Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir sehen in der Regelung dieser Frage einen Prüfstein dafür, ob nach den Worten des Hohen Kommissars die Besatzungsmächte die Siegerpsychose überwinden oder wenigstens zu überwinden gedenken.
Dann allerdings wird, um die Aufgabe der Schutzmacht zu erfüllen, ein Umdenken zur Voraussetzung
und ein Nachdenken darüber erforderlich, daß nichtgutgemachtes Unrecht ein sehr schlechter Nährboden für die Demokratie ist.
Seit fünf Jahren hat das deutsche Volk Gelegenheit, darüber nachzudenken, ob es sich nur um den Sieg einer Nation über die andere handelt. Wenn dies der Fall ist, möchten wir feststellen, daß sich nichts Wesentliches geändert hat. War und ist es aber ein Sieg der Demokratie und der Menschenrechte, so dürfen wir hoffen — und wir wollen hoffen —, daß den zu Schaden gekommenen Menschen geholfen und bitteres Unrecht gutgemacht wird.
Der Antrag berücksichtigt nicht, daß Ersatzansprüche bei Todesfällen vom 8. Mai bis 8. Juli 1945 abgelehnt wurden. Gerade aus dieser Zeit gibt es eine Anzahl Fälle, in denen sich die Hinterbliebenen in der allergrößten Not befinden.
Soweit für die Unfälle vor dem 20. Juni 1948 Entschädigungen geleistet werden, ist es unerträglich und wirkt wie eine Verhöhnung, daß den Anspruchsberechtigten vielfach wenige Tage oder Stunden vor der Währungsreform entwertetes Geld vor die Füße geworfen wurde.
Dazu kommt, daß in der britischen Zone eine Klärung der Schuldfrage ausschließlich durch die Besatzungsmacht ohne jeden hinreichenden Rechtsschutz der Deutschen und ohne jede Möglichkeit eines Rechtsbehelfs vorgenommen wird.
Daher genügt es keinesfalls, daß sich die Bundesregierung bloß um die Aufwertung der bereits gezahlten oder noch zu zahlenden Abfindungen bemüht, sondern sie muß in erster Linie mit dem Ziel verhandeln, daß überhaupt ein Rechtsschutz hergestellt wird, und zwar gerade für die zurückliegende Zeit.
Bei aller Zustimmung zu dem Antrag kann doch nicht verschwiegen werden, daß seine Richtung einseitig ist und daß er in den bedauerlichen Fehler verfällt, der oft gemacht wird, nur von der anderen Seite etwas zu verlangen. Unbeschadet der gerechten Forderung, daß die Besatzungsmächte für die von ihnen hervorgerufenen Unfälle Ersatz zu leisten haben, muß erwartet und gefordert werden, daß auch die Bundesregierung und die deutsche Gesetzgebung das ihre tun, um in wirklich sozialer Weise den Geschädigten zu helfen und grausame, allzu grausame Härten zu vermeiden.
Die Regierung wird noch auf die Anfrage Nr. 90, die von meiner Fraktion bereits am 24. Juni gestellt wurde, zu antworten haben. Wir legen besonderen Wert darauf, daß sie den Punkt 2 a beantwortet, der dahin lautet:
Warum wird von den Besatzungskostenämtern in diesen Fällen die 32. Durchführungsverordnung zum Umstellungsgesetz nicht angewendet, sondern werden auch weiterhin die Beträge nur 1 : 10 abgewertet ausgezahlt?
Ich kann mich — und ich glaube im Namen meiner Fraktion zu sprechen — nicht damit abfinden, daß der Herr Finanzminister glaubt, mit dieser Regelung einverstanden sein zu können. Wir werden uns für diese Menschen einsetzen, die durch die Besatzungsmächte tatsächlich in diese ungeheure Not getrieben worden sind. Leider ist die Praxis der Besatzungskostenämter unbefriedigend. Die Betroffenen müssen noch immer Klage darüber führen, daß ihre Anträge nicht mit der notwendigen Sorgfalt behandelt werden. Nach den mir zuteil gewordenen Auskünften von Beschädigten soll die endgültige Erledigung dieser gerechten Forderungen an dem Wollen des Finanzberaters der Hohen Kommissare hängen. Ich nehme nicht an, daß dieser Finanzexperte mit den
Sorgen des Aufbaus einer Bundeshauptstadt belastet ist, und hoffe deshalb, daß sein soziales Verständnis groß genug ist, endlich zu helfen, begangenes Unrecht wiedergutzumachen. Die sozialdemokratische Fraktion vertritt die Meinung, daß dem Antrag nicht zuzustimmen ist, und beantragt Überweisung an den Ausschuß für Auswärtiges und an den Rechtsausschuß.