Rede von
Herbert
Wehner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über die volkswirtschaftliche Notwendigkeit, die diesem Gesetz zugrunde liegt, ist schon viel gesagt worden. Ich habe nicht die Absicht, dem von meinen geschätzten Herren Vorrednern abgefeuerten Zahlenfeuerwerk noch einige Raketen folgen zu lassen. Es ist ganz klar, daß es sowohl auf Grund der Einsparung und Einbringung von Devisen durch eigene Frachtschiffe als auch durch den arbeitsplatzschaffenden Charakter des Schiffsbaues dringend notwendig ist, zu einer Realisierung dieses Gesetzes zu kommen. Wir haben schon seinerzeit, als wir die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers beim Antritt seiner Regierung hörten und unsern Standpunkt dazu entwickelten, darauf hingewiesen, wie notwendig es ist, daß sich die Regierung an zentraler Stelle mit dem Schiffsbau und mit dem Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte befaßt, zumal wir ja in der gegenwärtigen Zeit allein 25 % der Marshallplan-Zuwendungen für Zahlungen für Transporte verbrauchen.
Es ist hier auf die Arbeitsbeschaffung für Seeleute und auf alles andere hingewiesen worden. Ich glaube, es ist weiten Kreisen klar, daß es sich bei diesem Gesetz um eine dringende Notwendigkeit
handelt. Aber ich glaube, wir sollten nicht die Augen davor verschließen, daß das Gesetz so, wie es jetzt vorliegt, immerhin nur mangelhaft geeignet ist, die eigentliche Lücke zu schließen; denn es ist ein Gesetz, das nichts über das erforderliche Volumen des deutschen Schiffsbaues aussagt. Ich will die Gründe hier nicht untersuchen. Ich meine nur, wir sollten uns darüber klar sein, daß darin also ein großer Unterschied dieses Gesetzes etwa zum Gesetz zur Förderung des Wohnungsbaues liegt. Im Falle des Wohnungsbaues waren wir uns einig darüber, wie wichtig es sei, ein Gesamtprogramm zu haben. Hier haben wir noch kein Gesamtprogramm. Ich finde, es wäre besser, wir könnten es haben.
Der Herr Bundesverkehrsminister hat uns heute gesagt, woher die fehlenden Gelder kommen sollen. Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Dies gilt nur für ein Jahr, und es besteht die große Gefahr, daß wir am Ende dieses Jahres vor der Notwendigkeit stehen, uns wiederum einen Schritt vorzutasten. Ich meine, das muß hemmend auf die Vorfinanzierungslust der Länder wirken, von denen ja in der jüngsten Vergangenheit der Schiffsbau gelebt hat.
Ich möchte einige für meine Begriffe etwas zu optimistische Worte des Herrn Bundesverkehrsministers ein wenig auf die richtige Stelle rücken, wenn er von einer Sicherung des Auftragsbestandes der Werften sprach bzw. nahe an diesen Begriff herankam. Die Werften sind für den, der Einblick in diese Dinge hat, keineswegs in einer sicheren Position. Sie schlängeln sich von Monat zu Monat durch. Ich will hier nicht darüber sprechen, wann für einzelne der bedeutenden Werften eine kritische Situation eintritt; aber sie müssen alle mit einer
solchen kritischen Situation in einigen Monaten rechnen. Das hat ja auch seine schwerwiegenden technischen Folgen für unseren Schiffsbau, denn der Schiffsbau kann ja nur dann auch für ausländische Rechnung erfolgreich arbeiten, wenn er auf der Höhe der technischen Leistung und Errungenschaften ist, abgesehen davon, daß uns jetzt noch eine Masse einengender Bestimmungen hemmt, die besonders den Schiffsbau für ausländische Rechnungen ganz ungebührlich schwierig, fast unmöglich macht. Es fehlt diesem Gesetz ein Überblick über die Höhe der Gesamtaufwendungen, die notwendig sind. Es besteht dadurch die Gefahr, daß wir wiederum Flickwerk machen.
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit noch auf einige Punkte richten, von denen ich meine, sie sollten kritisch behandelt werden. Es heißt von diesem Gesetz schon im Titel, daß es ein Gesetz über Darlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen sei. Wenn wir dann den § 1 ansehen, so taucht plötzlich das Wort „Wiederaufbaudarlehen" auf, das schon zu recht eigentümlichen Mißverhältnissen geführt hat; nämlich dann, wenn man sich dann dem § 2 zuwendet, von dem man den Eindruck bekommt, als handle es sich bei diesem ganzen Darlehensgesetz eigentlich um die Wiedergutmachung von Schäden, die der Teil unserer Handelsschifffahrtsunternehmen erlitten hat, der vor dem Kriege im Geschäft war. Es heißt ja, daß derjenige, der ein Schiff nach dem 31. 8. 1939 verloren hat, die Möglichkeit hat, ein solches Wiederaufbaudarlehen zu bekommen. Ich frage mich, ob — bei aller Hochachtung vor den großen Firmennamen auf dem Gebiete der Handelsschiffahrt — diese alten Firmennamen allein darlehenswürdig seien und ob man es sich unter unseren Verhältnissen leisten kann, neuem Kapital, das sowieso nicht allzu reichlich zur Verfügung steht, den Zutritt zu diesem Zweige unserer Wirtschaft noch mehr zu hemmen, als es ohnehin der Fall ist.
Meine Befürchtung ist, daß hier gewisse Tendenzen zu einer Monopolisierung unserer Handelsschiffahrt vorliegen. Gewiß, die Begründung, die die Regierung dem Entwurf gegeben hat, sagt, man müsse bei der Handelsschiffahrt besonders darauf achten, daß nicht durch spekulative Elemente Schaden angerichtet werde. Aber ich frage Sie, meine Damen und Herren: Bietet denn nicht die Tatsache, daß bei jedem einzelnen Darlehen die Darlehensansuchenden hinsichtlich ihrer Darlehenswürdigkeit geprüft werden, eine gewisse Sicherheit dafür, daß man auch bei solchen, die neu ins Geschäft kommen wollen und bei denen es sich sicher nicht nur um Leute handelt, die mit absolut leeren Händen kommen, die erforderlichen Garantien durch diese Prüfung haben kann, nicht aber dadurch, daß man die Scheidung nach dem Alter der Firmennamen vornimmt? Ich will mich mit diesen Einwendungen gegen eine Form der Benachteiligung, ja gegen eine Form der Diskriminierung von neuen unternehmerischen Kräften wenden, und ich möchte mich gegen Monopoltendenzen wenden, die vielleicht aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht so stark hervorklingen, die aber bei den Diskussionen, die ich erlebt habe, ganz unverkennbar waren.
Zum Schluß gestatten Sie mir noch einige Hinweise auf die Art, in der eine bestimmte Seite der Vorschläge des Bundesrats hier bei der Vorlage vom Kabinett behandelt worden ist. Es ist gesagt worden, daß die Forderung des Bundesrats, bei den Verordnungen, die das Kabinett im Zuge dieses Gesetzes erläßt, mitzuentscheiden, nicht anerkannt werden
könne. Das Kabinett beruft sich dabei darauf, daß nach Art. 80 Abs. 2 des Grundgesetzes die Zustimmung des Bundesrats nicht erforderlich sei. Ich bezweifle, daß das Kabinett hier einen richtigen Standpunkt eingenommen hat. Es ist andererseits erwogen worden, daß man unter Umständen für die Durchführung dieses Gesetzes durch einen Beirat, an dem die seefahrenden Länder beteiligt sind, eine gewisse Garantie für den Ausgleich von Interessen schaffen könnte. Im größeren Rahmen und Zusammenhang damit sollte eine Forderung der Gewerkschaften beachtet werden, die wir, glaube ich, nicht nur anmelden, sondern gründlich zur Kenntnis nehmen sollten. Es geht ja darum, einen großen Seeverkehrsbeirat zu bilden, der sich mit allen einschlägigen Fragen des Seeverkehrs befassen soll. Man sollte dieses Problem in dem Zusammenhang — Hinzuziehung der Gewerkschaften und nicht nur gelegentliche Hinzuziehung von Reedern und Werftverbänden — berücksichtigen.
Gewiß sind auch wir der Meinung, daß dieses Gesetz so bald wie möglich unter Dach und Fach kommen soll. Aber wir sind andererseits der Meinung, daß es kein guter Start sei, wenn man sagt, es habe schon einige Monate gedauert, ehe man mit den Referentenentwürfen im Ministerium und dann im Kreise der Kabinetts fertig wurde. so daß sich jetzt der Bundestag doppelt beeilen müsse, eben weil es vorher so lange gedauert hat. Das wäre schlecht. Wir müssen auch in diesem Fall die Bedenken, von denen ich einige vorgetragen habe, untersuchen und berücksichtigen.