Rede von
Dr.
Franz Josef
Strauß
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag Drucksache Nr. 119 versucht, einem Notstand abzuhelfen, durch den im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland immerhin einige Tausende von Menschen unverschuldet in oft sehr bittere Not gekommen sind. Es haben sich, was verständlich ist, im Laufe der Besatzungszeit seit dem Mai 1945 einige Tausend Fälle, Verkehrsunfälle und andere Ereignisse zugetragen, bei denen deutsche Staatsangehörige durch Angehörige der Besatzungsmächte ohne eigene Schuld mit oder ohne Todesfolge geschädigt worden sind. Es gibt auch eine ganze Reihe von Personen, die durch solche Unfälle und Ereignisse vollinvalide und arbeitsunfähig geworden sind.
Nun sind in der DVO zum Währungsumstellungsgesetz die Unfallversicherungen, auch soweit die Festsetzungen schon vor dem 20. 6. 1948 erfolgten, so gehandhabt worden, daß die Unfallrenten nach dem 20. 6. 1948 in D-Mark ausgezahlt worden sind. Nach dem amerikanischen Recht wurde die Entschädigung dieser Unfälle in sogenannten Claims Commissions so gehandhabt, daß die betreffenden geschädigten Personen nicht eine laufende Rente, die von R-Mark auf den gleichen DM-Betrag umgestellt wurde, erhielten, sondern daß sie eine einmalige Kapitalabfindung nach Festsetzung durch diese Claims Commissions bekamen, deren Höhe bei Vollinvalidität zwischen 10 000 und 30 000 RM lag. Nach dem 20. 6. 1948 ist dann diese einmalige Kapitalabfindung auf einen außerordentlich geringen Betrag, nämlich auf 6,5 % der ursprünglichen
Summe in D-Mark zusammengeschmolzen, und die Betreffenden sind in bittere Not geraten.
Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die Unfallversicherungsentschädigungen gemäß dem Währungsumstellungsgesetz, ganz gleichgültig, ob die Unfälle durch deutsche Schuld oder durch die Schuld von Besatzungsangehörigen verursacht worden sind, da diese Unfälle Rentenansprüche darstellen, auf D-Mark umzustellen sind.
Ich kann mich auch dem Standpunkt derjenigen nicht anschließen, die die Frage der Entschädigung davon abhängig machen, ob der Entschädigungsanspruch mit dem Unfall oder mit der Festsetzung eintritt. Nach amerikanischer ebenso wie nach englischer Auffassung tritt der Schadenersatzanspruch mit dem Unfall auf, nach deutschem Recht dagegen mit der Festsetzung des Schadens. Dazu kommen aber die Bestimmungen des dritten Währungsgesetzes, des sogenannten Umstellungsgesetzes, nach dem Renten — in diesem Fall also Unfallrenten — im Verhältnis 1 zu 1 von R-Mark auf D-Mark umzustellen sind.
Ich habe hier einige sehr tragische Fälle in persönlicher Erinnerung. So ist ein Arbeiter, der auf dem Fahrrad an einem amerikanischen Posten vorbeifuhr, von diesem ohne Grund erschossen worden. Die Familie lebt in bitterer Not. Sie hat im Jahre 1947 eine Abfindung in Höhe von etwa 10 000 RM erhalten. Ich habe noch zwei Fälle in Erinnerung, in denen Menschen, die durch einen Verkehrsunfall vollinvalide geworden sind, eine Entschädigung von etwa 20 000 RM erhalten haben, die heute nur noch knapp 1500 DM darstellen. Sie erhalten heute keine weitere Rente und keine weitere Unterstützung, obwohl sie, wenn der Unfall durch Deutsche verursacht worden wäre, eine Rente in entsprechend hohem Umfange heute in D-Mark erhalten würden.
Was wir mit diesem Antrag erreichen wollen, ist lediglich, in Verhandlungen mit der Hohen Kommission zu erwirken, daß erstens eine bundeseinheitliche Regelung erfolgt und zweitens die Entschädigung solcher Unfälle, gleichgültig, ob sie vor dem 20. Juni 1948 oder nach dem 20. Juni 1948 erfolgt sind, gleichgültig, ob die Schadensfestsetzung vor oder nach dem 20. Juni 1948 erfolgt ist, nicht in Form einmaliger Reichsmark-Kapitalabfindungen erfolgt, sondern in Form von Renten, die von Reichsmark in gleicher Höhe auf D-Mark umgestellt werden. Offen bleibt dabei dann die Tatsache, ob eine Kapitalisierung dieser Renten und eine einmalige Abfindung in DM möglich ist.
Mir ist aus der Presse bekanntgeworden, daß die Besatzungsmächte ein Gesetz vorbereiten, in dem die Rechtsansprüche der durch die Besatzung geschädigten und beschädigten Personen geregelt werden sollen. Ich kenne den Inhalt des Gesetzes nicht. Wenn der Inhalt dieses Gesetzes dem Wunsche und dem Ziele des vorliegenden Antrags gleichkommt, ist der Zweck ohnehin erfüllt. Sollte es nicht der Fall sein, wird die Bundesregierung ersucht, in Verhandlungen mit der Hohen Kommission eine Regelung zu erwirken, wonach das Unfallrecht einheitlich gehandhabt wird, gleichgültig ob die Ursache auf deutscher Seite oder auf der Seite der Besatzungsmächte liegt, um bei einigen Tausenden von Menschen einem unerträglichen Zustand abzuhelfen, was der alleinige Zweck dieses Antrages ist.