Meine Damen und Herren! Ich darf die gestellten Fragen dadurch beantworten, daß ich einen Bericht über die ganze Entwicklung der Angelegenheit gebe. Aus diesem Bericht ergeben sich ohne weiteres die Antworten auf die gestellten Fragen, insbesondere auf die Frage zu 3. Die Frage zu 3 ist zu bejahen. Ich darf folgendes bemerken.
Erstens. Das vom vormaligen Wirtschaftsrat erlassene Gesetz über vorübergehende Gewährung von Zollbegünstigungen vom 22./23. August 1949, das für eine größere Zahl von Waren sowohl auf dem Ernährungssektor wie auf dem gewerblichen Gebiet an Stelle der im Zolltarif vorgesehenen Zollsätze Zollfreiheit oder ermäßigte Zollsätze zur Anwendung kommen ließ, war bis 31. 12. 1949 befristet. Ab 1. 1. 1950 hatten demgemäß die tarifmäßigen Zollsätze wieder Anwendung zu finden. Verwaltungsseitig war beabsichtigt, den gesetzgebenden Körperschaften ein neues Zollbegünstigungsgesetz mit neugefaßter Liste der Zollbegünstigungen zuzuleiten, durch das der Sache nach die alte Liste der Zollbegünstigungen — wenn auch in abgewandelter, den veränderten wirtschaftlichen Bedürfnissen angepaßter Gestaltung — mit Wirkung vom 1. 1. 1950 für weiterhin anwendbar erklärt werden sollte. Entsprechende gesetzgeberische Vorarbeiten waren seit Herbst 1949 im Gange, kamen aber nicht zum rechtzeitigen Abschluß, weil das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erst am 21. Dezember 1949 bekanntgab, bei welchen Positionen der bisherigen Zollbegünstigungsliste und in welchem Ausmaß jeweils es eine Abänderung für erforderlich hielt.
Um zu vermeiden, daß ab 1. 1. 1950 die Zollsätze des Gebrauchszolltarifs angewendet werden mußten, ordnete meine Verwaltung unter dem 27. 12. 1949 und ergänzend unter dem 11. 1. 1950 an, daß mit Wirkung ab 1. 1. 1950 die in dem geplanten neuen Zollbegünstigungsgesetz vorgesehenen Zollbegünstigungen angewendet werden sollten, und zwar in der Form, daß sicherheitslose und zinslose Stundung gewährt werden sollte bei vorgesehener Zollfreiheit für' den vollen tarifmäßigen Zoll, bei vorgesehener Zollermäßigung für den Unterschiedsbetrag zwischen dem tarifmäßigen und dem ermäßigten Zollsatz. Für die gewährte Stundung sollte Widerruf vorbehalten bleiben für den Fall, daß das geplante Gesetz nicht oder nicht in der gedachten Form in Kraft treten sollte.
Diese Verwaltungsanweisungen wurden von der Alliierten Hohen Kommission als ungesetzlich beanstandet, und ich wurde angewiesen, unverzüglich Maßnahmen zu treffen, um die am 31. 12. 1949 gültige Zollbegünstigungsliste wieder in Kraft setzen zu lassen, die bis zum Inkrafttreten des geplanten neuen Zollbegünstigungsgesetzes Anwendung finden sollte. Entsprechende Maßnahmen sind von mir durch Verfügung vorn 17. 4. 1950 getroffen worden.
Demgemäß werden zur Zeit, und zwar mit Wirkung vom 1. 1. 1950, die Zollbegünstigungen aus dem Wirtschaftsratsgesetz vom 22./23. August 1949 angewendet, und zwar auch infolge Fehlens eines Gesetzes im Wege der verwaltungsmäßigen Stundung der vollen oder der Unterschiedszollbeträge.
Zweitens. Der Entwurf des neuen Zollbegünstigungsgesetzes ist der Alliierten Hohen Kommission mit Schreiben des Herrn Bundeskanzlers vom 25. 3. 1950 mit der Bitte um baldige Überprüfung und Zustimmungserklärung übersandt worden. Nach mehrmaliger Erinnerung hat die Alliierte Hohe Kommission mit Schreiben vom 20. 5. 1950 erwidert, daß der Gesetzesvorschlag über Vorzugszölle zur Zeit geprüft werde und die Hohe Kommission das Bundeskanzleramt demnächst von ihrer Stellungnahme in Kenntnis setzen werde.
Neuerdings, und zwar am 12. 7. 1950, ist das Customs Sub-Committee der Alliierten Hohen Kommission in Frankfurt a. M. in eine Erörterung der geplanten neuen Zollbegünstigungsliste mit den Sachbearbeitern der Bundesministerien Finanzen, Ernährung und Wirtschaft eingetreten, die am 17. des Monats fortgesetzt wurde und in diesen Tagen zum Abschluß gelangen soll, so daß in nicht zu ferner Zeit nach Genehmigung der Alliierten Hohen Kommission der Entwurf des geplanten neuen Zollbegünstigungsgesetzes den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet werden könnte.
Drittens. Das wirtschaftliche Bedürfnis, die alte Zollbegünstigungsliste abzuändern, und zwar vor allem in der Richtung einer Aufhebung oder auch Herabsetzung bisher gewährter Zollbegünstigung, hat sich insbesondere für eine größere Anzahl von Positionen des landwirtschaftlichen und des Ernährungssektors ergeben. Einerseits hat sich seit Erlaß des alten Zollbegünstigungsgesetzes die inländische Erzeugung so gesteigert, daß sie den Inlandsbedarf zu decken vermag. Andererseits droht die zollfrei oder zu stark ermäßigten Zollsätzen hereinströmende, im Preis billigere Auslandsware die noch nicht unter gleichen Startbedingungen arbeitende inländische Landwirtschaft aus dem Wettbewerb völlig auszuschalten. Diese schon seit längerer Zeit bestehende Gefahr vergrößerte sich für die Zeit ab 1. 7. 1950 noch erheblich infolge des endgültigen Außerkrafttretens des Importausgleichsgesetzes am 30. 6. 1950.
Auf Veranlassung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist deshalb das Bundeskanzleramt mit Schreiben vom 21. 6. 1950 an die Alliierte Hohe Kommission mit der Bitte herangetreten, sich damit einverstanden zu erklären, daß für eine Reihe bestimmter Positionen der alten Zollbegünstigungsliste mit Wirkung vom 1. 7. 1950 Zollbegünstigung im Weg der Stundung nicht mehr oder nur noch insoweit gewährt wird, als der tarifmäßige Zoll den ermäßigten Zollsatz übersteigt, der in dem Entwurf des neuen Zollbegünstigungsgesetzes vorgesehen ist. Bei der Alliierten Hohen Kommission scheint der Wille zu bestehen, der gestellten Bitte zu entsprechen. Verhandlungen über diese Liste vordringlicher Positionen sind am 28. 6. 1950 zwischen dem Customs Sub-Kommittee der Alliierten Hohen Kommission und Vertretern der Bundesministerien Finanzen, Ernährung und Wirtschaft erstmalig aufgenommen worden, konnten aber erst am 14. 7. 1950 zum endgültigen Abschluß gebracht werden. Ausgehandelt ist eine Liste mit den dort angegebenen künftig zu erhebenden Zollsätzen oder Streichungen bisher gewährter Zollbegünstigungen, für die aber noch durch das Customs Sub-Committee die Genehmigung der Alliierten Hohen Kommission eingeholt werden muß. Im Fall dieser Genehmigung sollen in der bisher angewendeten Zollbegünstigungsliste vom August 1949 die in der Vordringlichkeitsliste aufgeführten laufenden Nummern die jeweils dort angegebene Neufassung erhalten. Das bedeutet, daß bei allen aufgeführten Positionen die bisher gewährte Zollfreiheit entweder ganz in Wegfall kommt und durch den tarifmäßigen Zollsatz ersetzt wird oder einem Zollsatz in der jeweils in der Dringlichkeitsliste vorgesehenen Höhe Platz macht.
Völlig beseitigt wird die bisher gewährte Zollfreiheit für eine Reihe von Waren, darunter Rindvieh zu Schlachtzwecken. Gegenüber den Sätzen des Zolltarifs noch ermäßigte Zollsätze an Stelle bisher gewährter Zollfreiheit sollen für eine große Reihe von Waren eintreten.
Die fraglichen Änderungen gegenüber der bisher angewendeten Zollbegünstigungsliste können heute nicht mehr mit Wirkung ab 1. Juli 1950 in Kraft gesetzt werden, sondern erst mit Wirkung von einem noch zu bestimmenden künftigen Tage ab, falls die Alliierte Hohe Kommission die erbetene Zustimmung erteilt.
Die mit dem Customs Sub-Committee ausgehandelten Zollsätze der Vordringlichkeitsliste liegen zumeist unter den in dem ursprünglichen Entwurf des geplanten neuen Zollbegünstigungsgesetzes vorgegesehenen Sätzen, da das Customs Sub-Committee grundsätzlich den Standpunkt vertrat, daß die festzusetzenden Zollsätze in Übereinstimmung mit den im Entwurf für einen Wertzolltarif vorgesehenen Sätzen stehen müßten. Mit den ausgehandelten Zollsätzen glaubt jedoch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einen ausreichenden Schutz der heimischen Landwirtschaft sichergestellt zu haben.