerordentlichen Haushalt,
2. 105 Millionen DM über das Wiederaufbauprogramm der Bundesregierung,
3. 45 Millionen DM aus ERP-Mitteln der dritten
Tranche, die von deutscher Seite für den Bau
von Schiffen bis zu 2700 Bruttoregistertonnen
beantragt sind. Die Genehmigung der zuständigen ECA-Stellen ist hierfür noch nicht erfolgt.
Von den 300 Millionen DM des Arbeitsbeschaffungsprogramms, die von dem interministeriellen Ausschuß verteilt worden sind, wurden 25 Millionen DM zur Förderung des deutschen Schiffsbaues zur Erleichterung der Vorfinanzierung durch die Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen zur Verfügung gestellt. Diese 25 Millionen DM gehören also nicht zu den vorgenannten Summen.
Zu Frage 5: Die Zahlung aus der zweiten Tranche in Höhe von 35,83 Millionen DM für die Förderung des Schiffsbaues für Schiffe bis zu 1500 Bruttoregistertonnen ist von den zuständigen Stellen global genehmigt. Die Auszahlung wird nach der noch ausstehenden Objektgenehmigung durch die ECA- Verwaltung erfolgen. Die rund 40,75 Millionen DM aus der dritten Tranche für den gleichen Zweck sind zusammen mit den bereits genannten 45 Millionen DM, zusammen also rund 85 Millionen DM, für den Bau von Schiffen bis zu 2700 Bruttoregistertonnen beantragt. Die Genehmigung der zuständigen ECA-Stellen steht auch für diese Anmeldung noch aus.
Zu Frage 6: Die normalen Kreditmittel und die ERP-Kredite werden durch Schiffshypotheken gesichert. Falls diese Kreditmittel die Beleihungsgrenze der Schiffshypothekenbanken übersteigen, pflegen die Länder eine zusätzliche Bürgschaft zu übernehmen. Für die Wiederaufbaudarlehen im Sinne des Gesetzentwurfes zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen ist im Gesetz eine besondere Sicherung nicht vorgesehen. Jedoch kann diese Sicherung im Einzelfall jederzeit verlangt und durchgeführt werden.
Zu Frage 7:
a) Eine Verteilung der Darlehen oder Kredite über den Reederverband oder über den Verband der deutschen Werften erfolgt nicht. Die Verteilung erfolgt vielmehr durch das Bundesverkehrsministerium nach eingehender Beratung mit den Küstenländern.
b) Soweit bei der Verteilung der Wiederaufbaudarlehen nach Verabschiedung des Gesetzes über Darlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen interessierte Kreise zur Beratung zugezogen werden, werden auch die Vertreter der Gewerkschaften an diesen Beratungen teilnehmen.
Zu der von den Herren Interpellanten noch vorgetragenen Frage wegen der Weiterführung des Schiffbauprogramms bemerke ich, daß spätestens im September die entsprechenden Verhandlungen über die von den zuständigen Schiffsbauunternehmungen vorgelegten und gemeinsam mit den Ländern ausgearbeiteten Programme mit uns erfolgen werden. Auch in dem Programm, das wir für dieses Jahr durchgearbeitet haben, sind eine Reihe von Vorgriffen auf das nächste Jahr für neue Handelsschiffe bereits vorgesehen, und die entsprechenden Aufträge sind daraus auch schon erteilt, so daß eine laufende Beschäftigung der Werften, soweit sie im Rahmen dieses Wiederaufbauprogramms überhaupt
erfolgen kann, damit einigermaßen gesichert erscheint. Damit möchte ich die Interpellation beantwortet haben.
Ich komme nun, meine Damen und Herren, zur Einbringung des Gesetzes über Darlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen. Ich darf dazu bemerken, daß es sich hierbei um ein Gesetz handelt, das von ganz besonderer Bedeutung ist, und das ich Ihnen deshalb besonders ans Herz legen möchte.
Sie alle wissen, daß unsere Handelsschiffahrt durch den Krieg und seine Auswirkungen wohl einer der am schwersten betroffenen Gewerbezweige unserer Wirtschaft ist. Vor dem Kriege wurde die deutsche Handelsschiffahrt mit einer Flotte von rund 41/2 Millionen Bruttoregistertonnen betrieben. Im Jahre 1945 war davon ein großer Teil durch Kriegseinwirkungen verloren, und von dem Rest wurde der weitaus wertvollere und größere Teil von den Alliierten weggenommen. Im Gegensatz zu den meisten Unternehmen mit friedenswirtschaftlichen Aufgaben durften die deutschen Reedereien im Jahre 1945 mit dem Wenigen, was ihnen geblieben war, zunächst ihre Arbeit nicht wieder aufnehmen. Deutsche Schiffe durften zunächst überhaupt nicht, später nur in begrenzten Fahrtgebieten fahren. Die wenigen und kleinen Schiffe, die den deutschen Unternehmen und der deutschen Wirtschaft verblieben waren, waren zudem für einen Verkehr, der sich über die engstbegrenzten Kreise hinaus bewegt hätte, auch absolut ungeeignet.
Wenn also eine deutsche Handelsflotte wieder aufgebaut werden soll, dann muß sie bei dieser Sachlage aus dem Nichts heraus neu geschaffen werden. Ihr Wiederaufbau ist aber ein absolutes Gebot der wirtschaftlichen Vernunft. Das deutsche Volk, das in den heutigen Grenzen dichter zusammengedrängt ist als jemals, ist deswegen auch mehr als je in seiner Geschichte auf Ausfuhr und Einfuhr angewiesen, um sein Leben zu fristen. Es kann es sich einfach nicht leisten, sich die Einfuhrwaren direkt ins Haus liefern und die Ausfuhrwaren direkt von der Fabrik abholen zu lassen. Gerade ein Volk, dessen fast einziges Gut in der Arbeitskraft seiner Menschen steckt, ein Volk, das sich fast ausschließlich von dem Ertrage dieser Arbeit ernähren muß, muß danach streben, jede Art von Arbeit, die es selbst tun kann, selbst auszuführen, und darf dafür keine fremde Hilfe in Anspruch nehmen. Dies gilt ganz besonders für die Arbeiten, die für den Export ausgeführt werden. Ein Volk wie das deutsche muß also die Erlöse seines Exportes so weit wie irgend möglich steigern und muß andererseits die Ausgaben für die notwendigen Importe so niedrig wie möglich zu halten versuchen. Das Mittel, das uns zur Verfügung steht, um die Exporterlöse zu steigern und die Importbedürfnisse in ihrem Werte zu verringern, ist eine eigene Handelsflotte, mit der das Produkt deutschen Arbeitsfleißes dem ausländischen Abnehmer zugeführt und mit der die Rohstoffe und Nahrungsmittel, die die deutsche Industrie und der deutsche Arbeiter benötigen, herangefahren werden können. Die Schaffung einer Handelsflotte ist unter diesem Gesichtspunkt betrachtet eine nationale Aufgabe, eine Aufgabe des gesamten deutschen Volkes, so gut wie es die Schaf-lung von Wohnungen für die infolge des Krieges und seiner Folgen obdachlos gewordene Bevölkerung ist.
Die erste Maßnahme, die von der Bundesregierung und ihrem Vorgänger, dem Verwaltungsrat des
Vereinigten Wirtschaftsgebietes, zu ergreifen war, war und ist die immer zu wiederholende Vorstellung gegenüber den Besatzungsmächten, die einengenden Vorschriften, die der deutschen Handelsschiffahrt auferlegt waren, zu lockern und zu mäßigen. In dieser Hinsicht ist bei weitem noch nicht alles, aber doch ein gewisser Fortschritt erreicht worden, und zwar dadurch, daß an den Bau von Schiffen und damit an den Wiederaufbau der Handelsflotte herangegangen werden konnte. Bereits im Frühjahr 1949 ist in bescheidenem Umfange ein Bauprogramm entwickelt worden, innerhalb dessen Frachtdampfer bis zu 1500 Bruttoregistertonnen und kleine Küstenmotorsegler bis zu 300 Bruttoregistertonnen gebaut werden durften.
Die Unternehmen, die diese Schiffe in Auftrag gegeben haben, haben ihre letzten finanziellen Kräfte angespannt, um das damals aufgestellte Programm durchzuführen. Die Küstenländer haben für die langfristigen Kredite Bürgschaften geleistet. Der Bund hat die Mittel aus den Marshallplan-Gegenwertmitteln als langfristige Hypotheken zur Verfügung gestellt und hofft, sie weiter zur Verfügung stellen zu können. Noch ist allerdings die Finanzierung dieses Programms nicht völlig durchgeführt; aber wie ich Ihnen bei der Beantwortung der Interpellation sagte, hoffen wir trotzdem, daß die Einsicht, die wir seitens der ECA-Kommission erwarten, uns vor allem die Möglichkeit geben wird, die Überhänge aus diesem Programm zu finanzieren und seine notwendige Fortsetzung zur Entwicklung der Küstenschiffahrt durchzuführen.
Es sind allerdings große Schwierigkeiten eingetreten, die Sie alle kennen, weil man sich trotz der zweifellos auch im Ausland anzuerkennenden Bedeutung des Wiederaufbaus der deutschen Handelsschiffahrt in Amerika entschlossen hat, für den Wiederaufbau der deutschen Hochseehandelsschiffe keine Mittel aus den Gegenwertfonds zur Verfügung zu stellen, obwohl es doch gerade die Aufgabe dieser Handelsflotte sein wird, Deutschland den Zweck des Marshallplans erreichen zu lassen, nämlich die deutsche Wirtschaft auf eigene Füße zu stellen. Die Bemühungen der Bundesregierung haben schon im September 1949 mit allem Nachdruck eingesetzt, um das im Frühjahr 1949 zwischen den Alliierten abgeschlossene Washingtoner Abkommen über die Verbote und Beschränkungen der ihm unterworfenen Industrien auf dem Gebiet der Handelsschifffahrt in Kraft zu setzen. Sie wissen, daß dieses Abkommen nicht in Kraft gesetzt wurde, weil verschiedene Kommissionen sich mit den einzelnen Bestimmungen dieses Abkommens zu befassen hatten und diese Kommissionen sich bei ihren Arbeiten immer und immer wieder vertagten. Erst den Verhandlungen, die zu dem Petersberg-Abkommen vom November 1949 geführt haben, ist es zu danken, daß uns die Möglichkeit gegeben wurde, größere Schiffe, d. h. also auch Überseeschiffe, in Deutschland zu bauen und damit die Voraussetzungen für eine Beschäftigung unserer Werften zu erhalten.
Leider sind — das ist ja überall bekannt — der deutschen Seeschiffahrt trotz des Petersberger Abkommens noch höchst bedauerliche Beschränkungen auferlegt. Insbesondere müssen wir immer wieder feststellen, daß die Beschränkung der Geschwindigkeit unserer Schiffe es nicht gestattet, jeden Dienst, so wie es für die deutsche Volkswirtschaft erforderlich wäre, aufzunehmen und durchzuführen, und daß es deshalb das Anliegen des gesamten deutschen Volkes ist, daß diese Geschwindig-
keitsbeschränkungen in allererster Linie abgebaut werden und uns hier die erforderliche Freiheit gegeben wird. In dem uns heute gegebenen Rahmen können wir allerdings für bestimmte Zwecke doch Schiffe bauen, die wirtschaftlich verwendet werden können, und wir haben deshalb die Pflicht, die Möglichkeiten, die uns dieses Abkommen bietet, auch voll und ganz auszunützen. Dieser Ausnützung soll in erster Linie der vorliegende Gesetzentwurf dienen.
Anders als in anderen Gewerbezweigen, deren Substanz nicht so total vernichtet worden ist wie die der deutschen Reedereiunternehmungen, kann sich der Staat in diesem Falle nicht darauf beschränken, gewöhnliche Kreditmittel zum Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen. Das besondere Problem beim Wiederaufbau der deutschen Seeschiffahrt ist das Problem des fast völligen Mangels an Eigenkapital im Reedereigewerbe, hervorgerufen durch die fast völlige Vernichtung oder Wegnahme der Flotte und durch das Ausbleiben einer Entschädigung für die dabei entstandenen Verluste.
Mit diesem Sonderproblem befaßt sich der Gesetzentwurf in erster Linie. Er sieht zwar nicht vor, daß den Reedereiunternehmen öffentliche Mittel als Eigenkapital zur Verfügung gestellt werden. Das wäre auch bei der ganzen Lage unserer Finanzen und der Armut unseres Volkes nicht zu vertreten. Er sieht aber Wiederaufbaudarlehen vor, deren Zins- und Tilgungsbedingungen, wie Sie aus dem Entwurf und seiner genauen Begründung im einzelnen ersehen, so gestaltet sind, daß sie zur Not das fehlende Eigenkapital ersetzen können. Der Entwurf sieht davon ab, zu bestimmen, wieviel im laufenden Jahre an solchen Wiederaufbaudarlehen gewährt werden soll, wieviel in künftigen Jahren gewährt werden soll.
3) und wie lange das Gesetz in Kraft sein soll. Das geschieht deshalb, weil wir die Verhältnisse in den nächsten Jahren jetzt noch nicht vorausschauend überblicken können. Das Gesetz soll und muß daher ein Rahmengesetz sein, das einer jährlichen_ Ergänzung durch das Haushaltsgesetz bedarf. Diese Methode ist deshalb gewählt worden, um die Leistungsfähigkeit des künftigen Bundeshaushalts und die Wiederaufbaubedürfnisse der Handelsschiffahrt in den künftigen Jahren in Übereinstimmung zu bringen und hier insbesondere nicht heute Maßnahmen zu treffen, die einer gesunden und möglichen Entwicklung Fesseln auferlegen.
Ich habe in Beantwortung der Interpellation bereits ausgeführt, daß für dieses Jahr von der Bundesregierung für Wiederaufbaudarlehen über den Außerordentlichen Haushaltsplan 100 Millionen DM in Aussicht genommen sind. Das entspricht, da die Wiederaufbaudarlehen 40 % der Bau- oder Erwerbskosten eines Schiffes nicht übersteigen dürfen, einer Gesamtinvestition von 250 Millionen DM in diesem Jahre.
Über die Maßnahmen, die die Bundesregierung getroffen hat und noch beabsichtigt, um die weiteren 150 Millionen DM bereitzustellen, habe ich Sie ebenfalls bereits unterrichtet.
Wiederaufbaudarlehen sollen im allgemeinen den Reedern zur Verfügung gestellt werden, die Schiffe verloren haben, daneben, wenn auch in etwas beschränkterem Umfang, solchen Reedern, hei denen diese Voraussetzung zwar nicht zutrifft, die aber wenigstens in gewissem Umfang Eigenkapital zur Verfügung stellen.
Die Wiederaufbaudarlehen sollen zum Bau von Handelsschiffen auf deutschen Werften sowie zum Erwerb von Handelsschiffen im Ausland gewährt werden. Es muß in diesem Zusammenhang betont werden, daß der Erwerb von Handelsschiffen uns schneller in den Genuß von Devisenersparnissen bringt als der Bau von neuen Schiffen, daß aber der Erwerb von Handelsschiffen insofern beschränkt ist, als wir auf dem Weltmarkt nur alte Schiffe kaufen können, weil auch hier wieder einschränkende Maßnahmen der Besatzungsmächte unsere Dispositionen behindern:
Ich kann diese einleitenden Ausführungen, mit denen ich diesen Gesetzentwurf einbringe, nicht schließen, ohne noch besonders auf einen wesentlichen Tatbestand aufmerksam zu machen. Es ist der verantwortungsbewußten Haltung der Regierungen der Küstenländer zu verdanken, daß zu einem Zeitpunkt, zu dem das Wiederaufbaugesetz noch nicht beschlossen ist, das zum Bau von Schiffen notwendige Eigenkapital also noch fehlt, die deutschen Werften nicht leerstehen und ihre Arbeiter nicht unter Arbeitslosigkeit leiden, daß ferner die Zulieferindustrie, die im ganzen Bundesgebiet verstreut ist, und die darin beschäftigten Arbeitskräfte die Schiffsbauzulieferungsaufträge nicht vermissen müssen. Die Länderregierungen haben in Erwartung und unter Berücksichtigung der Zusage gesetzlicher Maßnahmen des Bundes die Vorfinanzierung des Schiffsbaus weitgehend begünstigt. Sie können diese Maßnahmen allerdings nicht ins Unendliche fortsetzen, ohne daß sie die erforderliche Rückendeckung durch ein Bundesgesetz im Sinne des Entwurfs erhalten. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß die enge Zusammenarbeit zwischen den Küstenländern und dem Bundesverkehrsministerium eine Vertrauensgrundlage geschaffen hat, die erst das Beschreiten dieses Weges ermöglicht hat.
Ich möchte Sie unter diesen Umständen darum bitten, daß der Gesetzentwurf im Plenum und im Verkehrsausschuß, in dem wir diese Fragen schon eingehend besprochen haben, so beschleunigt wie möglich behandelt wird, damit dieser Entwurf noch vor dem Ende der Sitzungsperiode und vor Beginn der Ferien in zweiter und dritter Lesung beschlossen werden kann. Ich möchte Sie darum um so mehr bitten, als die Voraussetzungen für diesen Gesetzentwurf in monatelangen Verhandlungen mit dem Bundesfinanzministerium, mit den Küstenländern, mit den verschiedenen Interessentengruppen — den Reedern, den Werften und allen anderen Gruppeneingehend beraten worden sind, so daß die jetzt vorliegende Form des Gesetzentwurfs, die Ihnen durch die ausführliche Begründung erläutert wird, wirklich das Ergebnis einer langen und schwierigen Arbeit darstellt, deren Erfolg wir nun nicht länger hinauszögern möchten.
Die Menschen, die in den Werften arbeiten, die Tausende von arbeitslosen oder in kümmerlicher berufsfremder Arbeit untergebrachten Seeleute warten auf den Abschluß dieses Gesetzes. Sie knüpfen daran nicht nur für dieses Jahr, sondern für die Dauer neue Hoffnungen und Erwartungen auf ihre für Deutschland zu leistende hochwertige Arbeit. Ich wäre dankbar, und ich glaube, daß es auch im ganzen deutschen Volk mit Dankbarkeit begrüßt würde, wenn die Zustimmung zu diesem grundlegenden Gesetz von einer möglichst großen Mehrheit dieses Hohen Hauses erteilt werden könnte. Durch diese Zustimmung des gesamten Hauses würden wir uns alle zu der Auffassung bekennen, daß der Wiederaufbau der deutschen Handelsschiffahrt nicht eine Angelegenheit der erwerbslosen See-
leute, nicht eine Angelegenheit unserer Hafenstädte, nicht eine Angelegenheit der Küstenländer, sondern eine Aufgabe und Verpflichtung des gesamten deutschen Volkes ist. Es ist erforderlich, sich zu dieser Auffassung zu bekennen, wenn das deutsche Volk seine Aufgabe für Europa richtig anfassen und erfüllen will.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Ausführungen des Herrn Bundesverkehrsministers zu der Interpellation Drucksache Nr. 952 und zu dem Gesetzentwurf Drucksache Nr. 1018 gehört. Ich eröffne nunmehr die Aussprache über diese beiden Drucksachen, und zwar mit einer Gesamtredezeit von 60 Minuten, wie sie vorhin beschlossen worden ist.
Als erster hat sich Herr Abgeordneter Gundelach zum Wort gemeldet. Bitte, 5 Minuten!
Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich sind auch der Meinung, daß angesichts der Lage, wie sie in der deutschen Handelsschiffahrt und in den Seeschiffswerften als Folge des verbrecherischen Hitlerkrieges und der Spaltung Deutschlands zu verzeichnen ist, etwas getan werden muß, um diesen unhaltbaren Zustand baldigst zu ändern. Wir benötigen dringend mehr eigene Handelsschiffe, um das Konto Frachtkosten in seiner Höhe, wie es aus dem Überseehandel für den gesamten Warenverkehr entsteht, wesentlich zu verringern. Es ist bekannt, daß uns infolge des zur Zeit bestehenden Zwanges, die Ein- und Ausfuhr fast ausschließlich mit ausländischen Schiffen zu bewältigen, Ausgaben von zirka 230 Millionen Dollar jährlich entstehen.
Wir Kommunisten sind aber auch der Auffassung,
daß der Bau von Schiffen auf eigenen Werften im Vordergrund stehen sollte. Erst in zweiter Linie und als Ausnahme sollte der Ankauf von Schiffen im Ausland in Betracht kommen. Der Bau von Seeschiffen auf eigenen Werften ist angesichts der Tatsache geboten, daß eine sehr große Zahl hochqualifizierter Fachkräfte für den Schiffsbau zur Verfügung stehen. Viele davon sind zur Zeit ohne Arbeit und wären sehr froh, wenn sie wieder eine ihrem Können entsprechende Beschäftigung erlangen würden. Es fehlt auch selbst in der Bundesrepublik nicht an Schiffsbaubetrieben. Die vorhandenen Betriebe sind nur zu einem Teil ausgelastet. Das trifft ganz besonders für die Werftbetriebe in Hamburg, Bremen, Bremerhaven, Lübeck und vor allem in Kiel zu, wo heute — fünf Jahre nach Kriegsende — immer noch ein sehr hoher Prozentsatz der Spezialkräfte ohne Arbeit ist. Der Bau von Schiffen auf eigenen Werften führt erfahrungsgemäß auch zugleich zu einer Belebung von zahlreichen Industriezweigen des Binnenlandes. Es sind recht erhebliche Beträge von den Gesamtsummen für Schiffsbau, die der inländischen Industrie zufließen, bei der ebenfalls zur Zeit ein sehr starker Mangel an Aufträgen besteht.
Was nun aber die Kreditgewährung anlangt, wie sie in der Gesetzesvorlage vorgesehen ist, so sind wir der Meinung, daß sehr gewissenhaft zu prüfen ist, wer die Kredite bekommen soll. Dabei ist von vornherein darauf zu achten, daß weder die Reeder noch die Schiffswerftbesitzer mit Hilfe dieser staatlichen Kredite Sonderprofite einheimsen. Nach unserer Meinung sollte das Hauptaugenmerk darauf gerichtet sein, möglichst vielen Arbeitnehmern einen Arbeitsplatz mit auskömmlichem Verdienst zu sichern; und um das zu erreichen, ist es nach unserer Auffassung notwendig, daß bei der Gewährung der staatlichen Darlehen an Reeder und Schiffswerften vor allem die Gewerkschaften und auch die Betriebsräte ein entsprechendes Wort mitzureden haben. Seitens des Herrn Ministers ist angedeutet worden, daß interessierte Kreise mit herangezogen werden sollen. Es kommt uns nicht nur darauf an, daß sie herangezogen werden, sondern daß insbesondere die Gewerkschaften und Betriebsräte auch mitzubestimmen haben. Diesbezügliche Forderungen der Gewerkschaften sind immer wieder auf den verschiedensten Gebieten der Wirtschaft erhoben worden; und es ist endlich an der Zeit, daß dem angesichts der Tatsache, daß über fünf bis sechs Millionen Arbeitnehmer in den Gewerkschaften organisiert sind, Rechnung getragen wird. Es muß nach unserer Auffassung endlich mit dem „Herr-im-Hause"Standpunkt, wie er besonders in der letzten Zeit immer stärker in Erscheinung tritt, Schluß gemacht werden. Ich verweise hier nur auf die Tatsache der Maßregelung des Betriebsratsvorsitzenden Harig, eines Mitglieds dieses Hauses, der auf der Hütte in Hagen-Haspe, wo er beschäftigt ist, nur deshalb gemaßregelt worden ist, weil er die Interessen seiner Belegschaftskollegen vertreten hat.
Ich erinnere weiter an die zwei Maßregelungen, die in der letzten Woche auf der Howaldt-Werft in Hamburg erfolgt sind, wo der Betriebsratsvorsitzende und der Jugendvertreter aus dem Betrieb ebenfalls nur deshalb entfernt worden sind, weil sie für die Interessen ihrer Belegschaft eingetreten sind.
Wir Kommunisten sind nicht grundsätzlich gegen die Gewährung von Krediten zum Aufbau einer eigenen Handelsflotte, aber unsere Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetz machen wir davon abhängig, daß die Forderungen, wie wir sie hier vorgetragen haben, auch die entsprechende Berücksichtigung finden.
Das Wort hat der Herr Ab- geordnete Dr. Bucerius. Zwölf Minuten.
Meine Damen und Herren! Ich mache den Vorschlag, um dem kommunistischen Kollegen zu folgen, daß wir den Betriebsräten im Rahmen dieses Gesetzes die gleichen Rechte einräumen, wie sie die Betriebsräte in der russischen Zone genießen, nämlich praktisch überhaupt keine!
Die Besetzung dieses Hauses zeigt kein mangelndes Interesse an dem Gesetzentwurf. Es dürfte aber richtiger sein, daß Gesetzentwürfe, wenn sie nicht streitig sind und keinen Anlaß zu erheblichen Auseinandersetzungen geben, zweckmäßigerweise doch in Zukunft die erste Lesung ohne Diskussion passieren.
Ich werde mich deshalb auch möglichst kurz fassen.
Eingehende Untersuchungen deutscher und ausländischer wissenschaftlicher Institute haben über die Frage, ob wir nach 1952, d. h. nach Ablauf des Marshallplanjahres, in der Lage sind, uns selbst zu erhalten, sehr überraschende Ergebnisse gezeigt, nämlich die Tatsache, daß die Aussichten unter zwei Voraussetzungen allerdings relativ günstig sind. Erstens: eine gewisse Zuführung ausländischen Kapitals als Kapital, nicht praktisch als Geschenk wie jetzt, auch nach diesem Zeitpunkt; und zweitens: die Heranziehung einer deutschen Handelsflotte zum Transport der Waren von und nach Deutschland.
9 Ganz kurz einige Zahlen. Das Import- und Exportvolumen addiert wird im Jahre 1952 nach den bisherigen Plänen 6 Milliarden Dollar betragen. Man rechnet den Anteil der Seeschiffahrt an diesem Export auf 10 °/o, das sind 600 Millionen Dollar allein Transportkosten. Wenn wir davon die Hälfte auf deutsche Schiffahrtslinien übernehmen könnten, wäre das ein Betrag von 300 Millionen Dollar.
Zuzugeben ist, daß der Bau von Handelsschiffen eine relativ teure Form für die Beschaffung von Arbeitsplätzen ist. Aber die mittelbare Wirkung der Seeschiffahrt ist außerordentlich groß. Die Seeschiffahrt ist ein ganz umfangreicher Auftraggeber für die deutsche Binnenwirtschaft. Ich brauche nur an den deutschen Kohlentransport und an die Kohlenbezüge der deutschen Seeschiffahrt zu erinnern.
Meine Damen und Herren! Der deutsche Handel braucht eine deutsche Seeschiffahrt. Es ist ein alter in den Küstenländern bekannter Satz: der Handel folgt der Flagge. Wenn wir keine eigenen, auf Deutschland zugeschnittenen Linien haben, sind wir darauf angewiesen, daß andere Linien unsere Wünsche erfüllen; und sie werden niemals in dem Maße bereit sein, den deutschen Exportwünschen, insonderheit den Wünschen deutscher Exporteure, so zu folgen, wie es eine deutsche Handelsschiffahrt ganz selbstverständlich nach den Erfahrungen, die wir in Deutschland gemacht haben, ohne weiteres tun wird. Also auch aus diesem Grunde kommen wir ohne den Wiederaufbau einer deutschen Handelsflotte nicht aus.
Die Form des Gesetzes, wie sie Ihnen vorgelegt ist, zeigt das Elend der deutschen Lage. Normalerweise wäre der Wiederaufbau einer Handelsflotte doch nicht anders vorzunehmen, als daß über den Kapitalmarkt die nötigen Mittel beschafft und in der Seeschiffahrt investiert werden. Davon ist keine Rede! Noch nicht einmal aus diesem Gesetz erfahren wir, welche Kapitalien nicht über den Kapitalmarkt freiwillig, sondern von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt werden. Wir haben soeben zum ersten Male vom Herrn Verkehrsminister gehört. daß der Herr Bundesfinanzminister aus den ohnehin schon schmalen öffentlichen Mitteln im ersten Jahr einen Betrag von 100 Millionen DM zur Verfügung stellen will. Ob die so vorzunehmende Kapitallenkung von öffentlicher Hand im Zuge der übrigen Lenkungsmaßnahmen der Wirtschaftspolitik in Westdeutschland — siehe Wohnungsbau! — richtig ist oder nicht, ist eine Frage, die wir zu entscheiden haben werden. Ich glaube, die Zahlen. die ich Ihnen eingangs gegeben habe, beweisen die Notwendigkeit, diese Lenkungsmaßnahmen so vorzunehmen, wie sie das Gesetz vorgesehen hat.
Ich möchte noch einen Punkt vorwegnehmen, weil er auch in der Interpellation berührt worden ist. In Punkt 3 der Interpellation ist nämlich an den Herrn` Verkehrsminister die Frage gerichtet:
Ist vorgesehen, Aufbaudarlehen unabhängig
von dem Zeitpunkt der Errichtung des Reedereibetriebes zu gewähren?
Also die Frage: Sollen nur die alten Reedereien, die schon 1945 bestanden, Darlehen erhalten oder auch die neuen Reeder? Der Regierungsentwurf hatte die Darlehensgewährung auf die alten Reeder beschränkt. Der Bundesrat hatte mit Recht eine Einbeziehung auch der neuen Reeder vorgesehen. Die Regierung hat erfreulicherweise diese Bestimmung übernommen, mit einer Beschränkung allerdings: während der alte Reeder 40 % des aufzubringenden
Kapitals als Darlehen erhalten kann, soll nach dem Bundesratsvorschlag und dem von der Regierung übernommenen Entwurf der neue Reeder nur 20 % erhalten. Ich halte diese Differenzierung für richtig. Der neue Reeder, der bisher noch keine Erfahrung im Reedereigeschäft gehabt hat, muß gehalten werden, seine Legitimation für dieses Gewerbe dadurch zu erbringen, daß er einen gewissen Kapitalbetrag in das Geschäft einschießt. Diese Summe muß als Risikobetrag für den Kreditgeber unter allen Umständen zur Verfügung gehalten werden. Jemand, der keinerlei Erfahrung auf diesem Gebiet hat u n d über kein Kapital verfügt — der Entwurf sieht ja grundsätzlich vor, daß der Gesamtbetrag für den Bau eines Schiffes vom Staat und den Hypothekenbanken aufgebracht werden soll —, kann nicht erwarten, daß er öffentliche Hilfe erhält.
Die Durchführung dieses Gesetzentwurfes wird an die Wirtschaftskraft und Opferbereitschaft des deutschen Volkes außerordentliche Anforderungen stellen. Die Küstenländer sind dem Hohen Hause für diese Anstrengungen zu hohem Dank verpflichtet. Das möchte ich als Vertreter eines Küstenlandes ganz ausdrücklich gesagt haben. Aber alle Opfer, die wir bringen, werden unzureichend sein, wenn die Besatzungsmächte hier nicht das tun, was die Stunde wirklich gebietet. Wir brauchen auf den Zwischenfall Korea nur am Rande zu verweisen. Die Frachtraten steigen schon in Auswirkung der sich infolge des Korea-Zwischenfalls ergebenden Verschiebungen auf dem Weltmarkt. Sollten einmal weitere Komplikationen im Fernen Osten an irgendeiner Stelle durch kriegerische Maßnahmen eintreten und sollte dadurch in gesteigertem Maße Schiffsraum beansprucht werden, so wird sich sehr bald ein ganz empfindlicher Mangel an Schiffsraum in der ganzen Welt herausstellen. Es ist dann nicht mehr sichergestellt, daß die Versorgung Europas mit überseeischem Getreide und anderen Nahrungsmitteln weiterhin reibungslos erfolgen kann. Hoffen wir, daß die Pessimisten nicht auch in diesem Fall wiederum recht behalten werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rademacher. 8 Minuten bitte.
Meine Damen und Herren! Zum zweiten Male habe ich die Ehre, vor diesem Hause von der „christlichen Seefahrt" zu sprechen. Das erste Mal hatte ich das Vergnügen, die Einheit des Hauses — bis auf ganz wenige Ausnahmen — zur Verabschiedung des ersten Gesetzes über den Aufbau der deutschen Seeschiffahrt zu erreichen. Ich darf im Anschluß an meine Herren Vorredner die Hoffnung aussprechen, daß das Darlehensgesetz, das wir jetzt behandeln, auch die gleiche Einmütigkeit und Billigung des Hohen Hauses finden wird.
Zu den vielen Zahlen, die Ihnen von meinen Vorrednern, insbesondere vom Herrn Bundesverkehrsminister, genannt wurden, möchte ich nur einige, ganz wenige hinzufügen: im Jahre 1937 hat die deutsche Seeschiffahrt 714 Millionen Mark an Seefrachten eingefahren. Davon betrug der Netto-Überschuß nach Abzug der natürlichen Ausgaben im Auslande immer noch 453 Millionen Mark.
Noch eine weitere Zahl, die außerordentliche Beachtung verdient; die Handelsbilanz der beiden Jahre 1937 und 1938 war mit 20 Millionen Mark passiv. In dieser Bilanz waren aber Aktiven von 850 Millionen Mark enthalten, die die deutsche Seeschiffahrt eingefahren hat.
In einem zweiten Bericht, den die OEEC 1950 herausgegeben hat, finden wir folgenden Satz, den ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten verlesen darf:
Dollarbeträge aus Seefrachten bilden einen großen Teil des Dollareinkommens der Teilnehmerländer. Zum Zwecke der von ihnen erstrebten Lebensfähigkeit ist es daher wichtig und für gewisse Länder sogar entscheidend, daß ihnen jede Möglichkeit zur Vergrößerung dieser Einnahmen geboten wird.
Meine Damen und Herren, ich glaube, diese Feststellung der OEEC trifft auf kein Land in solchem Ausmaße zu wie auf die deutsche Bundesrepublik.
Wir hatten 1939 ungefähr 70 000 bis 80 000 Seeleute in Lohn und Brot. Nach dem Zusammenbruch — mit den uns auferlegten Einschränkungen und den inzwischen wieder erfolgten wenigen Vergrößersingen der deutschen Handelsflotte — war es uns möglich, 10 000 Seeleute wieder in Lohn und Brot zu bringen. Das hier für das Jahr 1950/51 vorgesehene Programm, das ja in diesem Gesetz ziffernmäßig nicht enthalten ist, würde es uns ermöglichen, 4000 Seeleute wieder in Beschäftigung zu bringen, ganz abgesehen von der Ausnutzung unserer Werften, deren Kapazität nach den Feststellungen des Ausschusses für Verkehrswesen, der bereits Hamburg, Lübeck, Bremen und Cuxhaven bereist hat, es durchaus erlaubt, das Programm, wie es für das Haushaltsjahr vorgesehen ist, durchzuführen.
Meine Damen und Herren, auch ich möchte nicht weiter auf die Einzelheiten des Gesetzes eingehen, das wird Angelegenheit der zweiten und dritten Lesung sein. Ich darf nur noch einmal auf die Notwendigkeit hinweisen, so schnell wie möglich ein Gesetz zu verabschieden, das den Ländern den Rückfluß der Mittel ermöglicht, die sie dankenswerterweise zur Erhaltung der Arbeit auf den Werften bereits vorgestreckt haben.
Ich darf aber auch noch auf eines hinweisen und mich besonders an diejenigen Damen und Herren des Hauses wenden, die nicht aus den Küstenländern stammen. Es ist nicht so, daß der überwiegende Teil zum Wiederaufbau einer Seeschiffahrt den KüstenLindern anfällt. Genaue Untersuchungen haben ergeben, daß im Durchschnitt rund 40 % in den Küstenländern verbleiben. Es entfallen beispielsweise durchschnittlich 22 % auf das Land Nordrhein-Westfalen, ja es kommen 21 % für die Zulieferungsindustrie auf das Land Bayern. Ich glaube, diese Prozentsätze beweisen einwandfrei die ungewöhnliche Bedeutung für die gesamte deutsche Volkswirtschaft, nicht nur was das Einfahren von Devisen, sondern auch was die Arbeit innerhalb der deutschen Fabriken aller Länder usw. betrifft.
Der Ausschuß für Verkehrswesen hat bereits eine ausgezeichnete Vorarbeit bei diesem Gesetz geleistet. Ich habe Ihnen schon gesagt, daß er die Brennpunkte des deutschen Seeschiffahrtsbaues bereits bereist hat. Er hat bereits heute morgen sich mit diesem Gesetz erneut befaßt und ist bis auf eine ganz geringe Ausnahme mit seiner Meinungsbildung bereits fertig, um das zu erreichen, was der Herr Bundesverkehrsminister hier zum Ausdruck gebracht hat, nämlich unter allen Umständen Verabschiedung dieses Gesetzes in der zweiten und dritten Lesung, noch bevor das Parlament in die Ferien geht. Es handelt sich um ein Rahmengesetz, also um ein Gesetz, in dem, soweit es den Haushalt des Bundes betrifft, nicht eine einzige Ziffer enthalten ist. Es genügt also vollkommen, wenn das Hohe Haus meinem Antrage folgen würde, dieses Gesetz dem Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen, damit wir Ihnen unter allen Umständen in der letzten Woche vor den Ferien das Gesetz zur zweiten und dritten Lesung vorlegen können.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Wehner. 12 Minuten bitte!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über die volkswirtschaftliche Notwendigkeit, die diesem Gesetz zugrunde liegt, ist schon viel gesagt worden. Ich habe nicht die Absicht, dem von meinen geschätzten Herren Vorrednern abgefeuerten Zahlenfeuerwerk noch einige Raketen folgen zu lassen. Es ist ganz klar, daß es sowohl auf Grund der Einsparung und Einbringung von Devisen durch eigene Frachtschiffe als auch durch den arbeitsplatzschaffenden Charakter des Schiffsbaues dringend notwendig ist, zu einer Realisierung dieses Gesetzes zu kommen. Wir haben schon seinerzeit, als wir die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers beim Antritt seiner Regierung hörten und unsern Standpunkt dazu entwickelten, darauf hingewiesen, wie notwendig es ist, daß sich die Regierung an zentraler Stelle mit dem Schiffsbau und mit dem Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte befaßt, zumal wir ja in der gegenwärtigen Zeit allein 25 % der Marshallplan-Zuwendungen für Zahlungen für Transporte verbrauchen.
Es ist hier auf die Arbeitsbeschaffung für Seeleute und auf alles andere hingewiesen worden. Ich glaube, es ist weiten Kreisen klar, daß es sich bei diesem Gesetz um eine dringende Notwendigkeit
handelt. Aber ich glaube, wir sollten nicht die Augen davor verschließen, daß das Gesetz so, wie es jetzt vorliegt, immerhin nur mangelhaft geeignet ist, die eigentliche Lücke zu schließen; denn es ist ein Gesetz, das nichts über das erforderliche Volumen des deutschen Schiffsbaues aussagt. Ich will die Gründe hier nicht untersuchen. Ich meine nur, wir sollten uns darüber klar sein, daß darin also ein großer Unterschied dieses Gesetzes etwa zum Gesetz zur Förderung des Wohnungsbaues liegt. Im Falle des Wohnungsbaues waren wir uns einig darüber, wie wichtig es sei, ein Gesamtprogramm zu haben. Hier haben wir noch kein Gesamtprogramm. Ich finde, es wäre besser, wir könnten es haben.
Der Herr Bundesverkehrsminister hat uns heute gesagt, woher die fehlenden Gelder kommen sollen. Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Dies gilt nur für ein Jahr, und es besteht die große Gefahr, daß wir am Ende dieses Jahres vor der Notwendigkeit stehen, uns wiederum einen Schritt vorzutasten. Ich meine, das muß hemmend auf die Vorfinanzierungslust der Länder wirken, von denen ja in der jüngsten Vergangenheit der Schiffsbau gelebt hat.
Ich möchte einige für meine Begriffe etwas zu optimistische Worte des Herrn Bundesverkehrsministers ein wenig auf die richtige Stelle rücken, wenn er von einer Sicherung des Auftragsbestandes der Werften sprach bzw. nahe an diesen Begriff herankam. Die Werften sind für den, der Einblick in diese Dinge hat, keineswegs in einer sicheren Position. Sie schlängeln sich von Monat zu Monat durch. Ich will hier nicht darüber sprechen, wann für einzelne der bedeutenden Werften eine kritische Situation eintritt; aber sie müssen alle mit einer
solchen kritischen Situation in einigen Monaten rechnen. Das hat ja auch seine schwerwiegenden technischen Folgen für unseren Schiffsbau, denn der Schiffsbau kann ja nur dann auch für ausländische Rechnung erfolgreich arbeiten, wenn er auf der Höhe der technischen Leistung und Errungenschaften ist, abgesehen davon, daß uns jetzt noch eine Masse einengender Bestimmungen hemmt, die besonders den Schiffsbau für ausländische Rechnungen ganz ungebührlich schwierig, fast unmöglich macht. Es fehlt diesem Gesetz ein Überblick über die Höhe der Gesamtaufwendungen, die notwendig sind. Es besteht dadurch die Gefahr, daß wir wiederum Flickwerk machen.
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit noch auf einige Punkte richten, von denen ich meine, sie sollten kritisch behandelt werden. Es heißt von diesem Gesetz schon im Titel, daß es ein Gesetz über Darlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen sei. Wenn wir dann den § 1 ansehen, so taucht plötzlich das Wort „Wiederaufbaudarlehen" auf, das schon zu recht eigentümlichen Mißverhältnissen geführt hat; nämlich dann, wenn man sich dann dem § 2 zuwendet, von dem man den Eindruck bekommt, als handle es sich bei diesem ganzen Darlehensgesetz eigentlich um die Wiedergutmachung von Schäden, die der Teil unserer Handelsschifffahrtsunternehmen erlitten hat, der vor dem Kriege im Geschäft war. Es heißt ja, daß derjenige, der ein Schiff nach dem 31. 8. 1939 verloren hat, die Möglichkeit hat, ein solches Wiederaufbaudarlehen zu bekommen. Ich frage mich, ob — bei aller Hochachtung vor den großen Firmennamen auf dem Gebiete der Handelsschiffahrt — diese alten Firmennamen allein darlehenswürdig seien und ob man es sich unter unseren Verhältnissen leisten kann, neuem Kapital, das sowieso nicht allzu reichlich zur Verfügung steht, den Zutritt zu diesem Zweige unserer Wirtschaft noch mehr zu hemmen, als es ohnehin der Fall ist.
Meine Befürchtung ist, daß hier gewisse Tendenzen zu einer Monopolisierung unserer Handelsschiffahrt vorliegen. Gewiß, die Begründung, die die Regierung dem Entwurf gegeben hat, sagt, man müsse bei der Handelsschiffahrt besonders darauf achten, daß nicht durch spekulative Elemente Schaden angerichtet werde. Aber ich frage Sie, meine Damen und Herren: Bietet denn nicht die Tatsache, daß bei jedem einzelnen Darlehen die Darlehensansuchenden hinsichtlich ihrer Darlehenswürdigkeit geprüft werden, eine gewisse Sicherheit dafür, daß man auch bei solchen, die neu ins Geschäft kommen wollen und bei denen es sich sicher nicht nur um Leute handelt, die mit absolut leeren Händen kommen, die erforderlichen Garantien durch diese Prüfung haben kann, nicht aber dadurch, daß man die Scheidung nach dem Alter der Firmennamen vornimmt? Ich will mich mit diesen Einwendungen gegen eine Form der Benachteiligung, ja gegen eine Form der Diskriminierung von neuen unternehmerischen Kräften wenden, und ich möchte mich gegen Monopoltendenzen wenden, die vielleicht aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht so stark hervorklingen, die aber bei den Diskussionen, die ich erlebt habe, ganz unverkennbar waren.
Zum Schluß gestatten Sie mir noch einige Hinweise auf die Art, in der eine bestimmte Seite der Vorschläge des Bundesrats hier bei der Vorlage vom Kabinett behandelt worden ist. Es ist gesagt worden, daß die Forderung des Bundesrats, bei den Verordnungen, die das Kabinett im Zuge dieses Gesetzes erläßt, mitzuentscheiden, nicht anerkannt werden
könne. Das Kabinett beruft sich dabei darauf, daß nach Art. 80 Abs. 2 des Grundgesetzes die Zustimmung des Bundesrats nicht erforderlich sei. Ich bezweifle, daß das Kabinett hier einen richtigen Standpunkt eingenommen hat. Es ist andererseits erwogen worden, daß man unter Umständen für die Durchführung dieses Gesetzes durch einen Beirat, an dem die seefahrenden Länder beteiligt sind, eine gewisse Garantie für den Ausgleich von Interessen schaffen könnte. Im größeren Rahmen und Zusammenhang damit sollte eine Forderung der Gewerkschaften beachtet werden, die wir, glaube ich, nicht nur anmelden, sondern gründlich zur Kenntnis nehmen sollten. Es geht ja darum, einen großen Seeverkehrsbeirat zu bilden, der sich mit allen einschlägigen Fragen des Seeverkehrs befassen soll. Man sollte dieses Problem in dem Zusammenhang — Hinzuziehung der Gewerkschaften und nicht nur gelegentliche Hinzuziehung von Reedern und Werftverbänden — berücksichtigen.
Gewiß sind auch wir der Meinung, daß dieses Gesetz so bald wie möglich unter Dach und Fach kommen soll. Aber wir sind andererseits der Meinung, daß es kein guter Start sei, wenn man sagt, es habe schon einige Monate gedauert, ehe man mit den Referentenentwürfen im Ministerium und dann im Kreise der Kabinetts fertig wurde. so daß sich jetzt der Bundestag doppelt beeilen müsse, eben weil es vorher so lange gedauert hat. Das wäre schlecht. Wir müssen auch in diesem Fall die Bedenken, von denen ich einige vorgetragen habe, untersuchen und berücksichtigen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Walter. Bitte, 5 Minuten!
Meine Damen, meine Herren! Nach vielen mehr oder weniger schönen Reden über Bierpreise und Kinderspielzeuge dürfen wir uns heute auch einmal über die Seeschiffahrt unterhalten. 60 Minuten lang zwar nur, aber immerhin: das Eis ist gebrochen!
Ich möchte gleich auf die Ausführungen eingehen, die Herr Gundelach hier machte, als er die Forderung stellte, daß bei der Anwendung des Gesetzes über die Seeschiffahrt die Betriebsräte mit gehört werden müssen, und er die Andeutung machte, daß der Betriebsrat der Howaldt-Werke in Hamburg unrechtmäßig entlassen worden sei, weil er sich für seine Belegschaft eingesetzt habe. Wenn sich Herr Gundelach über die Ursachen der Entlassung genau erkundigen würde, würde er feststellen müssen, daß selbst das Schiedsgericht in Hamburg der Entlassung, und zwar der fristlosen Entlassung zugestimmt hat,
weil der Betriebsrat sich nicht für die Belegschaft eingesetzt hat, sondern für etwas ganz anderes. Wenn solche Betriebsräte bei der Anwendung des Gesetzes zum Aufbau unserer Seeschiffahrt mitzusprechen haben würden, dann könnte die Sache leicht einen ganz anderen Weg nehmen, als vorgesehen ist.
Ein paar Worte zu den Ausführungen bei der Einbringung der Interpellation. Der Herr Abgeordnete Meyer bemängelte die Initiative der Regierung, besonders des Verkehrsministeriums, und behauptete, daß die Einbringung der Vorlage viel zu lange Zeit gebraucht habe. Nun, es wird auch dem Herrn Kollegen Meyer kein Geheimnis sein, daß es gerade
seine internationalen Freunde gewesen sind, die dem Wiederaufbau unserer Seeschiffahrt die allergrößten Hindernisse in den Weg gelegt haben,
und diese Freunde sind es heute noch, die uns nicht erlauben, unsere Seeschiffahrt so aufzubauen, wie wir es im Interesse unserer Wirtschaft und unseres Volkes tun müssen. Ich weiß, daß der große Vorwurf,
den der Herr Abgeordnete Meyer hier dem Verkehrsministerium machte, nicht berechtigt ist. Im
Gegenteil: die Vorlage für das Schiffahrtsgesetz ist eingebracht worden, und diese Vorlage ermöglicht es nun endlich, an den Aufbau unserer Seeschiffahrt heranzugehen; keine leichte Aufgabe!
Immerhin: es ist geschafft worden. Ich habe immer das sehr merkwürdige Empfinden : wenn gegen das Verkehrsministerium losgezogen wird, dann merkt man eine gewisse Absicht, und man ist verstimmt. In diesem Falle trifft es bestimmt nicht zu, daß das Verkehrsministerium seine Pflicht nicht erfüllt habe, sondern es hat die Schwierigkeiten, die Hindernisse, die ihm bei der Fassung dieses Gesetzes entgegenstanden, zu beseitigen gewußt. Der Regierung ist meiner Ansicht nach — und unsere Seeleute und Werftarbeiter verstehen es — Dank dafür zu sagen, daß wir endlich mit dem Aufbau unserer Handelsflotte beginnen können.
In diesem Zusammenhang habe ich nun noch einige Wünsche vorzutragen. Zunächst einmal sollten wir nie vergessen, daß wir noch eine Walfangflotte aufzubauen haben. Im Zusammenhang mit. der Seeschiffahrt, im Zusammenhang mit der Großschiffahrt müssen wir immer wieder darauf hinweisen, daß uns der Bau einer Walfangflotte erlaubt werden muß und daß die Mächte, die dem jetzt noch entgegenstehen — es sind dieselben, die uns bei dem Aufbau unserer Handelsflotte die Schwierigkeiten machen —, endlich einsehen sollten, daß es nicht nur im Interesse der deutschen Wirtschaft, sondern im Interesse der gesamten Weltwirtschaft liegt, wenn unsere Walfangflotte wieder hinausfahren kann, um das für uns notwendige Öl heranzuschaffen.
Weiter habe ich einen Wunsch vorzutragen, den unsere Seeleute besonders hegen. Da möchte ich die Bundesregierung und das Verkehrsministerium ersuchen, nach der Fertigstellung des Gesetzes für den Aufbau der Handelsflotte an die Ausarbeitung eines neuen Seemannsgesetzes, einer neuen Seemannsordnung heranzugehen. Denn die alte vom Jahre 1902 ist wirklich schon überlebt. Sie war der Grund und die Ursache dafür, daß unsere Seeleute immer als Menschen zweiter Klasse behandelt wurden. Das muß aufhören. Wir haben allen Grund, in unserer Bundesrepublik auch eine Seemannsordnung zu schaffen, die unserem neuen Bundesstaat gerecht wird, und ich hoffe, meine Bitte nicht vergebens auszusprechen; denn ich spreche sie im Interesse und im Auftrage unserer Seeleute aus.
Das sind die Wünsche, die vorzutragen wären. Im übrigen bin ich auch der Meinung, daß wir keine Zeit verlieren dürfen, sondern dieses Gesetz so schnell wie nur möglich zu verabschieden haben. Unsere Seeleute und unsere gesamte Wirtschaft, unsere Werftarbeiter und unsere Werften warten darauf, daß sie beginnen können. An uns liegt es, diese Beschlüsse schnell zu fassen.
Erfolgen weitere Wortmeldungen? — Ich darf feststellen: das ist nicht der Fall. Damit schließe ich die Aussprache über die Drucksache Nr. 952 — Interpellation betreffend Finanzierung des Baues von Hochseeschiffen — und darf diese insoweit als erledigt erklären. Ich darf ferner Ihr Einverständnis damit feststellen, daß der Gesetzentwurf Drucksache Nr. 1018 dem Ausschuß für Verkehrswesen überwiesen wird. — Ich höre keinen Widerspruch; dann ist demgemäß beschlossen.
Nun kommen wir zu Punkt 4 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Biersteuergesetzes ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Nr. 1122 der Drucksachen).
Ich mache darauf aufmerksam, daß inzwischen drei Abänderungsanträge eingegangen sind: die Drucksache Nr. 1183 der SPD, die Drucksache Nr. 1184 von der WAV und die Drucksache Nr. 1192 von der Bayernpartei. Für das Procedere schlage ich vor, daß zunächst der Herr Berichterstatter spricht, daß daran anschließend zweckmäßigerweise die drei Parteien, die Abänderungsanträge eingebracht haben, diese mit einer entsprechenden Beschränkung der Redezeit kurz begründen, und daß darauf zunächst der Herr Bundesfinanzminister antwortet. Dann kann ja die Aussprache weitergehen. Im Ältestenrat haben wir für diese Gesamtaussprache — Berichterstattung des Ausschusses und allgemeine Aussprache — 60 Minuten vorgesehen. Ich hoffe, daß wir mit diesen 60 Minuten auskommen, auch einschließlich der Herren Antragsteller der Abänderungsanträge. An den Herrn Bundesfinanzminister darf ich appellieren, daß er im gleichen Sinn verfährt. Ich darf also das Einverständnis des Hauses mit dieser Redezeitregelung annehmen und erteile zunächst Herrn Abgeordneten Dr. Hasemann als Berichterstatter das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat am 15. Juni dieses Jahres den Ihnen mit Drucksache Nr. 1054 zugestellten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Biersteuergesetzes vorgelegt. Dieser Entwurf wurde in der 72. Sitzung des Hauses dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen überwiesen, der diesen Gesetzentwurf in seiner Sitzung vom 27. Juni 1950 behandelt hat. Das Hohe Haus hat sich bereits wiederholt mit der Frage der Biersteuer und der damit in Zusammenhang stehenden Frage des Bierpreises beschäftigt,
zum Teil durch unmittelbare Anträge in dieser Richtung, zum Teil mittelbar durch Anträge, die die Frage der Erhebung der Biersteuer durch die Länder oder den Bund betreffen. In allen Debatten kam zum Ausdruck, daß die Biersteuer einer alsbaldigen Herabsetzung bedarf.
Die Bundesregierung hat sich nun hinsichtlich der Senkung der Biersteuer aufgeschlossen gezeigt und hat das Abänderungsgesetz vorgelegt, das eine wesentliche Herabsetzung der Biersteuer vorsieht. Seit Oktober 1948 wird die Biersteuer sowohl in dem damaligen Vereinigten Wirtschaftsgebiet wie in den Ländern der französischen Besatzungszone nach einheitlichem Recht und einheitlichen Sätzen erhoben. Bis dahin galten Steuersätze, die durch Kontrollrats-
)gesetz Nr. 28 festgelegt und wesentlich überhöht waren. Ab Oktober 1948 wurden diese Sätze dann wesentlich gesenkt, wobei aber eine Staffelung je nach erzeugter Biermenge erfolgte. Seit dem 1. September 1949 wird auch wieder friedensmäßiges Vollbier mit 11 bis 14 % Stammwürzegehalt hergestellt, das mit 24 bis 27 DM Steuer pro Hektoliter belegt ist, während vor dem Krieg die Steuer für die gleiche Kategorie Bier nur 10,50 bis 13 RM pro Hektoliter betrug.
Durch die Erhöhung der Biersteuer auf mehr als das Doppelte des Friedensbetrages im Verein mit der Verteuerung der Rohstoffe und auch der Erhöhung der allgemeinen Unkosten ist natürlich auch der Bierendpreis, den der Verbraucher zu zahlen hat, wesentlich erhöht, was auf den Konsum einen entscheidenden Einfluß hatte. Während in den Jahren vor dem Kriege der Verbrauch an Bier pro Kopf der Bevölkerung 50 Liter und mehr betrug, ist der Verbrauch heute etwa auf die Hälfte gesunken. Soll nun der Konsum wieder auf den Friedensstand oder wenigstens in die Nähe des Friedensstandes gebracht werden, so ist es klar, daß das nur durch eine wesentliche Verbilligung des Biers erreicht werden kann.
Eine wesentliche Verbilligung des Biers ist aber nur dann möglich, wenn nicht nur die Steuer allein gesenkt wird. Das Finanzministerium hat sich daher mit den Vertretern der Brauereiverbände und der Organisationen des Schankgewerbes in Verbindung gesetzt, damit auch die Erzeugerpreise der Brauereien und die Verdienstspannen der Schankwirte herabgesetzt werden. Die Verhandlungen waren erfolgreich, da das Finanzministerium die Senkung der Biersteuer von der Bereitwilligkeit der Brauer und Schankwirte abhängig gemacht
hatte, die ja schließlich und endlich durch die mit Sicherheit zu erwartende Umsatzsteigerung ein Äquivalent erhalten werden. Durch diese Vereinbarung ist es nun möglich, die bisherigen Verbraucherpreise für Bier um etwa 20 bis 25 % zu senken, was eine erhebliche Konsumsteigerung mit sich bringen dürfte.
Durch die vom Bundesfinanzministerium vorgesehene Senkung der Biersteuer von bisher 24 bis 27 DM pro Hektoliter auf immerhin 12 bis 15 DM pro Hektoliter, durch die die Steuer jetzt nur noch geringfügig über der Vorkriegshöhe bleibt, tritt natürlich zumindest vorübergehend ein erheblicher Steuerausfall ein. Errechnet man nach dem derzeitigen monatlichen Biersteueraufkommen das Jahresaufkommen auf etwa 300 Millionen DM, so würde sich das Aufkommen nach den neuen Sätzen auf etwa 162 Millionen DM verringern, was einen Steuerausfall von etwa 138 Millionen DM für die Länder des Bundes ausmachen würde. Wird sich der Umsatz, was wohl erwartet werden darf, von der Hälfte des Friedenskonsums wieder auf etwa vier Fünftel steigern lassen, so wird sich der Verlust an Steuern auf etwa 55 bis 60 Millionen DM verringern. Dieser Verlust muß zunächst hingenommen werden. Die Länder sind dazu auch bereit angesichts der Tatsache, daß durch die Steigerung des Konsums ja eine allgemeine Belebung der Brauindustrie sowie der Neben- und Zubringerindustrien mit allen Ihnen ja bekannten Entlastungserscheinungen für unser gesamtes Wirtschaftsleben eintreten wird. Der Bundesrat hat daher auch diesem Gesetz zugestimmt und nur eine einzige Änderung gewünscht, auf die ich noch zu sprechen kommen werde.
Der vorliegende Entwurf sieht in § 3 Abs. 1 wieder eine Staffelung der Steuersätze je nach der Ausstoßmenge der einzelnen Brauereien vor. Diese Regelung ist beibehalten, um gegenüber den Großbrauereien die Kleinbrauereien zu begünstigen, die einen wesentlichen Teil der vorhandenen Brauereien ausmachen. Ein Antrag auf Wiedereinführung der früher vorhandenen und dann durch Kontrollratsgesetz beseitigten Vorschrift, daß mehrere Brauereien, die für ein und dieselbe Person oder Gesellschaft arbeiten, bei der Staffelung als ein Betrieb angesehen werden, wurde vom Ausschuß mit 12 gegen 9 Stimmen abgelehnt.
Sehr eingehend diskutiert wurde der zweite Teil des § 3 Abs. 1, der die steuerliche Begünstigung der sogenannten Hausbrauer betrifft, die Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe sind und aus selbst gebauter Gerste Bier für ihren eigenen Hausbedarf herstellen. Diese steuerliche Begünstigung in Form einer 40prozentigen Ermäßigung der Steuer wird nur Hausbrauern gewährt, die nicht gewerbsmäßig fremdes Bier abgeben und die das erzeugte Bier nicht gegen Entgelt an fremde Personen abgeben. Ein Teil des Ausschusses sprach sich gegen diese Vergünstigung aus, da es sich um ein ausgesprochenes Steuerprivileg handle, das nur einem sehr kleinen Teil Bevorrechtigter zugute komme und das im Interesse einer steuerlichen Gleichstellung mit anderen auch landwirtschaftlichen Bierverbrauchern beseitigt werden müsse, zumal dieses Privileg auch große Steuerausfälle mit sich bringe. Auch die Vertreter der Brauereiverbände sprachen sich gegen dieses Privileg aus, da erfahrungsgemäß die einengenden Vorschriften nicht eingehalten werden, daß z. B. nur betriebseigene Gerste verarbeitet werden darf, daß die Höchstmenge an selbsterzeugtem Bier 15 Hektoliter pro Jahr bei Betrieben über 10 Hektar Größe nicht überschritten werden darf, daß schließlich das Bier nicht an Fremde abgegeben werden darf. Eine sorgfältige Kontrolle über die Einhaltung dieser Vorschriften ist nach Angabe des Finanzministeriums wegen der großen Zahl der Hausbrauberechtigten auch nicht möglich.
Ein anderer Teil des Ausschusses sprach sich für die Beibehaltung der Sondervergünstigung aus, da es sich um wohlerworbene Rechte der im wesentlichen bayerischen Hausbrauer handle. Es wurde dargelegt, daß in Bayern das Bier nicht ein Genußmittel oder gar Luxusgetränk sei, sondern daß man es als Hausgetränk betrachten müsse wie in anderen Ländern etwa Obstmost oder ähnliche Getränke, ja daß man es sogar als ein flüssiges Nahrungsmittel betrachten müsse.
Bei den privilegierten Betrieben handle es sich zumeist um Kleinstbetriebe von etwa 3 bis 4 Hektar Größe, die sich in einer besonderen Notlage befänden.
Auch ein Vertreter der Hausbrauer wurde im Ausschuß gehört. Dieser setzte sich naturgemäß auch für die Beibehaltung der Sondervergünstigung ein, da die Beibehaltung der Sondervergünstigung im übrigen nur einen sehr geringen Steuerausfall mit sich bringen würde, weil nicht alle Hausbrauberechtigten ihr Braurecht auch tatsächlich ausüben.
Der Antrag auf Beseitigung der Vergünstigung wurde schließlich mit 13 gegen 9 Stimmen abgelehnt. Zwei in der gleichen Richtung liegende Eventualanträge, die dahin gingen, erstens in § 3 Abs. 1 den Satz, der die Erhöhung der begünstigten Jahresmenge auf 15 Hektoliter für größere Betriebe festlegt, zweitens im letzten Satz des § 3 Abs. 1 die
Worte „gegen Entgelt" zu streichen, wurden mit dem gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt.
Die im Gesetz vorgesehene Neufassung des § 4 wurde vom Ausschuß angenommen. Gegen die in diesem Zusammenhang erfolgte Anregung, man solle das zum Export gelangende Bier aus der Steuerstaffel herausnehmen, sprach sich das Finanzministerium aus, da die Staffel lediglich den Zweck hat, die kleineren Brauereien gegenüber den größeren Brauereien zu schützen, und die kleineren Brauereien in der Regel nicht exportieren.
Die Neufassung der §§ 6, 9 und 10 wurde vom Ausschuß angenommen. Auch der Antrag des Bundesrats wurde gebilligt, dem § 10 Abs. 3 einen Schlußsatz beizufügen, dessen Wortlaut aus der Drucksache Nr. 1122 ersichtlich ist.
Es wurde angeregt, die Bestimmung des § 7 des Biersteuergesetzes bezüglich der Steuerfreiheit des Bieres, das die Brauereien an ihre Angestellten und Arbeiter abgeben, dahingehend zu ändern, daß das Bier nur dann steuerfrei ist, wenn das Recht auf Deputatbier auf Grund eines Tarifvertrages gewährt ist. Der Ausschuß war der Meinung, daß das nicht durch eine Änderung des Gesetzes, sondern durch eine Änderung des § 15 der Durchführungsbestimmungen festgelegt werden sollte. Der Ausschuß beschloß, mit einer diesbezüglichen Bitte an das Finanzministerium heranzutreten.
Zu § 16, der die Behandlung der Abfindungsbrauereien betrifft, wurde von einem Teil des Ausschusses der Antrag gestellt, die Benachteiligung der Abfindungsbrauereien zu beseitigen, die bei der Senkung der Biersteuer dadurch entstehen würde, daß diese Brauereien nicht ihren Ausstoß an Fertigbier versteuern, sondern im voraus nach der Menge des Rohstoffes, den sie einmaischen, veranlagt werden. Dem Einwand des Finanzministeriums, daß die Abfindungsbrauereien, die ja bei einer Erhöhung der Biersteuer Vorteile hätten, darum auch bei einer Senkung der Biersteuer die Nachteile in Kauf zu nehmen hätten, schloß sich der Ausschuß nicht an. Erst nach der ausdrücklich protokollierten Zusage, daß das Finanzministerium die bei der Steuersenkung für die Abfindungsbrauereien auftretenden Härten durch Verwaltungsanweisung beseitigen würde, stimmte der Ausschuß der Fassung des § 16 zu.
Dem § 1 des vorliegenden Gesetzes wurde auf Antrag noch der aus der Drucksache Nr. 1122 ersichtliche § 1 a zugefügt, der eine Ermächtigung des Finanzministers zur Veröffentlichung des Gesetzes und seiner Durchführungsbestimmungen im neuen Wortlaut vorsieht.
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen im Namen des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen die Annahme des Gesetzes Drucksache Nr. 1054 mit den Änderungen, die aus der Drucksache Nr. 1122 ersichtlich sind, zu empfehlen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen. Wir treten in die Aussprache ein, die auf 60 Minuten insgesamt festgelegt war. Als erster Redner hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Etzel, und zwar fünf Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir erkennen an, daß der vorliegende Entwurf eines Gesetzes es unternimmt, einen Exzeß in der Besteuerung des Bieres zu beseitigen, eine Besteuerung aufzuheben, die geeignet
war, den Konsum aufs stärkste zu drosseln, die Henne zu schlachten, die die goldenen Eier legen sollte.
Wir sind der Meinung, daß, wie der Herr Berichterstatter auch ausgeführt hat, die Grundlagen eines Friedenskonsums wiederhergestellt werden sollten. Das setzt aber voraus, daß auch die Friedensbesteuerung selbst wieder eingeführt und die Sätze, die vor den Erhöhungen bestanden, in Kraft gesetzt werden.
Wir haben uns daher erlaubt, einen Antrag einzubringen, der vorsieht:
Der Bundestag wolle beschließen:
§ 1 Buchstabe a wird dahin geändert, daß die Biersteuer für jedes Hektoliter der in einem Brauereibetrieb innerhalb eines Rechnungsjahres erzeugten Biermenge 10,50 bis 13,50 DM nach Maßgabe der Staffelung in § 3 des Biersteuergesetzes beträgt.
Es wäre ein leichtes für uns gewesen, aus propagandistischen Gründen unter diese von uns zur Annahme empfohlenen Sätze herunterzugehen, aber wir konnten und wollten nicht unberücksichtigt lassen, daß es sich hier um ein Steueraufkommen handelt, das den Ländern zusteht, und es kann nicht unser Wunsch sein, daß die finanziellen Grundlagen der Länder in einer so nachteiligen Weise beeinflußt und in Mitleidenschaft gezogen werden.
Es muß in Betracht gezogen werden, daß die Kaufkraft der Massen nicht höher ist als früher, daß im Gegenteil der Reallohn und das Realeinkommen weiter Kreise der Bevölkerung unter der früheren Grenze liegen. Dem muß durch eine Senkung der Biersteuersätze auf den Friedensstand Rechnung getragen werden.
Für den Fall, daß unser Hauptantrag nicht die Zustimmung dieses Hohen Hauses findet, haben wir uns erlaubt, einen Eventualänderungsantrag vorzulegen:
Der Bundestag wolle beschließen:
In § 3 des Biersteuergesetzes wird folgender Abs. 3 neu eingefügt:
„ Die Länder können die Steuersätze des Abs. 1 auf 10,50 bis 13,50 DM unter Berücksichtigung der festgelegten Staffelung ermäßigen."
Die Absätze 3 und 4 werden Absätze 4 und 5. Wir möchten die Möglichkeit schaffen, daß die Länder nach Maßgabe ihrer Verhältnisse — es bestehen ja zwischen ihnen sowohl hinsichtlich des Verbrauchs wie bezüglich der Erzeugung des Bieres wesentliche Unterschiede, ein wesentliches Gefälle —, ich sage, daß die Länder in die Lage kommen sollen, nach Maßgabe ihrer Verhältnisse eine solche Ermäßigung vorzunehmen. Wir berücksichtigen dabei, daß das Aufkommen aus der Biersteuer den Ländern selbst zufließt.
Wir bitten also, für den Fall, daß das Hohe Haus unseren Hauptantrag nicht billigt, dem Eventualänderungsantrag, den ich mir soeben vorzulesen erlaubt habe, die Zustimmung zu geben.
Meine Damen und Herren! Das Wort hat Herr Abgeordneter Seuffert, und zwar 12 Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben sehr wenig Zeit zur Verfügung, über ein so außerordentlich wichtiges und
anregendes Thema wie die Biersteuer zu sprechen, und obwohl dieses Haus sich ja schon seit längerer Zeit darüber einig ist, daß neben dem Kollegen Leuchtgens die Biersteuerdebatten in hervorragender Weise geeignet sind, eine gewisse Belebung in die Debatte zu bringen,
muß ich Sie doch bitten, meine Ausführungen trotz des Themas in der Trockenheit entgegenzunehmen, die die Kürze erfordert. Ich möchte mich auf die Begründung unserer Anträge — —
Herr Abgeordneter, das war natürlich eine Anerkennung des anderen Herrn Abgeordneten, nicht wahr?
Selbstverständlich! Ich glaube mich zu erinnern, daß ohne Widerspruch in diesem Hause festgestellt worden ist, daß der Bundestag wesentlich langweiliger wäre ohne den Kollegen Leuchtgens. Ich glaube, das war eine Anerkennung.
Ich möchte mich auf die Begründung unserer Anträge beschränken. Der erste Teil unseres Antrages bezieht sich auf das Hausbrauerprivileg. Ich will Sie nicht mit Ausführungen über Realbraugerechtigkeiten und ähnliches hier hinhalten. Tatsächlich handelt es sich auch gar nicht um eine so unvordenkliche Angelegenheit bei diesen Hausbrauern, die nur in bestimmten bayerischen Bezirken sitzen. Die Hausbrauerei war Anfang dieses Jahrhunderts aus wirtschaftlichen Gründen fast verschwunden, bis man damals aus praktisch denselben Gründen wie heute auf die Idee kam, ihnen durch Steuerprivilegien wieder auf die Beine zu helfen.
Ich möchte nur zwei Dinge hier feststellen. Bei
B) der Forderung der Hausbrauer handelt es sich nicht um bayerische Interessen, sondern es handelt sich um einen Konflikt und ein Problem, das nun einmal spezifisch in Bayern besteht. Gewisse Leute sind für die Hausbrauer, und sehr viele Leute in Bayern sind gegen die Hausbrauerprivilegien.
Es handelt sich bei den Hausbrauerprivilegien auch nicht um eine Maßnahme zugunsten der Landwirtschaft, sondern es handelt sich, wie Sie aus dem Gesetz selbst ersehen können, um ein Steuerprivileg zugunsten eines ganz bestimmten, vom Gesetz selbst auf den Aussterbeetat gesetzten Personenkreis, nämlich derjenigen, die im Jahre 1930 bereits begünstigte Hausbrauerei betrieben haben. Jeder andere Landwirt im übrigen Bayern — denn das Bier als Haustrank spielt in anderen Gegenden Bayerns genau so gut oder vielleicht noch in höherem Maße eine Rolle — und jeder Landwirt in einer Hausbrauergegend, der nicht im Besitze dieses Privileges ist, muß mit seinen landwirtschaftlichen Schwierigkeiten anders fertig werden. Tatsache ist, daß es sich um einen Personenkreis von etwa 30- bis 40 000 Menschen handelt. Der Steuerausfall, der hier eintritt, wird verschieden geschätzt, zwischen 2 und 5 Millionen. Aber selbst wenn er nur 2 bis 3 Millionen beträgt, halten wir ein derartiges, sachlich sonst nicht begründetes Privileg zugunsten eines so kleinen Personenkreises nicht für vertretbar.
Ich möchte nur abschließend feststellen, daß die ursprüngliche Stellungnahme des bayerischen Finanzministeriums — ich sage „ursprüngliche Stellungnahme" deswegen, weil sie bekanntlich aus gewissen Gründen inzwischen abgeändert worden ist — seinerzeit eindeutig besagte, irgendwelche
sachlichen Gründe für dieses Privileg gebe es nicht. Vielmehr sei eine außerordentliche Verwaltungsarbeit damit verbunden und eine Überwachung dieses Privilegs tatsächlich kaum möglich. Weiter hieß es dann:
Gleichwohl möchte ich, namentlich aus politischen Erwägungen, nicht empfehlen, die Wünsche der Hausbrauer in vollem Umfange abzulehnen. Ein gewisses Entgegenkommen halle ich für vertretbar.
Es ist tatsächlich so, daß in dieser Frage nur politische Erwägungen eine Rolle spielen. Für das Hausbrauerprivileg sind die Hausbrauer und natürlich Leute, die es für richtig halten, mit derartigen etwas monströsen Privilegien, sagen wir einmal, Wahlpropaganda zu betreiben.
Gegen das Hausbrauerprivileg sind eindeutig die Wirte und Brauer und ebenso die anderen Verbraucher in denselben Gebieten, die das Bier nach bayerischen Begriffen genau so notwendig haben und es weitaus teurer bezahlen müssen. Ebenso müßten dagegen sein alle anderen Landwirte, die für sich und ihr Gesinde diesen Haustrank genau so brauchen und die dieses Privileg nicht genießen.
Wir haben ferner einen zweiten Abänderungsantrag gestellt. Über dasselbe Thema liegen auch die Anträge der WAV und der Bayernpartei vor. Was den Antrag der WAV betrifft, so ist er ein hübsches Beispiel dafür, daß man jede beliebige Ziffer propagandistisch übersteigern kann.
Wir vermögen diesem Antrag schon aus dem Grund nicht zuzustimmen, weil wir der Ansicht sind, daß die erwünschten weiteren Bierpreissenkungen nicht nur zu Lasten der Steuergelder gehen können, sondern als Voraussetzung dafür die Beteiligung auch anderer Leute an der Preissenkung gefordert werden muß. Wenn derartige Senkungen, wie hier beantragt, heute durchgeführt würden, wäre diese Voraussetzung nicht gegeben.
Dieselben Gründe hindern uns, dem Antrag der Bayernpartei zuzustimmen.
Unser Antrag Drucksache Nr. 1183 sieht dagegen eine wohlabgewogene Regelung vor, die sich erstens in der Form einer Ermächtigung hält,
so daß im Rahmen dieser Ermächtigung noch alle
Voraussetzungen geprüft werden können, und die
sich zweitens — das unterscheidet uns von dem
Eventualantrag der Bayernpartei — nur auf Bier
bezieht, wie es lediglich in Bayern marktgängig und
absatzfähig ist, auf Bier also, das den Bierabsatz in
anderen Gebieten Deutschlands nicht stören kann.
Es ist davon gesprochen worden, daß eine solche Steuerermäßigung, obwohl sie ja nur den Landessteuersäckel. anginge, Auswirkungen beim Finanzausgleich haben müsse. Es ist hier nicht der Ort, darüber zu reden. Aber wir möchten heute schon sagen, daß unserer Überzeugung nach eine solche Ermäßigung nur vorgenommen werden sollte, wenn erstens die Bierpreissenkung, die dadurch erzielt wird, nicht nur durch Steuergelder finanziert wird und wenn zweitens eine vernünftige Garantie dafür besteht, daß durch eine solche Maßnahme das Steueraufkommen nicht gemindert, sondern erhöht würde. Daß das in absehbarer Zeit möglich sein wird, ist unsere Überzeugung.
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Diskussion über die Biersteuerfrage wird wahrscheinlich von sehr vielen Leuten immer wieder eines übersehen: daß es sich nämlich bei Bier und Bier um völlig verschiedene Nahrungsmittel handelt,
je nachdem, wie das betreffende Bier eingebraut ist.
Wir haben auf der einen Seite die Tatsache, daß
normales, gewöhnliches Schankbier ein Nahrungsmittel ist, ebenso unentbehrlich wie andere Dinge,
namentlich für Leute, die arbeiten müssen. Wir müßten unter allen Umständen gerade für dieses Nahrungsmittel, das für weiteste Kreise der Bevölkerung unentbehrlich ist, wenn sie bei Arbeitskraft bleiben wollen,
eine vernünftige Regelung finden, und zwar so, daß, wenn möglich, nicht viel höhere als die Friedenssteuersätze für dieses Bier erhoben werden.
Wir haben deshalb den Antrag gestellt, der Ihnen vorliegt, einen Antrag, der keineswegs eine propagandistische Übertreibung ist.
- Schauen Sie, meine Herren, das ist nur der Neid von Ihnen gegenüber der WAV
auf Grund der Wahlerfolge der WAV!
Wir sind es gewohnt, daß jeder Antrag, der von der WAV kommt, von Ihnen als propagandistisch bezeichnet wird. Wenn er aber von anderen Parteien kommt, dann ist er sehr vernünftig, siehe z. B. die Tatsache, daß der Antrag der WAV bezüglich Freigabe des Bierpreises, von dem wir uns eine wesentliche Senkung versprachen, und zwar in Einklang mit den Fachleuten, von Ihnen verlacht wurde, als er gestellt wurde, und damals von Ihnen als propagandistisch bezeichnet wurde, und Sie sind sogar über diesen Antrag zur Tagesordnung übergegangen! Dann aber wurde dieser unser Antrag von einer anderen Partei dieses Hauses wieder aufgenommen.
Herr Abgeordneter Loritz, Sie haben 5 Minuten, um zu Ihrem Antrag zu sprechen. Ich rate Ihnen, sprechen Sie zur Sache und nicht zu Dingen, die mit dem, was wir hier zu behandeln haben, weniger zu tun haben.
Die 5 Minuten Redezeit für mich sind übrigens noch nicht abgelaufen, Herr Präsident.
Jedenfalls wurde dieser Antrag dann von einer anderen Seite dieses Hauses wieder aufgegriffen, und jetzt ist er nun nicht mehr propagandistisch. — Das nur auf Ihre Zurufe hin!
Die Steuersätze, wie wir sie jetzt in unserem Antrag fordern, sind so, daß sie ungefähr um die alten Friedenssteuersätze herum liegen.
Wir wollen eine vernünftige Gruppierunghaben. Wir
wollen eine Staffelung, wie wir sie Ihnen vorschlagen, aus einer Reihe von Gründen haben, vor allem auch deshalb, weil wir das in der Verfassung garantierte Lebensrecht der kleinen und mittleren Brauereibetriebe in ihrem Konkurrenzkampf gegenüber den übermächtigen Großbrauereien schützen wollen. Deswegen haben wir hier eine Staffelung vorgesehen. Diese Staffelung soll und wird gerade dem Verbraucher zugute kommen. Sie ist auch keineswegs übertrieben. Es handelt sich hier um Sätze, wie sie finanztechnisch sehr wohl verantwortet werden können, auch von dem Herrn Finanzminister.
Um die Mindererträge auszugleichen, die durch unsere Ermäßigungsanträge eintreten könnten, haben wir für die zweite Sorte von Bier, das ein reiner Luxusartikel ist, nämlich für Starkbier, den Antrag gestellt, hier die Steuersätze um 125°/o zu erhöhen. Diesen Antrag halten wir selbstverständlich nur dann aufrecht, wenn der erste Teil unseres Antrages von Ihnen unterstützt und nicht etwa niedergestimmt wird; denn sonst hat es gar keinen Zweck, diesen zweiten Antrag zu stellen. Diese Erhöhung der Steuer für Starkbier wird die Einnahmeausfälle, soweit sie überhaupt eintreten — ich bezweifle, daß solche in Auswirkung der ersten Hälfte unseres Antrages auftreten werden —, absolut ausgleichen. Ich erlaube mir aber, noch einen Satz hinzuzufügen: durch eine Erhöhung des Konsums wird sich jede möglichst weitgehende Senkung der Biersteuer nicht etwa zum Schaden für den Fiskus auswirken, sondern dem Fiskus am Schluß sogar noch einen Mehrertrag bringen.
Es freut mich, daß in weiten Kreisen des Hauses Übereinstimmung darüber herrscht, daß die heutigen Biersteuersätze untragbar sind. Unser Antrag fordert solche Sätze für die Biersteuer, daß der Konsum wieder gesteigert werden kann, der Fiskus keinen Schaden erleidet und sowohl Verbraucher wie Erzeuger den Vorteil daraus haben. Das ist unsere Begründung zum Antrag der WAV.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich zu den gestellten Abänderungsanträgen Stellung nehmen!
Zunächst darf ich auf den Grundgedanken des Gesetzesvorschlages verweisen, über den Sie jetzt zu beraten und abzustimmen haben. Es ist der Gedanke gewesen, ein Lebensmittel, das für den einfachen Mann; für die breitesten Massen bestimmt ist, durch eine Steuersenkung zu verbilligen, den Absatz dieses Lebensmittels zu steigern und diese Steuersenkung in einem Rahmen zu halten, daß die Länder, denen das Erträgnis dieser Steuer zufließt, einen etwaigen Steuerausfall, der vorübergehend eintreten würde, tragen können.
Um dieses Ziel zu erreichen, war es selbstverständlich nötig, Verhandlungen zu führen, und zwar erstens mit den Ländern, die ja die Bezieher der Steuererträge sind und die die Verantwortung dafür haben, daß ihre Haushaltsvoranschläge durch dieses neue Gesetz und die Änderung der Tarife nicht zu stark beeinflußt werden. Zweitens mußte mit den Wirtschaftsverbänden verhandelt werden, um sicherzustellen, daß zusätzlich zu der Steuersenkung auch über ihren Rahmen hinaus eine Preisermäßigung erzielt wird, und zwar in einem Umfange, daß man damit rechnen kann, diese Preisermäßigung werde den Verbrauch steigern und den Steuerausfall, mit dem man in der ersten Zeit rech-
nen müßte, zum großen Teil ausgleichen und damit das ganze Gesetz in seiner wirtschaftlichen Wirkung für die Länder erträglich machen. Diese Verhandlungen haben Zeit beansprucht, und in der Öffentlichkeit ist schon Klage erhoben und gefragt worden, ob das Biersteuergesetz und die Senkung der Tarife nicht für diesen Sommer bereits zu spät kommen.
Das Gesetz ist in dem Ausschuß allen Parteien, auch denen, die heute Abänderungsanträge gestellt haben, zur Debatte gestellt gewesen, und in den Ausschüssen — das darf ich feststellen — sind Abänderungsanträge, die damals in Ruhe hätten debattiert werden können, nicht gestellt worden.
Diese Abänderungsanträge kommen nun heute in der letzten Stunde.
Die Abänderungsanträge sind in ihrer Wirkung so einschneidend und überschreiten die Grenzen, die einem Gesetz — auch in der Abschätzung der Ausgeglichenheit der volkswirtschaftlichen Wirkungen — gezogen sind, vielleicht mehr, als sich die Antragssteller selbst bewußt sind. Es wäre nicht günstig, wenn so wesentliche Änderungen eines Gesetzentwurfes, ohne daß die Gelegenheit von Ausschußberatungen und eines Erwägens der Gründe für und wider genützt worden ist, in der letzten Stunde jeweils rasch und vielleicht vorschnell zum Beschluß erhoben würden.
— Herr Dr. Baumgartner, stören Sie mich nicht!
Ich darf nun auf die einzelnen Abänderungsanträge eingehen. Ich darf zunächst zu den Abänderungsanträgen einen Grundgedanken wieder hervorstellen. Alle Abänderungsanträge haben die große Gefahr, daß der Gesetzentwurf überhaupt nicht oder zumindest sehr verspätet in Kraft tritt.
Es handelt sich um eine Steuer, deren Ertrag den Ländern zufließt. Es handelt sich um eine Steuer, bei der die letzte Entscheidung loyalerweise in der Hand der Länder liegen muß. Mit den beteiligten Ländern ist bisher verhandelt worden, und der ganze Gesetzentwurf entspricht den Wünschen, die die Länder, auch das hauptbeteiligte Bierland Bayern, ausgesprochen haben. Wenn nun über die Länder hinweg plötzlich Änderungen erfolgen, ist es loyal, daß mit den Ländern neuerdings verhandelt werden muß. Und ich kann bei allen Abänderungsanträgen sagen: ich habe den Eindruck, daß es den Ländern unmöglich sein wird, diesen Abänderungsanträgen zuzustimmen, was zur Folge haben würde, daß das Gesetz, wenn überhaupt, sehr verspätet in Kraft tritt.
Zu den einzelnen Änderungen darf ich folgendes sagen. In Drucksache Nr. 1183 ist die Frage der Hausbrauer angeschnitten worden. Die Frage der Hausbrauer ist meiner Überzeugung nach eine örtlich begrenzte, ausgesprochen bayerische Angelegenheit. Es ist eine Angelegenheit, die nach den örtlichen landsmannschaftlichen Verhältnissen zu erwägen und zu prüfen ist, eine Angelegenheit, die aus einem alten Recht und aus alten Gewohnheiten stammt. Ich glaube, es wäre nicht Sache dieses hohen Hauses, ohne genaue Kenntnis in die Verhältnisse eines Landes einzugreifen und gegen den Wunsch des Landes alte Rechte und alte Gewohnheiten zu beseitigen.
Ich möchte daher schon aus diesen Überlegungen
bitten, es bei dem zu belassen, was das beteiligte
Land auf diesem Gebiete dringend gewünscht hat.
— Dringend gewünscht hat!
Was nun den Antrag, § 3 des Biersteuergesetzes abzuändern, betrifft, so darf ich einmal eines erwähnen: Es scheint mir nicht richtig, wenn man annimmt, daß die Beschränkung dieses Antrages auf Vollbier mit einem Stammwürzegehalt von nicht mehr als 1,5 % praktisch bedeuten würde, daß es sich nur um eine bayerische Angelegenheit handelt, weil nur in Bayern dieses Bier üblich sei. Meiner Unterrichtung nach ist das nicht richtig. Meiner Unterrichtung nach spielt das Bier mit diesem Stammwürzegehalt in anderen Ländern auch eine ausschlaggebende Rolle.
Und nun zum Grundsätzlichen, meine Herren! Über die Frage, ob die Biersteuergesetzgebung in die Hand der Länder gelegt werden kann, ist in diesem Hause, wenn ich mich recht erinnere, bereits dreimal abgestimmt worden, und die Mehrheit des Hauses hat dreimal diesen Gedanken abgelehnt, und zwar aus einer sehr naheliegenden Erwägung. Es ist unmöglich, daß in einem Wirtschaftsgebiet, in dem die Wirtschaftszweige und die wirtschaftlichen Einzelbetriebe miteinander in Konkurrenz stehen — Dortmunder Bier wird in Bayern und bayerisches Bier wird in Dortmund getrunken —, der friedliche Wettbewerb der einzelnen Betriebe, durch eine verschiedenartige Steuergesetzgebung gestört wird.
Es ist der Grundsatz jeder Steuergesetzgebung, ein Grundsatz, den ich auch, nebenbei bemerkt, dem Ausland gegenüber vertrete, wenn Bevorzugungen für Ausländer im deutschen Steuerrecht verlangt werden, daß die Steuergesetzgebung nicht den einen Wettbewerber zuungunsten des andern Wettbewerbers begünstigen darf. Das ist nicht Aufgabe der Steuergesetzgebung.
Wenn nach diesem Grundsatz ein Ausgleich geschaffen werden soll — und jedes Land wird das Bedürfnis haben, sich gegen einen steuerlichen Vorteil zu schützen, der im Wettbewerb den Betrieben eines anderen Landes gegeben wird —, dann kommen wir wieder zu dem, was wir früher einmal hatten und was kein wünschenswerter Zustand ist: zu Ausgleichsabgaben unter den verschiedenen Ländern, zu einer Art verschiedener Zollsysteme innerhalb des deutschen Bundesgebietes.
Ich kann Sie versichern, meine Damen und Herren, daß die Länder selbst das nicht mehr wünschen und daß die Länder selbst infolgedessen Bedenken dagegen hätten, wenn auf einem solchen Gebiet eine verschiedene Steuergesetzgebung innerhalb der einzelnen Länderwirtschaftsgebiete im deutschen Bund herrschen würde. Dieses Bedenken gilt also nicht nur gegen den Antrag Drucksache Nr. 1183, sondern es gilt genau so gegen den Eventualantrag auf Drucksache Nr. 1192.
Meine Damen und Herren, ich möchte aber wegen der Steuersätze, die hier genannt sind, noch auf folgendes hinweisen. Ich habe schon erwähnt, daß der Grundgedanke des Regierungsentwurfs gewesen ist, über die Steuersenkung hinaus eine Preisermäßigung zu sichern. Diese Sicherung der Preisermäßigung ist mit dem Regierungsentwurf verbunden. Mit den Abänderungsanträgen ist eine
solche Sicherung der Preisermäßigung nicht verbunden. Es wäre die Gefahr vorhanden, daß nur die Steuer gesenkt wird, daß die Steuersenkung nur dem beteiligten Erzeuger zugute kommt und der Verbraucher keinen Vorteil davon hat, und das kann heute in unserer Haushaltslage und unserer volkswirtschaftlichen Situation nicht der Sinn einer Gesetzgebung sein, die die Verbrauchsteuer ermäßigen will. Der Sinn einer solchen Gesetzgebung muß immer sein, den breiten Massen, dem Verbraucher, und nicht einem einzelnen Wirtschaftszweig einen Vorteil zu verschaffen.
Ich muß also auch aus diesem Grunde gegen die Abänderungsanträge Bedenken erheben.
Ich erhebe auch insbesondere gegen den Abänderungsantrag Drucksache Nr. 1184 Bedenken, der unterschrieben ist „Loritz und Fraktion". Es ist in allen Dingen, auch beim Bier, eine große deutsche Tugend, Maß zu halten.
Es scheint mir, daß das Maß — nicht „die Maß" —,
daß das Maß auch bei diesem Antrag nach zwei Seiten hin nicht gehalten ist. Der neue Tarif, der hier vorgeschlagen wird, würde einen Ausfall an Steuern zur Folge haben, ohne daß unmittelbar der Vorteil für den Verbraucher, die darüber hinausgehende Preisermäßigung, gesichert wäre. Wenn der Antrag angenommen wird, ist damit zu rechnen, daß wohl die jetzt vereinbarte Preissenkung, aber keine Preissenkung darüber hinaus für den Verbraucher erfolgt. Sicherungsmaßnahmen liegen nicht vor. Der reine Steuerausfall, der hier in Frage käme, würde für die Länder 150 Millionen DM jährlich bedeuten.
Einen solchen Ausfall können die Länder nicht tragen, und ich halte es für ausgeschlossen, daß die Länder die Verantwortung dafür durch Zustimmung zu einer solchen Änderung des Gesetzes im Bundesrat übernehmen und ihre Haushaltslage damit vor der Welt günstiger darstellen, als sie in Wirklichkeit ist. Das Maß ist hier weit überschritten.
Das Maß ist ebenso in dem zweiten Teil des Antrages bei Starkbier überschritten,
wo an Stelle des Zuschlags von 50%, der nach der jetzigen Gesetzgebung vorgesehen ist, ein Zuschlag von 125 % beantragt wird.
Das würde zur Folge haben, daß die Steuer — nach den Sätzen des Gesetzentwurfes — bereits in der niedrigsten Stufe von 18 DM auf 27,50 DM gesteigert werden würde.
Das wäre eine Prohibitivsteuer. Das würde zur Folge haben, daß Starkbier für die breiten Massen praktisch überhaupt nicht in Frage kommt und infolgedessen wohl in der Herstellung überhaupt zurückgedrängt und wahrscheinlich eingestellt werden würde.
Das würde zur Folge haben, mein lieber Herr Loritz, daß jeder Verdacht, der Ihnen in diesem Hause vielleicht fälschlich vorgeworfen wird, mit dem Antrag seien wahlagitatorische Absichten verbunden, vollkommen schwindet; denn wenn Sie bei der nächsten bayerischen Landtagswahl in München als der Mörder des Starkbieres Wahlreden halten würden, dann würden Sie ja keine Erfolge erzielen.
Meine Damen und Herren! Ich wünsche und bitte, daß der Gesetzentwurf, den die Regierung Ihnen vorgelegt hat, möglichst rasch verabschiedet wird. Ich hätte gewünscht, daß er früher als heute, am 19. Juli, hätte verabschiedet werden können.
Ich möchte bitten, alles zu tun, um diesen Gesetzentwurf beschleunigt in Kraft treten zu lassen, und ich muß die Überzeugung aussprechen, daß alle Abänderungsanträge zum wenigsten eine sehr starke Verzögerung des Gesetzentwurfs zur Folge hätten. Das hätte vermieden werden können, wenn die Abänderungsanträge im Ausschuß gestellt worden wären, und es könnte jetzt noch vermieden werden, wenn die Antragsteller ihre Anträge nicht mit dem Gesetz verbinden, sondern sich vorbehalten, sie später als selbständige Anträge einzubringen. Ich bitte Sie also, den Gesetzentwurf möglichst heute und möglichst unverändert anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seien wir in dieser Frage möglichst einig; denn es ist nicht bloß eine bayerische Frage, sondern es ist eine deutsche Frage.
Der Durst der Germanen war eine gesamtdeutsche Angelegenheit,
und deswegen darf die Frage nicht einseitig behandelt werden. Wenn's nach meinem Gefühl ginge, würde ich zu den Abänderungsanträgen sagen, daß man überhaupt keine Biersteuer haben darf, sondern je nach dem Maß, daß der Biertrinker vertragen kann, einen Bonus für Biertrinken gewähren soll.
Daraus ersehen Sie, daß ich eine ganz andere agitatorische Wirkung für notwendig erachten würde.
Das Bier steht nun aber im Mittelpunkt nicht bloß der Brauereien und der Biertrinker, sondern auch des Fiskus. Die Damen und Herren wissen, daß, als die Biersteuer noch Sache der Länder war, eine tragende Säule des bayerischen Staatshaushalts das Aufkommen aus dem Malzaufschlag oder aus der Biersteuer gewesen ist. Die Dinge müssen infolgedessen mit dem nötigen Abmaß behandelt werden. Ich bin dem Herrn Finanzminister sehr dankbar dafür, daß er die Biersteuersenkungsvorlage gebracht hat, eine der vernünftigsten Vorlagen, die er eingebracht hat,
und ich möchte nicht, daß der gute Wille, den er da gezeigt hat, etwa verschoben wird; denn ich darf daran erinnern, daß der Ausgangspunkt der CDU/CSU-Anträge der war, diese Biersteuersenkung vorzubereiten. Dann ist die Sache weitergegangen. Dabei wurde uns ein Antrag abgelehnt, die Biersteuer in Bayern auf Grund eigener Gesetze
zu regeln. Die Damen und Herren von der SPD haben ja damals Gelegenheit gehabt, ihre föderalistische Gesinnung in höchstem Ausmaß zu beweisen; aber das ist seinerzeit ausgeblieben. Jetzt ist ein Antrag übriggeblieben, der nach meiner Überzeugung auch in der Form nicht tragbar ist, weil er gesetzestechnisch nicht vollendet ist.
— Machen wir keine schlechten Witze, Herr Kollege Strauß.
— Nein, das kommt auch gar nicht in Frage. Der Antrag ist gesetzestechnisch nicht vollendet, weil ja die Ausgleichsabgabe dazugehören würde. Man muß nämlich die Dinge in Beziehung zum Gesamtsteuergebiet der Westzonen bringen und kann nicht einseitig in einem Land die Biersteuer senken, sondern muß wegen der Übergangsabgabe beim Übergang in das andere Gebiet, in dem andere Steuersätze gelten, gleichzeitig Bestimmungen treffen.
— Dann müßte das in dem Antrag anders gefaßt werden. Nach meiner Überzeugung kann der Antrag so nicht laufen.
Der wesentliche Gesichtspunkt, von dem die Vorlage ausgeht, ist der, daß der Wunsch der Bevölkerung nach einer Bierpreissenkung endlich erfüllt wird. Wir müssen dabei möglichst rasch zum Ziel kommen. Deswegen haben wir unseren Antrag eingebracht. Ich habe das mit mehreren Freunden und mit Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion getan. Dadurch soll der Finanzminister ermächtigt werden, ab 1. August die Stundungen der Biersteuer insoweit in Kraft treten zu lassen, als es dem künftigen Biersteuergesetz entspricht. Das bedeutet, daß das Biersteuergesetz praktisch am 1. August zur Wirksamkeit gebracht wird. Das halte ich für viel vernünftiger, als Abänderungsanträge zu stellen, die nur wieder eine Verzögerung des Inkrafttretens der Bierpreissenkung herbeiführen.
Wir haben also das Ziel im Auge, die Bierpreissenkung möglichst bald in Kraft treten zu lassen. Deswegen wollen wir auch den § 2 dahin ändern, daß das Biersteuergesetz mit Wirkung vom 1. August 1950 in Kraft tritt. Ich glaube, darauf kommt es entscheidend an.
Die anderen vorliegenden Anträge — ich muß das sagen — wirken doch stark agitatorisch, weil sie in letzter Minute kommen.
Es wäre genügend Gelegenheit gewesen, die Anträge vorher einzubringen. Dann hätte sich der Finanzminister in den Verhandlungen mit den Beteiligten darauf einstellen können. Jetzt sind aber die Verhandlungen mit den Beteiligten, die monatelang gedauert haben, soweit abgeschlossen, daß die neuen Bierpreise für Nord und Süd schon in den Zeitungen zu finden sind, so daß also jetzt nur noch der Wille dahintergesetzt werden muß, diese Steuersenkung und damit die Bierpreissenkung sobald wie möglich in Kraft treten zu lassen. Die Bevölkerung wird das dann schon anerkennen; denn die Senkung von bisher 24 bis 27 DM pro Hektoliter auf 12 bis 15 DM stellt doch eine wesentliche Senkung dar. Außerdem müssen wir auch auf andere Faktoren Rücksicht nehmen — das darf ich hier nur leise andeuten —, damit wir keine Schwierigkeiten bekommen und die Biersteuersenkung und damit
die Bierpreissenkung sobald wie möglich in Kraft treten kann. Das ist der einzige Gesichtspunkt von praktischer Bedeutung.
Deswegen stelle ich namens der CDU/CSU-Fraktion den Antrag — und ich glaube, daß sich dem andere Parteien anschließen werden —, die Abänderungsanträge heute dem Ausschuß in dem Sinne zu überweisen, daß sie als Abänderungsanträge zu dem vom Bundestag angenommenen Biersteuersenkungsgesetz aufzufassen sind, so daß die Verabschiedung des Gesetzes nicht gefährdet wird. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen mag sich dann mit diesen Abänderungsanträgen zu dem Biersteuergesetz befassen.
Das ist das eine, was ich sagen wollte. Dann möchte ich aber auch noch auf folgendes hinweisen. Ich bitte Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, unter allen Umständen zu bedenken, daß man, wenn man vom Bier redet, auch ein bißchen was davon verstehen muß.
Das Bier ist im Süden gewiß ein Nahrungsmittel; aber es trägt auch zur Gehirnbelebung verzagter Leute bei.
Deswegen ist der Alkohol ein wichtiger Bestandteil des menschlichen Lebens, wenn er in mäßiger Form genossen wird.
Von diesem Gesichtspunkt ausgehend sind wir der Meinung, daß auf a 11 e Verhältnisse Rücksicht genommen werden muß;
und da muß ich Ihnen sagen, daß Sie von den Hausbrauern nichts verstehen. Die Hausbrauer sind nämlich eine besondere Spezies. Da handelt es sich um alte Rechte. Ich habe das im Ausschuß eingehend ausgeführt. Lassen Sie den armen Bäuerlein ihren Haustrunk! In Württemberg haben sie etwas anderes: da haben sie den Most. Die Verhältnisse sind überall verschieden. In Bayern ist immer auf die besonderen Verhältnisse Rücksicht genommen worden. Man soll die im Grundbuch eingetragenen Rechte respektieren. Deswegen habe ich die herzliche Bitte an Sie, diesen Bestimmungen des Gesetzentwurfs in dieser Form zuzustimmen.
Dem Herrn Kollegen Loritz würde ich empfehlen, sich ein Polster hintenhin machen zu lassen, damit er sich wieder vor der bayerischen Bevölkerung sehen lassen kann;
denn es versetzt jedem Münchener, jedem Bayern einen Dolchstoß ins Herz, wenn an den Salvator herangegangen wird. Die bayerische Bevölkerung freut sich schon das ganze Jahr über darauf, bis er am Josefstag wieder zum Ausschank kommt. Und ebenso ist es mit dem Oktoberfestbier.
— Herr Kollege Loritz, vom Biertrinken verstehen Sie auch so wenig wie von der Milchwirtschaft.
Ich bin also der Meinung, daß Sie den Vorschlag, der vom Ausschuß gekommen ist, und unseren Antrag auf Stundung der Biersteuer und Änderung des Zeitpunktes für das Inkrafttreten des Gesetzes auf den 1. August 1950 annehmen sollten. Verweisen Sie im übrigen die Abänderungsanträge als Änderungsanträge zu diesem Gesetz an den Ausschuß. Wenn das gesetzestechnisch nicht geht, dann bin ich der Meinung, meine Damen und Herren, daß wir den
Mut aufbringen müssen, die Agitationsanträge abzulehnen.
Die Damen und Herren haben dann noch Gelegenheit, diese Anträge erneut einzubringen; und dann können sie im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen beraten werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Meine Damen und Herren! Wenn ich versuche, mit einem ganz anderen Dialekt in diese bayerische Debatte einzugreifen,
so weiß ich, daß ich mich schwer tue, und ich bitte um Nachsicht.
— Ich wohne seit 25 Jahren in der neunhundertjährigen Stadt Nürnberg.
Wir haben als FDP die recht ungewöhnlich gewordene Freude, einem vom Herrn Bundesfinanzminister eingebrachten Gesetz in vollem Umfang zuzustimmen.
Wir finden, daß die Dinge in den Verhandlungen mit den Brauern und Wirten sehr gut vorbereitet sind. Ich komme mit leeren Händen, das heißt: ich stelle keine Abänderungsanträge.
Wir sind uns darüber klar, daß die Hausbrauerangelegenheit, um damit anzufangen, keine bayerische Angelegenheit ist — Herr Seuffert, Sie haben recht —, sondern das ist eine fränkische, und das ist manchmal ein gewisser Gegensatz.
Wir glauben, daß die Dinge sich in Jahrzehnten so entwickelt haben, daß wir wahrlich wichtigere Dinge zu tun haben, als da nun heute einzugreifen.
Wir stimmen dem Kollegen Horlacher hinsichtlich des Inkrafttretens des Gesetzes zu, obwohl wir nicht gerne möchten, daß das Verfahren der Stundungen, das bei Tabak und, wie wir vorhin gehört haben, auch beim Zollbegünstigungsgesetz ein wenig Mode geworden ist, immer mehr einreißt.
Wir wollen uns aber nicht, meine Damen und Herren, darauf einlassen, die Dinge kompliziert zu machen, wenn es einfach auch geht; oder wie man in Bayern sagt: warum einfach, wenn es kompliziert auch geht? Und, lieber Kollege Horlacher, es wäre eine ausgesprochene Komplikation, wenn wir jetzt bloß deswegen, weil die CSU nicht gern ablehnen will, den von Ihnen vorgeschlagenen Umweg gehen und die Anträge annehmen. Ich war hocherfreut, daß Sie im Verlauf Ihrer eigenen Ausführungen diesen Männerstolz vor Königsthronen zurückgewonnen haben und sagten: na, so schlimm wäre es nicht, wenn die Abänderungsanträge abgelehnt werden. Ich bitte also für meine Fraktion ausdrücklich — nicht eventualiter —, sämtliche Abänderungsanträge abzulehnen.
Nun hieße es, glaube ich, Eulen nach Athen oder Bier nach München tragen, wenn man zu diesen Abänderungsanträgen noch sehr viel sagen würde. Ich will mich deswegen für jeden auf einen Satz beschränken.
Was den Antrag der Bayernpartei angeht, so hat der Herr Kollege Etzel nicht mit der sonstigen
Wärme gesprochen, sondern er hat verteidigt, daß das so an der Grenze — der oberen natürlich! — der Propadandaanträge läge, was er wollte; und er hat auch etwas die Achsel gezuckt darüber, daß ausgerechnet er seinem eigenen Land nun weniger Einnahmen verschaffen will. Das genügt, glaube ich, zur Charakterisierung.
Was unsern geschätzten Freund Loritz angeht — der Antrag ist von Loritz, nicht von Loritz und Fraktion, meine Damen und Herren, das können Sie ruhig weglassen! —,
so sieht man ihm ja an, daß er leidend ist. Er ver-
dient Schonung. Der Arzt hat es ihm leider nicht
verschrieben, sonst wäre er heute nicht gekommen.
Aber, meine Damen und Herren, ich will ihn schonen, obwohl er es nach Ansbach und Kulmbach bei Gott nicht verdient!
Diese armen Leute, die in Ansbach und Kulmbach
an seinen Lippen hingen, haben eben leider nicht
die Kenntnisse, die dieses Hohe Haus zum Teil hat.
Sie erkennen nicht, Herr Loritz, daß Ihr Antrag mit dem Starkbier eine mörderische Absicht ist, die Ihnen schon vorgeworfen worden ist, nicht wahr?
Sie erkennen nicht, daß Sie nur auf Propaganda und auf Volksverdummung spekulieren; und ich hoffe, Sie werden es noch erkennen.
— Bitte, Herr Loritz, mich hat das nicht gerührt, als ich Sie kennenlernte, mich wird das nie rühren, einerlei, welche hohen Ämter Sie noch einmal in unserem Staate erklimmen werden.
Was den Antrag der SPD angeht, so ist er sicherlich in seinem zweiten Teil gut gemeint, aber die Voraussetzungen, die der Kollege Seuffert selbst aufgeführt hat — daß nämlich dann nicht nur durch Steuern eine Ermäßigung des Bierpreises eintreten soll, sondern auch durch Herabgehen der Brauer und der Wirte —, stehen im Antrag nicht drin und können ja auch nicht antragsmäßig gefaßt werden; und daß das Steueraufkommen sich letzten Endes dann doch nicht mindert, wie Sie annehmen, das sehe ich als eine Erkenntnis an, die Sie bei der Einkommensteuer mit aller Gewalt bekämpft haben, wie die Herren sich noch erinnern werden.
— Jeder Vergleich hinkt, aber manche Vergleiche sind erlaubt.
Ich bitte also, meine Damen und Herren, namens der FDP, die drei Abänderungsanträge bayerischer Provenienz abzulehnen, den Antrag Horlacher hinsichtlich des Inkrafttretens des Gesetzes dagegen anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Wönner. Herr Abgeordneter, Sie haben noch drei Minuten.
Meine Damen und Herren! Ich finde heute eine außerordentlich merkwürdige Situation hier. Der Herr Bundesfinanzminister hat sich ebenso wie unser verehrter Herr Kollege Dr. Horlacher als Zentralist aufgespielt, wie man das noch nie im Leben erfahren hat;
und dabei sind sie zum Teil von sehr falschen Voraussetzungen ausgegangen. Was insbesondere die Haltung der SPD zu dem ursprünglichen Antrag, die Biersteuer zu einer Landessteuer werden zu lassen, anlangt, darf ich doch wohl bemerken, daß es zum Zeitpunkt der Beratungen des Grundgesetzes wichtiger gewesen wäre, auf diese Dinge hinzukommen, und nicht etwa die Biersteuerfrage zum Gegenstand der ersten Änderung des Bundesgrundgesetzes machen zu wollen.
Was die Hausbrauer anlangt, hat mein Kollege Seuffert sogar sehr einschränkend gesagt, daß es sich um eine fränkische Angelegenheit handelt. Es ist noch nicht einmal eine fränkische Angelegenheit, es ist ein kleiner Ausschnitt aus dem fränkischen Raum. Es ist nämlich der Wahlkreis von Dr. Horlacher und der des bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Ehard, in dem die meisten Hausbrauer zu finden sind, so daß also der Abgeordnete Dr. Horlacher doch wohl in weitem Umfang pro domo gesprochen hat, wenn er hier für die Biersteuersenkung bei den Hausbrauern eingetreten ist.
Uns geht es aber nicht um dieses Privileg allein, sondern es geht uns um den Schutz des gewerblichen Brauertums; denn die gewerbliche Brauerei gerade im fränkischen Raum hat schon seit vielen Jahren, besonders seit dem Jahre 1945, härtestens um ihren Bestand gekämpft. Sie wissen es genau so gut wie ich, Herr Kollege Dr. Horlacher, daß deren Absatz' gebiete nach dem Osten durch die Zonengrenzen vollkommen abgeschnitten sind und daß sie auf einen minimalen Teil — höchstens 50 % — ihrer ursprünglichen Absatzgebiete beschränkt sind. In diesen Gebieten ist der Absatz so weit zurückgegangen, daß sie heute im Durchschnitt mit einer Kapazitätsausnutzung von 20 % dastehen. Diese Situation wird durch das Hausbrauwesen noch besonders verschärft. Die Betriebe werden offensichtlich von den Hausbrauern bedrängt werden; denn es läßt sich nicht leugnen — und auch das Finanzministerium in Bayern muß das zugeben —, daß eine ausreichende Überwachung der Hausbrauer gar nicht möglich ist. Das sind die Gründe, die uns dazu bewegen, gegen die Biersteuerermäßigung bei den Hausbrauern zu sein.
Nun zum Thema selbst. Herr Bundesfinanzminister, ich muß jetzt Ihre Erinnerungskraft etwas in Anspruch nehmen. Bei uns ist es durchaus nicht so gewesen, daß wir etwa der Meinung wären, die 2 Mark Biersteuerermäßigung sollen allein als Grundlage für eine Bierpreissenkung von 2 Pfennig für das Liter oder 2 Mark für das Hektoliter dienen. Ich glaube mich zu erinnern, Herr Bundesfinanzminister, daß ich vor etwa 2 Monaten Ihnen da draußen darüber Bescheid gegeben habe, wie die Verhandlungen in Bayern zu diesem Punkt stehen. Ich erkläre ausdrücklich, die 2 Mark weitere Biersteuerermäßigung sind unter der Voraussetzung erwogen, daß der Bierpreis in Bayern dann auf 70 Pfennig gesenkt werden kann. Die beiden Herren Vorsitzenden des bayerischen Brauerbundes und der Herr Ministerialdirektor Dr. Ringelmann — einer der Biersteuerspezialisten in Bayern — haben ja mit mir zusammengesessen, und wir waren uns darüber klar, daß bei einer weiteren Biersteuersenkung
um 2 Mark ein Bierpreis von 70 Pfennig pro Liter erreicht werden kann. So liegen die Fakten und nicht anders.
Ich will noch ein Weiteres sagen, Herr Bundesfinanzminister. Wir waren sogar klug genug, den Brauern noch eine Übergangsfrist zu gewähren, weil wir auch der Meinung waren, daß sie zur Zeit mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Wir haben erklärt, daß nach Inkrafttreten der jetzt in dem neuen Gesetz vorgesehenen Biersteuersätze erst nach Umlauf eines weiteren halben Jahres die Biersteuer um 2 weitere Mark gesenkt werden kann, damit die Preise der neuen Ernte sich auswirken; denn es kommt erschwerend hinzu, daß der Hopfen jetzt 2000 Mark pro Zentner kostet, während wir sonst üblicherweise 450 bis 600 Mark dafür bezahlt haben. Wir wollten die Brauereien gar nicht mit diesen ungewöhnlich hohen Unkosten belastet wissen, wir wollten ihnen Gelegenheit geben, diese wichtigen Rohstoffe billiger einzukaufen und damit den Bierpreis entsprechend zu senken. — Die Wirte müssen eben auch noch etwas nachlassen. Der Antrag Loritz ist nämlich gerade insofern besonders merkwürdig, als er in keiner Richtung feststellt, wie aus dieser verminderten Biersteuer nun tatsächlich ein verminderter Bierpreis entstehen sollte. Man hat offenbar die Absicht, den Wirten ganz besonders das Koterl zu kratzen.
Wir aber glauben, und das möchte ich abschließend sagen: Herr Bundesfinanzminister und auch Herr Kollege Dr. Horlacher, Sie wissen, es ist in Bayern nun einmal so: Bierpreis und Bierqualität müssen in einem ganz bestimmten Verhältnis zueinander stehen, wenn wir in Bayern das höchste Biersteueraufkommen, d. h. den höchsten Umsatz haben wollen. Wir dienen nämlich allen. Wenn wir mit dem Bierpreis auf 70 Pfennig herunterkommen, wird das bayerische Biersteueraufkommen ganz bestimmt höher werden, als es jetzt ist. Wenn wir auf 70 Pfennig kommen, dann werden die Brauereien ihren Umsatz entsprechend erhöhen können und unsere Leute werden zufrieden sein. Denn wir wissen aus Erfahrung: der Bierkonsum ist nun einmal in Bayern, weil er eine Lebensgewohnheit des Volkes ist, dreimal so hoch als in irgendeinem anderen Teil des Bundesgebietes sonst. Dem sollten wir Rechnung tragen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Strauß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf nur zwei Punkte aus den Ausführungen des Kollegen Wönner herausgreifen. Ich glaube, Herr Kollege Wönner, es ist doch nicht ganz richtig, wenn Sie hier den Wahlkreis des Kollegen Horlacher und des bayerischen Ministerpräsidenten zitieren. Es ist Ihrer Aufmerksamkeit, die sich ja sehr intensiv auf das Hausbrauwesen gerichtet hat, entgangen, daß in der Gegend von Schweinfurt, in der z. B. Ihr Kollege Op den Orth von Ihrer Fraktion in den bayerischen Landtag gewählt ist, das Hausbrauwesen in demselben Umfange vertreten ist, daneben in kleinerem Umfange auch in Württemberg. Hier handelt es sich um ein altes, verbrieftes, zum Teil im Grundbuch eingetragenes Recht, das immer schon bestanden hat und das immer selbstverständlich in einer gewissen Konkurrenz mit den gewerblichen Brauereien war, das aber auch immer seine Abgrenzung gegenüber diesen gefunden hat. Darum vertreten wir es, ohne Ihrem Vorwurf Recht zu geben, daß es sich hier um wahlkreistaktische
Gesichtspunkte handelt. Oder haben Sie hier bereits eines ihrer Mittel aus der Wahlkampfkiste der SPD für die kommenden Landtagswahlen in Bayern genannt und uns unterschoben?
Das zweite. Sie haben vorhin die Erinnerungskraft des Herrn Bundesfinanzministers in Anspruch genommen; es ist immer eine mühselige Angelegenheit, da gebe ich Ihnen schon recht.
Aber ich glaube, daß Ihre eigene Erinnerungskraft, Herr Kollege Wönner, Sie in dem Falle auch etwas im Stich gelassen hat. Ich habe nämlich gerade, was den 70-Pfennig-Bierpreis anlangt, eine noch sehr frische Erinnerungskraft, nämlich an ein Gespräch von gestern mit Ministerialdirektor Dr. Ringelmann, den Sie heute zitiert haben. Ringelmann müßte dann ja wohl einen doppelten Kopf oder eine doppelte Erinnerungskraft haben; denn er hat mir gestern am Telefon ausführlich erklärt, daß sowohl die Wirte als auch die Brauer in Bayern die weitere Bierpreissenkung ablehnen, wie auch das bayerische Finanzministerium sich aus den verständlichen etatmäßigen Gründen nicht damit einverstanden erklären konnte. Allerdings habe das bayerische Finanzministerium Ihnen gegenüber erklärt, Sie könnten den Antrag ja im Bundestag einbringen. Von Sonderverhandlungen mit Sonderergebnissen in Bayern, die zu einem 70 Pfennig-Bier führen, das wir beide gleich gern und sicher in gleich großem Umfange trinken würden — ich vielleicht etwas weniger als Sie —, kann keine Rede sein, und es gibt keine Möglichkeit dazu. Sie haben den Herrn Bundesfinanzminister mit seiner Erinnerungskraft zu Unrecht in Anspruch genommen, genau so wie Sie Ministerialdirektor Dr. Ringelmann ebenfalls hier umsonst bemüht haben. Ich wollte das nur richtig stellen und Ihnen, Herr Kollege Wönner, sagen, daß Sie hier nicht ganz recht haben.
— Wir verhandeln in München weiter.
Meine Damen und Herren! Es sind keine weiteren Redner gemeldet.
— Oder melden Sie sich zum Wort, Herr Abgeordneter Löfflad? Sie haben Ihre Redezeit verbraucht.
— Herr Abgeordneter Löfflad, Sie sollten die Gebräuche dieses Hauses kennen. Wenn nicht besondere Zeiten für die Begründung vereinbart werden, dann rechnet eben die Zeit, die man für die Begründung des Abänderungsantrages braucht, in die Zeit hinein, die der Fraktion zugeordnet ist. Anders ist hier noch nie verfahren worden.
Und ich werde nicht anders verfahren.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist zuerst über die Abänderungsanträge abzustimmen, und zwar sind wir in einer diffizilen Situation. Es ist der Antrag gestellt — ich weiß nicht mehr, durch wen —,
sämtliche Abänderungsanträge en bloc dem Ausschuß zu überweisen.
— Sie ziehen den Antrag zurück!
Dann haben wir nur noch die Anträge als solche zu bescheiden. Ich lasse zunächst über den Antrag abstimmen, der am weitesten geht. Das ist der Antrag der WAV auf Drucksache Nr. 1184. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt.
Der nächst weitgehende Antrag ist der Antrag der Bayernpartei auf Drucksache Nr. 1192, und zwar der Prinzipalantrag. Ich lasse für den Fall, daß dieser Antrag abgelehnt werden sollte, unmittelbar anschließend über den Eventualantrag der Bayernpartei abstimmen. Wer also für diesen Prinzipalantrag auf Drucksache Nr. 1192 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Abgelehnt.
Nun lasse ich über den Eventualantrag abstimmen, der weiter unten auf Drucksache Nr. 1192 steht. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Abgelehnt.
Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über die Anträge der SPD auf Drucksache Nr. 1183, und zwar zunächst über die Ziffer 1 der Drucksache. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit, der Antrag ist abgelehnt.
Dann zu Ziffer 2. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Das ist nicht ganz sicher! Darf ich noch einmal bitten: Wer für den Antrag ist — denn es war eben nicht ganz deutlich zu sehen —, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Das letzte ist doch die Mehrheit; abgelehnt.
Nunmehr lasse ich über den § 1 abstimmen. Wer für Annahme des § 1 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ich rufe auf § 2. Zu § 2 liegt ein Abänderungsantrag Dr. Horlacher vor.
— Doch: „Dieses Gesetz tritt am 1. August 1950 in Kraft", so lautet der Antrag Dr. Horlacher.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
— Vorerst hat der Herr Finanzminister das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich wollte zu der Entschließung sprechen. Die Entschließung sieht in Ziffer 2 vor, daß das Gesetz am 1. August in Kraft treten soll. Meine Damen und Herren, ich darf Sie — auch die Herren Antragsteller — darauf aufmerksam machen, daß das technisch nicht möglich sein wird, nachdem dieser Gesetzentwurf noch den Bundesrat passieren muß, weil der Gesetzentwurf gegenüber der Vorlage, die im Bundesrat im Ausschuß gewesen ist, wenn auch unbedeutend, geändert wurde. Es wird also technisch nicht möglich sein, den 1. August einzuhalten. Wenn infolgedessen die Fassung gewählt würde: „Das Gesetz tritt am 1. August in Kraft", dann würde wenigstens für kurze Zeit das Gesetz rückwirkend in Kraft treten. Das brächte unter Umständen Schwierigkeiten, und ich würde deswegen bitten, es doch bei der Entschließung Abs. 1 zu belassen, der ich zustimmen könnte, wenn
ich die notwendigen Voraussetzungen, Zustimmungen bestimmter Stellen, insbesondere der Länder, rechtzeitig erhalte.
Ziehen Sie den Antrag zurück, Herr Horlacher? Ich habe den Eindruck, daß die Ausführungen des Herrn Finanzministers sehr überzeugend waren.
— Dann lasse ich über diesen Abänderungsantrag abstimmen.
— Ich verlese ihn:
§ 2 erhält folgende Fassung:
„Dieses Gesetz tritt am 1. August 1950 in Kraft." Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit. Die Mehrheit ist offensichtlich dagegen. Abgelehnt.
— Bestreiten Sie das? Gut! Dann wollen wir noch einmal in die Abstimmung eintreten. Wer für den Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist keine sichere Feststellung möglich.
— Ich habe schon einmal wiederholt, Verzeihung! Wir müssen durch Hammelsprung abstimmen, es läßt sich nicht anders machen.
Wer für den Abänderungsantrag ist, den bitte ich, durch die Ja-Tür, wer dagegen ist, den bitte ich, durch die Nein-Tür zu gehen; die Damen und Herren, die sich enthalten wollen, durch die Mitteltür.
Die Schriftführer bitte ich, sich an die Türen zu begeben.
Meine Damen und Herren, darf ich Sie bitten, den Raum freizumachen! Wir können sonst nicht mit dem Hammelsprung beginnen. — Herr Kollege Neuburger, würden Sie Ihren Streit nicht lieber draußen im Korridor austragen?
Meine Damen und Herren! Wir beginnen mit der Abstimmung.
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Abstimmung ist geschlossen.
Meine Damen und Herren! Die Abstimmung hat folgendes Ergebnis gezeitigt: für den Abänderungsantrag 148, dagegen 134 Stimmen, 9 Stimmenthaltungen. § 2 in der Fassung des Abänderungsantrages ist angenommen.
Ich rufe nun § la auf. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich bitte um Entschuldigung, daß ich § 2 vor § la aufgerufen habe. Ich darf wohl Ihr Einverständnis annehmen, daß wir im Text die Reihenfolge umstellen: erst § la und dann § 2. — Es ist so beschlossen.
Wer für Einleitung und Überschrift ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
des Gesetzentwurfs. Ich eröffne die allgemeine
Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich rufe auf § 1. — Keine Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen. Wer für § 1 in der Fassung der Beschlüsse zweiter Beratung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Ist angenommen.
Ich rufe auf § 1 a. Wer für § 1 a in der Fassung der zweiten Beratung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Ist angenommen.
§ 2 in der Fassung der zweiten Beratung. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Ist angenommen.
Einleitung und Überschrift. — Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe. — Angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Entwurfs in der nunmehr beschlossenen Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Das Gesetz ist gegen einige wenige Stimmen angenommen.
Damit kommen wir zu der Entschließung. Der Antrag Strauß, Dr. Horlacher, Dr. Solleder und Genossen lautet:
Der Bundestag wolle folgende Entschließung zu diesem Gesetz fassen:
Der Bundesfinanzminister wird ermächtigt, ab 1. August 1950 die Biersteuer nurmehr in der Höhe zu erheben, wie sie in dem Änderungsgesetz vorgesehen ist. Die nach den bisherigen gesetzlichen Bestimmungen darüber hinausgehende Steuer wird gestundet.
Ich eröffne die Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme dieser Entschließung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Gegen einige wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes über den Entwurf eines Gesetzes über die Finanzverwaltung (Nr. 1146, 697 und 888 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Minister Dr. Spiecker. Ich erteile ihm das Wort zur Berichterstattung.
Dr. Spiecker, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen, Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß erstmalig ein Mitglied des Bundesrats diesem Hohen Hause Bericht erstatten darf, ist nicht nur eine Ehre für mich, sondern vor allem Ausdruck und, wie ich hoffe, verheißungsvolles Symptom für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den beiden durch das Grundgesetz geschaffenen gesetzgebenden Körperschaften.
Zu dem vom Bundestag in seiner 64. Sitzung am 12. Mai 1950 angenommenen Entwurf eines Gesetzes über die Bundesfinanzverwaltung hat der Bundesrat die Einberufung des Vermittlungsausschusses nach Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes verlangt. Er hat beantragt, den § 16 Abs. 1 dahin zu ändern. daß die Befugnis des Bundesministers der Finanzen, aus dem Aufgabenkreis der Hauptzollämter einzelne Arten von Geschäften allgemein oder für eine oder mehrere Abgaben an Behörden der Gemeinden oder Gemeindeverbände zu übertragen und die Übertragung gegebenenfalls zurückzunehmen, an die Zustimmung der zuständigen Landesregierung geknüpft wird.
Der Bundesrat hat ferner verfassungsrechtliche Bedenken gegen die im § 6 vorgesehene Einrichtung einer Bundesbauabteilung bei der Oberfinanzdirektion geltend gemacht und aus Gründen der Zweckmäßigkeit vorgeschlagen, die Aufgaben der Bundesbauverwaltung den Landesbaubehörden der Mittelinstanz auftragsweise zu übertragen.
Der Vermittlungsausschuß hat sich in seiner zweiten, dritten und vierten Sitzung am 20. und 28. Juni sowie am 12. Juli dieses Jahres mit diesen Fragen eingehend befaßt. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Änderung des § 16 wurde sofort einstimmig gutgeheißen und insoweit der Änderungsvorschlag unter Ziffer II der Bundestagsdrucksache Nr. 1146 gemacht. Eine besondere Begründung für diesen auf Zweckmäßigkeitsgründen beruhenden Vorschlag erübrigt sich.
In der Rechtsfrage, ob eine bundeseigene Bauverwaltung im Rahmen der Bundesfinanzverwaltung verfassungsrechtlich zulässig ist, waren die Auffassungen im Vermittlungsausschuß geteilt. Es wurden beachtliche Rechtsgründe für beide Auffassungen vorgetragen. Einerseits wurde auf die historische Entwicklung verwiesen. Im Jahre 1923 wurden die Bauabteilungen als Teil einer selbständigen, dem Reichsfinanzministerium lediglich unterstellten Reichsbauverwaltung in der Mittelinstanz bei den Oberfinanzpräsidien geschaffen. Sie waren nicht nur für die Errichtung und Unterhaltung der Bauten der Finanzverwaltung, sondern für die Bauten aller Ressorts und Verwaltungszweige zuständig. Daraus wurde gefolgert, daß die Bauabteilungen nicht als Teil der Finanzverwaltung, sondern als selbständige Verwaltung anzusehen sind, die nach den Bestimmungen des Art. 87 GG nicht als bundeseigene Verwaltung geführt werden darf. Andererseits wurde hervorgehoben, daß Art. 87 GG nicht herangezogen werden könne, da nicht die Ausführung von Bundesgesetzen in Frage stehe, sondern lediglich die sich aus dem Bundeseigentum ergebende Verwaltung bundeseigener Bauten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer bundeseigenen Bauverwaltung folge daher nur aus der Natur der Sache, wie beispielsweise auch bei Bundesbahn und Bundespost. Würde man, so wurde weiter argumentiert, eine bundeseigene Verwaltung verfassungsrechtlich für unzulässig halten, so würde gleiches auch für eine Bundesauftragsverwaltung gelten, da eine solche für die Bauverwaltung im Grundgesetz weder ausdrücklich bestimmt noch ausdrücklich zugelassen sei.
Da der Vermittlungsausschuß nicht in der Lage ist, derartige verfassungsrechtliche Zweifelsfragen eindeutig und mit bindender Wirkung zu klären, haben sich die weiteren Beratungen vornehmlich auf die Frage einer zweckmäßigen Lösung des Problems erstreckt. Dabei wurde erwogen, daß die vom Bundestag beschlossene Fassung nicht einmal die Möglichkeit vorsieht, in geeigneten Fällen die Aufgaben der Bundesbauverwaltung einer Landesbehörde in der Mittelinstanz auftragsweise zu übertragen. Das würde dem Interesse kleinerer Länder widersprechen und möglicherweise zusätzliche Kosten und vermehrten Personalaufwand herbeiführen. Andererseits mußte das berechtigte Interesse des Bundes berücksichtigt werden, durch den Bundesfinanzminister den erforderlichen Einfluß auf die Verwaltung seiner Bauten zu nehmen und insoweit nicht etwa von einem abweichenden organisatorischen Aufbau der Landesbauverwaltung abhängig zu sein, besonders dann, wenn in einzelnen Ländern die Bauverwaltung aus der Landesfinanzverwaltung herausgenommen werden sollte.
Die Berücksichtigung dieser verschiedenartigen Interessen hat schließlich zu dem Ihnen vorgelegten Vorschlag des Vermittlungsausschusses unter Ziffer I der Drucksache Nr. 1146 geführt, der sich um einen gerechten Ausgleich bemüht und, insbesondere durch die Bemühungen des Vorsitzenden unseres Ausschusses, einstimmig gefaßt worden ist. Der Vorschlag geht von der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit bundeseigener Bauabteilungen aus, denen, wie das nach der bisherigen Fassung des Gesetzentwurfs bereits der Fall ist, die Erledigung von Bauaufgaben eines Landes übertragen werden kann. Andererseits können auch die Länder nach wie vor bei der Oberfinanzdirektion Landesbauabteilungen einrichten und mit Verwaltungsangehörigen des Landes besetzen. Solchen Landesbauabteilungen soll nun der Bund — und das ist die Neuregelung — auf Antrag der Landesfinanzverwaltung auch die Bauaufgaben des Bundes übertragen. Hier ist eine Soll-Vorschrift gewählt worden, um einerseits einen absoluten Zwang zu vermeiden, andererseits aber dem Bundesfinanzminister eine gewisse Richtlinie des Gesetzgebers mit auf den Weg zu geben. Indessen wird durch die Soll-Vorschrift das verwaltungsmäßige Ermessen des Bundesfinanzministers nicht völlig beseitigt; vielmehr gilt die Soll-Vorschrift nur unter der Voraussetzung, daß eine solche Übertragung im Interesse des betreffenden Landes geboten ist und überwiegende Interessen des Bundes nicht entgegenstehen. Die Prüfung, ob das der Fall ist, liegt dem Bundesfinanzminister ob.
Der Vermittlungsausschuß hat davon Abstand genommen, für den Fall abweichender Auffassungen zwischen Bundes- und Landesfinanzverwaltung eine schiedsrichterliche Instanz vorzusehen. Einerseits erschienen schiedsrichterliche Entscheidungen über Ermessensfragen im Rahmen der Exekutive als Fremdkörper; andererseits war zu berücksichtigen, daß es sich hier vorwiegend um politische Entscheidungen handelt, deren zweckmäßige Lösung der politischen Verhandlung und der politischen Einsicht des Bundesfinanzministers und der beteiligten Landesfinanzminister überlassen werden kann.
Der letzte Satz des Vermittlungsvorschlags zu § 6 Abs. 4 stellt ferner das selbständige Weisungsrecht derjenigen Finanzverwaltung klar, in deren Auftrag die Bauaufgaben durchzuführen sind. Der Vermittlungsvorschlag zu § 6 Abs. 5 stellt schließlich das Weisungsrecht auch für diejenigen Fälle klar, in denen örtliche Aufgaben der Bundesbau- und Bundesvermögensverwaltung durch Landesbehörden wahrgenommen werden. Außerdem enthält der Vermittlungsvorschlag zu Abs. 5 und 6 nur noch reine redaktionelle Änderungen. Ich hoffe, daß das Hohe Haus dem Antrag des Vermittlungsausschusses heute zustimmt, damit der Bundesrat am Freitag in die Lage versetzt wird, auch seinerseits die Zustimmung zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat ist übereingekommen, Ihnen zu empfehlen, keine Aussprache über diesen Antrag des Vermittlungsausschusses durchzuführen. — Es erhebt sich kein Widerspruch; das Haus hat so beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich schlage Ihnen vor, über die Drucksache Nr. 1146 im ganzen und nicht artikelweise abzustimmen. Wer für die Annahme der Drucksache Nr. 1146 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einmütig
so beschlossen gegen einige wenige Stimmen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Antrag der Abgeordneten Goetzendorff und Genossen betreffend Gablonzer Waren (Nr. 1117 und 884 der Drucksachen).
Ich bitte den Abgeordneten Spies, als Berichterstatter das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Drucksache Nr. 884 der Abgeordneten Goetzendorff und Genossen betreffend Gablonzer Waren, die dem Hohen Hause unter Punkt 6 der heutigen Tagesordnung zur Beratung vorliegt, wurde seinerzeit dem Ausschuß für Außenhandelsfragen überwiesen. Als im Ausschuß die Beratung dieses Antrags anstand, kam es nach dem Vortrag des Herrn Vorsitzenden nicht zur Beschlußfassung, weil die Herren Abgeordneten, die den Antrag eingebracht hatten, nicht zur Teilnahme an der Beratung aufgefordert waren. Das Thema wurde dann auf die Tagesordnung der 15. Ausschußsitzung am 15. Juli 1950 gesetzt mit der Maßgabe, die Antragsteller zur Begründung ihres Antrags einzuladen. Auf Grund der Einladung ist weder der Antragsteller noch ein Vertreter zur Begründung des Antrags erschienen.
Und nun, meine Damen und Herren, zur sachlichen Seite der Drucksache Nr. 884. Die Gablonzer Industrie befaßt sich insbesondere mit der Herstellung folgender Erzeugnisse: erstens Bijouterie) waren: Broschen, Schließen, Anhänger, Ringe, Ohrringe, Hutschmuck, Metallknöpfe, Kolliers; zweitens Glaskurzwaren: Knöpfe, Steine, Perlen aller Art, Armreifen, Serviettenringe, Glastiere, Glasspielwaren, Glasschreibfedern, Devotionalien — hier insbesondere Rosenkränze —, Christbaumschmuck, Linsen, Glaskugeln, Rückstrahler usw.; drittens Hohlglasveredlung: Vasen, Schalen, Teller, Dosen, Salzfässer, Löffel, Gabeln; viertens Lüsterbehangartikel.
Die Erzeugnisse der soeben angeführten vier Gruppen sind in dreizehn Zollpositionen unter den statistischen Nummern 738 b, c und d, 739 c, d, e, 758 a, b, 759, 763 und 763 d, 878 b, 883, 884 a, b, 885 a, b, 887 a, b, 919 und 946 b aufgeführt. Es muß also bei liberalisierten Handelsverträgen die Initiative allein der Wirtschaft überlassen bleiben.
Der Antrag Drucksache Nr. 884 ist sachlich falsch. Die Gablonzer Waren sind Schmuckwaren und gehören nach der Terminologie des Brüsseler Zolltarifschemas von 1949, das als Grundlage für alle in letzter Zeit abgeschlossenen und zukünftigen Handelsverträge dient, zum unechten Schmuck. Der unechte Schmuck ist ebenso wie z. B. Goldschmuck, Silberschmuck, Markasit- und Similischmuck ein Unterbegriff des Oberbegriffs Schmuckwaren. Alle Handelsverträge, in denen Schmuckwaren als deutsche Lieferung angeführt sind, umfassen daher ohne weiteres auch Waren Gablonzer Art.
Eine gesonderte Aufführung in den Handelsverträgen müßte zwangsläufig zur Folge haben, daß andere Industrien mit Recht für ihren Industriezweig gleiche und ähnliche Anträge stellen würden und verlangen könnten, z. B. Pforzheimer Waren, Gmünder Waren, Idar-Obersteiner Waren, Hanauer
Waren usw. in Handelsverträgen ausdrücklich zu benennen und sie quotenmäßig zu beteiligen.
Es soll und darf aber nicht verkannt werden, daß die Gablonzer Industrie, die für unsere heutigen Begriffe eine Industrie der Heimatvertriebenen ist, gegenüber alteingesessenen Industrien auf völlig veränderter Grundlage steht und ihr darum mit allen zu Gebote stehenden Mitteln geholfen werden muß.
Diesem Umstand Rechnung tragend, faßte der Ausschuß für Außenhandelsfragen den einstimmigen Beschluß, der dem Hohen Hause in dem Ausschußantrag Drucksache Nr. 117 vorliegt:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, bei allen Außenhandelsverträgen den Absatz Gablonzer Waren zu fördern.
Im Namen des Ausschusses bitte ich das Hohe Haus, diesem Antrag auf Drucksache Nr. 1117 die Zustimmung zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auch zu diesem Punkt nicht in die Aussprache einzutreten und unmittelbar Beschluß zu fassen. — Es erhebt sich kein Widerspruch. Das Haus hat so beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Antrags Drucksache Nr. 1117 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Punkt 7 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Umsatzsteuer für die Verbände der freien Wohlfahrtspflege (Nr. 1124 und 262 der Drucksachen),
soll heute nicht behandelt werden.
Punkt 8:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Antrag der Abgeordneten Schmidt (Bayern) und Genossen betreffend Erlaß oder Ermäßigung der Grunderwerbsteuer (Nr. 1125 und 887 der Drucksachen),
wird, wie ich höre vom Antragsteller zurückgezogen. Ist das richtig, Herr Abgeordneter Schmidt ?
— Sie ziehen den Antrag zurück; damit hat sich dann auch der Ausschußbericht erledigt.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Antrag der Abgeordneten Goetzendorff und Genossen betreffend Notopfer für Heimatvertriebene (Nr. 1126 und 882 der Drucksachen).
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hasemann als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Drucksache Nr. 882, Antrag des Abgeordneten Goetzendorff und Genossen, hat den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen am 27. Juni 1950 beschäftigt. Der Antrag
sieht vor, daß das Notopfer Berlin nach seinem Auslaufen in ein Notopfer für Heimatvertriebene umgewandelt werden soll. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat davon abgesehen, diesen Antrag in extenso zu behandeln, da das Notopfer Berlin noch läuft und mutmaßlich auch noch für unabsehbare Zeit laufen wird. Ich habe Ihnen zu empfehlen, den Vorschlag des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen anzunehmen, diesen Antrag des Abgeordneten Goetzendorff und Genossen der Regierung als Material zu überweisen.
Auch hier schlägt Ihnen der Ältestenrat vor, nicht in die Aussprache einzutreten. — Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich lasse abstimmen. Wer für Annahme des Antrags Drucksache Nr. 1126 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einmütig so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP, BP, DP, WAV und Zentrum betreffend Änderung des § 105 der vorläufigen Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages .
Das Wort zur Begründung des Antrages hat der Abgeordnete Gengler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Der Antrag Drucksache Nr. 1150 auf Änderung des § 105 der vorläufigen Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages bezweckt lediglich eine Änderung der technischen Form der namentlichen Abstimmung. Eine sachliche Änderung des § 105 soll jetzt nicht vorgenommen werden. Falls eine solche für erforderlich gehalten wird, kann dies bei der endgültigen Geschäftsordnung behandelt werden.
Bei den bisherigen namentlichen Abstimmungen hat sich herausgestellt, daß der Namensaufruf sehr viel Zeit beansprucht und ferner je nach der Lautstärke des einzelnen aufgerufenen Abgeordneten zu Mißverständnissen führte, deren Aufklärung wieder Zeit erforderte. Aus diesen Gründen soll der Abstimmungsmodus des früheren Deutschen Reichstages eingeführt werden. An die Stelle des Namensaufrufes tritt die Abgabe der Abstimmungskarte, die den Namen des Abstimmenden mit seiner Erklärung enthält. Dies ist zeitlich kürzer und auch klarer.
Namens der antragstellenden Fraktionen bitte ich um Zustimmung zu dieser Änderung des § 105 der vorläufigen Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages.
Ich danke dem Herrn Antragsteller. Auch hier habe ich Ihnen den Vorschlag des Ältestenrates mitzuteilen, nicht in eine Beratung einzutreten. — Es erhebt sich kein Widerspruch; Sie haben so beschlossen.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Änderung des § 105 der vorläufigen Geschäftsordnung im beantragten Sinne ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Beratung des interfraktionellen Antrages betreffend Entsendung der Mitglieder des Vermittlungsausschusses .
Ich erteile das Wort zur Begründung des Antrags dem Abgeordneten Kiesinger.
— Er sollte vereinbarungsgemäß den Antrag begründen.
— Dann stellen wir die Sache zurück.
— Herr Kollege Kiesinger, das ganze Haus wartet auf Sie!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kiesinger.
Meine Damen und Herren! Die Vorschläge des Vermittlungsausschusses laufen darauf hinaus, gewisse Bedenken, die hinsichtlich der Legitimation der vom Bundestag in den Vermittlungsausschuß entsandten Abgeordneten geltend gemacht worden sind, zu beseitigen. Das Grundgesetz sagt über die Art und Weise der Entsendung nur, daß der Bundestag und der Bundesrat, beide Gremien, ihre Abgeordneten entsenden. Streng wörtlich ausgelegt würde das also bedeuten, daß die entsandten Mitglieder des Bundestages persönlich durch den Bundestag hätten gewählt werden müssen. Wir haben einen anderen Weg gewählt, den Weg, der sonst bei Bundestagsausschüssen üblich ist. Das heißt, die Abgeordneten sind durch Vereinbarung der Fraktionen, wie bei den Bundestagsausschüssen, auch in den Vermittlungsausschuß entsandt worden. Nun ist aber der Vermittlungsausschuß kein Ausschuß des Bundestages, sondern ein Ausschuß eigener Art, der seine Rechtsgrundlage in Art. 77 des Grundgesetzes findet.
Um die Bedenken, die allenfalls bestehen könnten a — ob sie gerechtfertigt sind, kann dahingestellt bleiben —, zu beseitigen, kam der Vermittlungsausschuß überein, zu empfehlen, ähnlich, wie es der Bundesrat für seinen Bereich bereits getan hat, die Geschäftsordnung des Bundestages dahingehend zu ergänzen; daß auch für den Vermittlungsausschuß die gleichen Grundsätze gelten wie für die Ausschüsse des Bundestages selbst. Das heißt also, daß zunächst einmal nach dem d'Hondt'schen System die Abgeordneten entsandt werden und daß es zweitens so gemacht wird wie bei den anderen Ausschüssen des Bundestages; mit anderen Worten. daß die Fraktionen die Mitglieder des Bundestages für den Vermittlungsausschuß bestimmen. Das ist die eine Angelegenheit.
Hinsichtlich der Stellvertreter hat es der Vermittlungsausschuß für zweckmäßig gehalten, Ihnen den vorliegenden Vorschlag zu machen. Der Ausschuß legt Wert darauf, daß er ein ständiges Gremium ist — und die bisher gemachten, in allen drei Fällen erfolgreichen Erfahrungen bekräftigen dies —, und zwar ein ständiges Gremium auch mit Bezug auf die Stellvertreter. Daher sollte für jedes Mitglied des Bundestages im Vermittlungsausschuß ein Stellvertreter gestellt werden, der nicht ausgewechselt werden kann. Allerdings kann ein solcher Stellvertreter unauswechselbar auch für mehrere Mitglieder des Bundestags im Vermittlungsausschuß bestellt werden.
Die Dinge sind zunächst in einem Unterausschuß und nachher im Vollgremium des Vermittlungsausschusses eingehend beraten worden, und ich bitte Sie, auch im Interesse einer künftigen erfolgreichen Arbeit des Vermittlungsausschusses, diesen seinen Vorschlägen Ihre Zustimmung zu geben.
Meine Damen und Herren, auch hier schlägt der Ältestenrat Ihnen vor, ohne Aussprache zu beschließen. — Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Antrags Drucksache Nr. 1157 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist einmütig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Fraktion der DP betreffend Übungen der britischen Besatzungstruppen im Raum der Lüneburger Heide .
Hier hat, wie ich aus der Vorlage sehe, der Ältestenrat Ihnen keinen Vorschlag über die Zeit der Beratung und Begründung zu machen. Besteht das Bedürfnis, in eine Aussprache einzutreten?
— Das ist offenbar nicht der Fall. Dann schlage ich Ihnen für die Begründung 5 Minuten vor. Kommen Sie mit 5 Minuten aus?
- Also nehmen wir 10 Minuten. Im übrigen keine Aussprache. Das ist so beschlossen.
Bitte, Herr Abgeordneter Matthes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesen Tagen blicken viele Bewohner im Gebiet der Lüneburger Heide, vor allen Dingen in den Kreisen Soltau und Falling-bostel, mit größter Besorgnis in die weitere Zukunft. Seit dem eklatanten Zusammenbruch unseres Vaterlandes wollen die Sorgen der Bewohner in diesen drei Gebieten der Truppenübungsplätze in der Lüneburger Heide — Fallingbostel, Bergen-Belsen sowohl wie Munster-Lager — und des Bereiches um den Naturschutzpark kein Ende nehmen.
Die Platzbewohner und Anwohner, unter denen sich vor allen Dingen eine sehr große Zahl von Vertriebenen und Bombengeschädigten befinden, vor allem die auf dem Platz angesetzten Siedler, haben an sich schon eine sehr, sehr schwierige Lage. Ich greife nur einmal als Beispiel die Gemeinde Osten-holz heraus, die im Platzgebiet von Fallingbostel liegt. Die Undurchsichtigkeit der englischen Absichten und die fortwährenden Neufassungen und Abänderungen der Verträge, die mit den Siedlern zu schließen sind, haben eine völlig schwankende Situation geschaffen, in der die Siedler sich bereits seit 1946 befinden. Dieser Zustand ist für die Beteiligten selbstverständlich sehr besorgniserregend. Es ist menschlich wohl nur zu verständlich, daß der Kreis der Betroffenen nicht noch einmal das grausame Schicksal als Vertriebene auskosten will und hilfesuchend um Sicherung seiner neuen Existenz bangt.
Es sind nicht allein Schäden an kultivierten Feldern, an Wäldern, sondern auch an Brücken und Straßen zu verzeichnen. Bezeichnend für diese Art der Schäden ist das Beispiel der Gemeinde Oerbke im Kreis Fallingbostel, die hart am Platzgebiet liegt. Wer einmal die Verbindungsstraße von Fallingbostel nach Oerbke gekannt hat, wird sich heute kaum noch erinnern, daß diese Straße jemals in einem ordnungsmäßigen Zustand gewesen ist. Ich habe vor einiger Zeit versucht, auf dieser Straße zu fahren. Es ist mir nicht gelungen, so glatt über dieses Pflaster hinwegzukommen. Es ist ja auch viel leichter, wenn die Panzerfahrer, statt nebenan auf das Brachland zu fahren, mit ihren ungeheuer schweren Panzern dazu übergehen, auf der Straße
nicht nur das Oberflaster, das Klein- und Kopfpflaster herunterzureißen, sondern 30 bis 40 cm tief auch die Packlage herauszuheben. Diejenigen unter Ihnen, meine sehr geschätzten Damen und Herren, die das Heidegebiet kennen, wissen, daß dieser Sandboden kaum irgendwelchen Widerstand bietet, auch dort nicht, wo vor Jahrzehnten die ersten Straßen gelegt und nachher, damit sie verkehrstechnisch standhielten, in größerem Maße befestigt worden sind, so daß diese Gemeinde heute eigentlich ein isoliertes Dasein führen müßte.
Die Übungen, die in diesem Gebiet seit drei Jahren stattfinden und im Kreise Soltau in diesem Jahre bereits Ende März begonnen hatten, haben nun auch allgemein wieder ihren Anfang genommen. Gerade die Gemeinden im Raume von Soltau — Reinsehlen, Töpingen und Bispingen — haben vorwiegend unter den Manöverschäden der letzten Jahre gelitten, insbesondere in den Jahren 1949/50. Die dabei eingesetzten schweren Panzereinheiten fuhren über die Wiesen und Weiden, durch die Wälder und über die bestellten Getreidefelder. Dreijährige Schonungen fielen diesen Panzerungetümen genau so zum Opfer wie 25-jähriger Baumbestand. Die Bauern mußten teilweise, soweit es sich überhaupt noch lohnte, ihre Felder umpflügen und neu bestellen.
Das gleiche hatte ich im Kreise Fallingbostel festzustellen. Noch immer sind die Feststellungsbehörden beider Kreise dabei, die Schäden auszurechnen, so daß wir die Höhe des Schadens der letzten Manöver noch nicht endgültig zu übersehen vermögen. Einstweilen sind, so besagt ein Brief, den ich heute von dem Landrat des Kreises Soltau erhielt, 1179 Schadensfälle gemeldet. Ausgezahlt für diese Schadensfälle sind 145 547 DM, und noch sind weitere 217 ha Land in die Schadensfeststellung aufzunehmen.
In diesem Zusammenhang will ich nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß einem englischen Bericht zufolge, der dort oben in der Gegend herausgegeben wurde, z. B. für die Herbstmanöver des Jahres 1949 Manöverrechte über ein ausgedehntes Gelände im Gebiet von Paderborn geltend gemacht wurden. Der während dieser Manöver verursachte Schaden führte zu etwa 2410 Schadensersatzforderungen, zu deren Begleichung 620 000 DM ausgezahlt wurden. Wir klagen schon an sich über die Höhe der Besatzungskosten. Weite Kreise unseres Volkes sind der Überzeugung, daß zunächst wenigstens die Manöverschäden auf ein Mindestmaß gebracht werden müssen. Abgesehen von dem materiellen Schaden gebietet uns die ernährungspolitische Lage die Ausnutzung jeden Quadratmeter Bodens. Um so unverständlicher erscheint uns daher der bisher entstandene und der noch zu erwartende Schaden.
In einer britischen Stellungnahme heißt es:
„Die britischen Truppen in Westdeutschland sind die einzigen, die zur Verteidigung desjenigen Teils von Westdeutschland zur Verfügung stehen, der gegenwärtig die britische Besatzungszone bildet. Es ist dabei unbedingt erforderlich, daß diese Truppen auf dem höchstmöglichen Stand der Ausbildung und Einsatzfähigkeit gehalten werden. Um dies zu erreichen, ist es notwendig, daß diese Truppen das ganze Jahr hindurch eine fortlaufende, den Gegebenheiten Rechnung tragende Ausbildung erhalten".
Dieser Auffassung, meine Damen und Herren, können und wollen wir uns nicht widersetzen. Wir haben aber im Interesse der betroffenen Bevölkerung
die dringende Bitte an die Besatzungsmacht, mit größter Sorgfalt darauf zu achten, daß Ausbildungsgelände auf das für die zu erfüllenden Aufgaben notwendige räumliche Mindestmaß zu beschränken. Ich weiß von den beteiligten Kreisen — aus dem Munde der Landräte —, daß die zuständigen Residence officers jener Kreise bisher nichts unversucht gelassen haben, dort Hilfe zu leisten, daß sie in weitestem Maße den Wünschen der Bevölkerung Rechnung tragen wollten. Wir haben nicht zu untersuchen und wollen es nicht untersuchen, wo die Verantwortlichen zu suchen sind.
Ich bin als Sprecher der Betroffenen gezwungen, Sie auf einen weiteren Punkt dieser betrüblichen Angelegenheit hinzuweisen. Am 12. Mai 1950 sprach sich der Niedersächsische Landtag mit großer Mehrheit für einen Antrag meiner dortigen Fraktion aus, auf eine stärkere Beachtung der Vorschriften über die Naturschutzgebiete in der Lüneburger Heide hinzuwirken und bei dem britischen Landeskommissar vorstellig zu werden, daß bei den Manövern in Zukunft keine Flurschäden verursacht werden. Einer Mitteilung vom 6. Juli 1950 zufolge wollten das niedersächsische Kultusministerium und die Naturschutzämter in direkten Verhandlungen die britischen Verwaltungsbehörden ersuchen, bei Manöverübungen die Naturschutz- und Kulturgebiete Norddeutschlands weitgehend zu schonen.
In mit britischen Beamten geführten Gesprächen, so heißt es nach einer Verlautbarung aus unterrichteten Kreisen, sei noch keine bindende Zusage erreicht worden. Es sei darauf hingewiesen worden, daß man zwar bemüht sein werde, größere Ernteschäden zu vermeiden, daß jedoch die derzeitige weltpolitische Lage größere Manöver notwendig mache, bei denen Flurschäden leider nicht ganz zu verhindern wären.
Wir können auch keineswegs an dieser Frage der Erhaltung des Naturschutzparkes vorübergehen. Dem Herzen dieser herrlichen Lüneburger Heide, die unendlich viele tausend und zehntausend Freunde in unserem deutschen Lande hat, drohen weiter schwere Verwüstungen ebenso wie den umliegenden Kulturländereien. Daß das Anliegen des Naturschutzes alles andere ist als romantisierendes, die brennenden Probleme der Gegenwart mißachtendes Träumen, ist jedem Natur- und Tierfreund, jedem Einsichtsvollen klar. Naturschutz ist Zusammenschau dessen, was die Menschen von der Landschaft erwarten. Naturschutz ist letztlich nichts anderes als Dienst am Menschen und an bedrängter Tierwelt.
So ist es verständlich, daß weit über das Lüneburger Land in allen Teilen unseres Vaterlandes unendlich viele Menschen um diese 20 000 ha große Fläche des Naturschutzgebietes am Wilseder Berg im Kreise Soltau mit allen Kreiseingesessenen und Beteiligten wegen seiner weiteren Verwüstungen bangen. Noch sind die ungeheuer tiefen Spuren, die britische Panzer während der letzten Frühjahrsmanöver hinterlassen haben, auf Feldern und Wiesen, in den Wäldern, auf Feldwegen und Straßen, an den Brücken deutlich zu sehen. Aber die Hoffnungen, daß der Kreis Soltau insbesondere und der Naturschutzpark, der seit drei Jahren trotz aller Einwendungen - ich muß das wiederholen — bei den zuständigen britischen Dienststellen immer wieder zum Übungsplatz für Panzer ausgewählt wurde, verschont bleiben würden, sind enttäuscht worden. Seit dem 11. dieses Monats haben die großen Übungen des Sommers begonnen.
Gestern morgen erschien fettgedruckt mit Schlagzeilen in der dortigen Zeitung des Kreises Falling-
bostel ein Artikel mit der Überschrift „Die Panzerflut brach los". Es heißt dort:
Am Wochenende brach in Hartem, wie vor einem Jahr, die Panzerflut los. Durch die Kartoffelfelder, durch das kurz vor der Reife stehende Korn, über die Steckrübenfelder geht die vernichtende Spur. Die Pächter dieser Ländereien sind ausnahmslos Kleinstsiedler und Forstarbeiter. Welch große Sorgfalt haben sie den Feldern angedeihen lassen, und mit welcher Freude sahen sie der Ernte entgegen! Und wie sehr sind sie auf den Ertrag angewiesen, haben sie doch noch nicht ihren anerkannten Schaden vom vorigen Jahr ersetzt erhalten.
Ich habe mich bei Besuchen in diesem Gebiet selbst davon überzeugen müssen, daß die Menschen sich selbst vor den Pflug gespannt haben, und nun sehen sie erneut für weitere Wochen das Gelände verwüstet. Auf eins muß ich dabei hinweisen : der Boden der Lüneburger Heide verträgt ein derartiges Umbrechen durch die Panzer keineswegs wie andere, schwere Böden. Die geringe Ackerkrume, die wir dort zu verzeichnen haben, wird von den Panzern rücksichtslos untergepflügt. Über diese Dinge ließe sich unendlich viel sagen.
Ich möchte Sie nur zum Schluß, meine Damen und Herren, mit einem Wort auf die Haager Landkriegsordnung hinweisen. Die Haager Landkriegsordnung hat eine Art von goldenem Mittelweg zwischen der Souveränität des militärischen Machtstaates und den Menschenrechten des Individuums zu finden gesucht. Wenngleich in ihr die Rede davon ist, daß die militärischen Notwendigkeiten allen Versuchen auf Milderung des Krieges vorgehen, so ist ja gottlob von diesen Kriegsnotwendigkeiten in unserem Lande nicht mehr zu sprechen. Die militärische Notwendigkeit ist dagegen nur dasjenige, was zur Durchführung von Kampfhandlungen oder zum Schutze des eigenen Militärs notwendig ist. Im Hinblick auf die angerichteten Schäden und auf das, was sich in diesen Wochen noch ereignen wird, vermögen wir also das, was dort geschehen ist und geschieht, nicht als militärische Notwendigkeit anzuerkennen.
Zum Schluß ist daher in diesem Zusammenhang folgende Feststellung am Platze: Zur Zeit gilt nach der Auffassung meiner politischen Freunde zweierlei Völkerrecht: eines für die deutschen Staatsangehörigen und einen Teil der Menschen mit deutscher Muttersprache und eines für die übrige Welt. Wir hoffen und erwarten, daß dieser Grundsatz recht bald keine Gültigkeit mehr besitzen möge. Angesichts der schon angerichteten und vielleicht noch eintretenden Schäden wird es uns Abgeordneten unsagbar schwer gemacht, die junge Demokratie und die unbedingt notwendige Ausbreitung und Vertiefung der europäischen Verständigungs- und Versöhnungsidee an die betroffenen deutschen Menschen in diesen Gebieten heranzutragen und offensive Demokratie zu treiben. Wir haben in der Bundesrepublik seit dem Zusammenbruch 1945 gegenüber der Besatzungsmacht ein hohes Maß an Selbstdisziplin und stärkste Abneigung gegen politische Abenteuer gezeigt. Das geschah und geschieht immer wieder in der Hoffnung auf eine bessere und gesicherte Zukunft in der europäischen und darüber hinaus in der großen Völkerfamilie.
Wir bitten nun das Hohe Haus, unserem Antrag, der Ihnen, meine verehrten Damen und Herren, in der Drucksache Nr. 1114 vorliegt, zuzustimmen, damit die Bundesregierung unverzüglich dem Wunsche
0 der betroffenen Bevölkerung entsprechend bei dem britischen Hohen Kommissar vorstellig werden kann.
Zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Schoettle!
Meine Damen und Herren! Ich beantrage namens meiner Fraktion die Überweisung des vorliegenden Antrags, über den der Kollege Matthes soeben gesprochen hat, an den Ausschuß für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten. Ich glaube, wir können heute nicht darüber abstimmen.
Wir haben beschlossen, heute keine Aussprache zur Sache vorzunehmen. Wir können nur über diesen Antrag auf Überweisung abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Abgeordneten Strauß, Dr. Jaeger und Genossen betreffend Entschädigung der durch Angehörige der Besatzungsmächte durch Körperverletzung mit und ohne Todesfolge geschädigten Personen .
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Strauß.
— Hier soll eine Aussprache stattfinden. Redezeit für die Begründung 5 Minuten, für die Aussprache insgesamt 40 Minuten. Ist das Haus einverstanden? — Es ist so beschlossen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag Drucksache Nr. 119 versucht, einem Notstand abzuhelfen, durch den im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland immerhin einige Tausende von Menschen unverschuldet in oft sehr bittere Not gekommen sind. Es haben sich, was verständlich ist, im Laufe der Besatzungszeit seit dem Mai 1945 einige Tausend Fälle, Verkehrsunfälle und andere Ereignisse zugetragen, bei denen deutsche Staatsangehörige durch Angehörige der Besatzungsmächte ohne eigene Schuld mit oder ohne Todesfolge geschädigt worden sind. Es gibt auch eine ganze Reihe von Personen, die durch solche Unfälle und Ereignisse vollinvalide und arbeitsunfähig geworden sind.
Nun sind in der DVO zum Währungsumstellungsgesetz die Unfallversicherungen, auch soweit die Festsetzungen schon vor dem 20. 6. 1948 erfolgten, so gehandhabt worden, daß die Unfallrenten nach dem 20. 6. 1948 in D-Mark ausgezahlt worden sind. Nach dem amerikanischen Recht wurde die Entschädigung dieser Unfälle in sogenannten Claims Commissions so gehandhabt, daß die betreffenden geschädigten Personen nicht eine laufende Rente, die von R-Mark auf den gleichen DM-Betrag umgestellt wurde, erhielten, sondern daß sie eine einmalige Kapitalabfindung nach Festsetzung durch diese Claims Commissions bekamen, deren Höhe bei Vollinvalidität zwischen 10 000 und 30 000 RM lag. Nach dem 20. 6. 1948 ist dann diese einmalige Kapitalabfindung auf einen außerordentlich geringen Betrag, nämlich auf 6,5 % der ursprünglichen
Summe in D-Mark zusammengeschmolzen, und die Betreffenden sind in bittere Not geraten.
Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die Unfallversicherungsentschädigungen gemäß dem Währungsumstellungsgesetz, ganz gleichgültig, ob die Unfälle durch deutsche Schuld oder durch die Schuld von Besatzungsangehörigen verursacht worden sind, da diese Unfälle Rentenansprüche darstellen, auf D-Mark umzustellen sind.
Ich kann mich auch dem Standpunkt derjenigen nicht anschließen, die die Frage der Entschädigung davon abhängig machen, ob der Entschädigungsanspruch mit dem Unfall oder mit der Festsetzung eintritt. Nach amerikanischer ebenso wie nach englischer Auffassung tritt der Schadenersatzanspruch mit dem Unfall auf, nach deutschem Recht dagegen mit der Festsetzung des Schadens. Dazu kommen aber die Bestimmungen des dritten Währungsgesetzes, des sogenannten Umstellungsgesetzes, nach dem Renten — in diesem Fall also Unfallrenten — im Verhältnis 1 zu 1 von R-Mark auf D-Mark umzustellen sind.
Ich habe hier einige sehr tragische Fälle in persönlicher Erinnerung. So ist ein Arbeiter, der auf dem Fahrrad an einem amerikanischen Posten vorbeifuhr, von diesem ohne Grund erschossen worden. Die Familie lebt in bitterer Not. Sie hat im Jahre 1947 eine Abfindung in Höhe von etwa 10 000 RM erhalten. Ich habe noch zwei Fälle in Erinnerung, in denen Menschen, die durch einen Verkehrsunfall vollinvalide geworden sind, eine Entschädigung von etwa 20 000 RM erhalten haben, die heute nur noch knapp 1500 DM darstellen. Sie erhalten heute keine weitere Rente und keine weitere Unterstützung, obwohl sie, wenn der Unfall durch Deutsche verursacht worden wäre, eine Rente in entsprechend hohem Umfange heute in D-Mark erhalten würden.
Was wir mit diesem Antrag erreichen wollen, ist lediglich, in Verhandlungen mit der Hohen Kommission zu erwirken, daß erstens eine bundeseinheitliche Regelung erfolgt und zweitens die Entschädigung solcher Unfälle, gleichgültig, ob sie vor dem 20. Juni 1948 oder nach dem 20. Juni 1948 erfolgt sind, gleichgültig, ob die Schadensfestsetzung vor oder nach dem 20. Juni 1948 erfolgt ist, nicht in Form einmaliger Reichsmark-Kapitalabfindungen erfolgt, sondern in Form von Renten, die von Reichsmark in gleicher Höhe auf D-Mark umgestellt werden. Offen bleibt dabei dann die Tatsache, ob eine Kapitalisierung dieser Renten und eine einmalige Abfindung in DM möglich ist.
Mir ist aus der Presse bekanntgeworden, daß die Besatzungsmächte ein Gesetz vorbereiten, in dem die Rechtsansprüche der durch die Besatzung geschädigten und beschädigten Personen geregelt werden sollen. Ich kenne den Inhalt des Gesetzes nicht. Wenn der Inhalt dieses Gesetzes dem Wunsche und dem Ziele des vorliegenden Antrags gleichkommt, ist der Zweck ohnehin erfüllt. Sollte es nicht der Fall sein, wird die Bundesregierung ersucht, in Verhandlungen mit der Hohen Kommission eine Regelung zu erwirken, wonach das Unfallrecht einheitlich gehandhabt wird, gleichgültig ob die Ursache auf deutscher Seite oder auf der Seite der Besatzungsmächte liegt, um bei einigen Tausenden von Menschen einem unerträglichen Zustand abzuhelfen, was der alleinige Zweck dieses Antrages ist.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Entschädigung für Besatzungsschäden im amerikanischen Besatzungsgebiet ist durch das vom Oberbefehlshaber der USA-Truppen in Europa erlassene Zirkular Nr. 57 vom 27. Februar 1949 geregelt. Nach diesem Zirkular werden die Vergütungen für alle Schäden, die sich vor dem 21. Juni 1948 ereignet haben, in Reichsmark festgesetzt und, in Deutsche Mark umgerechnet, im Verhältnis 10 zu 1 ausgezahlt. Die amerikanische Besatzungsmacht beurteilt die gegen sie gerichteten Schadensersatzansprüche nach ihrem eigenen Recht und hat in dem Zirkular zur Entscheidung über diese Ansprüche besondere Dienststellen — Claims Office Teams — eingesetzt, die bei Entschädigungen für körperverletzte Personen mit oder ohne Todesfolge im allgemeinen Kapitalabfindungen gewähren. Wir haben mit den Besatzungsmächten bereits seit längerer Zeit verhandelt. Der Unterausschuß für Besatzungskosten der Alliierten Hohen Kommission hat das Bundesministerium der Finanzen wissen lassen, daß die Alliierte Hohe Kommission ein für alle Zonen einheitliches Gesetz zu erlassen beabsichtigt, daß aber die Ermächtigung zum Erlaß eines deutschen Gesetzes zur Regelung dieses Gegenstandes, das im Entwurf bereits im Bundesministerium der Finanzen vorbereitet worden war und eine Entschädigung der in Rede stehenden Fälle im Verhältnis 1 zu 1 vorsah, nicht erteilt werden würde.
Nach einer Mitteilung der Besatzungsmächte sollen nach dem alliierten Gesetz Geldentschädigungen in Fällen, die den Tod oder eine dauernde Behinderung zur Folge hatten, auf der Grundlage des Verhältnisses 1 zu 1 gezahlt werden. Deutsche Sachverständige sind von den Alliierten zu dem in Vorbereitung befindlichen Gesetz bisher nicht gehört warden. Es wird aber versucht werden, die amerikanische Besatzungsmacht zu veranlassen, Renten anstelle von Kapitalabfindungen zu gewähren, wie das in den anderen Zonen geschieht, da sich bei den Kapitalabfindungen häufig Schwierigkeiten ergeben.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Meyer-Laule. Acht Minuten, kitte!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir sehen in der Regelung dieser Frage einen Prüfstein dafür, ob nach den Worten des Hohen Kommissars die Besatzungsmächte die Siegerpsychose überwinden oder wenigstens zu überwinden gedenken.
Dann allerdings wird, um die Aufgabe der Schutzmacht zu erfüllen, ein Umdenken zur Voraussetzung
und ein Nachdenken darüber erforderlich, daß nichtgutgemachtes Unrecht ein sehr schlechter Nährboden für die Demokratie ist.
Seit fünf Jahren hat das deutsche Volk Gelegenheit, darüber nachzudenken, ob es sich nur um den Sieg einer Nation über die andere handelt. Wenn dies der Fall ist, möchten wir feststellen, daß sich nichts Wesentliches geändert hat. War und ist es aber ein Sieg der Demokratie und der Menschenrechte, so dürfen wir hoffen — und wir wollen hoffen —, daß den zu Schaden gekommenen Menschen geholfen und bitteres Unrecht gutgemacht wird.
Der Antrag berücksichtigt nicht, daß Ersatzansprüche bei Todesfällen vom 8. Mai bis 8. Juli 1945 abgelehnt wurden. Gerade aus dieser Zeit gibt es eine Anzahl Fälle, in denen sich die Hinterbliebenen in der allergrößten Not befinden.
Soweit für die Unfälle vor dem 20. Juni 1948 Entschädigungen geleistet werden, ist es unerträglich und wirkt wie eine Verhöhnung, daß den Anspruchsberechtigten vielfach wenige Tage oder Stunden vor der Währungsreform entwertetes Geld vor die Füße geworfen wurde.
Dazu kommt, daß in der britischen Zone eine Klärung der Schuldfrage ausschließlich durch die Besatzungsmacht ohne jeden hinreichenden Rechtsschutz der Deutschen und ohne jede Möglichkeit eines Rechtsbehelfs vorgenommen wird.
Daher genügt es keinesfalls, daß sich die Bundesregierung bloß um die Aufwertung der bereits gezahlten oder noch zu zahlenden Abfindungen bemüht, sondern sie muß in erster Linie mit dem Ziel verhandeln, daß überhaupt ein Rechtsschutz hergestellt wird, und zwar gerade für die zurückliegende Zeit.
Bei aller Zustimmung zu dem Antrag kann doch nicht verschwiegen werden, daß seine Richtung einseitig ist und daß er in den bedauerlichen Fehler verfällt, der oft gemacht wird, nur von der anderen Seite etwas zu verlangen. Unbeschadet der gerechten Forderung, daß die Besatzungsmächte für die von ihnen hervorgerufenen Unfälle Ersatz zu leisten haben, muß erwartet und gefordert werden, daß auch die Bundesregierung und die deutsche Gesetzgebung das ihre tun, um in wirklich sozialer Weise den Geschädigten zu helfen und grausame, allzu grausame Härten zu vermeiden.
Die Regierung wird noch auf die Anfrage Nr. 90, die von meiner Fraktion bereits am 24. Juni gestellt wurde, zu antworten haben. Wir legen besonderen Wert darauf, daß sie den Punkt 2 a beantwortet, der dahin lautet:
Warum wird von den Besatzungskostenämtern in diesen Fällen die 32. Durchführungsverordnung zum Umstellungsgesetz nicht angewendet, sondern werden auch weiterhin die Beträge nur 1 : 10 abgewertet ausgezahlt?
Ich kann mich — und ich glaube im Namen meiner Fraktion zu sprechen — nicht damit abfinden, daß der Herr Finanzminister glaubt, mit dieser Regelung einverstanden sein zu können. Wir werden uns für diese Menschen einsetzen, die durch die Besatzungsmächte tatsächlich in diese ungeheure Not getrieben worden sind. Leider ist die Praxis der Besatzungskostenämter unbefriedigend. Die Betroffenen müssen noch immer Klage darüber führen, daß ihre Anträge nicht mit der notwendigen Sorgfalt behandelt werden. Nach den mir zuteil gewordenen Auskünften von Beschädigten soll die endgültige Erledigung dieser gerechten Forderungen an dem Wollen des Finanzberaters der Hohen Kommissare hängen. Ich nehme nicht an, daß dieser Finanzexperte mit den
Sorgen des Aufbaus einer Bundeshauptstadt belastet ist, und hoffe deshalb, daß sein soziales Verständnis groß genug ist, endlich zu helfen, begangenes Unrecht wiedergutzumachen. Die sozialdemokratische Fraktion vertritt die Meinung, daß dem Antrag nicht zuzustimmen ist, und beantragt Überweisung an den Ausschuß für Auswärtiges und an den Rechtsausschuß.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Es ist der Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Besatzungskosten und auswärtige Angelegenheiten und an den Rechtsausschuß unter Federführung des Rechtsausschusses gestellt.
Ich glaube, die Überweisung an den Rechtsausschuß bedeutet nur eine Verzögerung. Die Überweisung an den Ausschuß für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten würde genügen, um rasch zu einer Regelung zu kommen.
Es soll nur an den Ausschuß für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten überwiesen werden?
— Es ist der Antrag gestellt auf Überweisung an
den Ausschuß für Besatzungsstatut und auswärtige
Angelegenheiten. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Der Antrag ist angenommen.
Damit wäre die Tagesordnung erschöpft. Der Abgeordnete Goetzendorff wünscht das Wort zu einer persönlichen Erklärung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich höre soeben, daß der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Spies, gesagt habe, ich sei zu der Sitzung des Außenhandelsausschusses eingeladen worden, aber nicht erschienen. Ich habe hierzu lediglich zu erklären, daß ich zu dieser Sitzung niemals eingeladen worden bin.
Meine Damen und Herren! Ich habe noch bekanntzugeben: Die Fraktion der FDP will sich eine Stunde nach Schluß der Sitzung versammeln. Außerdem wird die für Donnerstag, den 20., 14 Uhr, vorgesehene Sitzung des Ausschusses für Beamtenrecht wegen der am Nachmittag stattfindenden Fraktionssitzung der SPD auf vormittags 11 Uhr verlegt. Die Tagesordnung soll unverändert bleiben.
Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Ich berufe die 78. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 21. Juli 1950, vormittags 9 Uhr 30 Minuten, ein und schließe die 77. Sitzung.