Protokoll:
5041

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 41

  • date_rangeDatum: 17. Mai 1966

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 22:07 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 41. Sitzung Bonn, den 17. Mai 1966 Inhalt: Telegrammwechsel zwischen den Präsidenten des Deutschen Bundestages und des Schwedischen Reichstages zu dessen 100. Geburtstag 1777 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der. Abg. Mauk, Dr. Ils und Hahn (Bielefeld) 1777 B Abg. Dr. Hamm (Kaiserslautern) legt sein Mandat nieder 1777 B Abg. Jung tritt in den Bundestag ein . 1777 B Überweisung des Entwurfs einer Patentanwaltsordnung an den Haushaltsausschuß gem. § 96 GO 1777 C Fragestunde (Drucksache V/614) Frage des Abg. Müller (Mülheim) : Haftpflichtversicherungszwang für Motorboothalter Dr. Jaeger, Bundesminister . . . 1778 A Müller (Mülheim) (SPD) 1778 B Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Änderung des § 61 Konkursordnung 1778 D Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Verbesserung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes 1779 A Fragen des Abg. Dr. Lohmar: „Tele-Kolleg" Dr. Ernst, Staatssekretär . . . . . 1779 B Dr. Lohmar (SPD) . . . . . . . 1779 C Fragen des Abg. Kulawig: Anrechnung von Aufwandsentschädigungen auf Versorgungs- und Ruhegehaltsbezüge Dr. Ernst, Staatssekretär . . . . . 1779 D Frage der Abg. Frau Freyh: Auskunftserteilung betreffend Erklärung der Stadt Frankfurt zum weißen Kreis Dr. Bucher, Bundesminister . . . . 1780 B Frau Freyh (SPD) . . . . . . . 1780 C Frau Berger-Heise (SPD) . . . . . 1780 D Frau Meermann (SPD) . . . . . 1781 A Hauffe (SPD) . . . . . . . . 1781 B Bartsch (SPD) 1781 D Müller (Mülheim) (SPD) 1781 D Fragen des Abg. Lautenschlager: Fehlbedarf an Wohnungen für Bundesbedienstete Dr. Bucher, Bundesminister . . . . 1782 B Lautenschlager (SPD) . . . . . . 1782 B Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . . 1782 D Strohmayr (SPD) . . . . . . . 1783 A II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Absetzbarkeit von Werbungskosten . 1783 B Fragen des Abg. Dr. Martin: Diskriminierung der Examina an deutschen medizinischen Fakultäten durch die Nigerianische Ärztekammer Dr. Schröder, Bundesminister . . . 1783 C Dr. Martin (CDU/CSU) . . . . . 1783 D Kahn-Ackermann (SPD) . . . . 1784 A Moersch (FDP) 1784 A Fragen des Abg. Matthöfer: Stellungnahme des DGB gegen die Aufnahme Franco-Spaniens in die EWG Dr. Schröder, Bundesminister . . 1784 B Matthöfer (SPD) 1784 C Strohmayr (SPD) 1785 A Fragen des Abg. Schmidt (Braunschweig) : Wettbewerbsbenachteiligungen für den inländischen grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 1785 D Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . . 1786 A Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 1786 C Frage des Abg. Jahn (Marburg) : Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 1786 D Jahn (Marburg) (SPD) 1787 A Frage des Abg. Lautenschlager: Verkehrs- und Abfertigungsverhältnisse beim Zollamt Lindau-Ziegelhaus Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 1787 C Lautenschlager (SPD) 1787 D Fragen des Abg. Strohmayr: Finanzierung der Olympischen Spiele 1972 in München — Gedenkmünze Dr. Dahlgrün, Bundesminister . 1788 B Strohmayr (SPD) 1788 C Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . 1788 D Fragen des Abg. Reichmann: Förderung und Entwicklung der Orthopädie-Technik Katzer, Bundesminister . . . . 1789 A Reichmann (FDP) 1789 B Mick (CDU/CSU) 1790 A Frage des Abg. Josten: Erledigung der Anträge auf Anerkennung als Kriegsopfer Katzer, Bundesminister . . . . 1790 C Josten (CDU/CSU) 1790 C Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 (Getreide) des Rates der EWG (Drucksache V/527); Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksache V/607) — Zweite und dritte Beratung — 1791 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1966 (Haushaltsgesetz 1966) (Drucksache V/250) — Zweite Beratung — Leicht (CDU/CSU) 1791 B Hermsdorf (SPD) 1796 C Dr. Emde (FDP) 1799 D Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksache V/573) in Verbindung mit Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksache V/574) Erler (SPD) 1804 A D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . 1811 D Dr. Schmid, Vizepräsident . . . 1812 A Dr. Erhard, Bundeskanzler . . . 1812 B Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 1817 B Strauß (CDU/CSU) . . . . . . 1818 C Mischnick (FDP) 1827 D. Dr. Mende, Bundesminister . . . 1832 A Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 1835 A Dr. Schröder, Bundesminister . . 1837 C Moersch (FDP) 1841 B Dr. Martin (CDU/CSU) 1843 A Frau Geisendörfer (CDU/CSU) . 1843 D Kahn-Ackermann (SPD) . 1844 A, 1846 D Dr. Conring (CDU/CSU) . 1845 C, 1847 A, 1854 A Sänger (SPD) . . . . . . . . . 1847 B Haase (Kassel) (CDU/CSU) . . . . 1848 C Wischnewski (SPD) . . . . . . 1853 A Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt (Drucksache V/570) . . 1855 C Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksache V/571) Dr. Götz (CDU/CSU) . . . . . . 1855 C Dorn (FDP) . . . . . . . 1858 B Frehsee (SPD) 1863 D Brese (CDU/CSU) . . . . . . 1868 D D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . 1872 C Dr. Abelein (CDU/CSU) 1874 C Genscher (FDP) 1877 A Ruf (CDU/CSU) . . . . . . . 1878 C Nächste Sitzung . 1879 C Anlagen 1881 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 1777 41. Sitzung Bonn, den 17. Mai 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 1881 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Aigner * 17.5. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 18.5. Dr. Artzinger 17. 5. Bading* 18. 5. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 13.5. Prinz von Bayern 21. 5. Berger 18.5. Blachstein 17.5. Borm 18.5. Buchstaller 28.5. Dr. Burgbacher 17.5. Burgemeister 18. 5. Diekmann 18.5. Frieler 2. 7. Dr. Furler 29. 5. Geldner 18.5. Dr. Hammans 18.5. Illerhaus 17.5. Dr. Jungmann 30.6. Frau Kalinke 18. 5. Klinker * 18.5. Kriedemann * 17.5. Lemmer 17.5. Lücker (München) * 17.5. Mauk * 18.5. Dr. von Merkatz 31. 5. Metzger * 18.5. Michels 17. 5. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 30. 6. Dr. Morgenstern 30. 6. Müller (Aachen-Land) * 18.5. Dr. Müller (München) 18. 5. Richarts * 17.5. Schwabe 22.5. Stahlberg 31.6. Frau Strobel * 17.5. Teriete 2. 7. Tobaben 18.5. Dr. Toussaint 17. 5. Unertl 18.5. Zerbe 27. 5. b) Urlaubsanträge Dr. Barzel 31. 5. Brünen 23.5. Gibbert 27. 5. Frau Jacobi (Marl) 27. 5. Dr. h. c. Jaksch 13. 6. Hahn (Bielefeld) 27.5. Seither 31. 5. Seuffert 28.5. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Umdruck 37 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966, hier: Einzelplan 04 - Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksachen V/250 Anlage, V/573). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 04 03 — Presse- und Informationsamt der Bundesregierung - 1. Im Tit. 300 - Zur Verfügung des Bundeskanzlers für Förderung des Informationswesens -(Drucksache V/250 Anlage S. 28) - wird der Ansatz von 12 500 000 DM um 4 500 000 DM auf 8 000 000 DM gesenkt. Der Haushaltsvermerk erhält folgende Fassung: „Die Jahresrechnung über die Einnahmen und Ausgaben dieses Titels unterliegt nur der Prüfung eines Unterausschusses des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärungen des Unterausschusses und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung." 2. Tit. 314 - Aufklärung und Unterrichtung der Bevölkerung auf den Gebieten der Sozialinvestitionen — 2 500 000 DM (Drucksache V/573 S. 4) wird gestrichen. Bonn, den 16. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 3 Umdruck 36 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966, hier: Einzelplan 05 - Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksachen V/250 Anlage, V/574). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 05 02 — Allgemeine Bewilligungen — wird in Tit. 964 — Ausrüstungshilfe - (Drucksache V/574 S. 4) der Ansatz um 27 000 000 auf 60 000 000 DM gekürzt. Bonn, den 16. Mai 1966 Erler und Fraktion 1882 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 Anlage 4 Umdruck 48 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 hier: Einzelplan 05 — Auswärtiges Amt (Drucksachen V/250 Anlage, V/574). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 05 02 — Allgemeine Bewilligungen — Tit. 676 — Förderung der UNESCO-Arbeit in der Bundesrepublik b) Zuschuß an das UNESCO-Institut für Pädagogik in Hamburg — (Drucksache V/250 Anlage S. 43) wird in den Erläuterungen Absatz 2 gestrichen. Bonn, den 17. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 5 Umdruck 38 Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 1. hier: Einzelplan 02 — Deutscher Bundestag (Drucksachen V/250 Anlage, .V/571). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 02 01 wird der Tit. 710 — Errichtung eines Bürohauses des Deutschen Bundestages (Arbeitszimmer für Abgeordnete und Sitzungsräume für Ausschüsse) — mit einem Ansatz von 3 000 000 DM gestrichen. 2. hier: Einzelplan 06 — Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksachen V/250 Anlage, V/575) . Dementsprechend wird in Kap. 06 02 Tit. 610 — Für zentrale Maßnahmen auf dem Gebiet des Sports und der Leibesübungen — der Ansatz von 6 180 000 DM um 3 000 000 DM auf 9 180 000 DM erhöht. In den Erläuterungen zu Kap. 06 02 Tit. 610 wird der Nummer 1 folgender Buchstabe c angefügt: „c) Zuschüsse zur Ausrichtung der Olympiade 1972 in München 3 000 000 DM". Bonn, den 16. Mai 1966 Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 6 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Seiermann vom 6. Mai 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Cramer (Drucksache V/561 Frage IX/11): Ist die Bundesregierung bereit, die Deutsche Bundesbahn zu veranlassen, für den Transport von Muschelkalk einen dem früheren G-Tarif ähnlichen Sondertarif einzuführen, um der drohenden Existenzvernichtung deutscher Muschelkalkwerke zu begegnen? Nach den Bestimmungen der Verkehrsänderungsgesetze vom 1. August 1961 kann der Bundesminister für Verkehr die Deutsche Bundesbahn nur aus Gründen des allgemeinen Wohls zur Einführung einer Tarifmaßnahme veranlassen. Solche schwerwiegenden Gründe dürften im vorliegenden Falle nicht gegeben sein. Im übrigen würde es sich dabei um einen Unterstützungstarif handeln, der nach dem EWG-Vertrag ohne Genehmigung der Kornmission unzulässig ist. Bei der Genehmigung solcher Maßnahmen legt die Kommission einen sehr strengen Maßstab an. Sie verlangt grundsätzlich zunächst Hilfe durch unmittelbare Unterstützung, wenn diese unerläßlich und mit den Bestimmungen des EWG-Vertrages vereinbar ist. Ihrer Entscheidung über einen Unterstützungstarif muß sie ein multilaterales Konsultationsverfahren vorschalten.
Gesamtes Protokol
Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504100000
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich dem Hohen Hause noch einige Dinge vorzutragen.
Der Präsident des Deutschen Bundestages hat an den Präsidenten des Schwedischen Reichstags das folgende Telegramm gerichtet:
Der Deutsche Bundestag entbietet dem Schwedischen Reichstag zum 100. Geburtstag seine respektvollen Grüße und verbindet damit seine herzlichen Wünsche für Schwedens Volk und Parlament im Dienste der Freiheit und Gerechtigkeit.
Die Präsidenten der beiden Kammern haben mit folgendem Telegramm geantwortet:
Für die liebenswürdigen Glückwünsche zum hundertjährigen Geburtstag der Schwedischen Reichstagsordnung sprechen wir unseren herzlichen Dank aus. Gleichzeitig senden wir Ihnen, Herr Bundestagspräsident, unsere kollegialen Grüße.
Ich habe ferner die Freude und die Ehre, den Herrn Abgeordneten Mauk zum 60. Geburtstag zu beglückwünschen.

(Beifall.)

Ebenso beglückwünsche ich Herrn Abgeordneten Dr. Ils zu seinem 60. Geburtstag

(Beifall)

und Herrn Abgeordneten Hahn (Bielefeld) zum 65. Geburtstag.

(Beifall.)

Ad multos annos in guter weiterer Zusammenarbeit!
Der Abgeordnete Dr. Hamm (Kaiserslautern) hat mit Wirkung vom 12. Mai 1966 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als sein Nachfolger ist mit dem heutigen Tage der Abgeordnete Jung in den Bundestag eingetreten. Ich begrüße ihn im Namen des ganzen Hauses in unserer Mitte und wünsche ihm eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit.

(Beifall.)

Der federführende Rechtsausschuß hat zum Entwurf einer Patentanwaltsordnung — Drucksache V/276 — Beschlüsse gefaßt, die eine zusätzliche Überweisung des Entwurfs an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung erforderlich machen. Das Haus ist mit dieser zusätzlichen Überweisung einverstanden? — Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 13. Mai 1966 zum
Gesetz zur Änderung des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes
einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt.
Der Bundesminister des Innern hat am 10. Mai 1966 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Erlaß von Verwaltungsvorschriften zum Ausländergesetz und Übernahme von EWG-Richtlinien — Drucksache V/534 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/611 verteilt.
Der Bundesminister für Familie und Jugend hat am 5. Mai 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bartsch, Frau Berger-Heise, Braun, Bühling, Frau Krappe, Liehr, Mattick, Neumann (Berlin), Dr. Schellenberg, Dr. Seume, Urban, Wellmann, Westphal und der Fraktion der SPD betr. Erhöhung der Fahrpreise für Bahntransporte durch die Deutsche Bundesbahn im Rahmen der Kindererholungsverschickung — Drucksache V/474 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/605 verteilt.
Der Bundesminister für Verkehr hat am 3. Mai 1966 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 28. September 1956 über die Vergabe der Aufträge durch die Eurofima berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/604 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rats zur Änderung der Verordnung Nr. 55/65/EWG hinsichtlich der Mengen Cheddar-Käse, die auf dem Markt der Mitgliedstaaten abgesetzt werden können — Drucksache V/608 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 16. Juni 1966
Verordnung des Rats über Maßnahmen, die von den Erzeugermitgliedstaaten auf dem Gebiet der Preise und zur Festsetzung der gemeinsamen Schwellenpreise in NichterzeugerMitgliedstaaten für Reis und Bruchreis im Wirtschaftsjahr 1966/1967 zu treffen sind
— Drucksache V/609 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 23. Juni 1966.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Dreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zollaussetzung für Kartoffeln)

Drucksache V/617 —
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — federführend — und den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. Juni 1966
Neunundzwanzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Senkung des Angleichungszolls für Kaffee)

— Drucksache V/618—



Vizepräsident Frau Dr. Probst
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. Juni 1966
Achtundzwanzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Angleichungszölle — 3. Neufestsetzung)

— Drucksache V/619 —
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. Juni 1966.
Der Präsident des Bundestages hat gemäß § 96 a der Geschäftsordnung nachstehende dringliche Zollverordnungen überwiesen:
Zweiunddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zollkontingente für Dornhaie, Pfifferlinge und Heidelbeeren)

— Drucksache V/615 —
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um fristgemäße Behandlung
Fünfunddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen
Zolltarifs 1966 (Zollaussetzung für Frühkartoffeln)

— Drucksache V/616 —
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um fristgemäße Behandlung.
Wir treten nunmehr in die
Fragestunde
— Drucksache V/614, zu V/614 —
ein. Zuerst kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Ich rufe auf die Frage I/1 des Herrn Abgeordneten Müller (Mülheim) :
Wie steht die Bundesregierung zur Einführung des Haftpflichtversicherungszwanges für alle Motorbootfahrzeuge?
Ich bitte den Herrn Bundesminister der Justiz um Beantwortung.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0504100100
Die Frage I/1 des Herrn Abgeordneten Müller (Mülheim) darf ich wie folgt beantworten.
Die Bundesregierung sieht zur Zeit keinen Anlaß, den Haftpflichtversicherungszwang für Motorboothalter einzuführen. Diese Frage ist schon 1964 eingehend geprüft worden. Hierbei hat sich ergeben, daß die Gefahr, die der Betrieb eines Motorboots für die Allgemeinheit bedeutet, das tragbare Maß nicht überschreitet. Sie kann nicht mit der Gefährdung verglichen werden, die das Kraftfahrzeug für den Straßenverkehr, dessen Gefahren sich niemand entziehen kann, mit sich bringt.
Die Bundesregierung wird jedoch die Entwicklung auf diesem Gebiet weiter beobachten.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504100200
Eine Zusatzfrage, bitte!

Willi Müller (SPD):
Rede ID: ID0504100300
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die Zahl der privaten Motorboote in der Bundesrepublik inzwischen an die 100 000 geklettert ist, und meinen Sie nicht auch, daß sich möglicherweise eben aus dieser Feststellung und aus dem erkennbar anhaltenden Trend nicht doch für die Bundesregierung die Notwendigkeit ergeben sollte, zu prüfen, ob wegen dieser Entwicklung nicht ein Umdenken in dieser Frage nötig ist?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0504100400
Herr Kollege, ich vermag nicht zu beurteilen, ob die Zahl, die Sie nennen, vom Verkehrsministerium bestätigt wird, aber ich unterstelle es einmal. Dann werden
aber diese Fahrzeuge nicht alle miteinander etwa auf dem Rhein herauf- und herunterfahren, sondern es ist ja so, daß sie sich auf die einzelnen Flüsse und Seen verteilen und daß der Trend auch nicht ins Uferlose geht, weil beispielsweise die Zahl der Motorfahrzeuge auf den oberbayerischen Seen, die ich ein wenig kenne, durch die zuständigen Landratsämter beschränkt ist. Unter diesen Umständen glaube ich, daß heute keine Notwendigkeit zur Einführung des Haftpflichtversicherungszwanges besteht. Sollte sie später eintreten, wird sich die Bundesregierung einer neuen Prüfung nicht verweigern.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504100500
Herr Abgeordneter Müller zur zweiten Zusatzfrage.

Willi Müller (SPD):
Rede ID: ID0504100600
Herr Minister, führt nicht gerade die von Ihnen angeführte Tatsache, daß es zu Sperrungen auf gewissen Flüssen oder Seen kommt, dazu, daß es zu einer Konzentrierung von privaten Motorbooten auf den noch nicht gesperrten Flüssen oder Seen kommt? Das wird immer in der Presse, aber auch von den örtlichen Behörden festgestellt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0504100700
Die Sperrung oder der numerus clausus für Boote ist an sich eine Sache, die nicht unbedingt mein Ressort betrifft. Der numerus clausus ist auch nicht mit Rücksicht auf diese Frage eingeführt, sondern zu dem Zweck, die Badegäste, die Segler, die Ruderer nicht zu stören. Er wird jedenfalls aufrechterhalten oder sogar erweitert werden.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504100800
Ich rufe die Frage I/2 des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Emmert auf:
Ist die Bundesregierung bereit, einen Gesetzentwurf zur Änderung des § 61 Konkursordnung dahin gehend vorzulegen, daß die rückständigen Forderungen aus Lohn, Kostgeld oder anderen Dienstbezügen den rückständigen Forderungen aus der Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung, der Berufsgenossenschaften und Familienausgleichskassen im Range vorgehen, wodurch eine Benachteiligung der Arbeitnehmer beseitigt würde, die darin liegt, daß die rückständigen Forderungen aus Sozialabgaben erfahrungsgemäß erheblich höher sind als die rückständigen Lohn- und Gehaltsforderungen, so daß die Arbeitnehmer als die sozial Schwächeren durchschnittlich nur geringe Restbeträge ausbezahlt erhalten?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Wir sind damit am Ende der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz.
Ich danke dem Herrn Bundesminister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf. Hier liegt die Frage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen vor. Diese Frage ist vom Fragesteller zurückgezogen.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsge-



Vizepräsident Frau Dr. Probst
schädigte. Hier liegt die Frage des Herrn Abgeordneten Fritsch (Deggendorf) vor:
Hat die Bundesregierung die Absicht, in absehbarer Zeit eine Verbesserung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes, insbesondere hinsichtlich der Höhe der Kriegsgefangenenentschädigung und des Entschädigungsbeginns, vorzusehen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe nunmehr die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf — zunächst Frage VIII/1 des Herrn Abgeordneten Dr. Lohmar:
Wie beurteilt die Bundesregierung das vom Bayerischen Rundfunk in die Wege geleitete „Tele-Kolleg"?
Der Herr Fragesteller ist im Raum. Ich bitte den Herrn Staatssekretär um Beantwortung.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504100900
Frau Präsidentin, darf ich uni die Erlaubnis bitten, die Fragen 1 und 2 des Herrn Abgeordneten Lohmar wegen des Zusammenhangs zusammen beantworten zu dürfen?

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504101000
Ist der Herr Fragesteller damit einverstanden? — Das ist der Fall. Ich bin auch einverstanden.
Dann rufe ich noch die Frage VIII/2 des Herrn Abgeordneten Dr. Lohmar auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, in der Regierungskommission des Bildungsrates und in der Ständigen Kommission von Bund und Ländern darauf hinzuwirken, daß die Erfahrungen des Bayerischen Rundfunks über das in Frage VIII/1 genannte „Tele-Kolleg" systematisch ausgewertet und daß die Möglichkeiten des Fernsehens für die Ausbildung auf allen Stufen in allen Bundesländern genutzt werden?
Bitte sehr!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504101100
Die Bundesregierung sieht in dem TeleKolleg des Bayerischen Rundfunks einen groß angelegten Versuch, zahlreichen Jugendlichen mit Volksschulabschluß den Weg zur Fachschulreife und damit den zweiten Bildungsweg zu erleichtern. Auf diese Weise könnte 'das Tele-Kolleg Begabtenreserven erschließen, die bisher noch nicht für den zweiten Bildungsweg gewonnen werden konnten. Wenn sich diese .an das Tele-Kolleg geknüpften Erwartungen erfüllen, wäre von den zuständigen Stellen zu prüfen, ob gleiche oder ähnliche Unterrichtsmethoden auch in anderen Bereichen der Bildung und Ausbildung eingeführt werden können.
Wegen der Bedeutung, die das Fernsehen bei der Verbesserung und Erweiterung unseres Bildungswesens entfalten kann, hält es die Bundesregierung für erforderlich, daß die Möglichkeiten des sogenannten Bildungsfernsehens eingehend -untersucht werden. Ein entsprechendes Forschungsvorhaben des Wissenschaftlichen Instituts für Jugendfragen in Film und Fernsehen, München, wird von ihr gefördert. Die Bundesregierung ist auch bereit, in allen zuständigen Gremien — in erster Linie im Bildungsrat — darauf hinzuwirken, daß die Erfahrungen des Bayerischen Rundfunks beim Tele-Kolleg systematisch ausgewertet und daß 'die Möglichkeiten des Fernsehens für Bildung und Ausbildung genutzt werden.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504101200
Eine Zusatzfrage des Herrn Dr. Lohmar.

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0504101300
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, dem Bundestag his Ende des Jahres einen Bericht über das Ergebnis dieser Beratungen vorzulegen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504101400
Wir sind dazu bereit. Ich setze allerdings voraus, daß der Bildungsrat bis dahin die Möglichkeit gehabt hat, dieses Problem schon einmal zu erörtern, damit wir mehr als einen bloß formellen Zwischenbericht ,geben können.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504101500
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0504101600
Darf ich Ihre Antwort so verstehen, Herr Staatssekretär, daß Sie im Bildungsrat darauf hinwirken werden, in dieser Zeitspanne auf jeden Fall eine Klärung dieser Problematik herbeizuführen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504101700
Wir wollen uns in dieser Richtung bemühen, Herr Abgeordneter.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504101800
Ich rufe die Frage VIII/3 des Herrn Abgeordneten Kulawig auf:
Hält die Bundesregierung es mit dem Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz (Artikel 3 Abs. 1 GG) für vereinbar, daß nach der Bundesnebentätigkeitsverordnung vom 22. April 1964 Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Bürgermeister und Beigeordnete nicht auf Gehaltsbezüge von aktiven Bundesbeamten anzurechnen sind, während die gleichen Entschädigungen noch heute auf Versorgungs- und Ruhegehaltsbezüge angerechnet werden?
Herr Kulawig ist nicht im Raum. Ist jemand bereit, die Frage des Herrn Kulawig zu übernehmen? — Das ist der Fall. Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Dr. Rinderspacher übernommen.
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504101900
Frau Präsidentin, ich bitte, die drei Fragen des Herrn Abgeordneten Kulawig zusammen beantworten zu dürfen, da sie den gleichen Komplex betreffen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504102000
Es besteht Einverständnis auf allen Seiten. Ich rufe auch die Fragen VIII/4 und VIII/5 auf:
Ist die Bundesregierung bereit, eine entsprechende Regelung. wie sie § 7 Abs. 2 der Bundesnebentätigkeitsverordnung vom 22. April 1964 vorsieht, auch für die Empfänger von Ruhegehalts-und Versorgungsbezügen zu schaffen?
Ist die Bundesregierung bereit, alle streitigen Fälle in die in Frage VIII/4 erwähnte Regelung einzubeziehen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504102100
Das Bundesnebentätigkeitsrecht für Beamte einerseits und die Ruhensvorschriften des



Staatssekretär Dr. Ernst
Bundesbeamtengesetzes für Versorgungsempfänger andererseits sind nach Zielsetzung und Inhalt so verschieden, daß aus einzelnen Vorschriften des einen Bereichs keine Folgerungen für den anderen gezogen werden können. Daher liegt in den geltenden Regelungen auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes vor.
Die Bundesregierung sieht daher keinen Anlaß, die Vorschriften über die Anrechnung von Aufwandsentschädigungen für als ehrenamtliche Bürgermeister oder Beigeordnete tätige Versorgungsempfänger zu ändern.
Ich möchte zur Eingrenzung der praktischen Bedeutung des Problems, Herr Abgeordneter, noch hinzufügen, daß ja zwei sehr wichtige Einschränkungen vorhanden sind. Zunächst einmal werden die Aufwandsentschädigungen nicht als Einkommen berücksichtigt, soweit sie den echten Dienstaufwand abgelten, also doch immerhin zu einem sehr erheblichen Teil. Zum anderen wird der darüber hinausgehende Teil auf die Versorgungsbezüge nur insoweit angerechnet, als er bestimmte Freigrenzen überschreitet. Diese Freigrenzen sind durch ein Drittes Gesetz zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften jedenfalls für die Bundesversorgungsempfänger noch einmal heraufgesetz worden; sie betragen — darf ich es einmal ganz roh sagen — etwa 160 % der letzten Dienstbezüge, so daß, wie wir glauben, auch da die praktische Bedeutung der Fälle sehr eingeengt ist.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504102200
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern erledigt. Ich danke dem Herrn Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau. Ich rufe auf die Frage III/1 der Abgeordneten Frau Freyh:
Wie beurteilt die Bundesregierung die schriftliche Auskunft im Auftrag des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau (Az. II A 4 — 6274/Ja/66), die einem Frankfurter Bürger ohne nähere Erläuterung mit folgendem Wortlaut gegeben wurde: „Die Stadt Frankfurt ist durch Rechtsverordnung der Hessischen Landesregierung vom 16. Juni 1965 zum sog. weißen Kreis erklärt worden, nicht durch die Bundesregierung."?
Bitte, Herr Bundesminister!

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504102300
Es trifft zu, daß die von Ihnen, Frau Kollegin, zitierte Antwort einem Frankfurter Bürger am 9. März dieses Jahres gegeben worden ist: Der Betreffende schrieb an mein Haus, er suche eine Sozialwohnung, und endete seinen Brief mit dem Satz: „Ich bitte Sie daher, sich der Sache anzunehmen und dafür Sorge zu tragen, daß wir bis zum Termin der ausgesprochenen Kündigung eine Zwei- bis Zweieinhalbzimmer-Sozialwohnung erhalten, da Sie ja Frankfurt zum weißen Kreis erklärt haben." Auf diesen letzten Satz bezieht sich die Antwort des Sachbearbeiters meines Hauses, der geschrieben hat, die Stadt Frankfurt sei durch Rechtsverordnung der Hessischen Landesregierung zum weißen Kreis erklärt worden, nicht durch die Bundesregierung. Formell ist diese Antwort sicher richtig.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504102400
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Freyh:

Brigitte Freyh (SPD):
Rede ID: ID0504102500
Sind Sie aber nicht der Auffassung, Herr Minister, daß diese Antwort, auch wenn sie formell richtig ist, in dieser abgekürzten Form ausgesprochen irreführend wirken muß?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504102600
Ich möchte nicht sagen, daß sie irreführend wirkt; aber ich habe ja selbst das Wort „formell" betont. Damit wollte ich auch zum Ausdruck bringen, daß für einen nicht voll über die gesetzgeberischen und Verwaltungskompetenzen informierten Mann die Antwort nicht klar ist. Ich habe deshalb in meinem Hause Weisung gegeben, in Zukunft von einem solchen Satz abzusehen oder ganz klarzustellen, daß die Gesetzgebungskompetenz für diese Frage beim Bund liegt und nur die Durchführung bei der Landesregierung und bei der Gemeinde liegt.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504102700
Eine zweite Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Freyh.

Brigitte Freyh (SPD):
Rede ID: ID0504102800
Wie ist es überhaupt möglich, Herr Minister, daß solche Antworten noch weiterhin gegeben werden, nachdem ja genau der gleiche Fragenkomplex vor einiger Zeit schon einmal in diesem Hause eine ähnliche Rolle gespielt hat?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504102900
Ich kann mir im Augenblick nicht denken, auf welchen Fall Sie sich beziehen, bei dem gerade die Frage eine Rolle gespielt haben soll, daß eine in dieser Beziehung nicht ganz — —

(Abg. Frau Freyh: Dieselbe Auskunft — wenn ich noch einmal dazwischenrufen darf!)

— Ich kann mich aber nicht erinnern, daß eine solche Frage an mich gestellt worden ist.

(Abg. Frau Freyh: Nicht an Sie, aber an Ihren Vorgänger!)

— Ich habe schon gesagt, ich will darauf hinweisen, daß in Zukunft die Auskunft klar erteilt werden soll.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504103000
Frau Abgeordnete Berger-Heise zu einer Zusatzfrage.

Margarete Heise (SPD):
Rede ID: ID0504103100
Welche formelle Antwort hat das Bundesministerium für Wohnungswesen und Städtebau dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen erteilt, als er kürzlich den Antrag stellte, Düsseldorf, Olpe, Wiedenbrück und seinen Wahlkreis Mönchengladbach am 1. Juli dieses Jahres nicht zum weißen Kreis zu erklären?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504103200
Sie sehen, Frau Kollegin, aus Ihrer Frage ergibt sich, daß die Antwort, die hier erteilt



Bundesminister Dr. Bucher
worden ist, tatsächlich formell richtig ist; denn hier wird ja sehr deutlich, daß die Landesregierung dafür zuständig ist, Kreise zu weißen Kreisen zu erklären oder nicht zu erklären. Ich habe dem Herrn Minister für Wiederaufbau und Wohnungswesen des Landes Nordrhein-Westfalen bereits mitgeteilt, daß die Bundesregierung Bedenken gegen die dort vorgetragene Auffassung hat, und habe um Überprüfung des Standpunktes gebeten.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504103300
Eine zweite Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Berger-Heise.

Margarete Heise (SPD):
Rede ID: ID0504103400
Sind es nur Bedenken, Herr Minister, die Sie geltend gemacht haben?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504103500
Es sind sehr schwerwiegende Bedenken, und ich glaube, das ist die richtige Form für die erste Stellungnahme, die man daraufhin abgibt.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504103600
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Meermann.

Hedwig Meermann (SPD):
Rede ID: ID0504103700
Herr Bundesminister, wenn Sie nur von Bedenken sprechen, muß ich doch fragen: Sind die Landesregierungen also nicht unbedingt gehalten, das zu befolgen, was hier durch Gesetz festgelegt ist?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504103800
Ich bin der Ansicht, daß die Landesregierungen gehalten sind. Allerdings besteht hierüber ein gewisser Streit, da in dem Gesetz das Wort „sollen" verwendet ist, — die Landesregierungen sollen es tun. Ich persönlich bin der Ansicht, daß eine Soll-Vorschrift, die sich an eine Behörde wendet, praktisch eine Muß-Vorschrift ist.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504103900
Eine zweite Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Meermann.

Hedwig Meermann (SPD):
Rede ID: ID0504104000
Haben Sie nicht den Eindruck, Herr Bundesminister, daß man nach alledem, was bei diesen Gesetzen vorher in diesem Hause gesagt worden ist, solche Antworten, wie Sie sie geben, und auch Antworten, wie sie in diesem Brief zum Ausdruck kommen, wirklich als Angst vor der eigenen Courage ansehen muß?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504104100
Nein, dieser Ansicht bin ich nicht. Aber ich sagte ja bereits, daß ich bereit sei, dazu beizutragen, daß klarere Antworten gegeben werden.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504104200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hauffe.

Herbert Hauffe (SPD):
Rede ID: ID0504104300
Herr Minister, sind Sie der Meinung, daß einem Staatsbürger zuzumuten ist, zu prüfen, ob eine Antwort der Bundesregierung formell richtig und sachlich falsch ist?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504104400
Das ist dem Staatsbürger nicht zuzumuten. In diesem Falle hat das der Staatsbürger aber offenbar getan. Sonst würden wir hier nicht darüber diskutieren.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504104500
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hauffe.

Herbert Hauffe (SPD):
Rede ID: ID0504104600
Eine erfreuliche Ausnahme! Der Staatsbürger muß also annehmen, Herr Minister, daß die Antwort sachlich richtig ist. Deswegen ist anzunehmen, daß die Bundesregierung ebenfalls der Meinung ist, daß die gesetzlichen Grundlagen für die Erklärung eines Kreises zum weißen Kreis nicht mehr den heutigen Tatsachen entsprechen. Ist daher die Bundesregierung bereit, diese Unterlagen zu überprüfen und Vorschläge zur Änderung des Gesetzes zu machen?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504104700
Davon war in meiner Antwort und auch in dem ganzen Briefwechsel, um den es hier geht, nicht die Rede, daß die Grundlagen der bisherigen Politik überprüfungsbedürftig seien.

Herbert Hauffe (SPD):
Rede ID: ID0504104800
Das ist aber nach der Antwort anzunehmen, und ich frage, ob die Regierung bereit ist, das zu prüfen und unter Umständen neue Vorschläge zu machen.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504104900
Die Regierung prüft selbstverständlich diese Frage. Sie ist dazu schon durch den Antrag gehalten, den Ihre Fraktion zu diesem Problemkreis vorgelegt hat.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504105000
Sie haben keine Zusatzfrage mehr; Sie haben Ihr Kontingent sogar schon überschritten. — Ich bitte jetzt Herrn Bartsch, seine Zusatzfrage zu stellen.

Willy Bartsch (SPD):
Rede ID: ID0504105100
Herr Minister, nachdem von 565 Kreisen 509 zu weißen Kreisen erklärt sind, frage ich: Wann werden Sie Herr Minister, entscheiden, ob eine Landesregierung befugt ist, die Erklärung abzugeben oder nicht?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504105200
Das kann ich nicht entscheiden. Wenn das nicht im Wege ,der Einigung vor sich geht, muß das Bundesverfassungsgericht bemüht werden. Im schlimmsten Fall müßte der Bundeszwang angewendet werden. Aber Sie werden wohl verstehen, daß man, bevor man von solchen Maßnahmen spricht, versucht, die Sache ,auf 'dem normalen Weg zu regeln.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504105300
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Müller (Mülheim).

Willi Müller (SPD):
Rede ID: ID0504105400
Herr Bundesminister, Sie haben vorhin in bezug auf die Äußerungen der Landesregierung Nordrhein-Westfalen wegen der



Müller (Mülheim)

bekannten weißen Kreise erklärt, daß Sie gegen diese Auffassung schwerwiegende Bedenken hätten. Ich möchte Sie fragen, in welcher Weise Sie diesem Mißverhalten abhelfen wollen, und insbesondere, wann etwa mit Maßnahmen der Bundesregierung in dieser Richtung zu rechnen ist, vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen oder nachher?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504105500
Ich nehme an, daß der Brief, den ich an die Regierung Nordrhein-Westfalen geschrieben habe, in normaler Zeit, d. h. in etwa zwei Wochen, beantwortet sein wird. Dann werden wir entscheiden, was zu tun ist.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504105600
Ich rufe nunmehr die Frage III/2 des Herrn Abgeordneten Lautenschlager auf:
Mit welchen Maßnahmen wird die Bundesregierung den Fehlbedarf an Wohnungen für die Bundesbediensteten, soweit sie nicht der Bundesfinanzverwaltung angehören, und für die Bundeswehr in Bayern beseitigen?
Der Fragesteller ist im Raum. Bitte, Herr Bundesminister!

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504105700
Wenn Sie einverstanden sind, Herr Abgeordneter, beantworte ich Ihre Frage, die Sie unter IX/5 an den Herrn Bundesminister der Finanzen gerichtet haben, gleich mit, weil ja auch die Wohnungsfürsorge für Bedienstete der Finanzverwaltung zu meinem Aufgabenbereich gehört.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504105800
Besteht hierüber Einverständnis? — Dann rufe ich jetzt noch die Frage IX/5 des Herrn Abgeordneten Lautenschlager auf:
Mit welchen Maßnahmen will der Bundesfinanzminister den Fehlbedarf an Wohnungen für Bedienstete der Bundesfinanzverwaltung im Bereich der Oberfinanzdirektionen Nürnberg und München beseitigen?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504105900
Es ist dazu -zu sagen, daß in Bayern bisher rund 28 000 Wohnungen zur Verfügung ;gestellt worden sind. Im Vergleich dazu die Förderung im ganzen Bundesgebiet: 175 000. 28 000 Wohnungen also in Bayern. Weitere 5370 Wohnungen befinden sich im Bau und in der Planung. Hier stehen also ,die Mittel auch bereits zur Verfügung. Von dem restlichen angemeldeten Bedarf von 2400 Wohnungen kann aus den Mitteln für 1966 allerdings nur ein Viertel abgedeckt werden.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504106000
Zusatzfrage.

Hans Lautenschlager (SPD):
Rede ID: ID0504106100
Herr Minister, vertreten Sie nicht mit mir die Ansicht, daß die Fehlstellen im Offiziers- und Unteroffizierskorps der Bundeswehr zu einem erheblichen Teil ihre Ursache in den fehlenden Dienstwohnungen haben und ca. 4000 allein im Bereich der Truppenteile und Dienststellen bei der Bundeswehr in Bayern fehlende Wohnungen nicht dazu angetan -sind, die Bestrebungen der Bundeswehr zur Beseitigung des Personalmangels zu unterstützen?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504106200
Ich kann Ihnen nicht widersprechen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504106300
Zweite Zusatzfrage.

Hans Lautenschlager (SPD):
Rede ID: ID0504106400
Herr Minister, bei einem Fehlbestand von 453 Wohnungen für Angehörige der Bundesfinanzverwaltung im Bereich der beiden Oberfinanzdirektionen München und Nürnberg nach dem Stand vom 1. April 1966 richte ich an Sie die Frage, ob die Zahlung von Trennungsentschädigung an zur Zeit 200 Berechtigte auf die Dauer gesehen wirtschaftlich und billiger ist als der Bau und die Teilfinanzierung bzw. die Bezuschussung von Dienstwohnungen?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504106500
Es ist selbstverständlich immer ein schwieriges Problem, ob man das Geld für Trennungsentschädigungen oder für den Bau von Wohnungen ausgeben soll. Aber das Problem liegt eben darin, daß der Bau von Wohnungen eine Festlegung von höheren Mitteln erfordert, und ich muß darauf hinweisen, daß in meinem Einzelplan bei Tit. 830, der hier in Frage kommt, für dieses Jahr von den Bindungsermächtigungen 25 Millionen DM gekürzt worden sind. Dadurch bin ich natürlich nicht in der Lage, allen Wünschen Rechnung zu tragen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504106600
Dritte Zusatzfrage.

Hans Lautenschlager (SPD):
Rede ID: ID0504106700
Herr Minister, sehen Sie in der schleppenden Behandlung des Baues von Dienstwohnungen keinen Verstoß gegen Art. 6 des Grundgesetzes und gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, wenn neben den genannten 200 Trennungsentschädigungsempfängern 92 Härtefälle stehen und 161 sonstige Anwärter auf die Zuteilung einer Wohnung warten und dadurch in eine fast unerträgliche Situation gedrängt werden?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504106800
Ein Verstoß gegen das Grundgesetz könnte nur vorliegen, wenn so etwas, vorsätzlich oder, sagen wir, grob fahrlässig gemacht wird. Hier aber ist es einfach die finanzielle Beengung, die dazu zwingt.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504106900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fritsch.

Walter Fritsch (SPD):
Rede ID: ID0504107000
Herr Bundesminister, würden Sie dem Wohnungsbau für Bundesbedienstete im Zonenrand- und Grenzgebiet Ihre besondere Aufmerksamkeit schenken, nachdem — wie bereits dargestellt — auch dort die Wohnungsnot der Bundesbediensteten sehr, sehr groß ist und zum anderen das Verweilen der Bundesbediensteten, insbesondere der Bundeszollverwaltung, vielfach auch eine Frage der Bereitstellung angemessenen Wohnraums durch den Dienstherrn ist?




Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504107100
Dem Wohnungsbau im Zonenrandgebiet widme ich meine ganz besondere Aufmerksamkeit. Ich habe erst gestern deswegen einige Verhandlungen geführt, um hier die Situation möglichst zu verbessern. Das trifft selbstverständlich auch für Bedienstetenwohnungen zu.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504107200
Zweite Zusatzfrage.

Walter Fritsch (SPD):
Rede ID: ID0504107300
Herr Bundesminister, gibt es über die Möglichkeit der besonderen Förderung von Bundesbedienstetenwohnungen im Zonenrand- und Grenzgebiet konkrete Vorstellungen Ihres Hauses und der beteiligten Ministerien?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504107400
Ja, die gibt es. Wir haben im Haushalt hierfür bei der Bindungsermächtigung für nächstes Jahr eine besondere Summe, nämlich 20 Millionen DM insgesamt für das Zonenrandgebiet, .vorgesehen. Davon soll selbstverständlich auch ein Teil für Bedienstete in Betracht kommen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504107500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Strohmayr.

Alois Strohmayr (SPD):
Rede ID: ID0504107600
Herr Bundesminister, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß es, selbst wenn die Trennungsentschädigung günstiger wäre, notwendig und zweckmäßig ist, im Interesse der Familien möglichst viele Wohnungen für Bundesbedienstete zu errichten?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0504107700
In dieser Allgemeinheit ist dieses Prinzip selbstverständlich voll zu billigen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504107800
Damit sind wir am Ende dieses Komplexes.
Ich rufe jetzt die Frage IX/4 des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert auf, die ursprünglich an den Bundesminister der Finanzen gerichtet war und die nunmehr schriftlich von dem Herrn Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau beantwortet wird, da sich der Fragesteller mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt hat:
Sind bei der Einkommensermittlung gemäß § 21 Abs. 1 Wohngeldgesetz zum Zwecke der Berechnung von Mietzuschuß von den Einkünften aus einem teilweise eigengenutzten Mehrfamilienhaus Werbungskosten absetzbar, soweit sie auf Zinsen für das
zum Zwecke des Eigentumserwerbs aufgenommene Fremdkapital beruhen und zu Verlusten aus der Vermietung führen?
Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich danke dem Herrn Bundesminister.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Ich rufe die Frage VII/1 des Herrn Abgeordneten Dr. Martin auf:
Hat die Bundesregierung die dpa-Meldung 73 vom 28. April 1966 aus Lagos (Nigeria) überprüft, wonach die Nigerianische Ärztekammer nur noch die medizinischen Examina von acht deutschen Universitäten anerkennen will und beispielsweise die Universitäten Marburg, Gießen und Göttingen ausschließt?
Herr Dr. Martin ist im Raum. Ich bitte den Herrn Bundesminister um Beantwortung.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504107900
Die Antwort auf diese Frage lautet wie folgt.
Nach dem Wortlaut der Veröffentlichung der Nigerianischen Botschaft hat der Medizinische Rat Nigerias (Medical Council of Nigeria) aus insgesamt 20 Ländern bestimmte medizinische Fakultäten ausgewählt, deren Examina anerkannt werden. Während die Universitäten Großbritanniens und der Vereinigten Staaten von Amerika nicht erwähnt sind, werden aus der Bundesrepublik Deutschland acht Universitäten aufgezählt, deren Examina anerkannt werden. Es handelt sich um die Universitäten Berlin, Bonn, Frankfurt, Freiburg, Hamburg, Heidelberg, Köln und München.
Das Auswärtige Amt hat sich bereits am 14. April dieses Jahres in einer Verbalnote an die Nigerianische Botschaft in Bonn mit der Bitte um Aufklärung gewandt. Dabei wurde der Botschaft die Liste aller medizinischen Fakultäten in der Bundesrepublik Deutschland übermittelt, an denen deutsche Studenten ihre Ausbildung zum Arzt erhalten. Gleichzeitig wurde um entsprechende Intervention zugunsten der in der Liste nicht erwähnten medizinischen Fakultäten gebeten. Die Nigerianische Botschaft hat den Eingang der Verbalnote am 26. April bestätigt und eine baldige Antwort in Aussicht gestellt.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504108000
Ich rufe die Frage VII/2 des Abgeordneten Dr. Martin auf:
Sind der Bundesregierung die Hintergründe bekannt, die zu der in Frage VII/1 erwähnten Entscheidung geführt haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504108100
Die Antwort auf die zweite Frage lautet: Die in der Verbalnote enthaltene Bitte um Aufklärung enthält u. a. ausdrücklich die Frage nach den Gründen für die Nichtanerkennung der Examina der übrigen deutschen medizinischen Fakultäten.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504108200
Eine Zusatzfrage.

Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0504108300
Ich nehme an, daß diese Frage von der nigerianischen Regierung noch nicht beantwortet ist und daß Sie noch nichts über die Gründe wissen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504108400
Nein, es gibt bisher noch keine Antwort.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504108500
Ich rufe die Frage VII/3 des Abgeordneten Dr. Martin auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um von außen kommende Diskriminierung angesehener deutscher medizinischer Fakultäten zu verhindern?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504108600
Die Antwort auf diese Frage lautet: Das Auswärtige Amt wird nach Eingang der Antwort der Nigerianischen Botschaft das Erforderliche veranlassen, um eine Diskriminierung der in der Liste fehlenden



Bundesminister Dr. Schröder
deutschen Fakultäten und der dort studierenden nigerianischen Studenten zu verhindern.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504108700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.

Georg Kahn-Ackermann (SPD):
Rede ID: ID0504108800
Angesichts der Tatsache, daß in dem bei Ihnen ressortierenden Besucherprogramm in Kürze, wie ich weiß, eine Anzahl der führenden Dekane und Professoren der medizinischen Fakultäten aus Nigeria in Deutschland sein wird, frage ich: Werden Sie diese Gelegenheit wahrnehmen, um diesen Herren vielleicht zu ermöglichen, sich während ihres Besuchs von den verschiedenen Fakultäten in Deutschland eine eigene Meinung zu bilden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504108900
Das ist an sich ein sehr guter Vorschlag, Herr Kollege. Ich weiß nicht, ob die Delegation so zusammengesetzt ist, daß sie auch dafür sachverständig ist. Aber wir wollen das gerne prüfen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504109000
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0504109100
Herr Minister, da auch die medizinische Fakultät in Tübingen nicht in der Liste aufgeführt war, wäre es vielleicht verdienstvoll, zu fragen, ob Sie die Herren darauf hinweisen wollen, daß in Tübingen ein Tropenmedizinisches Institut existiert, von dem Nigeria sicher schon manches profitiert hat.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504109200
Das will ich sehr gern tun, Herr Kollege. Es scheint notwendig zu sein, über die deutschen Fakultäten stärkere Aufklärung nach draußen zu tragen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504109300
Ich rufe jetzt die Frage VII/4 des Herrn Abgeordneten Matthöfer auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Stellungnahme des DGB gegen die Aufnahme Franco-Spaniens in die EWG?
Ich bitte um Beantwortung.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504109400
Frau Präsidentin, vielleicht erlauben Sie mir, die beiden Fragen zusammen zu beantworten. Das ist vielleicht besser.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504109500
Es besteht Einverständnis. Ich rufe also auch die Frage VII/5 des Herrn Abgeordneten Matthöfer auf:
Ist die Bundesregierung auch der Meinung, daß die Wiedereinführung der Koalitionsfreiheit, das Bestehen freier und unabhängiger Gewerkschaften, die Freilassung der politischen Gefangenen und volle Meinungs- und Pressefreiheit Vorbedingungen .der Aufnahme Spaniens in die EWG sein müssen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504109600
Dann lautet die Antwort wie folgt. Ich gehe davon aus,' daß sich die erste Frage des Herrn Abgeordneten auf eine im DGB-Nachrichtendienst Nr. 79/66 vom 5. April dieses Jahres veröffentlichte Meldung
bezieht. Die darin wiedergegebene Stellungnahme des Bundesvorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes geht von der unrichtigen Annahme aus, daß der Beitritt Spaniens zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beabsichtigt sei. Dies ist nicht der Fall; denn Spanien hat keinen Antrag auf Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gestellt. Infolgedessen stellt sich auch nicht die Frage einer Befürwortung oder Ablehnung eines solchen Antrags.
Das gleiche gilt für die in der zweiten Frage des Herrn Abgeordneten erwähnten Vorbedingungen. Beabsichtigt ist die Assoziierung Spaniens mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Die Assoziierung erfolgt bekanntlich nicht nach irgendwelchen starren Formeln, sondern nach besonderen Festlegungen. Sie hat eine vorwiegend wirtschaftliche Zielsetzung. Wir sind der Meinung, daß eine engere wirtschaftliche Verbindung zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Spanien im wohlverstandenen Interesse beider Partner, also der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Spaniens, liegt.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504109700
Zusatzfrage!

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0504109800
Herr Minister, ist die Assoziierung auch nicht als Vorstufe eines Beitritts Spaniens gedacht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504109900
Herr Kollege, an sich ist die Assoziierung nicht gedanklich und notwendigerweise die Vorstufe eines Beitritts. Die Entscheidung über die jeweiligen, wenn ich einmal so sagen darf, Anschlußformen unterliegt natürlich immer einer Entscheidung des Rates und entsprechender vorausgehender Verhandlungen. Was ich ausdrücken möchte, ist dies: die positive Behandlung des jetzt von Spanien gestellten Gesuchs würde nach unserer Überzeugung für beide Seiten besser sein.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504110000
Zweite Zusatzfrage.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0504110100
Darf ich Ihrer Antwort entnehmen, Herr Minister, daß Sie mit mir der Meinung sind, daß der Beitritt autoritärer oder totalitärer Staaten zur EWG den demokratischen Charakter dieser Gemeinschaft grundlegend ändern würde?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504110200
Ich möchte mich, Herr Kollege, wie Sie sehr wohl verstehen werden, völlig einer Charakterisierung des einen oder anderen Beitritts- oder Assoziierungswilligen enthalten. Ich glaube, wir sollten uns in diesem Augenblick auf das beschränken, was wirklich zur Debatte steht. Zur Debatte steht der Assoziierungsantrag, der nach seiner wirtschaftlichen Zielsetzung und nach dem, was daraus normalerweise als Folge zu erwarten ist, wie wir glauben, im Interesse aller Beteiligten liegt.




Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504110300
Herr Strohmayr zu einer Zusatzfrage.

Alois Strohmayr (SPD):
Rede ID: ID0504110400
Herr Bundesminister, glauben Sie nicht, daß es zweckmäßig wäre, dem Assoziierungsantrag Spaniens stattzugeben, und zwar schon mit Rücksicht darauf, .daß die Bemühungen der Zone sehr stark dahin gehen, Spanien möglichst wirtschaftlich zu engagieren?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504110500
Ich bin nicht ganz sicher, ob ich Sie richtig verstanden habe. Sie sagten „die Bemühungen der Zone"?

(Abg. Strohmayr: Ja!)

Sie sprechen von der SBZ im Verhältnis zu Spanien?

(Abg. Strohmayr: Jawohl!)

Ich habe diesen Gesichtspunkt nicht in meine Betrachtungen einbezogen. Aber ich benutze die Gelegenheit sehr gerne, nachdrücklich zu sagen, daß nach unserer Meinung das Beste, was in der derzeitigen Situation im Verhältnis zwischen uns und Spanien und im Verhältnis zwischen der EWG und Spanien geschehen kann, eine positive Behandlung des an die EWG gerichteten Gesuchs Spaniens um Assoziierung ist.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504110600
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Strohmayr.

Alois Strohmayr (SPD):
Rede ID: ID0504110700
Herr Bundesminister, sind Sie
nicht mit mir der Ansicht, daß heute von Spanien versucht wird, einen engen Kontakt mit Moskau zu bekommen, und daß wir gerade deshalb bemüht sein sollten, Spanien etwas mehr an uns zu binden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504110800
Herr Kollege, es fällt mir nicht schwer, Ihren Argumenten zuzustimmen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504110900
Eine dritte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Matthöfer.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0504111000
Herr Minister, meinen Sie nicht auch, daß die Beurteilung der Beziehungen autoritärer oder totalitärer Regime untereinander das Verhältnis eines demokratischen Landes zu ihnen nicht positiv beeinflussen sollten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504111100
Herr Kollege, ich verstehe sehr wohl den Gedankenkreis, der hinter dieser Frage steckt. Trotzdem möchte ich bei dem bleiben, was ich gesagt habe. Unterstellt einmal, daß Ihre Einschätzung der Situations Spaniens und in Spanien richtig sei, dann ist doch die Frage, welches der mögliche und wünschenswerte Einfluß in Richtung auf eine, sagen wir einmal, größere 'Öffnung in wirtschaftlicher und sonstiger Beziehung — alles das also, was unter dem Stichwort Liberalisierung steht — ist. Wenn wir nicht in Inaktivität resignieren wollen, müssen wir sehen, ob wir aktiv etwas für beide Seiten Nützliches tun können. In diesem Rahmen sehe ich
das Problem, und da sind meiner Meinung nach in der Tat die guten Argumente auf unserer Seite.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504111200
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Matthöfer.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0504111300
Herr Minister, ich bin sehr gern bereit, Ihrem in der letzten Antwort geäußerten Gedanken zu folgen. Aber sind Sie nicht auch der Meinung, daß die Zustimmung zum Beitritt Spaniens zur EWG oder seine Assoziierung eines der wenigen Druckmittel ist, die die demokratischen Staaten haben, um auf die innere Entwicklung in Spanien Einfluß zu nehmen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504111400
Herr Kollege, ich weiß, daß man das oft gedacht hat, vor Jahren gedacht hat, und das hat sich nach meiner Meinung, die ich ganz offen sage, als eine völlige Fehleinschätzung erwiesen. Deswegen ist es nach unserer Meinung wünschenswert, etwas zu tun, was selbst vom Standpunkt derer, die Bedenken haben, offensichtlich nur ein sehr geringes Risiko bedeuten würde, auf der anderen Seite aber sehr große Chancen für eine weitere günstige Entwicklung bietet.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504111500
Ich danke dem Herrn Bundesaußenminister für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich rufe die Frage IX/1 des Herr Abgeordneten Schmidt (Braunschweig) auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr die ausländischen Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik Deutschland einer niedrigeren Kraftfahrzeugsteuer unterliegen als die inländischen Kraftfahrzeuge?
Bitte, Herr Bundesminister der Finanzen!

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504111600
Wenn es gestattet ist, Frau Präsidentin, möchte ich die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Schmidt zusammen beantworten.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504111700
Besteht Einverständnis?

(Abg. Schmidt [Braunschweig] : Jawohl!)

— Das ist der Fall. Ich rufe also auch die Frage IX/2 auf.
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Wettbewerbsbenachteiligungen für den inländischen grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr zu beseitigen?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504111800
Die Steuer für außerdeutsche Nutzfahrzeuge wird im Interesse der einfachen und schnellen Grenzabfertigung mit einem einheitlichen Steuersatz von 3 DM je Tag und Fahrzeug erhoben. Infolge dieser Regelung ist die Kraftfahrzeugsteuer für außerdeutsche Lastkraftwagen und Anhänger — jedenfalls für die schweren Fahrzeuge — niedriger als die Kraftfahrzeugsteuer für entsprechende deutsche Fahrzeuge.
1786 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966
Bundesminister Dr. Dahlgrün
Für den deutschen Unternehmer ergeben sich im Verkehr mit Belgien, den Niederlanden, Luxemburg, Dänemark, der Schweiz und Liechtenstein keine Nachteile, weil Gegenseitigkeitsabkommen über die Nichterhebung der Kraftfahrzeugsteuer bestehen. Im Verkehr mit anderen Staaten liegt eine Benachteiligung vor. Durch eine Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes könnte die steuerliche Belastung der außerdeutschen Lastkraftwagen und Anhänger der der deutschen Fahrzeuge angepaßt werden. Es ist jedoch noch nicht abschließend geklärt, ob und inwieweit sich Schwierigkeiten aus dem EWG-Vertrag ergeben könnten.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504111900
Eine Zusatzfrage.

Walter Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0504112000
Herr Minister, sind Sie der Auffassung, daß es gerechtfertigt ist, die seit Jahren von den deutschen Verkehrsunternehmen geforderte Beseitigung der Begünstigung ausländischer Unternehmer durch die Bundesregierung noch weiter hinauszuzögern?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504112100
Ich bin nicht dieser Meinung. Für eine Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes ist es aber erforderlich, im Rahmen der EWG und überhaupt im außenpolitischen Bereich entsprechende Vorbereitungen zu treffen. Damit sind wir beschäftigt.
Vizepräisdent Frau Dr. Probst: Zweite Zusatzfrage.

Walter Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0504112200
Herr Bundesfinanzminister, empfindet die Bundesregierung das niederländische Vorgehen, trotz der negativen Empfehlung der EWG-Kommission sowie trotz der mit dem Versprechen weiterer Prüfung am 30. März 1966 in Amsterdam beendeten Regierungsverhandlungen am 1. April 1966 das Gesetz zur teilweisen Rückerstattung der Kraftfahrzeugsteuer für im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr eingesetzte niederländische Kraftfahrzeuge zu erlassen, nicht als Brüskierung, und was gedenkt die Bundesregierung gegen diese Brüskierung zu tun?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504112300
Die Bundesregierung möchte diese Dinge so schnell wie möglich ändern; sie ist dabei — wie aus Ihrer Frage zu erkennen war — auf den Widerstand unter anderem der Niederlande gestoßen, die andere Maßnahmen getroffen haben. Wir bemühen uns. Dieses Vorgehen kann uns nur dazu bringen, unsere Anstrengungen zu verstärken, bei den Arbeiten innerhalb der EWG eine Änderung zu unseren Gunsten herbeizuführen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504112400
Dritte Zusatzfrage.

Walter Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0504112500
Herr Minister, darf man Ihren Ausführungen entnehmen, daß mit einer baldigen Erledigung dieser schon seit Jahren schwebenden Fragen zu rechnen ist?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504112600
Ich habe es mir abgewöhnt, gerade für den internationalen Bereich Zeitprognosen zu stellen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504112700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Müller-Hermann.

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0504112800
Herr Minister, ist der Bundesregierung auch die Diskriminierung deutscher Kraftverkehrsunternehmer bekannt, die darin besteht, daß Unternehmer in den Niederlanden und in Belgien für jeden Tag, an dem sie ihre Fahrzeuge außerhalb des Landes bewegt haben oder abstellen, einen Abzug von der Kraftfahrzeugsteuer vornehmen können?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504112900
Das ist uns bekannt, Herr Müller-Hermann.

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0504113000
Darf ich dazu fragen: was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diese Diskriminierung abzubauen?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504113100
Sie gedenkt nicht nur etwas zu tun, sondern sie bemüht sich mit Nachdruck, diese wettbewerbsverzerrenden Vorteile auf EWG-Ebene zu beseitigen.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Darf ich eine zweite Zusatzfrage stellen, Frau Präsidentin?)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504113200
Verzeihen Sie, Sie haben zwei Fragen gestellt. Es tut mir leid, nach der Geschäftsordnung ist das nicht möglich.
Ich rufe die Frage IX/3 des Abgeordneten Jahn (Marburg) auf:
Wann wird die Bundesregierung einen neuen Gesetzentwurf zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung vorlegen, der die Strafbefugnisse der Finanzbehörden aufhebt und auf die ordentlichen Gerichte überträgt, wie das . durch Artikel 92 GG geboten ist?
Bitte, Herr Minister!

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504113300
Herr Kollege Jahn, die Bundesregierung hat bereits 1964 einen Gesetzentwurf zur Reform des Steuerstrafrechts eingebracht, nach dem die Strafbefugnis der Finanzbehörden beseitigt werden sollte. Der Entwurf wurde vom 4. Deutschen Bundestag aus Zeitmangel nicht mehr verabschiedet. Der Entwurf soll so bald wie möglich — ich hoffe sehr, noch vor der Sommerpause — erneut eingebracht werden.
Der frühere Entwurf zur Reform des Steuerstrafverfahrens soll mit Rücksicht auf eine Reform des materiellen Strafrechts noch ergänzt werden. Dabei sollen einzelne Straftatbestände des geltenden Rechts in Ordnungswidrigkeiten umgewandelt werden. Die in der Frage anklingende Auffassung, eine Abschaffung des Verwaltungsstrafverfahrens durch Artikel 92 des Grundgesetzes sei zwingend geboten, halte ich nicht für richtig. Die Rechtslage mag aber zweifelhaft sein. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des geltenden Rechts ist vom Bundesgerichtshof und von den Oberlandesgerichten positiv beurteilt worden.




Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504113400
Eine Zusatzfrage.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0504113500
Herr Minister, es ist Ihnen doch wohl bekannt, daß diese Frage bereits Gegenstand eines Verfahrens ist, das vor dem Bundesverfassungsgericht gerade zur Nachprüfung der Verfassungsmäßigkeit der bisherigen Regelung anhängig ist?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504113600
Die Verfahren, die Sie meinen, Herr Kollege Jahn, sind zum Teil bereits seit 1960 anhängig. Die inzwischen vergangene Zeit läßt es mir ratsam erscheinen, Prognosen über den Zeitpunkt einer Entscheidung nicht zu stellen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504113700
Eine zweite Zusatzfrage.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0504113800
Ist der vergangene Zeitablauf dann nicht wenigstens ein Grund für Sie, Herr Minister, für eine beschleunigte Vorlage Ihres Gesetzentwurfs Sorge zu tragen?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504113900
Wir arbeiten mit größtmöglicher Beschleunigung, Herr Kollege Jahn. Ich hatte ja den Entwurf bereits im 4. Bundestag, in der abgelaufenen Legislaturperiode, hier im Plenum eingebracht; er ist aber aus Zeitmangel vom Parlament nicht mehr verabschiedet worden. Ich will mich jetzt bemühen, den neuen Entwurf so bald wie möglich einzubringen. Wenn ich den alten Entwurf aus dem 4. Bundestag nähme, wäre das sehr schnell möglich. Aber ich glaube, daß wir diesen Entwurf mit Rücksicht auf die Arbeiten an der Großen Strafrechtsreform, die Sie ja kennen, ergänzen sollten. Da ist z. B. in dem Entwurf eines neuen Strafgesetzbuches für Geldstrafen ein „Tagessatzsystem" vorgesehen. Wegen Artikel 104 Abs. 2 des Grundgesetzes kann das nur von unabhängigen Richtern praktiziert werden, da durch die Zahl der Tagessätze einer Geldstrafe zugleich die Ersatzfreiheitsstrafe festgelegt wird. Nun möchte ich gern einen Teil der Handlungen als Ordnungswidrigkeiten aus diesem Kreis herausbringen. Das hat die Einbringung des alten Entwurfs, der nun umgearbeitet werden muß, etwas verzögert. Herr Kollege Jahn, wenn inzwischen das Urteil des Verfassungsgerichts ergeht, würde ich das Parlament bitten müssen, in, einem dem Hohen Hause vorzulegenden Entwurf mit der Verfeinerung in Richtung Ordnungswidrigkeiten die Verfahrensvorschriften vorweg zu regeln.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504114000
Die Fragen IX/4 und IX/5 sind bereits vom Herrn Bundeswohnungsbauminister beantwortet worden.
Ich rufe die Frage IX/6 des Herrn Abgeordneten Lautenschlager auf:
In welchem Umfang wird das Bundesfinanzministerium die unhaltbaren Verhältnisse auf dem baulichen, verkehrsmäßigen und dienstplatzmäßigen Sektor beim Zollamt Lindau — Ziegelhaus beseitigen?
Bitte, Herr Bundesfinanzminister!

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504114100
Herr Kollege, die Verkehrs- und Abfertigungsverhältnisse beim Zollamt Lindau-Ziegelhaus sind infolge ständig zunehmenden Verkehrs trotz verschiedener Um- und Erweiterungsbauten unbefriedigend; sie sind aber meiner Überzeugung nach nicht unhaltbar. Die Unterbringung der Beamten ist beengt, aber nicht unzumutbar. Es wird erwogen, den Lastwagenverkehr nördlich vorbeizuleiten. Die Durchführung würde allerdings beträchtliche Haushaltsmittel für Bodenerwerb, Abbrucharbeiten, Neubauten und Straßenbau erfordern. Dringlichere, zum Teil termingebundene Bauvorhaben im Bereich der Oberfinanzdirektion München genießen Vorrang. Ich nenne nur den Neubau des Autobahnzollamtes Kiefersfelden und die Instandsetzungen bei verschiedenen baufälligen Gebäuden. Wir prüfen, ob mit angemessenen Mitteln wirksam Abhilfe geschaffen werden kann. Die Verkehrsstauungen sind übrigens auch auf den unzulänglichen Ausbau der Straßen nach Lindau und Bregenz zurückzuführen. Ferner ist zu bedenken, daß der Bau einer Autobahn geplant ist, die im Raume Lindau die deutsch-österreichische Grenze überschreiten soll. Dort muß dann ein Gemeinschaftszollhaus errichtet werden, das den größten Teil der Aufgaben des Zollhauses Lindau — Ziegelhaus übernehmen könnte.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504114200
Eine Zusatzfrage!

Hans Lautenschlager (SPD):
Rede ID: ID0504114300
Herr Minister, vertreten Sie nicht mit mir die Ansicht, daß der gegenwärtige schäbige Zustand des Landstraßenzollamts LindauZiegelhaus mit seinen Nebenanlagen nicht nur eine schlechte Visitenkarte für die Bundesrepublik abgibt, sondern auch eine Reihe von Gefahrenquellen sowohl für die diensttuenden Beamten als auch für die Passanten einschließt, die im Sommer 1965 bereits zu zwei folgenschweren Unfällen geführt haben, bei denen zum Glück nur erheblicher Sachschaden entstanden ist, aber keine Schäden an Leib und Leben von Menschen zu beklagen waren?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504114400
Herr Kollege, ich kann und will Ihnen nicht widersprechen, aber ich habe Ihnen bereits die Gründe gesagt, warum der Bundesminister der Finanzen nicht mit einem Zauberschlag alles in Ordnung bringen kann.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504114500
Eine zweite Zusatzfrage.

Hans Lautenschlager (SPD):
Rede ID: ID0504114600
Herr Minister, selbst wenn ich diese finanziellen Schwierigkeiten unterstelle, — gehört es nach Ihrer Ansicht nicht zu den Pflichten des Dienstherrn, die Arbeitsplätze seiner Bediensteten in einem Zustand zu halten, der sie in den Stand versetzt, ihre Aufgaben ordnungs- und pflichtgemäß zu erfüllen, und der ihren Anspruch auf Sicherheit für ihr Leben und für ihre Gesundheit bestmöglich erfüllt, und bedingen deswegen diese Verpflichtung und dieser Anspruch nicht eine rasche Beseitigung der erheblichen Mängel?




Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504114700
Es gehört selbstverständlich alles — so wie Sie gefragt haben — zu den Pflichten des Dienstherrn, Herr Kollege. Aber die von mir angestrebte schnelle Beseitigung aller dieser Mängel hat — das möchte ich in Ergänzung meiner Antwort auf Ihre Frage sagen — nicht nur finanzielle, sondern auch andere Gründe. Ich habe Ihnen z. B. die Planungen hinsichtlich der Autobahn usw. schon genannt. Wir tun, was wir können. Ich habe angeordnet, daß in diesen Wochen, wenn der Reiseverkehr beginnt, eine Ortsbesichtigung stattfindet, damit wir noch einmal alles überprüfen und überlegen können, was zur Erleichterung des Dienstes dort getan werden kann.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504114800
Ich rufe Frage IX/7 des Herrn Abgeordneten Strohmayr auf:
Ist die Bundesregierung bereit, anläßlich der Olympischen Spiele 1972 in München ein 5-Mark-Stück mit olympischen Symbolen prägen zu lassen, um den Münzgewinn zur Finanzierung der Olympischen Spiele verwenden zu können?
Bitte, Herr Bundesminister!

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504114900
Frau Präsidentin, ich wäre dankbar, wenn ich die Frage 8 wegen des Sachzusammenhangs gleich mit beantworten könnte.

(Abg. Strohmayr: Einverstanden!)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504115000
Einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage IX/8 des Herrn Abgeordneten Strohmayr auf:
Wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, daß die in Frage IX/7 erwähnte Münze in ausreichender Auflage geprägt wird, damit Spekulationen weitgehend ausgeschlossen werden können?
Bitte, Herr Bundesminister!

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504115100
Überlegungen darüber, Herr Kollege Strohmayr, anläßlich der Olympischen Spiele 1972 in München eine Gedenkmünze auszugeben, sind bereits angestellt worden. Ich würde die Ausprägung einer solchen Münze begrüßen. Die Frage bedarf jedoch noch einer Abklärung mit den einzelnen Ressorts sowie mit dem Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik des Deutschen Bundestages. Außerdem muß ich die Deutsche Bundesbank hören. Falls die zuständigen Gremien die Prägung beschließen — ich habe daran keinen Zweifel —, sollte die Münze in so ausreichender Anzahl geprägt werden, daß eine Spekulation ausgeschlossen ist. Ich muß allerdings bei der Zahl der geprägten Münzen auf den Zahlungsverkehr Rücksicht nehmen, der immer noch einen besonderen Bedarf an Münzen hat und der nicht beeinträchtigt werden darf.
Im übrigen, Herr Kollege Strohmayr, würde der dem Bund aus der Ausprägung einer Olympiamünze zufließende Münzgewinn bei einer Auflage von einer Million etwa 3 Millionen DM betragen. Diese Einnahmen würden also nur einen bescheidenen Beitrag für die Olympischen Spiele darstellen, — aber immerhin. Im einzelnen wird die Frage der Gesamtfinanzierung der Olympiade ja noch sehr eingehende Prüfungen notwendig machen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504115200
Erste Zusatzfrage.

Alois Strohmayr (SPD):
Rede ID: ID0504115300
Herr Minister, Sie sind doch mit mir der Auffassung, daß diesmal vermieden werden soll, daß nur wenige Münzen geprägt werden — wie beispielsweise bei der Fichte-Gedenkmünze mit der Auflage 500 000 Stück —, daß also mehr Münzen geprägt werden müssen — ohne daß dadurch der Zahlungsverkehr beeinträchtigt wird —, damit es nicht wieder so ,geht wie jetzt, daß die Bundestagsabgeordneten nur an der Amtskasse Gedenkmünzen bekommen und die Münzen in keinem Bankinstitut zu haben sind?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504115400
Herr Kollege Strohmayr, ich habe auf Grund verschiedener Zuschriften von Münzsammlern im Falle der Fichte-Gedenkmünze die Dinge nachgeprüft. Es ist tatsächlich so, daß wir schon die Zahl der ausgeprägten Fichte-Münzen erhöht hatten. Das war aber nicht ausreichend. Auf der anderen Seite kann man natürlich auch nicht exorbitant viele Münzen prägen, weil man ja auch auf den Zahlungsverkehr Rücksicht nehmen muß. Denn je seltener die Münze ist, um so weniger beeinträchtigt sie den Zahlungsverkehr, sondern wird hauptsächlich in Sammlerkreisen als Andenken gehandelt. Ich würde natürlich versuchen, die Auflage der Olympiamünze sehr hoch zu bringen, schon um den Münzgewinn zu verstärken und den Bedarf, der angesichts der Olympischen Spiele sicher vorhanden sein wird, befriedigen zu können. Man muß vermeiden, daß mit einer solchen Münze spekuliert wird, wie es leider bei der Fichte-Gedenkmünze der Fall gewesen ist.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504115500
Zweite Zusatzfrage.

Alois Strohmayr (SPD):
Rede ID: ID0504115600
Ist auch daran gedacht, eine Goldgedenkmünze zu schaffen? Gold ist in der Olympiade sehr gefragt.

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504115700
Man wird das alles überlegen. Ich habe gleich am Morgen nach dem Olympia-Beschluß — ich war damals gerade in Berlin — aus dem Handgelenk schon ein paar Gedanken vorgetragen, wie man auch mit kleinen Mitteln für diese große internationale Veranstaltung wird werben und Beträge hereinholen können.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504115800
Herr Abgeordneter Dr. Rinderspacher zu einer ersten Zusatzfrage.

Dr. Fritz Rinderspacher (SPD):
Rede ID: ID0504115900
Herr Minister, mit den aus Anlaß philatelistischer Besonderheiten geprägten Goldmünzen sind große Erfolge erzielt worden. Wäre es nicht zweckmäßig, die augenblicklich herrschende große Neigung, solche Goldmünzen zu kaufen, auszunützen und diese Goldmünzen in Beträgen von 10, 20 oder vielleicht noch mehr D-Mark auf den Markt zu bringen? Damit könnte



Dr. Rinderspacher
man einen Erfolg erzielen, der wesentlich über den drei Millionen liegen dürfte.

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504116000
Auch das wird überlegt.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504116100
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke dem Herrn Bundesminister der Finanzen.
Wir kommen nunmehr zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich rufe die Frage XI/1 des Herrn Abgeordneten Reichmann auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Förderung und Entwicklung der Orthopädietechnik dadurch stark beeinträchtigt und behindert ist, daß eine Koordinierung der Zusammenarbeit und des Zusammenwirkens der zuständigen Institutionen und Organisationen sowie der Versicherungsträger nicht gegeben ist?
Bitte, Herr Bundesminister!

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0504116200
Herr Kollege Reichmann, die Bundesregierung teilt nicht die Auffassung, daß die Förderung und Entwicklung der Orthopädie-Technik wegen mangelnder Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Stellen und Institutionen beeinträchtigt oder gar 'behindert wird. Sie hat sich ihrerseits immer um eine gute Zusammenarbeit aller in Betracht kommenden Kreise bemüht. Dies findet am besten darin seinen Ausdruck, daß schon im Jahre 1951 in meinem Hause ein Beirat für OrthopädieTechnik gebildet wurde. Dieser Beirat setzt sich I aus medizinischen und technischen Wissenschaftlern, Fachärzten für Orthopädie, Orthopädiemechanikermeistern und Paßteilherstellern sowie Sachverständigen der Berufsgenossenschaften und der Kriegsopferverbände zusammen. Nach seiner Geschäftsordnung hat ,der Beirat die Aufgabe, mich in medizinischen Fragen der orthopädischen Versorgung zu beraten und Neukonstruktionen orthopädischer Hilfsmittel zu begutachten.
Das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung hat ferner in den vergangenen Jahren die Gründung einer Reihe von Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der Orthopädie-Technik veranlaßt und dafür den größten Teil der Einrichtungs- und laufenden Betriebskosten getragen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504116300
Herr Abgeordneter Reichmann zu einer ersten Zusatzfrage.

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0504116400
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß das Verhandlungsergebnis der Sitzung des Ausschusses für Kriegs- und Verfolgungsschäden am 27. April in Berlin die Feststellung der angesprochenen mißlichen Situation gewesen ist und daß auch der Leiter des Instituts für Orthopädie-Technik an der Technischen Universität in Berlin, Professor Cornelius, diese Situation bestätigen mußte?

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0504116500
Ja, mir ist natürlich bekannt, daß das in Berlin zur Sprache gekommen ist. Ich glaube alber, daß Herr Professor Cornelius von Berlin aus nur
einen Teil überblickt. Insgesamt haben wir es mit vier Forschungsstätten zu tun. Im Hinblick auf den gesamten Bereich möchte ich das wiederholen, was ich vorhin dazu ausgeführt habe.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504116600
Eine zweite Zusatzfrage.

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0504116700
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß der Vertreter des Ministeriums die Situation unter ,dem Eindruck der Fakten bestätigen mußte?

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0504116800
Nein, das ist mir nicht bekannt. Es ist mir wohl bekannt, daß die Vertreter meines Hauses bei dieser Sitzung darauf hingewiesen haben, daß die Zusammenarbeit sowohl mit dem Berliner Institut als auch des Berliner Instituts mit den Sozialversicherungsträgern recht ordentlich ist. Offengeblieben ist die Frage der Reisekosten. Das ist aber nicht eine Angelegenheit meines Hauses, sondern eine des Berliner Senats.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504116900
Ich rufe die Frage XI/2 des Herrn Abgeordneten Reichmann auf:
Ist es zutreffend, daß die für die in Frage XI/1 aufgezeigten Probleme eigentlich zuständige Stelle im Bundesarbeitsministerium seit längerer Zeit nicht besetzt ist?

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0504117000
Es trifft leider zu, Herr Kollege, daß in meinem Ministerium die Planstelle eines Hilfsreferenten für Fragen der orthopädischen Versorgung seit dem 1. März nicht besetzt ist. Zu diesem Zeitpunkt ist der bisherige Stelleninhaber nach 10jähriger Tätigkeit als Oberregierungsmedizinalrat aus dem Bundesdienst ausgeschieden, weil für ihn zur Zeit keine Beförderungsmöglichkeit vorhanden war, da eine höhere Bewertung des Dienstpostens, die ich ausdrücklich von mir aus befürwortet hatte, auf Grund eines Gutachtens des Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung leider nicht möglich war, während eine Berufsgenossenschaft ihm eine sehr viel höhere Besoldung bieten konnte. Ich habe mich persönlich in dieser Sache sehr eingeschaltet und alles versucht, um den Stelleninhaber zu halten. Aber es war leider nicht möglich. Die Bemühungen, für ihn einen geeigneten Nachfolger zu finden, haben bisher noch nicht zu einem Ergebnis geführt. Sie werden aber fortgesetzt.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504117100
Herr Abgeordneter Reichmann, erste Zusatzfrage.

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0504117200
Bis zu welchem Zeitpunkt, Herr Minister, glauben Sie, daß diese wichtige Schlüsselposition für die Koordinierung all dieser Aufgaben wieder besetzt werden kann?

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0504117300
Herr Kollege, ich glaube, das hängt ganz entscheidend davon ab, ob es uns gelingt, eine



Bundesminister Katzer
höhere Bewertung für diese Stelle zu bekommen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie unsere Bemühungen im Haushaltsausschuß unterstützten. Wenn das gelingt, ist es, wie ich glaube, möglich, diese Stelle relativ schnell wieder zu besetzen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504117400
Herr Abgeordneter Reichmann, zweite Zusatzfrage.

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0504117500
Herr Minister, halten Sie es angesichts der Betreuung von Hunderttausenden von Versehrten nicht für ganz vordringlich, die Besetzung dieser Stelle nicht an finanziellen Gesichtspunkten scheitern zu lassen?

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0504117600
Herr Kollege Reichmann, ich teile diese Auffassung, wie Sie aus der bisherigen Beantwortung der Frage entnommen haben dürften, voll und ganz und darf Sie noch einmal um Ihre Unterstützung bitten.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504117700
Herr Abgeordneter Mick zu einer Zusatzfrage.

Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0504117800
Herr Minister, Ihnen ist bekannt, daß sich der zuständige Ausschuß mit dieser Frage beschäftigt hat. Ich habe Sie in dieser Angelegenheit angeschrieben. Halten Sie Ihre Zusage aufrecht, zum nächstmöglichen Termin mit dem Ausschuß über diese Frage zu verhandeln?

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0504117900
Herr Kollege Mick, die Antwort auf Ihren Brief ist an Sie abgegangen. Ich bin selbstverständlich bereit, nach Abstimmung mit Ihnen als dem Vorsitzenden des Ausschusses alsbald darüber im Ausschuß Bericht zu geben und über die Notwendigkeiten zu diskutieren, die sich daraus ergeben.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504118000
Ich rufe die Frage XI/3 des Herrn Abgeordneten Reichmann auf:
Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für erforderlich, um die Rehabilitation der Kriegs- und Zivilversehrten durch die Förderung der Orthopädietechnik zu verbessern?
Bitte, Herr Bundesminister zur Beantwortung!

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0504118100
Herr Kollege, zur Förderung der Entwicklung der Orthopädietechnik ist es erforderlich, beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung den in Betracht kommenden Forschungsinstituten zahlreichere und besser dotierte Planstellen für wissenschaftliche Mitarbeiter zu schaffen, weil es, wie ich glaube, nur dann möglich ist, befähigte Kräfte zu einer dauernden Mitarbeit auf diesem Gebiet zu gewinnen. Sodann scheint es mir wünschenswert zu sein, die Mittel für die Prüfung und Förderung von Neukonstruktionen orthopädischer Hilfsmittel künftig zu verstärken. Die Notwendigkeit dazu ergibt sich besonders auch daraus, daß Grundlagenforschungen und Versuche hinsichtlich der Anwendung elektronischer und hydraulicher Systeme im Kunstgliederbau anstehen, von denen entscheidende Fort-
schritte in der Entwicklung der Orthopädietechnik erwartet werden und bei denen mit besonders hohen Kosten zu rechnen ist.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504118200
Damit sind diese Fragen erledigt.
Ich rufe die Frage XI/4 des Herrn Abgeordneten Josten auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, wieviel Anträge auf Anerkennung als Kriegsopfer nach dem Bundesversorgungsgesetz noch unerledigt sind?
Bitte, Herr Bundesminister!
Katzer, Bundesminister. für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege Josten, die in der Kriegsopferversorgung gestellten Anträge und ihre Erledigung werden laufend statistisch beobachtet. Am 1. Juli 1965 waren 125 130 unerledigte Versorgungsanträge vorhanden. Bis zum 31. Dezember 1965 gingen rund 53 000 neue Anträge ein; dagegen wurden fast 68 000 Anträge erledigt, so daß Ende des Jahres 1965 der Bestand an unerledigten Anträgen auf 110 150 zurückgegangen war.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504118300
Erste Zusatzfrage.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0504118400
Herr Minister, worauf ist die hohe Zahl der noch laufend eingehenden Versorgungsanträge, die Sie vorhin nannten, zurückzuführen?

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0504118500
Herr Kollege Josten, das hat eine ganze Reihe von Gründen. Sie wissen, daß wir durch die zwei Neuordnungsgesetze eine Reihe von neuen Ansprüchen geschaffen haben. Diese neuen Ansprüche führen naturgemäß zu neuen Anträgen, die aber nicht immer positiv beschieden werden können.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504118600
Zweite Zusatzfrage.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0504118700
Herr Minister, welche Zeit etwa wird für die Bearbeitung eines Antrags benötigt, und zwar insbesondere für die Bearbeitung der Anträge auf Versorgung von Angehörigen der Bundeswehr?

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0504118800
Herr Kollege Josten, es ist außergewöhnlich schwierig, eine genaue Bearbeitungszeit für die Anträge anzugeben.

(Abg. Josten: Etwa!)

Ich habe das versucht. Bei der Rentenversicherung ist das etwas leichter. Da hat man einen Anhaltspunkt. Hier bei der Kriegsopferversorgung ist ein solcher Anhaltspunkt nicht gegeben. Ich bin daher leider nicht in der Lage, Ihnen jetzt hier eine genaue Zeit anzugeben.




Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504118900
Damit ist dieser Fragenkomplex abgeschlossen. Ich darf dem Herrn Bundesminister für Arbeit danken.
Wir stehen am Ende der Fragestunde.
Ich rufe nunmehr Punkt II der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 (Getreide) des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
— DrucksacheV/527 —
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (17. Ausschuß)

— Drucksache V/607 —
Berichterstatter: Abgeordneter Ehnes (Erste Beratung 38. Sitzung)

Der Ausschuß beantragt, den Gesetzentwurf Drucksache V/527 unverändert anzunehmen. Der Ältestenrat empfiehlt Verabschiedung ohne Debatte. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Gesetzentwurf in der zweiten Beratung einschließlich Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe bitte Handzeichen. — Gegenprobe bitte! — Keine Gegenstimmen. — Enthaltungen bitte! — Keine Enthaltungen. — Der Entwurf ist in zweiter Lesung einstimmig angenommen.
Ich rufe den Gesetzentwurf nunmehr auf zur dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz im Ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Danke sehr. Gegenprobe! — Keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. — Der Entwurf ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt III der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1966 (Haushaltsgesetz 1966) — Drucksache V/250 —
Berichte des Haushaltsausschusses (13. Ausschuß)

Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine allgemeine Aussprache gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort in der allgemeinen Aussprache hat Herr Abgeordneter Leicht.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0504119000
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Die erste Lesung des Bundeshaushalts 1966 hat in diesem Hause am 2. und 3. März stattgefunden. Die Beratungen im Haushaltsausschuß sind am 5. Mai 1966 — also etwa vor 10 Tagen — beendet worden. Die Dauer der Beratungen im. Ausschuß betrug nach Abzug der
Osterpause sechs Wochen. In diesen sechs Wochen mußte der 69,15 Milliarden DM betragende Haushalt für das Jahr 1966 beraten werden. Es ist gelungen, den Zeitplan, den sich der Haushaltsausschuß gestellt hatte — den Haushalt nämlich noch vor Pfingsten, also in dieser Woche und spätestens in der nächsten Woche, in dritter Lesung zu behandeln —, zu erfüllen.
Die Einhaltung dieser Zeitplanung war nur möglich durch die Mitarbeit aller Kollegen im Ausschuß, auch der Opposition, die trotz der verschiedenen Meinungen, die wir hatten und in der Sache auch vertreten haben, uns doch geholfen hat, zügig voranzukommen.
Auch die Mitarbeit der Regierung, insbesondere des Bundesfinanzministeriums und hier insbesondere des Abteilungsleiters Haushalt, des Herrn Korff, und seiner Mitarbeiter, hat uns selbstverständlich geholfen, über manche Hürde hinwegzukommen und schneller voranzukommen. Ich darf im Namen meiner Fraktion den Dank für diese Unterstützung aussprechen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Einhaltung der Zeitplanung war auch möglich durch Zurückstellung der besonders zeitraubenden Einzelberatung der Personaltitel.
Bei der Behandlung der Personalanforderungen sind wir in diesem Jahr einen neuen Weg gegangen. Der Haushaltsausschuß schlägt dem Plenum Globalbewilligung der angeforderten neuen Stellen und Stellenhebungen im wesentlichen entsprechend dem Regierungsentwurf vor; jedoch soll die Bedarfsfrage im einzelnen später im Haushaltsausschuß eingehend geprüft werden. Nur entsprechend dem Ergebnis dieser Prüfung dürfen die neuen und gehobenen Stellen — wenn Sie dem zustimmen — in Anspruch genommen werden.
Insoweit muß ich allerdings eine Meldung, die heute morgen in den Zeitungen zu lesen war, daß wir bereits einige Staatssekretärsteilen bewilligt hätten, als nicht richtig bezeichnen.
Die verfassungsmäßigen Rechte des Plenums des Bundestages und des Bundesrates werden durch diese neue Regelung gewahrt, weil das mögliche neue Personalstellen-Soll in diesen Gremien voll zur Diskussion gestellt wird. Den Bedenken gegen das frühere Verfahren — wobei wir zunächst die Personaltitel überrollt, d. h. unverändert gegenüber dem Vorjahr übernommen haben, mit gleichzeitiger Ermächtigung des Haushaltsausschusses zur Schaffung neuer und Hebung vorhandener Stellen — ist damit Rechnung getragen.
Wie schon in der ersten Lesung muß ich auch jetzt betonen, daß das ein letztmaliges Verfahren in dieser Richtung sein soll; ich glaube, wir sind uns darin allgemein einig. Das bedeutet aber auch, daß die Regierung sich bemühen muß, den Entwurf des Haushalts 1967 und der folgenden Haushalte so rechtzeitig vorzulegen, daß es dem Ausschuß möglich ist, dann bis Ende des Jahres die Vorlage dem Plenum zu unterbreiten.



Leicht
Ziel der vom Haushaltsausschuß im Grundsatz befürworteten Stellenplanverbesserungen ist die Verbesserung der Beförderungsmöglichkeiten im Bundesdienst zur Angleichung an die für die Beamten günstigere Regelung in den Ländern. Damit wird nicht nur die Wettbewerbsgleichheit zwischen Bund und Ländern hergestellt, d. h. eine attraktivere Gestaltung der Fortkommensmöglichkeiten auch im Bundesdienst gewährleistet, sondern darüber hinaus wird gleichzeitig die materielle Gerechtigkeit im gesamten öffentlichen Dienst verwirklicht.
Aus der Tatsache, daß gehobene Stellen erst nach Beratung durch den Haushaltsausschuß in Anspruch genommen werden können — wie es nunmehr das Haushaltsgesetz vorsieht —, soll, soweit es die Haushaltslage zuläßt, den betroffenen Bundesbeamten kein Nachteil entstehen. Deshalb ist im Rahmen der durch die Ansätze abgegrenzten Möglichkeiten in der Ausschußfassung, des Haushaltsgesetzes allgemein eine Einweisung bereits zum 1. März 1966 unter Abweichung von den entsprechenden Vorschriften der Reichshaushaltsordnung vorgesehen. Es ist mittlerweile gelungen, interfraktionell — Herr Kollege Jürgensen war gerade heute morgen bei mir — zu erreichen, daß wir dieses Datum des 1. März 1966 nach Möglichkeit werden einhalten können.
In den Haushaltsberatungen über die Personaltitel nach der Verabschiedung des Haushalts in dritter Lesung werden meine Freunde — und das sage ich jetzt schon der Opposition, weil wir angekündigt haben, dazu etwas zu sagen — alle die Stellen, die jetzt im Wege der Harmonisierung an Länderregelungen angepaßt werden sollen, ohne sie im einzelnen zu prüfen, genehmigen. Das heißt, unsere Beratungen zu den Personalstellen werden sich beschränken auf die neuen Stellen und auf die Stellen, bei denen die Dienstposten neu bewertet werden.
Wie schon in erster Lesung muß ich auch heute darauf hinweisen, daß die jetzt vorgeschlagene Stellenverbesserung die notwendige Angleichung an die Länderregelungen noch nicht voll verwirklicht, sondern nur ein erster Schritt auf dem Wege zur Herstellung der Besoldungsgleichheit in Bund und Ländern ist. Wir sind der Meinung, daß für die Zukunft die Beibehaltung der Besoldungsgleichheit nur durch die Schaffung einer rahmenrechtlichen Kompetenz des Bundes, also durch Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes, sichergestellt werden kann und auch sichergestellt werden muß. Wir fordern die Regierung auf, sobald wie möglich einen Änderungsvorschlag zu Art. 75 des Grundgesetzes im Bundestag einzubringen. Wir werden dann sehen, ob in diesem Hause und in den anderen Gremien die entsprechende Mehrheit zu erreichen ist, um endlich diesen Schritt zur Besoldungsgleichheit im Bundesgebiet zu tun.
Trotz der Kürze der Zeit hat der Haushaltsausschuß den Haushaltsentwurf einer gründlichen Behandlung unterzogen. Diese gründliche Behandlung ist bis in die kleinsten Einzelposten gegangen. Dahinter stand für uns das Ziel, dem Haushalt 1966 eine Form zu geben, die der konjunkturellen und der
gesamtwirtschaftlichen Lage Rechnung trägt. Zur konjunkturellen Ausgangslage brauche ich nach den Diskussionen der letzten Wochen und Monate in diesem Hause und angesichts der Diskussion, die mit Sicherheit morgen im Rahmen der finanz- und wirtschaftspolitischen Betrachtung bei den Einzelplänen des Finanzministers und des Wirtschaftsministers noch stattfinden wird, nicht allzu viele Worte zu machen.
Trotz einiger Indizien für Entspannungstendenzen — ich meine hier die Abkühlung des inländischen Investitionsklimas — ist das Konjunkturbild immer noch durch ein Übergewicht der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und die sich daraus ergebenden Rückwirkungen auf Kosten und Preise gekennzeichnet. Verdeutlicht wird dies durch die bis in die jüngste Zeit anhaltenden Preissteigerungen. In dieser Situation kann eine konjunkturgerechte Haushaltspolitik nach unserer Meinung nur bedeuten, die Preissteigerungstendenzen zu bekämpfen, soweit das möglich ist, um auf diese Weise auch über den Haushalt zu einer Wiederherstellung des Einklangs zwischen Angebot und Nachfrage beizutragen. Demgemäß hatten wir — die Kollegen der Koalition — uns für die Beratungen dieses Entwurfs 1966 im Haushaltsausschuß folgende Aufgaben gesetzt:
Erstens die Aufgabe, das Ausgabevolumen auf das konjunkturpolitisch gebotene Maß zu beschränken, um nicht den Nachfrageüberhang durch übersteigerte Anforderungen der öffentlichen Hand noch zu verschärfen, das bedeutet — so haben wir es ausgedrückt —, im Volumen des Haushalts unter die 69-Milliarden-Grenze zu kommen.
Und eine zweite Aufgabe: eine geldwertneutrale Finanzierung des Ausgabewachstums nur mit Einnahmen vorzunehmen, die zuvor dem Einkommenskreislauf entzogen worden sind. Das bedeutet auch Schonung des Kapitalmarktes so weit wie möglich.

(war, bei ,den Beratungen im Haushaltsausschuß ergeben. Die Sozialdemokraten hatten nicht vor, das Volumen zu senken, sondern sie wollten bei dem Volumen des von der Regierung vorgeschlagenen Entwurfs bleiben. Sie wollten darüber hinaus in einer Größenordnung von etwa 900 Millionen DM Umschichtungen ,des Haushalts vornehmen und diese 900 Millionen DM durch Streichungsanträge im Bereich des vorhandenen Volumens wieder aufbringen. Das ist zwar nicht ganz gelungen — die Zahlen, die man sich hat zusammenstellen können, beweisen das —, aber immerhin, das Bemühen um diese Regelung und um dieses Vorhaben wird auch von uns anerkannt. Wir erkennen auch an, daß bereits mit dem von der Bundesregierung eingebrachten Haushaltsentwurf versucht wurde, den Erfordernissen, die ich vorgetragen habe, Rechnung zu tragen. Wir von der CDU haben im Ausschuß — und zwar mit voller Billigung unserer Fraktion — in unseren Bemühungen sogar noch mehr getan: wir sind über die Bemühungen der Regierung hinausgegangen. Die genaue Untersuchung aller Einzelansätze hat zwar Leicht schnell ergeben, ,daß Kürzungsmöglichkeiten in Milliarden-Höhe, wie von den verschiedensten Seiten sowohl in diesem Hause als auch außerhalb dieses Hauses angenommen worden ist, für den Haushalt 1966 allerdings tatsächlich nicht mehr vorhanden waren. Trotzdem ist es gelungen, durch Änderungen in einer Vielzahl von Einzelposten das Haushaltsvon von 69,15 Milliarden DM um rund 250 Millionen DM auf 68,9 Milliarden DM herabzusetzen. Ich glaube, man übertreibt nicht, wenn man sagt, daß der Haushalt in der jetzt vorliegenden Form nicht mehr viel Luft enthält, wenn man berücksichtigt, daß eben die gesetzlichen Bindungen und die internationalen Verpflichtungen das Volumen dieses Haushalts im wesentlichen ausmachen. Gegenüber den Ist-Ergebnissen des Jahres 1965 beträgt die Wachstumsrate für die Bundesausgaben des Jahres 1966 nur noch 4,5 v. H. Damit ist der immer wiederholten Forderung Rechnung getragen, das Wachstum der Bundesausgaben an der erwarteten realen Zunahme des Bruttosozialprodukts zu orientieren. Das Wachstum des Bruttosozialprodukts ist — wir wissen es — für dieses Jahr 1966 auf real 3,8 % geschätzt. Ich muß auch auf die Kürzungen durch 'das Haushaltssicherungsgesetz und die damit zusammenhängenden Maßnahmen hinweisen, weil es erst durch dieses Gesetz und diese Maßnahmen möglich war, den Haushalt 1966 ,überhaupt noch zu gestalten. Immerhin ist durch ,das Haushaltssicherungsgesetz und die damit zusammenhängenden Maßnahmen ein Volumen von über 5 Milliarden DM aus diesem Jahr 1966 verlagert worden. Leider ist es nur verlagert worden, aber es fällt in diesem Jahr 1966 nicht an. Diese Zahl macht meiner Meinung nach deutlich, in welchem Umfang der Bund im Jahre 1966 seine Vorhaben im Hinblick auf die finanziellen Notwendigkeiten eingeschränkt hat. Der Bund gibt, wie ich meine, damit ein Beispiel auch für die Länder und Gemeinden, deren Zuwachsrate mit 7 bis 7,5 v. H. gegenüber den vorläufigen Ist-Ergebnissen des Jahres 1965 weit über der des Bundes liegt. Wir können nur wünschen, daß Länder und Gemeinden diesem beispielhaften Verhalten des Bundes in ihrer Haushaltsgestaltung und Haushaltsgebarung folgen werden. Einige Länder — und auch das sollte man feststellen — mußten, ob .gezwungen, ,das möge dahingestellt bleiben, enorme Einschränkungen in ihren Haushalten vornehmen, und sie liegen mit ihrer Zuwachsrate sogar noch unter der des Bundes. Ich kann als Beispiel Schleswig-Hosltein und — wenn ich es richtig sehe — auch Rheinland-Pfalz heranziehen. Ein weiterer Punkt spielte bei unseren Überlegungen und den zu treffenden Maßnahmen eine große Rolle: die Lage am Kapitalmarkt. Hier ist es durch die weitgehende Zurückhaltung der Anleger zu einem Nachfrageüberhang und zu einer Steigerung, und zwar ständigen Steigerung des Zinsniveaus gekommen. Ich muß auf die nachteiligen Einflüsse hinweisen, die hiervon auf die gesamte Investitionsneigung und Investitionstätigkeit der Wirtschaft allgemein ausgegangen sind. Deshalb scheint es uns und war es für uns eine dringende Aufgabe, der Übernachfrage am Kapitalmarkt entgegenzuwirken und das Vertrauen des Publikums in die Stabilität dieses Marktes wiederherzustellen. Nur so wird es möglich sein, die Spartätigkeit anzuregen und die Sparer wieder in größerem Umfange am Kapitalmarkt zu interessieren. Auch hier, meine ich, war das Vorgehen des Bundes nach den jetzigen Beschlüssen des Ausschusses beispielhaft. Die ordentlichen Einnahmen wurden durch die Steuermehrschätzungen in Höhe von 550 Millionen DM und die Erhöhungen bei den Verwaltungseinnahmen um rund 140 Millionen DM, also um insgesamt 690 Millionen DM, erhöht. Diese Mehreinnahmen sind dann auch noch unter dem Gesichtspunkt der im Saldo vorhandenen Ausgabekürzungen in einer Größenordnung von rund 250 Millionen DM zu sehen, so daß 950 Millionen DM dazu verwendet werden konnten, den Anleihebedarf des Bundes im Jahre 1966 zu verringern. Damit begrenzt sich der außerordentliche Haushalt des Bundes, der ursprünglich 1 372 000 C00 DM betragen sollte, auf 436 Millionen DM. Das bedeutet, meine Damen und Herren, daß der Bund im Jahre 1966 den Kapitalmarkt nicht mehr in Anspruch zu nehmen braucht. Die 1966 fälligen Tilgungen von Inlandskrediten — etwa 450 Millionen DM — sind sogar höher als das Anleihevolumen des Bundes. Effektiv tritt also keine Belastung des Kapitalmarktes durch den Bund im Jahre 1966 ein, da in gleicher Höhe Tilgungsleistungen in den Kapitalkreislauf zurückfließen. Wir können also sagen: keine Nettobeanspruchung des Kapitalmarktes durch den Bund! Wir dürfen erwarten, daß dieses Verhalten des Bundes zu einer wesentlichen Beruhigung am Kapitalmarkt führen wird. Wir haben der Versuchung widerstanden, Mehreinnahmen und die zum Teil in mühseliger Kleinarbeit freigemachten Kürzungsbeträge für neue Ausgaben oder Vorhaben zu verwenden. Auch dies mag Ländern und Kommunen beweisen, wie ernst wir es genommen haben mit unserem Verhalten, auch konjunkturund wirtschaftspolitisch zu denken. Wir schließen daran die Bitte an die Länder und Kommunen, ebenfalls und namentlich die Mehreinnahmen aus den neuen Steuerschätzungen, die sich in der Gesamtheit auch für Länder und Gemeinden ergeben, nicht für Haushaltsnachträge zu verwenden, sondern zur Verringerung des Anleihebedarfs einzusetzen. Bei Würdigung der Arbeit und des Ergebnisses ist auch zu berücksichtigen, daß es gleichzeitig mit derHerabsetzung des Gesamtvolumens notwendig wurde, bei einer Reihe von Einzelposten Erhöhungen vorzusehen. Das Gesamtvolumen der Erhöhungen beträgt rund 540 Millionen DM, wenn man die Umschichtungen innerhalb des Einzelplans 14 mitberücksichtigt. Dieses Gesamtvolumen wurde durch rigorose Kürzungen im Rahmen des geminderten Haushaltsvolumens aufgefangen. Es ist überhaupt interessant, einmal festzustellen, was denn im Laufe der Beratungen alles geschehen Leicht ist. So sind bei den Einnahmen Erhöhungen von rund 733 Millionen DM vorgenommen worden, es sind bei den Einnahmen Kürzungen um rund 45 Millionen DM vorgenommen worden, so daß bei den Einnahmen noch eine Erhöhung von etwa 688 Millionen DM verblieben ist. Auf der Ausgabenseite sieht das Bild folgendermaßen aus. Es wurden Kürzungen in einer Größenordnung von rund 780 Millionen DM, Erhöhungen von rund 533 Millionen DM durchgeführt, so daß noch 247 Millionen DM an Kürzungen geblieben sind. Eine weitere Zahl wird interessant sein: während der Beratungen des Haushaltsausschusses haben wir annähernd 1100 Positionen geändert, also entweder erhöht oder verringert. Die Schwerpunkte der Erhöhungen gegenüber dem Regierungsentwurf lagen auf drei Bereichen: einmal in der Förderung des Ausbaus bestehender Hochschulen und sonstiger wissenschaftlicher Einrichtungen — dort wurden rund 80 Millionen DM gegenüber dem Entwurf zugelegt —, zweitens bei der Bundeshilfe für Berlin — ein Mehr von rund 90 Millionen DM —, drittens bei den Hilfen für -die finanzschwachen Länder in einer Größenordnung von 180 Millionen DM. Schließlich wurden noch in einer Reihe von kleineren Positionen Erhöhungen vorgenommen. Lassen Sie mich zu den drei wesentlichen Erhöhungen kurze Bemerkungen machen. Die Ausgaben im Bereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung betrugen im Ansatz 1965 rund 999 Millionen DM. Der Ansatz 1966 in der Fassung des Haushaltsausschusses beträgt rund 1340 Millionen DM. Das bedeutet eine Volumensteigerung in diesem Bereich gegenüber 1965 von 34 v. H. Diese hohe Steigerungsrate ist der Ausdruck dafür, welche Bedeutung wir den Investitionen der wissenschaftlichen Forschung für die Sicherung unserer kulturellen und wirtschaftlichen Stellung in der Zukunft beimessen. Dabei ist unser Ziel, nicht nur das gegenwärtige Niveau zu halten, sondern auf Gebieten, in denen wir noch nachhinken, Anschluß an andere Nationen zu gewinnen. Künftig erwarten wir noch weitere Steigerungen der finanziellen Anstrengungen. Für uns hat dieser Bereich erste Priorität. Ein besonderer Schwerpunkt in diesem Zusammenhang ist die Sicherung der notwendigen Ausbildungskapazitäten für den wissenschaftlichen Nachwuchs, damit wir der Wirtschaft und dem Staat die gebildeten Mitarbeiter zur Verfügung stellen können, die Voraussetzung für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und der Funktionsfähigkeit des Staates sind. Deshalb ist der Ansatz für die Förderung des Ausbaus bestehender Hochschulen und sonstiger wissenschaftlicher Einrichtungen von 300 Millionen DM in 1965 auf rund 429 Millionen DM in 1966 — das bedeutet eine Steigerung um 43 v. H. — zur Verstärkung der von den Ländern für diesen Zweck bereitgestellten Mittel erhöht worden. Welche Anstrengungen erforderlich waren und welche Verzichte in anderen Bereichen verlangt werden mußten, um die Steigerung gegenüber dem Regierungsentwurf vorzunehmen, kann jeder bezeugen, der bei den Beratungen mitgewirkt oder sie beobachtet hat. Ich verhehle deshalb nicht eine gewisse Enttäuschung über die Veröffentlichung im Organ der Westdeutschen Rektorenkonferenz — Hochschuldienst vom 8. Mai 1966 —, wo abwertend von der Erhöhung um „nur 78,7 Millionen DM" gesprochen wird. Gerade von den Repräsentanten auch der Hochschulen sollte man bessere Einsicht in die begrenzten Möglichkeiten des Bundeshaushalts und eine positivere Beurteilung der Bemühungen der Mehrheit dieses Hauses erwarten, zumal — und das muß man auch feststellen — wir auch die Bindungsermächtigungen in diesem Bereich um 100 Millionen DM auf 200 Millionen DM aufgestockt haben. Wenn der Bund letztlich durch einschneidende Einschränkungen in wichtigen anderen Bereichen die Möglichkeit geschaffen hat, sich mit hohen Beträgen an der Finanzierung der Hochschulausbauten zu beteiligen, dann sollten wir im Interesse der Sache auf rechtzeitiger Mitsprache bei der Planung bestehen. Ein selbstverständlicher Grundsatz ist für uns auch, daß die Mittel mit höchstmöglichem Wirkungsgrad eingesetzt werden. Das gilt einmal für die Baugestaltung, bei der der Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit stärker als bisher im Vordergrund stehen muß. Zum anderen sind die kostspieligen apparativen Ausrüstungen nur schwerpunktmäßig einzusetzen, d. h. nur dort, wo dem Umfange und der Zeitdauer nach eine hinreichende Ausnutzung sichergestellt ist. Ein Wort zur Bundeshilfe Berlin. Die Bundeshilfe Berlin ist ständig im Steigen begriffen. Es ist interessant, einmal eine gewisse Zeitspanne herauszugreifen. 1951 waren es 550 Millionen DM, wobei das Ausgabevolumen Berlins mit 36 % durch den Haushalt des Bundes befriedigt wurde. Im Jahre 1965 waren es 2067 Millionen DM, wobei bereits 40% des Ausgabevolumens Berlins gedeckt wurden. 1966 ist der im Regierungsentwurf vorgesehene Ansatz von 2210 Millionen DM im Haushaltsausschuß um 90 Millionen auf 2300 Millionen DM, das bedeutet 43 0/0 des Ausgabevolumens von Berlin, erhöht worden. Die Steigerung der Bundeshilfe gegenüber 1965 beträgt damit in diesem Bereich 11,2%. Damit den besonderen Problemen Berlins — u. a. die gegenüber anderen Ländern geringere Steuerkraft wegen Steuerpräferenzen zur Förderung der Berliner Wirtschaft, die ungünstige Altersstruktur der Berliner Bevölkerung und selbstverständlich die Insellage — voll Rechnung getragen werden konnte, ist der Betrag von 2210 Millionen DM um 90 Millionen DM erhöht worden. Bei der Bemessung haben wir auch die Mehrausgaben berücksichtigt, die erst in der Zukunft entstehen, wie z. B. die Erhöhung der Dienstbezüge der Angestellten und der Arbeiter. Deshalb müssen wir aber auch die Erwartung aussprechen, daß der Berliner Landeshaushalt mit den jetzt zur Verfügung gestellten Mitteln ausgeglichen abschließt. Berlin Leicht kann und muß sich unserer Meinung nach darauf einrichten, daß eine weitere Erhöhung der Bundeshilfe im Laufe dieses Rechnungsjahres — wie sie in den vergangenen Jahren sehr oft praktiziert worden ist — ausgeschlossen ist. Aus dem in diesem Jahre gezeigten Entgegenkommen kann der Berliner Senat für die kommenden Jahre auch nicht allzu optimistische Schlüsse etwa dahin ziehen, daß die Berlin-Hilfe im gleichen Ausmaß wie bisher steigen werde. Auch Berlin kann nicht alle Wünsche erfüllt bekommen, während der Bund sich in seinem Bereich bis an die Grenzen des noch Vertretbaren einschränkt. Entsprechende Anstrengungen müssen vielmehr auch von der Berliner Haushaltspolitik und Haushaltswirtschaft erwartet werden. In Berlin wird vor allem notwendig sein: — und das wurde auch bereits im Ausschuß deutlich von uns gesagt — einmal eine Einschränkung des Personalhaushalts, der nach .dem Prüfungsbericht des Berliner Rechnungshofs vom 13. April 1965 in einer Vielzahl von Bereichen zu .aufwendig ist. Zweitens werden gewisse Beschränkungen bei den Baumaßnahmen notwendig sein. Es geht unserer Meinung nach nicht an, daß öffentliche Bauten in Berlin ganz wesentlich teurer und aufwendiger erstellt werden als im übrigen Bundesgebiet, wie ebenfalls der Rechnungshof festgestellt hat. Schließlich muß der Ausbau verschiedener Einrichtungen in etwa in Einklang mit der Entwicklung in den übrigen Ländern gehalten werden. Als letztes erwarten wir, daß die Besoldungsneuregelungen nur im Einklang mit Neuregelungen im Bund erfolgen. Bei Berücksichtigung dieser Anregungen wird, ,so meinen wir, auch eine Einschränkung des Wachstums der Bundeshilfe in Zukunft möglich sein. Der dritte Komplex: Ergänzungszuweisungen an die finanzschwachen Länder! Wir kennen die Gründe für die Bedrängnis einiger finanzschwacher Länder und haben uns gerade bei den Ausschußberatungen bemüht, den fünf finanzschwachen Ländern durch eine schnelle Hilfe Rechnung zu tragen, die noch im Haushalt 1966 mit bereitgestellt wird. Mit dem vorliegenden Haushalt ist den Vorstellungen des Bundesrates, ,der 250 Millionen DM — effektiv nun 280 Millionen DM — fordert, zwar nicht voll entsprochen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß der Bund seine Mittel für die Hiltsmaßnahmen zugunsten der Länder nur durch Kürzungen im eigenen Bereich freimachen konnte und daß zweitens die Hilfen für die finanzschwachen Länder nicht isoliert betrachtet werden können; wir halben nämlich daneben in der Frage der Dotationsauflagen und der Fälligkeit des Schuldendienstes für gewisse Länderdarlehen ebenfalls ein Entgegenkommen gezeigt. Gerade das letzte bedeutet eine echte Entlastung der in Frage kommenden Länderhaushalte in einer Größenordnung von rund 35 Millionen DM. Zählen Sie das zur Barzuweisung hinzu, dann kommen Sie bereits auf den Betrag von 215 Millionen DM. Nach den revidierten Steuervorausschätzungen — das ist ein dritter Gesichtspunkt, der uns leiten mußte — ist auch für die Länder 1966 eine zusätzliche Einnahme zu erwarten. Nach den Schätzungen für die Länder und Gemeinden beträgt sie insgesamt rund 300 Millionen DM. Wir meinen also, daß die Länder mit dem Vorschlag, der jetzt unterbreitet worden ist, zufrieden sein können. Wir müssen gleichzeitig vor der Vorstellung warnen, die da und dort schon laut geworden ist, als ob hier der „reiche" Bund den „armen" Ländern gegenüberstehe. In finanzieller Hinsicht ist der Bund über die Maßen beengt und gezwungen, selber strengste Maßstäbe bei eigenen Vorhaben anzulegen. Wir haben auf der anderen Seite die Hoffnung, daß die Länder für die jetzige Regelung Verständnis zeigen und nicht mehr an dem Volumen ihres Gesetzentwurfes — 280 Millionen DM — festhalten. Höhere Leistungen an die Länder würden das jetzt vorliegende Volumen des Bundeshaushaltes nicht mehr halten lassen. Ich darf daher im Namen meiner Fraktion die Länder bitten, sich selbst in ihrer Ausgabenpolitik — wie das einige bereits getan haben — Beschränkungen aufzuerlegen, um damit mit dem Bund gleichzuziehen. Für den Bund ist es nicht möglich, ein zweites Mal unter Hintanstellung eigener Interessen die Länder zu unterstützen. Das will der Bundesrat auch nicht, denn er hat in seinem Gesetzentwurf ausschließlich vom Jahre 1966 gesprochen. Zur Verdeutlichung muß ich hier ein Beispiel anfügen. Wir haben uns insbesondere auch im Verteidigungsbereich bemüht, Kürzungen vorzunehmen, um diese 180 Millionen DM für die Länder freimachen zu können. Erneute Kürzungen im Verteidigungsbereich werden in Zukunft nicht mehr möglich sein. In diesem Bereich wird also keine Manövriermasse mehr vorhanden sein. Ich halte es für meine Pflicht — ich bin auch als Berichterstatter für den Verteidigungsetat tätig —, auf diesen Sachverhalt hinzuweisen. Es wäre eine Illusion, anzunehmen, daß aus dem Verteidigungshaushalt noch weitere Beträge zur Deckung anderer Ausgaben herausgenommen werden könnten. Wir sind mit unseren Kürzungsvorschlägen bis an die Grenze des noch Tragbaren herangegangen, und wir meinen, daß angesichts der notwendigen Umrüstungsmaßnahmen und der Verlautbarungen, die wir gerade in den letzten Tagen aus der Presse kennen, ganz erhebliche Bedarfssteigerungen in nächster Zukunft erfolgen werden. Zurück zum Haushalt 1966. Meine Damen und Herren, wir haben uns bemüht, eine konjunkturgerechte Begrenzung des Volumens zu erreichen und auf die Belange des Kapitalmarkts Rücksicht zu nehmen. Dies verhindert weitere wünschenswerte Verbesserungen gegenüber dem Regierungsentwurf über die genannten Bereiche hinaus. Das gilt namentlich für den Straßenbau, den wir ebenso wie andere Seiten dieses Hauses als einen weiteren Schwerpunkt für die Zukunft ansehen. Der Haushaltsansatz für 1966 beträgt 3 400 000 000 DM, dazu Öffa-Mittel, also außerordentliche Mittel, rund 250 000 000, so daß insgesamt 3 650 000 000 zur Verfügung stehen. Auch das bedeutet eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr von 10 %. Wir Leicht wären gern bereit gewesen, diese Zahlen zu erhöhen; das ist uns leider nicht möglich gewesen. Wir haben durch eine Ergänzung des § 7 Abs. 6 des Haushaltsgesetzes immerhin dafür gesorgt, daß Mehreinnahmen im Bereich der Mineralölsteuer für den Straßenbau, insbesondere zunächst zur Bedienung der außerordentlichen Öffa-Kredite, vom Finanzminister zur Verfügung gestellt werden können. Insgesamt ist dieser Haushalt 1966 in der durch den Haushaltsausschuß noch verbesserten Gestaltung nach unserer Meinung durchaus solide, und er bietet für uns ein durchaus befriedigendes Bild. Dem wichtigsten Bedarf im Rahmen der verfügbaben Einnahmen wurde Rechnung getragen. Zugleich haben wir konjunktur-, währungsund kapitalmarktpolitischen Erfordernissen Rechnung getragen. Besonders wichtig scheint mir die Aufforderung auch an die anderen öffentlichen Hände — wenn ich mich so ausdrücken darf —, auch an die Regierung und an dieses Haus, das Erreichte nicht durch neue Ausgabeninitiativen und Versprechungen zu gefährden. Das ist von besonderer Wichtigkeit im Hinblick auf die weitere Zukunft. Die hier noch zu lösenden Probleme werden uns sehr bald im Zusammenhang mit dem Haushalt 1967 beschäftigen, der nach den Fristen des Grundgesetzes und der Reichshaushaltsordnung noch vor der Sommerpause von uns erwartet wird. Nach der Finanzvorausschau, Stand vom 31. Januar dieses Jahres, beträgt die Finanzierungslücke für das nächste Jahr rund 6 Milliarden DM. Darin sind erhebliche neue Belastungen noch nicht berücksichtigt, wie z. B. die Kriegsopferversorgung, Steinkohle, Nahverkehr im gemeindlichen Bereich, die Frage der Olympischen Spiele und die Auswirkungen der jüngsten EWG-Beschlüsse. Für 1966 war uns das Haushaltssicherungsgesetz eine solide Grundlage. Aber es war eben nur ein erster Schritt. Für die Jahre 1967, 1968 und 1969 — das muß man bei dieser Lesung des Haushalts 1966 einfach ansprechen — wird es unumgänglich sein, neue, wahrscheinlich noch einschneidendere Maßnahmen zu treffen, die fühlbare Verzichte in nahezu allen Bereichen fordern werden. Die Zeiten, so meine ich, der Versprechungen — das gilt für alle Seiten — auf immer neue Vergünstigungen sind endgültig vorbei. Nur eine äußerste Selbstdisziplin und harte Entscheidungen werden weiterhelfen. Meine Fraktion ist bereit, sich diesen Entscheidungen zu stellen und ihre politischen Vorstellungen dem größeren Ziel der Festigung der Bundesfinanzen und der Stabilerhaltung von Wirtschaft und Währung überhaupt unterzuordnen. Wir hoffen nur, ja, wir erwarten, daß auch die anderen am wirtschaftlichen Geschehen in diesem Volk beteiligten Stellen bereit sind, den Bund bei seinem Vorgehen zu unterstützen. Ich spreche damit die Länder an, die Gemeinden, die Tarifpartner und wen sonst, der dazu helfen kann. Dazu rufen wir auf. Ich bitte den Herrn Abgeordneten Hermsdorf, das Wort zu ergreifen. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 3. März haben in diesem Hohen Hause alle Fraktionen in der Generaldebatte zur ersten Lesung des Haushalts 1966 ihre grundsätzlichen Auffassungen zum Haushalt 1966 dargelegt. Man muß sagen, daß die Debatte damals mit großem Ernst geführt worden ist. Heute haben wir, nachdem der Haushalt im Ausschuß behandelt worden ist, festzustellen, was aus den grundsätzlichen Erwägungen der einzelnen Fraktionen geworden ist, ob die guten Vorsätze durchgeführt wurden oder ob überhaupt der Versuch gemacht wurde, die guten Vorsätze, die hier verkündet wurden, im Ausschuß durchzusetzen. Wir haben bei der Grundsatzaussprache gewisse Ansätze zu Gemeinsamkeiten gehabt; aber es läßt sich nicht leugnen, daß es auch wesentlich unterschiedliche Auffassungen gibt, die bestehen, die nicht vom Tisch zu wischen sind. Eine solche Gemeinsamkeit bestand z. B. darin — ich möchte fast sagen: auch nur zur Hälfte —, daß man der Auffassung war, die von der Regierung gesetzte Höhe des Haushaltsvolumens von 69,1 Milliarden DM sei als konjunkturgerecht anzusehen; und keine Fraktion dieses Hauses war bereit, diese Höhe zu überschreiten. Gegenüber unserer Ansicht bestand in der Koalition die Auffassung, daß man unter diesen 69,1 bleiben wolle, während wir gesagt haben, bei diesen 69,1 könne man bleiben. Wir haben durch unsere Sprecher, meinen Freund Schoettle und Dr. Möller, damals dargelegt, daß wir die Absicht haben, während der Beratungen im Haushaltsausschuß verstärkte Schwerpunkte zu setzen, und zwar in einer Höhe von 800 Millionen DM. Dem wurde — wie konnte es anders sein — sofort von Herrn Althammer widersprochen, der ausführte, es sei nicht möglich, eine Verschiebung von 800 Millionen DM vorzunehmen. Wir haben uns schon in der ersten Lesung und im Haushaltsausschuß — ich werde es hier noch einmal begründen — nicht von unserer Auffassung abbringen lassen. Wir haben im Ausschuß nachgewiesen — ich werde es heute noch einmal nachweisen —, daß diese Verschiebung von 800 Millionen DM absolut möglich ist. Tatbestand ist, daß der Haushaltsausschuß in gemeinsamen Bemühungen aller Fraktionen Ausgabenkürzungen in einer Gesamthöhe von 705 Millionen DM vorgenommen hat. Wenn man allein diese Kürzungen von 705 Millionen DM sieht, muß man sagen, daß sie annähernd — natürlich nur annähernd — den Vorstellungen der Verschiebung nahekommen. Dabei lasse ich nicht außer acht, daß nebenbei noch Erhöhungen erfolgt sind; auf diesen Punkt komme ich noch zurück. Aber allein diese Kürzungen von 705 Millionen DM kommen annähernd an die Vorstellungen heran. Mir kommt es jedoch hier und heute darauf an, in aller Deutlichkeit noch einmal die sozialdemokratischen Vorstellungen zu vertreHermsdorf ten. Deshalb erlaube ich mir, hier folgendes auszuführen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wollte folgende Schwerpunkte verstärkt wissen: 1. Wissenschaft und Forschung. Hierzu schlugen wir vor, dem Vorschlag des Forschungsrates zu folgen, bei Kap. 31 02 Tit. 600 — Ausbau bestehender Hochschulen — den Ansatz von 350 Millionen DM um 180 Millionen DM auf 530 Millionen DM zu erhöhen. 2. Der Krise im Steinkohlenbergbau infolge der Versäumnisse der Regierung in der Energiepolitik muß entgegengetreten werden. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion schlägt vor, 100 Millionen DM für die eisenschaffende Industrie und 56 Millionen DM für soziale Hilfsmaßnahmen — Kohlenbergbausanierung und Zuschuß zur knappschaftlichen Rentenversicherung — einzusetzen. 3. Die Bundeshilfe für Berlin sollte um 90 Millionen DM verstärkt werden. 4. Wir schlagen vor, die Mittel für den Straßenbau, insbesondere für die kommunalen Baulastträger, um 250 Millionen DM zu erhöhen. 5. Den Betrag der Ergänzungszuweisungen an finanzschwache Länder nach Artikel 107 des Grundgesetzes möchten wir auf ca. 200 Millionen DM festgesetzt wissen. Das ist die sozialdemokratische Vorstellung von der Verstärkung der Schwerpunkte im Bundeshaushalt 1966. Wie schon erwähnt, wurde ihr widersprochen. Dank der gemeinsamen Arbeit im Haushaltsausschuß haben aber die Koalitionsfraktionen in der Zwischenzeit schon ein wesentliches Entgegenkommen gezeigt, was hier nicht verschwiegen werden soll. 1. Beim Haushalt Wissenschaft und Forschung ist der Ansatz in Tit. 600 — Hochschulbauten — ,gemeinsam um 77 Millionen DM erhöht worden. Außerdem sind .die Bindungsermächtigungen auf 200 Millionen DM verstärkt worden. 2. Bei der Verstärkung der Bundeshilfe für Berlin sind wir dank der gemeinsamen Bemühungen auf 90 Millionen DM gekommen. Diese Forderung steht also gar nicht mehr zur Diskussion. 3. Bei den Ergänzungszuweisungen für finanzschwache Länder ist den sozialdemokratischen Vorstellungen nicht ganz entsprochen worden. Wir teilen aber die von Herrn Leicht vertretene Auffassung, daß die Höhe des Volumens gerade ausreichen wird, um die finanzschwachen Länder aber die Hürde kommen zu lassen. Allerdings gibt es einen grundsätzlichen Meinungsunterschied. Sie haben nicht von Zuweisungen nach Artikel 107 des Grundgesetzes, sondern von „Hilfe für Strukturmaßnahmen" ,gesprochen. Das bedeutet, daß der Bund sich vorbehält, wann und wofür er gibt. Damit greift er in die Rechte der Länder ein. Wir werden einen entsprechenden Änderungsantrag stellen, um zu erreichen, daß die 180 Millionen DM den Ländern genau nach Artikel 107 des Grundgesetzes als Zuweisung gewährt werden. Hinsichtlich der Hilfe für den Steinkohlenbergbau besteht ebenfalls keine Übereinstimmung. Die Bundesregierung hat dafür im Haushalt ganze 8 Millionen DM angesetzt. Wir werden vorschlagen, in diesem Jahr 156 Millionen DM und weitere 30 Millionen DM für die Stromversorgung zur Verfügung zu stellen, die allerdings nicht in diesem Jahr, sondern erst im Haushalt 1967 zum Tragen kommen sollen. Auch hinsichtlich der Verstärkung der Mittel für den Straßenbau, insbesondere für die kommunalen Baulastträger, konnte keine Übereinstimmung erzielt werden. Es ist uns nicht möglich gewesen, unsere Vorstellungen im Haushaltsausschuß durchzusetzen. Wir werden deshalb, gerade im Hinblick auf die finanzschwachen Gemeinden, heute erneut beantragen, 250 Millionen DM für den Straßenbau bereitzustellen. Ich komme jetzt zu einem Punkt, der schon in der ersten Lesung eine sehr große Rolle gespielt hat. Mit Interesse habe ich die Reden von Herrn Emde und Herrn Peters, aber auch von Herrn Leicht und Herrn Windelen gelesen. Alle gelangen zu der Auffassung, daß man die Kürzung der Subventionen in Angriff nehmen muß. Von Herrn Peters (Zurufe von der CDU/CSU: Wer war denn das?)





(Beifall bei den Regierungsparteien.)





(Beifall bei den Regierungsparteien.)


(Beifall bei der CDU/CSU)








(Beifall bei der CDU/CSU.)


(Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP.)

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504119100
Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0504119200



— Damit Sie genau wissen, wer es war: Er reist heute wieder durch die Lande, diesmal allerdings mit Verdächtigungen gegen die SPD in puncto Schlagabtausch mit der Zone; Herr Klepsch, wenn Sie es genau wissen wollen. Es kennt ihn auch sonst keiner; es muß mal der Name genannt werden.
Es ist also hinsichtlich des Subventionsabbaus gar nichts geworden. Aber ich muß hier doch einmal feststellen, daß die Sozialdemokraten im Haushaltsausschuß Kürzungsanträge gestellt haben, die abgelehnt worden sind. Ich komme auf diese Kürzungsanträge noch zurück. Ich mache Sie aber auch darauf aufmerksam, daß wir Ihnen in der dritten Lesung einen Entschließungsantrag vorlegen werden, der die Regierung auffordert, beim Haushaltsentwurf 1967 den Versuch zu machen, in einer Höhe von zirka 10 %, d. h. zirka 550 Millionen DM, an den Abbau der Subventionen heranzugehen. Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch. Ich weiß, daß das keine feste Größe ist. Ich stelle mir auch nicht eine lineare Kürzung um 10 % vor. Ich möchte nur, daß dieses Haus den Willen bekundet, daß man den Abbau der



Hermsdorf
Subventionen in dieser Größenanordnung wünscht. Ich gehe auch nicht von den meiner Ansicht nach — das sage ich noch einmal, obwohl mir der Finanzminister damals widersprochen hat — irreführenden 29 Milliarden DM Subventionen aus, sondern nur von 5,5 Milliarden DM. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie zu Ihren Erklärungen, die Sie hier gegeben haben, stünden, daß auch Sie wie wir den Abbau der Subventionen wünschen, und wenn eine solche Aufforderung an die Regierung gemeinsam beschlossen würde. Es ist durchaus möglich, daß dieser Wunsch nicht in voller Höhe erfüllt wird. Aber das sollte zumindest die Anvisierung eines Ziels sein.
Meine Damen und Herren, jetzt komme ich zu den Kürzungsvorschlägen, die die sozialdemokratische Fraktion im Haushaltsausschuß gemacht hat. Selbstverständlich gehört die Hilfe für die Landwirtschaft, wenn auch nicht in vollem Umfang — das gebe ich Ihnen absolut zu —, zu den Subventionen. Das ist gar keine Frage. Sie ist ein großer Block. Ich weiß, wie außerordentlich unpopulär es in diesem Hause und vielleicht sogar im Lande ist, an die Subventionen für die Landwirtschaft heranzugehen. Zur Information dieses Hauses sage ich Ihnen, daß wir im Haushaltsausschuß hinsichtlich der Subventionen für die Landwirtschaft Streichungsanträge in Höhe von 165 Millionen DM gestellt haben. Meine Damen und Herren, Sie haben sie abgelehnt. Aber wie richtig die Streichungsanträge der sozialdemokratischen Fraktion bei der Landwirtschaft waren, ergibt sich daraus,
daß Sie genau bei den Titeln, bei denen die Sozialdemokraten eine Streichung um soundso viel beantragt haben, auch gestrichen haben. Aber Sie haben nicht ersatzlos gestrichen, sondern die Beträge in andere oder neu geschaffene Titel verlagert. Damit ist klar, daß der Haushalt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ein Haushalt ist, in dem a) Luft ist und in dem b) meiner Meinung nach der Grundsatz von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit nicht in vollem Umfange durchgesetzt ist.
Gestatten Sie mir hier — Herr Leicht, darf ich Sie hier einmal persönlich ansprechen — eine Bemerkung. Wir haben uns in diesem Ausschuß alle die Arbeit nicht leichtgemacht. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß das Verhalten bei der Beratung des Einzelplans 10 und die Art, wie dieser Einzelplan 10 beraten worden ist, nicht sehr glücklich waren, und ich bin sicher, daß Sie sich dabei auch nicht sehr wohl gefühlt haben. Ich bitte Sie deshalb, auch beim Einzelplan 10 den Versuch zu machen, ihn wie alle anderen Einzelpläne zu behandeln. Er muß genauso wie jeder andere Einzelplan klar und in der Aussage richtig sein. Ich halte es für unmöglich, daß wir z. B. im Jahre 1964 in diesem Haushalt 366 Millionen und im Jahre 1965 325,8 Millionen an Resten vorherschieben. Es ist erforderlich, daß man an diesen Haushalt genau mit der gleichen Kritik herangeht wie an alle anderen.
Ich weiß, es wird bei Ihnen jetzt einige Leute geben, die da sagen: Also jetzt haben wir die SPD. Da hat sie hier nur den Versuch gemacht, die Subventionen abzubauen. — Das ist falsch. Ich habe Ihnen ja gesagt: Die Anträge, die wir gestellt haben, haben Sie abgelehnt. Sie haben dann aber in demselben Titel Streichungen vorgenommen, die Beträge nur verlagert.
Wir haben eine weitere Kürzung hinsichtlich der Subventionen vorgenommen. Ich möchte noch einmal darauf zurückkommen. Als mein Freund Schoettle hier in der ersten Lesung den Standpunkt vertreten hat, man müsse Subventionen abbauen, entstand bei Ihnen eine gewisse Unruhe. Sie sagten: Welche? Welche? Welche? Es muß gepfiffen werden!
Meine Damen und Herren, wir haben gepfiffen! Wir warten jetzt auf Sie. Wir haben gepfiffen a) bei dem Einzelplan, den ich Ihnen jetzt erklärt habe. Wir haben gepfiffen b) bei dem Einzelplan 9 hinsichtlich der Darlehen für die Erdölindustrie. Herr Leicht, ich erinnere mich an Ihren Zwischenruf damals, daß das keine Subventionen seien. Aber, Herr Leicht, es ist ja so: Diese Darlehen können in verlorene Zuschüsse umgewandelt werden, und das heißt, sie sind also dann doch Subventionen.
Sie haben die in unserem Antrag vorgeschlagene Kürzung nicht in voller Höhe abgelehnt. Wir hatten eine Kürzung um 92,5 Millionen DM beantragt; Sie haben nur um 30 Millionen DM gekürzt. Wir werden deshalb auf die Sache zurückkommen.
Meine Damen und Herren, nach der veränderten Situation, wie sie sich nach den Beratungen des Haushaltsausschusses jetzt ergeben hat, können Sie von der sozialdemokratischen Fraktion nicht erwarten, daß sie alle ihre Anträge, die sie zum Haushalt gestellt hat, wiederholt. Es gibt vielmehr bestimmte Punkte ihrer Konzeption, die erfüllt worden sind. Daraus ergeben sich andere Zahlen. Daraus ergeben sich andere Deckungsvorschläge.
Um verständlich zu machen, daß wir entsprechend der neuen Situation den Grundsatz hinsichtlich der Grenze und hinsichtlich der Deckung einhalten, muß ich aber doch unsere Anträge ganz kurz erläutern. Ich komme noch einmal zurück auf die Schwerpunkte.
1. Wissenschaft und Forschung — von Ihnen ebenfalls anerkannt. Sie haben inzwischen gemeinsam mit uns 77 Millionen DM aufgestockt. Wir wollen, um den Forderungen des Forschungsrates gerecht zu werden, weitere 103 Millionen DM aufstocken. Wir werden den Antrag begründen.
2. Maßnahmen für den Steinkohlenbergbau. Hier hat die Regierung bisher sage und schreibe ganze 8 Millionen DM im Haushalt stehen. Das halten wir in Anbetracht der Situation geradezu für lächerlich. Wir werden in zwei Anträgen einen Betrag in Höhe von 156 Millionenn DM fordern.
3. Mittel für den Straßenbauplan zur Verstärkung der kommunalen Baulastträger — 250 Millionen DM.
4. Goldener Plan — 9 Millionen DM.



Hermsdorf
5. Bundesjugendplan — 0,94 Millionen DM. Hier kommen wir auf Ihre Streichungsanträge zurück; wir wollen sie teilweise revidieren.
6. Orchester (Symphonieorchester Berlin, Philharmonisches Orchester Hungarica und Scholl-Stiftung) — 0,275 Millionen DM.
Das bedeutet zusammen einen Mehrbedarf von 519,215 Millionen DM.
Diesem Mehrbedarf von 519 Millionen wird die sozialdemokratische Fraktion folgende Haushaltskürzungsvorschläge entgegensetzen:
1. Darlehen an Erdölindustrie: Kürzung um 62,5 Millionen DM;
2. Investitionshilfe für landwirtschaftliche Betriebe: Kürzung um 40 Millionen DM.

(Zurufe.)

— Wir werden es begründen, Herr Brese; Sie können ganz beruhigt sein. Das wußte ich, daß Sie sich da melden würden. Ihre Bescheidenheit hört auf, wenn es um Landwirtschaft geht. —
3. Vorratshaltung: Kürzung um 55 Millionen DM.
4. Spazierenfahren von Kohle — das ist die sogenannte Haldenverlagerung —: Kürzung um 30 Millionen DM.
5. Ausrüstungshilfe: Kürzung um 27 Millionen DM.
6. Parteienmittel: Kürzung um 18 Millionen DM.
7. Reptilienfonds: Kürzung um 4,5 Millionen DM.
8. Propagandafonds des Bundespresseamts für Sozialinvestitionen: Kürzung um 2,5 Millionen DM, das heißt, restlose Streichung.
9. Defizitabdeckung: Kürzung um 200 Millionen DM; wir haben das bereits in der ersten Lesung begründet.
Und jetzt kommt das Schönste — da werden Sie gleich Einspruch erheben —:
10. Erhöhung des Anleihebedarfs: Kürzung um 79,71 Millionen DM.
Ergibt zusammen 519,21 Millionen DM. Das entspricht genau dem Mehrbedarf auf Grund der von uns eingebrachten Verstärkungsanträge.
Hier möchte ich, Herr Leicht, weil Sie zu der Position „Erhöhung des Anleihebedarfs" eine Bemerkung gemacht haben — ich habe sie zwar nicht verstanden —, darauf hinweisen, daß wir ursprünglich im Haushaltsausschuß bei der Beratung des Einzelplans 10 in einem Mehrheitsbeschluß die Zinsverbilligung abgelehnt haben. Sie haben dann die letzte Sitzung bei einer anderen Zusammensetzung benutzt und die 3 Millionen Zinsverbilligung noch einmal daraufgesetzt im Gegensatz zu 7 Millionen von Anfang. Sie haben selber erklärt, Herr Leicht, daß das eine Mehrinanspruchnahme des Kapitalmarktes von 170 bis 200 Millionen DM bedeutet. Es ist deshalb nicht mehr als recht und billig, wenn die sozialdemokratische Fraktion zur Deckung ihrer Schwerpunkte 79 Millionen DM beantragt.
Meine Damen und Herren, wir bleiben bei diesen Vorschlägen. Wenn Sie das alles zusammenrechnen, kommt, glauben Sie es mir, Herr Conring, nichts
anderes heraus; es bleibt sogar noch ein wenig unter der Grenze von 69,1 Milliarden, es kommen nämlich 68,985 Milliarden DM heraus.
Meine Damen und Herren, wir alle zusammen haben uns im Haushaltsausschuß die Arbeit nicht leicht gemacht. Ich bedauere ein wenig, daß die Ausschußarbeit nicht öffentlich ist. Denn ich habe den Eindruck, daß gewisse Publikationen — es sind deren nur wenige — keine Vorstellungen von der Arbeitsleistung in diesem Hause und insbesondere im Haushaltsausschuß haben. Ich wünschte, daß Vertreter bestimmter Zeitungen, die meinen, das Parlament tue nichts, auch nur ein einziges Mal über vier Monate lang die Haushaltsberatungen mitmachen würden; dann würden sie sehen, daß von allen Mitgliedern dieses Hauses eine Arbeitsleistung gebracht wird, die bis an die Grenze der physischen Erschöpfung geht.

(Allgemeiner Beifall.)

Es wäre sehr gut, wenn einmal die auf Unkenntnis beruhende Ansicht, in diesem Hause werde nicht gearbeitet, korrigiert würde. Das würde nicht nur uns Abgeordneten helfen, es würde den Respekt vor dem Parlament vertiefen, und es würde auch unserer Demokratie nützen.
Meine Damen und Herren, ich habe hier noch einmal die sozialdemokratischen Vorstellungen, die sozialdemokratischen Schwerpunkte, die sozialdemokratischen Kürzungsvorschläge vorgetragen. Das Ganze bitte ich als eine Einheit zu sehen. Ich gehöre jetzt in der vierten Legislaturperiode diesem Hohen Hause an. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß wir hier sind, um miteinander zu reden, um einander zuzuhören, um einander zu überzeugen. Es läßt sich nicht leugnen, daß auch Sie von den Schwerpunkten, die wir hier genannt haben, einige anerkannt haben. Ich appelliere an Sie, in voller Loyalität und voller Objektivität anzuerkennen, daß die Verstärkung der Mittel an den Stellen, wo wir sie gefordert haben, eine Notwendigkeit für die weitere Entwicklung unseres Landes ist. Ich bitte um Ihre wohlwollende Überprüfung. Mehr darf ich nicht erwarten. Im übrigen danke ich für Ihre Geduld.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504119300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Emde.

Dr. Hans Georg Emde (FDP):
Rede ID: ID0504119400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach fünfzehnwöchiger Arbeit hat der Haushaltsausschuß die Beratung des Bundeshaushalts 1966 beendet und den Bundeshaushalt dem Plenum zugeleitet, und heute beginnt die zweite Lesung, die öffentliche Auseinandersetzung um den Entwurf der Bundesregierung. Wie sehr unterscheidet sich doch diese Lesung von Vorgängen der vergangenen Jahre! Ich erinnere mich noch sehr genau an die Worte, die Kollege Möller von der SPD bei der Einbringung des Haushalts gesprochen hat, — mit welcher Dramatik hier gesprochen, mit welcher Demagogie hier gearbeitet wurde. Wie wohltuend unterscheidet -sich die heutige Stellungnahme der Sozialdemokratischen Partei durch den



Dr. Emde
Kollegen Hermsdorf von dieser Art der Politik, wie sie in der Vergangenheit exerziert worden ist!

(Beifall bei der FDP.)

Meine Herren von der SPD, ich habe in den Etatdebatten der Vergangenheit immer den Vorwurf an Sie gerichtet: Was nützt es, die Regierungspolitik und die Politik der Partner in der Koalition zu kritisieren, wenn man nicht seine Vorschläge zu einem einheitlichen Gebäude zusammenfaßt; was nützt es, wenn man Erhöhungsanträge stellt und nicht zur gleichen Zeit die Mittel für die Finanzierung dieser Erhöhungen zur Verfügung stellt?

(Abg. Hermsdorf: Das haben wir doch gemacht!)

— Sie merken gar nicht, wie ich Sie lobe. — Heute ist erstmals von der SPD durch den Kollegen Hermsdorf dieses System angewandt worden. Alle Komplimente! Er hat den Mut gehabt, Streichungsvorschläge auch an Stellen zu machen, an denen sie bestimmt unsympatisch sind. Wir werden heute zum erstenmal eine echte Debatte über einen Bundeshaushalt in der zweiten Lesung erleben und keine demagogische Auseinandersetzung. Das unterscheidet sich wohltuend von der Art des Kollegen Möller.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine Damen und Herren, die Beratungen des Jahres 1966 sind in hohem Tempo abgelaufen, aber dennoch in solider Arbeit erfolgt. Wenn man daran denkt, in welcher Eile der Haushalt im vorigen Jahr nach der Bundestagswahl aufgestellt werden mußte, welche Schwierigkeiten wir hatten, durch das Haushaltssicherungsgesetz vor dem Etat überhaupt die Grundlagen für einen Haushaltsausgleich zu finden, wie schwierig es war, überhaupt den Beginn der Haushaltsberatungen zu erreichen, dann kann sich wirklich nur der Fachmann vorstellen, welche Arbeit im Haushaltsausschuß insgesamt geleistet worden ist.
Auch hier ein Wort zur Sozialdemokratischen Partei! Die SPD hat in diesen Etatberatungen im Haushaltsausschuß in aller Korrektheit und Sachlichkeit mit uns um die Dinge gerungen. Daß sie zu anderen Vorstellungen gekommen ist als wir — nun, das ist ja die Ausgangsposition der Politik. Man kämpft in der Politik ja von verschiedenen Standpunkten um beste Lösungen. Ich kann nur sagen, im Haushaltsausschuß ist sachliche Arbeit geleistet worden, und wir möchten hier unseren Dank an den Koalitionspartner, an die SPD, aber auch an die Verwaltung aussprechen, die durch sachliche Unterrichtung, durch Bereitstellung des Materials uns ermöglicht hat, in diesen fünfzehn Wochen fertig zu werden.
Meine Damen und Herren, im Rahmen der Etatdebatte im Haushaltsausschuß hat es aber natürlich eine Reihe von recht kontroversen Vorstellungen gegeben, Vorstellungen, die auch hier bei der ersten Lesung schon dargelegt wurden. Ich möchte für meine Fraktion einige Worte zu dem sagen, was wir in der ersten Lesung gefordert haben, und darstellen, in welchem Umfang es uns gelungen ist, diese Forderungen durchzusetzen, und in welchem Umfange das nicht gelungen ist. Wir sind davon ausgegangen, daß das Haushaltsvolumen von
69,1 Milliarden DM nicht in dieser Höhe bestehenbleiben sollte. Wir haben eine Verringerung des Volumens verlangt. Das ist gelungen. Wir haben als zweites eine verringerte Belastung des Kapitalmarkts verlangt. Auch das ist gelungen. Wir haben hier Streichungsvorschläge vorgetragen, die zum Teil durchgesetzt worden sind, zum Teil nicht zum Erfolg kamen.
Wir haben z. B. gemeinsam mit Herrn Kollegen Schoettle von der SPD die Frage des sogenannten Pennälergehalts aufgeworfen und die Forderung gestellt, daß alle Maßnahmen für die Ausbildung, die im Haushalt an 21 verschiedenen Stellen verstreut sind, in einem Ausbildungsförderungsgesetz zusammengefaßt werden.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Es war unter dem Zeitdruck der Beratungen nicht möglich, dieses Problem weiterzuentwickeln. Aber ich bin fest überzeugt, daß das „Streichquintett " — ich meine die fünf Minister der Regierung, die am Haushaltsausgleich für das Jahr 1967 und die künftigen Jahre arbeiten — das Problem des Ausbildungsförderungsgesetzes mit diskutieren wird und daß wir dann in der zweiten Hälfte dieses Jahres im Parlament die Möglichkeit haben werden, uns über diesen Vorgang zu unterhalten und eine Entscheidung in dieser oder in jener Richtung zu fällen.

(Abg. Memmel: Da müssen Sie mit Hessen reden! — Zurufe von der SPD: Warum in der zweiten Hälfte?)

— Erst in der zweiten Hälfte deshalb, weil dann der Haushalt 1967 beraten wird und die Arbeiten des „Quintetts" zusammen mit der Etatberatung 1967 dann hier in einer gemeinsamen Aktion besprochen werden.
Zweitens. Unser Versuch, den Bundeshausneubau zu verhindern, ist vorläufig mißlungen. Wir werden in der zweiten Lesung einen Änderungsantrag stellen.

(Zuruf von der SPD: Was für einen? — Abg. Memmel: Und erklären, daß Sie selber keine Räume brauchen! Sie müssen bindend erklären, daß Sie keine Räume brauchen, dann ist es richtig! — Zuruf von der CDU/ CSU: Sie kommen auf die Rheinwiese!)

— Herr Kollege, auch in der Politik sollte man zuerst einmal die Worte und die Argumente des anderen hören, ehe man sich zu ihnen äußert. Ich glaube, das wäre etwas geschickter.

(Beifall bei der FDP.)

Wir werden nämlich nicht ersatzlose Streichung beantragen, sondern einen anderen Vorschlag danebensetzen. Wir werden Alternativvorschläge machen, in denen dann auch Räumlichkeiten vorgesehen sind. Ob Sie diese Vorschläge annehmen oder nicht, ist dann Ihre Sache.
Drittens. Ich hatte für meine Fraktion ausgeführt, daß wir eine Streichung der militärischen Ausrüstungshilfe beantragen würden. Es ist im Ausschuß nicht möglich gewesen, und zwar aus sachlichen Gründen, eine solche Streichung durchzusetzen. Ich möchte einige Worte dazu sagen. Wir sind als Frak-



Dr. Emde
tion — das ist eine Entscheidung, die nun eindeutig feststeht — bereit, weiterhin militärische Ausrüstungshilfe im Rahmen der NATO zu leisten, nicht aber in Räume, in denen Spannungen herrschen. Wir sind nicht bereit, militärische Ausrüstungshilfe außerhalb der NATO zu geben, gehen aber davon aus, daß bestehende Verträge und Verpflichtungen honoriert werden müssen. Wir sind damit nicht allzu weit von den Vorstellungen großer Teile der SPD und auch von Teilen der CDU/CSU im Haushaltsausschuß entfernt. Wir haben deshalb nur eine Streichung um 23 Millionen DM vornehmen können, weil im Rahmen dieser militärischen Ausrüstungshilfe gegenüber Griechenland und der Türkei alte Verpflichtungen bestehen. Wir gehen aber mit der Mehrheit des Haushaltsausschusses von der Vorstellung aus, daß diese Zahlungsquote im Laufe der nächsten Jahre weiter absinken wird.
Nun zu einem Punkt, um den es harte Debatten im Haushaltsausschuß gegeben hat, der Trennung der Sach- und Personaltitel. Ich möchte hier noch einmal begründen, warum wir zuerst den Sachhaushalt und dann die Personaltitel behandeln. Wir waren der Meinung, daß es unbedingt erforderlich ist, um die Baumaßnahmen überall im Lande vornehmen zu können und um die Strukturprogramme in den Ländern nicht zu behindern, den Etat möglichst schnell abzuschließen. Die Tatsache, daß wir die Personaltitel noch vor der Sommerpause abschließen können, und die Tatsache, daß wir die Hebungen zum 1. März durchführen können, bedeutet, daß keinerlei Nachteil für die Beamten eintreten wird, deren Stellen in den Bundeshaushalt eingebaut sind.
Wir haben heute durch den interfraktionellen Antrag, der von allen drei Fraktionen unterschrieben worden ist, auch sichergestellt, daß die Haushaltsmittel hier zur Verfügung stehen. Die Bediensteten des Bundes brauchen also keine Sorge zu haben. Die Hebungen können am 1. März erfolgen.
Einige Worte zu dem Problem Senkung des Volumens, und hier die erste parlamentarische Auseinandersetzung mit meinem Kollegen Hermsdorf. Das Volumen von 69,1 Milliarden DM war uns zu hoch. Wir wünschten eine möglichst weite Absenkung dieses Volumens, allerdings unter Einberechnung des Tatbestandes, daß im Haushalt noch erhebliche Umschichtungen erfolgen mußten, die wir ja vorgenommen haben. Wir glauben, daß die Absenkung auf 68,9 Milliarden DM dem Bund durchaus die notwendigen Ausgabe- und Arbeitsmöglichkeiten läßt, daß diese Senkung von 200 Millionen DM aber ein ganz entscheidend symbolhafter Vorgang ist. Der Bund hat noch einmal vor der Öffentlichkeit, vor Ländern und Gemeinden, vor der Wirtschaft demonstriert, daß es ihm ernst ist mit der Beschränkung seiner Ausgaben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Die Umschichtung oder die Höherdotierung einzelner Positionen im Bundeshaushalt, also insbesondere bei Wissenschaft und Forschung, bei der Berlinhilfe, bei der Hilfe für die finanzschwachen Länder und beim Kohlenbergbau, ist in Übereinstimmung aller drei Fraktionen erfolgt. Die Diskussion ging
nur darum, ob man bei Wissenschaft und Forschung mit der Obergrenze von 80 Millionen DM auskommt oder ob man auf 180 Millionen DM gehen muß. Ich habe das als Beispiel gebracht. Ich glaube, Herr Kollege Hermsdorf, die Höherdotierung von 80 Millionen DM ist im Rahmen der Möglichkeiten, die wir in diesem ganzen Ausgleichsspiel haben, die oberste Grenze, der wir im Haushaltsausschuß und nach unseren politischen Vorstellungen zustimmen konnten.
Lassen Sie mich ein Wort zu dem Problem der humanitären Maßnahmen für Vietnam sagen. Ich glaube, es ist notwendig, daß das hier einmal ausgesprochen wird. Wir haben 15 Millionen DM zur Verfügung gestellt, davon 11 Millionen DM für das Schiff und 4 Millionen DM für Arzneimittel. Wir legen im Haushaltsausschuß Wert darauf, daß diese Leistungen sinnvoll an der richtigen Stelle angewandt werden. Wenn wir Zeitungsnachrichten lesen, daß die Arzneimittel am Schwarzmarkt erscheinen oder daß Zweifel über die Möglichkeiten der Unterbringung des Schiffes in einem vietnamesischen Hafen bestehen, dann werden wir Haushaltsleute allerdings kritisch in unseren Vorstellungen und meinen, daß man erst einmal alle tatsächlichen Voraussetzungen geschaffen haben sollte, ehe wir weiterhin in Vietnam Geld zur Verfügung stellen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD.)

Meine Damen und Herren, ganz besonders bedeutsam erscheint uns die Volumensverringerung im außerordentlichen Haushalt. Wir haben durch I Mehreinnahmen von 138 Millionen DM bei den Verwaltungseinnahmen und von 550 Millionen DM im Rahmen ,der Steuerschätzungen die Möglichkeit gehabt, 688 Millionen DM Mehreinnahmen zu verarbeiten. Es ist zu 'begrüßen, daß niemand auf die Idee gekommen ist, diese 688 Millionen DM an anderer Stelle 211 „verbuttern", sondern daß man sich tatsächlich in allen Bereichen darüber einig war, daß diese Mehreinnahmen dazu verwandt werden sollten, in geringerem Umfang an den Kapitalmarkt heranzugehen und damit von Bundesseite aus konjunkturpolitisch vorbildlich zu wirken. Wir sind aber der Meinung, daß dieses Beispiel, dass der Bund gegeben hat, in entsprechender Weise von 'den Ländern und Gemeinden anerkannt und nachgeahmt werden sollte; denn es hat keinen Zweck, daß, wenn sich der Bund aus dem Kapitalmarkt zurückzieht, die Länder und Gemeinden in vollem Umfang diese Beträge für sich übernehmen.
Wir müssen durch Zurückhaltung der öffentlichen Hand am Kapitalmarkt endlich für dessen Beruhigung und damit für eine Senkung des Zinsniveaus sorgen. Erst dann wieder kann die öffentliche Hand in entsprechendem Rahmen dort die Möglichkeiten ausschöpfen. Möge das Beispiel, das der Bund gegeben hat, von allen anderen Teilen der öffentlichen Hand in entsprechender Weise honoriert werden.
Im Verhältnis zwischen Bund und Ländern ist erstmalig ein Vorgang erfolgt, über den doch hier noch einige Worte gesprochen werden müssen. Die 180 Millionen DM, die der Bund direkt den Ländern



Dr. Emde
zur Verfügung stellt, und die 34 Millionen DM Schuldentilgungen, auf die er verzichtet, machen eine Verbesserung der Haushalte der finanzschwachen Länder um 214 Millionen DM aus. 250 Millionen DM waren verlangt worden. Im Prinzip ist also dem Wunsch der Länder entsprochen worden.
Wir sind bei unserer Entscheidung, uns für diese Maßnahmen auszusprechen, von folgender politischer Überlegung ausgegangen. Die Länder haben im Jahre 1962 dem Bund in einer einmaligen Hilfe 1050 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Der Bund hat diese Hilfe damals dankbar angenommen. Wir waren der Meinung, daß wir im Jahre 1966 bei einer im großen und ganzen unverschuldeten Notlage finanzschwacher Länder verpflichtet seien, diesen Ländern in einer ähnlich generösen Weise zu helfen, wie im Jahre 1962 die Länder dem Bund geholfen haben. Aber dieser Vorgang kann nur ein einmaliger Vorgang sein. Er kann nicht zur Regel werden. Das Hin- und Herschieben von Länderhilfen zum Bund oder von Bundeshilfe zu den Ländern darf nicht an die Stelle der in der Verfassung festgelegten Möglichkeiten treten. Wir sind überzeugt, daß im Rahmen der Finanzreform die Ausstattung der Länder in einer derartigen Weise vorgenommen werden kann, daß den Grundüberlegungen des Grundgesetzes Rechnung getragen wird: daß die Länder die notwendige Wirtschafts- und Finanzkraft besitzen müssen.
Wir sind darum der Meinung, daß nicht nur aus diesem Grunde, aber auch entscheidend aus diesem
Grunde die Finanzreform noch in dieser Legislaturperiode kommen muß.

(Beifall bei der FDP.)

Wir bitten die Bundesregierung, alles in ihren Möglichkeiten Stehende zu unternehmen, um die erste Beratung der Finanzreform im Plenum möglichst bald zu ermöglichen. Wir sind uns darüber klar, daß es nie eine ideale Reform geben wird. Jedes Menschenwerk wird Fehler und Mängel haben. Man möge aber nicht so lange versuchen, Mängel und Fehler herauszusuchen, bis man diese Legislaturperiode versäumt hat. Wir wünschen und wir bitten die Regierung, möglichst schnell zu handeln. Hier ist rasches Handeln notwendiger als komplett und absolut richtiges Handeln. Wir werden als Parlament das Unsere dazu tun, um die Finanzreform dann möglichst schnell in diesem Bundestag zur Verabschiedung zu bringen.

(Beifall bei der FDP.)

Auch ich möchte für meine Fraktion einige Worte zu unserem Verhalten in der zweiten Lesung hier sagen. Wir werden von seiten der FDP diesen Bundeshaushalt hier beraten, ohne Ausgabenerhöhungen zu beantragen. Wir sind der Meinung, daß es aus Konjunkturgründen, aber auch aus haushaltstechnischen Gründen nicht erwünscht sein kann, das jetzige Ausgabenvolumen zu erhöhen. Man muß bei diesem Volumen bleiben. Man möge die Beratung in einer Form vornehmen, daß keine weitere Belastung auf uns zukommt.
Zweitens. Wir erwarten, daß die Durchführung des Haushalts während dieses Jahres in einer Weise
erfolgt, die sich dem Verhalten der Parteien im Haushaltsausschuß anpaßt, d. h. wir wünschen, daß während dieses Jahres keine Gesetze mit ausgabewirksamen Beschlüssen verabschiedet werden, ohne daß zur gleichen Zeit die Beratung des Haushalts 1967 danebengeschaltet wird und die Auswirkungen solcher Gesetze einkalkuliert werden. Wir erwarten von der Bundesregierung, daß keine über- und außerplanmäßigen Ausgaben erfolgen, die das Parlament oder den Haushaltsausschuß überraschen und die Arbeit dieses Parlaments dann von einer anderen Seite her gefährden.
Ich möchte dazu folgendes ausführen. Wir sind überzeugt, daß wir mit diesem Haushalt eine Zurückhaltung in der Ausgabenpolitik im Innern dieses Landes gewahrt haben, die kaum mehr überboten werden kann. Wir haben eine Reihe von wesentlichen Wünschen in allen Bereichen zurückgestellt. Wir haben bewußt auf Maßnahmen aller Art verzichtet.
Wenn das so ist, dann muß ein ähnliches System aber auch für die Verpflichtungen des Bundes im Rahmen der Außenpolitik gelten. Wir sind nicht mehr frei in der Verfügung über unsere Finanzmittel, wir können nicht von unserem Volk im Innern Opfer verlangen, wenn wir nicht bereit sind, in den Beratungen nach draußen, in den Verhandlungen mit unseren Partnern in absolut nüchterner Weise unseren deutschen Standpunkt zu vertreten und die finanziellen Möglichkeiten dieses Landes zur Basis unserer politischen Entscheidungen zu machen.

(Beifall bei der FDP.)

Die politische und strategische Notwendigkeit, die Abwehrkraft der NATO so wirksam wie möglich zu machen, steht hier nicht zur Diskussion. Die Anwesenheit von Truppen unserer Verbündeten in der Bundesrepublik ergibt sich aus der jeweiligen militärpolitischen Lage. Sie ist das gemeinsame Interesse aller Bündnispartner; ich betone das Wort „aller". Es ist daher auch natürlich, daß Devisenprobleme, die sich im Zusammenhang mit der Stationierung befreundeter Truppenverbände ergeben, zunächst die NATO als Gemeinschaft beschäftigen müssen. Leider hat sich eine Übung herausgebildet, allein und bilateral von der Bundesrepublik Devisenzahlungen zum Ausgleich von Stationierungskosten zu verlangen. Solange solche Zahlungen sich im Rahmen normaler Rüstungsgeschäfte ergeben, ist das richtig. Ich möchte aber nachdrücklich davor warnen, die Beschaffungspolitik der Bundeswehr nach der jeweiligen Zahlungsbilanzsituation unserer Bündnispartner — seien es nun die USA oder Großbritannien — auszurichten.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten in der Mitte.)

Die Ausrüstung unserer Bundeswehr sollte allein durch unser Sicherheitsbedürfnis und nach Zweckmäßigkeit bestimmt werden. Sachfremde Erwägungen dürfen hier keinen Platz haben. Ich bin überzeugt, daß unsere Verbündeten für diesen Standpunkt Verständnis besitzen werden. Denn, meine Damen und Herren, wir werden nur dann auf die Dauer in diesem Bündnis ein kräftiger und gesunder



Dr. Emde
Partner sein, wenn wir neben der Sicherung der sozialen Verhältnisse in der Lage sind, die Kraft unserer Wirtschaft und die Möglichkeiten unserer Wirtschaft entsprechend auszubauen. Ohne eine blühende Wirtschaft keine Sozialpolitik, ohne eine blühende Wirtschaft keine Sicherheitspolitik.
In diesem Rahmen müssen wir auch das Problem des Subventionsabbaus mit betrachten. Herr Kollege Hermsdorf, ich hatte vorhin den Zwischenruf gemacht: „Wer war das, der von dieser MilliardenStreichung bei den Subventionen gesprochen hat?" Ich hatte die Angst, daß irgendeiner meiner Kollegen das getan haben könnte. Denn ich glaube, eine Streichung einer Milliarde, so dahingesprochen, ist eine Form schlechter Politik. Man muß Roß und Reiter nennen, wenn man von Subventionsabbau spricht. Darum waren wir auch etwas verblüfft, als bei der ersten Lesung insbesondere vom Kollegen Schoettle der Gedanke vorgebracht wurde, an den Subventionen einen globalen Abstrich vorzunehmen. Es mag sein, daß man eines Tages an einem globalen Abstrich nicht vorbeikommt. Aber in der Sache sollte man sich zuerst darum bemühen, festzulegen, welche Subventionen heute, im Jahre 1966, durch den Zeitablauf überholt, daher nicht mehr notwendig und streichbar sind.
Ich glaube, Herr Kollege Hermsdorf, auch hier war die Zeit zu kurz. Es war nicht möglich, sich in diesen 15 Wochen der Haushaltsberatung eingehend mit dem Problem der Subventionen zu befassen. Denn mehr, als von morgens bis in die Nacht zu
tagen, ist ja, wie Sie so nett gesagt haben, bei Gott nicht möglich. Schade, daß die Öffentlichkeit nicht sieht, in welcher Weise wir im Haushaltsausschuß belastet sind. Ich glaube aber sicher sein zu können, daß sich das sogenannte Streichquintett auch der Subventionen — allerdings nicht in der Höhe von 29 Milliarden DM; wir sind uns ja völlig einig, daß diese Zahl irreal ist, daß dabei gewissermaßen Äpfel und Kartoffeln in einem Betrag zusammengerechnet sind — annimmt und daß im Bundeshaushalt 1967 die Dinge anders aussehen werden als heute. Eine solche Zusage wird sicherlich die Debatte in der zweiten Lesung im Bereich der Subventionen entschärfen. Das Problem wird im Herbst dieses Jahres mit knallharten Entscheidungen hier gelöst werden.

(Abg. Hermsdorf: Dann können Sie ja unserem Entschließungsantrag zustimmen!)

— Ohne weiteres.
Der Haushaltsausschuß hat im Rahmen seiner Beratungen in den letzten 15 Wochen eine Reihe schwerwiegender Entscheidungen gefällt, die weit hinausgingen über die Methode, erkennbare Einsparungen vorzunehmen oder nicht notwendige Ausgaben zu streichen: Der Haushaltsausschuß hat eine Fülle von politischen Entscheidungen gefällt. Er hat sich z. B. — ich will ein einziges Beispiel nennen — durchgesetzt mit seiner Vorstellung, daß alle Vorhaben der militärtechnischen Ausrüstungshilfe an andere Staaten der Zustimmung des Haushaltsausschusses bedürfen und ihm nicht nur zur Kenntnis gebracht werden, so wie es im vorigen Jahr durch
die besondere Intervention des Bundestagspräsidenten Gerstenmaier hier im Parlament beschlossen worden ist. Wir haben damit eine falsche Entscheidung der Vergangenheit korrigiert und den Einfluß des Haushaltsausschusses in dieser Frage gestärkt.
Wir haben eine Reihe von weiteren politischen Entscheidungen gefällt, Umschichtungen, Verstärkung der Hilfe für die Länder, für Berlin, Inkraftsetzung der Hebung für den 1. März. Ich glaube, daß wir damit im Haushaltsausschuß Politik getrieben haben. Wir wären alle glücklicher, wenn wir nicht dauernd streichen müßten und auch einmal in der glücklichen Situation der Kollegen wären, die in ausgebenden Ausschüssen tätig sind. Wir könnten uns viel leichter in unseren Wahlkreisen bewegen und sagen: wir haben für diesen und wir haben für jenen etwas getan. Die Rolle des ständigen Streichers und Nein-Sagers ist im Wahlkreis bei Gott sehr schlecht zu verkaufen. Ich wäre dankbar, wenn die anderen Kollegen im Parlament diesen Tatbestand einmal einkalkulierten, wenn sie unsere Arbeit im Haushaltsausschuß bewerten. Denn wir haben im Innern nur noch begrenzte Möglichkeiten, Ausgaben zu streichen.
Ich möchte zum Schluß meiner Darstellung wiederholen: Möge jeder, der Außen- und Sicherheitspolitik verantwortlich für diesen Staat macht, die Möglichkeiten des Staates, die Möglichkeiten und Grenzen dieser Volkswirtschaft erkennen. Politik ist die Kunst des Möglichen. Wir sind überzeugt, durch die Ausnutzung aller Möglichkeiten im Haushaltsausschuß in den letzten 15 Wochen eine gute Politik getrieben zu haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504119500
Wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe auf:
Einzelplan 04
Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes
— Drucksache V/573—
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Conring Abgeordneter Haase (Kassel) Abgeordneter Baier
Einzelplan 05
Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksache V/574
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Conring
Ich frage die Herren Berichterstatter, ob sie das Wort wünschen. — Das ist nicht der Fall. Ich danke den Herren Berichterstattern für ihre Berichte.
Zum Einzelplan 04 liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 37 *) und zum Einzelplan 05 der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 36 **) vor. Werden die Anträge gesondert begründet?

(Zuruf von der SPD: Zusammen!)

*) siehe Anlage 2 **) siehe Anlage 3



Vizepräsident Dr. Dehler
Zunächst hat der Herr Abgeordnete Erler das Wort zur Begründung der Änderungsanträge. Ich eröffne damit gleichzeitig die allgemeine Aussprache über die beiden Einzelpläne.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0504119600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundestagswahl liegt acht Monate zurück. Die Erklärung der neugebildeten Regierung haben wir vor sechs Monaten gehört. Die Haushaltsdebatte, zumal über den Haushalt des Bundeskanzlers, sollte uns Veranlassung geben, zu prüfen, was inzwischen in Ausführung der Regierungserklärung geschehen ist, wie sich die Ankündigungen der Erklärung vergleichen lassen mit den Handlungen und den inzwischen eingebrachten Vorlagen.
Die Bilanz ist mehr denn dürftig. Aus den großen Debatten, die in diesem Hause zu den Grundfragen unserer inneren Ordnung stattgefunden haben, wurden keine Lehren gezogen.
Die Preise steigen weiter. Dabei wollte die Regierung schneller bremsen als der Sachverständigenrat, der eine bestimmtes allmähliches Dämpfen des Preisauftriebs vorgeschlagen hatte. Ich darf die Entwicklung des Preisniveaus in Erinnerung rufen: in der ersten Legislaturperiode von 1949 bis 1953 um insgesamt um 1,2 %, in der zweiten bis 1957 um 5,2%, in der dritten bis 1961 um 7,2%, in der vierten bis 1964 um 11,9%. Inzwischen hat sich das Tempo verstärkt, nicht etwa vermindert. Im letzten Jahresbericht der Deutschen Bundesbank ist zu lesen: „Seit der Korea-Krise im Jahre 1951 war der Preisindex für die Lebenshaltung in keinem Jahr so stark gestiegen wie 1965." Die Regierung steht dieser Entwicklung hilflos gegenüber; ich muß leider mehr sagen: in gewissem Umfange mitschuldig. Denn große Brocken in den Lebenshaltungskosten, die zu dem Preisauftrieb ganz entscheidend beigetragen haben, stellen sich doch dar etwa in der Entwicklung der Mieten, in der Entwicklung der Ernährungskosten, in der Entwicklung des Kapitalzinses als wichtigen Kostenfaktors für die gesamte gewerbliche Wirtschaft.
Alle drei Faktoren wurden sehr wesentlich beeinflußt durch politische Entscheidungen der Bundesregierung und der sie tragenden Mehrheitsparteien, von der Mietgesetzgebung, über die von der Bundesregierung in den europäischen Gemeinschaften betriebene Politik bis hin zu der unseligen Angelegenheit der Kuponsteuer. Unsere Zahlungsbilanz ist rückläufig. Die Krise des Kohlenbergbaus hat sich trotz der Zusagen in bezug auf Abhilfe verschärft. Da, Herr Bundeskanzler, nimmt sich im Ruhrrevier die Forderung nach nunmehr der zweiten deutschen Überstunde angesichts der Feierschichten und einsetzen der Kurzarbeit in der Stahlindustrie wie schierer Hohn aus.

(Beifall bei der SPD.)

Natürlich kennen auch wir die volkswirtschaftlichen Grenzen der Arbeitszeitverkürzung. Die Verhältnisse sind von Wirtschaftszweig zu Wirtschaftszweig verschieden. Deshalb passen Globalformeln nicht. Aber immerhin werden seit 50 Jahren gegen die Verkürzung der Arbeitszeit aus dem gleichen Lager
immer dieselben Argumente wie heute vorgebracht; schon als es noch den 12-Stunden-Tag und die Kinderarbeit gab, war das gleiche zu hören.

(Beifall bei der SPD.)

Jetzt ist Wirtschafts p o l i t i k nötig und eine Regierung, die führt. Treibenlassen genügt nicht, und markige Reden genügen auch nicht.

(Beifall bei der SPD.)

Die Ratschläge des volkswirtschaftlichen Sachverständigenrats wurden in den Wind geschlagen. Aber auch andere Maßnahmen wurden nicht ergriffen. Einer der Sachverständigen, der der CDU angehörende Dr. Binder, hat dem Kabinett vor wenigen Wochen bescheinigt, daß es im Kampf gegen die Geldentwertung eine Schlacht verloren habe, und er meinte, es bedürfte des Willens der Bundesregierung, wirklich zu regieren. Also von einem Freunde wurde ihr bescheinigt, daß es an diesem Willen fehle.
Ich möchte nur einige Beispiele für den Unterschied zwischen Ankündigungen und Taten geben. Bei genauer Durchsicht der Regierungserklärung ließen sich diese Beispiele noch beliebig vermehren.
So hieß es in der Regierungserklärung zum Thema „Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden" wörtlich:
Gestützt auf die von der sogenannten Enquetekommission ausgesprochenen Empfehlungen hat die Bundesregierung die Initiative ergriffen, um in enger Zusammenarbeit mit den Ländern rasche und wirksame Hilfe zu leisten.

(Abg. Wehner: Hört! Hört!)

Wo ist diese Hilfe sichtbar? Es hieß „rasch", und es hieß „wirksam".
Ein anderes Beispiel: Zonenrandgebiet. In der Regierungserklärung hieß es:
Der politischen Bedeutung und der wirtschaftlichen Situation des Zonenrandgebiets wird dis Bundesregierung weiterhin Rechnung tragen.
Nicht einmal bei den Plänen der Bundesbahn auf Streckenstillegungen wurde dieser Grundsatz berücksichtigt.
Oder zu den Sozialinvestitionen. Da hat die Regierung angekündigt, daß Prioritäten, Rangfolgen und Schwerpunkte der einzelnen Maßnahmen festgelegt werden müßten. Ich zitiere wörtlich: „Die Bundesregierung wird dem Bundestag entsprechende Vorschläge machen". Seit der Regierungserklärung ist ein halbes Jahr vergangen. Von den Vorschlägen ist nichts zu sehen.

(Abg. Wehner: Die Regierung „macht" immer noch!)

Die damaligen Ankündigungen waren verbunden mit den vagen Ideen über das Deutsche Gemeinschaftswerk; auch in diesem Rahmen war ja von mehrjährigen Investitionsprogrammen die Rede. Es hieß, die Vorschläge würden „alsbald" nach Abschluß der Arbeiten der Sachverständigenkommission für die Finanzreform mit den Ländern abgestimmt und vorgelegt werden. Wie ist es, Herr



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Bundeskanzler: Wie weit ist man gekommen? Ist überhaupt etwas geschehen? Ist die Abstimmung mit den Ländern eingeleitet worden? Es wäre gut, darüber etwas zu hören.

(Sehr gut; bei der SPD.)

Die Regierungserklärung kündigte eine Reform des Haushaltsrechts an. Wie weit ist die Vorlage gediehen? Die Regierungserklärung bekannte sich auch zu einer langfristigen Haushaltsplanung. Welch schreckliches Wort! Früher hat man sich darüber lustig gemacht. Ein Mann auf der Regierungsbank hat einmal verkündet, ein bißchen Planung gäbe es nicht, genausowenig wie ein bißchen Schwangerschaft. Heute sieht das alles ganz anders aus. Die bessere Einsicht hat sich durchgesetzt. Aber wo bleibt die praktische Verwirklichung?
Zu dieser Einsicht schrieb die „Neue Zürcher Zeitung", ein der Bundesregierung im allgemeinen wohlgesonnenes Blatt, der Kanzler habe sich eines „volkswirtschaftlichen Vokabulars bedient, das zu einem beachtlichen Teil aus dem sozialdemokratischen Wahlprogramm vom Sommer 1965 bekannt war und das er in früheren Jahren mit Sicherheit noch kategorisch von sich gewiesen hätte".

(Beifall bei der SPD.)

Interessant! So die „Neue Zürcher Zeitung". Die Übernahme von Gedanken aus dem sozialdemokratischen Wahlprogramm, wie wir sie ja früher bei dem ganzen Thema der Gemeinschaftsaufgaben am laufenden Bande erlebt haben, war ja auch bitter nötig, nachdem man die eigenen Wahlgeschenke als Attrappen behandelt und nach der Wahl wieder aus dem Fenster genommen hat,

(Beifall bei der SPD)

obwohl sie vor der Wahl mit dem Schild „Sofort lieferbar" versehen worden waren.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD.) In der Regierungserklärung hieß es:

Im Rahmen eines längerfristigen Programms muß das Subventionsvolumen systematisch abgebaut werden.
Vorhin hat es darüber ja schon einen kleinen Gedankenaustausch gegeben. In der Finanzdebatte hat die Opposition die Bereitschaft zur Mitwirkung an einer solchen Revision der Subventionspolitik ausdrücklich erklärt. Das wurde nicht honoriert. Aber die Bundesregierung hat ja selber gar nicht konkretisiert, wo und in welchem Ausmaß man mit diesem Vorhaben beginnen wolle, obwohl die Entwicklung der Haushalte dieses Vorhaben mehr denn dringend macht. Oder sind mit den Subventionen etwa nur die Sozialleistungen gemeint, hinter denen sich nach der Regierungserklärung — ich zitiere wörtlich — „zum Teil lediglich Zahlungen und Subventionen verbergen, die unsere Leistungsfähigkeit schwächen" ? So sieht man dort die Verbindung von Subventionen, die man beschneiden kann, und Sozialleistungen.
In der Sozialpolitik bietet die Regierungskoalition ein widerspruchsvolles Bild. Soweit es ihre gesetzgeberischen Handlungen angeht, gab es zunächst
keinen neuen Start auf dem Wege nach vorn, sondern Rückschritte hinter sozialpolitische Positionen zurück, die bereits in der letzten Legislaturperiode des Parlaments erreicht waren. Die Kürzungen im sogenannten Haushaltssicherungsgesetz, mit denen Wahlzusagen abgebaut wurden, spiegeln das deutlich wider. In jenem Haushaltssicherungsgesetz schlagen die sozialpolitischen Abstriche mit 1,6 Milliarden DM nachhaltig zu Buche. Sie machen mehr als die Hälfte aller Kürzungen aus. Krankenversicherung, Rentenversicherung und Leistungsförderung wurden besonders davon betroffen.
In der Debatte zur Regierungserklärung hat Bundesarbeitsminister Katzer erklärt, daß zunächst eine „Denkpause" in .der Sozialpolitik eingelegt werden solle. Mit diesem Wunsch Katzers lassen sich allerdings die Handlungen und Ankündigungen des Bundesfinanzministers und von Abgeordneten der Regierungskoalition nicht vereinbaren. Sie wollen anscheinend die Denkpause dazu benutzen, zunächst in die Finanzgrundlagen und dann in das Leistungsrecht der sozialen Sicherung einzugreifen. Sie schlugen nämlich vor, die Bundeszuschüsse zur sozialen Rentenversicherung zu kürzen. In den letzten Jahren hat die Bundesregierung ohnehin in immer stärkerem Maße der Rentenversicherung ihre gesetzlich vorgeschriebenen Bundeszuschüsse nicht in bar bezahlt, sondern in Form von Schuldbuchforderungen zugeteilt. Diese Zwangsanleihen haben im Laufe der Jahre einen Betrag von 41/2 Milliarden DM erreicht. Sie sind die größte Einzelposition in der Anlagebilanz der Rentenversicherung geworden. Bisher hatte die Bundesregierung diese Zwangsanleihen als finanzpolitische Notlösungen bezeichnet, zu denen sie nur ausnahmsweise Zuflucht nehme. Die Ankündigungen des Finanzministers verstärken aber den Verdacht, daß hinter dieser Politik ,die Absicht steht, die finanziellen Beziehungen des Bundes zu den Trägern der Rentenversicherung .grundlegend zu verändern. Eine solche Kürzung der Bundesverpflichtungen gegenüber der Rentenversicherung wäre ein folgenschwerer Eingriff in die soziale Alterssicherung. Schließlich dürfen wir nicht vergessen, daß die Bundesleistungen kein Gnadenerweis,

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

sondern notwendig sind angesichts der Aufzehrung des Vermögens der Versicherten, das sich bei den Sozialversicherungsanstalten zur Deckung ihrer späteren Versicherungsleistungen angehäuft hatte, durch die Kriegsfinanzierung in einer vergangenen Zeit. Hier handelt es sich um ein Stück Lastenausgleich, dem sich der Bund nicht entziehen kann.

(Beifall bei der SPD.)

Die Kürzung der Zuschüsse hätte eine Beitragserhöhung zur Folge, was übrigens einer Steuererhöhung, die man ja sonst angeblich nicht will, gleichkäme.
Auf dieser Linie liegt es auch, daß Kreise der Regierungskoalition darauf drängen, den Grundsatz der Anpassung der Renten an die Lohnentwicklung aufzugeben und zu anderen Maßstäben überzugehen. Diese Unsicherheit über die Zukunft des



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Bundeszuschusses und der Lohndynamik in der Rentenversicherung verlangt vom Bundeskanzler ein klärendes Wort, damit man weiß, woran man sich zu halten hat.
Im übrigen wird die sozialdemokratische Bundestagsfraktion darüber wachen, daß die Bundesregierung ihre Zusage vom Mai 1965 zur Fortentwicklung der Kriegsopferversorgung, die der Bundeskanzler in abgeschwächter Form in der Regierungserklärung wiederholt hat, auch einhält.
An dieser Stelle will ich auch mit Nachdruck die Erwartung meiner Fraktion aussprechen, daß die Sozialprobleme der Bergarbeiter unverzüglich im Parlament behandelt werden.

(Beifall bei der SPD.)

Die Behandlung des Sozialplans für die Bergarbeiter, der sich in den Vorlagen der SPD zu diesem Thema ausdrückt, darf nicht hinter den Strukturveränderungen im Bergbau einherhinken.
Der Auftrag des Grundgesetzes, den sozialen Bundesstaat zu verwirklichen, läßt sich nur mit den Arbeitnehmern und ihren Organisationen durchführen, weder ohne noch gegen sie. Der Bundeskanzler hat leider nichts dazu getan, zwischen der Regierung und den Arbeitnehmerorganisationen Vertrauen wachsen zu lassen.

(Zuruf von der SPD: Das kann man wohl sagen!)

Er spricht landauf, landab geringschätzig von „Bossen" und „Funktionären". Die Sprachregelung von der Spitze ist geeignet, nachhaltig auch drunten im Lande die Form der Diskussion negativ zu beeinflussen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Wehner: So ist es auch gemeint!)

Dabei handelt es sich bei diesen Organisationen, bei ihren Mitgliedern und ihren gewählten Vertrauensleuten um ein Stück wirklichen Engagements für die Demokratie. Gleichgültigkeit ist der Tod der Demokratie,

(Abg. Wehner: Auch die Überheblichkeit!) nicht die lebendige Anteilnahme der Bürger. (Beifall bei der SPD.)

In der Stunde der Not muß die Demokratie die Macht der Arbeitnehmerorganisationen und ihrer Mitglieder auf ihrer Seite wissen. Deshalb dürfen diese Organisationen nicht zum bevorzugten ständigen innen- und parteipolitischen Prügelknaben werden.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Übrigens ist die Regierung auch sehr widersprüchlich. Der Kanzler spricht geringschätzig von „Bossen" und „Funktionären". Aber der Arbeitsminister schrieb am 1. Mai im „Deutschland-UnionDienst" der Christlich-Demokratischen Union folgendes:
Durch eine ebenso verantwortungsbewußte wie
wirksame Tarifpolitik haben die Gewerkschaften wesentlich mit die Voraussetzungen für die
persönliche Entfaltung des einzelnen und damit für den kulturellen Stand unseres Volkes verbessert.
Ein anerkennendes Wort. Der Arbeitsminister meint auch, die bessere Übereinstimmung der gesellschaftspolitischen Tatbestände mit den gesellschaftspolitischen Ordnungsvorstellungen sei nicht möglich ohne — ich zitiere ihn wieder — „eine enge Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmerbewegung und ihren Organisationen, die durch ihre Impulse und Initiativen unsere heutige Gesellschafts- und Staatsverfassung entscheidend mit beinflußt haben." Das hört sich anders an als des Kanzlers kraftvolles Schimpfen gegen die Verbände im allgemeinen und gegen die Gewerkschaften im besonderen,

(Beifall bei der SPD — Abg. Wehner: Arbeitsteilung!)

so zuletzt bei der Internationalen Handwerksmesse in München.
Zur Liste der Unterlassungssünden beim Vergleich mit den Ankündigungen ließe sich noch viel hinzufügen. Die Bundesregierung hat gewissermaßen als Zusammenfassung verkündet, sie sei entschlossen, die Möglichkeiten ihres Handelns zu nutzen. An wenigen Beispielen habe ich gezeigt, daß sie das nicht getan hat. Das ist offenbar auch die Auffassung der Freunde des Bundeskanzlers. Deshalb forderte der Fraktionsvorsitzende der CDU/ CSU-Fraktion, Dr. Barzel, am 24. Januar 1966 den Kanzler auf, mit starker Hand zu regieren und zu führen. Diese Aufforderung eines Freundes blieb leider vergeblich.
Eines der Lieblingskinder des Herrn Bundeskanzler ist die informierte Gesellschaft als Vorform der formierten Gesellschaft. Dazu heißt es in der Regierungserklärung wörtlich:
Über Handlungen und Absichten des Staates muß der Bürger rasch, korrekt und umfassend unterrichtet werden.
Das ist ein löbliches Unterfangen. Leider bedeutet es in der Praxis Berieselung mit Propaganda.
Musterfall dafür ist der Reptilienfonds, der parlamentarischer Kontrolle entzogen ist und der von 1950 bis 1966 von 450 000 DM auf 121/2 Millionen DM angewachsen ist,

(Hört! Hört! -bei der SPD. — Zurufe von der SPD: Maßhalten!)

d. h. fast dreißigmal höher geworden ist.

(Abg. Wehner: Man schämt sich fast!)

Zu diesem Fonds hat der Bundeskanzler am 2. Dezember 1963 im Fernsehen gesagt — ich zitiere wörtlich —:
Ich muß Ihnen sagen, ich bin willens, einen Teil
dieses Reptilienfonds offenzulegen und der Kontrolle des Haushaltsausschusses zu unterwerfen.
Hier sehen wir wieder einmal, wie Willenserklärungen des Kanzlers nicht imstande sind, sein eige-



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nes Handeln oder gar das seiner Fraktion im geringsten zu beeinflussen.

(Beifall bei der SPD.)

Denn geschehen ist nichts. Dafür wurde der Fonds kräftig erhöht und ebenso kräftig mißbraucht.
Solange der Opposition kein Einblick gegeben wird, muß der Verdacht bestehen, daß diese Mittel nicht nur den staatspolitischen Notwendigkeiten der Bundesrepublik Deutschland vor allem im Ausland dienen — dagegen hätte niemand etwas einzuwenden —, sondern den parteipolitischen Notwendigkeiten der Regierungsparteien im Inland. Sonst wäre die gleiche Kontrolle wie beim Bundesnachrichtendienst möglich; und das ist doch weiß Gott ein sehr delikater Gegenstand. Wenn Sie es anders meinen, wenn Sie den Fonds nicht mißbrauchen lassen wollen, dann müssen Sie unseren Anträgen zustimmen.
Wie mit diesen Mitteln — es gibt ja deren sehr viele, auch an anderer Stelle im Bundeshaushalt — Mißbrauch getrieben wird, sehen Sie bei einem Titel, dessen Streichung wir beantragen, nämlich bei Tit. 314 im Haushalt des Bundeskanzleramts. Er heißt: „Aufklärung und Unterrichtung der Bevölkerung auf dem Gebiet der Sozialinvestitionen."

(Lachen bei der SPD.)

Behauptet wurde hier, das habe etwas mit der Information der kleinen Leute zu tun, die sich keinen Steuer- oder Wirtschaftsberater leisten könnten; sie sollten über die Möglichkeiten unterrichtet werden, welche ihnen die Gesetze über die Sozialinvestitionen, über die Eigentumsbildung usw. bieten. Nun, wie das in der Praxis aussieht, das sahen Sie in der Anzeigenserie vom Mai und Juni 1965 „Mitbürger fragen — der Kanzler antwortet". Da war überhaupt nichts von Aufklärung von kleinen Leuten zu sehen, wie sie praktisch die Sozialinvestitionen in Anspruch nehmen können, sondern das war nichts anderes als Wahlpropaganda für den Spitzenkandidaten der CDU mit einfachsten, simpelsten Wahlsprüchen ohne jeden Informationswert.

(Beifall bei der SPD.)

Hierher gehört überhaupt das dem Kanzler unterstehende Presse- und Informationsamt, das nach wiederholten Darlegungen in der Fragestunde seinen Auftrag nicht darin erblickt, die Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Umwelt verständlich zu machen, sondern darin, die Politik der Regierungsparteien zu vertreten. Dieses Presse- und Informationsamt verwechselt allzu oft Unterrichtung mit Propaganda und verwendet dabei offene und geheime Mittel bunt gemischt.
Daher ist es verständlich, daß wir die folgenden Anträge gestellt haben:
1. Im Tit. 300 — Zur Verfügung des Bundeskanzlers für Förderung des Informationswesens — den Ansatz von 121/2 Millionen DM um 41/2 Millionen DM auf 8 Millionen DM herabzusetzen,
2. dem Haushaltsvermerk die folgende Fassung zu geben:
Die Jahresrechnung über die Einnahmen und
Ausgaben dieses Titels unterliegt nur der Prüfung eines Unterausschusses des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärungen des Unterausschusses und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung.
Wir haben Verständnis dafür, daß die Verwendung eines solchen Titels nicht auf offenem Markt erörtert werden darf und kann, aber der Mißbrauch zu innenpolitischen Zwecken muß ausgeschlossen werden.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Wehner: Etwas Fett ablassen!)

Außerdem beantragen wir, den Tit. 314, dessen famose Verwendung ich Ihnen ja eben geschildert habe und der da heißt „Aufklärung und Unterrichtung der Bevölkerung auf den Gebieten der Sozialinvestitionen", der mit 21/2 Millionen DM dotiert werden soll, ersatzlos zu streichen. Ich hoffe, daß der Sparwille der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP uns bei diesem Vorhaben unterstützt und wir Zustimmung zu diesen Anträgen finden.
Meine Damen und Herren, bei der Erörterung des Kanzlerhaushalts können wir natürlich nicht an den äußeren Problemen vorbeigehen, denen sich die Bundesrepublik Deutschland heute gegenübergestellt sieht. Die NATO, das westliche Bündnis überhaupt ist in einer ernste Krise geraten. Schönfärberei hilft darüber nicht hinweg. Einer der Partner will die Organisation verlassen, aber er will im Bündnis bleiben. Er will gewissermaßen den Schutz des Bündnisses genießen, ohne zu den Leistungen des Bündnisses in Friedenszeiten beizutragen. Um hier ein Auseinanderbrechen zu vermeiden, um auch diesen Partner so in der Gemeinschaft zu halten, daß dennoch ein gewisses Maß an gemeinsamen Anstrengungen für die Verteidigung gesichert werden kann, ist eine geschlossene Haltung der anderen 14 Partner unbedingt erforderlich. Ähnlich hat ja die geschlossene Haltung der fünf Partner in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft dazu beigetragen, den sechsten Partner dazu zu veranlassen, den von ihm längere Zeit leer gelassenen Stuhl am Tisch der Gemeinschaften wiedereinzunehmen. Ich gestehe allerdings offen zu: Das wird diesmal viel schwieriger. Es stehen erheblich andere Grundsätze der sehr hochgehaltenen Souveränität unseres französischen Nachbarn auf dem Spiele. Außerdem ging es innerhalb der europäischen Gemeinschaften um sehr handfeste materielle Interessen, die ohne Wiedereinnahme des Stuhles nicht durchsetzbar gewesen wären, während es bei der NATO sogar darum geht, sich unter Umständen in Friedenszeiten an Kosten der Infrastruktur und anderen Maßnahmen finanziell zu beteiligen. Das finanzielle Interesse liegt also genau andersherum. Das macht die Sache noch schwieriger.
Wir sollten uns darum bemühen, für unseren französischen Nachbarn immer den Platz im Bündnis und in der gemeinsamen Verteidigung offenzuhalten. Wenn leider zusätzliche Entfremdung eintreten sollte, muß klar sein, daß sie nicht auf die deutsche Politik, nicht auf die Politik irgendeines



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der 14 zurückzuführen ist, sondern allein von demjenigen zu verantworten ist, der leider von sich aus angefangen hat, den Weg aus der Gemeinschaft hinaus zu beschreiten.

(Beifall bei der SPD.)

In diesem Zusammenhang stellt sich für uns das Problem der Anwesenheit französischer Truppen auf deutschem Boden. Ihre weitere Anwesenheit — das ist, glaube ich, unsere übereinstimmende Meinung — ist erwünscht, erwünscht für unsere Sicherheit, erwünscht für das allgemeine politische Klima, erwünscht nicht nur für die deutsche Sicherheit, sondern für die europäische Sicherheit schlechthin. Aber wenn das so ist, muß es eine klare Festlegung der Mission geben, welche die französischen Truppen auf deutschem Boden genauso wie die Truppen anderer Länder auf deutschem Boden erfüllen. Es ist seltsam, daß diese an die französische Regierung gerichtete Aufforderung, mitzuwirken an einer klaren Umschreibung des Auftrages der französischen Truppen auf deutschem Boden, im Regierungslager bei manchem bereits als zu hart empfunden worden ist. Will man dann diese Truppen um jeden Preis haben? Das heißt doch, auch unter Freunden, geradezu den Preis für die Anwesenheit in unerträglicher Weise hochtreiben.

(Beifall bei der SPD.)

Das heißt doch, daß gerade diejenigen, die früher sehr laut gesagt haben, es dürfe keine Rückkehr zu Besatzungsvorstellungen geben, durch eine Politik des Behaltens um jeden Preis statt auf einer vernünftigen Grundlage die Gefahr der Rückkehr zu Besatzungsvorstellungen geradezu heraufbeschwören.

(Beifall bei der SPD.)

Die Truppen unserer Freunde, einschließlich unserer französischen Freunde, stehen auf deutschem Boden zu Zwecken der gemeinsamen Verteidigung, unserer und der anderen, und sind hier nicht Instrument einer, rein nationalen Politik des Entsendestaates.

(Beifall bei der SPD.)

Anders geht es nicht. In Deutschland wird auch Frankreich verteidigt, die Sicherheit Europas ist auch die französische Sicherheit, und das deutschfranzösische Verhältnis, die Aussöhnung der beiden Völker dient beiden Völkern, nicht nur dem einen Volk.
In diesem Sinne möchte ich auch eine Anmerkung zu der bevorstehenden Reise des französischen Staatspräsidenten nach Moskau machen. Ich glaube, wir begrüßen jeden Versuch, die weltpolitischen Verhältnisse zu entkrampfen, zu einer Entspannung auch im West-Ost-Verhältnis beizutragen, weil es ohne eine solche Entspannung keine Lösung unserer nationalen Hauptfrage, nämlich der Wiedervereinigung der Deutschen, geben kann. Das wissen wir ganz genau, und ich freue mich darüber, daß die französische Politik, die früheren Entspannungsbemühungen anderer außerordentlich feindselig gegenüberstand, sich jetzt auch zu dieser Politik der Entspannung bekannt hat. Es kann infolgedessen nicht Aufgabe der deutschen Politik sein, dabei hinderlich im Wege zu stehen. Wohl aber sollten wir mit allen unseren Freunden, auch den französischen, freimütig und offen darüber sprechen, daß eine solche Politik nur dann aussichtsreich ist, wenn die westlichen Bemühungen in dieser Richtung aufeinander abgestimmt werden, wenn wir der Sowjetunion keine Chance einräumen, die Partner der Allianz, die sich anläßlich eigenwilliger Sondergänge in Moskau einfinden, gegeneinander auszuspielen. Koordinierung ist also das Gebot der Stunde, mit allem, auch mit der französischen Ostpolitik.

(Beifall bei der SPD.)

Ich vertraue darauf, daß der französische Staatspräsident bei diesem Unternehmen die Sache des Selbstbestimmungsrechtes des deutschen Volkes vertreten wird. Er weiß, was eine Nation ist, und weiß infolgedessen, wie sehr die Deutschen von ihrem Problem der nationalen Zusammengehörigkeit beseelt sind. Außerdem schätzt er, glaube ich, die französischen Interessen sehr richtig ein. Er weiß, die Realität der Nation ist so beschaffen, daß es auf jeden Fall e i n Deutschland geben wird; und wenn es kein freies Deutschland geben wird, dann besteht die Gefahr, daß es ein kommunistisches Deutschland wird, und daran hat auch die französische Politik kein Interesse.
Deshalb führt auch nüchterne Einschätzung der eigenen französischen Interessen dazu, daß wir, glaube ich, zuversichtlich davon überzeugt sein können, daß unser französischer Freund in dieser Sache auch das deutsche Hauptinteresse nachdrücklich wahren wird.
Allerdings, angesichts gewisser sehr eigenwilliger Züge der Politik des derzeitigen französischen Präsidenten besteht die Gefahr, daß bei einem solchen Besuch oder auch aus anderem Anlaß eine Reihe von Fragen zu Lasten der Bundesrepublik erörtert und verbal zu ihnen in einem Sinne Stellung genommen wird, die eigentlich zur Friedensregelung für ganz Deutschland gehören und nicht der Bundesrepublik im Zustande der Spaltung angelastet werden dürften. Unter diesen Umständen wäre eine gründlichere Vorbereitung unserer Freunde auf das zu erwartende Gespräch besser als lediglich ein Brief gewesen, Herr Bundeskanzler.
Dabei ist übrigens auch klar, daß unsere französischen Freunde in einer Reihe von Fragen für uns kein Ersatz für den amerikanischen Partner sein können. So dürfen wir das Problem gar nicht erst stellen lassen. Weder bei der Sicherheit noch als Gewicht am Verhandlungstisch beim Aushandeln der deutschen Frage können wir auf die solidarische Unterstützung der einzigen mit der Sowjetunion vergleichbaren Weltmacht, der Vereinigten Staaten von Amerika, verzichten. Deshalb bedaure ich, daß neue Erklärungen des früheren Regierungschefs das deutsch-amerikanische Verhältnis erneut belastet haben. Natürlich muß die deutsche Politik auch auf Freunde einwirken, auf unsere amerikanischen wie auf unsere französischen Freunde, aber auf der Basis des Vertrauens. Globalbeschuldigungen dienen einem solchen Vertrauen nicht. Deshalb wäre ein klärendes Wort des Kanzlers auch zu den kürzlichen



Erler
Meinungsäußerungen seines Vorgängers hier und
heute für die deutsche Politik eine nützliche Sache.

(Beifall bei der SPD.)

Hinzufügen möchte ich, daß die Bundesregierung zusammen mit dem ganzen Bundestag — anläßlich von Haushaltsberatungen soll man das offen aussprechen — immer Verständnis gehabt hat für die Zahlungsbilanzschwierigkeiten derjenigen unserer Freunde, deren Zahlungsbilanz durch die Stationierung ihrer eigenen Truppen auf deutschem Boden zusätzlichen Belastungen unterworfen ist. Aber wir, die wir das in der Vergangenheit bis zur Stunde immer bewiesen haben, müssen auch Verständnis von unseren Freunden für die Probleme der eigenen Zahlungsbilanz und des eigenen Haushalts erwarten. Dennoch sollte man nicht leichtfertig mit dem Gedanken des Truppenabzugs spielen, schon gar nicht im Zusammenhang mit lediglich finanziellen Erwägungen. Ich erinnere an geradezu hektische Reaktionen in unserem Lande bei Umgruppierungen recht bescheidener Art oder erst recht, als einmal das Thema erörtert wurde, ob man auf Gegenseitigkeit die Truppenpräsenz auf deutschem Boden etwas verringern könnte, so daß also auch die sowjetische Macht auf deutschem Boden reduziert würde. Damals gab es einen entrüsteten Aufschrei. Jetzt besteht die Gefahr der Verringerung westlicher Präsenz bei voller Beibehaltung der gesamten sowjetischen Macht. Ich erwähne das nur, um zu zeigen, wie behutsam wir mit diesem Thema umgehen sollten.
Herr Bundeskanzler, in diesen wie in den von mir
B) genannten Bereichen müssen Sie Ihre Richtlinienkompetenz ausüben. Sie dürfen dabei keine 'Scheu haben. Offenbar gibt es aber eine gewisse Scheu, sonst wären die Pläne für die Umgestaltung des Ministeriums Krone — um das Stichwort einmal zu nennen — nahezu unverständlich. Natürlich ist eine Koordinierung der Landesverteidigung nötig, natürlich brauchen wir den Bundesverteidigungsrat, natürlich brauchen wir auch ein Instrument, das personell und materiell so ausgestaltet ist, daß demjenigen, der an der Spitze steht, die sehr schwierige Arbeit auf diesem Gebiet erleichtert wird. Der Bundesverteidigungsrat ist die wichtigste Schaltstelle für die großen, miteinander zusammenhängenden Fragen der Außenpolitik, der Verteidigung, der Sicherheit schlechthin. Deshalb gehört diese Schaltstelle in die Hand des Kanzlers. Sie einem anderen Minister in die Hand zu geben, ist teilweise Abdankung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD.)

Ich frage mich: Hat der Herr Bundeskanzler keine Neigung für diesen besonderen Aspekt seiner Führungsaufgaben, oder fühlt er sich für dieses schwierige Gebiet nicht geeignet? Ich weiß es nicht. Jedenfalls zeugt der beabsichtigte Ausbau des Krone-Ministeriums von der Flucht des Kanzlers vor seiner ureigensten Verantwortung auf einem lebenswichtigen Gebiet deutscher Politik.

(Beifall bei der SPD.)

Dabei geht es doch auch um ein Stück Deutschlandpolitik. Sie spiegelt sich auch wider in den großen
Fragen der Verteidigungspolitik, in den großen Fragen, wie wir uns den Abrüstungsbemühungen gegenüber verhalten. Hier sind immer zwei Seiten der Medaille zu bedenken, nicht nur die militärische, sondern auch die politische.
Aber gerade in der Deutschlandpolitik haben wir im Regierungslager ein heilloses Durcheinander zu verzeichnen. Ich will hier nicht ohne Not eigene Gedankenarbeit vortragen. Ich mache es mir etwas einfach und trage Ihnen — mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten — an Stelle vieler Zitate nur ein einziges vor, ein Zitat aus der „Süddeutschen Zeitung" vom 1. Mai. Dort hieß es wörtlich:
Was aber machen wir aus unserem Alleinvertretungsanspruch? Wie steht es mit der „Einmütigkeit", die das Ergebnis der Bestandsaufnahme beim Bundeskanzler Erhard gewesen sein soll? Wenn man sich die Bekundungen zur Deutschlandpolitik allein aus den Reihen der Regierungsparteien in diesen Tagen vor Augen führt, könnte einem Angst werden. Der eine schreibt die staatliche Vereinigung ab, der andere hält Auftragsverhandlungen im Namen der vier Mächte für aktuell. Der eine empfiehlt Redneraustausch, der andere schießt quer. Die FDP will den Verfolgungszwang für politische Delikte lockern, Gerstenmaier möchte Ulbricht auf bundesrepublikanischem Boden verhaften lassen (obwohl die Staatsanwaltschaft in den letzten 20 Jahren noch nicht einmal eine Voruntersuchung eingeleitet hat). Zugleich stellt die Unions-Fraktion fest: „Die Verantwortung für den Schießbefehl trägt die Sowjetunion." Doch Adenauer glaubt, ausgerechnet zum jetzigen Zeitpunkt eine „Sinnesänderung" der Moskauer Politik erkennen zu können — während Strauß feststellt, Moskau wäre zur Zeit nicht einmal von einem kommunistisch regierten Gesamtdeutschland begeistert.
Eine schöne Bestandsaufnahme! Das ist keine gerade Linie, sondern wildes, von Emotionen bestimmtes Zickzack.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

— Diesen Beifall habe ich gar nicht verdient; ich werde ihn an die Redaktion der „Süddeutschen Zeitung" weiterleiten.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.) Damit ist das Zitat beendet.

Meine Damen und Herren! In der Präambel des Grundgesetzes heißt es ganz schlicht, daß wir uns einiges vorgenommen haben — ich zitiere — „von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit" — die des deutschen Volkes — „zu wahren". Dieser Wille ist unentbehrlich. Er muß drängen, pulsieren, sich zeigen. Wenn dieser Wille nicht sichtbar ist oder gar überhaupt erlahmt, dann ist überhaupt keine Deutschlandpolitik mehr möglich. Das ist das Gefährliche an Kaminträumereien, die sich für realistisch halten, aber in der Umwelt den Eindruck erwecken, die Deutschen hätten den Willen zur Einheit aufgegeben.

(Beifall bei der SPD.)




Erler
Die Regierungserklärung sagt dazu klar und deutlich:
Die Wiedervereinigung Deutschlands wird nicht zuletzt von unserer Fähigkeit abhängen, die uns freundschaftlich verbundenen und die uns vorerst indifferent begegnenden, ja gegnerischen Mächte an dieser Wiedervereinigung politisch und wirtschaftlich zu interessieren.
Ein guter Satz. Daraus muß man Konzequenzen ziehen. Die Behauptung und Wiederholung von sachlich richtigen Rechtsstandpunkten allein ist doch noch kein Ersatz für Politik. Man muß nicht nur recht haben, man muß auch recht bekommen. Und in der Politik gibt es kein Gericht, das uns zur Durchsetzung unserer Rechtsansprüche verhülfe. Das kann nur die Aufgabe unserer Politik sein.
Was ist aus den Deutschland-Initiativen der Bundesregierung geworden? Die Regierung wurde von den Ereignissen überrollt. Sie drängt und formt nicht, sie wird gestoßen. Die Friedensnote war ein anerkennenswerter Schritt in der notwendigen Richtung. Aber selbst sie war ja mehr durch erwartete Aktionen anderer ausgelöst. Seit 1960 haben wir Sozialdemokraten das gefordert, was unter dem Stichwort „Bestandsaufnahme" geht. Andere haben andere Namen dafür; darauf kommt es gar nicht an. Es kommt auf eine Analyse der Tatsachen und der Probleme an, damit die deutsche Politik agieren und nicht nur reagieren kann. Wir haben diesen unseren Wunsch unentwegt wiederholt, und wir sind sehr froh, daß endlich das Deutschlandgespräch eingeleitet worden ist. Allerdings sei mit Freimut gesagt,
daß wir uns gefreut hätten, wenn die Regierung zu diesem Gespräch Vorarbeiten auf den Tisch gelegt hätte, denn sie hat sich ja mit der Einberufung zur ersten Zusammenkunft wahrhaftig monatelang Zeit gelassen. Das war leider nicht der Fall; es gab keine Vorarbeiten, keine Texte. Wir hoffen, daß das Gespräch bald fortgesetzt wird, und zwar auf der Grundlage jenes Fragenkatalogs, über den im wesentlichen unter den Teilnehmern Einigkeit bestand. Es kommt darauf an, erst die Tatsachen festzustellen, damit sie außer Streit sind, um dann auf Grund der Tatsachen zu versuchen, zu gemeinsamen Schlußfolgerungen zu kommen. Zuviel Zeit ist dabei draufgegangen für aktuelle Tagesfragen. Das war bedingt durch die schwankende Haltung der Regierung und der Regierungsparteien zum offenen und öffentlichen Austausch von Argumenten in beiden Teilen Deutschlands.
In München hat der Kanzler jede Vorstellung hart abgelehnt — ich zitiere ihn wörtlich —, „als ob es Brücken gäbe von hüben nach drüben". Herr Bundeskanzler, diese Brücken gibt es millionenfach zwischen den Deutschen, nicht zum kommunistischen Regime und nicht wegen des kommunistischen Regimes, sondern trotz dieses Regimes. Aber diese Brücken müssen wir erhalten und bewahren und festigen,

(lebhafter Beifall bei der SPD — Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Nun kommt das politische Problem. Das Lesen, Sehen und Hören der Wahrheit und der Stimme der Freiheit drüben an Ort und Stelle, das ist doch Stärkung und Hilfe für unsere mitteldeutschen Landsleute. Dies allein ist schon ein Stück Änderung ihrer Lage, wenn auch ein bescheidenes, sehr bescheidenes; aber es lohnt sich. Wie es sich lohnt, das haben wir an dem Druck gesehen, unter den das kommunistische Regime drüben von seiner eigenen Bevölkerung her geraten ist. Es ist eine große Debatte entbrannt. Natürlich wissen wir, daß die deutsche Einheit auf diese Weise nicht zustande gebracht wird. Sie bleibt ein weltpolitisches Problem. Aber für die unter der Teilung leidenden Menschen gibt schon ein Stück freier Argumentation, das sie hören und in geeigneter Weise verwenden können, ein Stückchen mehr Atemluft.
Das Echo des Vorhabens in beiden Teilen Deutschlands und in der Welt ist doch geradezu unbezahlbar. Es hat gezeigt, daß die deutsche Frage nicht gelöst ist, daß die Deutschen unter der Teilung leiden, daß uns die Teilung brennt, daß das Volk unter ihr leidet. Dies ist der Widerlegung aller Legenden, die Deutschen hätten sich mit der Teilung und gar die Mitteldeutschen mit ihrem Regime abgefunden.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP.)

Deshalb darf diese Offensive nicht steckenbleiben; deshalb muß sie fortgesetzt werden.
Wir gehen zur Stunde davon aus, daß Sie, meine Damen und Herren, diesen freien Austausch wollen, auch davon, Herr Bundeskanzler, daß Sie ihn wollen. Es wäre nach dem mißverständlichen Hin und Her der letzten Wochen gut, dies hier dem Hohen Hause klar und ohne Wenn und Aber zu sagen.

(Beifall bei der SPD.)

Natürlich geht es uns Sozialdemokraten dabei nicht um eine kommunistische „Einbahnstraße". Wir wehren uns gegen jeden Versuch der Kommunisten, mit Hilfe von gestellten Kulissen und gestellten Teilnehmern ihre Argumente in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten und hier hineinzuwirken, aber gleichzeitig idie Bevölkerung der Zone sorgsam von jedem freien Wort abzuschirmen. Darauf lassen wir uns nicht ein. Wir haben uns sehr klar gegen die uns bekannte Methode der Subversion zur Wehr gesetzt und halten diesen Kurs. Wenn es also keine kommunistische „Einbahnstraße" geben kann, dann muß uns doch aber auch klar sein, daß wir keine West-Ost-„Einbahnstraße" durchsetzen können. Wenn wir freier Männer Rede drüben jedermann sickt- und hörbar machen wollen, dann müssen jene anderen unter gleichen Bedingungen auch hier aus solchem Anlaß — und nur aus diesem — ungehindert auftreten können. Das ist doch keine Vorleistung; denn zunächst würde ja die erste Veranstaltung, wenn sie zustande käme, drüben in Chemnitz stattfinden, Das ist erst einmal die Leistung, die es zu erreichen gilt.

(Beifall bei der SPD.)

Ich halte auch jenen Vergleich für unsinnig, der da sagt, die Moskaureise sei wichtiger als dies. Man



Erler
kann doch nicht sagen, Essen sei nötiger als Trinken. Beides ist unentbehrlich und dient gleichen Zwecken. Und schlafen muß man .gelegentlich auch; man sollte nur nicht immer schlafen, Herr Bundeskanzler.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

Wer die Konsequenz dieser offensiven Konfrontation nicht wünscht und nicht will, der soll das sagen. Alber dann gibt es auch keine Chance für das originale freie Wort drüben. Wer dieses freie Wort hingegen nach wie vor ermöglichen will, der muß auch die Konsequenzen zu ziehen bereit sein.
Noch hoffe ich, daß es gelingt, dies auch rechtlich so einwandfrei zu tun, daß niemand an dem Willen zu einer ungehinderten Konfrontation zweifeln kann. Wir ,brauchen doch diese Konfrontation nicht zu fürchten. Die Freiheit hat die besseren Argumente. Es geht weder um eine Sonderregelung noch gar um Straffreiheit, sondern darum, den Kommunisten heute und künftig die Konfrontation mit der Freiheit nicht zu ersparen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP.)

Nun, Herr Bundeskanzler, zum Schluß noch eine Bitte. Wieder stehen in einem großen Lande Wahlen vor der Tür. Es ist angekündigt worden, daß Sie in diesen Wahlkampf sehr nachdrücklich eingreifen würden. Das ist Ihr gutes Recht. Ich erinnere an die Regierungserklärung vom Oktober 1963. Damals haben Sie davon gesprochen, es werde
zu einem besseren Verhältnis zwischen den staatstragenden Kräften-kommen und die böse Verketzerung der Andersdenkenden werde der Vergangenheit angehören. Draußen im Lande reden Sie leider anders. Da meinten Sie — so erst kürzlich in Hamburg —, die SPD halbe nie einen einzigen Gedanken zum Wiederaufbau Deutschlands vorgetragen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Da wird ein kräftiges Schimpfwörterbuch benutzt zur Abqualifizierung aller Andersdenkenden. Ich will das hier nicht wiederholen, weil es nicht meine Aufgabe ist, mich auch noch zum Geräuschverstärker für derartige Dinge, die man eigentlich als besonnener Mensch nicht aussprechen sollte, in diesem Hause zu machen.

(Beifall bei der SPD.)

Dabei haben wir doch wohl alle — auch Sie, unbestritten — einen großen Beitrag zum Wiederaufbau unseres Landes geleistet. Ich will von den Sozialdemokraten hier nur ein paar kleine Punkte in ,die Erinnerung rufen. Heute wird von der Regierung der Bildungspolitik ein hoher Rang eingeräumt. Waren es nicht die Sozialdemokraten, die nach 1945 landauf landab von der Lehr- und Lernmittelfreiheit über das 9. Schuljahr bis zur ländlichen Mittelpunktschule hin jeden Fortschritt mühsam haben erkämpfen müssen, bis Sie sich dazu entschlossen haben?

(Beifall bei der SPD.)

Heute wird allgemein von den Gemeinschaftsaufgaben gesprochen. Wurden wir nicht verhöhnt, als
wir diesen Begriff benutzten, um darauf hinzuweisen, daß es außer dem individuellen Wohlstand auch die dem einzelnen und der Sicherung seiner und seiner Kinder Zukunft dienenden Aufgaben der Gemeinschaft geben _müsse?! Wurde das nicht jahrelang als Kollektivismus geradezu gebrandmarkt?!
Ich freue mich, in wie vielen Punkten man auf beiden Seiten zugelernt hat. Sie haben in diesen Fragen zugelernt, wir auf anderen Gebieten. Das bestreite ich gar nicht. Aber Geschichtsklitterung sollte keine Waffe im Parteienkampf sein und erst recht nicht eine Waffe der verantwortlichsten politischen Figur im deutschen Land.
Vor allen Dingen sollte man nicht dem politisch Andersdenkenden die Gesinnung absprechen. Hier muß ich an das böse Wort des Bundeskanzlers erinnern, die SPD sei eine Partei ohne Gesinnung. Dies wird einer Partei gesagt, die seit hundert Jahren für Freiheit und Recht, für Menschenwürde und Frieden wirkt, einer Partei, der trotz jahrzehntelanger Unterdrückung noch unzählige Menschen in Mitteldeutschland die Treue halten, auch wenn sie sich nicht offen zu ihr bekennen können.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.) Ich sage das vorbeugend.


(Abg. Jahn [Marburg]: Er hört ja nicht zu! — Weitere Zurufe von der SPD. — Gegenruf des Abg. Rasner: Sie haben doch keine Zensuren zu erteilen! — Abg. Wehner: Er kann doch nichts dafür, wenn der Präsident des Hauses sich so benimmt! — Präsident Erlauben Sie mir ein Wort! — Anhaltende Zurufe von der SPD.)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504119700

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504119800
Darf ich einen Augenblick um Gehör für den Herrn Präsidenten bitten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0504119900
Herr Kollege Erler! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Nachsicht, aber ich stehe unter folgendem Zwang. Ich habe eben mit dem Herrn Bundeskanzler etwas vereinbart. — Sie sind gleich fertig, Herr Kollege Erler? — Der Herr Bundeskanzler wollte jetzt eine halbe Stunde sprechen. Das Haus ist aber eingeladen, um 1 Uhr an der Übernahme des Bildes von Professor Kokoschka teilzunehmen. Das ist das Problem: der Zeitdruck, in dem ich mich befinde.

(Zurufe von der SPD: Das ist aber wichtig!! — Unerhört! — Unglaublich! — Große Unruhe bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504120000
Bitte, Herr Abgeordneter Erler, fahren Sie fort!

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0504120100
Meine Damen und Herren, ich bin ohnehin beim letzten Satz.
Ich habe diese Bemerkungen vorbeugend für den Stil künftiger Auseinandersetzungen gemacht. Wir wissen, daß politische Gegensätze klar und mitunter



Erler
auch hart ausgefochten werden müssen. Aber, Herr Bundeskanzler, je höher die Verantwortung des Handelnden ist, desto mehr sollte er sich in der Wortwahl und dem Stil der Auseinandersetzung so bemühen, daß man die Zugehörigkeit zum gleichen Volk auch noch erkennen kann.

(Lang anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504120200
Ich halte es für zweckmäßig, jetzt in die Mittagspause einzutreten. Ich unterbreche die Sitzung bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung von 12.38 Uhr bis 14.33 Uhr.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0504120300
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Zunächst eine Mitteilung. Der Herr Bundestagspräsident ist im Augenblick verhindert, hier anwesend zu sein. Da ihm daran liegt, sich vor dem Hause so bald wir möglich zu erklären, hat er mich gebeten, für ihn folgende Mitteilung zu verlesen:
Der Bundestagspräsident bedauert lebhaft, daß kurz vor der Mittagspause bei seiner Bemühung, den Ablauf der Diskussion zu klären, der Eindruck entstand, daß er die Rede des Abgeordneten Erler stören wolle. Der Bundestagspräsident hatte keine andere Absicht, als eine zwingende dienstliche Verpflichtung in Übereinstimmung mit dem Ablauf der Bundestagssitzung zu bringen. Seine kurze Erklärung vor dem Hause hatte lediglich den Sinn, das dem Hause zu erklären und dafür um Verständnis zu bitten. Er hat sich beim Fraktionsvorsitzenden der SPD alsbald persönlich für die eingetretene Unterbrechung entschuldigt.
Wir fahren nunmehr in der Haushaltsberatung fort. Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504120400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Erler hat heute zu Beginn seiner Rede aufgezeigt, daß zwischen meiner Regierungserklärung und dem, was geworden ist, was unsere heutige Wirklichkeit ausmacht, eine erhebliche Differenz klafft. Zuerst einmal darf ich darauf hinweisen, daß diese Regierung in den siebeneinhalb Monaten, seit sie in der Verantwortung steht, eine ganze Reihe von wertvollen durchaus konstruktiven und positiven Maßnahmen beschlossen und durchgeführt hat.

(Hört! Hört! bei der SPD.) Wir haben das Haushaltssicherungsgesetz,


(Lachen bei der SPD.)

das sicher nicht die Perfektion ist, aber doch zur Deckung und zur Abgleichung unseres Haushaltes hinreichte, hier verabschiedet. Wir haben weiter alles getan, um den Haushalt 1966 auszugleichen. Es war keine leichte Aufgabe, angesichts der wachsenden Anforderungen und der überstiegenen Vorstellungen zu diesem Ausgleich zu gelangen. Es ist der Zusammenarbeit mit dem Hohen Hause zu verdanken, daß der Haushalt 1966 so verabschiedet werden konnte, daß die höheren Einnahmen nicht für höhere Ausgaben verwendet wurden, sondern zum Verzicht auf Beanspruchung des Kapitalmarktes führten. Die Bundesregierung hat erklärt, daß sie im Jahre 1966 den deutschen Kapitalmarkt nicht mehr in Anspruch nehmen wird. Ich würde wünschen, daß auch von anderer Seite eine gleich strikte Erklärung abgegeben werden würde.
Wir haben .in dieser Zeit zugleich auch in der langfristigen Finanzplanung die Vorarbeiten geleistet, um noch Mitte dieses Jahres für die nächsten drei Jahre — 1967, 1968 und 1969 — eine Vorschau geben zu können, wie in diesen Haushaltsjahren die Anforderungen mit den Deckungsmöglichkeiten zum Ausgleich gebracht werden können. Das allein stellte schon in den Besprechungen und Überlegungen keine leichte Arbeit dar.
Wir haben, wie Sie wissen, die Verhandlungen in Brüssel mit gutem Erfolg fortgeführt. Kurz und gut, diese Regierung hat sich nichts vorzuwerfen, keine Schuld und keine Versäumnisse, wenn sie sich auch keinen Heiligenschein aufsetzen möchte; ganz bestimmt nicht.

(Beifall in der Mitte.)

Ich habe Ihrer Rede sehr sorgfältig zugehört, und ich habe mich dabei gefragt: Wo liegen darin eigentlich die Ansätze für eine konstruktive Politik, was war an dem, was Sie hier beanstandet haben, als konstruktive Kritik zu werten?

(Beifall in der Mitte.)

Sie sagten: Die Preise steigen weiter. Ja, zu unser aller Mißvergnügen.

(Zuruf von der SPD: Wer regiert denn? — Lachen bei der SPD.)

In diesem Zusammenhang ist noch einmal das Gutachten des Sachverständigenrates zur Sprache gebracht worden. Meine Damen und Herren, ich behaupte nicht, daß irgendeine Gruppe unseres Volkes, irgendeine Schicht allein etwa an den Preissteigerungen oder — jetzt möchte ich es anders ausdrücken — an der fortdauernden Überforderung unserer Volkswirtschaft schuldig wäre. Wenn ich jetzt einige Beispiele anführe, dann nur deshalb, weil ich dabei fest erfaßbare statistische Größen verwenden kann. Das Bruttoeinkommen an Lohn und Gehalt je Erwerbstätigen ist im Jahre 1965 gegenüber dem Vorjahr um 9 % gestiegen — bei einer Steigerung des Bruttosozialprodukts um 3,8 % pro Erwerbstätigen. Für dieses Jahr 1966 läßt sich schon eine Voraussage in der Größenordnung wagen, derzufolge die Einkommen um 7,5% steigen werden, das Bruttosozialprodukt pro Erwerbstätigen aber nur um 3,5 %. Ich nehme dabei selbstverständlich an, daß auch alle Freiberuflichen an dem allgemeinen Fortschritt, an dem Wohlstand in gleichem Maße teilnehmen wollen. Ich unterstelle dieses Streben auch unserer Industrie, den Gewerbetreibenden, obwohl die Statistik, die Sie ja auch kennen, deutlich eine sinkende Tendenz der Gewinne ausweist. Was ist also mit einer solchen Aussage gemeint?



Bundeskanzler Dr. Erhard
Aber ich werde den Dingen noch näher kommen. Sie beanstanden auf der einen Seite, daß die Subventionen im Bundeshaushalt immer noch einen breiten Raum einnehmen. Ich glaube, für die Jahre 1967, 1968 und 1969 wird unser aller Disziplin dazu gehören, um von den Subventionen allmählich, aber sicher wegzukommen. Aber wenn Sie die Mieten beanstanden, wenn Sie als Beispiel die Bahn- und Posttarife anführen, so sind das doch alles mehr oder minder Subventionen oder einseitige Opfer irgendeines Berufs- bzw. Gewerbezweiges.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sollen wir also mit dieser Methode fortfahren, daß wir seit 10 oder 12 Jahren die Postgebühren bzw. die Bahntarife nicht erhöht haben, sollen wir noch immer weiter die Zwangswirtschaft im Wohnraum beibehalten? Ich glaube, die Politik der Bundesregierung verdient eher positiv als negativ beurteilt zu werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Daß dabei vorübergehend auch einmal von dem einzelnen Staatsbürger gewisse Belastungen hinzunehmen sind, soll gewiß nicht geleugnet sein. Ich habe aber noch niemals gehört, daß man es in jener Zeit, in der die Einkommen von Jahr zu Jahr um 8 bis 10 °/o gestiegen sind, als unbillig empfunden hat, daß Bahn- und Posttarife, Mieten und anderes auf gleicher Höhe geblieben sind. So geht es eben nicht! Wir wissen ganz genau, daß z. B. die Entgelte für die Dienstleistungen steigen. Das wissen Sie auch, und das ist im Grunde auch gar nicht beanstandet worden. Aber ich glaube, man muß der veränderten
Struktur unserer Wirtschaft und vor allen Dingen auch den neuen gesellschaftspolitischen Vorstellungen und Entwicklungen Rechnung tragen.
Ganz am Rande möchte ich sagen, daß es überhaupt schwer ist, in einer Indexziffer die tatsächliche Entwicklung aufzuzeigen. Denn abgesehen davon, daß sich der sogenannte Brotkorb von Jahr zu Jahr verändert, kann eine Indexrechnung niemals die sehr wesentlichen qualitativen Verschiebungen einfangen. Gerade das aber scheint mir in der Entwicklung der letzten 15 Jahre doch immerhin beachtlich zu sein.
Ich finde es auch völlig abwegig, wenn Sie meine immer wiederkehrende Mahnung, wir sollten mehr arbeiten, mit dem Hinweis auf die Kohlesituation abtun oder gar damit, daß Sie die Kinderarbeit des vergangenen Jahrhunderts zitieren.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das geht doch völlig am Thema und an der Problematik vorbei.

(Zuruf rechts: Mottenkiste!)

Die Wahrheit lautet dahin, daß wir in Deutschland neben den Gastarbeitern noch 750 000 Arbeitskräfte benötigen, d. h. so viele Arbeitsplätze nicht besetzen können. Sie können ja nicht leugnen: Wenn wir unsere Arbeitszeit verlängerten — ich gebe Ihnen gerne zu, daß dafür eine globale Aussage so wenig möglich ist wie etwa über das Einkommen des einzelnen —, d. h. wenn wir zwei Stunden mehr arbeiteten, wo immer es möglich ist, wo Nachfrage be-
steht —, dann würde das doch, daran ist kein Zweifel möglich, eine Steigerung des Sozialprodukts zur Folge haben. Damit würde dann auf dem Markt ein besserer Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage herbeizuführen sein. Zudem würde zugleich eine Kostensenkung pro Produkt Platz greifen, und unsere Wettbewerbsfähigkeit würde gestärkt werden. Ich kann keinen Grund einsehen, warum man diesen Gedanken glaubt ablehnen zu müssen. Im übrigen können Sie es ablehnen, solange Sie wollen, ich glaube es einfach nicht, daß solche Ausagen kollektiver Art mit dem natürlichen Empfinden des einzelnen Menschen übereinstimmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf des Abg. Dr. Mommer.)

Sie sagten des weiteren — ich habe es auch in anderem Zusammenhang, aber jedenfalls aus Stimmen aus Ihrem Lager gelesen —, daß wir eben so viel einführen müßten, um preisdrückend zu wirken. Dieser Meinung bin auch ich, aber wir sollten auch die Grenzen erkennen. Denn auf die Dauer sind unsere Gold- und Devisenreserven nicht dazu da, das mangelnde Güterangebot aus eigener Erzeugung vom Ausland zu beziehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das Vergnügen wäre schnell zu Ende. Denn der Katzenjammer wird nicht erst eintreten, wenn unsere Gold- und Devisenreserven dahingeschwunden sind, sondern schon sehr viel früher, wenn sich der Trend abzeichnet. Dieser Trend kann einfach nicht übersehen werden. Allein von 1964 auf 1965 sind die Überschüsse unserer Handelsbilanz um über 6 Milliarden DM zurückgegangen. Es waren bekanntlich die Handelsbilanzüberschüsse, mit denen wir die Negativposten unserer Zahlungsbilanz ausgeglichen haben. In diesem Jahr mag die Handelsbilanz vielleicht etwas besser aussehen. Die Schätzungen schwanken zwischen zwei und vier Milliarden; exakt ist das am Anfang des Jahres noch nicht bestimmbar. Aber das eine ist jedenfalls sicher: auf der Passivseite werden unter allen Umständen 3 Milliarden DM im Saldo des Tourismus, die wir in das Ausland transferieren, 2 Milliarden DM an Übertragungen von Löhnen der Gastarbeiter in die Heimat und 2 Milliarden DM an Wiedergutmachungsleistungen stehen. Das allein sind drei Posten, die nahezu 8 Milliarden DM ausmachen. Wenn wir nicht in unserer Handelsbilanz kräftig aufholen — sie ist sozusagen das Spiegelbild unserer wirtschaftlichen Kraft, unserer Wettbewerbsfähigkeit und unserer Preiswürdigkeit —, dann weiß ich nicht, wie wir damit fertig werden sollen.
Gestern habe ich mit dem Bundesnotenbankpräsidenten gesprochen. Er sagte: Wir haben in unserer Zahlungsbilanz im ersten Quartal ein Defizit von rund 1 Milliarde DM. Wenn sich also die Entwicklung in diesem Jahr nicht weiter verschlechtert, sondern in etwa so bleibt, wie sie ist, dann wird das Defizit des Jahres immerhin 4 Milliarden DM betragen. Das ist einfach nicht ohne Sorge hinzunehmen. Da kann eine Regierung nicht zuschauen, meiner Ansicht nach auch keine Partei und keine Fraktion. Wir



Bundeskanzler Dr. Erhard
müssen sagen, was recht und billig ist, um unsere gute Ordnung zu bewahren.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Was sind denn die Gründe für die Preissteigerungen? Da wird immer von den öffentlichen Haushalten gesprochen. Von seiten der Opposition ist natürlich immer der Bundeshaushalt der Sündenbock für alles gewesen, was nicht in Ordnung ist, was die Stabilität gefährdet. Ich glaube, daß die Bundesregierung, dieses Hohe Haus und der Haushaltsausschuß in ihren Beratungen gezeigt haben, daß sie willens sind, ihrerseits eine gute Ordnung zu halten, d. h. den Kapitalmarkt zu schonen und die Ansprüche an die 'Volkswirtschaft den realen Möglichkeiten anzupassen. Bei den Ländern ist die Lage gewiß differenziert, vor allem nach ihrer Struktur. Völlig unübersichtlich aber sind die Verhältnisse bei den Gemeinden. In der vergangenen Woche hatte ich ein Gespräch mit den Kapitalmarktstellen, sowohl den Gebern als auch den Nehmern. Da wurden Beispiele in Hülle und Fülle dafür aufgezeigt, daß gerade im Hinblick auf die Kapitalmarktbeanspruchung seitens der Gemeinden allmählich ein völliges Chaos herrscht. Ich weiß genau, wie es um die Gemeinden bestellt ist. Aber man soll dann nicht den Bund anklagen und so tun, als ob allein diese öffentliche Hand die Schuld an der Situation des Kapitalmarktes trage, um alles andere mit christlicher Nächstenliebe zu überdecken. So geht es eben auch nicht.
Ich sagte vorhin: Wir überfordern unsere Volkswirtschaft. In dem Zusammenhalt zwischen Bund, Ländern und Gemeinden müssen wir ehestens zu einer Grundgesetzänderung hinfinden. Ich will damit nicht sagen, daß wir alle Mittel in einen Topf zusammenwerfen sollten; jedenfalls aber müssen wir die Finanzmassen von Bund, Ländern und Gemeinden hinsichtlich ihrer Verwendung und ihres Ansatzes als eine Einheit empfinden. Erst dann kann eine rationelle Finanzpolitik getrieben werden.
Überforderung der Volkswirtschaft! Ich komme noch einmal zu dem Gutachten. Die Lage ist beinahe grotesk. Von der Opposition wird das so dargestellt, als ob vornehmlich ich an den Preissteigerungen schuld wäre. Einerseits wird argumentiert, daß nach den Ansätzen des Sachverständigengutachtens eine Einkommenserhöhung — ich sage jetzt gar nicht: Lohn- und Gehaltserhöhung — von 6 % sozusagen die Gewähr für stabile Preise geboten hätte. Dem steht meine Auffassung gegenüber, daß nur 4 % zu tolerieren seien. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der SPD, die Auffassung vertreten, daß bei einer 6%igen Erhöhung die Preise stabil bleiben, dann können Sie nicht hehaupten, daß 4% die Preissteigerungen bewirkt hätten. Das verstößt gegen den gesunden Menschenverstand.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — BuhRufe von der SPD.)

— Das klingt nicht überzeugend, was Sie da an
Lauten von sich geben, meine Damen und Herren.
Ich darf noch einmal sagen: 4 % Einkommensverbesserung, die ich für angemessen hielt, hätten bei einem Sozialprodukt von 450 Milliarden DM eine
Mehrverfügung der deutschen Volkswirtschaft für alle Zwecke von 18 Milliarden DM erbracht, — so nach Adam Riese! Wenn Sie aber die privaten Einkommen um 6% erhöhen, dann haben Sie die Summe von 18 Milliarden DM bereits überschritten. Es ist einfach nicht überzeugend und auch vor dem deutschen Volke nicht glaubhaft, wenn wir erst dann anfangen, über Gemeinschaftsaufgaben und über soziale Investitionen zu sprechen. Das gehört an den Anfang, d. h. vor die Einkommensverteilung, und ist nicht mehr zu ordnen, wenn die Kassen leer sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, der private Verbrauch in Deutschland — jetzt nicht auf den Kopf der Bevölkerung bezogen, sondern auf alle Bewohner — ist im Jahre 1965 gegenüber dem Vorjahr um 9,8 % gestiegen. Für das Jahr 1966 rechnen wir mit Steigerungssätzen von 71/2 bis 8 %. Meine Damen und Herren, das verträgt unsere Volkswirtschaft nicht. Da gibt es keinen Trick, und da hilft auch keine Demagogie, die diese Sünden ungeschehen machen könnten. Wir wollen der Wahrheit ins Auge sehen; diese Wahrheit aber ist eben nicht zu manipulieren. Ich glaube, daß, wenn wir uns hierin zusammenfinden, wir zu der Grundlage kommen, ein wirklich offenes Gespräch zu führen und dann zusammenzustehen, um die ärgsten Gefahren zu bannen.
Die industrielle Produktion —ich muß hier Zahlen nennen — ist im dritten Quartal 1965 gegenüber dem gleichen Quartal im Vorjahr um 4,7% gestiegen, im vierten Quartal nur mehr um 3,4% und im ersten Quartal 1966 um 2,5 %. Angesichts dieser Sachlage — dazu kann gesagt, kritisiert und genörgelt werden so viel als da will — sind Arbeitszeitverkürzungen einfach nicht zu vertreten...

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Im übrigen besteht hier ein merkwürdiger Widerspruch. Wenn die Zunahme der Haushaltsansätze über die Steigerung des Bruttosozialprodukts hinausgeht, dann ist angeblich der Bund für die Preissteigerung verantwortlich. Wenn der Bund aber nicht alle Anforderungen gerade auf dem Gebiet der Gemeinschaftsaufgaben und der Sozialinvestitionen erfüllt, dann ist er wieder schuldig, weil er versagt hat. Was soll der Bund eigentlich tun? Soll er den Haushalt steigern, um die sozialen Aufgaben zu erfüllen, und sich dann den Vorwurf gefallen lassen, daß er an den Preissteigerungen schuld sei, oder soll er primär für die Stabilität sorgen? Sind wir nicht vielmehr alle verantwortlich dafür, daß wir uns so verhalten — das geht buchstäblich alle an —, um soziale Leistungen und Gemeinschaftsaufgaben erfüllen zu können?

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, Ich sehe drei Möglichkeiten der weiteren Entwicklung. Entweder denken wir darüber nach und vermitteln diese unsere Erkenntnis auch dem deutschen Volk in all seinen Gruppen und in all seinen Einrichtungen. Das Denken und Erkennen ist ja auch in der Demokratie nicht verboten.

(Lachen und Beifall bei der SPD.)




Bundeskanzler Dr. Erhard
Dann können wir dahin kommen, aus Überzeugung, aus Einsicht den rechten Weg gehen. Wenn wir dazu nicht bereit sind und wenn die Entwicklung so weiterschreitet — ich bin nicht Diktator in Deutschland; ich verfüge gar nicht über die Rechte, die dazu notwendig wären, ich kann die Freiheit nicht kraft Richtlinienkompetenz einengen —, dann wird zweifellos auf dem Gebiet des Imports und Exports die Schere noch stärker auseinanderklappen mit allen Konsequenzen für die Handels- und Zahlungsbilanz. Das Vertrauen in den deutschen Kapitalmarkt würde weiter geschwächt werden, auch das Vertrauen in unsere Währung. Eine solche Entwicklung könnte sich gar nicht anders auswirken als auch in einer Verschlechterung der Beschäftigungslage in Deutschland.
Meine Damen und Herren, alle diese Entwicklungen sind so gespenstig, daß ich davon überzeugt bin, kein Parlament würde nicht einzugreifen bereit sein, um einer drohenden Verschlechterung dieser volkswirtschaftlich bedrohlichen Lage entgegenzuwirken. Dann aber kommen wir niemals zu einem Ausgleich, dann überdecken wir nur die Fehler und ihre Wirkungen, aber zu einer inneren Gesundung kommen wir nicht.
Die dritte Lösung theoretischer Art ist jene, daß ein Stück Freiheit nach dem anderen verlorengehen muß um eine künstliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Wir haben erlebt, wohin das führt. Die letzte Station ist die Devisenzwangswirtschaft.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns diese
drei Alternativen — und ich kenne keinen, dem noch eine vierte eingefallen ist — einmal vor Augen halten, dann sollten wir, glaube ich, so gut als möglich nach unserem eigenen Gewissen, nach unserer eigenen Erkenntnis das Rechte tun. Das spricht den Staat nicht frei von der Verantwortung, auch das Seine dazu zu besorgen. Aber der Staat will, wenn er solche Wahrheiten ausspricht, nicht dauernd kritisiert und beschimpft werden; denn wir erfüllen unsere Aufgaben nicht aus willkürlichem Ermessen, sondern aus echter Sorge um die Entwicklung in unserem Volke und in unserem Vaterland.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Mir wird immer vorgehalten, ich plante nicht. Meine Damen und Herren, wenn ich solche Sorgen ausspreche, dann denke ich voraus, und das heißt im besten Sinne planen.

(Lachen bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, wir haben gemeinsam wahrlich viel zu tun. Wir unterhalten uns jetzt sehr eifrig und mit großem Ernst über eine langfristige Haushaltsplanung. Ich hoffe, wir stehen dann auch zusammen, um das zu tun, was sie uns abverlangt, um die Preise stabil zu halten, die Subventionen abzubauen und den Wettbewerb zu beleben. Das alles sind durchaus Gesichtspunkte, die ich unterschreiben kann. Sie decken sich mit meiner Überzeugung.
Sie sprachen dann von der Rentenversicherung und meinten, daß der Bund den Kapitalmarkt umgehe, wenn er in die Kasse der Rentenversicherungsträger greift. Die Rentenversicherungen verfügten Ende 1965 über ein Vermögen von rund 26 Milliarden DM. Die Buchforderungen dieser Rentenversicherungsträger an die Bundesschuldenverwaltung betragen zum gleichen Zeitpunkt 3,8 Milliarden DM und die Bundeszuschüsse nach dem jetzigen Stand jährlich 7,2 Milliarden DM. Ich glaube, daß der Bund, wenn er so erhebliche Zuschüsse an die Rentenversicherungen leistet, auch einen berechtigten Anspruch darauf hat, in seinen notwendigsten Kapitalansprüchen auf die Quellen in jenem beschränkten Maße zurückgreifen zu dürfen. Das ist kein Mißbrauch des Kapitalmarktes, sondern mir scheint das nur eine gerechte Ordnung zu sein.
Im übrigen, haben Sie ausgeführt, sei davon gesprochen worden, daß die Bemessung der Renten bzw. die Bindung der Renten an die Lohnentwicklung aufgehoben werden soll. Von mir jedenfalls haben Sie ein solches Wort nicht gehört. Ich habe über diesen Gegenstand auch mit niemandem gesprochen.

(Zuruf des Abg. Könen [Düsseldorf].)

— Was die Kriegsopfer anbelangt, so steht der Bundesarbeitsminister in dieser Frage sowohl in enger Fühlung mit mir wie aber auch in dauernder Verbindung mit den Kriegsopferverbänden. Meine Damen und Herren, Sie können nicht an irgendeinem Tag eine Zäsur vornehmen und aus dem Augenblick folgern, die Bundesregierung habe das und jenes versäumt.
Meine Damen und Herren, dann wurde mein Verhältnis zu den Arbeitnehmern gerügt.

(Zuruf von der SPD: Gerügt?)

— Gerügt!

(Lachen bei der SPD.)

In erster Linie wurde hier von Form und Stil gesprochen. Ich gebe gerne zu, daß ich einer Entwicklung, die den Funktionären, den Geschäftsführern, den Interessenvertretern und wie immer sie heißen, zu immer mehr Macht verhelfen will, mit einiger Skepsis gegenüberstehe, weil ich befürchte, daß dabei immer mehr von individueller persönlicher Verantwortung, von menschlichem Gewissen verlorengeht und jede Übersteigerung uns einen Schritt näher in das Kollektiv führt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das ist nun nicht einmal das, was ich mir vorstelle. Aber es wäre völlig falsch, anzunehmen, daß ich darunter nur die Gewerkschaften verstünde, wenn ich vorhin sagte: „Was von dieser Seite aus verkündet und gefordert wird, das ist nicht schlechthin identisch mit dem, was die Menschen wünschen und verlangen". Das nehme ich den Vertretern der Industrie nicht ab; das nehme ich auch den Gewerkschaften nicht ab.

(Abg. Wehner: Dem einen sagen Sies, dem anderen nicht; das ist der Unterschied!)

Hier herrscht eine völlige Parität in ,der Beurteilung; davon können Sie überzeugt sein.
Im übrigen sehe ich darin auch eine Gefahr, und ich glaube, auch Sie, Herr Kollege Erler und meine Herren von der Opposition werden mir wenigstens



Bundeskanzler Dr. Erhard
teilweise zustimmen. Ein zu starkes Überhandnehmen des Funktionärtums geht immer mehr an die Substanz der parlamentarischen Demokratie.

(Beifall bei den Regierungsarteien.)

Ich glaube, auch das ist ein Gesichtspunkt, den wir nicht außer acht lassen dürfen.
Was Sie zum „Reptilienfonds", also zu den Titeln 300 und 314 gesagt haben, kehrt alle Jahre wieder.

(Zurufe.)

Ich will es nur ganz kurz machen; es lohnt sich wirklich nicht. Denn ich kenne kein demokratisches Land, in dem es solche Titel mit der gleichen Verwendung und der gleichen Art der Kontrolle nicht gäbe. Wir brauchen gar nicht außerhalb Deutschlands zu gehen; in Hessen haben wir es auch, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Erler meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Lassen Sie mich erst vortragen; Sie haben dann ja noch Zeit. —

(Lachen und Zurufe von der SPD.)

Im übrigen werden diese Titel durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofs kontrolliert,

(Anhaltende Zurufe.)

Dem ist die richterliche Unabhängigkeit zuerkannt,
und er bemißt seine Prüfung nicht allein nach ,der
ordnungsgemäßen Abwicklung der Zahlungen, sondern auch nach der Wirtschaftlichkeit der Verwendung, alber vor allen Dingen auch nach der Zweckbindung, die dieses Hohe Haus für diese Titel gesetzt hat. — Damit lasse ich esgenug sein.
In der Außenpolitik glaube ich, jetzt persönlich alle Gesichtspunkte übergehen zu dürfen, die die Deutschlandpolitik, 'die NATO, die Fragen .des Verhältnisses zu Frankreich und zur übrigen Welt zum Gegenstand haben. Darauf wird der Außenminister eingehen. Ich möchte alber ausdrücklich sagen, daß ich hier Grundlagen für eine Verständigung sehe und daß uns hier nichts Entscheidendes trennt.
Meine Damen und Herren, ich habe auch keine Scheu vor der Richtlinienkompetenz, will sie aber auch nicht zum Popanz aufbauen. Ich habe z. B. die vom Parlament geforderte Forschungsstelle für Abrüstung mit dem Institut für Wissenschaft und Politik im Bundeskanzleramt zusammengelegt. Und daß der Minister, der mich im Regelfall, wenn auch nicht im Grundsatz, im Bundesverteidigungsrat als Vorsitzenden vertritt, über einen kleinen Stab von Mitarbeitern verfügen muß, um das Material ordnungsgemäß zubereitet zu erhalten, ist klar. Das ist auch keine Sünde wider den Heiligen Geist.

(Zurufe von der SPD.) Nun komme ich zur Deutschlandpolitik.

Wir sind uns darüber klar — Sie haben das sehr gut nach dem Grundgesetz formuliert —, daß wir alle aufgerufen sind, die nationale Einheit zu wahren. Aber wir müssen sie wahren nach den Grundsätzen der Freiheit und unter Bewahrung des Friedens. Da gibt es, wie ich hoffe, keinen Unterschied.
Was nun im besonderen den Gesprächsaustausch anbelangt, so können Sie nicht leugnen, daß wir in den beiden Gesprächen, die wir unter den Fraktionen geführt haben, eine faire, loyale und verständnisvolle Haltung eingenommen haben; nicht ohne natürlich das eine oder andere Bedenken zurückzustellen. Das wurde auch von Ihnen anerkannt. In München habe ich dazu gesagt, es wäre wünschenswert, daß die drei Fraktionen gemäß dem Auftrag vom vergangenen Montag den Weg fänden, um im Rahmen unserer Rechtsordnung die Voraussetzungen für eine freie Aussprache zu schaffen. Was der einzelne sich davon verspricht, das braucht er hier nicht zu offenbaren. Das verlange ich auch von Ihnen nicht. Sie haben z. B. in der ersten Sitzung auch nicht gesagt, daß dieser Gesprächsaustausch in direkter Linie zur Wiedervereinigung führen werde. Diese Kausalkette wäre zu lang, als daß man sie in den einzelnen Gliedern verfolgen könnte. Ich habe in München nicht davon gesprochen, daß keine Brücken gebaut werden sollten. Ich habe nur vor einer Illusion gewarnt — und ich glaube, Sie haben es in anderem Zusammenhang auch getan —, indem ich deutlich gemacht habe, daß es zwischen geistig so ungleichnamigem wie der Zone und der Bundesrepublik keine Föderation geben kann, weder nach der Gesinnung noch nach der Organisation noch nach den Ordnungsvorstellungen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich glaube, das mußte deutlich ausgesprochen werden. Ich habe in München deutlich gemacht, was ich auch in unserem gemeinsamen Gespräch ausgeführt habe: Es muß einmal eine Grenze gesetzt werden, von der aus wir sagen: jetzt gibt es keine Kompromisse mehr. Sie wissen ja, wie die SED darauf reagiert. Heute lesen Sie in der Zeitung, daß die kleinen Schritte gar nicht mehr ausreichen, sondern daß große Schritte ergriffen werden müssen.
Daß jeder sich darüber Gedanken macht, daß wir verpflichtet sind, uns über mögliche Folgen klarzuwerden, hat nichts zu tun mit der Billigung solcher Gespräche und der Erwartung — die unterschiedlich sein mag —, daß sie doch dem primären Ziel dienen werden, das ja auch von Ihnen so ausgedrückt wurde, zu einer besseren menschlichen Verständigung, zu menschlichen Hilfen für die Menschen drüben beizutragen. Aber, meine Damen und Herren, was wir bisher von drüben gehört haben, ist nicht sehr ermunternd, bis zu den Schüssen, die jetzt wieder an der Zonengrenze gefallen sind.
Wir haben bis in die jüngste Zeit alles getan, um mit Moskau wieder ins Gespräch zu kommen, weil wir glauben, daß hier der entscheidende Ansatz für die Deutschlandpolitik im ganzen liegt. Niemand wird absolut behaupten können, daß die Einladung der SED ein originärer Schritt von drüben gewesen sei. Weder dafür noch dagegen ist der Beweis zu führen. Aber ich glaube, das Denken darüber ist jedenfalls nicht verboten.

(Abg. Wehner: So man kann! — Heiterkeit bei der SPD.)

Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 1817
Bundeskanzler Dr. Erhard
Im übrigen, Herr Kollege Wehner: an der Teilung Deutschlands leiden nicht nur ganz bestimmte Schichten, Gruppen und Parteien, sondern leidet das ganze deutsche Volk über alle Parteien und alle Gruppen hinweg.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Und nun zum Letzten! Ich bin gemahnt worden — offenbar angesichts des beginnenden Wahlkampfes in Nordrhein-Westfalen —, daß man Form und Stil wahren müßte. Diese Aufforderung möchte ich mit eben solcher Deutlichkeit an Sie richten. Denn wenn ich an den letzten Bundestagswahlkampf denke: da haben Sie alle Ihre Speere vornehmlich auf mich persönlich gerichtet,

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD)

und daß ich dann eine Antwort gebe, ist selbstverständlich. Meine Damen und Herren, ich bewahre mir die Unabhängigkeit, gegenüber jedermann das zu sagen, was ich denke. Ich respektiere die Gewerkschaften, ich respektiere alle Gruppen in ihren Vertretungen; aber ich habe vor keiner Angst und vor keiner Furcht. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen bei der SPD.)

Und von Geschichtsklitterung kann nicht die Rede sein, wenn wir gewisse geschichtliche Tatbestände aus der jungen Entwicklung unserer Demokratie festlegen. Das ist keine Geschichtsklitterung. Wenn ) umgekehrt so getan würde, als ob wir uns von 1949 bis heute in allen Fragen der Außenpolitik, der Verteidigungspolitik, der Wirtschaftspolitik in völliger Übereinstimmung befunden hätten, dann, ja dann wäre das eine Geschichtsklitterung.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich möchte abschließend sagen: Ich würde mich freuen, wenn wir alle zusammen den Stil fänden, der zu einer sachlichen Auseinandersetzung geeignet ist und der sich nicht in ideologischen Verbrämungen und Anschuldigungen erschöpft.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0504120500
Das Wort hat der Bundesfinanzminister.

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0504120600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Erler hat in seinen Ausführungen heute vormittag die Verketzerung von Andersdenkenden, den Versuch, Andersdenkenden die Gesinnung abzusprechen, als einen schlechten politischen Stil gerügt. Ich glaube, Herr Kollege Erler, kein Gutwilliger in diesem Hause wird Ihren Ausführungen nicht zustimmen. Ich will auch nicht behaupten, daß Sie selber absichtlich bei Ihrer Rede heute morgen diese von Ihnen selbst aufgestellten Grundsätze verletzt haben. Ich möchte Ihnen nur an zwei Beispielen zeigen, daß Sie sich mindestens in die Gefahr gebracht haben, diese Grundsätze zu verletzen. Das möchte ich Ihnen an zwei Beispielen aus meinem Ressort zeigen.
Sie haben den Versuch unternommen, den Bundeskanzler und die Bundesregierung als konzeptionslos, planlos, schwächlich hinzustellen.

(Zurufe von der SPD: Na und? — Stimmt doch!)

Ich kann Ihnen an Hand der Fakten sehr leicht nachweisen, daß dieses Bemühen, die Bundesregierung als schwächlich, als konzeptionslos hinzustellen, völlig verfehlt ist.

(Zurufe von der SPD: Na, dann mal los!)

Sie haben gesagt, daß die Bundesregierung hinsichtlich der Haushaltsreform und hinsichtlich der Finanzreform nichts getan habe, daß man nun endlich etwas haben wolle, daß man endlich etwas hören wolle. Ich kann Ihnen zur Haushaltsreform heute sagen, daß der Plan, sie wegen ihrer Kompliziertheit und wegen ihres Umfanges in zwei Etappen zu verwirklichen, im Gange ist. Die erste Etappe umfaßt die Aufstellung des Haushaltsplans und seine Ausführung, die Grundsatznormen für Kassen- und Buchführung und die Rechnungslegung, das Vermögen, die Schulden und die Entlastung. In der zweiten Etappe wird der Abschnitt Rechnungsprüfung erarbeitet. Herr Kollege Erler, die Arbeiten zur Durchführung der ersten Etappe, die zu einem ersten Gesetz zur Neuregelung der Haushaltswirtschaft führen, sind in Zusammenarbeit mit den Ländern so weit gefördert, daß die Ressortbesprechungen über den Regierungsentwurf in Kürze beginnen werden. Bezüglich der zweiten Etappe, auf dem Gebiet der Rechnungsprüfung, laufen die Vorarbeiten. Der Gruppierungs- und Funktionsplan ist so weit gediehen, daß möglicherweise schon, wenn die Arbeiten zwischen Bund und Ländern so weiterlaufen, der Haushalt 1968 nach dem neuen Schema aufgebaut werden kann. Der Bund ist wegen der Rechtseinheitlichkeit und wegen der Vergleichbarkeit der Haushalte von Bund und Ländern stärkstens daran interessiert, daß Bund und Länder zumindest in den Grundsätzen eine einheitliche Regelung treffen. Deswegen arbeiten auch die Länder voll an diesen Reformarbeiten mit.
Nun könnten Sie mir sagen: Das habe ich nicht gewußt. Das wäre sicher richtig, denn ich habe in den Beratungen und Diskussionen über den Haushalt 1966 bei der Einbringung so weitgehende Erklärungen über dieses Gebiet noch nicht abgeben können, wie ich sie angesichts der gut vorangekommenen Arbeiten heute erfreulicherweise abgeben kann.
Bei dem zweiten Komplex aber, bei der Finanzreform, Herr Kollege Erler, habe ich eben die allergrößte Sorge, ob Sie sich nicht in diese Gefahr gebracht haben, den politischen Stil zu verletzen, weil Ihnen die Daten haargenau und ebensogut bekannt sind wie mir. Sie wissen, daß am 20. März 1964 die Sachverständigenkommission für die Finanzverfassungsreform vom Bundeskanzler und von den Ministerpräsidenten der Länder „eingesegnet" worden ist. Herr Erler, Sie können doch nicht, wenn der Bundeskanzler mit den elf Ministerpräsidenten und Bürgermeistern der deutschen Länder und Freien Städte eine solche Kommission einsetzt, behaupten,



Bundesminister Dr. Dahlgrün
daß er nichts tue, daß er die Dinge laufen und treiben lasse. Entgegen all den Prognosen, die gestellt worden sind, daß man in zwei Jahren eine solch gewaltige Arbeit gar nicht leisten könne, entgegen all diesen düsteren Prognosen haben die Sachverständigen am 10. Februar 1966 dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten das Gutachten überreicht, meine Damen und Herren, termingerecht überreicht. Das wird einfach als selbstverständlich hingenommen. Aber seit dem 10. Februar 1966 ist wahrhaftig, Herr Erler, nach meiner festen Überzeugung nicht so viel Zeit vergangen, daß Sie das Recht hätten, zu behaupten, es sei etwas versäumt worden. Abgesehen davon ist das auch falsch: Die Ministerpräsidenten und der Bundeskanzler haben bei der Überreichung des Gutachtens verabredet, daß eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Bund und Ländern das Gutachten bearbeiten soll, wenn die Länder und der Bund ihre Stellungnahmen dazu erarbeitet und erstellt haben. Herr Kollege Erler, die Bundesregierung hat den Ländern die Arbeitsgruppe bereits benannt. Ich rechne damit, daß mir in aller Kürze die Arbeitsgruppe der Länder benannt wird. Aber beide Seiten müssen doch erst einmal dieses gewaltige Gebiet, das in dem Finanzverfassungsreformgutachten angesprochen wird, selber verarbeiten, um dann zusammenzukommen und weitere Beratungen zu pflegen.
Die notwendigen Schritte zu einer bescheidenen Personalverstärkung in meinem Ressort habe ich dem Haushaltsausschuß bereits zugeleitet. Ich hoffe, daß mir der Haushaltsausschuß die Stellen bewilligen wird, die ich brauche, um auf diesen gewaltigen Gebieten — ich will nur einmal als Beispiel den großen Bereich der Gemeindefinanzreform nennen — voranzukommen.
Entgegen den düsteren Prognosen in der Presse glaube ich, daß die Finanzverfassungsreform die zentrale Frage dieser Legislaturperiode sein wird, dieser fünften Legislaturperiode, die nicht erst 1969 beginnt. Ich hoffe auch, daß diese Arbeiten in den Arbeitsgruppen der Bundesregierung und der Länder so vorangetrieben werden können, daß noch in dieser Legislaturperiode die gesetzgebenden Körperschaften mit den Dingen befaßt werden können. Ich halte das im übrigen nicht nur für ein finanzpolitisches Problem, sondern ich halte das Ganze auch für ein eminent rein politisches Problem. Wir müssen auf dem Wege über die Finanzverfassungsreform den Föderalismus, unsere grundgesetzliche Ordnung praktikabel machen und dann auch mit Erfolg praktizieren. Sonst, fürchte ich, werden nationalistisch-zentralistisch eingestellte Kreise davon den Gewinn haben.

(Beifall bei ,der CDU/CSU.)

Ich halte es für ganz sicher und bin fest davon überzeugt, daß die Aufgaben auf diesem Felde von hervorragender Bedeutung für uns alle sind. Ich habe deshalb auch allen drei Fraktionen des Bundestages das Angebot gemacht, an diesen Arbeiten mitzuhelfen in einer Form, über die ich mit den einzelnen Fraktionen noch Verhandlungen führen und Absprachen treffen muß. Ich bin der Meinung, es handelt sich um Dinge, die uns alle angehen. Ich hoffe,
daß sich auch die Opposition, Herr Kollege Erler, diesen dringenden Arbeiten nicht verschließen wird, obwohl mich Ihre Ausführungen mit den Behauptungen, die Bundesregierung tue nichts, sie schlafe, sie habe keine Konzeption, zuerst etwas bestürzt und betroffen gemacht hatten. Ich hoffe, daß die Opposition gerade in diesen Fragen weiter so mitarbeiten wird, wie sie das während der zwei Jahre, in denen das Gutachten erstellt worden ist, bereits getan hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0504120700
Das Wort hat der Abgeordnete Strauß.

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0504120800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt einige Gewohnheiten in diesem Parlament, die beinahe schon über die Lebensdauer einer Tradition verfügen. Dazu gehört anscheinend mein Schicksal, hinter Herrn Erler zu sprechen und ihm zu antworten oder umgekehrt. Heute möchte ich aber meine Worte damit beginnen, Herr Kollege Erler — gerade weil ich an diese Tradition denke —, Ihnen den herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Genesung und zur Wiederaufnahme Ihrer politischen Arbeit auszusprechen.

(Beifall auf allen Seiten.)

Daß die vielleicht nicht ganz angenehme medizinische Prozedur, der Sie sich unterziehen mußten, Erfolg gehabt hat, haben Sie heute bewiesen. Darüber freuen wir uns deshalb, weil wir dann die Möglichkeit haben, uns wieder mit Ihnen auseinanderzusetzen.
Ich darf hier auch im Namen der Fraktion der CDU/CSU dem Haushaltsauschuß den Dank für die geleistete Arbeit und für das erzielte Ergebnis aussprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Sicherlich sind manche Wünsche und Erwartungen nicht erfüllt worden. Sicherlich ist manches auf dem Weg der Mehrheitsabstimmung entschieden worden, was ja auch zu den guten Gepflogenheiten der Demokratie gehört. Daß aber nach erheblichen Schwierigkeiten dieser Haushalt mit diesem Ergebnis abschließen konnte, ist auch ein Beitrag zu dem Ziel, zu dem sich heute alle Redner bekannt haben — gerade Sie, Herr Erler —: unsere Währung zu stabilisieren und unseren Wirtschaftsverlauf in ruhige, zwar expandierende, aber ruhige und geordnete Bahnen zu bringen.
Sie haben gesagt — der Bundeskanzler hat das Thema aufgegriffen —, daß die Preise weiter steigen, und haben die Sprünge genannt. Sie haben in diesem Zusammenhang erklärt, die Regierung sei hilflos, ja mitschuldig. Ich glaube zunächst einmal sagen zu dürfen, daß die Möglichkeiten und Mittel der Bundesregierung angesichts der gegebenen Rechtslage, die nicht mutwillig geändert werden kann, angesichts der internationalen Zusammenhänge und Verflechtungen und angesichts der Einwirkung anderer Komponenten nicht so sind, daß man die Regierung als die Hauptschuldige oder als die durch ihre Hilflosigkeit Verantwortliche für diese
Deutscher Bundestag — S. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 1819
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Entwicklung allein herausstellen und brandmarken kann.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Diese Frage betrifft alle politischen, wirtschaftlichen, verbandsmäßigen Kräfte, diese Frage trifft die Bundesbank, diese Frage trifft alle Wirtschaftspartner, diese Frage trifft nicht zuletzt auch das Verhältnis der Abhängigkeiten, die zwischen uns und der Weltwirtschaft, zwischen uns und unseren europäischen Wirtschaftspartnern bestehen. Ich glaube, wir sollten hier die Dinge so ansprechen, wie sie sind.
Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung — wenn ich mich recht erinnere — davon gesprochen, daß die Bundesregierung die Autonomie der Tarifpartner nach wie vor uneingeschränkt anzuerkennen entschlossen sei und daß die Bundesregierung die Autonomie der Tarifpartner als ein Grundrecht betrachte. Ich möchte nicht so weit gehen, zu sagen, daß dieses Grundrecht dieselbe Wertigkeit hat wie die im ersten Abschnitt des Grundgesetzes verankerten Grundrechte. Aber sicherlich soll in dieses Grundrecht nicht eingegriffen werden, wenn nicht ganz außergewöhnliche Umstände und Erfordernisse vorliegen.
Wenn dem aber so ist, dann ist natürlich ein wesentliches Element, das auf die Gestaltung von Löhnen und Preisen Einfluß hat, dem Einwirkungsbereich der Regierung jedenfalls in 'unmittelbarer Weise entzogen. Wenn die Regierung in mittelbarer Weise einwirkt, dann kann sie es nur mit Wirkungen tun, die wahrscheinlich in diesem Hause von vielen Seiten, nicht nur von der Opposition her, einer heftigen Kritik und einem gewaltigen Tadel unterzogen werden würden, nämlich eine restriktive Gesamtpolitik zu betreiben, von ihrer Zuständigkeit auf dem Gebiet des Geldwesens so Gebrauch zu machen, daß durch eine Politik der Stagnation, ja, vielleicht sogar der Deflation Gleichgewichtsverhältnisse hergestellt werden. Hier würde man aber sehr wohl sagen, daß ein hohes Gut, die volle Stabilität der Währung, nicht Selbstzweck sein kann, weil nämlich ,durch eine solche Politik dann politische, wirtschaftliche und soziale Wirkungen ausgelöst würden, die niemand in diesem Hause will und die auch unter allen Umständen vermieden werden müssen.
Deshalb muß sich, wer zur Autonomie der Tarifpartner ja sagt, der Grenzen der Einwirkungsmöglichkeit von Parlament und Regierung auf bestimmte Vorgänge bewußt sein. Ich möchte damit aber beileibe nicht behaupten, daß keine Störungen vorliegen. Ja, es liegen Störungen vor. Denn solange die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt so sind, wie wir sie heute haben — bei einem Fehlen von 2 Millionen Arbeitskräften —, kann man nicht von einer Ausgeglichenheit sprechen. Ich gehöre nicht zu denen, die, wenn sie von diesem Problem sprechen, im Hintergrund etwas anderes meinen, etwa eine künstliche Arbeitslosigkeit, um damit bestimmte Wirkungen ausüben zu können und Druckmöglichkeiten zu haben. Nein, das bestimmt nicht! So etwas sollte keine Seite irgendeiner anderen Seite unterstellen.
Wenn wir nun alber auf dem Arbeitsmarkt solche Verhältnisse haben, wie sie bei uns bestehen, und wenn keine Möglichkeit des Einflusses darauf besteht, dann ist allerdings die Forderung des Bundeskanzlers, daß die Störung wieder beseitigt und ein Gleichgewicht hergestellt wird — was nur durch einen Appell, so leidig das Wort klingt, zur Mehrleistung und zur Mehrarbeit möglich ist —, in der Sache berechtigt und sollte nicht zum Gegenstand von ironischen Karikaturen, hämischen Herabsetzungen

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

oder vielleicht — damit meine ich nicht Sie, Herr Kollege Erler — feindseligen Unterstellungen gemacht werden.
Wie sehr sich diese Frage auch auf unsere Zahlungsbilanz auswirkt, haben wir vorhin gehört. Die Überweisungen der Gastarbeiter als einer der drei großen Posten — neben dem Tourismus und der Wiedergutmachung — gestalten zusammen mit den Kapitalbewegungen das Ergebnis unserer Zahlungsbilanz trotz einer im großen und ganzen noch erträglichen Handelsbilanz sehr, sehr ungünstig.
Ich bin leider nicht in der Lage, auf alle Ihre Argumente und alle Einzelheiten einzugehen. Aber wir können einfach nicht an der Tatsache vorbeigehen, daß bei uns die Kaufkraft, das Geldangebot auf den Märkten schneller gestiegen ist als die einheimische Erzeugung. Und wir können nicht leugnen, daß aus dieser Diskrepanz Störungen entstanden sind, die durch wirtschaftskonforme Mittel — nicht einfach durch diktatorische Eingriffe unter der Überschrift „jetzt muß aber regiert werden" - ausgeglichen werden müssen. Das ist die Problematik, vor der wir stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten rechts.)

Sie haben in diesem Zusammenhang von Mieten, Ernährung und Kapitalzins gesprochen. Nun, ich glaube, daß trotz aller Unterschiedlichkeit in der Einstellung zu dem sogenannten Lücke-Plan der Grundsatz, daß bei einem ausreichenden Angebot an Wohnungen auch wieder normale und einheitliche Mietpreisverhältnisse hergestellt werden sollten, von allen politischen Kräften bejaht wird und auch bejaht werden kann. Daß dabei gewisse Anhebungen gegenüber den von vornherein freier Gestaltung unterliegenden, sehr hohen Neubaumietpreisen eintreten, ist unvermeidlich. Ich habe auch noch kaum ein Mitglied des Hohen Hauses gehört, das bei dem Versuch, die eigene Partei zu einer Volkspartei umzuwandeln, sich von einem landwirtschaftlichen Kreise gegen kostendeckende Agrarpreise gewandt hätte.

(Heiterkeit in der Mitte.)

Die Gewährung kostendeckender Agrarpreise hat natürlich auch ihre Konsequenzen, auch was die Einfuhrpolitik anbetrifft. Man kann das auch nicht abwälzen und sagen: der Großhandel und der Zwischenhandel tragen die Schuld, weil sie zu hohe Spannen haben. Ich bin kein Fachmann auf diesem



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Gebiete; aber man muß sich ja mit vielen Dingen beschäftigen, um nicht als einseitig abgestempelt zu werden. Herr Kollege Erler, Sie haben sich auch mal so geäußert. Ich glaube nicht, daß z. B. die Preise im Konsum niedriger sind als etwa beim normalen privaten Groß- oder Einzelhandel. Hier herrscht eine gesunde Konkurrenz. Beide sollen sich frei entfalten.
Wenn man aber schon Mieten und Ernährungskosten anführt, dann muß man die Dinge in unseren gesamtpolitischen Zusammenhang hineinstellen. Beim Kapitalzins genügt es nicht allein, zu klagen, wenn man die Störungen festgestellt hat. Beim Kapitalzins muß man sich folgendes fragen, und die Frage würde ich Ihnen gern stellen: Sprechen Sie sich dafür aus, daß die Bundesbank ihre Restriktionsmaßnahmen aufgeben soll?

(Abg. Erler: Jawohl: Kuponsteuer aufheben!)

— Herr Erler, ich gehöre auch zu denen, die gegen die Einführung der Kuponsteuer waren. Ich habe vor geraumer Zeit bei der Haushaltsdebatte gebeten — das war zwischen der Ankündigung und der Verabschiedung des Gesetzes —, nochmals zu überprüfen, ob die Kuponsteuer notwendig ist und, wenn sie schon eingeführt wird, nicht besser ex nunc statt ex tunc eingeführt werden soll, wenn ich mit diesem Ausdruck einmal den komplizierten Sachverhalt umschreiben soll.
Ich bin der Meinung, daß die Dinge angesichts der
Entwicklung von Löhnen und Preisen und angesichts der Entwicklung der Lage auf dem Arbeitsmarkt so weit gediehen sind, daß die Aufhebung der Kuponsteuer allein die von Ihnen gewünschte Wirkung und die von mir damals erhoffte Wirkung nicht wieder erreichen kann. Das könnte nur unter Umständen im Zusammenhang mit einer Reihe von Maßnahmen geschehen. Die folgende Bemerkung ist nicht bösartig gemeint, sie soll aber dennoch deutlich aussprechen, was ich meine: Wenn die Regierung so regieren würde, wie Sie sie heute in mannhaftem Tone aufgefordert haben zu regieren, dann würde sich, davon bin ich fest überzeugt, auf Ihrer Seite ein sehr großes Geschrei über die Maßnahmen erheben, die von der Regierung mit Unterstützung der parlamentarischen Mehrheit getroffen werden müßten.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Nehmen Sie soviel Rücksicht auf uns?)

Wir kennen alle den ehemaligen Staatssekretär Binder; er ist unser Parteifreund. Binder hat eine sehr eigenwillige Meinung. Ich will seine Expertenqualitäten in keiner Weise anzweifeln. Ich kenne seine Ansichten und den Teil der Einwirkung, den er auf das Gutachten genommen hat, ich kenne die Rede, die er auf dem Petersberg und anderswo gehalten hat. Wenn die Regierung das täte, was Herr Binder empfohlen hat, was ich in keiner Weise etwa abqualifizieren will, dann würde die Regierung Ihnen, glaube ich, große Angriffsflächen bieten, von denen Sie sicher keinen Gebrauch machen würden.

(Heiterkeit und Beifall in der Mitte.)

Sie haben die Neue Zürcher Zeitung zitiert. Ich habe das auch einmal hier getan. Da hat mich Ihr Kollege Wehner hier zurechtgewiesen, daß jetzt die Stimme des Kapitalismus zu Wort komme.

(Heiterkeit in der Mitte. — Abg. Erler: Ich darf das!)

— Es ist natürlich ein Unterschied: Quod licet Jovi, non licet bovi, würde ich sagen.

(Heiterkeit.)

Ob Sie als ein international anerkannter Sozialist oder ich die Neue Zürcher Zeitung zitiere, ist natürlich ein Unterschied. Aber wenn Sie die Neue Zürcher Zeitung zitieren, dann wissen Sie genau, warum diese Zeitung das Vokabular des Bundeskanzlers etwas eigenartig empfunden und es in Beziehung zu Ihrem sozialdemokratischen Wahlprogramm gebracht hat. Aber wenn ich so daran denke, was Sie im Laufe der letzten zehn Jahre alles übernommen haben, dann muß ich sagen, daß eine Partei, die bei hundertjährigem Bestehen und hundertjährigen Grundsätzen in den letzten zehn Jahren soviel von ihren Grundsätzen aufgeben mußte, nicht allzusehr an dem sprachlichen Wahlkampflexikon des Bundeskanzlers einhaken sollte.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Sie haben von einem systematischen Abbau des Subventionsvolumens gesprochen und dankenswerterweise Ihre schon damals ausgesprochene Bereitschaft in Erinnerung gebracht, bei der Behandlung dieses Themas, das natürlich ein sehr kritisches Thema ist, mitzuarbeiten. Denn hier heißt es ja wohl: Wer seinen Kopf hinhält, der kann leicht totgeschossen werden. Hier kann man sich natürlich gegenseitig gewaltige Schwierigkeiten machen. Aber ich würde es schon für richtig halten, wenn von Ihrer Seite — sei es bei dieser Haushaltsdebatte, sei es bei einer anderen öffentlichen Gelegenheit — einmal wenigstens die Grundsätze genannt würden, die Vorstellungen, welche Subventionen Sie selbst abzubauen bereit sind.

(Abg. Erler: Warum fängt die Regierung nicht an, sie kennt doch die Zahlen besser?)

— Die Regierung und die hinter ihr stehende parlamentarische Mehrheit haben — siehe Haushaltssicherungsgesetz — begonnen, Subventionen da und dort schrittweise abzubauen. Der Bundeskanzler bemüht sich aber, möglichst allen Notwendigkeiten gerecht zu werden, und er könnte das auch, wenn der Zuwachs unseres Sozialprodukts wieder größer würde und wenn unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und alle damit verbundenen Steigerungsmöglichkeiten eingehalten werden könnten. Dann könnte er es sogar. Ich möchte hier jetzt nicht in concreto eine Auskunft verlangen, welche Subventionen abgebaut werden sollen, aber Sie wissen doch selbst, was den Hauptposten der Subventionen ausmacht, und dieser Hauptposten wird von Ihnen mit Recht — mir fällt kein besserer Ausdruck ein — sozusagen als „soziales Tabu" bezeichnet.
Niemand von uns spricht davon, daß die Bundeszuschüsse für die Rentenversicherung gekürzt werden sollen, aber die Konsequenzen — darf ich hier



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an die Worte von Herrn Bundesminister Katzer erinnern der sich mehrmals mit diesem Thema befaßt hat —, die bei Beibehaltung der lohnindex-automatisierten Altersrente und bei gottlob immer noch anhaltender Steigerung der Lebenserwartung an Versicherungsleistungen entstehen, können ja nicht durch Verkündung von Grundsätzen oder durch Deklaration sozialpolitisch verantwortlicher Gesinnung aus der Welt geschafft werden, sondern nur durch gemeinsame Überlegungen über die Deckungsmöglichkeit für diesen rasch steigenden Finanzbedarf. Ich möchte im übrigen, wenn Sie der Bundesregierung vorwerfen, daß Sie bis an die 4-MilliardenGrenze Schuldscheine begeben habe, nicht allein davon sprechen, daß diese Schuldscheine angesichts des Gesamtvermögens einen bescheidenen Umfang ausmachen. Aber wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, hat der Kollege Möller bei seinen Deckungsvorschlägen für die Finanzierung bestimmter Vorhaben einmal selbst die Begebung von mehr Schuld scheinen dieser Art als Ihren Vorschlag vorgebracht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Eine Milliarde mehr!)

— Eine Milliarde mehr, höre ich eben.

(Zuruf von der SPD: Das ist nicht zuverlässig! — Zuruf von der CDU/CSU: Alex Möller ist nicht mehr modern!)

— Da unterschätzen Sie den Kollegen Möller, der war immer sehr modern.

(Heiterkeit.)

B) Wenn die Bundesregierung sich bemüht, den Einbau dieser Mittel in den Kapitalmarkt zu erreichen, dann tut sie das nicht zuletzt deshalb, um geordnete Verhältnisse auf dem Kapitalmarkt herbeizuführen. Im übrigen sollten keine falschen Vorstellungen bestehen. Im Jahre 1964 hat das gesamte Kreditvolumen auf dem Bankensektor eine Summe von 27,3 Milliarden, im Jahre 1965 eine Summe von 30,9 Milliarden erreicht. Das ist also ein Zuwachs von 10%. Auf dem Sektor Volksgeld, Girozentralen, Sparkassen, Zentralkassen und Kreditgenossenschaften betrug die Summe der Kreditleistungen im Jahre 1964 24,6 Milliarden, im Jahre 1965 29,2 Milliarden; das ist eine Zunahme von 5 Milliarden, eine Zunahme von fast 15 %. Angesichts der Lage auf dem Kapitalmarkt, angesichts der Schwierigkeit, Emissionen unterzubringen, angesichts der großen Liquidität gerade unserer Sparkassen und eines Teiles der Banken und angesichts des Vorhandenseins dieser Vermögensmassen ist allerdings eine Ordnung des Kapitalmarkts und ein Einbau auch dieser Mittel in den Kapitalmarkt ebenfalls eine wirtschaftliche Ordnungsaufgabe der Bundesregierung, die man nicht allein für sich angreifen kann.
Sie haben davon gesprochen, Herr Kollege Erler, man solle den sozialen Rechtsstaat verwirklichen. Ich wage dazu zwei Aussagen.
Erstens. Wir verwirklichen schon seit dem Jahre 1948, seit der Einführung der sozialen Marktwirtschaft, laufend den sozialen Rechtsstaat, und wir erzielen auf diesem Wege Jahr für Jahr erhebliche Fortschritte.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es gibt meines Wissens keine Industrienation der Welt — und die anderen kommen dafür sowieso nicht in Betracht —, bei der die Sozialleistungen per capita den Umfang der Sozialleistungen in der Bundesrepublik erreichen oder gar übertreffen.
Ich möchte hier nicht die Bilder der Vergangenheit heraufbeschwören und eine Wahlkampfrede mit Leistungsberichten halten. Aber immerhin muß der Zustand unserer Wirtschaft — vom Jahr 1948 in ihrem stufenweisen Aufbau bis heute und mit den Sonderbelastungen, denen wir ausgesetzt waren — in diesem Zusammenhang auch genannt werden.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Eine Zahl sei hier nur erwähnt: die Gesamtausgaben für Kriegsfolgelasten von der Währungsreform 1948 bis zum Sommer 1965 — in 17 Jahren — betragen 350 Milliarden DM. Wenn man sich vorstellt, daß diese Mittel aus der erst im Aufbau befindlichen Wirtschaft herausgeholt werden mußten, und wenn man sich vorstellt, daß 350 Milliarden DM für Kriegsfolgelasten gezahlt werden konnten, daß die Sozialleistungen je Kopf der Bevölkerung in der Bundesrepublik höher sind als irgendwo anders, dann kann man sehr wohl sagen, daß wir laufend an der Verwirklichung des sozialen Rechtsstaates sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich wage auch noch eine zweite Aussage, nämlich die, daß wir einen Zustand der Vollendung auf dieser Erde nie erreichen werden. Es wird sich immer darum handeln, auf diesem Wege weiter zu gehen, weiter auszubauen, weiter zu gestalten, aber ich sage ausdrücklich: auf dem Weg zu bleiben, um nicht ohne Flügel über dem Boden der Tatsachen zu schweben; denn diese Gefahr besteht manchmal.

(Heiterkeit.)

Sie sagen, Herr Kollege Erler, der soziale Rechtsstaat könne nur mit den Gewerkschaften, nicht ohne und gegen sie ausgebaut werden. Ja; aber ich bitte um die Erlaubnis, diese Aussage ergänzen zu dürfen: der soziale Rechtsstaat kann nicht ausgebaut werden ohne ein leistungsfähiges, tüchtiges und sozialbewußtes Unternehmertum und seine Organisationen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Er kann nicht ausgebaut werden ohne einen modernen Bauernstand. Er kann nicht ausgebaut werden ohne einen in ständiger Strukturanpassung stehenden und hart um seine Existenz ringenden Mittelstand.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Ich wollte damit in keiner Weise die Richtigkeit Ihrer Aussage bestreiten. Aber ich wollte andererseits sagen: man kann es nicht auf eine noch so wesentliche soziologische Komponente und ihre Organisation allein abstellen.

(Abg. Erler: Man soll nur nicht auf der einen dauernd herumhacken! — Gegenruf des Abg. Windelen: Das ist doch Ihr Popanz, den Sie an die Wand malen!)




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— Leiden Sie hier nicht manchmal fast unter einer Zwangsvorstellung?

(Abg. Erler: Nein, nein! Der Bundeskanzler leidet unter einer Zwangsvorstellung! — Abg. Rasner: Herr Erler, lesen Sie mal die Zeitschrift der IG Metall! — Abg. Erler: Muß der Höchste sich nicht anständiger benehmen als alle die anderen? Finde ich? Oder nicht?)

— Meine Alleinunterhalterrolle wird von Ihnen manchmal etwas beeinträchtigt. — Ich könnte zu dieser Auseinandersetzung auch einige ganz aktuelle Beispiele beibringen; aber ich meine, das sollte anderswo geschehen.
Wenn Sie das Engagement der Gewerkschaften für die Demokratie loben, — ja. Das Engagement des Staatsbürgers für die Demokratie und nicht seine Gleichgültigkeit, das ist die Voraussetzung für die lebendige Weiterentwicklung. Aber hier gilt es nicht, mit Zensuren nur im Schwarzweißstil zu verfahren. Denn wenn der Staatspräsident vor dem Kongreß des Deutschen Gewerkschaftsbundes ein Wort darüber sagt, daß die Demokratie für alle Notfälle mit rechtsstaatlichen Mitteln gegen Feinde von innen und außen gesichert werden müsse, entspricht es sehr wohl dem guten Stil und dem Engagement für die Demokratie, daß man ihn mit Respekt anhört.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich glaube, daß niemand ein normales Verhältnis
zum deutschen Staat, zur deutschen Geschichte, zum deutschen Volke und auch zu einer legitimen Gewalt der deutschen Demokratie für sich in Anspruch nehmen kann, der der Meinung ist, daß die Ausübung der letzten staatlichen Zuständigkeiten durch nichtdeutsche Generäle harmloser, besser und eher erträglicher sei als durch eine legitime deutsche Regierung.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zustimmung des Abg. Dr. Schiller. — Zuruf des Abg. Erler.)

— Ich weiß, Herr Kollege Erler, welche mutige Rede Sie in Ansbach gehalten und welchen Standpunkt Sie dort vertreten haben.

(Abg. Erler: Oder nach dem Bundespräsidenten auf dem Kongreß des DGB in Berlin! — Abg. Windelen: Das ist doch keine Gewerkschaftsfeindlichkeit! — Abg. Rasner: Es gibt auch Brenners!)

Ich habe nicht vom Engagement der SPD für die Demokratie gesprochen. Man mag über Ihre politischen Wege und Pläne und Vorstellungen dieser oder jener Meinung sein; man mag Sie heftig bekämpft haben oder noch da oder dort bekämpfen. Ihr Engagement für die Demokratie steht außer jedem Zweifel. Die Problematik liegt allerdings weniger in der Auseinandersetzung mit uns als mit anderen Gewalten.
Aber Sie haben vom Engagement der Gewerkschaften für die Demokratie gesprochen und da habe ich die Zurufe und Zwischenrufe, Buh- und
Pfui-Rufe gegen die Rede des Bundespräsidenten glossiert und kommentiert. Ich habe die Auffassung, daß man die höchste Zuständigkeit alliierter Generäle nichtdeutscher Herkunft für leichter erträglich hält als die entsprechende Vollmacht in der Hand einer deutschen Regierung, als eine innere Störung des Verhältnisses zum deutschen Staat, zur deutschen Nation, zur deutschen Geschichte und zu den legitimen Machtmitteln der Demokratie bezeichnet. Das wollte ich hier gesagt haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

In den 17 Jahren meiner parlamentarischen Tätigkeit hatte ich in diesem Hause noch nie die Gelegenheit, ein Wort zum Reptilienfonds zu sagen. Ich möchte das auch heute nicht tun.

(Abg. Dr. Schäfer: Schade! Ich hatte schon die Hoffnung, Sie würden mit uns stimmen!)

— Ich werde dazu schon noch etwas sagen, Herr Kollege Schäfer.
Sie haben hier die Vermutung ausgesprochen, daß diese Mittel für nicht ganz saubere Zwecke ausgegeben würden. Es gibt in einem anderen Bundeshaushalt 8 Millionen DM, die nicht einmal, so wie es beim Reptilienfonds der Fall ist, der Kontrolle durch den Präsidenten des Rechnungshofes unterliegen, und als diese Frage im Haushaltsausschuß aufgerollt wurde, haben Sie mit keinem Wort gesagt, daß hier etwa der Verdacht bestehe, diese Mittel könnten für nicht ganz saubere, herzeigbare Zwecke verwendet werden.

(Zuruf von der SPD: Um welche Dinge ging es denn da?)

— Ich bin gern bereit, Ihnen kostenlos darüber Auskunft zu geben.

(Erneute Zurufe von der SPD: Hier! Hier! — Abg. Dr. Schäfer: Jetzt haben Sie Gelegenheit dazu!)

— Darüber ist im Haushaltsausschuß gesprochen worden. Sich über Wahlpropaganda aus Staatsmitteln zu erregen, gehört zwar auch als Requisit zu dem Arsenal einer Haushaltsdebatte, aber, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, Ihre sozialdemokratischen Landesregierungen können hinsichtlich des Einsatzes ihrer personellen und finanziellen Mittel für Public-relation-Zwecke der Bundesregierung wahrlich ein vorbildliches Beispiel geben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich wollte, die Bundesregierung würde das sozialdemokratische Beispiel zulänglicher nachahmen, als es bisher geschehen ist.
Lassen Sie mich zum zweiten und letzten Teil meiner Ausführungen kommen. Sie haben in dieser Generaldebatte mit Recht zu einigen außenpolitischen Problemen gesprochen und dabei auch die Frage „EWG 5 : 1, NATO 14 : 1" angeschnitten. Herr Kollege Erler, ich glaube, es ist eine Fehlbewertung der französischen Position, anzunehmen, daß die Fünf wegen ihrer Geschlossenheit den sechsten ge-



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zwungen haben, wieder auf dem Stühlchen Platz zu nehmen. Sie haben mit Recht gesagt, daß die Interessen des sechsten, in diesem Fall Frankreichs, schon im Hinblick auf den Absatz seiner Agrarprodukte so liegen, daß er nicht ohne schwerste innenpolitische Nachteile und Auseinandersetzungen die Vorteile aus dem Gemeinsamen Markt hätte aufgeben können.
Wenn man den Kompromiß von Luxemburg anschaut, der aus zwei Teilen besteht, dann kommt man zu folgender — ich sage weder „erfreulichen" noch auch von vornherein „erschreckenden" —Überlegung, daß der französische Staatspräsident in einem Punkte nachgegeben hat, wo er ohne Zweifel überspitzte Forderungen, nämlich gegen das Vorschlagsrecht der Kommission, aufgestellt hatte, daß er sich aber im zweiten Punkt, nämlich der Forderung: keine Überstimmung eines Partners bei lebenswichtigen Fragen, praktisch jede Möglichkeit offengehalten hat, weil er die Frage, wer entscheidet, was lebenswichtig ist, nur so beantwortet, daß jeder Teilnehmer, jede Nation, jeder Staat diese Frage für sich selber entscheiden kann und nicht eine Mehrheit der Stimmen anderer in einem nicht erwünschten Sinne über sich ergehen lassen muß.
Hier müssen wir also im Vollzug des Gemeinsamen Marktes Schritt für Schritt weiter gehen. Wir alle haben den Gemeinsamen Markt begrüßt. Wir sollten auch heute keinen Zweifel haben, daß der Gemeinsame Markt eine unentbehrliche Voraussetzung für jede europäische Architektur ist. Man mag diese oder jene Vorstellung haben, sofort mit Sieben und noch mehr. Man mag die Hoffnung haben, daß man sofort in die Integration eintreten kann. Ich habe diese Hoffnung seit Jahren nicht mehr. Aber ohne den Vollzug des Gemeinsamen Marktes ist ein politischer Ausbau Europas nicht möglich.
Allerdings warne ich auch vor der Illusion, den Gemeinsamen Markt als die Vorstufe einer politischen Union anzusehen, die sozusagen automatisch und zwangsläufig aus dem Gemeinsamen Markt herauswachsen müsse. Das ist nachgewiesenermaßen und auch rationalerweise — ich sage sogar gern dazu: leider — nicht der Fall. Wenn man hier die Haltung des französischen Staatspräsidenten bewertet, wie Sie es getan haben, Herr Kollege Erler, weiß ich, daß es bei Ihnen auch prominente Politiker gibt, die andere Nuancen betonen würden, die Kritik, Lob und Tadel etwas anders verteilen würden. Aber über eines besteht kein Zweifel: daß dieser Mann ganz bestimmte weitgehend geschichtlich und zum Teil auch militärpolitisch fundierte Vorstellungen nicht nur von der Rolle Frankreichs, sondern auch von der Rolle Europas hat und daß er in drei Fragen, nämlich europäische Architektur, Zwischenstufe und Endstufe, der Rolle Europas gegenüber Amerika in einer atlantischen Allianz, der Politik Europas gegenüber Moskau und den kommunistischen Subzentren und eventuell noch der Rolle Europas in der nicht gebunden Welt, eine Klärung verlangt.
Wir sind jetzt alle viel zu lange in der Politik, um Licht und Schatten; um weiß und schwarz so einfach zu verteilen. Er hat ohne jeden Zweifel durch sein Vorgehen die Krise in der NATO zum offenen
Ausbruch gebracht. Er hat durch seine Methoden Schwierigkeiten für eine Verständigung geschaffen, die wir erzielen müssen, weil die atlantische Allianz erhalten bleiben muß. Aber es wäre auch falsch, zu verkennen, daß in dieser Welt seit dem Jahre 1949, der Gründung der NATO, und dem Jahre 1955, unserem Eintritt, Veränderungen vor sich gegangen sind, denen die schwerfällige Bündnis-Beratungsapparatur nicht rechtzeitig nachgekommen ist. Ich möchte mich nur in dieser vorsichtigen Form ausdrücken, um nicht hier in längeren Ausführungen über diese Entwicklung und ihre Gründe, ihre Ziele, ihre Etappen usw. sprechen zu müssen.
Ich begrüße es, wenn Sie sagen: Die Anwesenheit französischer Truppen ist erwünscht. Aber dann kam eine sehr kräftige nationale Sprache — ich begrüße sie sehr —, als Sie sagten: aber nicht um jeden Preis, vor allen Dingen nicht um den Preis des Wiederauflebens einer Art Besatzungsrecht. Herr Kollege Erler, genau das war ja auch in den in diesem Hause so umstrittenen Debatten der Jahre 1950 bis 1955 bis zur Ratifikation der Pariser Verträge unsere Absicht, als wir die Pariser Verträge in schweren Auseinandersetzungen durchkämpften, nämlich nicht ewig besetztes Gebiet zu bleiben, nicht ewig Objekt der Politik anderer Mächte zu sein, sondern in bescheidenem Maße auch unser Schicksal selbst gestalten zu können.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich bin auch nicht der Meinung, daß sich französische Truppen um jeden Preis — gewissermaßen als Free Lancers — in Deutschland frei bewegen sollen, sich ihre Mission, so nannten Sie es, oder ihre militärische Aufgabe selbst suchen sollen, vielleicht eine ganz andere, als wir sie uns vorstellen oder als die NATO sie sich vorstellt — gewissermaßen als Legion auf Abruf für den, der sie gerade verwenden kann. Wenn ich mich in den letzten Tagen — Sie haben ja sehr höflich und indirekt darauf angespielt — zu dieser Frage geäußert habe, dann nicht im Hinblick auf die Krise im Westen, sondern im Hinblick auf die Vorgänge jenseits des Eisernen Vorhangs, im Hinblick auf die Vorgänge im Zentrum des in Umwandlung befindlichen kommunistischen Bereichs. Vielleicht würden Sie sagen, die Regierungsparteien hätten früher immer bestritten, daß etwas im Wandel sei. Ja, wir haben es früher bestritten, weil lange Zeit die monolithische Architektur erhalten geblieben ist. Wir sind aber so wandlungsfähig, uns dann, wenn erkennbare Anzeichen vorhanden sind, auch den Wandlungen anzupassen und damit diese Vorgänge sowohl intellektuell zu erfassen wie politisch mitzugestalten.

(Abg. Hermsdorf: Das bestreiten Sie uns aber! — Abg. Erler: Wenn andere das gleiche tun, erheben Sie das zum Vorwurf!)

— Nein, wir weigern uns nur, Bewegungen zu sehen, wo keine sind und auch keine Triebkräfte erkennbar sind, die zu diesen Bewegungen führen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

Ich darf für die Verhältnisse drüben sagen, daß heute die sowjetische Politik, von der Sie ja auch



Strauß
nicht bestreiten, daß sie letztlich für die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands und der Wiedervereinigung Europas entscheidend ist, drei klare Schwerpunkte hat. Neben manchen Schwerpunkten zeichnen sich diese drei mit besonderer Deutlichkeit ab. Das eine ist der Wunsch, sich irgendwie mit den Amerikanern zu verständigen, vielleicht in der langfristigen Hoffnung, die Amerikaner aus Europa herauszubringen — was wir aus gutem Grunde nicht wollen. Das zweite ist, in irgendeiner Form mit der chinesischen Frage fertig zu werden. Das dritte ist — das ist in diesem Zusammenhang für mich hier das Entscheidende —, ein Zustandekommen einer politischen Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland als Vorstufe einer europäischen politischen Union zu verhindern. Moskau legt ein entscheidendes Gewicht darauf, an dieser europäischen Flanke, nachdem es auf der einen Seite von den USA, auf der anderen Seite mit Rotchina konfrontiert ist, in Europa die Dinge — und damit auch für die Bundesrepublik und für die deutsche Frage — nach seinen Vorstellungen gestalten zu können.
Sie haben heute die „Süddeutsche Zeitung" zitiert und damit beweisen wollen, wie verschieden, wie durcheinandergehend, wie widersprüchlich diese Meinungen sind. Sie haben in dem Zusammenhang auch davon gesprochen, daß jemand gesagt habe — ich bekenne das, ich könnte es gewesen sein —, Moskau wünsche heute kein kommunistisches Gesamtdeutschland mehr. Ich bin tatsächlich dieser Meinung. Ich war der Meinung, daß Moskau nach dem Kriege unter ganz anderen europäischen Voraussetzungen in der Zeit Stalins bereit gewesen ist, den Wunsch gehabt hat, den Vormarsch zum Rhein und zum Atlantik gesellschaftspolitisch und, wenn möglich, auch mit revolutionär-militärischem Hintergrund zu betreiben.
Ich glaube heute, daß Moskau zur Zeit auf die Konsolidierung des Status quo und auf die Lähmung der Bundesrepublik mehr Wert legt als auf ein kommunistisches Gesamtdeutschland mit 80 Millionen Einwohnern und dem damit unvermeidbar verbundenen wirtschaftlichen Potential. Wenn ich das heute aussage, ist das nicht eine späte Erkenntnis, sondern es ist der Ausdruck der gegenüber damals veränderten Situation. Das meinte ich auch, wenn ich sagte, daß wir sehr wohl veränderten Situationen Rechnung tragen können, bloß noch lange nicht den Zeppelin am Himmel sehen, wenn noch kaum eine Schwalbe zu sehen ist.
Ich sagte: wir begrüßen es, wenn Sie den Verbleib der französischen Truppen auf deutschem Boden wünschen. Denn es gäbe für Moskaus Politik in dieser Definition kaum einen größeren Triumph als den Abzug der französischen Truppen, womit die Einheitlichkeit der Verantwortung der drei westlichen Siegermächte für Deutschland und für Berlin zerrissen wäre. Das heißt nicht, daß wir uns demütig unterwerfen sollen, das heißt nicht, daß wir alles blind hinnehmen sollen, was der französische Staatspräsident über uns beschließt; das heißt aber, daß wir — und das ist auch der Gegenstand der Unterredungen und der Diskussionen in unserem Kreise gewesen, die ja zu einer Übereinstimmung geführt haben — mit dem französischen Staatspräsidenten
um eine gemeinsame Gestaltung Europas ringen und deshalb nach klaren Prioritäten verfahren, uns nicht von kleineren Dingen so beeinflussen lassen, daß dadurch größere Entwicklungen und Dinge zerstört oder hintangehalten werden. Das ist der Sinn.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir sagen selbstverständlich, daß die Deutschlandpolitik der Westmächte im Osten koordiniert werden muß. Sie haben den Bundeskanzler darauf hingewiesen, daß ein Brief dafür noch zu wenig sei. Nun, es ist hier nicht an der Zeit und auch kaum die Möglichkeit gegeben, eine sorgfältige Analyse der Frage vorzunehmen, wie weit das Vorgehen der Westmächte koordiniert ist, wie weit hier Dissonanzen, Differenzen und divergierende Tendenzen auftreten.
Aber um ein Wort zu dem geplanten Redneraustausch zu sagen, zu dem ich meine Position in wenigen Sätzen umreißen will: Wenn Sie vorhin davon gesprochen haben, man könne die Frage, was den Vorrang verdiene, der Redneraustausch oder der Besuch de Gaulles in Moskau, nicht zugunsten des zweiten beantworten, genauso wenig wie ein Mensch sagen könne, er wolle nur essen, aber nicht trinken, dann gebe ich Ihnen in dieser Formulierung natürlich weitgehend nicht recht. Die Frage ist: Was ist politisch von größerer Dimension? Ich glaube, die Frage, welche Rolle de Gaulle in Moskau spielt, ist für die langfristigen Überlegungen der Moskauer Politik von größerer Bedeutung als der noch so gute, von uns gewünschte und erhoffte, Ausgang eines rhetorischen Schlagaustausches zwischen Ihnen und der SED. Das ist meine Meinung dazu. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß es keinem anständigen Menschen einfallen könnte, Ihnen in demagogischer Weise irgendwelche Unterstellungen usw. anzuhängen, wenn Sie bei diesem Programm Schwierigkeiten haben. Ich erlaube mir nur, zu sagen, daß die Dimension für die Bewegung der politischen Probleme im Großen nicht mit einem Vergleich von Redneraustausch und Besuch de Gaulles in Moskau mit Essen und Trinken in der Formulierung verniedlicht werden darf.
Ich sage es noch einmal sehr scharf, was ich meine; es ist vielleicht nicht einmal sehr freundlich für die französische Adresse. Ich bin oft gefragt worden, auch in den Vereinigten Staaten: „Was halten Sie von de Gaulle?" Ich habe es so oft gesagt, daß man es jetzt auch hier im Parlament sagen kann: „Ich halte ihn für. eine Mischung zwischen einer Jeanne d'Arc und einem politischen Kosmonauten",

(Heiterkeit)

wobei die Komponenten manchmal um die Fünfzigprozentgrenze wechseln. Bei der einen Entscheidung ist er mehr das eine und bei der anderen mehr das andere, und es ist dann sehr schwer festzustellen, wo er jeweils steht.
Ich habe vorhin gesagt, welche Ziele und Wünsche de Gaulle in Moskau, welche Ziele und Wünsche Moskau bei dem Besuch de Gaulles verfolgen. Ich wage deshalb auch, seinen Besuch zu analysieren: Er wird sehr gelobt, aber weniger geachtet werden, wenn er sich als Verhinderer der Einigung



Strauß
Europas und wenn er sich etwa als Ansatz zu einem neuen Gegensatz Frankreich—Deutschland verhält. Er wird weniger gelobt, aber um so mehr geachtet werden, wenn er als Sprecher der europäischen Einigung und als Treuhänder der Wiedervereinigung Deutschlands in Moskau auftritt. Das ist die Alternative für seinen Besuch.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich verlange nicht restlose Harmonie in der Politik, die gibt es nicht; aber ich warne vor der Illusion, mit de Gaulle gemeinsame Ostpolitik zu machen, wenn man nicht in den entscheidenden Fragen der Westpolitik zu gewissen notwendigen, minimal erforderlichen Verständigungen kommt. Man kann nicht die beiden Kriegsschauplätze — das Wort ist ominös —, man kann nicht die beiden politischen Schauplätze so voneinander trennen, daß man sagt, hier stehen wir uns mit geschlossenem Visier gegenüber, und dort marschieren wir Arm in Arm, um gemeinsame Ziele zu erfüllen.
Sie haben in diesem Zusammenhang auch davon gesprochen, daß die Schaltstelle in der Hand — —

(Abg. Dr. Mommer: Wo ist denn der Bundesaußenminister?)

— Lieber Herr Mommer, wir sind doch Parlamentarier, die diskutieren.

(Abg. Erler: Der Außenminister sollte es wenigstens hören; es ist so interessant, was Sie sagen!)

— Der Redner spricht zum Parlament.

(Abg. Dr. Schäfer: Nein, Sie sprechen zu Herrn Schröder!)

Ich hatte in der letzten Zeit soviel Gelegenheit, überall meine Meinung zu sagen, und ich habe mich so gefreut, daß wir in allen wesentlichen Grundsätzen und Zielen zu einer gemeinsamen Auffassung gekommen sind, daß ich zwar Ihren humorvollen Ärger verstehen kann, wenn bestimmte Legenden von tiefen Dissonanzen nicht weiter zu pflegen sind; aber trotzdem darf ich gerade deshalb meine Meinung zu diesem Problem doch auch hier sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Schmidt [Hamburg] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Bitte sehr!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0504120900
Herr Abgeordneter Schmidt (Hamburg) zu einer Zwischenfrage.

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0504121000
Herr Kollege Strauß, würden Sie trotz des Dementis über die Dissonanzen mir zustimmen, daß Ihnen diese Gelegenheit einer Plenarsitzung hochwillkommen ist, um mit dem Gesicht zum Parlament in Wirklichkeit Ihrem Kollegen, dem Bundesaußenminister, die Meinung. zu sagen?

(Heiterkeit bei der SPD. — Lachen bei der CDU/CSU.)


Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0504121100
Ich kann leider nur sagen, daß diese Ihre Frage — im Gegensatz zu manchen
anderen Fragen — keinen Ansatz zur sachlichen Lösung eines Problems bietet.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Abg. Erler: Das ist richtig, weil das Problem unlösbar ist! — Heiterkeit bei der SPD.)

— Kein Problem ist zwischen Vernünftigen unlosbar,

(große Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD.)

und man darf die Geduld nicht verlieren. Es hat sich auch von unserer Seite aus Ihnen gegenüber gezeigt, daß wir uns auf einmal weitgehend auf dem Boden gemeinsamer politischer Grundsätze befunden haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Aber wenn Sie schon diese Frage stellen, dann darf ich Sie doch wohl daran erinnern, daß es bei Ihnen ganz schwerwiegende Dissonanzen gibt.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Es geht uns ja nur am Rande etwas an, es ist Ihre Sache. Mich hat dabei die Frage bewegt — ich stelle das nur als eine Frage —: Warum haben Sie z. B. die bei Ihnen innerhalb Ihrer eigenen Partei laufende Untersuchung über Herkunft und Quelle gewisser Beschuldigungen gegen Herrn Wehner abgebrochen — deshalb, weil Sie dabei nicht weitergekommen sind, oder deshalb, weil das Bild, das sich geboten hat, einer neugierigen Presse nicht mehr hätte gezeigt werden können? Das war nur eine Frage.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf des Abg. Hermsdorf.)

— Die Frage darf man doch stellen. Sie reden dauernd von Gegensätzen bei uns zwischen Herrn Schröder und mir, von Dissonanzen zwischen CDU und CSU, von Intrigen und Kämpfen. Wenn wir aber einmal eine Frage stellen, dann ist das ein Eingriff in Ihre geheiligte innerparteiliche Souveränität.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich höre ja mit diesem Teil des Themas auch auf, Herr Kollege Hermsdorf. Aber haben Sie gemerkt, wie widersprüchlich Ihre Ausführungen in der Frage der Termingestaltung des Redneraustausches waren? Zuerst hieß es: Beide Termine müssen im Mai sein, dann hieß es: Der eine im Mai und der andere im Juli, und jetzt heißt es bei beiden: Im Juli. Ich möchte Sie gar nicht davon abhalten, obwohl Sie manches zunächst als unabdingbar erklärt haben. Ich behaupte auch nicht, Herr Kollege Erler, daß die Resolutionen für Ihren Parteitag, die ja mit der in Ihrer Partei üblichen demokratischen Offenheit im Parteiorgan abgedruckt werden, einen Rückschluß auf Ihre offizielle Politik zulassen. Aber da steht natürlich eine Fülle von Formulierungen darin, die ich in der Kürze der Zeit hier nicht vorlesen kann, — Formulierungen, die auch nach Ansicht der offiziellen politischen Führungslinie der SPD nicht unbedenklich, ja, man kann sagen, geradezu gefährlich sind.

(Abg. Erler: Darf ich dazu eine Frage stellen?)

— Bitte sehr!




Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0504121200
Entsinnen Sie sich noch, daß hier im Bundestag einmal als Stolz der CSU vorgetragen wurde, daß dort noch diskutiert werde,

(Abg. Strauß: Eben!)

während das in der SPD nicht geschehe? Ergibt sich nicht aus Ihren Hinweisen, daß bei uns lebhaft diskutiert wird, und wissen Sie auch, daß zum Schluß bei Abstimmungen in der SPD immer die Mehrheit entscheidet, also unter dem Strich gerechnet wird und nicht nach der Zahl der Resolutionen?

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0504121300
Das bestreite ich nicht. Ich darf Sie nur an den Ausgangspunkt dieser meiner stilkritischen Bemerkungen erinnern, nämlich die Verlesung eines Kommentars aus der „Süddeutschen Zeitung" über den angeblich heillosen Wirrwarr, der bei uns herrsche. Dazu habe ich Ihnen heute schon gesagt, daß wir mit Recht für uns in Anspruch nehmen können, daß Sie mit Ihrer hundertjährigen Tradition, mit Ihrem hundertjährigen Programm sich in den beiden wesentlichen Streitpunkten der Nachkriegspolitik auf den Boden unseres Programms gestellt haben, daß allerdings bei Ihnen noch schwerwiegende Auseinandersetzungen sind. Nehmen Sie den DGB-Kongreß in Berlin. Der war doch in der Mehrheit von SPD-Funktionären besucht; das kann doch nicht bestritten werden. Also das Notstandsrecht zum Beispiel.

(Zuruf von der SPD: Woher wissen Sie denn das?)

Herr Kollege Brandt hat einen sehr mutigen Brief geschrieben und hat vor der subversiven Gefahr gewarnt. Sie geben sich keinem Irrtum hin über das, was mit dem Redneraustausch zu erzielen ist. Sie geben sich keinem Irrtum darüber hin, welche Risiken und nicht nur welche Möglichkeiten darin liegen. Aber in einem kann ich Ihnen nicht recht geben, Herr Kollege Erler, nämlich wenn Sie der Meinung wären, daß nunmehr draußen in der Öffentlichkeit das gesamtdeutsche Gespräch in Bewegung geraten sei, daß wir der Welt den Beweis geliefert hätten, wie die Deutschen mit aller Macht und mit aller Energie an diese Frage herangehen, daß diese Frage nicht vergessen ist.
Ich habe hier eine ganze Fülle von Material aus dem kommunistischen Bereich, aber gesendet bei uns — z. B. vom Norddeutschen Rundfunk, vom Westdeutschen Rundfunk —, von Material aus einer Reihe von anderen Staaten, von persönlichen Erfahrungen, die der Kollege Rasner in Japan und Hongkong gemacht hat, und von Erfahrungen anderer, daß man draußen jetzt allmählich in eine Vorstellungswelt verfällt, als ob die Deutschen drauf und dran seien, sich der Konföderationsidee zu ergeben, als ob die Deutschen von hüben und drüben jetzt schon ganz nahe beisammen seien und als ob deshalb das eigentliche deutsche Problem, das Freiheit u n d Einheit, sei es auf einmal, sei es in Etappen, heißt, nicht mehr als internationale Aufgabe für alle Menschen der demokratischen Lebensordnung existieren würde. Das ist die große Gefahr, und auch sie müssen wir sehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Warum sage ich das? Ich werfe Ihnen wahrlich nicht vor, daß die Initiative von drüben ausgegangen ist. Auch drüben gibt es heute Stimmen, die sagen: Hier kommen Bewegungen in Gang, hier werden Kräfte bei uns wach, die wir unter Kontrolle halten müssen. Das gibt es drüben. Es ist dies eine Abwägung, eine Bewertung von Vorteilen und von Nachteilen.
Aber eines darf ich hier in aller Deutlichkeit sagen: Es kann keine Rede davon sein, daß Moskau etwa die Kontrolle über die Zone zu verlieren begonnen hat.

(Abg. Dr. Schäfer: Wer hat denn das gesagt?)

— Habe ich behauptet, daß Sie es gesagt haben?

(Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD: Na also!)

Ich sage es nur, weil das Parlament ja ein Ort der Aussprache nicht nur mit der Opposition, sondern auch mit Meinungen und Strömungen ist, die man in Deutschland findet. Und es ist gut, es auch hier zu sagen:

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es kann keine Rede davon sein, daß etwa ein gesamtdeutscher Dynamismus entstanden, eine gesamtdeutsche Lawine in Bewegung geraten ist. Und es kann keine Rede davon sei, daß die Zone etwa der Kontrolle Moskaus zu entgleiten drohe. Wir müssen natürlich mit größter Sorgfalt solche Bewegungen verfolgen, wie sie jetzt in Rumänien im Gange sind — Sie werden wissen, was ich meine —, wo das Gefüge des ganzen Warschauer Paktes von einem nicht unwesentlichen Zwangsverbündeteten zur Diskussion gestellt ist. Aber für das Verhältnis Rußland-Zone ist diese Beobachtung heute nicht — ich würde lieber sagen: noch nicht, aber ich sage trotzdem, nach meiner inneren Überzeugung objektiv und subjektiv wahrscheinlich richtiger: nicht — möglich. Vielleicht kommt es dahin. Vielleicht helfen Sie, einen kleinen Schritt auf diesem Wege weiterzugehen. Aber der eigentliche Gesprächspartner ist Moskau, und die eigentliche Aufgabe ist, das Gespräch des Westens und auch unser eigenes Gespräch mit Moskau so zu führen, daß Moskau von der Vorstellung abkommt, die es bei der Unterstützung dieser Aktion verfolgt.

(bei der die Bedingungen der Konföderation jeweils von der Zone dirigiert werden. Die letzte Rede, die Ulbricht zum 20. Jahrestag der Gründung der SED gehalten hat, zeigt ja ganz genau, welche Vorstellungen dort vorhanden sind. Wir müssen der Welt, ganz gleich, wie Strauß wir diesen Vorgang, diese Aktion (bewerten, immer wieder täglich, von morgens bis abends, klarmachen, daß wir nicht das geringste mit der Konföderationsidee gemeinsam haben, daß wir uns mit allen Mitteln dagegen zur Wehr setzen, in irgendwelche konföderativen Wünsche, Überlegungen oder Konstruktionen eingespannt zu werden. Dann ist die Auseinandersetzung mit drüben, bei der sicherlich angesichts der dortigen staatlichen Verhältnisse die Bedingungen weitgehend von drüben gesetzt werden, in den richtigen Zusammenhang hineingestellt. Es kann keine Rede davon sein, daß wir in der Deutschlandfrage nur reagieren und nicht agieren. Wenn aber Herr Brandt neulich gesagt hat, die Aufgabe sei nicht die gesamtdeutsche Untätigkeit, dann wollen Sie doch bitte nicht immer den Eindruck erwecken, als ob Sie ein Rezept hätten, mit dem man ständig tätig sein könnte, ständig neue Initiativen entfalten könnte. Ich wage deshalb eines dagegen zu sagen: es ist besser, manchmal die Dinge mit kalter Gelassenheit zu verfolgen, als gesamtdeutsch das Falsche zu tun und sich in hektichen Aktionen zu erschöpfen, weil sie dann nicht mehr glaubhaft sind. (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Wem sagen Sie das!)





(Beifall bei der CDU/CSU — Zustimmung .des Abg. Freiherr von Kühlmann-Stumm)

Ich denke an das, was vor kurzem zwei maßgebende
britische Zeitungen geschrieben haben — ich habe die Stimmen bei mir —, daß die Deutschen ein nervöses Volk geworden seien. Wir dürfen in der Frage bei all unserer inneren Ungeduld kein nervöses Volk werden, sondern ein Volk, das — ich spreche jetzt auch in den Vorstellungen Moskaus — die im Rahmen seiner Möglichkeiten gegebenen machtpolitischen Chancen für .die Wiedervereinigung als zuverlässiger Partner einer guten Friedensordnung einzusetzen sich nicht scheuen wird.

(Beifall hei der CDU/CSU.)

Hier ist unser Partner nicht — er mag sein, wo auch immer — in der Zone zu finden. Hier ist der Partner für das große Gespräch in Moskau zu finden.
Herr Kollege Erler, wir haben im Zusammenhang mit dem Haushalt eine Reihe von politischen Problemen erörtert. Das letzte, fast verbittert klingende Wort, das Sie dem Bundeskanzler vorhielten, er habe gesagt, die SPD ,sei eine Partei ohne Gesinnung, möchte ich aufgreifen und Ihnen bei persönlicher guter Kenntnis .des Bundeskanzlers — gute Kenntnis heißt nicht, ,daß man an jedem immer alles richtig und schön findet — sagen, daß dieser Bundeskanzler bei seiner politischen Einstellung, auch bei seiner persönlichen Mentalität, gar nicht daran denkt, die SPD als eine Partei ohne Gesinnung darzustellen.

(Beifall bei ,der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD.)

Sie sollten wahrlich nicht Formulierungen, die in
den Zusammenhang weder seines politischen Konzeptes noch seines persönlichen Charakters hineinpassen, herausgreifen, um damit Fronten zu schaffen, die hier gar nicht existieren. Niemand wird Ihnen politische Gesinnung absprechen; niemand wird Ihnen vorwerfen, daß Sie Ihre Gesinnung gewandelt haben, weil Sie mehrmals in entscheidenden Fragen Ihre Politik geändert haben. Aber ich glaube, das Rezept, das Sie dem Bundeskanzler empfohlen haben, müssen Sie in erheblich stärkerer Verdichtung für Ihre eigenen Wahlkampfmethoden, wovon auch ich ein Lied zu singen vermag, anwenden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn Sie dabei das Rezept mit dem gleichen Prozentgehalt hüben und drüben anwenden, dann wird allerdings ein wesentlicher Beitrag zur Versachlichung der politischen Diskussion und zur Entspannung der parteipolitischen Fronten im Sinne einer Lösung gemeinsamer größerer Probleme, die in immer stärkerem Maße hier in den Vordergrund treten — in diesem Parlament und draußen —, geleistet. Dann werden die beiden gewünschten Wirkungen eintreten.
Bei aller Lautheit meiner Sprache wollte ich mit meinen Ausführungen heute einen Beitrag zur Analyse liefern, den Sie für gut oder für schlecht halten mögen, der aber das politische Gespräch fördern und nicht politische Fronten aufreißen soll.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Beifall bei Abgeordneten der FDP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0504121400
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0504121500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kollegen Erler und Strauß haben mit Recht unserem Haushaltsausschuß für seine Arbeit gedankt. Der Kollege Emde hat davon gesprochen, wie mühselig es ist, das, was der Haushaltsausschuß hier tun muß, im eigenen Bereich draußen in den Veranstaltungen vertreten zu müssen. Ich weiß, daß alle Kollegen, die eigene Anliegen haben, dann, wenn sie nicht zum Ziel kommen, oft unsere Freunde im Haushaltsausschuß als die Schuldigen ansehen. Trotzdem sollten wir uns gerade am heutigen Tage alle bewußt sein, daß die Arbeit unserer Freunde im Haushaltsausschuß für uns, für unsere ganze parlamentarische Tätigkeit von entscheidender Bedeutung ist, und ihnen dafür in unser aller Interesse Dank sagen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine Damen und Herren, es ist hier mit aller Deutlichkeit schon der Behauptung des Kollegen Erler, die Regierung habe eine dürftige Bilanz vorzulegen, entgegengetreten worden. Der Bundeskanzler, der Kollege Strauß haben es getan. Eines verwundert mich etwas. Wenn man nach wenigen Monaten, wenn der erste Haushaltsplan vorliegt, glaubt, daran schon eine gesamte Regierungserklärung messen zu können, dann muß ich fragen: Wo sind eigentlich die sozialdemokratischen Initiativen in diesem Hause bis heute geblieben?

(Beifall bei der FDP.)

1828 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966
Mischnick
Sie sind doch aus dem gleichen Grunde zurückgestellt worden, aus dem die Bundesregierung wie die Fraktionen der Koalition der Meinung war, mit neuen Initiativen zurückhaltend sein zu sollen, bis durch die Haushaltsberatung ein Rahmen gesetzt ist, der uns für unsere künftige Arbeit die Möglichkeit gibt, eine kontinuierliche Entwicklung einzuhalten.

(Anhaltende Unruhe.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0504121600
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0504121700
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser zur zweiten Lesung vorgelegte Haushalt macht deutlich, daß der Wunsch aller Fraktionen, auch vom Bundestag her dazu beizutragen, daß die Ausweitung der öffentlichen Ausgaben eingedämmt wird, dazu geführt hat, daß alle Fraktionen — und wir erkennen dankbar an, daß es auch von seiten der Opposition geschehen ist — mitgeholfen haben, den Rahmen von 69 Milliarden DM zu unterschreiten, statt über ihn hinauszugehen. Das ist deshalb besonders erfreulich, weil ich mich noch sehr gut an die Diskussion im Wahlkampf erinnern kann, als die Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion die Frage an die Abgeordneten der Regierungskoalition richteten, wo sie denn streichen wollten, als wir die Gegenfrage an Sie richteten, ob Sie denn nicht bereit seien, endlich einmal zu sagen, was Sie einsparen wollten, und als die Antwort kam: „Wir sollen das vor den Wahlen sagen? Wir denken gar
nicht daran!" — Das machte deutlich, daß der Vorwurf, die Regierung, die Regierungsparteien hätten in ihrer Ausgabenpolitik nicht richtig funktioniert, aufrechterhalten wurde, aber das „Bessermachen" auch damals nicht dargelegt werden konnte. Ich erinnere mich hierbei ganz besonders daran, daß bei dieser Auseinandersetzung davon gesprochen wurde, wir, die Regierungsfraktionen, hätten Wahlgeschenke verteilt. Herr Kollege Erler sprach davon, man habe jetzt die Attrappen, die man in das Wahlschaufenster gestellt habe, wieder herausgezogen. Nun wundert mich nur eines: wieso die sozialdemokratische Opposition vor der Wahl solchen Attrappen zustimmen konnte und warum sie dann nicht gegen diese Attrappen gestimmt hat, wenn sie es als Attrappen angesehen hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es zeigt sich doch immer wieder, daß in der Beurteilung der Situation durchaus unterschiedliche Auffassungen bestehen können, daß aber die Bereitschaft, bei eingefahrenen Dingen Veränderungen vorzunehmen, nicht zuletzt — und das zieht sich quer durch alle Fraktionen — unter dem Gesichtspunkt steht: ist es auch nach draußen verkaufbar? Was wir jetzt für unsere weiteren Beratungen brauchen — nicht nur zur zweiten und dritten Lesung dieses Haushalts, sondern auch für die künftigen Haushalte —, ist der Mut, Entscheidungen, die in diesem Hohen Hause zu fällen sind, nicht unter dem Gesichtspunkt zu treffen, wie es draußen ankommt, sondern nur unter dem Gesichtspunkt, was in der derzeitigen Finanzsituation der Bundesrepublik für das ganze Volk notwendig ist und nicht
unter dem Gesichtspunkt, was wünschenswert ist. Das muß der Maßstab sein.

(Beifall bei der FDP.)

Mit Recht ist gesagt worden, es sei nicht gelungen, die Preissteigerungen aufzufangen. Von einer Hilflosigkeit der Bundesregierung zu sprechen, ist falsch. Denn Sie wissen sehr genau, daß eine ganze Reihe von Maßnahmen — über den Rahmen des Bundeshaushalts hinaus — zur Diskussion gestellt sind und sich in den Beratungen befinden. Eines dürfen wir allerdings nicht vergessen: Unser ganzes Bemühen, den Bundeshaushalt unter 69 Milliarden DM zu halten, hat wenig Wirkung, wenn nicht Länder und Gemeinden in der gleichen Richtung mitziehen. Sie, meine Kollegen von der SPD, tragen ja in vielen Gemeinden die Verantwortung. Wir hoffen, daß Sie dort genau den gleichen harten Maßstab anlegen, den Sie bei der Beurteilung der Bundesregierung immer anwenden.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten in der Mitte.)

Mit Recht haben Sie darauf hingewiesen, daß die Preissteigerungen aus den verschiedensten Bereichen kommen, und es ist hier klargestellt worden, aus welchen Gründen das eine oder andere geschehen muß. Aber lassen Sie mich in aller Offenheit sagen, obwohl es für manche Futter für Reden gegen Freie Demokraten sein mag: Wer von Preissteigerungen spricht, wer die negativen Wirkungen der Preissteigerungen mit Recht kritisiert, muß auch bereit sein, die Auswirkungen von Lohnsteigerungen auf die Preise in seine Betrachtungen mit einzubeziehen.

(Beifall bei der FDP.)

Das bedeutet nicht etwa, daß wir Freien Demokraten gegen Lohn- und Gehaltssteigerungen wären. Ganz und gar nicht! Aber alles muß sich im Rahmen des Produktivitätsfortschritts halten, und es darf nicht durch überspannte Forderungen auf andere, die sich bisher zurückgehalten haben, ein Anreiz ausgeübt werden, in die gleiche Richtung zu drängen.
Natürlich kann man die Kriegsopfer nur zu gut verstehen, wenn sie sagen, daß drei Jahre nach dem letzten Anpassungsgesetz auch für sie eine solche Anpassung erforderlich sei. Warum aber ist manches für die Kriegsopfer davongelaufen? Weil ihr Abstand durch Lohnsteigerungen über Rentensteigerungen immer größer wurde. Wir haben nun durch die Gesetzgebung hier entsprechend nachzuziehen. Die Wirkung geht also von einer anderen Seite aus, als uns das oft gesagt wird.
Herr Kollege Erler, Sie sagten, die Überstundenforderung des Bundeskanzlers stehe im Widerspruch zur Lage im Kohlenpott. Ich muß ehrlich sagen, ich war über diesen Vergleich etwas überrascht; er paßt gar nicht in Ihre sonstige Argumentation herein. Denn jedermann weiß, daß das Problem der Arbeitskräfte in der Bundesrepublik — 600 000 freie Stellen, 1,2 Millionen Gastarbeiter — unabhängig von den Schwierigkeiten örtlicher Natur im Ruhrgebiet besteht. Es sind aber — Herr Kollege Strauß
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 1829
Mischnick
sagte es — nicht nur Appelle notwendig. Wir können auch praktisch etwas tun.
Wir Freien Demokraten haben entsprechende Gesetzentwürfe eingebracht, und eine Reihe von Kollegen der CDU/CSU haben mit unterschrieben. Wir sprechen immer davon, das Arbeitskräfteangebot zu erhöhen. Seien wir dann doch auch bereit, die Konsequenzen hier in diesem Hohen Hause zu ziehen und die Frage der Teilzeitarbeit sowie die Frage der Lohnsteuerbefreiung für Überstunden im Sinne des FDP-Antrags zu lösen.

(Beifall bei der FDP.)

Hier sind praktische Möglichkeiten, die negativen Einwirkungen auf das Preisgefüge, die von der Enge auf dem Arbeitsmarkt ausgehen, durch entsprechende Maßnahmen zumindest zu mildern. Kein Mensch von uns glaubt, daß damit alle Probleme aus der Welt geschafft seien. Wir wissen aber, daß es durch viele kleine Maßnahmen möglich sein wird, in diesem Bereich zumindest eine gewisse Beruhigung zu erzielen.
Von dem Kollegen Strauß ist darauf hingewiesen worden — er hat das mit Recht betont —, daß wir keine Möglichkeit haben, in die Tarifautonomie einzugreifen. Wir wollen das bewußt nicht. Allerdings ist es gut, immer wieder allen Verbrauchern klarzumachen, daß es nicht in ihrem Interesse liegen kann, wenn sich Arbeitgeber auf der einen Seite und Gewerkschaften auf der anderen Seite auf dem Rücken der Verbraucher einigen. Das Problem besteht doch darin, daß oft eine zu große Nachgiebigkeit bei den Arbeitgebern und zu große Forderungen der Gewerkschaften in Industriebereichen, die es sich leisten können, für die schwächeren Teile unserer Wirtschaft nachteilige Folgen gehabt haben.

(Beifall bei der FDP.)

Morgen wird noch eine wirtschaftspolitische und finanzpolitische Runde — wenn ich so sagen darf — hier stattfinden. Ich möchte deshalb zu den Problemen der Entwicklung des Kapitalmarktzinses nur einige wenige Bemerkungen machen. Mit Recht wird darauf hingewiesen, daß die öffentliche Hand hier sehr wesentlichen Einfluß nimmt, je nachdem, wie stark sie an den Kapitalmarkt herantritt. Wir sind sehr froh, daß der Herr Bundesfinanzminister seine Politik darauf abgestellt hatte, vom Bund her möglichst wenig an den Kapitalmarkt zu gehen. Das kann aber nun nicht das Signal sein, daß dafür andere Träger der öffentlichen Hand, wie z. B. die Kommunen, glauben, sie müßten diesen Raum um jeden Preis ausfüllen, und damit genau die negative Wirkung erreicht wird, die wir vom Bund her vermeiden wollen.
Daß diese Warnung nicht ganz unberechtigt ist mögen Sie daran sehen, daß wir heute bereits eine große Zahl größerer Gemeinden haben, die ihre Investitionen durch vorschüssige Finanzierung verwirklichen wollen. Das Ergebnis ist, daß wir in einzelnen Bereichen bereits mehr vorschüssige Finanzierung haben, als der Kassenbestand, ja als die Steuereinnahmen dieser Gemeinden ausmachen. Woher rührt das? Das rührt einfach daher, daß man jahrelang, ja fast ein Jahrzehnt lang hier nicht die
nötige Sorgfalt bei der kommunalen Überwachung angewendet hat, um sicherzustellen, daß sich die Ausgabenpolitik der Gemeinden und Kreise im Rahmen des allgemein Vertretbaren hält, daß man oft das Wünschenswerte vor dem Notwendigen getan hat. Ich will jetzt nicht einzelne Beispiele anführen. Ich kenne leider aus eigener Erfahrung genügend Beispiele, die deutlich machen, daß von unseren sozialdemokratischen Kollegen noch manches an Überzeugungsarbeit vom Bund über die Länder bis zu den Gemeinden geleistet werden muß.
Der Herr Kollege Erler hat davon gesprochen, daß die Denkpause in der sozialen Gesetzgebung zwar durchaus richtig sei, man aber das Gefühl habe, daß diese Denkpause nur benutzt werden solle, um Demontagen vorzubereiten. Daß das nicht so ist, hat der Bundeskanzler zum Ausdruck gebracht. Allerdings, glaube ich, sollten wir alle den Mut haben, zu erkennen, daß Beschlüsse, wie sie z. B. 1957 bei der Verabschiedung der Rentenreform gefaßt worden sind, in Kürze uns alle zu neuen Diskussionen zwingen werden. Es ist doch nun einmal kein Geheimnis mehr, daß wir im Laufe dieses Jahres mit der Sozialenquete, mit einer Vorlage zum nächsten Deckungsabschnitt der Rentenversicherung hier erneut Grundfragen beraten müssen und Enrscheidungen über die künftige Finanzierung zu fällen haben. Wir sind nicht der Meinung, daß das unter dem Gesichtspunkt geschehen sollte: Zuschüsse an die Rentenversicherung sind Subventionen, und deshalb müssen sie gekürzt werden. Man muß aber die Fragen der Beitragszahlung an die Rentenversicherung und der Bundeszuschüsse im Zusammenhang sehen. Das eine Mal bringt es ja der Betreffende irber seinen Beitrag auf, das andere Mal über seine Steuerzahlung. Denn wir sind doch alle über den Aberglauben hinaus, daß die Zuschüsse an die Renrenversicherung etwa nur durch die hohen Einkommen aufgebracht werden. Sie werden genauso von Arbeitern und Angestellten durch die von ihnen gezahlten Verbrauchsteuern wie auch von denjenigen, die nicht in der Rentenversicherung sind, mit aufgebracht. Wir sollten deshalb diese Fragen setzt nicht im einzelnen zur Diskussion stellen, aber in diesem Herbst in aller Gründlichkeit prüfen, ob der Weg, der bisher beschritten worden ist, in finanzieller Hinsicht auch in Zukunft so weiter begangen werden kann oder ob wir hier andere Lösungsmöglichkeiten in Aussicht nehmen müssen.
Die Frage der Subventionen ist hier generell angesprochen worden. Mit Recht hat Herr Kollege Emde darauf hingewiesen, daß in diesen wenigen Wochen der Haushaltsberatungen nicht die zeit war, alle Subventionen Punkt für Punkt vorzunehmen, sie auszuforsten. Hier wird es sich erweisen, ob die Gemeinsamkeit, die bei der Beratung im Haushaltsausschuß über die Begrenzung des Haushalts guer durch alle Fraktionen vorhanden war, auch dann vorhanden sein wird, wenn wir diese Subventionen durchforsten wollen. Machen wir uns nichts vor: Abbau langjähriger Subventionen wird in großem Umfange nur möglich sein, wenn keiner versucht, daraus eine gezielte Propaganda gegen diejenigen zu machen, die hier den Rotstift ansetzen wollen.

(Beifall bei der FDP.)

1830 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966
Mischnick
Wenn das geschieht, dann ist diese Frage von vornherein, ich will nicht sagen: zum Scheitern verurteilt, aber dann werden nur Bagatellösungen herauskommen. Hier sollten wir alle gemeinsam den Mut haben, den Rotstift anzusetzen und auch gemeinsam die Verantwortung zu tragen. Ich bin sicher, es wird dann viel leichter sein, als sich das mancher heute vorstellt.
Herr Kollege Erler hat mit vollem Recht darauf hingewiesen, und auch wir sind dieser Auffassung, daß der Ausbau des sozialen Rechtsstaats ohne die Arbeitnehmerorganisationen nicht möglich sei. Die Organisationsfreiheit, die in unserem Grundgesetz garantiert ist, darf nicht nur ein Verfassungspostulat sein, es muß auch in der praktischen Arbeit eine entsprechende Auswirkung möglich sein. Allerdings meinen wir, daß zu diesem Recht auch eine gewisse Pflicht gehört, nämlich die Pflicht gegenüber dem Staat, der das Recht einräumt, sich frei organisieren zu können, ihm die Möglichkeit zu geben, sich für den Notstandsfall entsprechend rüsten zu können. Das Recht der Organisationsfreiheit und die Pflicht, dem Staat eine entsprechende Bereitschaft zur Mitwirkung zu beweisen, sind meiner Meinung nach unabdingbar miteinander verbunden.

(Beifall bei der FDP.)

Es sind noch eine Reihe von kleineren Fragen behandelt worden, die ich nicht für unwichtig halte. Ich denke an die Enquete über die Verkehrsschwierigkeiten in Ballungsgebieten, die Probleme des Zonenrandgebietes, wo es ja in letzter Minute noch möglich war, eine positive Lösung für den Facharbeiterwohnungsbau zu schaffen, an die Fragen, die mit dem Problem der Finanzreform zusammenhängen, zu der der Finanzminister Stellung genommen hat. Wir meinen, daß wir wesentliche Punkte der Umstrukturierung, Probleme, die sich aus der Zuweisung an die Länder ergeben, im Rahmen der Finanzreform diskutieren sollten, aber auch hier den Mut haben müssen, nicht nur das zu sehen, was im Augenblick vielleicht am bequemsten durchsetzbar erscheint, sondern dabei auch zu sehen, was für die Zukunft entscheidend ist.
Ich denke daran, daß Probleme der Raumordnung und Probleme der Finanzreform aufs engste miteinander zusammenhängen. Hier dürfen wir nicht nur halbe Arbeit leisten, wir dürfen nicht nur das Verhältnis Bund/Länder sehen, sondern müssen auch bedenken, welche Entwicklungen zwischen den Ländern, zwischen den Ballungsgebieten sich ergeben werden.
Daß dabei in der Diskussion auch der Art. 29 des Grundgesetzes angesprochen werden wird, halte ich für selbstverständlich, ohne mich dabei in Spekulationen einzulassen, wie es ausgehen wird, so wie es z. B. von Ministerpräsident Meyers geschehen ist — oder ihm gar zustimmen zu wollen —; aber Lösungsmöglichkeiten auch von dieser Seite sollten bei der Grundsatzdebatte von uns mit zur Diskussion gestellt werden.
Lassen Sie mich im zweiten Teil ein paar Bemerkungen zu dem machen, was hier zu den außenpolitischen Fragen gesagt worden ist. Ich teile
durchaus die Auffassung des Kollegen Erler, daß man den Platz Frankreichs im Bündnis freihalten muß und daß eine klare Festlegung für die französischen Truppen in der Bundesrepublik notwendig ist. Ich gehe so weit zu sagen: wir dürfen auf keinen Fall den französischen Staatspräsidenten der Gefahr aussetzen, daß er sein ausgeprägtes Souveränitätsdenken desavouieren muß, indem er andere Bedingungen etwa für die Bundesrepublik für richtig hält, als er für sein eigenes Volk für richtig hält. Es wird notwendig sein, diese Gespräche in aller Freundschaft und Offenheit zu führen, aber auch keine Zweifel daran zu lassen, daß eine Rückkehr zu der Zeit des Besatzungsstatus für uns unmöglich ist. Das soll nicht in Schwarz-weißMalerei geschehen. Das soll nicht mit heftigen Reaktionen geschehen, aber doch mit der gebotenen Offenheit und Deutlichkeit.
Daß hier gleichzeitig ein Koordinieren mit der französischen Ostpolitik angestrebt werden muß, halten wir für selbstverständlich. Die Tatsache, daß in diesen Tagen hoher rumänischer Besuch nach Bonn kommt, zeigt uns doch, daß gewisse, wenn ich so sagen darf, Vorarbeit vor einiger Zeit auch gewissen Nutzen für uns haben kann, wenn wir die Dinge in unserem Sinne weitertreiben.
Eines wollen wir Freien Demokraten bei allen Fragen der europäischen Zusammenarbeit, bei allen Fragen der NATO allerdings niemals in den Hintergrund gedrängt wissen: das Problem, wie gleichzeitig die entsprechenden Schritte zur Förderung der Wiedervereinigung einzuleiten oder zu unterstützen sind, muß für uns immer mit auf dem Tisch liegen.

(Beifall bei der FDP.)

Es kann keine getrennte Behandlung der Frage von EWG auf der einen Seite, NATO auf der anderen Seite unter Ausklammerung der deutschen Frage geben.
Daß die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten wesentlicher Bestandteil unserer Politik bleiben muß, ist für uns Freie Demokraten unbestritten. Es ist auch nachteilig, wenn dann ab und zu einmal plötzlich Mißtrauen in diese Verbindung hineingedeutet wird, indem alarmierende Erklärungen abgegeben werden, daß man nicht mehr so auf das Bündnis vertrauen könne, wie es früher gewesen sei. Es ist besonders bedenklich, wenn das von prominenten Mitgliedern dieses Hauses geschieht, die selber jahrzehntelang die Verantwortung getragen haben. Es nützt uns nichts, wenn zur falschen Zeit in der falschen Weise Cassandra-Rufe ausgestoßen werden.
In der Frage der Deutschlandpolitik — ich sagte schon, daß sie für uns immer aufs engste mit all den Problemen verbunden ist, die die europäische Sicherheit, die EWG und die NATO betreffen — herrscht in der FDP kein „heilloses Durcheinander". Das ist wohl ein kleiner Versprecher des Kollegen Erler gewesen. Wir Freien Demokraten sind uns über die Ziele unserer Deutschlandpolitik, über die Methoden und die Versuche, auch mit kleinen Schritten weiterzukommen, immer einig gewesen; wir sind da
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 1831
Mischnick
immer geschlossen gewesen. Auch haben wir uns bemüht, diese Fragen zu einer Zeit anzupacken, wo es für manchen noch etwas weniger interessant war, in aller Öffentlichkeit Deutschlandpolitik zu betreiben.

(Sehr richtig! rechts. — Zuruf von der SPD: Was sagen Sie zu Herrn Strauß?)

— Ich bin doch noch nicht fertig.
Allerdings sind wir der Meinung, daß wir der gefährlichen Entwicklung, die in manchen Ländern im westlichen Bereich zu beobachten ist, nämlich dem Gefühl, wir Deutschen seien an der Wiedervereinigung gar nicht mehr interessiert, mit allen Mitteln entgegentreten müssen. Ich höre, daß die Bemühungen um den Redneraustausch in einigen Ländern mißdeutet werden könnten, daß man darin die Gefahr sieht, wir würden uns mit der Situation abfinden, daß es zwei deutsche Staaten gebe. Da kann ich mich nur fragen: Ist vielleicht unsere Aufklärungsarbeit bis zum heutigen Tage nicht intensiv genug gewesen, daß man so vorschnell zu falschen Einschätzungen unserer heutigen Überlegungen kommen kann? Es kann doch nicht von ungefähr kommen, wenn der Versuch eines Redneraustausches in einigen Ländern mißdeutet wird. Ich fürchte, diese Mißdeutung hat ihre Ursache darin, daß wir in all den Ländern, die für uns als Partner, als Mithelfende oder auch nur als interessierte Beobachter in Betracht kommen, das Problem der deutschen Frage zuwenig zur Diskussion gestellt haben.

(Sehr gut! rechts.)

Wesentlich wird es sein, die Bemühungen, im innerdeutschen Bereich zu gewissen Auflockerungen zu kommen, unmißverständlich, unmißdeutbar nicht nur bei unseren unmittelbaren Verbündeten, sondern auch bei allen westlichen Völkern ins Bewußtsein zu rücken. Es wäre vielleicht gut, neben dem jetzt veröffentlichten Weißbuch auch Dokumentationen über diese Bemühungen allen Botschaften an die Hand zu geben, damit sie solchen Mißdeutungen mit Fakten entgegentreten können. Auf keinen Fall aber sollten wir in den Fehler verfallen, angesichts der Kritik zu sagen: weil ein Risiko in der Beurteilung sein könnte, ist es besser, nichts zu tun.
Wir Freien Demokraten haben uns 1956 um einen Redneraustausch bemüht. Unsere Freunde Döring, Scheel und Mende waren damals in Weimar und machten dieses Angebot. Die Bemühungen scheiterten daran, daß wenige Tage danach in Ungarn der Aufstand durch sowjetische Panzer niedergeworfen wurde.
Trotzdem sind wir nicht müde geworden, diese Verbindung über die Zonengrenzen hinweg aufrechtzuerhalten. Unsere eigene Veranstaltung, die wir durchführen konnten, hat deutlich gemacht, daß sich diese Diskussion immer für uns lohnt, daß wir, wenn wir offensiv sind, immer überlegen sein werden und nur dann unterlegen sind, wenn wir uns von der anderen Seite in die Defensive drängen lassen.

(Beifall bei der FDP.)

Wir haben deshalb den Redneraustausch nicht nur
bejaht, sondern wir sind auch bereit, alles mit zu
unterstützen, war darauf hinzielt, ihn zu ermöglichen. Dabei muß ich mich mit aller Schärfe gegen diejenigen wenden, die eine Unterstützung des Redneraustausches mit der Bereitschaft gleichsetzen, Mörder, Totschläger, Freiheitsräuber und was alles gesagt worden ist, nun plötzlich als Gentlemen hinzustellen. Daran hat kein Mensch gedacht und wird auch kein Mensch denken. Aber es ist doch notwendig, daß wir den Mut haben, zu prüfen, was in dieser Situation unseres Volkes politisch möglich ist, um gewisse Erleichterungen innerhalb Mitteldeutschlands zu erreichen. Und ein solcher Redneraustausch führt automatisch zu gewissen Erleichterungen, nämlich der Information und der Diskussion in Mitteldeutschland. Wer das nicht sieht, vielleicht weil er nie selbst erlebt hat, was es bedeutet, in diesem Bereich zu leben, wer nicht erkennt, daß z. B. die Veröffentlichung des Offenen Briefs der SPD im „Neuen Deutschland" für die Menschen in Mitteldeutschland ein legaler Anlaß war, über diese Thesen zu reden und sich damit nicht unmittelbar der Gefahr auszusetzen, angegriffen zu werden, der kann natürlich nicht die richtige Wertung des gesamten Vorgangs vornehmen. Deshalb unsere Bitte, sich in diese Dinge nicht nur von der einen Seite aus hineinzudenken, sondern auch einmal zu versuchen, sich von der anderen Seite, von der Seite der Menschen aus der Zone her in diese Situation hineinzudenken.
Der Versuch einer gemeinsamen Bestandsaufnahme der Deutschlandpolitik, aller Fakten, die dazugehören, der Versuch, sie nüchtern zu analysieren, wird von uns deshalb mit besonderer Freude begrüßt, weil unser verstorbener Freund Max Becker im Dezember 1957 an den damaligen Bundeskanzler in einem Brief die Bitte aussprach — Dezember 1957! —, doch regelmäßig alle Fraktionen zu Gesprächen über Fragen der Deutschlandpolitik zusammenzurufen. Daß es soviel Jahre gedauert hat, ist der politischen Arbeit auf diesem Gebiet bestimmt nicht zugute gekommen. Es zeigt sich immer mehr, daß die Zeit nicht für uns, sondern gegen uns gearbeitet hat.
Eines ist notwendig: wir dürfen auf keinen Fall auch nur das Häkchen liefern, an dem Herr Ulbricht oder diejenigen, die bei ihm zu diesem Zeitpunkt die Verantwortlichen sind, ein Scheitern der jetzigen Bemühungen aufhängen können. Wir müssen uns darum bemühen, vor aller Weltöffentlichkeit klarzustellen, daß wir diese geistige Auseinandersetzung nicht nur nicht scheuen, sondern daß wir sie wünschen, um vor aller Welt deutlich zu machen, worum es uns hier geht.
Daß das eine Frage der nüchternen Prüfung ist, ist unbestritten. Aber es sollte niemandem verwehrt sein, sich in Fragen der Deutschlandpolitik bei aller nüchternen Analyse auch mit aller Leidenschaft zu engagieren, weil es schließlich hier um die Lebensfrage unseres Volkes geht. Natürlich kann man die heutige Situation des geteilten Deutschlands sehr pessimistisch beurteilen, ja, es mag sogar manchen geben, der den Glauben an die Wiedervereinigung Deutschlands verloren hat. Wer aber so denkt, kann aus seiner inneren Einstellung heraus kein über-



Mischnick
zeugter Verfechter der deutschen Einheit bleiben, sei es gegenüber Kleingläubigen im eigenen Lande, sei es gegenüber Gegnern im Ausland.

(Beifall bei der FDP.)

Natürlich kann man bei einer intellektuellen Analyse unserer augenblicklichen Situation verschiedener Meinung über die Möglichkeiten deutscher Wiedervereinigungspolitik sein. Die Geschichte lehrt aber, daß das Verhalten der Völker, der Menschen in unterdrückten Staaten nicht bis ins letzte berechenbar ist. Die unbändige moralische Kraft, die in den Menschen eines Volkes steckt, das wieder zusammenkommen will, wird auf die Dauer nicht unterdrückt werden können, wenn wir diesen Willen nicht nur wachhalten, sondern auch den Gläubigen Mut machen, daß sie dieses Ziel auch tatsächlich erreichen können. Nur Kleingläubige unterwerfen sich den angeblich unumstößlichen Fakten. Wer in großen geschichtlichen Auseinandersetzungen bestehen will, muß zwar mit nüchternem Verstand analysieren, was ist, aber mit heißem Herzen bewegen wollen, was er nicht für richtig hält.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0504121800
Das Wort hat der Herr Bundesminister Mende.

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0504121900
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Die bisherige Aussprache hat die Deutschlandpolitik in den Vordergrund gerückt. Ich halte es daher für meine selbstverständliche Pflicht als Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, einmal den Versuch einer Zusammenfassung zu machen und die Frage zu stellen, ob trotz aller Mißtöne der letzten aktuellen Auseinandersetzungen in der 'Öffentlichkeit noch die Prinzipien und Rechtsgrundlagen der Deutschlandpolitik allen drei Fraktionen dieses Hauses und der Bundesregierung gemeinsam sind. Man kann auf Grund der bisherigen Debatte, aber erst recht auf Grund der bisher beim Herrn Bundeskanzler erfolgten Gespräche der drei Fraktionen, aber auch auf Grund der Geschäftslage im Gesamtdeutschen Ausschuß feststellen, daß trotz aller Verschiedenheiten in Verfahrensfragen und in Fragen des Vorgehens die Rechtsgrundlagen der Deutschlandpolitik unverändert ,geblieben sind und von allen Parteien gleichermaßen vertreten werden.
Es ist vielleicht ganz gut, sich diese Rechtsgrundlagen noch einmal kurz in Erinnerung zu rufen, zumal sie von Jahr zu Jahr deswegen für uns mehr an Bedeutung gewinnen, weil möglicherweise hier und da die Tendenz in der Welt auftreten könnte, diese Rechtsgrundlagen durch Zeitablauf in ihrer Effektivität geringer wenden zu lassen.
Nun sind gerade die wichtigsten Grundlagen der Deutschlandfrage ohne deutsches Zutun durch die Siegermächte selbst gesetzt worden:
Erstens. Die Erklärung der vier Siegermächte vom 5. Juni 1945, nach der Deutschland in den Grenzen vom 31. 12. 1937 rechtlich existent geblieben ist.
Zweitens. Jene Stellen des Potsdamer Abkommens vom 2. August 1945, in denen bezüglich der deutschen Ostgebiete eindeutig die Vorläufigkeit des bisherigen Status festgestellt wurde und erst einem Friedensvertrag die endgültige Entscheidung über das Schicksal der deutschen Ostgebiete eingeräumt wurde.
Schließlich drittens das hier schon durch Kollegen Erler zitierte Grundgesetz, das in seiner Präambel eindeutig fixiert, daß die Bundesrepublik Deutschland nach dem Willen des Verfassungsgebers für eine Übergangszeit dem staatlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland eine neue Ordnung geben wollte — Theodor Heuss hat daher vom Transitorium gesprochen — und daß wir alle aufgefordert seien, die staatliche Einheit in freier Selbstbestimmung zu vollenden.
Im Deutschland-Vertrag haben die westlichen Bündnispartner Rechte und Pflichten übernommen, uns bei der Wiederherstellung der deutschen Einheit aktive Hilfe zu leisten.
Es seien noch die in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers zitierte Genfer Direktive von 1955 erwähnt und schließlich jene Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen, die auch für das deutsche Volk Geltung haben sollten, insbesondere die Inanspruchnahme des Selbstbestimmungsrechts. Die Genfer Außenministerkonferenz von 1959 hat sich vertagt, und bei der Vertagung ist es bisher geblieben. Alle Versuche, bei den vier Mächten eine erneute Verhandlung über Berlin und Deutschland als Ganzes zu erreichen, sind gescheitert. Ich glaube, daß daher eine gewisse Unruhe angesichts der Tatsache, daß wir in das 22. Jahr der deutschen Teilung nach Beendigung des zweiten Weltkrieges eingetreten sind, durchaus verständlich ist. Britische Pressestimmen, die uns hier Nervosität vorwerfen, sollte man nicht ernster nehmen als die Tatsache, daß eine Unruhe in beiden Teilen Deutschlands unter der heranwachsenden Jugend durchaus normal ist. Was anders soll diese heranwachsende Jugend sich an Fragen stellen als jene Schicksalsfragen, warum ausgerechnet dem deutschen Volk über 21 Jahre nach Beendigung des zweiten Weltkrieges Selbstbestimmung, Grund- und Freiheitsrechte für alle Deutschen vorenthalten werden, warum durch Berlin die Mauer und durch unser Land die 1381 Kilometer Stacheldraht gezogen wurden und 141 Menschen seit Errichtung der Mauer in Berlin und mitten in Deutschland an der Zonengrenze den Tod gefunden halben.
Diese Unruhe ist nicht nur verständlich, sie ist, wie der Geschäftsführende Vorsitzende der CDU Dufhues Anfang 1965 erklärte, geradezu unsere Bürgerpflicht. „Unruhe ist die erste Bürgerpflicht", formulierte Josef Hermann Dufhues.
Dieser Unruhe unserer heranwachsenden Jugend in beiden Teilen Deutschlands ist auch nicht dadurch beizukommen, daß von Zeit zu Zeit beruhigende Erklärungen von Ost oder West abgegeben werden.
Die Bundesregierung hat im August 1963 ein bisher nicht veröffentlichtes Memorandum zur deutschen Frage in Washington, London und Paris über-



Bundesminister Dr. Mende
reichen lassen, das den Titel trägt: „Memorandum der Bundesregierung zu Fragen der kontrollierten Abrüstung, europäischen Sicherheit und Wiedervereinigung". In Weiterentwicklung des westlichen Friedensplanes, den Christian Herter in Genf vorgelegt hatte, sind einige Aktualisierungen und Modifizierungen im Memorandum erfolgt, das leider im Botschafterausschuß in Washington keine letztgültige Behandlung mehr erfuhr. Es kam schließlich auch die Bundestagswahl dazwischen. Vielleicht hat die Friedensnote der Bundesregierung vom 25. März dieses Jahres, die mit Zustimmung aller drei Fraktionen dieses Hauses über hundert Regierungen der Welt zugeleitet wurde, eine neue Impulswirkung bei dem einen oder anderen Staat. Denn unsere Jugend empfindet wie auch unsere ältere Bevölkerung, daß 21 Jahre doch eine lange Zeit sind, zwar relativ kurz im Geschichtsleben der Völker, aber lang und länger, was die Leiden unserer mitteldeutschen Landsleute betrifft.
Hier ist verständlich, daß sich die Bundesregierung bemüht, zwei Gefahren zu begegnen: der internationalen Gefahr der Gewöhnung in der Welt an den Status quo und der Gefahr in unserem Land, die durch die Entfremdung der Menschen eintreten könnte.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Dehler)

Der Bundeskanzler hat daher in der Regierungserklärung ein Höchstmaß menschlicher Begegnungen im geteilten Deutschland gefordert, um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen zu erhalten,
der Entfremdung vorzubeugen und die Unteilbarkeit als Nation zu gewährleisten. Denn wir wissen, daß die Unteilbarkeit unseres Volkes als Nation die Voraussetzung für die Erreichung der staatlichen Einheit auf der Basis des Selbstbestimmungsrechtes ist.
Passierscheine in Berlin, die Reisen der Rentner zu uns und Erleichterungen des Reiseverkehrs nach Mitteldeutschland, eine Vermehrung und Modernisierung des innerdeutschen Handels — zu dem letzten Punkt hat sich ja Kollege Schmücker vor kurzer Zeit geäußert —, vermehrte Kulturbegegnungen im geteilten Deutschland und auch die Wiederingangsetzung des Sports sind bescheidene Schritte auf dem Wege zur Vermehrung der menschlichen Begegnungen im geteilten Deutschland.
Nun ist hier von einem Vorredner die Zielsetzung der anderen Seite in Zitaten noch einmal in Erinnerung gerufen worden. Natürlich geht Ostberlin, geht Moskau mit ganz anderen Zielsetzungen und Vorstellungen an alle jene Fragen heran, die sich aus Begegnungen ergeben können, als wir es tun. Das war auch bei den bisherigen bescheidenen Versuchen so. Für Ostberlin sind jedwede technischen Kontakte, menschliche Begegnungen ein Mittel zur Aufwertung oder Anerkennung des kommunistischen Zwangsstaates. Das ist eine solche Binsenwahrheit, daß man sie eigentlich gar nicht mehr wiederholen sollte. Die Zielsetzung Moskaus und Ost-Berlins in der Deutschlandpolitik ist wesentlich anders und wird wesentlich anders bleiben als die Zielsetzung des freien Teils Deutschlands.
Bei den Passierscheinen hat sich die andere Seite andere Vorstellungen gemacht als wir. Am Ende kommt es darauf an, wer sein Ziel erreicht. Hier ist ja wohl nach drei Jahren eindeutig festzustellen, daß gewisse Befürchtungen, mit der Passierscheinübereinkunft wäre eine Aufwertung oder gar eine Anerkenung Ost-Berlins als zweiter deutscher Staat verbunden, sich nicht verwirklicht haben.

(Beifall bei der FDP.)

Das gleiche gilt für die Rentnerbesuche in der Bundesrepublik. Es war doch wahrlich kein humanitäres Gefühl, das die kommunistischen Machthaber veranlaßte, vom 1. November 1964 an den alten Leuten die Ausreise aus Mitteldeutschland und die Einreise in die Bundesrepublik zu gestatten. Die Schätzungen, die damals für das Hierbleiben der alten Leute auch in Kreisen der Bundesregierung und in Kreisen des Deutschen Bundestages gemacht wurden, schwankten zwischen 20 % und 10%. Natürlich wollte der kommunistische Zwangsstaat, daß die alten, nicht mehr im Produktionsprozeß stehenden Leute hierher ziehen sollten. Damit wären Wohnungen in Mitteldeutschland frei geworden und Sozialleistungen wären auf uns übertragen worden. Auf diese Weise hätte man sich dieser unproduktiven Kräfte — wie es in der Terminologie des Kommunismus heißt — entledigen können. Und was ist wirklich eingetreten? Von den 1,8 Millionen alten Leuten, die uns im Jahre 1965 besuchten, sind keine 20 %, auch keine 10%, sondern nur 0,2%, nämlich 3660 ältere Leute, bei uns geblieben; die anderen gingen wieder in ihre mitteldeutschen Heimatgemeinden zurück. Auch hier ist also die kommunistische Zielsetzung einer Entlastung von der sogenannten Soziallast nicht erreicht worden. Wohl aber wissen wir, daß die alten Leute, denen wir zutiefst dankbar sein sollten, dafür sorgen, daß manche falsche Vorstellung vom freien Teil Deutschlands durch unmittelbare Anschauung und Begegnung korrigiert werden kann.

(Beifall bei der FDP.)

Natürlich muß man auch jetzt bei der Ingangsetzung der geistigen Auseinandersetzung unterstellen, daß in Ost-Berlin mit anderen Vorstellungen und Zielsetzungen operiert wird, als das bei uns der Fall sein kann und der Fal sein wird. Ob nun unter Einflußnahme der Sowjetregierung oder ob aus irgendwelchen eigenen Motiven, sei dahingestellt — Ost-Berlin glaubt jedenfalls, in eine Rednerbegegnung eintreten zu können. Aber schon zeigt sich in der zweiten Phase, daß man die Geister, die man rief, möglicherweise wieder los werden möchte. Ich glaube, hier feststellen zu müssen, daß die Bundesregierung eindeutig das Vorgehen der Sozialdemokratischen Partei in der Frage der Rednerbegegnung begrüßt und der sozialdemokratischen Opposition jede Unterstützung zugesagt hat. Die Frage, ob diese Rednerbegegnung stattfinden wird oder nicht, wird sich spätestens im Sommer entscheiden. Findet sie statt, dann ist in der Tat eine geistige Einwirkung auf die mitteldeutsche Bevölkerung möglich. Das ist schon vom politisch-psychologischen Effekt her mehr als Resignation und Nichtstun.

(Beifall bei der FDP.)




Bundesminister Dr. Mende
Unsere mitteldeutsche Bevölkerung ist durch die Erfahrung der letzten 21 Jahre dagegen gefeit, in diese Rednerbegegnung schon die Hoffnung auf die Ingangsetzung der Wiedervereingung zu setzen. Diese Illusion haben unsere mitteldeutschen Landsleute am wenigsten. Aber es ist für sie schon ein gutes Zeichen, daß wir bereit sind, das Alleinvertretungsrecht, das wir in Anspruch nehmen, auch durch das Korrelat der Pflicht, für die mitteldeutschen Landsleute mitzudenken und mitzuhandeln zu ergänzen.

(Beifall bei der FDP.)

Sollte die andere Seite aus Gründen, die ein totalitärer Staat immer finden wird, der Rednerbegegnung am Ende doch ausweichen, dann hat der kommunistische Zwangsstaat vor aller Welt bewiesen, daß er nicht einmal zu einer solchen geistigen Auseinandersetzung fähig ist. Auch da wird es sich dann als besser herausgestellt haben, den Ball aufzunehmen und zurückzuwerfen denn ihn liegenzulassen.
Das gleiche gilt für den Zeitungsaustausch! Die Bundesregierung hat daher die Voraussetzungen dafür dem Parlament zugeleitet, und es wäre erfreulich, wenn noch vor der Sommerpause alle gesetzlichen Regelungen sowohl in der Frage der Veränderung der Staatsschutzbestimmungen als auch in der Frage der Lockerung der entsprechenden Gesetze zum Zeitungsaustausch verabschiedet werden könnten. Auch beim Zeitungsaustausch muß man nach der Erfahrung, die die Wochenzeitung „Die Zeit" mit dem „Neuen Deutschland" seinerzeit gemacht hat, möglicherweise mit einem Zurückziehen rechnen.
In der Bundesrepublik Deutschland erscheinen 660 Zeitungen täglich mit einer Gesamtauflage von 19 Millionen Exemplaren pro Tag. In der Zone erscheinen 39 Zeitungen täglich mit einer Gesamtauflage von 6 Millionen Exemplaren pro Tag. Der Vertriebsapparat ist in Mitteldeutschland ganz anders. Dennoch: wir bieten den absoluten Zeitungsaustausch an und die Beilegung in Päckchen, Paketen, den Versand mit Streifband und wie es im Zeitungswesen üblich ist. Ob sich die andere Seite nicht schon wegen der verschiedenen Relationen oder aus anderen Gründen von dem ursprünglichen Bitterfelder Angebot Walter Ulbrichts wieder zurückziehen wird, soll die Zukunft zeigen.
Es ist erfreulich, daß sich auch die Rundfunk- und Fernsehanstalten stärker als bisher in den Prozeß der geistigen Auseinandersetzung einschalten. Rundfunk und Fernsehen sind und bleiben, bis mehr möglich ist, die besten Informationsmittel für die mitteldeutsche Bevölkerung.
Lassen Sie mich zum Schluß noch einmal auf die große Gefahr des Auseinanderlebens der beiden Teile Deutschlands im Menschlichen hinweisen, die gegeben ist, wenn wir die menschlichen Begegnungen nicht noch steigern können. Heute sind es noch in beiden Teilen Deutschlands Bruder und Schwester im wahrsten Sinne des Wortes. Deren Kinder, inzwischen im wahlberechtigten Alter, nach dem Kriege herangewachsen, sind Cousin und Cousine. Sie dürfen sich nicht mehr besuchen, was den mitteldeutschen Reiseverkehr nach Westdeutschland anbetrifft. Den jungen Menschen ist bis auf wenige Ausnahmen der freie Reiseverkehr in die Bundesrepublik untersagt. Nur unsere jungen Menschen können nach Mitteldeutschland gelangen. Im vergangenen Jahr war die Zahl der Einreisen unserer Mitbürger nach Mitteldeutschland bereits höher als früher, nämlich 2 Millionen Personen. Wenn noch eine längere Zeit vergangen sein wird und in beiden Teilen Deutschlands junge Menschen herangewachsen sein werden, die kaum noch Vergleichsmöglichkeiten haben, wenn sie sich nicht mehr begegnen, dann besteht die große Gefahr, daß zu der sowjetischen Zwei- oder Drei-Staaten-Theorie auch die Entfremdung der Deutschen selbst, ihre Spaltung in zwei Bewußtseinsgrundlagen völkischer Art hinzutreten wird. Das „Neue Deutschland" hat am Beginn dieses Jahres durch einen Artikel des Gesandten Dr. Kegel damit begonnen, nicht nur zwei Staaten zu behaupten, sondern auch das Bewußtsein zweier Nationen zu konstruieren.
Es ist mehr als Vermessenheit, aber es wird im „Neuen Deutschland" gedruckt und vielleicht hier und da in der Welt sogar zur Kenntnis genommen, was Walter Ulbricht im Januar in einer großen Rede vor dem Zentralkomitee der SED sagte:
Die große nationale Mission der Deutschen Demokratischen Republik tritt immer sichtbarer in den Vordergrund. In Deutschland verfügt nur die DDR über ein klares Leitbild einer fortschrittlichen demokratischen Gesellschaft, die Freiheit und Menschenwürde des einzelnen achtet und die Interessen der ganzen Gesellschaft wahrt.
Ähnlich ist es in dem Antrag des kommunistischen Zwangsstaates um Aufnahme bei den Vereinten Nationen zu lesen. Dieser Aufnahmeantrag ist leider durch eine „Mantelnote" Bulgariens allen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zugeleitet worden, und es besteht die Gefahr, daß bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen im Herbst auch hier ein Überraschungsmanöver des kommunistischen Zwangsstaates versucht wird, um mindestens eine Beobachterdelegation bei der UNO in New York zu erreichen, wenn schon nicht die Vollmitgliedschaft. Die Bundesregierung ist dabei, eine Dokumentation der Menschenrechtsverletzungen auszuarbeiten, damit die Mitglieder der Vereinten Nationen wissen, wie weit die Theorie und die Praxis im kommunistischen Zwangsstaat auseinanderklaffen. Auch hier werden wir uns um ein Höchstmaß an Aufklärung über die wahren Verhältnisse in Mitteldeutschland bemühen.
Ich komme zurück auf das Problem der Unruhe. Ich stimme dem früheren Vorsitzenden der Christlich-Demokratischen Union Josef Hermann Dufhues, zu: In unserer Zeit der Teilung Deutschlands und der Gefahr der Gewöhnung, ja sogar vielleicht des Arrangements der Weltmächte auf dem Status quo ist Unruhe im Sinne der Präambel unseres Grundgesetzes unsere erste verfassungspolitische Pflicht.

(Beifall bei der FDP.)





Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504122000
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt (Hamburg).

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0504122100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir zunächst einen Hinweis auf den verfahrensmäßigen Ablauf der heutigen Debatte. Nachdem zum Einzelplan 4 und 5 zunächst für die Sozialdemokraten Herr Erler gesprochen hat, haben inzwischen der Bundeskanzler, der Finanzminister, ein Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, ein Sprecher der FDP-Fraktion, der Minister für gesamtdeutsche Fragen — insgesamt fünf Sprecher für die Koalition — gesprochen, also ein Sozialdemokrat und fünf Sprecher für die Koalition. Es ist dies ein Bild, wie es sich bei mehreren Debatten der letzten Zeit schon ergeben hat. Sie müssen sich —

(Abg. Rasner: Sie brauchten sich ja bloß zu melden, Herr Schmidt!)

— Es lagen sozialdemokratische Wortmeldungen vor.

(Zurufe von der Mitte: Nein!)

Die Sache ist so, daß die Minister das Recht haben, jederzeit zu sprechen.

(Abg. Rasner: Mit denen kann man immer reden, Herr Schmidt!)

— Ich will ja auch wirklich nicht polemisieren. Ich möchte nur gerne appellieren, daß auch wir uns darüber klarwerden — nicht nur, was diese Debatte angeht, sondern auch andere, die wir vorher hatten und auch in Zukunft haben werden —, daß sich auf die Dauer kein gesunder Parlamentarismus entwickeln kann, wenn in Ausbeutung der Geschäftsordnung und des Grundgesetzes die Wortmeldungen, die Reden sich so einseitig verteilen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Rasner: Das ist nicht geschehen!)

Ich selbst will hier nur einige wenige Bemerkungen machen. Der Sprecher der CDU/CSU-Fraktion hat Herrn Erler in einem Punkte ausdrücklich recht gegeben, daß nämlich kein sozialer Rechtsstaat ohne oder gegen die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften verwirklicht werden könne. Der Sprecher hat dann hinzugefügt — und dem stimmen wir nun wiederum zu —, daß das auch nicht möglich sei ohne oder gegen leistungswilliges Unternehmertum, gegen einen gesunden Mittelstand und gegen eine gesunde Landwirtschaft oder gegen einen gesunden Bauernstand. So ist gesagt worden. Damit sind wir durchaus einverstanden. Aber das war ja nicht der Punkt, um den es ging, sondern der Punkt, auf den es Herrn Erler gegenüber dem Bundeskanzler ankam, war doch der, daß es auf die Dauer unerträglich sei, wenn der Herr Bundeskanzler seine Vorwürfe immer einseitig nur in eine ganz bestimmte Richtung öffentlich ausspricht. Genau das hat er heute auch wieder getan.

(Beifall bei der SPD.)

Es tut mir leid, auch der Sprecher der CDU/CSUFraktion hat seine Vorwürfe in einer ganz bestimmten Richtung ausgesprochen. Ich habe keinen Vorwurf gehört an die Adresse, sagen wir, des Bundesverbandes der Deutschen Industrie oder an die Adresse der Grünen Front.

(Abg. Dr. Strecker: Wollen Sie die Bauern noch eine Stunde länger arbeiten lassen?)

Ich habe nur Vorwürfe gehört an die Adresse der Arbeitnehmer oder ihrer Gewerkschaften. Da mag es durchaus hier und da Punkte geben, die einen Vorwurf rechtfertigen. Nur kann jemand auf die Dauer nicht meinen, er könne mit dem Mantel einer alle gleichmäßig behandeln wollenden Gerechtigkeit durchs Land gehen, der immer nur in die eine Richtung guckt.
Und wenn Herr Strauß von dem Ereignis der innenpolitischen Rede des Herrn Bundespräsidenten auf dem DGB-Kongreß und ihrer dortigen Aufnahme gesprochen hat, so fällt es ein bißchen schwer, die Fußnote zu unterdrücken, daß Sie, Ihre Seite des Hauses, ja bei anderer Gelegenheit, wo auch der Bundespräsident sich zu innenpolitischen Fragen geäußert hat oder seine Meinung zu erkennen gegeben hat, ihn sehr schwer und sehr heftig und sehr nachhaltig kritisiert haben.

(Beifall bei der SPD.)

Ich meine damit den Zeitraum, der der Bildung der
zweiten Regierung Erhard unmittelbar vorausging.
Ich will nun auch nicht nur für den Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, sondern auch für Herrn Strauß persönlich hier feststellen, daß wir es begrüßen, daß Sie hier heute klipp und klar gesagt haben — das war bei den Äußerungen der letzten Wochen nicht ganz so klar, Herr Strauß —, daß Sie nicht um jeden Preis den Wunsch verfolgen, die französischen Truppen auf deutschem Boden zu belassen. Sie haben gesagt, daß Sie den Wunsch haben. Auch wir haben diesen Wunsch; Herr Erler hat das ausgedrückt, und darin stimmen wir überein. Aber wir hatten zwischenzeitlich ein bißchen das Gefühl, daß Sie bereit wären, die französischen Truppen auch dann weiterhin hier haben zu wollen, wenn es ohne jegliche Bedingung sei.
Sie haben heute gesagt, der Abzug der französischen Truppen aus der Bundesrepublik könne ein Triumph für die Politik der Sowjetunion werden. Das will ich nicht bestreiten. Aber vielleicht darf ich hinzufügen: es wäre auch schon ein Triumph für die Sowjetunion, wenn die französischen Truppen dem Bündnis überhaupt nicht mehr zur Verfügung stünden.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Und es wäre ein noch größerer Triumph für die Sowjetunion, wenn erstens die französischen Truppen dem Bündnis nicht mehr zur Verfügung stünden und zweitens sie gleichwohl auf deutschem Territorium blieben.
Ich will nicht allzu tief in die Außenpolitik einsteigen. Es wird ja nun für die Debatte eigentlich langsam Zeit, daß die Regierung sich zur Außenpolitik erklärt, nachdem Herr Erler eine Reihe von Gebieten angeschnitten und Fragen gestellt hat. Aber auf ein Wort von Herrn Strauß möchte ich noch eingehen dürfen. Herr Strauß hat den französischen



Schmidt (Hamburg)

Staatspräsidenten bezeichnet als eine Mischung zwischen einem politischen Kosmonauten und der Jungfrau von Orleans. Das verleitet natürlich dazu, zu überlegen, was für eine Mischung z. B. derjenige sein könnte, der das hier gesagt hat. Jungfrau von Orleans wird jedenfalls nicht dabei sein, Herr Strauß.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Sie haben dann, wie auch manche anderen Sprecher der CDU im Laufe der letzten Wochen in der öffentlichen Debatte, die hohe Bedeutung des Besuchs des französischen Staatspräsidenten in Moskau hervorgehoben — wir sind uns dessen sicherlich alle bewußt — und darauf hingewiesen, wie man in Vorbereitung auf diesen Besuch versuchen müsse, von der Bundesregierung aus mit der französischen Regierung darüber zu sprechen.
Aber eines habe ich nicht verstanden: daß auch heute wieder betont werden mußte, daß die Behandlung dieses Besuches viel wichtiger sei als der sogenannte Redneraustausch, der da in Chemnitz und Hannover beabsichtigt ist. Ich verstehe gar nicht, was diese Bewertung soll. Das sind doch Dinge, die beide notwendig sind und die beide auf ganz verschiedenen Ebenen unerläßlich sind.

(Beifall bei der SPD.)

Sie müssen doch uns nicht sagen, daß dieser Redneraustausch, wenn er zustande kommt, nicht zur Wiedervereinigung führt. Offenbar müssen wir Ihnen sagen, wieviel Hoffnung auf eine dermaleinstige Wiedervereinigung auch der Redneraustausch drüben wecken kann, wenn er zustande kommt, und wachhalten kann, wenn er zustande kommt. Sie wissen auch, meine Damen und Herren auf der rechten Seite des Hauses, daß, wenn Brandt und wenn Erler und wenn Wehner in Chemnitz reden können, sie dort nicht für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, sondern für die Freiheit Deutschlands reden werden.

(Beifall bei der SPD.)

Der Vizekanzler hat gesagt, die Bundesregierung habe bisher dieses Unternehmen unterstützt und wolle es weiterhin unterstützen. Unsere Hoffnung ist, daß Sie uns dabei helfen werden, die technischen Voraussetzungen, die das ermöglichen, zu schaffen. Ich will das hier nicht vertiefen, weil ich nicht das neue Gespräch belasten möchte, das demnächst, wie wir hoffen, zwischen den Fraktionsvorsitzenden zustande kommt. Wir hoffen sehr, daß Sie uns bei der Herstellung dieser technischen, rechtlichen Voraussetzungen helfen werden.
Unsere Hoffnung ist, daß von dem in Chemnitz in aller Öffentlichkeit geführten Treffen einige Funken ausgehen werden, die das Land drüben ein wenig erleuchten helfen und die zu menschlichen Erleichterungen zwingen werden.

( alle öffentlich abgedruckt werden; ich habe das bisher bei anderen Parteien nicht gesehen, ich will das nicht kritisieren. Aber Sie wissen doch, daß das in keiner Weise eine Legitimation abgibt, uns etwa mit leicht vorwurfsvoller Nuance in der Stimme vor der Idee der Konföderation zu warnen, wie sie von Herrn Ulbricht öffentlich vertreten wird. Wir Sozialdemokraten lehnen eine Konföderation zwischen einer freien Gesellschaft und einer kommunistischen Herrschaft leidenschaftlich ab. Das wissen Sie, darüber brauchen wir nicht miteinander zu sprechen. Wir sollten uns, Herr Strauß, nicht in die Gefahr begeben, daß die alten Schattengefechte wieder neu begonnen werden. Sie haben zum Schluß gesagt, Sie wollten keine politischen Fronten aufreißen; ich habe den Satz noch im Ohr. Aber Sie waren nahe daran, und Sie hätten einen beinahe herausgefordert, zu zitieren, was Sie z. B. in einem Interview in der „Zeit" über Ihre Vorstellungen über die Chancen der deutschen Wiedervereinigung gesagt haben. Ich will das nicht tun. Ich finde, diese alte Auseinandersetzung, wie sie in den 50er Jahren jedenfalls für uns unvermeidlich war — vielleicht aus Ihrer Sicht auch —, sollten wir nicht wieder anfangen. Herr Abgeordneter Strauß möchte eine Frage stellen. Bitte sehr! Herr Kollege Schmidt, ist Ihnen bekannt, daß ich bei jeder Gelegenheit — ich glaube, auch heute — davon gesprochen habe, die sozialdemokratische Führung sei nicht der richtige Partner, mit dem Moskaus Vorstellungen von einer Einheit der deutschen Arbeiterklasse SPD—SED verwirklicht werden könnten? Ist Ihnen nicht klar, daß ich das Stichwort „Konföderation" nur im Hinblick auf die in weiten Bereichen des Auslands sich allmählich anbahnende Verwirrung angewendet habe, aber in keiner Weise damit eine Tendenz Ihrer Aktion und Ihrer politischen Zielsetzung angedeutet habe? Das ist mir klar, Herr Strauß. Trotzdem erlauben Sie mir, zu sagen, daß der Zusammenhang, in dem Sie sprachen, den Eindruck erwecken mußte — genauso war es eben auch —, als gingen Sie davon aus, daß die sozialdemokratische Führung dafür selbstverständlich nicht zu haben wäre, aber möglicherweise andere in der Sozialdemokratischen Partei. Ich möchte Sie insoweit beruhigen. Es gibt überhaupt keinen Sozialdemokraten in Deutschland, der eine Verbindung in Form der Konföderation eingehen wollte. Herr Schmidt, wie begründen Sie dann die Tatsache, daß Ihr Erster Parteivorsitzender, Regierender Bürgermeister Willy Brandt, es in den letzten Tagen für notwendig befunden hat, Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 1837 Strauß in einem Brief an alle Mitglieder des Parteivorstands der SPD auf die Gefahren der Subversion und Infiltration hinzuweisen und höchste Wachsamkeit zu verlangen? Das scheint mir auch durchaus angemessen, wenn ich z. B. an das denke, was der Bundesinnenminister im „Parlament" und im Bulletin der Bundesregierung über die Gefahren der Subversion allüberall in der Bundesrepublik schreibt, und zwar mit Recht. Ich selber war ja auch einmal vier Jahre lang — in kleinerem Rahmen — in diesem Metier tätig. Darauf muß man immer wieder hinweisen. Die CSU ist auch nicht vor Subversion gefeit, Herr Strauß. (Abg. Strauß: Nicht vor Agenten, das stimmt!)

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504122200
Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0504122300
Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0504122400
Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0504122500

(Zurufe von der CDU/CSU: Na, na!) — Bitte sehr!

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0504122600
Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0504122700
— Ja, auch nicht vor Agenten. Daß das jetzt eine Gelegenheit ist, wo die Kommunisten es versuchen, ist doch ganz klar. Die Kommunisten und die kommunistische SED schätzen doch überhaupt die Situation hier in der Bundesrepublik völlig falsch ein. Sie bilden sich ein, sie könnten in Hannover etwas gewinnen. Die werden sich ganz schwer täuschen.

(Beifall bei der SPD.)

Weil sie das falsch einschätzen, werden jetzt von ihnen alle diese Anstrengungen vermehrt unternommen. Wir machen unsere Freunde darauf aufmerksam: Seid wachsam!
Herr Strauß, wir wollen darüber nicht streiten. Wir möchten gern, daß wir darin übereinstimmen können, darin, daß die Bewährung des Friedens und die Sicherung der Freiheit und die Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechtes für unser Volk, daß alle diese Ziele zu erreichen nicht allein von uns Deutschen abhängt. Das setzt vielmehr ein Höchstmaß an gemeinsamem Wirken der demokratischen Kräfte im freien Teil, an gemeinsamem Wirken hier dieses Bundestages und seiner Fraktionen voraus. Wir möchten weiter, daß wir uns auf beiden Seiten einig sind, daß wir nicht wieder der Versuchung anheimfallen dürfen, die Außenpolitik, die Sicherheitspolitik, die Wiedervereinigungspolitik unseres Landes zum Instrument innenpolitischer Auseinandersetzungen werden zu lassen.
Inzwischen ist, wie ich sehe, der Herr Bundesaußenminister von seiner Abhaltung — er hat Abgesandte eines anderen Staates empfangen müssen — wieder zurückgekehrt. Der Herr Bundeskanzler hat auf Sie verwiesen, Herr Bundesaußenminister. Er war vom Sprecher der Opposition, von Herrn Erler, auf einer Reihe außenpolitischer Punkte gestellt worden, Punkte zur Bündnispolitik, Punkte zur Wiedervereinigungspolitik. Der Herr Bundeskanzler hat schlicht auf Sie verwiesen. Es ist nun Ihre Sache, relativ spät in dieser Debatte auf die Fragen Antwort zu geben, die bisher durch die Regierung nicht beantwortet sind.
Wir können nicht verkennen, Herr Bundeskanzler, daß Sie seit Beginn Ihrer zweiten Regierung sich konsequent jeder außenpolitischen Debatte in diesem Hause entziehen. Wir hören von Ihnen nur vorbereitete Erklärungen. Sie entziehen sich der Debatte und sprechen vielleicht außerhalb des Hauses. Wir hoffen, daß die Ansätze, die Sie außerhalb dieses Hauses in Ihrem Amte gemacht haben, um das seit sechs Jahren von uns geforderte Deutschlandgespräch — wir haben es damals „Bestandsaufnahme" genannt —, fortgesetzt werden. Es muß ja nicht unbedingt alles hier im Plenum gesagt sein. Aber dieses Deutschlandgespräch muß sich dann auch wirklich mehr als bisher den Grundfragen zuwenden. Bisher war es durch die aktuellen Anlässe bedingt und wesentlich auf das konzentriert, was mit Chemnitz und Hannover zusammenhing; das bleibt auch in Zukunft noch zu besprechen.
Wir möchten sehr gern und sehr ernst, daß die gemeinsamen Grundlagen, von denen ich hoffe, daß auch Herr Strauß sie mit seinen paar spitzen Bemerkungen nicht in Zweifel ziehen will, in den Deutschlandgesprächen gefördert werden, zu denen Sie einladen werden, Herr Bundeskanzler.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504122800
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0504122900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe leider nicht allen Ausführungen des heutigen Nachmittags folgen können, weil ich eine andere Verpflichtung hatte, nämlich einen Besucher zu empfangen, der in mancher Beziehung eine Premiere in Deutschland bedeutet. Es handelt sich um den Besuch des rumänischen Außenhandelsministers. Er hält sich auf Einladung meines Kollegen, des Bundesministers für Wirtschaft, zu einem Besuch in der Bundesrepublik Deutschland auf. Ich habe eine längere Unterhaltung mit ihm gehabt und glaube, daß diese Unterhaltung dazu beitragen wird, die erfreulicherweise angeknüpften wirtschaftlichen, kulturellen und menschlichen Beziehungen mit Rumänien ein gutes Stück weiter zu fördern.

(Beifall im ganzen Hause.)

Herr Präsident, erlauben Sie mir, zunächst ein paar Worte über die positiven Veränderungen zu sagen, die in der Behandlung der auswärtigen Politik im Laufe dieses bisher noch relativ kurzen Jahies zu verzeichnen waren.
Ich glaube, wir haben zunächst einen bedeutenden Fortschritt in der Form gehabt. Wir haben, wie Sie sich entsinnen werden, ein paar kurze, sehr auf den Punkt gerichtete und konzentrierte Debatten gehabt. Ich gestehe Ihnen ganz offen, daß ich solche Debatten gegenüber den früher üblich gewesenen gewaltigen, stark enzyklopädisch gehaltenen Vorlesungen bevorzuge.
Wir haben durch diese kurzen Debatten zweierlei erreicht, einmal eine Stärkung der Position Deutschlands, nicht der Bundesregierung allein, in der Wahrnehmung der Interessen unseres Landes bei internationalen Anlässen, an die Sie sich erinnern, und zum zweiten, daß die Art der „Aulklärung", wenn ich hier Aufklärung einmal in Anführungszeichen setzen darf, des ganzen deutschen Volkes ein Stück intensiver geworden ist.
1838 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41.. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966
Bundesminister Dr. Schröder
Herr Kollege Schmidt, Sie haben gerade die Meinung vertreten, der Bundeskanzler — vielleicht meinten Sie wirklich: die Bundesregierung — entziehe sich der außenpolitischen Debatte.

(Abg. Schmidt [Hamburg] : Nein, ich meinte nicht die Bundesregierung!)

— Nun, auch in der Bundesregierung gibt es eine gewisse Aufgabenteilung, die nach Geschäftsordnung und Grundgesetz vorgesehen ist, and so ist es nur natürlich — —

(Abg. Dr. Schiller: Immer Kavalier!)

— Nein, ich halte mich hier an gegebene Ordnungen, und ich denke, Sie schätzen diese Ordnungen ebenso hoch ein wie ich. Jedenfalls steht Ihnen die Bundesregierung für jede gewünschte Erörterung zu jeder Zeit gern zur Verfügung.
Wir haben aber, meine verehrten Damen und Herren, auch einen gewissen Fortschritt — wenn auch nicht über Nacht — erzielt. Diesen Fortschritt sehe ich darin, daß wir uns heute in der Tat des ganz großen Glücks erfreuen, praktisch eine DreiParteien-Außenpolitik zu haben. Ich betrachte das als einen ganz großen Wert, den wir im Laufe der letzten Zeit, wie mir scheint, stärker und stärker erreicht haben. Das ist die beste Basis für alle deutschen Aktionsmöglichkeiten, und wir sollten, glaube ich — das gilt natürlich auf allen Seiten des Hauses —, auf das sorgfältigste darauf bedacht sein, eine solche Basis nicht etwa zu beeinträchtigen, sondern tun, was wir tun können, um sie zu pflegen und zu festigen.
Ein Volk in unserer Lage, mit diesem grotesken Mißverhältnis zwischen wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung und ungelösten nationalpolitischen Aufgaben hat nichts notwendiger als die Konzentrierung seiner ganzen Kraft auf diese Aufgaben. Alles, was in dem gerade beschriebenen Sinn dafür geschehen kann, ist ein entscheidender, ist d e r entscheidende Beitrag für die weitere deutsche Entwicklung.
Ich möchte jetzt ganz kurz einen Blick auf ein paar Ereignisse werfen, die wir in den vergangenen Monaten zu verzeichnen hatten. Ich fange mit dem an, was unter den Stichworten Luxemburg und Brüssel verstanden wird. Es kann keinen Zweifel daran geben, daß die klare, entschlossene Haltung der fünf Mächte — um es einmal abgekürzt so zu nennen — dazu führte, daß die im vergangenen Jahr ausgelöste Brüsseler Krise überwunden werden konnte. In meinen Augen ist das ein entscheidender Erfolg der Fünf. Wenn wir diesen Erfolg nicht in einer übertriebenen Weise darstellen, so liegt das einfach an der Innehaltung gewisser internationaler Spielregeln. Es gibt bei solchen Vorgängen eben keine Sieger und Besiegte. Sieger und Besiegte gibt es überall dort nicht, wo man morgen weiter zusammenarbeiten muß. Trotzdem muß man im Blick auf andere Vorgänge einen Blick für die jüngst erlebte Wirklichkeit behalten.
Ich habe vorhin so mit halbem Ohr gehört, daß gesagt worden sei — ich weiß nicht, ob es ganz zutrifft —, eigentlich habe 'der französische Staatspräsident seinen Standpunkt im Bereich der Nichtanerkennung von Mehrheitsentscheidungen durchgesetzt. Davon kann überhaupt keine Rede sein. Man muß sich die geschlossene Vereinbarung ansehen, um klar zu erkennen, daß die übrigen Fünf an ihrem Standpunkt festgehalten haben und daß es keine Veränderung des Vertrages in dieser Beziehung gibt. Das ist ein Iganz wesentlicher Punkt. Ich würde bedauern, wenn das auf deutscher Seite anders gesehen würde. Wir sind nach Brüssel zurückgekehrt, ohne irgendwelche einseitigen Bindungen auf uns zu nehmen. Das ist außerordentlich wichtig gewesen, auch igerade wichtig gewesen für den bis dato einigermaßen erfolgreichen Verlauf der weiteren Verhandlungen in Brüssel.
Was die Verhandlungen in Brüssel angeht, haben sie vor ein paar Tagen einen bestimmten Etappeneinschnitt gehabt, einen gewissen vorläufigen Abschnitt, indem Grundsätze der Agrarfinanzierung und ein paar weitere Punkte festgelegt worden sind. Ich möchte aber gern die Aufmerksamkeit sowohl des Hohen Hauses als auch der deutschen Öffentlichkeit darauf richten, daß dies noch keineswegs abgeschlossene Verhandlungen sind. Wir bleiben nach wie vor dabei, daß dies alles erst dann wird in Kraft treten können, wenn die noch fehlende Regelung einiger Agrarpreise, weitere Marktordnungen, die noch ausstehende Einigung in Außenhandelsfragen tatsächlich endgültig sind. Wir haben die Hoffnung, daß ein Paket des gerade beschriebenen Inhalts etwa im Juli dieses Jahres wird verabschiedet werden können. Wir müssen nach drinnen und draußen klarmachen, daß die sehr bedeutenden finanziellen Leistungen und Opfer, die wir im Rahmen der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik auf uns nehmen, überhaupt nur verantwortet werden können, wenn sie ihre Kompensation finden in der Annahme derjenigen Grundsätze für die weitere Außenhandelsentwicklung, für die wir seit Jahren eingetreten sind. Sonst würden wir überhaupt gar nicht in der Lage sein, Zusagen in dieser Größenordnung verläßlich und auf Dauer durchzuhalten. Hier muß man, glaube ich, nach drinnen und draußen einen Blick für die Notwendigkeit des Gebens und Nehmens, und zwar in den angemessenen Größenordnungen, behalten. So viel zu Luxemburg und Brüssel.
Wir haben in diesen Tagen ein weiteres Ereignis zu verzeichnen, das eine mit mancherlei Sorgen und Schwierigkeiten belastete Diskussion abgeschlossen hat. Wir haben ein Abkommen über Wirtschaftshilfe mit dem Staate Israel abgeschlossen, ein Abkommen, das uns zu einer bedeutenden Wirtschaftshilfeleistung verpflichtet. Wenn wir uns dazu entschlossen haben — ich möchte nun nicht die ganze zurückliegende Zeit schildern —, so knüpfen wir daran in der Tat die Erwartung, daß dieser hier von uns gezeigte gute Wille sichtbar honoriert werden möge. Nach unserer Meinung muß die Einsicht in die Gegenseitigkeit des Anerkennens solcher Leistungen wachsen, wenn die künftige Entwicklung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel so erfreulich verlaufen soll, wie es sich jedes Mitglied des Hohen Hauses wünscht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 1839
Bundesminister Dr. Schröder
Nun komme ich zu dem Punkt, der das große und beherrschende außenpolitische Ereignis in den letzten Wochen gewesen ist, ein Ereignis, über das wir ja auch schon gleich im Anfang in diesem Hohen Hause diskutiert haben. Wenn ich auf die Entwicklung dieser Frage zurücksehe — seitdem wir in diesem Hohen Hause darüber gesprochen haben —, so sind eigentlich alle damals erörterten Elemente sowohl des Tatbestandes als auch der Analyse als auch der künftigen Entwicklung heute durchaus noch zutreffend, und wir stehen nach wie vor vor derselben Aufgabe, wie wir sie damals beschrieben haben. Ich möchte sagen, daß ich der Beurteilung dieses Problems, die der Kollege Erler gegeben hat, durchaus zustimme. Ich möchte hier nichts Unnötiges wiederholen. Ich habe gerade von der Haltung der fünf gesprochen. Es liegt natürlich sehr nahe, sich in diesem Falle die Haltung der Vierzehn anzusehen. Für jeden ist natürlich ohne weiteres klar — darüber braucht nicht erst lange argumentiert zu werden —, daß diese Fälle und Situationen nicht einfach miteinander verglichen werden können. Die Interessenlage ist eine andere, und auch der Gegenstand ist in vieler Beziehung ein durchaus anderer. Aber das wesentliche Element ist doch, daß sich eine Krise von solcher Schwere nur dadurch lösen läßt, daß es einen engeren Zusammenhalt unter denjenigen gibt, die ein jetzt angefochtenes System fortsetzen wollen und nach ihrer Überzeugung fortsetzen müssen. Darin liegt eben das Vergleichbare. Deswegen hat die Bundesregierung das getan, was sie damals hier als ihre Absicht darlegte, nämlich sich um den Zusammenhalt der 14 nach Kräften bemüht, ich möchte
sagen: bis heute mit gutem Ergebnis. Daß es sehr viel schwerer ist, 14 zusammenzuhalten als etwa 5, liegt auf der Hand. Wir haben aber dafür Sorge getragen, daß alle Besprechungen, die zum Teil auch notwendigerweise in einem begrenzteren Rahmen geführt werden mußten, wie z. B. die amerikanischbritisch-deutschen Gespräche hier, immer in der nötigen Verbindung mit den Gesprächen der 14 insgesamt in Paris blieben. Wir haben dafür gesorgt, daß die Diskussion dieser wichtigen Fragen nicht etwa durch Gegensätzlichkeiten belastet wurde, die sich in der Zwischenzeit entwickeln könnten.
Die Analyse, die damals gegeben worden ist, trifft noch heute zu. Das Ausscheiden Frankreichs aus der Integration bedeutet eine Schwächung für das Bündnis sowohl in militärischer als auch in politischer Beziehung, und das gilt um so stärker, als hier nicht irgendeine brauchbare Alternative von irgendeiner Seite in einer auch nur annähernd konkreten Form angeboten worden wäre. Deshalb muß es bei dieser Feststellung, die wir im übrigen gleich im Anfang getroffen hatten, durchaus verbleiben.
Für uns hat diese Krise innerhalb der NATO eine besonders unmittelbare, wenn Sie so wollen, eine besonders problemreiche, ja schlimmer, eine besonders schmerzliche Note. Man kann das Problem der französischen Truppen in Deutschland nicht einfach mit ein paar Wohlwollenserklärungen oder ein paar Handbewegungen aus der Welt schaffen. Dies ist in der Tat eine sehr ernste, sehr schwierige Sache. Die Zeit würde nicht ausreichen, nun den ganzen Hintergrund dieses Problems sorgfältig genug zu schildern. Man kann in diesem Augenblick nur unterstreichen, wie wir uns die Behandlung dieses Problems vorstellen. Wir haben das in einer ganz klaren Note dargelegt, in einer Note, die von dem einen oder anderen Kritiker als zu juristisch bewertet worden ist. So hoch ich die Jurisprudenz schätze, so muß ich doch sagen: es handelt sich um eine mächtige Verwechslung, wenn man die juristischen Ausführungen in dieser Note als einen juristischen Selbstzweck betrachtet. Diese Ausführungen enthalten ein eminentes Stück Politik. Es hat gar keinen Zweck, da ein falsches Prädikat anhängen zu wollen. Die Note ist — dieses Stichwort ist zunächst außerhalb unseres Landes ausgegeben worden — als zu hart und zu unfreundlich empfunden worden. Nun, hart und unfreundlich sind doch bestenfalls oder schlimmstenfalls diejenigen, die eine solche Krise ausgelöst haben. Jedenfalls ist es gänzlich verfehlt, unsere Note ein solches Prädikat anhängen zu wollen. Wir haben weder Ultimaten gestellt noch definitive Fristen gesetzt. Vielmehr haben wir uns bereit erklärt zu verhandeln, und dabei bleiben wir.
Aber man muß sich über eines klar sein. Wir verhandeln aus einer Position heraus, in der wir im Grunde sagen: Wir wünschen keine Veränderung. Das ist unsere Ausgangsposition. Wir wünschen die Fortsetzung der Integration gerade in einer Art und Weise, wie wir sie derzeit — einschließlich der französischen Truppen — haben. Von uns gehen keine Änderungswünsche aus. Wenn aber ein Partner glaubt, aus Gründen, die er für berechtigt und notwendig hält, sich aus dieser Integration herauslösen zu müssen, zu sollen oder zu können — etwas was wir möglicherweise nicht verhindern können —, dann entsteht dadurch eine absolut neue Lage, die in doppelter Beziehung geprüft wird.
Sie wird einmal aus dem Grundwunsch heraus geprüft, daß ein höchstmögliches Maß von Gemeinsamkeit erhalten bleiben soll, also aus dem Wunsch heraus, vielleicht mit anderen Mitteln einen Zustand zu erreichen, in dem die gemeinsame Verteidigung auf der Basis gemeinsamer Annahmen und Beurteilungen weiter möglich bleibt. Deswegen ist die erste ganz klare Frage die Frage nach der künftigen militärischen Aufgabe französischer Truppen in Deutschland. Dazu haben wir eine Fülle von notwendigen Fragen gestellt. Auf diese Fragen erwarten wir Antworten. Erst wenn wir diese Antworten haben, wird man den weiteren Fortgang der Dinge beurteilen können. Das ist das eine.
Das zweite ist, daß integrierte Truppen auf jeden Fall etwas anderes sind als Truppen unter nationalem Oberbefehl und daß es deswegen notwendig sein wird, wenn und nachdem über die militärische Aufgabe mit Erfolg gesprochen ist, über den Status der französischen Truppen in Deutschland neu zu verhandeln und ihn neu festzulegen. Daß dies Ganze im Geiste des Vertrages über die deutschfranzösische Zusammenarbeit geschieht, daß dies Ganze auf der Basis unseres Wunsches geschieht, sowohl Sicherheit als auch Zusammenarbeit im politischen Bereich zu gewährleisten, das versteht sich von selbst. Aber es wäre ganz falsch, wenn wir das
1840 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966
Bundesminister Dr. Schröder
Problem, das sich hier stellt, in irgendeiner Weise verniedlichen wollten. Es geht um eine außerordentlich schwierige Sache, bei der die Bundesregierung wirklich nur wünschen kann, daß sie hier die Unterstützung der ganzen deutschen Öffentlichkeit hat. Sonst wird sich eine solche Frage sicherlich nicht befriedigend behandeln lassen. — Soviel zu dieser Frage. Wir haben die Hoffnung, daß wir auf die gestellten Fragen bald Antworten bekommen werden. Dann bleibt das Weitere abzuwarten bzw. zu verhandeln.
Es erscheint in diesem Augenblick notwendig, meine verehrten Damen und Herren, angesicht einer gewissen Bewegung, die in die allgemeine Diskussion hineingeraten ist, folgendes ganz klarzumachen: daß wir uns unter gar keinen Umständen mit einer Politik einverstanden erklären können, die etwa die Tendenz verfolgte, die Vereinigten Staaten von Amerika aus ihrem hohen Engagement in Europa herauszulösen, einem Engagement, für das es jedenfalls auf längere Sicht nicht die Spur eines Ersatzes gibt. Deswegen unterstreiche ich von neuem, daß diese amerikanische Präsenz aus drei Gründen erforderlich ist, sowohl der Sicherheit unseres Landes wegen als auch zur Mitwirkung bei dem notwendigen West-Ost-Ausgleich, von dem wir uns die Wiederherstellung unseres ganzen Landes versprechen, als auch zur Förderung und Kräftigung einer europäischen Entwicklung, die wir unentwegt ansteuern als ein Ziel, das uns heute so wichtig ist, wie es uns gestern war. Man sollte keinen Zweifel darüber lassen, daß das die Realitäten von heute sind. Ich weigere mich entschieden, diese Realitäten gegen irgendwelche wolkigen Luftschlösser zu vertauschen, die sich leicht malen lassen, die aber nicht in der Lage sind, wirklichen Ersatz für Sicherheit und politisches Gewicht zu schaffen.
Nun lassen Sie mich aus dieser Perspektive einen Blick auf die innerdeutschen Vorgänge der letzten Zeit werfen. Wenn eine Aussage über Deutschlandpolitik richtig ist, so ist es die, daß es keine Deutschlandpolitik ohne Risiko gibt und daß es keine Deutschlandpolitik ohne die Deutschen drüben gibt. Meine Damen und Herren, weil das so ist, unterstützen wir und werden wir weiter unterstützen jeden vertretbaren Versuch, für die Menschen drüben etwas in unmittelbarer Weise zu tun. Ich sage das ohne falsche Beurteilung von mancherlei Schwierigkeiten, die dem entgegenstehen. Ich sage das in, wie ich glaube, durchaus richtiger Einschätzung der Tendenzen, die die Machthaber in der SBZ verfolgen. Ich sage es aber in der Überzeugung, daß wir gesamtdeutsche Politik auf die Dauer nicht würden betreiben können, wenn sich die Willensrichtung, wenn sich die Grundströme des Willens und Fühlens der Deutschen verhängnisvoll voneinander entfernten.

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

Deswegen sind diese Bestrebungen, gleichgültig, wieviel Erfolgschance man ihnen im Augenblick geben mag oder nicht geben mag, aus dreierlei Gründen notwendig. Sie sind notwendig der Menschen in der Bundesrepublik wegen. Sie sind notwendig der Menschen drüben wegen. Und sie sind
auch notwendig als ein Demonstration des Willens zur Zusammengehörigkeit in der internationalen Welt.

(Beifall.)

Der Kollege Erler hat gesagt, es werde wieder ein Deutschland geben; und er hat gesagt, wenn es kein freies sei, sei es möglicherweise ein kommunistisches. Ich glaube, daß das in der Tat geschichtlich betrachtet eine richtige Aussage ist, eine richtige Aussage, die uns nur anspornen kann, das Äußerste dafür zu tun, daß es eine Lösung dieser Frage in unserem Sinne gibt. Alle Versuche, dieses Problem zu fördern, werden sich nur unter Risiken bewältigen und durchführen lassen, natürlich unter vernünftig kalkulierbaren Risiken. Deswegen bin ich der Meinung, daß die technischen Möglichkeiten, diese Bemühungen durchzuführen und zu sichern, auf jeden Fall geschaffen werden können und nach meiner Meinung im Einvernehmen geschaffen werden sollen.
Ich möchte noch ein paar Worte zu dem sogenannten Deutschlandgespräch hinzufügen. Was dieses Deutschlandgespräch angeht, gibt es offenbar noch keine übereinstimmende Grundvorstellung. Diese sollte aber tatsächlich einmal öffentlich richtig skizziert werden. Diese Gespräche haben nicht etwa den Sinn, daß hier die Bundesregierung plötzlich anfinge, eine andere Politik vorzutragen oder vorzulegen als diese Politik, die sie bisher bekanntermaßen geführt hat und die sie auch heute für richtig hält, sondern diese Gespräche sollen einem gemeinsamen Bemühen darum dienen, die einzelnen Positionen dieser Politik durchaus gemeinsam durchzusprechen, abzutasten, zu prüfen und eine gemeinsame Überzeugung hinsichtlich der Grundelemente herzustellen. Sie sollen darüber hinaus die Möglichkeit geben, in einem solchen etwas vertrauteren Kreise alle, vielleicht auch nur die bescheidensten Ansätze zur Verbesserung, die dem einen oder anderen möglich erscheinen, zu erörtern. Das ist der Sinn der Sache. Die Vorbereitung dieser Sache auf seiten der Bundesregierung hat in dem bestanden, was sie getan hat. Wir haben einen Gesamtkatalog der dabei zu erörternden Probleme aufgestellt, und wir sind absolut bereit, diese Probleme oder auch eine Auswahl davon tatsächlich gründlich zu erörtern.
Es wäre aber falsch, wenn man hinsichtlich dieser Gespräche a) selber falsche Erwartungen hegen, b) falsche Erwartungen in der Öffentlichkeit erwecken wollte. Diese Gespräche werden möglicherweise — ich hoffe es — diesen oder jenen Beitrag zur Behandlung der Deutschlandfrage liefern können. Aber wie die Dinge derzeit liegen, können wir uns von den Gesprächen schwerlich etwa eine total veränderte, neue, umstürzende Politik erwarten. Ich sage das, damit wir nicht in Zukunft über diese Frage irgendwie öffentlich kontrovers werden. Diese Gespräche werden notwendigerweise sowohl in voller Offenheit untereinander als aber auch mit der richtigen Diskretion geführt werden müssen.
Ich möchte abschließend auf einen Beitrag zur internationalen Diskussion zurückkommen, den die



Bundesminister Dr. Schröder
Bundesregierung in den letzten Wochen erbracht hat. Das ist die sogenannte Friedensnote. Mit dieser Friedensnote, über die ja in diesem Hause berichtet und gesprochen worden ist, verfolgen wir eine doppelte Absicht. Wir verfolgen die Absicht, den Friedenswillen der Bundesregierung, ihre Friedenspolitik als solche klar und deutlich und international vernehmlich darzulegen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das ist für ein Land, das hinsichtlich seiner Ambitionen und Absichten so intensiv und manchmal so gefährlich verdächtigt wird, eine absolute Notwendigkeit. Das ist aber nur der eine Teil der Sache. Der zweite Teil der Sache ist die Absicht, ein paar in der Note ganz konkret abgeschnittene Themen im internationalen Gespräch zu halten bzw. in das internationale Gespräch weiter hineinzubringen. Man soll auch hier wieder nicht die Vorstellung haben, nach konkretem Erfolg der Friedensnote morgen oder übermorgen fragen zu sollen. Dies sind keine Dinge, die man heute formuliert, um sie morgen oder übermorgen durch eine zweite, dritte, vierte, fünfte Welle von Noten zu ersetzen und zu überspielen. Hier sind einige ganz konkrete Punkte behandelt worden, auf deren weiterer Behandlung wir, soweit das an uns liegt, nachdrücklich bestehen werden.
Meine Damen und Herren, dies sind einige wenige Bemerkungen zu der Stelle, an der wir uns befinden. Ich habe die Überzeugung, daß die nächsten Wochen, und vielleicht nicht nur die nächsten Wochen, sondern die nächsten Monate von uns, von unserem politischen Stehvermögen, von unseren guten Nerven, von unserer Festigkeit sehr viel verlangen werden. Ich will das jetzt nicht im einzelnen beschreiben, ich kann nur meine Überzeugung ausdrücken, daß das so sein wird.
Ich möchte das Hohe Haus sehr herzlich bitten, in dieser Lage schwieriger Verhandlungen die Bundesregierung mit aller Kraft zu unterstützen. Für den Fall, daß man bessere Ratschläge hat als die Erkenntnisse oder die bekannten Absichten der Bundesregierung, würde ich darum bitten, sie uns so diskret wie möglich mitzuteilen und nicht etwa die Verhandlungsposition, die wir eingenommen haben, in irgendeiner Weise beeinträchtigen. Meine Damen und Herren, wir kämpfen hier nicht für den Erfolg einer Regierung — sicherlich, auch das tun wir, das ist das Natürlichste von der Welt —, wir kämpfen hier für die Interessen unseres Landes, und die Interessen. unseres Landes verlangen zwingend die Unterstützung des ganzen Hauses.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504123000
Das Wort hat Herr Abgeordneter Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0504123100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich nach dieser Rede des Herrn Außenministers noch ein Thema behandle, das in dieser Beratung noch nicht angesprochen worden ist, aber im Haushalt 1966 doch eine große Bedeutung hat: die Frage der Aufstockung des Etattitels für kulturelle Auslandsbeziehungen. Dies ist neben dem Wissenschaftsetat der Teil des Haushalts, der mit am meisten verstärkt worden ist. Wir dürfen der Bundesregierung dafür dankbar sein, daß sie diese Maßnahme bei der Vorlage des Haushaltsentwurfs getroffen hat. Aber wenn wir auch mit dem Etattitel von mehr als 140 Millionen DM bereits Beträchtliches für die kulturellen Auslandsbeziehungen leisten, so scheint mir doch ein Hinweis auf die Konsequenzen, die daraus entstehen, und die Verpflichtungen, die wir damit eingegangen sind, erforderlich.
Es handelt sich schlicht um die Frage der Verhältnismäßigkeit der Mittel, um die Frage der Effektivität der Mittel, die in den Etat eingesetzt worden sind. Ich glaube, ich brauche nicht im einzelnen alle diese Dinge darzulegen. Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, daß auch nach den Anmerkungen zum Haushaltsplan die Pflege und Verbreitung der deutschen Sprache die Grundlage dieser Arbeit sein soll. Das ist mit die wichtigste Aufgabe der GoetheInstitute. Aber wie das in der Praxis aussehen kann, davon hat, glaube ich, jeder Abgeordnete, der einmal im Ausland war, gelegentlich etwas gemerkt. Wir stellen mit Freude fest, daß das Interesse an der Erlernung der deutschen Sprache in der ganzen Welt, vor allem auch in Frankreich, Großbritannien und Südamerika, zunimmt. Und dann kann es einem passieren, wie mir in der vergangenen Woche, daß man in ein Büro der Deutschen Lufthansa in London kommt, um seine Flugkarte umbuchen zu lassen, und höflich, aber bestimmt darauf aufmerksam gemacht wird, daß in diesem Büro der Deutschen Lufthansa die deutsche Sprache nicht gepflegt wird, daß man sich bitte in Englisch ausdrücken möge.

(Hört! Hört!)

Ich glaube, das ist ein Mißverhältnis zwischen dem, was mit diesem Etat und dieser Aufstockung gewollt ist, und dem, was in der Praxis geschieht. Es ist ein Symptom, aber, wie ich meine, ein sehr bezeichnendes Symptom für Dinge, die bei uns eben nicht einheitlich gehandhabt werden. Wenn man sich einmal vergegenwärtigt, ob man sich vielleicht im Büro der Air France in Bonn nicht in Französisch unterhalten könnte, dann wird einem die ganze Widersinnigkeit dieser Dinge klar. Damit auch klarer wird, wie die andere Seite darüber denkt, ein zweites Beispiel: Wenn Sie mit einer amerikanischen Fluggesellschaft fliegen, werden Sie normalerweise immer eine Stewardess finden, die deutsch spricht. Jedenfalls bemüht man sich dort, deutsch zu sprechen. Nur im Büro der Lufthansa in London war das, wie gesagt, in der vergangenen Woche nicht möglich. Unter diesen Umständen frage ich mich, ob wir eigentlich gut beraten sind, wenn wir ohne große Diskussion beschließen, weitere Millionen für die Pflege der deutschen Sprache in amtlichen Einrichtungen auszugeben, wenn gleichzeitig Firmen, die mit Hunderten von Millionen aus dem Staatshaushalt dotiert worden sind, sich offensichtlich um diese Pflege nicht
bemühen.
Ein Weiteres! In diesem Haushalt wird mit besonderem Nachdruck die Frage der Weiterbildung ausländischer Germanisten angesprochen. Das ist sicherlich eine Voraussetzung dafür, daß wir in der Ver-



Moersch
wirklichung unserer Ziele weiterkommen, Deutsch wieder als eine Sprache der Wissenschaft einzuführen. Auch hier scheint mir aber die Verhältnismäßigkeit der Mittel nur selten gegeben zu sein. Wir geben auf der einen Seite große Beträge aus, um Deutsch im Ausland zu verbreiten; auf der anderen Seite aber wird zum Beispiel die Verbreitung des deutschen Buches nicht genügend mitgefördert. Es leuchtet ja wohl kaum ein, daß man Tausende von Menschen in der deutschen Sprache unterrichten will, sie aber gleichzeitig daran hindert, deutsche Bücher zu beziehen oder zu kaufen, wenn sie selbst es wollen. Man kann nur mit Bedauern feststellen, daß die Bemühungen der deutschen Verlagsbuchhändler auf diesem Gebiet bisher von gewissen amtlichen Dienststellen nicht immer genügend unterstützt worden sind.
Wie soll man es sich z. B. erklären, daß in einer Stadt wie Paris die Einrichtung einer deutschen Buchhandlung — die Franzosen haben selbstverständlich hier in Deutschland französische Buchhandlungen — bisher nicht möglich gewesen ist, weil es an wenigen hunderttausend Mark aus Bundesmitteln gefehlt hat, während wir auf der anderen Seite 20 Millionen DM für den deutsch-französischen Jugendaustausch in den Etat eingestellt haben? Das scheint mir ein sehr bedeutsames Mißverhältnis zu sein. Und wenn man feststellt, daß etwa der Export von Büchern aus der Bundesrepublik Deutschland nach Südamerika in den letzten sechs Jahren in einige Länder um über 40 % abgenommen hat, und zwar auch zugunsten eines Buchexports aus der Zone — das muß man dabei immer sehen —, dann muß man sich wirklich fragen, ob bei uns diese Etatmittel stets in der geeigneten Weise verwaltet werden, ob es hier eine Gesamtkonzeption gibt.
Wir können auf der einen Seite begrüßen, daß der Haushaltsausschuß einen ersten Betrag von 50 000 DM für den Bau eines Deutschen Literaturarchivs in den Etat eingestellt hat und daß wie bisher der Bund 250 000 DM diesem Deutschen Literaturnachweis in Marbach am Neckar zur Verfügung stellt. Aber dieses Deutsche Literaturarchiv zu einem wirklich weltweiten Archiv zu machen, und zwar zu einer Forschungsstätte für die gesamte Germanistik in der Welt, halten wir einfach für dringend erforderlich und auch im Rahmen des Gesamtetats künftig für möglich. Denn es ist sinnlos, die Germanisten aus der ganzen Welt nach Deutschland holen zu wollen und sie hier als Lehrer auszubilden, wenn wir ihnen nicht gleichzeitig in der Bundesrepublik die Forschungsmöglichkeiten in umfassender Weise zur Verfügung stellen und sie damit immer der Gefahr aussetzen, daß sie das, was sie in Marbach oder sonstwo in Westdeutschland nicht bekommen können, dann vielleicht in Weimar suchen müssen, weil man dort für diese Dinge aufgeschlossener gewesen ist.

(Beifall bei der FDP.)

Das sind einige der Anmerkungen, die hierzu zu machen wären.
Ich weiß, daß manche Kollegen dieses Thema sicherlich nicht als besonders bedeutsam betrachten, aber wenn man die Erfolge anderer Länder auf dem
Felde der kulturellen Auslandsbeziehungen sieht, muß man sich darüber im klaren sein, daß wir uns keinen Gefallen damit tun, wenn wir Außenpolitik vor allem unter dem Aspekt des Militärischen und des rein Politischen oder auch des Wirtschaftlichen sehen und dabei oft die kulturellen Beziehungen in eklatanter Weise vernachlässigen. Das steht uns, glaube ich, schon deswegen nicht zu, weil in der ganzen Welt ein großer Bedarf an wissenschaftlicher Information über die Bundesrepublik Deutschland besteht. Es ist erwiesenermaßen so, daß große Forschungsinstitute im Ausland unter einem Mangel an deutschsprachigen wissenschaftlichen Zeitschriften leiden, ebenso unter einem Mangel an wissenschaftlichen Büchern, z. B. auch unter einem Mangel an Katalogen, in denen sie nachschlagen können, was es Neues auf dem deutschen Büchermarkt gibt. Wir haben die Deutsche Bibliothek in Frankfurt nicht in der Weise ausgestattet — auch das muß hier als Anregung für den nächsten Etat gesagt werden —, wie es etwa die Leipziger Bibliothek ist, so daß das ganze Ausland sehr oft auf den Katalog aus Leipzig zurückgreifen muß, wo es besser auf den Katalog aus Frankfurt zurückgreifen würde, aber nicht kann, weil wir eben in Frankfurt nicht auf dem laufenden sein können.
Ich glaube, auch hier muß man einmal sagen: , Wenn die Bundesregierung vor Jahren ein Werk gefördert hat, das Millionen-Zuschüsse kostet, eine Enzyklopädie, die dann in englischer Sprache erscheint, und gleichzeitig keine Mittel dafür hat, um unseren eigenen Instituten und allen Interessenten im Ausland in geeigneter Weise Nachschlagewerke zur Verfügung zu stellen, dann ist auch das eine Unverhältnismäßigkeit der Mittel, die einmal hier genannt werden soll.
Ich bin der Meinung, daß wir insgesamt im Etat selbstverständlich noch mehr Mittel für die kulturellen Auslandsbeziehungen nötig hätten und brauchen könnten, daß es aber auch die Pflicht dieses Hauses ist, sich energisch darum zu kümmern, daß die jetzt vorhandenen Mittel in einer möglichst effektiven Weise eingesetzt werden, und zwar ohne Rücksicht darauf, in welchem Etat oder bei welchem Ministerium sie heute stehen. Wir haben die Kulturaufgaben insgesamt zu sehen und nicht im Detail zu betrachten.
Wenn wir Öffentlichkeitsarbeit im Ausland machen wollen, dann wird diese Offentlichkeitsarbeit in Zukunft — wir haben sie weiß Gott nötig nach allem, was wir etwa aus der ausländischen Presse in der jüngsten Zeit wissen — genauso viel wert sein, wie es uns glaubhaft gelingt, unsere kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen und Fähigkeiten in der Welt zu zeigen, und zwar dort zu zeigen, wo sie von sich aus gewünscht werden. Das aber ist heute in einem großen Teil der Welt der Fall. Ich meine, der Bundestag täte gut daran, wenn er diesem speziellen Punkt seine besondere Aufmerksamkeit widmete.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504123200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Martin.




Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0504123300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist dankenswert, daß Herr Moersch dieses Kapitel angesprochen hat. Was er hier vorgetragen hat, findet zu einem großen Teil unsere Billigung, wenngleich man die Sache etwas weiter und auch tiefer anlegen muß.
Es ist zunächst einmal festzustellen, daß der Haushaltsausschuß, der Bundestag, die Bundesregierung in diesem Jahr einen energischen Schritt in der Entwicklung dieser Arbeit getan haben. Trotz der bekannten Haushaltslage ist dieser Haushalt „auswärtige Kulturpolitik" von rund 170 Millionen DM auf 212 Millionen DM erhöht worden.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Das ist eine sehr erhebliche Summe. Die Franzosen geben gegenwärtig' 400 Millionen DM dafür aus, aber darin stecken natürlich die Verpflichtungen aus der Kolonialzeit, darin stecken u. a. die Gehälter für 35 000 Lehrer, die auch in die technische Hilfe hineingehören.
Mit anderen Worten: der Bundestag hat jetzt Mittel in einer Höhe bereitgestellt, die annähernd der Aufgabenstellung unseres Landes entsprechen. Es ist im gegenwärtigen Augenblick wichtiger, sich nach der Konzeption dieser Arbeit zu erkundigen, als sogleich nach mehr Mitteln zu rufen. Die Entwicklung ist so stürmisch und so lebhaft gewesen, daß es oft Mühe gemacht hat, die richtigen Dispositionen zu treffen.
Ich will einiges von dem sagen, was wir für wichtig halten. Ich stimme mit Herrn Moersch bei seiner Betrachtung der Sprache überein. Meine Damen und Herren, das .aufregendste an dieser Arbeit ist die Tatsache — wir erfahren und erleben es aus den Goethe-Instituten —, daß sich die deutsche Sprache als Wissenschafts- und als Kultursprache wieder zu behaupten beginnt und daß — wie es ein Kenner gesagt hat — es sich in diesen Jahren entscheidet, ob wir Deutch als Wissenschafts- und Kultursprache behaupten und durchsetzen können.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Wir haben deshalb das Goethe-Institut mit 38 Millionen DM ausgestattet. Es sind dort Verfahren und Methoden und vor .allen Dingen geistige Einstellungen entwickelt worden, die den Kampf um die deutsche Sprache mindestens nicht aussichtslos machen. Meine Damen und Herren, Kultur ist nur durch das Medium der Sprache zu vermitteln.
Ein zweites Ziel, das wir in unserer Fraktion halben und das der Bundestag teilt, besteht darin, daß wir den Bestand der deutschen Sprache in Osteuropa auf alle Fälle halten und mehren. Wenn Herr Moersch hier gesagt hat, mit den Buchprogrammen klappe das nicht so, so kann hier — in aller Diskretion zwar — gesagt werden, daß dieser Haushaltsplan — und wenn Sie den Wirtschaftsplan lesen, sehen Sie das — eine erhebliche und entwicklungsfähige Summe enthält nur zu dem Zwecke, .das deutsche Buch gerade auch in den Ländern mit weicher Währung und in Ländern, die uns bis jetzt nicht zugänglich waren, zu stabilisieren.
Ich möchte nun eine Schlußbemerkung machen. Meine Damen und Herren, der Haushaltsausschuß und der Bundestag haben Jahr für Jahr mit viel Verständnis die Mittel erhöht. Es gibt keine Stelle in diesem Haushalt, die eine solche Entwicklung gehabt hat. Das ist eine reguläre Leiter, die da vor uns steht. Aber es ist auch klar, daß man einmal das Ende dieser Bemühungen sehen muß. Wir müssen zu Zahlen und Daten kommen — —

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504123400
Herr Abgeordneter Dr. Martin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Moersch?

Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0504123500
Bitte schön!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0504123600
Herr Kollege Dr. Martin, stimmen Sie mit mir darin überein, daß es unbedingt notwendig ist, daß der Titel für die Förderung des Buchexports auch genau für den Zweck angewandt wird, für den er im Etat eigentlich bestimmt ist?

Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0504123700
Ich stimme meistens mit Ihnen überein. Das ist auch jetzt so.
Meine Damen und Herren, wir möchten, daß in den nächsten Jahren das Ganze der auswärtigen Kulturpolitik in einer Planung abgesteckt wird. Der Bundestag muß wissen, was das kostet. Kultur ist teuer. Wir wissen, daß die auswärtige Kulturpolitik neben der Wirtschaftspolitik die eigentliche Operationsbasis darstellt, die uns gegeben ist. Dieses Instrumentarium entsprechend der Wirtschaftskraft unseres Landes voll zu entwickeln, das ist die Aufgabe. Der Bundestag sollte sich darum bemühen.
Wir haben eine Große Anfrage gestartet, die nach Pfingsten diskutiert wird. Deshalb gestatte ich mir heute, mich kurz zu fassen und auf die Bedeutung und auf die Leistung, die erforderlich ist, hinzuweisen und den Bundestag zu bitten, diese Bemühungen zu unterstützen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504123800
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Geisendörfer.

Ingeborg Geisendörfer (CSU):
Rede ID: ID0504123900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich im Zusammenhang mit dieser Diskussion über auswärtige Kulturpolitik auch noch auf einen Punkt hinweisen, den ich schon mehrere Male angesprochen habe und der mir ganz besonders am Herzen liegt. Es handelt sich um das Problem der Wissenschaftsattachés an unseren Vertretungen im Ausland, und zwar der Wissenschaftsattachés, die sich in ihrer Aufgabenstellung von den Kulturattachés ganz deutlich unterscheiden, sich auf der anderen Seite aber in ihren Aufgaben mit diesen ergänzen. Es ist eine Tatsache, daß sehr viele andere Länder, die an Bedeutung weit hinter der Bundesrepublik rangieren, Wissenschaftsattachés haben. In Washington gibt es schon seit vielen Jahren eine sehr große Anzahl von Wissenschaftsattachés. Bei uns geht die Diskussion um die Schaffung von Stellen und von Laufbahnen



Frau Geisendörfer
für die Wissenschaftsattachés nun schon seit geraumer Zeit ohne sichtbaren Erfolg.
Am 2. Dezember 1964 habe ich den Herrn Bundesaußenminister in der Fragestunde nach seiner Meinung gefragt. Ich habe ihn auf das Problem verwiesen, und er hat mir damals nachdrücklich zugesagt, daß er diese Frage mit großem Nachdruck und mit Beschleunigung klären will. Ich will jetzt nicht die Notwendigkeit dieser Wissenschaftsattachés begründen. Ich glaube, sie ist allgemein bekannt. Ich möchte nur noch auf eines hinweisen, was in diesem Zusammenhang erwogen werden sollte. Die Wissenschaftsattachés sind wahrscheinlich am besten beim Auswärtigen Amt eingegliedert. Ihre Berichterstattung und ihre Tätigkeit sollen aber auch mit dem Ministerium für wissenschaftliche Forschung abgestimmt und koordiniert werden. Ich hoffe, daß diesmal nicht wieder zwei und mehr Jahre vergehen, bis diese Frage endgültig geklärt ist.
Ich weiß, daß in London diese Stelle geschaffen ist und daß nach einer Persönlichkeit gesucht wird. Ich möchte hoffen, daß endlich auch in anderen Städten, besonders in Washington, diese Stelle geschaffen wird und daß diese Einrichtung dann weiter ausgebaut wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504124000
Das Wort hat der Abgeordnete Kahn-Ackermann.

Georg Kahn-Ackermann (SPD):
Rede ID: ID0504124100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wäre sehr reizvoll, in extenso über das Operationsfeld zu sprechen, auf das meine drei Vorredner einige Schlaglichter geworfen haben. Ich will das nicht tun, um so mehr als der Kapitän dieser ganzen Operation vom Schiff gegangen ist und die Bundesregierung bisher nicht in der Lage war, einen geeigneten Nachfolger zu finden. Zur Zeit sieht es auch nicht so aus, als ob sie einen finden würde.
Ich möchte hier zu einem Punkt sprechen, der damit zusammenhängt, weil unter seiner Ägide die Bundesregierung vor etwa zwei Jahren mit der größten internationalen Organisation, mit der wir auf dem Gebiet der auswärtigen Kulturpolitik auf der ganzen Welt zusammenarbeiten, mit der UNESCO, ein Abkommen geschlossen hat, von dem die UNESCO mit Recht glaubt, daß die Bundesregierung ihre in Gegenwart des Außenministers und des Bundeskanzlers eingegangenen Verpflichtungen nicht eingehalten hat.
Meine Damen und Herren, vor zwei Jahren ist in Gegenwart des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Bundesaußenministers bei einem Besuch des Generaldirektors der UNESCO hier in Bonn vereinbart worden, daß zur Vertiefung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der UNESCO ein bereits bestehendes Institut der UNESCO in Hamburg auf eine breitere Basis gestellt wird. Die Vereinbarungen sahen vor, daß in den kommenden zehn Jahren die Bundesrepublik 90 % und die UNESCO 10 % der Kosten für dieses Institut aufbringen. In dieser Form ist das Abkommen, das auch schritflich niedergelegt worden ist, vor etwas mehr als zwei Jahren von der Generalkonferenz der UNESCO in Paris verabschiedet worden. Infolgedessen ist die UNESCO nicht in der Lage, von diesem von ihr ratifizierten Abkommen abzugehen.
Aber offenbar hat die Bundesregierung geglaubt, davon abgehen zu können. Denn sie hat in die diesjährigen Haushaltshinweise zu dem Titel, der dieses Institut betrifft, im zweiten Absatz der Erläuterungen einen Passus aufgenommen, der in unverständlicher Weise den vereinbarten Bestimmungen widerspricht, wobei die Bundesregierung behauptet — so ist es auch dem Haushaltsausschuß vorgetragen worden —, die UNESCO habe sich verpflichtet, in den kommenden zehn Jahren mit einem gleichbleibenden Betrag in diesem Titel zufrieden zu sein. Das entspricht nicht den Tatsachen. Die UNESCO betrachtet diese so niedergelegte Bestimmung als einen Bruch der von der Bundesregierung getroffenen Vereinbarung und würde, was ich als außerordentlich peinlich empfände, von dieser Tatsache auf der nächsten Generalkonferenz den vereinten 109 oder 110 Nationen die dort im Plenarsaal sitzen, Mitteilung machen müssen, — bei den besonderen Schwierigkeiten, die uns auf all diesen internationalen Foren erwarten, keine sehr ,erhebende Aussicht. Um diesen Irrtum auszumerzen, legt Ihnen die sozialdemokratische Bundestagsfraktion einen Änderungsanttrag vor, der dahin geht, diesen Passus, der den getroffenen Vereinbarungen zuwiderläuft und der uns so viele Schwierigkeiten bereitet, zu streichen.
Die Nonchalance, mit der eine derartige Sache im Zusammenhang mit der UNESCO, von der der Herr Außenminister einmal gesagt hat, sie sei die größte und wichtigste internationale Organisation, in der die Bundesrepublik Mitglied ist, behandelt worden ist, läßt Rückschlüsse auf die ganze Situation auf diesem Gebiete zu. Man gewinnt nicht den Eindruck, daß das Verhältnis der Bundesregierung zu den Kräften des Geistes und der Kultur in diesem Bereich so isst, wie man das gern haben möchte. Wenn das in Ordnung wäre, wären ja auch viele Maßnahmen nicht zu verstehen, die heute Platz greifen und die keineswegs damit zusammenhängen, daß wir besondere Schwierigkeiten mit den Geldmitteln haben, die für diese Arbeit notwendig sind. Der Herr Kollege Moersch hat einige Hinweise gegeben, denen man beipflichten kann.
Aber das Entscheidende ist doch, daß die Bundesregierung in ihrer Organisation dieser Dinge Praktiken huldigt, mit denen man draußen keine Kulturarbeit machen kann. Darin wird der ganze Geist reflektiert, in dem diese Operationen leider noch ausgeführt werden. Ich erinnere mich an ein Beispiel: Als es vor einigen Jahren für die Bundesregierung darum ging, vom kulturellen Standpunkt aus zu entscheiden, ob man sich an der Rettung einiger für die Kulturgeschichte der Welt bedeutsamer Kunstdenkmäler im Vorderen Orient beteiligen sollte, wurde diese Entscheidung nicht etwa von irgendeinem sachverständigem Gremium der Bundesregierung, etwa von dem Leiter der Kulturabteilung und einigen anderen, die er hätte beiziehen



Kahn-Ackermann
können, getroffen, sondern man hat den Haushaltsdirektor des Bundesfinanzministers mit dahin geschickt, um über eine solche Sache mit zu entscheiden.
Diese Praktik durchzieht unsere ganze auswärtige Kulturpolitik wie ein roter Faden. Hier werden zuweilen die Kriterien von Stellenplänen für Dinge angesetzt, wo solche Kriterien für eine fruchtbare Arbeit auf diesem Gebiet einfach hemmend sind und die Effektivität unserer Arbeit empfindlich lähmen und wo dadurch verhindert wird, daß wir für die Arbeit draußen die Männer bekommen, die wir eigentlich brauchen.
Ich habe vor einiger Zeit in einer Mailänder Zeitung, im „Corriere della Sera", einen sehr interessanten Aufsatz über das neue Deutschland gelesen, und ich finde, daß wir seit Benedetto Croce alle Ursache haben, uns die klugen Überlegungen der Italiener über ihren nördlichen Nachbarn nutzbar zu. machen. Darin steht, man müsse in Deutschland den Eindruck gewinnen, daß die Wirtschaft über die Politik triumphiere. Das mag seine guten und seine schlechten Seiten haben. Aber bei der von der Bundesregierung vollzogenen Praxis ist es wirklich so, daß die Vorstellungen des Finanzministeriums und seiner Administration Bedingungen schaffen, unter denen man draußen kaum mit Erfolg arbeiten kann. So ist z. B. der § 64 der Reichshaushaltsordnung ein Stein, der hier im Wege liegt und der elegante und praktische Lösungen einfach ausschließt

(Zuruf von der CDU/CSU: Da muß man den Paragraphen abschaffen!)

und uns große Schwierigkeiten bereitet, das zu tun, was wir auf dem Gebiet wirklich tun müssen.
Denken Sie nur daran — der Kollege Moersch hat davon gesprochen —, daß auf einem entscheidenden Operationsgebiet in diesem Bereich, nämlich bei der Entsendung deutscher Hochschullehrer, deutscher Fachschullehrer, überhaupt deutscher Lehrer, die Bundesregierung vor den bestehenden Schwierigkeiten praktisch kapituliert hat. Während wir auf der einen Seite ungeheuerliche Beträge für Investitionen auf diesem Gebiet ausgeben, die höchst zweifelhafter Natur sind, kapituliert man hier vor administrativen Schwierigkeiten, die bei einigermaßen gutem Willen zu beseitigen wären.
Lassen Sie mich ein Letztes zu diesem Thema sagen. Ich gehöre auch zu denen, die wissen, daß Geld auf diesem Gebiet notwendig ist; aber ich weiß auch, daß es nicht entscheidend ist. Entscheidend sind die Menschen, die Sie da einsetzen. Aber auch dort, wo Geld eine große Rolle spielt, wo wir zur Stützung unserer Außenpolitik Investitionen vornehmen, sind diese Investitionen in den vergangenen zehn Jahren bei allem Positiven, was da geleistet worden ist — ich möchte es einmal etwas burschikos sagen —, über den Daumen gepeilt worden. Sie halten den Apparat im Auswärtigen Amt für diesen Zweck so kurz, daß niemand in der Lage ist, fachmännisch und sachlich, bevor Schulen gebaut, Institute errichtet und andere Dinge gemacht werden, darüber zu entscheiden, ob die Investition und die Ausgabe dieser Mittel an diesem Platz für
uns, für die deutsche Politik, für die Berührung der deutschen Kultur mit den fremden Kulturen, für unsere Zusammenarbeit mit dem Rest der Welt in den internationalen Organisationen wirklich den höchsten Effekt erreichen können.
Diese Periode muß unbedingt aufhöhren. Deswegen ist es zu begrüßen, daß im Rahmen dieser Debatte darüber etwas gesagt worden ist. Wir können dieses Thema heute zweifellos nicht abschließen und werden es vertiefen müssen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Nach Pfingsten!)

Ich möchte Sie nur um das eine bitten. Ich habe Ihnen vorgetragen, daß die Bundesregierung — durch den Herrn Bundeskanzler, durch den Herrn Außenminister — mit der bedeutendsten internationalen Kulturorganisation eine Vereinbarung getroffen hat. Jetzt muß es — durch welchen Irrtum auch immer — so erscheinen, als ob diese Vereinbarung gebrochen sei. Ersparen Sie unserem Land die Blamage, die es zweifellos erleben würde, wenn dieser Irrtum hier im Haushalt nicht ausgemerzt würde.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504124200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Conring.

Dr. Hermann Conring (CDU):
Rede ID: ID0504124300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen meines Herrn Vorredners können nicht unwidersprochen bleiben. Es ist nicht so, daß schon ein Vertrag geschlossen ist, sondern die Vertragsverhandlungen sind noch im Gange. In dem Haushaltsplan, den wir zu verabschieden haben, ist eigens davon gesprochen worden, daß der endgültige Abschluß der Verhandlungen abzuwarten sei.
Ich möchte den Damen und Herren des Hauses weiter dazu folgendes vortragen.

(Abg. Kahn-Ackermann meldet sich zu einer Zwischenfrage.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504124400
Herr Abgeordneter Conring!

Dr. Hermann Conring (CDU):
Rede ID: ID0504124500
Im Augenblick nicht; ich bitte nachher. Ich spreche nur kurz, und Sie können sofort hinterher fragen.
Wir haben im Haushalt des Auswärtigen Amtes den Titel .„Förderung der UNESCO-Arbeit in der Bundesrepublik". Dieser Titel zerfällt in zwei Unterteile: einmal in den Zuschuß an die deutsche UNESCO-Kommission in Köln. Dieser Zuschuß beträgt jahraus, jahrein rund 450 000 DM jährlich. Dieser Zuschuß ist auch in diesem Jahr in etwa der gleichen Höhe — ich habe die Zahl nicht da — bewilligt, wie er seit drei Jahren bewilligt worden ist. Bisher gab es einen zweiten Untertitel bei dem Haupttitel „Förderung der UNESCO-Arbeit in der Bundesrepublik". Er lautete: „Zuschüsse an die UNESCO-Institute der Jugend und der Politik". Dieser Titel war in den verschiedenen Jahren mit 60-, 70- und auch 80 000 DM jährlich ausgestattet. Er



Dr. Conring
diente dazu, die Institute der UNESCO, die sich auf dem Gebiet der Bundesrepublik befinden, zu unterstützen. Die Arbeit dieser Institute wurde in der Weise finanziert, daß die UNESCO 80 % der Ausgaben trug und die Bundesrepublik ihrerseits 20% hinzufügte. Bis 1965 war das so.
Dann erhielten wir im Haushaltsausschuß im Sommer 1965 die Mitteilung, daß das eine dieser beiden Institute — eines liegt in Bayern und eines liegt in Hamburg —, nämlich das Institut in Hamburg, von der UNESCO aufgegeben werden solle. Es ist dann den Bemühungen des Auswärtigen Amtes gelungen, die UNESCO davon zu überzeugen, daß dieses Institut in Hamburg aufrechterhalten werden müßte. Allerdings verlangte nun die UNESCO: Wenn Ihr von deutscher Seite so großen Wert darauf legt, daß dieses UNESCO-Institut in Hamburg erhalten bleibt, dann muß die Finanzierung grundlegend geändert werden. Bei den bisherigen jahraus, jahrein gegebenen Bundeszuschüssen war das Verhältnis immer so: 80% der Kosten trug die UNESCO, 20 % trug die Bundesrepublik. Für die Unterhaltung des UNESCO-Instituts in Hamburg kehrte sich dieses Verhältnis nun völlig um. Es war vorgesehen, daß das UNESCO-Institut einen Jahreszuschuß von etwa 600 000 DM jährlich erhalten sollte, und es war in den Verhandlungen von deutscher Seite gesagt, daß wir dann etwa 90 % der entstehenden Kosten — das sind 540 000 DM — aus Mitteln des Bundeshaushalts zur Verfügung stellen würden. Es hatte sich mit anderen Worten das Verhältnis der Zuwendungen der UNESCO auf der einen Seite und der Zuwendungen der Bundesrepublik auf der anderen Seite umgekehrt. War früher das Verhältnis von UNESCO zu Bund 80 zu 20, so ist es in diesem Fall etwa 10 zu 90. Die 90 % waren nur ein Anhalt — und darin, Herr Kahn-Ackermann, liegt nun der Unterschied in unseren Auffassungen — für die Fixierung einer festen Summe, die als solche in den Haushalt eingesetzt wurde, und zwar in jedem Jahr mit 540 000 DM statt im Jahr 1965 66 000 DM.
Wir haben uns im Haushaltsausschuß an Hand eines — wie ich meine — Vertragsentwurfs und an Hand einer Satzung, die uns vorgelegt wurden, darüber unterhalten, wie hoch diese Summe sein müßte. Wir haben ausdrücklich gesagt, daß wir für diese Arbeit in Hamburg keine prozentuale Beteiligung wünschten, sondern einen festen Betrag, eben jene 540 000 DM jährlich zur Verfügung stellen wollten.
Es schreckten uns — das wissen Sie, Herr Kahn-Ackermann, Sie sind stellvertretendes Mitglied des Haushaltsausschusses — bei der prozentualen Festlegung die Überlegungen, die wir jährlich anstellen bei all den internationalen Organisationen, die wir aus dem Bundeshaushalt jährlich mitzufinanzieren haben. Wir hatten immer wieder gesehen, daß wir zu allen diesen — so wichtigen und so dringenden — internationalen Einrichtungen laufend größere Zuschüsse zu leisten hatten, ohne daß wir hier als Parlament irgend etwas dazu zu sagen gehabt hätten. Wir waren insoweit nur noch Registratoren, die zu registrieren hatten, daß beispielsweise der Weltgesundheitsrat seinen auf die Bundesrepublik entfallenden Beitrag für dieses oder jenes
Jahr höher festgesetzt habe oder daß die FAO ihren Beitrag nahezu verdoppelt habe. Die Höhe der Mehrausgaben entzog sich aber einer Beeinflussung von unserer Seite vollkommen. In den letzten Jahren ist im Haushaltsausschuß oft darüber gesprochen worden, daß das eigentlich kein glücklicher Zustand ist. Aus diesen Erwägungen haben wir — nach einer entsprechenden Vorlage des Bundesfinanzministers — in diesem Fall darauf bestanden, hier einen festen Betrag für die UNESCO-Arbeit in Hamburg zur Verfügung zu stellen.
Es ist mir wohl bekannt, daß bei den ferneren Verhandlungen die UNESCO natürlich — wie könnte es anders sein — versucht, diesen festen Betrag in eine prozentuale, nämlich eine 90%ige Beteiligung umzuwandeln. Es ist klar, das ist vom Standpunkt der UNESCO auch zu begreifen, daß sie das versucht. Aber es sollte nicht unsere Aufgabe sein, in die Verhandlungen, die noch im Gange sind, nunmehr — soweit ich unterrichtet bin, und ich hoffe, ich bin richtig unterrichtet — von unserer Seite ein Moment hineinzubringen, das dem Verhandlungsergebnis unter allen Umständen vorgreifen würde. Denn wenn wir unsererseits jetzt erklären: „Wir entsprechen hiermit dem SPD-Antrag", d. h. praktisch: wir stellen fest, daß wir 90% der Kosten des UNESCO-Instituts in Hamburg auf uns nehmen wollen, dann nehmen wir das Verhandlungsergebnis zu Lasten der Bundesrepublik und des Bundeshaushalts vorweg. Das wird nicht unsere Absicht sein können, zumal wir schon die 66- oder 70 000-DM-Jahresleistung auf eine 540 000-DM-Jahresleistung gesteigert haben. Ich möchte Sie daher bitten, den Antrag der SPD-Fraktion auf Umdruck 48 abzulehnen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504124600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kahn-Ackermann.

Georg Kahn-Ackermann (SPD):
Rede ID: ID0504124700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Conring, es tut mir leid, daß die Bundesregierung den Haushaltsausschuß irrtümlich unterrichtet hat. Es besteht ein schriftlich fixiertes Abkommen, unterzeichnet von Herrn Botschafter Sattler, das hier in Bonn geschrieben worden ist und in dessen § 4 steht, daß die Bundesrepublik 90 % und die UNESCO 10% der Kosten trägt. Dieses Abkommen enthält einen weiteren Paragraphen, in dem ausdrücklich steht, daß erstmalig 1966 die Leistungen der Bundesrepublik 540 000 DM betragen. Die UNESCO beabsichtigt nicht, über diese Frage der 90 und 10% irgendwelche Verhandlungen zu führen, weil sie sagt, sie hat in ihrer Generalkonferenz dieses Abkommen so, wie es von Botschafter Sattler im Auftrage der Bundesregierung unterzeichnet worden ist, ratifiziert und kann nicht von etwas herunter, was vereinbart worden ist und — ich muß es Ihnen noch einmal sagen in Gegenwart des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Außenministers — was von der Generalversammlung der UNESCO ratifiziert worden ist. Es tut mir leid, daß ich hier aufrechterhalten muß, daß die Bundesregierung den Haushaltsausschuß irrtümlich unterrichtet hat.




Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504124800
Herr Abgeordneter Conring, wollen Sie noch einmal dazu Stellung nehmen? Es ist immerhin der bedeutsame Vorwurf erheben worden, die Bundesregierung habe den Haushaltsausschuß nicht zutreffend unterrichtet.

Dr. Hermann Conring (CDU):
Rede ID: ID0504124900
Nun, meine Damen und Herren, ich glaube, der Vorwurf ist unberechtigt, und man sollte ihn nicht erheben. Denn jedenfalls, Herr Kahn-Ackermann, zu dem Zeitpunkt, als wir die Sache im Haushaltsausschuß nach der Vorlage des Bundesfinanzministers behandelten, war ein Vertrag sicher noch nicht abgeschlossen! Infolgedessen kann Ihre Behauptung, die Bundesregierung habe uns nicht richtig unterrichtet und habe in dem Bundeshaushaltsplan 1966 etwas Falsches gesagt, sicher nicht zutreffen, und sie muß zurückgewiesen werden.
Und nun die andere Frage! Ich habe mich heute morgen im Auswärtigen Amt unterrichtet. Das Auswärtige Amt hat mir auf diese Anfrage ausdrücklich mitgeteilt, daß ein Vertrag bisher nicht vorliegt, daß vielmehr über den Vertrag noch verhandelt wird. — Das ist eine Kontroverse zwischen uns, Herr Kahn-Ackermann, die wir nicht so rasch werden aufklären können. Ich verlasse mich darauf, daß ich vom Auswärtigen Amt heute vormittag richtig unterrichtet bin.

(Abg. Kahn-Ackermann: Ich habe das Dokument in Paris mit eigenen Augen gesehen, weil es mir der Generaldirektor der UNESCO unter die Nase gehalten hat!)

— Das mag Ihnen gern eingeräumt sein. Ob das aber ein rechtsgültiger und für die Bundesrepublik bindender Vertrag war, das zu entscheiden, ist mir jetzt ohne nähere Kenntnis und Einsichtnahme in die Dokumente unmöglich. Einstweilen muß ich sagen: Ihre Behauptung, wir seien damals unrichtig unterrichtet, ist falsch. Ihre andere Behauptung, es sei jetzt ein Vertrag vorhanden, ist zumindest sehr zweifelhaft.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0504125000
Das Wort hat der Abgeordnete Sänger.

Fritz Sänger (SPD):
Rede ID: ID0504125100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie einige Bemerkungen zum Einzelplan 04 — Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — sowie zum Änderungsantrag Umdruck 37.
Insbesondere möchte ich einen Satz des Herrn Bundeskanzlers nicht unwidersprochen lassen. Er hat heute morgen in seinen wenigen Bemerkungen zur Öffentlichkeitsarbeit seiner Regierung gesagt, dieses Thema „Reptilienfonds" kehre alle Jahre wieder; er wolle dazu nur kurz sprechen, es lohne sich wirklich nicht. Ich glaube, es lohnt sich doch, darüber zu sprechen, daß wir 12,5 Millionen DM ausgeben, die nicht kontrolliert werden können von uns, den Abgeordneten, die dazu berufen sind. Es geht nicht darum — worauf dieses Thema immer wieder zu bringen versucht wird —, daß solche Titel im Haushaltsplan stehen. Wir sind davon
überzeugt, daß es notwendig ist, gewisse Aufgaben zu erfüllen und die Mittel dafür zur Verfügung zu stellen; aber die Ausgaben sind einer besonderen Kontrolle zu unterwerfen. Es geht darum, daß diese Titel wirklich, wie es in einer Äußerung des Herrn Staatssekretärs von Hase heißt, „für Deutschland" verwendet werden und daß wir wissen, wie sie verwendet werden. Dabei ist es ziemlich gleichgültig, wie andere Länder verfahren. Hier sind wir zuständig, und hier haben wir unsere Dinge zu ordnen.
Im übrigen für diejenigen, die ein wenig geschichtliches Interesse haben: Es ist genau auf das Jahr hundert Jahre her, seit Herr von Bismarck, der damalige preußische Minister, den „Reptilien" b is in ihre Schlupflöcher nachjagen wollte, die das Vermögen des früheren Königs von Hannover, das gerade beschlagnahmt war, gern kennen und seine Verwendung wissen wollten. Daher noch immer der Name „Reptilienfonds".

(Abg. Dr. Conring: Der hier unangebracht ist!)

Jetzt haben wir einen Kanzler, der, als er sein Amt antrat, sagte: Ich brauche solche Geheimfonds nicht; so etwas entspricht nicht meinem Stil. Wir wollen uns aber auch daran erinnern, daß er in dem gleichen Jahre, in dem er das sagte, den Titelansatz von 13 Millionen auf 16 Millionen DM erhöhte. Infolge der Streichung blieb es dann bei den 13 Millionen DM. Leider blieb es aber auch bei dem Geheimnis.
Ich will es kurz machen. Es geht um die Kontrolle, und da brauchen wir uns nicht zu zerstreiten. Wenn bei der Verwendung dieser 121/2 Millionen DM alles in Ordnung ist, können es ja wohl alle Parteien im Hause wissen. Wenn alles wirklich „allein im deutschen Interesse" ausgegeben wird, muß ich von der Opposition doch notgedrungen die Frage an Sie von der Regierungspartei richten: Sind wir von der Opposition denn verdächtig, nicht im deutschen Interesse zu denken und zu kontrollieren? Ich glaube, wir könnten uns finden, und wir sollten, wie Herr Strauß gesagt hat, die „saubere Verwendung" dieser Gelder gemeinsam prüfen können. Wir werden dann hoffentlich gemeinsam feststellen, daß diese Mittel sauber verwendet worden sind.
Wegen der Kürze der Zeit muß ich Ihnen leider vorenthalten, was ich an Einzelheiten vorzutragen mir vorgenommen hatte, um zu zeigen, daß bisher jedenfalls nicht alle Verwendungen so sauber waren, wie das von uns allen erwartet wird. Alle diese Einzelfälle werden wir noch im Ausschuß für Wissenschaft und Publizistik erörtern. Wir sind dort gerade in einem Gespräch mit Herrn Staatssekretär von Hase, und mir scheint, es wäre unfair, dieses Gespräch nicht bis zum Ende ablaufen zu lassen.
Daß es Aufwendungen gibt, die nicht auf dem öffentlichen Markt behandelt werden können, wissen auch wir. Aber diese Ausgaben dürfen eben nicht mit anderen vermischt werden, wodurch dann gewisse andere Ausgaben in Mißkredit gebracht werden. Ich sage das nicht ohne Grund. In meiner früheren beruflichen Tätigkeit habe ich erlebt, daß normale kommerzielle Leistungen an die Bundesregierung



Sänger
gegeben und von ihr aus dem Geheimfonds entgolten wurden, bis es uns endlich gelang, dafür einen offenen Titel hinzustellen. Warum das? Und in wieviel anderen Fällen geschieht das noch? Das möchten wir gern geprüft haben.
Wir möchten dabei zu klaren Grenzziehungen und zu einer einfachen Überwachung kommen. Wir möchten, daß legitime Ausgaben öffentlich ausgewiesen werden und daß, sagen wir einmal, besondere Ausgaben unter die Kontrolle eines kleinen Ausschusses gestellt werden. Die Regierung sollte selbst ein Interesse daran haben, daß keine, auch nicht die geringste Möglichkeit besteht, ihr etwas anzuhängen, daß nicht geflüstert wird, werden könnte oder vielleicht werden müßte, daß da Ausgaben getätigt würden, die nicht in Ordnung seien.
Wir haben deshalb noch einmal, nicht „alle Jahre wieder", sondern weil wir mit fortlaufender Zeit an die wachsende Einsicht auch bei der Koalition glauben, den Antrag gestellt, diesen Fonds nicht nur zu kürzen, sondern auch unter Kontrolle zu nehmen. Wir haben zwei Punkte in dem Antrag Umdruck 37.
Wenn Sie den ersten Punkt genau ansehen, werden Sie feststellen, daß er aus zwei Teilen besteht. In dem ersten Teil wünschen wir eine Kürzung, nicht um der Kürzung willen, sondern weil von den 12,5 Millionen DM, soviel wir wissen, dieser von uns zu kürzende Betrag von 4,5 Millionen DM solche Ausgaben betrifft, die öffentlich ausgewiesen sind. Dafür stehen andere Fonds im Etat. Man kann im Etat nachlesen, daß die Fußnoten beinahe wörtlich übereinstimmen, die zu den einzelnen Fonds begleitend mitgeteilt werden. Die Kürzung ist also sachlich begründet.
In dem zweiten Teil geht es um die Notwendigkeit der Kontrolle durch einen Unterausschuß des Haushaltsausschusses. Ich darf Sie bitten, damit einverstanden zu sein — und darf den Herrn Präsidenten bitten, dies als Antrag zu nehmen —, daß wir unter der Nr. 1 unseres Antrags getrennt über die Kürzung und über die Kontrolle abstimmen.
Es bleibt, worüber Herr Kollege Erler heute gesprochen hat, die Notwendigkeit, den Tit. 314 — ich möchte noch ergänzend sagen: wegen Mißbrauchs der Gelder — zu streichen. Dies ist unsere Bitte und mein Appell an Sie alle, meine Damen und Herren, daß uns in dieser Frage nicht die Zugehörigkeit zu Koalition oder Opposition scheiden möge, sondern daß wir alle, die wir Abgeordnete sind, einsehen, daß das Parlament die Souveränität und die sachliche Verpflichtung hat, alle Ausgaben der Exekutive zu kontrollieren, die einen Ausgaben öffentlich und die anderen in einem klein gehaltenen, vertraulichen Ausschuß.

(Vorsitz : Vizepräsident Frau Dr. Probst)

Das ist eine normale und in anderen Ländern sogar übliche Art der Behandlung dieser Ausgaben.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504125200
Herr Abgeordneter Haase.

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0504125300
Frau Präsidentin! 1 Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir bitte auch ein paar Bemerkungen zu dem Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion zu Kap. 04 03 Tit. 300 und 314.
Herr Kollege Sänger, Sie haben zuletzt hierzu Stellung genommen. Ich bedaure eigentlich, daß Sie, wegen der Kürze der Zeit natürlich, so gar nicht in die Details gegangen sind. Sie sagten, Sie wüßten noch so viel Stellen und so viel Gelegenheiten, bei denen das Geld hier nicht so richtig ausgegeben worden sei. Herr Kollege Sänger, gerade in diesem Fall müssen wir doch mal bitten, Roß und Reiter zu nennen. Seit Jahren wird immer pauschal gesagt, die Regierung gebe das Geld für parteipolitische Zwecke aus. Diesen Vorwurf müssen wir auch heute, weil er völlig unsubstantiiert vorgetragen wurde, zurückweisen. Meine Damen und Herren, ich werde Ihnen nachher einmal an ein paar Details zeigen, wo parteipolitische Propaganda aus Steuermitteln finanziert wird. Sie werden das wohl gestatten. Herr Kollege Erler sprach heute morgen auch recht pauschal über die Ausgaben bei den Informationstiteln, und er hat lediglich die Inseratenaktion im vergangenen Jahr erwähnt. Er sagte, daß in diesen Inseraten nicht auf die Sozialinvestitionen eingegangen worden sei. Herr Kollege Erler, ich bitte, daß Sie sich einmal die Texte vorlegen lassen. Sie werden sehen, es handelt sich um den Familienlastenausgleich, die Alterssicherung, das Wohnungswesen und das 312-DM-Gesetz.

(Abg. Sänger meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Bitte sehr, Herr Kollege Sänger!

Fritz Sänger (SPD):
Rede ID: ID0504125400
Herr Kollege Haase, da Sie Details haben wollen und ich Sie ja absichtlich damit verschont habe aus Gründen der Fairneß, weil wir im Gespräch mit Herrn Staatssekretär Hase sind, möchte ich Ihnen einmal ein Detail vorlegen. Folgendes etwa: Diese Rede, die Sie jetzt halten — ich phantasiere und konstruiere das nicht, sondern es ist Tatsache —, wird von einer Firma als eine bedeutende Rede gewertet, und man schreibt Ihnen dann einen Brief: Die Rede war ausgezeichnet, nur wäre sie sehr viel besser, wenn man sie bebildern könnte; wir, die Firma sind bereit, einen Film zu dieser Rede zu drehen; er kostet Sie gar nichts, Sie erhalten ihn kostenlos von uns. — Wenn Sie dann weiter fragen: Wer zahlt das, brauchen Sie nur diesen Brief auf die andere Seite umzudrehen; da ist das Bildnis eines Bundesministers, der offenbar dafür die Mittel hergibt. Würden Sie meinen, daß das politische Propaganda ist?

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504125500
Herr Abgeordneter, verzeihen Sie, Sie haben nur das Recht, kurze Zwischenfragen zu stellen, aber nicht das Recht, Zwischenreden zu halten.

Fritz Sänger (SPD):
Rede ID: ID0504125600
Ich bitte um Entschuldigung, ich wollte nur eine Situation darstellen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504125700
Fahren Sie bitte fort!




Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0504125800
Lieber Herr Kollege Sanger, ich möchte darauf nur erwidern: Es wäre sachdienlicher gewesen, Sie hätten hier Ihre Vorhaltungen, die Sie zu diesem Titel vorgetragen haben, an Hand einer Reihe von Beispielen, über die Sie wohl verfügen, substantiiert. Das war meine Bitte an Sie.
Nun, meine Damen und Herren, einige allgemeine Bemerkungen. Es ist doch wohl unstrittig, daß es einer Regierung in ,einem demokratischen Staat erlaubt ist, jederzeit ihre Politik mit den geeigneten Mitteln in der Öffentlichkeit zu vertreten. Der Bürger in unserer Gesellschaft erhält eine Vielfalt von Informationen. Nicht nur Parteien, Gruppen, Verbände und eine unabhängige Presse bemühen sich, ihre Standpunkte darzutun und den Bürger gegebenenfalls als Bundesgenossen der eigenen Meinung zu gewinnen. Die vorgetragenen Ansichten sind oft recht kontrovers, das wissen Sie. Die Informationsarbeit der verschiedenen Gruppen, die sich um unsere Bürger bemühen, ist durchaus legitim, ja, sie liegt im Interesse einer möglichst vielfältigen Information, die dem Bürger die Meinungsbildung erleichtert. Nicht nur die Chancengleichheit, sondern auch die notwendige Vollständigkeit der Information des Bürgers erfordert, daß sich auch die Bundesregierung in diesem Chor der Stimmen Gehör verschafft, daß sie ihre Pläne erläutert, ihre Ansichten darlegt und ihre Arbeit verteidigt. Es wäre zutiefst undemokratisch, das, was jeder Gruppe des Volkes zugestanden wird, einzig und allein der Bundesregierung zu verweigern. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung befindet sich bei ihren Bemühungen, ihre Informationspolitik zu gestalten, in guter Gesellschaft. Das Recht wird praktisch auch von allen unseren Länderregierungen in Anspruch genommen, beispielsweise auch von der Regierung meines hessischen Heimatlandes.

(Zurufe von der SPD.)

Zum Beispiel kann auf eine Erklärung des Ministerpräsidenten Dr. Zinn, die er am 21. September 1962 auf eine Kleine Anfrage der FDP betreffend Haushaltsmittel für den Hessendienst abgegeben hat, hingewiesen werden. Nach einem Bericht über die Dienste und Veröffentlichungen, die von der Hessischen Landesregierung herausgegeben werden, erklärte er folgendes:
Die Vertreter der Bonner Regierungsparteien haben sich stets für das Informationsrecht der Bundesregierung eingesetzt. So betonte der Abgeordnete Ehren in die Bundestagssitzung vom 21. Juni 1955: „Ich bin der Meinung, daß jede von -der Mehrheit des Volkes getragene Regierung nicht nur das Recht, sondern die Pflicht hat, ihre Aufgaben populär zu machen und an das Volk heranzutragen. Ich bin weiter der Meinung: wenn die Regierung der Weimarer Republik es vor 1933 besser und umfassender verstanden hätte, das Volk aufzuklären, vielleicht. wäre uns das furchtbare Erlebnis des Dritten Reiches erspart geblieben." Die Hessische Landesregierung nimmt für sich das gleiche Recht wie die Bundesregierung und alle anderen Regierungen in Anspruch, der Bevölkerung laufend über ihre Arbeit Rechenschaft zu geben.
Meine Damen und Herren, niemand im Hessischen Landtag bestreitet der Hessischen Landesregierung das Recht dazu. Man ist großzügig, weil es einfach heute zur Arbeit einer demokratischen Regierung gehört, und ich glaube, es wäre auch Ihnen zu empfehlen, meine verehrten Damen und Herren von der SPD, sich einmal zu überlegen, ob Sie hier nicht etwas großzügiger werden sollten. Was ich heute von Ihnen an Argumenten gehört habe, deckt sich völlig mit dem, was Sie auch in der Vergangenheit vorgetragen haben. Ich habe mir die Mühe gemacht, nachzulesen, was Sie in den letzten Jahren zu den Ausgaben für Informationszwecke vorgetragen haben? Es war überhaupt nichts Neues, was heute vorgebracht worden ist.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504125900
Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0504126000
Ja!

Harry Tallert (SPD):
Rede ID: ID0504126100
Herr Kollege Haase, ich hätte von Ihnen gern Argumente gehört, warum Sie nichts zur Frage der parlamentarischen Kontrolle sagen. Sind Sie nicht in der Lage, dafür eine stichhaltige Begründung zu geben?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0504126200
Verehrter Kollege Tallert, ich komme noch darauf. Ich werde Ihnen darauf noch ausführlich Antwort geben. Nur nicht so ungeduldig.

(Lachen bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, eine Bemerkung zur Höhe des Ansatzes bei Tit. 300. Von 1959 bis 1965 weist der Ansatz des Tit. 300 gleichbleibend 13 Millionen DM aus. Trotz mancher in den letzten Jahren eingetretenen Kostensteigerungen hat sich die Bundesregierung entschlossen, den Ansatz in 1966 um 0,5 Millionen DM zu kürzen, um der allgemeinen Haushaltslage Rechnung zu tragen. Eine weitere Kürzung des Ansatzes erscheint mir nicht möglich.
Die Verschärfung der außenpolitischen Lage der Bundesrepublik Deutschland macht es notwendig, ihr durch eine intensive, weltweite Aufklärung zu begegnen. Dem Gesetz der steigenden Aufwendungen für Public-Relations-Aufgaben, dem die Wirtschaft unterworfen ist, kann sich auch ein demokratischer Staat bei seiner Öffentlichkeitsarbeit zur Verteidigung seiner lebenswichtigen Interessen nicht entziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dies gilt insbesondere für Deutschland in seiner geographischen, geschichtlichen und politischen Lage.
Was nun, Herr Kollege Tallert, Ihre Frage betrifft: Die besondere politische Situation, in der sich die Bundesrepublik Deutschland befindet, macht es notwendig, daß ihrer Regierung Mittel zur Verfügung stehen, deren Verwendung nur einem unbedingt notwendigen Personenkreis bekannt und zugänglich ist. Sowohl innerhalb der Bundesregierung selbst als auch bei allen Haushaltsberatungen im



Haase (Kassel)

Haushaltsausschuß und auch im Plenum des Bundestages haben wir immer wieder erörtert und ernsthaft geprüft, in welcher Weise die Prüfung der Verwendung der Ausgaben bei Tit. 300 erfolgen soll und ob dabei nicht insbesondere auch eine Prüfung durch einen Unterausschuß des Haushaltsausschusses möglich wäre.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504126300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Tallert?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0504126400
Ja!

Harry Tallert (SPD):
Rede ID: ID0504126500
Herr Kollege Haase, sind Sie bereit, eine klare Antwort auf die Frage zu geben, in welcher Form Sie eine parlamentarische Kontrolle, ganz gleich welcher Art, für möglich halten — ja oder nein?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0504126600
Herr Kollege, der Zweck, dem diese Mittel dienen sollen, schließt es einfach aus,

(lebhafte Aha-Rufe und Lachen bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

daß ein großer Kreis mit der Mittelausgabe vertraut gemacht wird.

(Weitere Zurufe von der SPD.) — Aber nun hören Sie mal zu!


(Anhaltende Zurufe von der SPD.) Meine Damen und Herren, darf ich fortfahren?


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504126700
Herr Abgeordneter, erlauben Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Tallert?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0504126800
Ja!

Harry Tallert (SPD):
Rede ID: ID0504126900
Herr Kollege Haase, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie eine parlamentarische Kontrolle über die Verwendung dieser Mittel nicht für möglich halten? Ich hatte Sie um eine klare Antwort gebeten.

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0504127000
Ich komme gern darauf zu sprechen, Herr Kollege Tallert. Aus schwerwiegenden Gründen, die allein in der Tatsache begründet liegen, daß eine Offenlegung die Wirksamkeit der Verwendung der Mittel im Sinne ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung häufig gefährden würde, hat der Deutsche Bundestag selbst es immer wieder bei der bisherigen Regelung belassen, und ich glaube, wir müssen auch weiterhin bei dieser Regelung bleiben.

(Abg. Erler: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?)

— Bitte sehr, Herr Kollege Erler, gern!

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0504127100
Herr Kollege, ist Ihnen entgangen, daß es sich gar nicht um die Offenlegung der Mittel handelt, sondern nur um eine so begrenzte Einsicht, wie sie z. B. auch für den Bundesnachrichtendienst
gilt? Ist denn der Bundesnachrichtendienst weniger geheimnisschutzbedürftig als die Verwendung eines Propagandafonds?

(Beifall bei der SPD.)


Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0504127200
Herr Kollege Erler, die Ausgabe der Mittel liegt auf einer ganz anderen Ebene, die läßt sich nicht mit dem Bundesnachrichtendienst vergleichen.

(Lachen und Zurufe von der SPD.) — Nein, auf einer ganz anderen Ebene!


(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Was ist das für eine Ebene? Eine schiefe Ebene! — Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren, gegenüber häufigen Fehldeutungen ist nachdrücklich darauf hinzuweisen, daß die Zweckbestimmung des Tit. 300 im Haushaltsplan hinreichend genau umschrieben und festgelegt ist. Gegen jede willkürliche, etwa sogar einseitigen parteipolitischen Zwecken dienende Verwendung sichert die im Gesetz vorgeschriebene Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504127300
Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Biermann?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0504127400
Bitte sehr!

Günter Biermann (SPD):
Rede ID: ID0504127500
Herr Kollege Haase, ist es nicht so, daß Sie in dieser Frage ausschließlich die Opposition aus der Kontrolle ausgeschlossen haben möchten? Sagen Sie das doch bitte!

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0504127600
Sie irren sich, Herr Kollege. Keineswegs! Es handelt sich nur um die Zahl der Informierten. Sie mißverstehen mich dauernd.

(Lachen bei der SPD.)

Entsprechende Regelungen finden sich auch in den Haushaltsplänen deutscher Länder. So weist z. B. auch im Jahre 1965 der Haushaltsplan des Landes Hessen in Kap. 02 01 Tit. 300 einen Betrag von 500 000 DM zur Verfügung des Hessischen Ministerpräsidenten aus. Dieser Titel dient gleichfalls der Förderung des Informationswesens. Der Titel vermerkt — und nun hören Sie bitte zu — ist wortwörtlich dem Haushaltsplan des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung entnommen.

(Abg. Erler meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Ich weiß, Herr Kollege Erler, was Sie fragen wollen. Aber bitte sehr!

(Große Heiterkeit bei der SPD. — Abg. Dr. Tamblé: Herr Haase, der Hellseher!)


Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0504127700
Ich möchte Sie fragen, ob Sie dann auch bereit sind, hier wenigstens die hessische Regelung einzuführen, wonach die Fraktionsvorsitzen-



Erler
den — auch der Opposition — über die Verwendung dieses Titels unterrichtet werden.

(Beifall bei der SPD.)


Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0504127800
Herr Kollege Erler, Herr Ministerpräsident Zinn spricht gelegentlich einmal mit den Fraktionsvorsitzenden. Aber was hat denn das mit diesem Ansatz im Haushalt zu tun? Er unterhält sich über dieses und jenes und ist gar nicht gehalten, das weiterführen zu müssen. Das hat doch mit dem Ansatz im Haushalt nichts zu tun; das ist eine Geste, die er jeden Tag fallen lassen kann. Wieweit die Information geht, ob Mittelempfänger genannt werden, können wir hier natürlich nicht beurteilen. Mir kam es nur darauf an, darauf hinzuweisen, daß auch andere demokratische Regierungen über solche Titel und Informationsmöglichkeiten verfügen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504127900
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hauffe?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0504128000
Gern!

Herbert Hauffe (SPD):
Rede ID: ID0504128100
Herr Kollege, Sie haben soeben gesagt, es handle sich nicht darum, die Opposition von der Prüfung auszuschließen. Könnten Sie mir sagen, wie die Prüfungskommission, an der die Opposition beteiligt ist, zusammengesetzt werden soll, wenn sie nur aus einem Mann besteht?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0504128200
Herr Kollege, Sie haben mich mißverstanden. Ich sagte, der große Kreis muß ausgeschlossen sein, wenn es darum geht, jene Titel zu kontrollieren.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504128300
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Erler?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0504128400
Bitte sehr!

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0504128500
Ist Ihnen bekannt, daß der Kreis der damit beschäftigten Beamten immerhin so groß ist, daß er nicht einmal um ein Zwanzigstel vergrößert würde, wenn ein Vertreter der Opposition hinzugezogen würde?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0504128600
Herr Kollege Erler, Sie sind besser informiert als ich.

(Lachen und Zurufe von der SPD.) Daran mögen Sie, Herr Kollege Erler,


(anhaltendes Lachen und Zurufe von der SPD)

ermessen, daß es gar keine Frage von Koalition oder Opposition, CDU oder SPD ist. Ich komme wieder darauf zurück: ein großer Kreis darf hier nicht zum Zuge kommen.

(Erneutes Lachen bei der SPD. — Anhaltende Zurufe von der SPD.)

Meine Damen und Herren, es ist schon darauf hingewiesen worden, daß nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch außerhalb unseres Landes wie beispielsweise in Großbritannien, dessen demokratische Tradition seit Jahrhunderten begründet ist, der Regierung, auch der gegenwärtigen Labour-Regierung, für entsprechende Zwecke erheblich höhere Mittel zur Verfügung stehen. Die Verwendung dieser Mittel wird ebenfalls nicht durch das Parlament kontrolliert.
Aus den dargelegten Gründen bitte ich, sowohl den Kürzungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Umdruck 37 zu Kap. 04 03 Tit. 300 als auch die beantragte Änderung des Haushaltsvermerks abzulehnen.
Gestatten Sie, verehrte Damen und Herren, noch eine kurze Bemerkung zu Tit. 314. Mit diesen Mitteln sollte in die Öffentlichkeit hineingewirkt und Aufklärung über die Sozialinvestitionen betrieben werden, insbesondere über Fragen der Vermögensbildung, des Familienlastenausgleichs, des Wohnungswesens, der Forschung und der Bildung. Wie notwendig es war, hier Aufklärung in die Bevölkerung hineinzutragen, haben wir gesehen an den zum Teil doch recht unlauteren Darstellungen, die von verschiedenen Publikationsorganen gegeben worden sind, z. B. im Zusammenhang mit der Einführung des sozialen Mietrechts und der Einrichtung der weißen Kreise. Hier mußte sich die Bundesregierung gegen jene Unlauterkeit, die im Lande publiziert worden war, zur Wehr setzen, und ich glaube, kein Vernünftiger wird ihr das bestreiten wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD. — Abg. Schmitt-Vockenhausen meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Bitte, Herr Schmitt-Vockenhausen, gern!

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504128700
Herr Schmitt-Vockenhausen!

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0504128800
Erinnern Sie sich an die Fragestunde, in der Herr Staatssekretär von Hase zugab, daß diese Anzeigen über die Sozialinvestitionen im Proporz den Koalitionsparteien zugeteilt worden waren, und können Sie das vielleicht mit den von Ihnen angedeuteten Zwecken in Übereinstimmung bringen?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0504128900
Herr Kollege, auch in den Ministerien, die von Kollegen der FDP geleitet werden, gab es Fragen, die in der Öffentlichkeit erläutert werden mußten. Das liegt doch klar auf der Hand.

(Lachen bei der SPD. — Anhaltende Zurufe von der SPD: Herr Haase aus Kassel! Weitere Zurufe.)

Nun, meine Damen und Herren, Herr Kollege Erler hat uns heute morgen geziehen, wir würden hier Steuermittel zur parteipolitischen Propaganda zweckentfremden.

(Sehr wahr! bei der SPD.)




Haase (Kassel)

Er hat von den Inseraten gesprochen. Ich möchte hier einmal feststellen: diese Inserate haben sich im wesentlichen um Fragen gedreht, die in der politischen Auseinandersetzung nicht kontrovers waren; denn diesen Sozialinvestitionen hatten auch Sie zugestimmt. Ich kann Ihnen aber sagen — ich beschränke mich auf ganz wenige Beispiele —, daß da, wo Sie in der Verantwortung sind, rücksichtslos auch im politischen Tageskampf, in der politischen Auseinandersetzung die Steuergelder zur Werbung verwendet werden.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Widerspruch bei der SPD.)

— Ich sage hier nichts, ohne es beweisen zu können. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf eine Anzeige vom 17. Mai 1958 lenken. Da lesen Sie z. B.
— weil Sie von Inseraten sprachen —:
Die von der Bundesregierung geplante atomare Ausrüstung der Bundeswehr bringt für das dichtbesiedelte Land Nordrhein-Westfalen tödliche Gefahren mit sich. Eine Stationierung atomarer Waffen an Rhein und Ruhr wäre ein lebensgefährliches Experiment. Es würde unser Land und besonders die bevölkerungsreichen Großstädte des Rhein-Ruhr-Gebietes in . . . . Gefahr bringen, . . . .
Und dann heißt es:
Die Landesregierung ist entschlossen,
1. im Bundesrat gegen alle Anträge zu stimmen und jede Bewilligung von Mitteln zu verweigern, die die atomare Ausrüstung der Bundeswehr ermöglichen würden;
2. bei der Anforderung von Land für die Errichtung atomarer Militäranlagen durch den Bund grundsätzlich ihr Einverständnis zu verweigern;
4. die Bestrebungen der Aktion „Kampf dem Atomtod" in jeder geeigneten Weise zu unterstützen.
Darunter: „Steinhoff, Ministerpräsident", „Hemsath, Arbeits- und Sozialminister", usw. usw.
Das ist ihre parteipolitische Propaganda im politischen Tageskampf, meine Damen und Herren; finanziert aus Steuermitteln.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Ich frage mich: woher nehmen Sie die Legitimation, hier immer ausgerechnet uns vorzuwerfen, wir würden es tun, da es sachlich nicht zutrifft und von Ihnen nicht bewiesen werden kann! Nennen Sie Roß und Reiter, und machen Sie nicht diese pauschalen Vorwürfe, meine Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das liegt ja etwas länger zurück. Aber um Ihnen einmal ganz Aktuelles zu zeigen, habe ich Ihnen aus meiner Heimat etwas mitgebracht. Wissen Sie, was das ist?

(Der Redner zeigt eine Wandtafel.)

Das sind Wandtafeln, mit denen in Hessen für den Fremdenverkehr geworben wird.

(Unruhe bei der SPD.)

Mich stört nicht das Bild des hessischen Ministerpräsidenten. Es ist sein gutes Recht als hessischer Ministerpräsident, sich der Bevölkerung vorzustellen. Mich stört der parteipolitische Werbeslogan: Hessen vorn! Das ist nämlich Ihre Wahlwerbung.

(Anhaltende Unruhe. — Lachen und Zurufe bei der SPD.)

— Ja, das glaube ich, daß Ihnen das peinlich ist.

(Anhaltendes Lachen bei der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504129000
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0504129100
Lassen Sie mich erst einmal zu Ende reden!

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Haben Sie etwas dagegen, wenn Hessen vorn ist?)

— Nein, ich will das erst zu Ende führen. Herr Kollege, Sie wissen ganz genau: „Hessen vorn — SPD vorn!", das ist Ihre Werbeformel in Hessen.

(Fortgesetztes Lachen bei der SPD.)

Ich möchte einmal sehen, was Sie sagen würden, wenn die Bundesregierung in den Kasernen oder in den Hauptzollämtern 1957 mit solchen Plakaten geworben hätte: „Keine Experimente!" oder dergleichen.

(Beifall {bei der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504129200
Herr Kollege, erlauben Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Biermann?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0504129300
Nein, ich will das zu Ende führen. Wir haben uns lange genug unterhalten.
Meine sehr verehrten Kollegen von der Opposition, mir ging es nicht darum, hier Kontroversen zu entfachen.

(Lachen bei der SPD.)

Mein Wunsch war: etwas mehr Großzügigkeit!

(Erneutes Lachen bei der SPD.)

Machen Sie es wie die Opposition in Hessen, die gesagt hat: Herr Zinn, wir gönnen Ihnen ja die Mittel; sie stehen Ihnen zur Verfügung; nur machen Sie ordentliche Arbeit damit!
Also bitte, Herr Kollege Erler, geben Sie dieser Bundesregierung, was sie als demokratische Regierung benötigt, um ihren Aufgaben in Deutschland und in der Welt auf dem Gebiete des Informationswesens nachkommen zu können.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504129400
Das Wort hat der Abgeordnete Wischnewski.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 1853

Hans-Jürgen Wischnewski (SPD):
Rede ID: ID0504129500
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf einige ganz wenige Bemerkungen zum Umdruck 36 machen. Ich kann mich sehr kurz fassen. Noch im Laufe des Monats Juni wird über einen grundsätzlichen Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zu diesem Thema beraten werden. Es handelt sich um den Titel 964 im Einzelplan 05 — Ausrüstungshilfe.
Die Regierungsvorlage hat hier einen Ansatz von 110 Millionen DM vorgesehen. Der Haushaltsausschuß hat davon bereits 23 Millionen DM gestrichen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bittet Sie, weitere 27 Millionen DM zu streichen, d. h. den Ansatz auf 60 Millionen DM zurückzuführen.
Ich darf dabei gleich vorweg sagen, daß wir uns nicht über militärische Ausrüstungshilfe innerhalb des Bündnisses zu unterhalten brauchen. Selbstverständlich sind hier Notwendigkeiten gegeben, und die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stimmt dem zu. Wo wir nicht zustimmen können, wo wir die größte Zurückhaltung empfehlen müssen und wo wir Streichungen beantragen, das betrifft die Ausrüstungshilfe insbesondere innerhalb von Afrika.
Hier geht es um zwei Probleme. Erstens sehen wir hier eine echte Möglichkeit, weitere 27 Millionen DM einzusparen, und zweitens — und das ist das Entscheidende — kommt es uns darauf an, die Bundesrepublik vor weiterem Schaden zu bewahren; denn unbestritten haben wir durch verschiedene Maßnahmen — und ich werde Ihnen das sehr klar aufzeigen — eine Reihe von Schäden hinnehmen müssen.
Der Verteidigungsminister ist vor wenigen Tagen in einer Publikation der Deutschen Afrikagesellschaft sehr für die militärische Ausrüstungshilfe in Afrika eingetreten und hat gesagt, es handle sich um eine Entwicklungshilfe besonderer Art. Ich möchte hier ganz klar und eindeutig zum Ausdruck bringen: Erstens sind wir grundsätzlich der Auffassung, daß das mit Entwicklungshilfe auch nicht das geringste zu tun hat.

(Beifall bei der SPD.)

Zweitens hat der Herr Verteidigungsminister bei dieser Gelegenheit zum Ausdruck gebracht, daß die Ausrüstungshilfe dazu angetan sein kann, die Freundschaft zwischen der Bundesrepublik und einer Reihe von afrikanischen Staaten zu vertiefen. Ich darf ihm sagen: Durch diese Maßnahmen sind zum Teil sogar ernste Krisen entstanden, und in einer Reihe von Fällen ist das Verhältnis der Bundesrepublik zu diesen Ländern wesentlich verschlechtert worden.
Die Bundesregierung hat erklärt, sie wolle keine militärische Ausrüstung in Spannungsgebiete liefern. Ich muß leider feststellen, daß das auch in der letzten Zeit in sehr starkem Maße geschehen ist.
Um Ihnen aufzuzeigen, für wie überflüssig wir diese Einrichtung halten, muß ich auf einige praktische Beispiele eingehen. Es ist gesagt worden, die militärische Ausrüstungshilfe solle dazu dienen, unser freundschaftliches Verhältnis zu diesen Ländern zu fördern. Die größte militärische Ausrüstungshilfe hat bisher der Sudan erhalten. Das hat den Sudan nicht daran gehindert, die diplomatischen Beziehungen zur Bundesrepublik abzubrechen, als wir die diplomatischen Beziehungen zu Israel aufnahmen. Andere Länder, wie Marokko, Tunesien, Libyen, die keine militärische Ausrüstungshilfe von uns erhalten haben und auch nicht erhalten, waren bereit, die diplomatischen Beziehungen zur Bundesrepublik weiterhin aufrechtzuerhalten. Wir haben auch keine Kontrolle darüber gehabt, was mit den Waffen geschehen ist, die die Bundesrepublik in den Sudan geliefert hat. Unbestritten — das kann man nachweisen — ist ein Teil der Waffen, die wir in den Sudan geliefert haben, hinterher bei den Rebellen im Kongo aufgetaucht. Das, meine Damen und Herren, zeigt klar und eindeutig auf, wie gefährlich die Situation ist, ganz abgesehen davon, daß ich daran erinnern muß, daß sich innerhalb des Sudans starke innere Auseinandersetzungen abspielen zwischen dem muselmanischen Norden und dem schwarzafrikanischen Süden. Wir sollten hier kein militärisches Engagement eingehen.
Wir haben eine zweite Schwierigkeit mit unserer Hilfe an Somalia erlebt, abgesehen davon, daß ich es für eine etwas makabre Angelegenheit halte, daß im selben Land die Bundesrepublik die Polizei und die Sowjeunion die Armee ausrüstet. Zwischen Somalia und seinen Nachbarn bestehen seit vielen Jahren erhebliche Grenzstreitigkeiten. Dadurch sind wir in politischen Schwierigkeiten gekommen. Diese Grenzschwierigkeiten bestehen sowohl mit Äthiopien als auch mit Kenia. Das hat dazu geführt, daß wir auch Äthiopien und Kenia um des lieben Friedens willen weitere Zusagen haben machen müssen.
Das drastischste Beispiel scheint mir aber das von Tansania zu sein. In Tansania, meine sehr verehrten Damen und Herren, gibt es einen wahren Friedhof deutscher militärischer Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe. Dort stehen ein paar Flugzeuge, dort liegen vier Küstenschutzboote, dort stehen 20 Lastwagen mit einer fertigen Flugzeugwerkstatteinrichtung. Die Bundeswehrsoldaten sind abgezogen. Das Verhältnis zwischen Tansania und der Bundesrepublik ist durch diese Angelegenheit nur belastet worden. Das Material verrottet seit Wochen und Monaten, und es hat doch einen Wert von insgesamt einigen Millionen Mark. Ich glaube, daß wir uns etwas Derartiges nicht leisten können und daß wir gezwungen sind, hier strengste Maßstäbe anzulegen.
Ein weiteres Beispiel: Wir haben die Ausbildung in Nigeria übernommen. Alle, die sich um diese Frage gekümmert haben, wissen, daß wir nach dem Regierungswechsel zum Militärregime gerade bei den dort eingesetzten Bundeswehrsoldaten in größte Schwierigkeiten gekommen sind.
Ich darf hier ganz offen sagen, daß ich selbst der Hilfe der Bundeswehr in Guinea immer sehr positiv gegenübergestanden habe. Dort handelt es sich um Straßenbau und um den Einsatz von Pionieren für diesen Zweck. Aber in der Zwischenzeit hat sich die politische Situation in diesem Lande entscheidend geändert. An der Grenze zu beiden Seiten sind



Wischnewski
L) Truppen zusammengezogen. Eine schwierige politische Situation ist eingetreten. Die Bundesrepublik hat insbesondere mit dem Nachbarland, mit der Elfenbeinküste, seit vielen Jahren sehr, sehr freundschaftliche Beziehungen, und von dort werden jetzt Befürchtungen in bezug auf die politische Situation in Guinea geäußert. Ich will damit sagen, daß man auch bei einem Projekt, das einen durchaus positiven Eindruck macht, in große Schwierigkeiten kommen kann. Denn im Grunde genommen ist in dieser Frage der gesamte afrikanische Kontinent noch ein Spannungsgebiet.
Wir sind sicher bereit, allen uns befreundeten Ländern in Afrika zu helfen, gerade wir, Aber es gibt andere, bessere Möglichkeiten als die militärische Ausrüstungshilfe. Wir haben in Afrika im Rahmen der übrigen Entwicklungspolitik Hervorragendes geleistet, z. B. durch die Errichtung von Gewerbeschulen und ähnlichen Einrichtungen. Wir werden den Afrikanern damit einen besseren Dienst erweisen. Aus diesen politischen Erwägungen darf ich Sie darum bitten, unserem Antrag zuzustimmen, diesen Titel um weitere 27 Millionen DM zu kürzen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt rechts.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504129600
Meine Damen und Herren, es wird noch einmal das Wort gewünscht Herr Dr. Conring, bitte!

Dr. Hermann Conring (CDU):
Rede ID: ID0504129700
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte ein paar Worte zu dem Antrag Umdruck 36 sagen, zu dem eben gesprochen ist, ohne daß ich in eine allgemeine Debatte über Ausrüstungshilfe und Entwicklungshilfe eintreten möchte. Ich möchte von den Verhandlungen im Haushaltsausschuß ausgehen. Auch Sie wissen ja, Herr Abgeordneter Wischnewski, daß diese Verhandlungen im Haushaltsausschuß wie auch im Auswärtigen Ausschuß für vertraulich erklärt sind, so daß es etwas schwer fällt, hier im Parlament auf Einzelheiten einzugehen.

(Abg. Wischnewski: Ich habe nur das vorgetragen, was in jeder Zeitung zu lesen ist!)

— Ich mache Ihnen auch keinen Vorwurf, sondern habe nur erklären wollen, weshalb ich bei diesen Dingen nicht auf Einzelheiten eingehen will.
Ich möchte Sie aber darauf aufmerksam machen, daß nach den uns zur Verfügung stehenden Unterlagen z. B. der von Ihnen genannte Staat Somalia gar keine Waffen erhalten hat, sondern daß dort Polizeieinheiten ausgerüstet worden sind und eine Kraftfahrzeugreparaturwerkstatt geliefert ist.
Sie sprachen ferner von Kenia. Auch nach Kenia sind keine deutschen Waffen geliefert worden. Nach dem Sudan, den Sie ebenfalls angesprochen haben, werden zur Zeit keine Waffen geliefert.

(Abg. Wischnewski: Zur Zeit bestehen ja auch keine diplomatischen Beziehungen! Bis dahin sind sie ständig geliefert worden!)

— Es werden aber die Restlieferungen, die noch anstehen, trotz des Fehlens diplomatischer Beziehungen abgewickelt. Das ist bei der Entwicklungshilfe der Fall und geschieht auch hier.
Ich möchte folgendes zu Ihrem Antrag sagen. Wir haben die Angelegenheit mehrfach und eingehend behandelt. Wir haben dann die Verhandlungen unterbrochen, um dem Auswärtigen Ausschuß Gelegenheit zur Stellungnahme zu den einzelnen Projekten in vertraulicher Verhandlung zu geben. Der Auswärtige Ausschuß hat sich in aller Breite damit befaßt und mit Mehrheit entschieden, daß der im Haushaltsplan enthaltenen Anforderung von 110 Millionen DM entsprochen werden sollte. Wir haben dann nach den Verhandlungen im Auswärtigen Ausschuß nochmals diese Angelegenheit im Haushaltsausschuß erörtert und haben, wie Sie hervorgehoben haben, den Titel von 110 um 23 auf 87 Millionen DM gekürzt. Wir gingen bei unserer Entscheidung davon aus, daß es in der Ausrüstungshilfe eine Reihe von Verpflichtungen gibt, sei es gegenüber NATO-Ländern, sei es gegenüber anderen Staaten in Afrika und in Asien, Verpflichtungen, denen wir uns nicht entziehen können. Wir haben das verantwortungsbewußt genau geprüft und haben dabei auch nicht unterlassen, zu bedenken, daß den Ansprüchen der Länder, die Lieferungen zu erhalten wünschen, auch Ansprüche deutscher Firmen entsprechen, die von seiten der Bundesregierung auf Lieferungen an diese Länder verpflichtet sind. Es ist nicht ganz leicht, einen Strich durch alle diese Verpflichtungen sowohl gegenüber den Empfängerländern als auch gegenüber den deutschen Firmen zu machen.
Wir sollten diese Sache mit der Behutsamkeit behandeln, die dieses wichtige Instrument erfordert, das natürlich zweischneidig ist und vielfache Aspekte bietet.
Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, bitten, den Antrag der SPD auf Umdruck 36 abzulehnen, nachdem der Haushaltsausschuß schon eine mögliche Kürzung vorgenommen hat und weitere Kürzungen für 1966 mit den Verpflichtungen nicht in Einklang zu bringen sind, die bereits eingegangen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Stimmt nicht!)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504129800
Nunmehr liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
Ehe wir zur Abstimmung kommen, meine Damen und Herren, muß ich eine Bemerkung zur Geschäftslage machen, in der wir uns befinden. Der Ältestenrat. schlägt Ihnen vor, daß wir jetzt nicht nur die Einzelpläne 04 und 05, sondern folgende weitere Einzelpläne noch erledigen: 01, 02, 03, 25, 06, 07 und 12.

(Zuruf von der SPD.)

— Das ist die Vereinbarung im Ältestenrat. Ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen: wir haben jetzt noch eineinhalb Stunden Zeit. Ich möchte Sie herzlich bitten, doch in gestraffter Form mitzuarbeiten, damit wir in der Tagesordnung vorwärtskommen.

(Beifall.)




Vizepräsident Frau Dr. Probst
Ich stelle jetzt den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Einzelplan 04 auf Umdruck 37 *) zur Abstimmung. Wird dazu nochmals das Wort gewünscht? — Das ist offenbar nicht der Fall. Ich lasse getrennt abstimmen. Ich glaube, das entspricht Ihren Wünschen. Zunächst steht die Ziffer 1 des Umdrucks 37 zur Abstimmung.

(Abg. Erler: Absatz 1!)

— Ziffer 1, Abs. 1. Ich frage: wer ist damit einverstanden? — Wer ist dagegen? — Frage an den Sitzungsvorstand: was ist hier die Mehrheit? — Der Sitzungsvorstand ist sich einig darüber, daß das letztere die Mehrheit war. — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Der Antrag Ziffer 1 Abs. 1 ist abgelehnt.
Ich rufe auf Ziffer 1 Abs. 2. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — -Gegenprobe! — Enthaltungen? — Eine Enthaltung. Ziffer 1 Abs. 2 ist mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe Ziffer 2 des Antrages auf Umdruck 37 auf. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zum Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses zum Einzelplan 04. Der Antrag des Ausschusses ist Ihnen bekannt. Wer für den Antrag des Haushaltsausschusses ist, der gebe ein Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Das erste war die Mehrheit; Einzelplan 04 in der Fassung des Beschlusses des Haushaltsausschusses ist angenommen.
Ich stelle den Einzelplan 05 zur Abstimmung. Auch hier liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 36**) vor. Sie haben den Text vorliegen; ich stelle ihn zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Stimmenthaltungen? — Keine Enthaltungen. Das zweite war die Mehrheit.

(Widerspruch bei der SPD.)

— Der Sitzungsvorstand ist der Auffassung, daß das zweite die Mehrheit gewesen ist. Der Änderungsantrag Umdruck 36 ist abgelehnt.
Ich stelle den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 48 ***) zur Abstimmung. Der Text liegt Ihnen vor. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Der Sitzungsvorstand ist sich darüber klar, daß letzteres die Mehrheit ist. Wer enthält sich der Stimme? — Niemand. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme jetzt zu dem Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses mit dem Antrag des Ausschusses, der Ihnen vorliegt. Ich stelle den Antrag des Ausschusses zur Abstimmung. Wer dafür ist, der gebe ein Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Ersteres war nach Auffassung des Sitzungsvorstandes die Mehrheit. Der Antrag
*) siehe Anlage 2 **) siehe Anlage 3 ***) siehe Anlage 4
des Haushaltsausschusses zu Einzelplan 05 ist angenommen.
Ich rufe jetzt auf: Einzelplan 01
Bundespräsident und Bundespräsidialamt
— Drucksache V/570 —
Berichterstatter: Abgeordneter Baier
Ich bitte um Wortmeldungen. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich stelle den Ihnen vorliegenden Antrag des Ausschusses zur Abstimmung. Wer dafür ist, gebe ein Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Enthaltungen? — Einzelplan 01 ist einstimmig angenommen.
Ich komme nun zu Einzelplan 02
Deutscher Bundestag
— Drucksache V/571 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr Götz Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Götz.

Dr. Hermann Götz (CDU):
Rede ID: ID0504129900
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haushalt des Deutschen Bundestages einschließlich der Dienststelle des Wehrbeauftragten sieht nach den Beschlüssen des Haushaltsausschusses ein Ausgabenvolumen in Höhe von 60,2 Millionen DM vor. Er weist damit gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um rund 4 Millionen DM auf. Etwa 2,7 Millionen DM dieser Ausgabenerhöhung entfallen auf den Stellenplan der Bundestagsverwaltung. Davon sind rund 2 Millionen DM bedingt durch die Besoldungserhöhungen zum anderen durch die bei allen obersten Bundesbehörden vorgenommenen sogenannten Harmonisierungsmaßnahmen. Weitere Mehrausgaben entfallen auf unabweisbar höhere Ansätze bei den Allgemeinen und Sachausgaben, die mit der Arbeit des Parlaments und seiner Gremien sowie der Verwaltung in Zusammenhang stehen. Hinzu kommt auch noch, daß mit dem zügigen Fortgang der Arbeiten am Reichstagsgebäude in Berlin und mit der Fertigstellung weiterer Räume auch die Kosten für die Erstausstattung, für die Bewirtschaftung und für die Unterhaltung entsprechend höher angesetzt werden mußten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Haushaltsausschuß hat bei der Beratung des Haushalts des Bundestages die einzelnen Positionen des Einzelplans 02 mit der gleichen Elle gemessen wie die der Einzelpläne anderer Häuser, und er hat auch hier den Rotstift angesetzt und die Ausgabenansätze gegenüber dem Vorjahr um etwa 124 000 DM gekürzt. Dies ist ein relativ geringer Betrag. Diese relative Geringfügigkeit der Streichungen bei einigen Ansätzen ist aber darauf zurückzuführen, daß bereits der Bundestagsvorstand bei der Feststellung des Haushalts dieses Hohen Hauses kräftig den Rotstift angesetzt hat und aus Gründen der Sparsamkeit nicht allen Ausgabeansätzen, die ursprüng-



Dr. Götz
lich im Entwurf vorgesehen waren, seine Zustimmung gegeben hat, obwohl diese einigen durchaus berechtigten Anregungen, Wünschen und Vorschlägen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in diesem Hause oder organisatorischen und technischen Erfordernissen entsprachen.
Wenn ich als Berichterstatter für den Einzelplan 02 entgegen der Übung in den vergangenen Jahren gebeten habe, mir das Wort zu einem mündlichen Bericht zu geben, dann eigentlich nur wegen eines einzigen Titels, der sicher Ihre besondere Aufmerksamkeit findet, nämlich wegen des Tit. 710, des sogenannten Bautitels, der die Zweckbestimmung hat: „Errichtung eines Bürohauses des Deutschen Bundestages (Arbeitszimmer für Abgeordnete und Sitzungsräume für Ausschüsse) ". Ich meine, daß ein Bericht über die bisherigen Beratungen in den zuständigen Gremien dieses Hauses über das nun seit vielen Jahren diskutierte Neubauprojekt im Hinblick auf die heute darüber zu erwartende erneute Debatte, aber auch im Hinblick auf die in der Öffentlichkeit geführte Diskussion zweckmäßig ist. Vielleicht trägt eine Darstellung der Motive. und Fakten, die zu den Mehrheitsbeschlüssen des Vorstandes und Haushaltsausschusses geführt haben, zu einer Versachlichung der parlamentarischen und vor allem der außerparlamentarischen Diskussion bei.
Der Haushaltsausschuß hat in seiner Sitzung am 4. Mai 1966 mit 18 gegen 5 Stimmen bei 1 Enthaltung den Tit. 710 mit der bereits zitierten Zweckbestimmung, mit einem Baransatz von 3 Millionen DM für das laufende Haushaltsjahr und mit den Erläuterungen, deren Fassung Sie aus der Drucksache V/571, Seite 22, ersehen können, genehmigt. Er hat aber auch in einem besonderen Vermerk zum Dispositiv des Titels dem Baubeginn und der Begründung von Verpflichtungen zu Lasten künftiger Rechnungsjahre zugestimmt.
Eine erneute Debatte über das Neubauprojekt, seine Notwendigkeit, seinen Umfang und seine Ausführung fand im Haushaltsausschuß nicht statt. Denn dies wäre nur eine Wiederholung der darüber bereits im vergangenen Jahr sowohl im Haushaltsausschuß als auch hier im Plenum in aller Ausführlichkeit geführten Debatte gewesen. Die Mehrheit des Haushaltsausschusses sah keine Veranlassung, dieses Thema noch einmal in aller Breite zu diskutieren, nachdem das Plenum des Bundestages bei der vorjährigen Haushaltsdebatte, zwar nicht einstimmig, aber ohne Gegenstimmen bei einigen Stimmenthaltungen, dem Neubau des Bürohauses seine Zustimmung gegeben hatte. Die Mitglieder der FDP-Fraktion im Haushaltsausschuß aber haben auch ihrerseits auf eine Sachdebatte verzichtet und angekündigt, daß sie ihre Auffassung zu dieser Frage hier im Plenum vortragen würden.
Der Haushaltsausschuß hat sich also nur mit den haushaltsmäßigen Fragen befaßt. Bevor ich darauf zu sprechen komme, lassen Sie mich in aller Kürze noch einmal die Vorgeschichte dieses Projekts in Ihre Erinnerung zurückrufen und die Tatsachen und Motive erwähnen, die die Mehrheit des Ausschusses veranlaßt haben, den haushaltsmäßigen Konsequenzen aus den Plenarbeschlüssen der Jahre 1964 und
1965 zuzustimmen. Dabei werde ich selbstverständlich auch auf die Motive der Minderheit zu sprechen kommen.
Bereits bei der Beratung des Haushalts 1964 wurde mit überwiegender Mehrheit im Einzelplan 02 erstmalig der Tit. 710 als ein Leertitel eingefügt, damals mit der Zweckbestimmung: „Neubauten für Zwecke des Bundestages einschließlich der erforderlichen Ersteinrichtung". Ich darf um des Zusammenhangs und der Klarheit willen gleich an dieser Stelle vermerken, daß ein Jahr später bei der zweiten Lesung des Haushalts 1965 auf Grund eines Änderungsantrags der CDU/CSU-Fraktion die Zweckbindung dieses Titels auf die Errichtung eines Bürohauses eingeengt wurde.
Was war der Anlaß zum Neubauprojekt? Der Anlaß war das dringende Bedürfnis, nun endlich aus der räumlichen, die Arbeits- und Funktionsfähigkeit dieses Hauses stark beeinträchtigenden Enge herauszukommen und die unerläßlichen Voraussetzugen für das zu schaffen, was ein modernes Parlament sich selber und dem Staate schuldig ist. Dieses Bedürfnis bestand eigentlich von Anfang an, und das Abgeordneten-Hochhaus an der Görresstraße war ein erster Schritt, um aus dieser Enge herauszukommen.
Sehr bald hat sich aber gezeigt, daß dies noch keine befriedigende Lösung ist. Daher hat der Bundestagsvorstand im Jahre 1961 beschlossen, einen Um- und Erweiterungsbau durchzuführen mit dem Ziel, erstens jedem Abgeordneten einen Arbeitsraum zur Verfügung zu stellen, zweitens auch eine ausreichende Zahl von Sitzungsräumen für die Ausschüsse zu schaffen, die nach Größe und Ausstattung wenigstens die Mindestbedingungen erfüllen sollten, die an solche Räume zu stellen sind und ihrer Zweckbestimmung entsprechen.
Ich glaube, es bestand und besteht auch in diesem Hohen Hause keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß die zur Zeit vorhandenen Ausschußzimmer wegen ihrer Lage und ihrer Größe die Arbeiten der Ausschüsse genauso erschweren wie die zwangsläufigen Notlösungen, zu denen sich die Verwaltung dieses Hauses gezwungen sieht, wenn alle oder sehr viele Ausschüsse zur gleichen Zeit tagen.
Mit dem erwähnten Beschluß hat der Vorstand dieses Hohen Hauses den seit Jahren geführten Klagen, Anregungen, Beschwerden und Forderungen der Abgeordneten Rechnung zu tragen versucht. Ich glaube, man kann ernsthaft nicht in Abrede stellen, daß eine befriedigende Lösung dieser beiden Aufgaben dringend geboten und vordringlich ist. Dabei waren sich beide Gremien darüber einig, daß wir uns in einem Provisorium befinden. Aber Einigkeit bestand auch darüber, daß man selbst im Zustand des Provisoriums arbeitsfähig sein muß.
Im Jahre 1962 hielt unser Kollege Dr. Arndt vor den Mitgliedern der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft einen Vortrag über das Thema „Das zeitgerechte Parlament". Mit Genehmigung der Frau Präsidentin möchte ich daraus nur einige wenige



g Dr. Götz
Sätze zitieren, weil sie sehr trefflich wiedergeben, was wir alle seit Jahr und Tag empfinden und was meines Erachtens auch von unseren Mitbürgern zugegeben werden muß und auch zugegeben wird, wenn sie erst einmal Gelegenheit hatten, die Raumverhältnisse und die Arbeitsbedingungen in diesem Hause selber kennenzulernen. Dr. Arndt sagte damals in seinem Vortrag:
Niemand wird behaupten dürfen, in seinen Mauern
— nämlich in den Mauern des Bundeshauses —
hätte die Demokratie geprägte Form in so gültiger Gestalt angenommen, daß seine Aufgabe
als Parlament ohne weiteres sichtbar würde.
Das Bundeshaus — so führt er fort —
trägt die Züge einer veralteten Schule, vielleicht beinahe' Hochschule, aber eben doch nicht ganz, ein Mittelding, das mehr scheinen will, als es sein kann; eine Art verbesserte Präparandenanstalt, durch Um- und Ausbauten ins Unübersichtliche und Unförmige ausgebeult.
Er fügt hinzu — ich darf auch das erwähnen, um bei allem Ernst dieses Problems auch eine heitere Note hereinzubringen —:
Just ein Haus zum Nachsitzen für solche, die ihr Pensum nicht rechtzeitig lernten.
Dr. Arndt sprich an anderer Stelle seines Vortrags von einem „Labyrinth des Wirrwarrs" und bezeichnete den Abgeordneten, der in diesem Hause tätig sein muß, als einen „Zwischendeckpassagier des Parlaments", der endlich - so Arndt — „von allem unrationellen Verschleiß seiner Arbeitszeit und -kraft befreit" werden müsse und dem eine „moderne Arbeitsstätte" zu sichern sei.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, der Berichterstatter kann es sich ersparen, an Hand von vielen Ihnen selbst aus Ihrer täglichen Arbeit bekannten Beispielen der Auswirkungen unserer Raumnot den Nachweis dafür zu erbringen, daß dieses Haus von den Postulaten eines modernen, zeitgemäßen Parlaments weit entfernt ist.
Vorstand und Haushaltsausschuß — das ist wichtig für Sie zu wissen — haben bei ihren Beratungen über die von der Bauverwaltung vorgelegten Pläne gemeinsam mit den Herren der Bundesbaudirektion alle nur möglichen Lösungen gründlich erwogen und dabei vor allem auch geprüft, ob das von allen, auch von der Minderheit bejahte Ziel, nicht auch auf eine einfache Weise erreicht werden kann. Aber bei allen Überlegungen durften zwei Gesichtspunkte nicht außer acht gelassen werden, nämlich der notwendige Raumbedarf und die Organisation dieses Hauses. Unter diesen Gesichtspunkten wurde zunächst eine sogenannte kleine Lösung versucht. In langen Verhandlungen wurde geprüft, ob der Raumbedarf eventuell durch die Einbeziehung des Nordflügels, in dem der Bundesrat untergebracht ist — der immer noch drin ist und den man nicht einfach auf die Straße setzen kann —, oder durch den Neubau eines Zwischenflügels im Anschluß an den Plenarsaal nach Süden hin befriedigend gedeckt
werden kann. In diese Richtung gingen etwa auch die Vorstellungen der Kollegen von der FDP-Fraktion, die unter Einbeziehung der AppartementHäuser an der Saemischstraße und an der HeussAllee glaubten, den Raumbedarf dadurch decken zu können.
Die Kollegen von der FDP-Fraktion kamen bei ihren Berechnungen des Raumbedarfs zu einem anderen Ergebnis als die Verwaltung des Bundestages.
Ich ,möchte darauf verzichten, Sie mit Zahlenvergleichen in der Frage des Raumbedarfs zu belasten. Ich möchte nur feststellen, daß der Raumbedarf sowohl von der Verwaltung als auch von der Raumkommission des Bundestagsvorstands mehrere Male und, wie ich glaube, sehr genau überprüft und errechnet wurde. Was war das Ergebnis? Das Ergebnis war, daß sich der als notwendig festgestellte Raumbedarf in keiner der erwogenen kleinen Lösungen unterbringen lassen konnte. Man hätte auf diese Weise zwar vielleicht eine ausreichende Zahl von Arbeitsräumen für Abgeordnete schaffen können, dabei aber nicht das Raumproblem der Verwaltung, der Ausschüsse und der Fraktionen und ihrer Arbeitskreise lösen können.
Lassen Sie mich hier ein kurzes Wort zum Raumbedarf der Verwaltung sagen. Auch er kann und darf nicht unberücksichtigt bleiben; denn er ist nun einmal für die Funktionsfähigkeit des Parlaments genauso wichtig wie ausreichende Arbeitsbedingungen für die Abgeordneten. Ich denke dabei z. B. an die Bibliothek, an das Archiv, an das Referat „Gesetzesmaterialien", an die Presseauswertung, an den Stenographischen Dienst, um nur einige Referate zu nennen, die vom organisatorischen, vom arbeitsmäßigen, aber auch vom fürsorgerischen Standpunkt aus genauso unzulänglich in diesem Hause oder außerhalb des Hauses untergebracht sind wie der Petitionsausschuß, der Sonderausschuß für die Strafrechtsreform, mehrere Büros der wissenschaftlichen Abteilung, das technische Referat, das Personalreferat oder die Vorprüfstelle. Ausreichende oder doch wenigstens normale Raumverhältnisse — das war die Auffassung der Mehrheit des Haushaltsausschusses — sind nun einmal die unerläßliche Voraussetzung für das reibungslose Funktionieren ,aller ,Hilfsdienste des Parlaments und damit auch einer guten Parlamentsarbeit.
Ich darf ,diesen Punkt zusammenfassen. Der Vorstand des Bundestages und der Haushaltsausschuß kamen nach reiflichen Überlegungen zu dem Ergebnis, daß die „kleine Lösung" aufgegeben werden muß, weil sie einerseits den notwendigen Raumbedarf nicht zu befriedigen vermochte und sich zum arideren aus technischen, aus organisatorischen und aus wirtschaftlichen Gründen ,als nicht praktikabel erwies. Daher entschieden sich der Vorstand und der Haushaltsausschuß für das jetzige, Ihnen bekannte Projekt eines Bürohauses, das den Vorzug hat, nicht nur den Raumbedarf der Abgeordneten voll zu befriedigen, sondern auch durch die Zusammenfassung der Arbeitsräume für Albgeordnete, der Sitzungszimmer für Ausschüsse und Sekretariate die Funktions- und Arbeitsfähigkeit des Parlaments zu verbessern.



Dr. Götz
Meine Damen und Herren, bei der Planung dieses Bürohauses wurde zudem auch — und ich möchte dies mit Betonung sagen — berücksichtigt, daß es nach einer Übersiedlung des Bundestages in die alte Reichshauptstadt Berlin ohne weiteres eine Nutzung zu anderen Zwecken zuläßt. Es ist von .der Minderheit, von den Kollegen der FDP-Fraktion, zu diesem Projekt auch immer das Bedenken geltend gemacht worden, daß dies nur der Anfang für weitere Baumaßnahmen für Zwecke des Bundestages sei. Es ist gesagt worden, es bestehe die Gefahr, daß dieses Haus sozusagen wie ein Schneeball eine Lawine auslöse. Aber ich möchte hier betonen, daß die Planung so angelegt ist, daß sie keineswegs eine Festlegung auf ein Neubauprogramm des Bundeshauses insgesamt bedeutet. Das geplante Bürohaus kann seine Bestimmung im Zusammenhang mit den bestehenden Bundeshausbauten durchaus erfüllen. Weitere Bauten sind nicht unibedingt erforderlich.
Ich darf noch kurz einige Bemerkungen zu den haushaltsmäßigen Fragen machen. Der Haushaltsausschuß hat den haushaltsmäßigen Konsequenzen zugestimmt, nachdem nunmehr alle Voraussetzungen für die Verwirklichung des Bauprojektes gegeben sind. Der ursprünglich vorgesehene Ansatz von 12 Millionen DM konnte um 9 Millionen DM auf 3 Millionen DM gekürzt werden, nachdem sich der Baubeginn um mehrere Monate verzögert hat. Wie in den früheren Jahren war eine Bindungsermächtigung vorgesehen, die dadurch überflüssig
wurde, daß der Vermerk zum Dispositiv angefügt wurde, den ich vorhin bereits erwähnt habe. Natürlich hat, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Haushaltsausschuß bei der von ihm zu treffenden Entscheidung auch die Finanzlage des Bundes und konjunkturpolitische Überlegungen nicht außer Betracht gelassen. Aber wenn sich die Mehrheit in voller Würdigung und Beachtung auch dieser Gesichtspunkte für die Verwirklichung des Projekts ausgesprochen hat, so hat sie sich davon leiten lassen, daß die finanziellen Auswirkungen auf mehrere Jahre verteilt, vertretbar sind, daß ein seit Jahren diskutiertes Problem nun endlich einer befriedigenden Lösung nähergebracht werden muß und daß diese Entscheidung letzten Endes im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit dieses Hauses und seiner
- Stellung in unserer Demokratie eine politische Entscheidung ist.
Der Berichterstatter empfiehlt Ihnen die Annahme des Einzelplans 02 in der Fassung des Haushaltsausschusses.

(Beifall bei der CDU/CSU und SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504130000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dorn. — Ich nehme an, Herr Abgeordneter Dorn, daß Sie auch den Umdruck 38 begründen möchten.

(Abg. Dorn: Ja!)

Bitte!

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0504130100
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß,
daß ich mit dieser Rede, die ich im Namen meiner Fraktion zu halten habe, keine Freunde gewinnen kann.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Natürlich! Natürlich! Schon als ich hier heraufging, wurde ich von einem Kollegen von der CDU mit den Worten begrüßt: „Tief Luft holen zum PfuiRufen!" Das ist das Niveau, das ich eigentlich auch erwartet hatte als Echo 'auf das, was wir jetzt in sachlicher Begründung vortragen wollen, weil wir der Meinung sind, daß wir gerade in dieser Frage, wo es um uns selber, um unser Haus, um unsere Arbeit und um unser Darstellen in der Öffentlichkeit geht, allen Anlaß haben, uns kritisch mit den Problemen, die hier zur Diskussion stehen, auseinanderzusetzen.

(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Sehr richtig!)

Es ist nicht meine Aufgabe, hier architektonische Lösungen oder Fragen zu behandeln. Ich sage sehr offen: Wenn es darum ginge, ein völlig neues Parlamentszentrum in der endgültigen deutschen Hauptstadt zu errichten, wäre uns dieses architektonische Meisterwerk gerade gut genug, um Mittelpunkt dieses Parlamentszentrums zu sein.
Doch hier geht es um etwas völlig anderes. Die Frage, die immer wieder gestellt wird und die auch aus dem anklang, was der Berichterstatter vorhin vorgetragen hat, ist doch die: Müssen wir eigentlich dieses Hochhaus bauen, weil das Parlament nicht mehr funktionsfähig ist?

(Zuruf von der SPD: Nein, weil es besser funktionsfähig sein soll!)

— Meine Damen und Herren, Sie werden nicht daran vorbeikommen, sich die Rede anzuhören. Wenn Sie viele Zwischenrufe machen, wird es um so länger dauern. Mir liegt daran, die Dinge sehr klar und nüchtern abzuhandeln. Wir werden dann Gelegenheit haben, auch Ihre Argumente kennenzulernen.
Die andere Frage ist die: Kann der Abgeordnete seinen Wählerauftrag nicht mehr erfüllen, wenn dieses neue Hochhaus nicht gebaut wird?

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig! Genau das ist die Frage!)

Nun über die Argumente, die auch in der letzten Diskussion in den Ausführungen des Kollegen Dichgans hier anklagen — „Wir sind schlechter untergebracht als ein Sekretär in einer Gemeindeverwaltung" —

(Abg. Ruf: Da hat er sehr recht gehabt!)

und über die Forderung: „Jeder Abgeordnete braucht ein eigenes Zimmer" werden wir uns unterhalten müssen.
Die Diskussion um die räumliche Enge in diesem Hause hält nun schon seit einigen Jahren an. Der Präsident dieses Hauses, Herr Dr. Gerstenmaier, hat in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau", das ich mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren darf, gesagt:



Dorn
Die Enge im Bundeshaus ist geradezu qualvoll
geworden, nachdem der Bundestag im Sommer 1953 beschlossen hatte, die Zahl der Abgeordneten von 400 auf 500 zu erhöhen. Dieser Beschluß ist nicht der weiseste gewesen. Heute noch bin ich davon überzeugt, daß das Parlament mit 120 bis 150 Abgeordneten weniger ebenso gut, vielleicht sogar besser arbeiten könnte.

(Zuruf von der SPD: Dann wäre die FDP nicht mehr vertreten!)

— Meine Damen und Herren, diese Sorge brauchen Sie nicht zu haben. Wir wären zwar mit einigen Kollegen weniger hier, aber wir hätten den Trost, daß das für Sie in gleichem Umfange zutreffen würde. Außerdem ist es ein Zitat, das nicht von mir stammt, und ich bin für die Äußerungen und Vorstellungen seines Urhebers nicht verantwortlich. Ich wollte damit nur aufzeigen, daß wir uns seit vielen Jahren —

(Zuruf: Wer war es denn?)

— Herr Dr. Gerstenmaier war es, Herr Dr. Schäfer
— immer wieder über die Problematik der räumlichen Enge in diesem Hause unterhalten.
Im ersten Deutschen Bundestag und auch im zweiten wurde unter bedeutend schwierigeren Arbeitsbedingungen ausgezeichnete parlamentarische Leistungen vollbracht, und wohl niemand von uns ist in der Lage zu behaupten, daß sich die räumliche Situation irgendwie in einer schlechten Qualität der
parlamentarischen Arbeit oder in einer schlechten Beratung politischer Entscheidungen niedergeschlagen hätte. Auch in der zweiten Legislaturperiode waren die räumlichen Verhältnisse hier nicht viel besser; sie waren sogar durch den vorhin von mir zitierten Vorgang erheblich schlechter.
Nun ist auch die Frage diskutiert worden, wie es in den Parlamenten der anderen europäischen Staaten aussieht. Nehmen wir z. B. England. Ich gebe zu, das Schwergewicht der parlamentarischen Arbeit liegt dort in der Wechselrede im Plenum des Unterhauses; aber immerhin hat im englischen Unterhaus nicht einmal jeder gewählte Abgeordnete einen Sitzplatz, und wer wie ich mehrfach Gelegenheit gehabt hat, die Arbeitsverhältnisse der englischen Unterhausabgeordneten an Ort und Stelle kennenzulernen, der weiß, daß 20 bis 25 Unterhausabgeordnete in einem Raum sitzen mußten, wenn sie ihre Post diktieren oder ihre Arbeit, die zu der Ausschuß- oder Parlamentsberatung gehörte, erledigen wollten.

(Zurufe von der SPD: Die FDP wird nicht gehindert, das auch zu tun! — Geben Sie Ihre Zimmer auf! — Zuruf von der CDU/ CSU: Machen Sie das in Ihrem FDP-Saal!)

— Meine Herren, die ganze Aufregung nützt Ihnen gar nichts.

(Zurufe: Doch!)

Wir werden Ihnen im Endergebnis einen Plan vorlegen, von dem wir hoffen, daß er Ihre Billigung finden wird, weil er von den gleichen Plänen und Zahlen ausgeht, die der Berichterstatter hier genannt
hat. Wir werden Ihnen zeigen, daß man mit einem Bruchteil der Summe, die hier zur Anforderung ansteht, ein mindestens ebenso gutes Projekt erstellen kann.
Wenn wir die Dinge ganz ruhig betrachten, ist eindeutig festzustellen, daß ein Abgeordneter nur wenige Stunden in der Woche sein Zimmer hier im Hause zu intensiver Arbeit braucht.

(Zurufe von der CDU/CSU: Die Meinung teilen wir nicht! — Es ist doch nicht zu glauben! — Zuruf von der SPD: Es gibt auch Fleißige hier!)

— Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich werde Ihnen an Hand von Beispielen nachweisen, daß das nicht nur für unsere Fraktion zutrifft. Sowohl Kollegen der SPD-Fraktion als auch Kollegen der CDU/CSU-Fraktion haben mich von sich aus angesprochen und mir erklärt, wie wenig Zeit sie selbst in ihren Arbeitszimmern in diesem Hause verbringen und daß sie es auch zumutbar finden, daß zwei Kollegen in einem Arbeitszimmer ihre Arbeit verrichten. Aber darauf geht meine Lösung ja gar nicht hinaus. Ich glaube, niemand kann bestreiten, daß derjenige, der in diesem Hause arbeiten will, auch arbeiten kann. Wir hatten im vergangenen Jahr 87 Präsenztage, und wir hatten insgesamt 112 sitzungsmögliche Arbeitstage im Laufe des Kalenderjahres. Das heißt also, daß die Frage, ob der Abgeordnete ein Arbeitszimmer allein benötigt, doch auch von zwei Seiten aus gesehen werden kann. Thomas Dehler hat einmal gesagt: Ich habe im Bundestag das Gesetz vom umgekehrten Verhältnis von technischem Aufwand und politischem Effekt der Arbeit entdeckt. Ich glaube, viele von denen, die jahrelang diesem Hause angehören, — es gibt ja eine Fülle von Kollegen, die schon viel mehr Jahre als ich im parlamentarischen Bereich tätig sind — werden das bestätigen, was Thomas Dehler in diesen seinen Worten anklingen läßt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch eins sehr offen sagen: Ich habe in den ersten zwei Jahren meiner Mitgliedschaft in diesem Hause mit zwei anderen Kollegen — wir waren also zu dritt — in einem Arbeitszimmer gesessen: der Kollege Dr. Emde, unser Haushaltsexperte, der Kollege Opitz, der für Mittelstandsfragen zuständig war, und ich, der ich für die Innenpolitik in unserer Fraktion gearbeitet habe. In den letzten zwei Jahren haben wir jeweils zu zweit in einem Arbeitszimmer gesessen. Dabei hat jeder von uns im Laufe der ersten vier Jahre über dreißigmal hier im Plenum zu nicht immer ganz leichten Gesetzen sprechen müssen. Ich meine auch, daß die heilsame Erkenntnis der Unbequemlichkeit, die Erkenntnis, in unserer Arbeit, in unserem Zimmer gestört werden zu können, uns immer wieder das Gefühl vermitteln sollte, daß noch vieles unvollendet ist, nicht nur in diesem Hause, sondern auch in der politischen Arbeit, die wir täglich für diesen Staat zu tun haben.

(Beifall bei der FDP.)

Die nächste Frage, die angeklungen ist — der Berichterstatter hat sie soeben angesprochen — ist, ob die politische Situation in unserem Lande so ist,



Dorn
daß wir unbedingt dieses Haus bauen müssen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, daß wir zwar verkünden, Bonn sei ein Provisorium, daß wir aber durch den Bau eines großzügigen und großartigen Bundeshausviertels den Eindruck erwecken: in Wahrheit ist das für uns auf unabsehbare Zeit das Endgültige.

(Abg. Dr. Schäfer: Aber, aber!)

— Aber, Herr Dr. Schäfer, lassen Sie mich doch aussprechen! So hat nämlich der Kollege Dr. Gradl von der CDU/CSU-Fraktion den Neubau dieses Hauses in einem Interview mit dem RIAS wörtlich bezeichnet. Er hat darüber hinaus gesagt, daß er den Bundestagspräsidenten gebeten habe, neue Pläne für den Neubau eines Bundeshauses in Bonn machen zu lassen. In einer Kritik an den jetzt vorliegenden Neubauplänen erklärte Gradl dann, daß es bei den meisten seiner Fraktionskollegen ein großes Unbehagen wegen dieser Pläne gebe.

(Zurufe: Wann war das denn? — Das war doch ganz anders!)

— Das war am 12. Juni 1964. (Zuruf: Ein Hochhaus!)

— Nein, das war das gleiche Projekt, um das es jetzt geht. Herr Dr. Gradl hat dann weiter ausgeführt:
Die Fraktionen müssen sich jetzt entscheiden, ob es richtig ist, ein Parlamentsviertel hinzustellen, das kein Provisorium mehr, sondern praktisch für das Jahr 2000 gedacht ist.
Über die Tatsache, daß das Parlament bessere Arbeitsmöglichkeiten brauche, gebe es keine Meinungsverschiedenheiten. Dr. Gradl sagt aber dann weiter:
Dafür bedarf es aber nicht eines derartigen gigantischen Parlamentsprojektes.
So Dr. Gradl in demselben Interview mit dem RIAS.
Das neugeplante Hochhaus soll mit seinen 30 Stockwerken — lange Jahre sprach man nur von 24, und verschämt gab man dann 26 Stockwerke zu — ca. 100 m hoch werden, und nach den Worten des Bundestagspräsidenten soll das neue Hochhaus das höchste Bauwerk der Metropole Bonn—Godesberg werden, so daß das Landschaftsbild von dem Parlament geprägt wird.

(Abg. Ruf: Ist das schlimm?)

— Ob das schlimm ist oder nicht, ist gar nicht die Frage, Herr Kollege Ruf. Es ist nicht die Frage, wie hoch man baut, sondern die Frage, ob dieses Parlament politisch so wirksam wird, daß es die Interessen dieses Volkes richtig vertritt.

(Abg. Ruf: Ausgezeichnet!)

Das allein ist der Frage, um die es hier geht. (Abg. Ruf: Eigentor!)

Meine Damen und Herren, wir sind nun einmal der Meinung, daß ein geteiltes Land mit einer gespaltenen Hauptstadt nicht sozusagen nur provisorisch das größte und teuerste Parlamentsgebäude in Europa bauen kann

(Zuruf: Demagogie! Abg. Ruf: Haben Sie eine Ahnung!)

— Entschuldigung, das ist die nackte Tatsache —, ohne daß die Glaubwürdigkeit seiner Bemühungen um die Wiedervereinigung ernsthaft gefährdet erscheint.
Und die Kostenfrage, um die es hier geht und die mit dem Geländekauf begann, müssen wir diskutieren. Ich darf hier, Frau Präsidentin, um die Genehmigung bitten, noch wenige Zitate zu verlesen. In der Plenarsitzung am 17. Februar 1965 erklärte Dr. Gerstenmaier:
Wir brauchen die Straße, die dort herunterführt, und wir brauchen einige Quadratmeter
Land von der anderen Seite. Aber es ist einfach unrichtig zu sagen, daß wir die Gronau verbauen wollten. Davon kann gar keine Rede sein....
Aus dem Bau wird nur dann etwas, wenn wir . . . die Stadt Bonn dazu bringen, uns dieses bißchen Platz zu überlassen.
Meine Damen und Herren, wie sieht es um dieses
bißchen Platz aus, das immerhin aus 14 ha besteht?
Das Gelände
— so der Pressedienst der CDU-Fraktion am 8. Dezember 1965 —
wird für Zwecke der Bundesregierung erworben. Für Zwecke des Bundestages steht davon zunächst eine kleinere Teilfläche zur Errichtung des Bürohauses zur Verfügung. Für den Neubau eines Plenarsaals sind bisher keine Beträge im Haushaltsplan ausgewiesen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504130200
Herr Kollege Dorn, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Heiner Geißler (CDU):
Rede ID: ID0504130300
Herr Kollege Dorn, nachdem ich aus dem Handbuch des Deutschen Bundestages entnommen habe, daß Sie Direktor des Deutschen Architekten- und Ingenieurverbandes, Vorstandsmitglied des Instituts für das Bauen mit Kunststoffen und Chefredakteur der „Deutschen Architekten- und Ingenieur-Zeitschrift" sind, darf ich Sie fragen, ob Sie in Bonn und Umgebung ein Büro haben,, das Ihnen von einem dieser Verbände zur Verfügung gestellt wird?

(Sehr gut! in der Mitte. — Pfui bei der FDP.)


Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0504130400
Sehr verehrter Herr Kollege, natürlich habe ich in Bonn ein Büro.

(Aha-Rufe von der SPD. — Abg. Ruf: Na also! Zurufe von der CDU/CSU: Wir haben keines, Herr Dorn!)

— Sie werden nur davon ausgehen müssen, daß ich in diesem Büro meine Arbeit als Abgeordneter gar nicht wahr nehmen kann, sondern in den Stunden, in denen ich in diesem Büro bin, muß ich so viel



Dorn
aufholen, was ich durch meine Anwesenheit in diesem Hause versäume, daß die Arbeit, die ich hier zu tun habe, hier in diesem Hause und in meiner Freizeit geleistet werden muß.

(Beifall bei der FDP.)

Hier ergeht es mir nicht anders als jedem von Ihnen. Darüber hinaus muß ich Ihnen sagen, daß es für mich völlig unvorstellbar ist, daß man über diese Frage überhaupt diskutieren kann. Denn wenn man diejenigen Kollegen betrachtet, die in Bonn einen Beruf haben, diesem Beruf nachgehen und nebenher noch ihre parlamentarische Arbeit leisten wollen, sind sie so voll ausgelastet, daß die Frage des Büros für sie völlig sekundär ist,

(Abg. Ruf: Genau das!)

wie ich das vorhin geschildert habe,

(Zuruf von der CDU/CSU: Was ist primär?)

daß ich nämlich gar nicht in der Lage bin, in dem Büro, das ja auch nur zu Bürozeiten besetzt ist, Arbeiten durchführen zu können, die mit diesem Hause etwas zu tun haben.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504130500
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Killat?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0504130600
Bitte schön!

Arthur Killat (SPD):
Rede ID: ID0504130700
Herr Kollege Dorn, sind Sie bereit, den Abgeordneten einen gleichen oder ähnlichen Arbeitsplatz zuzubilligen wie den Mitarbeitern in den Dutzenden — ich glaube, man kann sogar sagen: Hunderten — von Organisationen, Instituten, Verbänden und sonstigen Einrichtungen — ich habe die Ministerien mit Absicht nicht erwähnt —, die hier in Bonn bestehen? Eine Zusatzfrage: warum haben Sie oder Ihre Parteifreunde bisher nicht gegen die Errichtung dieser Bauten agiert? Sie können sich hier im Umkreis darüber, glaube ich, am besten informieren. Ich denke jetzt an die Einweihung des Hauses des Handwerks, an das Haus des Industrie- und Handelstages. Man kann dutzendweise hier solche Organisationen nennen. Warum haben Sie nicht gegen die Errichtung und damit auch gegen die Vergeudung von Mitteln, die ja letzten Endes aus dem gemeinsamen Volksaufkommen stammen, agiert?

(Beifall bei der SPD und CDU.)


Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0504130800
Schauen Sie, Herr Kollege, weil Sie leider nicht in der Lage sind, unsere Zuständigkeit für dieses Haus und unsere Einwirkungsmöglichkeit auf die anderen zu unterscheiden!

(Zuruf von der CDU/CSU: Billig!)

Meine Damen und Herren, hier komme ich nun auf das zurück, was der Berichterstatter vorhin ausgeführt hat. Er widerlegt sich mit seiner heutigen Rede gegenüber seiner Berichterstattung des vergangenen Jahres in einem entscheidenden Punkt selbst. Im vergangenen Jahr hat er folgendes ausgeführt:
Zu den Bedenken möglicher Folgewirkungen
eines ersten Bauabschnittes möchte ich ausdrücklich feststellen, daß es bei der Beschlußfassung heute nicht um die Realisierung des Gesamtprojektes geht, sondern lediglich um die Errichtung eines Bürohauses, in dem entsprechend dem festgestellten Bedarf Arbeitsräume für Abgeordnete und Sekretärinnen, Sitzungszimmer für Ausschüsse und Sekretariate sowie die Räume für die erforderliche Technik vorgesehen sind.
Der Berichterstatter hat also eindeutig im vergangenen Jahr erklärt, daß dieses Bürohochhaus ein erster Bauabschnitt ist und daß das Gesamtprojekt ganz andere Dinge umfaßt, die er heute nicht so gern wieder erwähnen wollte.
Lassen Sie mich nun, meine Damen und Herren, ein Wort zu den bisherigen Äußerungen sagen, die von Kollegen dieses Hauses in der Öffentlichkeit darüber gemacht worden sind. Der Kollege Mommer hat in der Plenarsitzung am 17. Februar 1965 einen interessanten Zahlenvergleich gebracht. Er hat gesagt:
In diesem Hochhaus werden wir 20 000 qm Arbeits- und Nutzfläche haben. Wenn wir das etwa, wie es naive Leute vorschlagen, mit Baracken erreichen wollten, . . . dann kommen Sie auf sechs Hektar. Wenn Sie einmal rechnen, was das kostet, stellen Sie fest, daß allein der Boden 15 Millionen DM kostet. Unsinnig ist das.
So das Zitat des Kollegen Mommer. Nun, Herr Kollege Mommer, wir haben inzwischen allein an Grundstückspreisen, von denen Sie damals nur wissen wollten, daß 15 Millionen DM allein schon unsinnig seien, mehr als das Doppelte gezahlt.

(Abg. Dr. Mommer: Stimmt nicht! — Weiterer Widerspruch von der SPD und der CDU/CSU. — Zurufe.)

— Wenn Sie noch oft unterbrechen, wird sie mit Sicherheit nicht kürzer werden.
Meine Damen und Herren, der Herr Berichterstatter hat auch die Frage angeschnitten, ob dieses Bürohochhaus, wenn es gebaut ist, in seiner Funktion allein bestehen kann. Es ist eindeutig klar — das geht aus den Plänen, die uns vorgelegt worden sind, hervor —, daß dieses Bürohochhaus ohne ein neues Plenum nicht zu gebrauchen ist, weil das Bürohochhaus mit dem neuen Plenum, das nach den Voranschlägen von vor drei Jahren weitere 60 Millionen DM kosten sollte, eine Einheit in der Funktion und der Wirkung bildet. Dazu sind die Verbindungsblöcke für die Fraktionen und Verwaltungen vorgesehen. Jeder, der den Platz kennt, auf dem dieses Hochhaus entstehen soll, und der die Entfernungen in diesem Hause mit den Flügeln kennt und weiß, unter welch schwierigen Voraussetzungen man z. B. von der 26. Etage dieses neuen Bürohochhauses dann zur Abstimmung in das Plenum kommen und welchen Weg man dann zurücklegen muß, wird ganz nüchtern erkennen, daß der Bau dieses Hochhauses den Neubau des Plenums zwangsläufig im Gefolge haben wird. Das, meine Damen und Herren, haben wir immer wieder vorgetragen.



Dorn
Aber auch in der Berechnung sind inzwischen eine Reihe von erheblichen Veränderungen eingetreten. Die Erläuterungen zu Tit. 710 waren im vergangenen Jahr noch anders als heute. In der ursprünglichen Fassung hieß es:
Neubauten für Zwecke des Bundestages ein-
schließlich der erforderlichen Ersteinrichtung.
Diese Erläuterung ist inzwischen gestrichen, so daß die Kosten der Ersteinrichtung in den 48,5 Millionen DM jetzt schon nicht mehr enthalten sind.

(Abg. Ruf: Sie haben dem Berichterstatter nicht zugehört!)

— Ja, es war manchmal etwas schwierig, weil auch während der Rede des Kollegen, der als Berichterstatter hier auftrat, leider sehr viel Unruhe in diesem Haus vorhanden war, Herr Kollege Ruf. Ich bitte also um Entschuldigung, daß ich das nicht mitbekommen habe, wenn er es vorgetragen haben sollte.

(Abg. Ruf: Sie wissen es sowieso! Sie brauchen gar nicht zu fragen!)

In einer Zeit, meine Damen und Herren, in der wir uns in diesem Hause angeschickt haben, Gesetze, die verabschiedet waren und bei denen die Betroffenen in unserem Volke damit rechnen konnten, daß sie im Laufe dieses Kalenderjahres in den Genuß ihrer finanziellen Auswirkungen kommen würden, durch das Haushaltssicherungsgesetz zurückzustellen, in einer Zeit, in der unablässig die Mäßigung der Ansprüche — auch das haben wir heute hier wieder gehört — und die Selbstdisziplin gefordert werden, im Interesse der Stabilität unserer Währung also pausenlos Ermahnungen an die Allgemeinheit gerichtet werden, sollte nach unserer Auffassung gerade für den Staat und seine Volksvertreter Veranlassung sein, mit gutem Beispiel voranzugehen.

(Beifall bei der FDP.)

Nun, ich will auf die Einzelheiten der Planung für dieses neue Hochhaus jetzt nicht eingehen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Gott sei Dank!)

— Ja, wenn Sie es provozieren wollen, kann ich es auch noch tun.

(Zuruf von der CDU/CSU: Furchtbare Drohung!)

— Nein, ich habe keine Lust, hier Drohungen auszusprechen. Wer mich kennt, weiß, daß ich das nicht tue. Wäre es nicht vielleicht doch besser, diese Diskussion so zu führen, wie ich mir das eigentlich vorher gedacht hatte? Aber es wird von Ihnen anscheinend nicht gewünscht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ist auch nicht wert!)

Die Unterhaltungskosten für ein solches Hochhaus, über die man bisher nicht gesprochen hat, werden dann für die kommenden Etats eine unerhörte Jahresbelastung mit sich bringen.
Ein völlig anderer Komplex ist, ob man mit dieser Entscheidung, der Stadt Bonn das Grundstück für 98,5 Millionen DM abzukaufen, dieser Stadt
einen Dienst erwiesen hat. Herr Oberstadtdirektor
Dr. Hesse hat in einem Fernsehinterview erklärt:
Die Kosten, die der Stadt Bonn durch die Neuerrichtung der Aufbauten und Anlagen auf dem vom Bund erworbenen Gelände entstehen, sind teurer als der vom Bund für das gesamte Gelände gezahlte Kaufpreis.
Ich meine also, so verständlich es aus der Sicht eines Bonner Ratsherrn ist, wenn er schon ein Grundstück an der Gronau verkaufen soll, die ganze Gronau dem Bund zu verkaufen, so sollte man sich doch überlegen, ob es sich nicht wie ein volkswirtschaftlicher Unsinn anhört, wenn man hier unten nunmehr vier Sportplätze verschwinden lassen will, um für eine Summe, die man für das Gelände ausgibt, der Stadt Bonn neue Verpflichtungen aufzuerlegen, nämlich für die Errichtung von vier Sportplätzen an anderer Stelle. Ich sehe keinen Sinn in einer solchen Maßnahme.
Es wäre an vielen Stellen möglich gewesen, der Stadt Bonn erhebliche Hilfestellung in ihrer unerhörten Belastung als Bundeshauptstadt zu geben.

(Abg. Ruf: Sie wollen aber München helfen!)

Berücksichtigen Sie bitte einmal, welche Aufwendungen ,der Stadt Bonn allein durch die Tatsache, daß sie Bundeshauptstadt geworden ist, entstehen. So hat sie z. B. über 60 000 Quadratmeter Grundstücke an die Bundesbehörden abgeben müssen. Ich will auf die zunehmende Verflechtung des Bonner Raums, auf die Fragen der Raumordnung, der Verkehrsdichte, der Notwendigkeit des Straßenausbaus für den fließenden und ruhenden Verkehr gar nicht eingehen. Wir erleben doch täglich selber, wenn wir in dieses Haus fahren müssen, welche Zustände auf Iden Straßen herrschen, und finden dann hier auch kaum noch Parkplätze. Auch städtebauliche Probleme sind dieser Stadt entstanden. Sie kennen die Finanznot der Stadt, die ihren Haushaltsplan mit 8 Millionen DM auf Fehlbedarf abgestellt hat. All diese Dinge führen uns doch zu der Überlegung, ob es sinnvoll gewesen ist, der Stadt Bonn für 98,5 Millionen DM ein Grundstück abzukaufen, um ihr durch die Verpflichtung zu neuen Maßnahmen Belastungen aufzuerlegen, die viel höher sind.
Nun lassen Sie mich etwas dazu sagen, wie es möglich wäre, in einer erheblich besseren Ausgangsposition Abgeordnete und Verwaltung zufriedenzustellen. Die Berechnung des Raumbedarfs, die von der Raumkommission und von der Verwaltung erstellt worden ist, stimmt bis auf 4 Zimmer mit den von mir selber angestellten Berechnungen überein. Ich gehe davon aus, daß die Zahlen der Verwaltung stimmen und daß ich mich um 4 Zimmer verzählt habe. Das heißt, daß für Abgeordnete nach dem Bezug ,der Häuser in der Heuss-Allee noch 107 Räume benötigt werden. Dazu kommt, daß die Fraktionen einen zusätzlichen Bedarf von 51 Räumen und die Verwaltungen insgesamt einen weiteren Bedarf von 92 Räumen haben.

(Abg. Windelen: Wobei er unterstellt, daß die Abgeordneten in ihrem Schlafzimmer arbeiten und die Sekretärin auf dem Bettrand sitzt!)

Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 1863
Dorn
— Diese Unterstellung ist nicht mir, sondern dem Direktor dieses Hauses gemacht worden. — Das heißt im Endergebnis, daß 130 Räume fehlen.

(Zuruf von der Mitte: Milchmädchenrechnung!)

— Sie sagen, das sei eine Milchmädchenrechnung. Das ist die Berechnung der Raumkommission und die Berechnung der Verwaltung dieses Hauses.
Wenn man also davon ausgeht, daß der Bundesratsflügel mit 132 Räumen nach einem Neubau des Bundesrates zur Verfügung steht, — —

(Zuruf von der Mitte: Was kostet der? — Abg. Josten meldet sich zu einer Zwischenfrage.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504130900
Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Josten?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0504131000
Bitte!

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0504131100
Herr Kollege Dorn, zählen Sie bei der Aufstellung auch die Räume mit, für die wir monatlich Miete zahlen und die unsere Wohnungen sind?

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0504131200
Die Räume sind von der Verwaltung mit aufgeführt.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0504131300
Sind Sie nicht der Meinung, daß der Bundestag jedem Abgeordneten einen Arbeitsraum zur Verfügung stellen sollte und daß nicht wir unsere Wohnungen dem Bundestag als Arbeitsräume zur Verfügung stellen sollten?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0504131400
Herr Kollege Josten, diese Frage beantwortet sich dann, wenn Sie einmal — das ist hochinteressant — das durchlesen, was Ihre Fraktionskollegen zur Begründung der Bauten dort drüben ausgeführt haben: dadurch sollte es zu einer Entlastung der Abgeordnetenräume in diesem Hause kommen.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Windelen: Möchten Sie Ihre Sekretärin im Schlafzimmer empfangen?)

— Diese Redensart ist so dumm und so primitiv, daß ich nicht bereit bin, darauf einzugehen.

(Beifall bei der FDP. — Zuruf von der CDU/ CSU: Aber Ihre Worte haben Ewigkeitswert?!)

Meine Damen und Herren, ich möchte, um die Dinge jetzt flüssiger ablaufen zu lassen — Frau Präsidentin, ich bitte dafür um Verständnis —, jetzt keine Zwischenfragen mehr zulassen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504131500
Ich bin sehr dankbar.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0504131600
In dieser Aufstellung, die uns von der Bundestagsverwaltung zugestellt worden ist, geht man davon aus, daß der Bundesratsflügel dem-
nächst mit 132 Räumen zu unserer Verfügung stehen würde.

(Abg. Frehsee: Seien Sie doch nicht unfair gegenüber der Verwaltung! Das ist unfair, was Sie da machen!)

— Herr Kollege Frehsee, es heißt hier: Gesamtbedarf 170 Räume, abzüglich Bundesratsflügel 132 Räume, Fehlbedarf 38 Räume.

(Abg. Frehsee: Das ist doch nur in Beantwortung Ihrer Frage gesagt worden!)

— Ich habe es vorgelesen. Klarer kann es wohl niemand vorlesen, denn mehr steht darüber nicht drin.
Das heißt, wir müssen davon ausgehen, daß wir zusätzlich zu dem Bundesratsflügel 130 Räume benötigen; der Bundesratsflügel hat selber 132 Räume, die er zur Verfügung stellen kann, und dazu die 6 Sitzungsräume. Das bedeutet, daß man einen gleichen Flügel wie den Bundesratsflügel zusätzlich bauen muß — es geht ja hier um 130 Räume —, um den Raumbedarf von Verwaltung, Parlament und Fraktionen zu befriedigen. Etwas anderes kann ich daraus nicht herauslesen.
Wir können davon ausgehen, daß die Pressebaracken gegenüber dem Haus in absehbarer Zeit abgerissen werden, weil sie frei werden. Wir können weiter davon ausgehen, daß ein riesiges Grundstück vor dem Presse- und Informationsamt völlig ungenutzt zur Verfügung steht. Wir können mit Sicherheit sagen, daß der Weg von einem dort in der Größe des Bundesratsflügels zu bauenden Bundeshaus zum Plenum nicht weiter wäre als der Weg, der von diesem Hochhaus in das Plenum zu gehen wäre. Wenn unser Antrag angenommen würde, dann könnten aus den Vorarbeitskosten von 2 Millionen DM aus dem Haushaltsplan des vergangenen Jahres die ersten Arbeiten für ein fünf- bis sechsstöckiges Gebäude in diesem Jahr vorfinanziert werden, und es brauchten in diesem Jahr keine weiteren Mittel mehr dafür eingesetzt zu werden.

(Zuruf von der Mitte: Da schicken wir die FDP hin!)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, unseren Antrag anzunehmen und die 3 Millionen DM, die wir in diesem Jahre im Haushaltsplan stehen haben, in dieser Position zu streichen, um sie an anderer Stelle vernünftiger einsetzen zu können.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einem Satz des Kollegen Gradl aus der Plenarsitzung vom 17. Februar des Jahres 1965 schließen. Ich könnte es nicht besser formulieren. Der Kollege Gradl sagte damals in diesem Hause: Ich glaube und hoffe, daß wir das vielduskutierte Großbauprojekt, d. h. den Plenarbau und einen gigantischen Turm hier am Rhein alle in diesem Hause ablehnen. Um nicht mehr als das bitte ich Sie.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504131700
Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0504131800
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Umdruck 38 — Antrag der Frak-
1864 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966
Frehsee
tion der FDP — gibt mir als dem Vorsitzenden der Raumkommission Veranlassung, einmal die tatsächlichen Raumverhältnisse des Deutschen Bundestages in aller Offenheit darzulegen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU.)

Ich glaube, daß es dringend erforderlich ist, und ich habe jetzt bei Ihren Ausführungen, Herr Kollege Dorn, die Überzeugung gewonnen, daß es für Sie selbst, für Sie persönlich dringend erforderlich ist, einmal Aufklärung zu erhalten über die wirklichen Raumverhältnisse hier in diesem Hause.

(Beifall.)

Ich habe den Eindruck, Sie kennen sie nicht.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504131900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0504132000
Nein.

(Abg. Dorn: Habe ich auch nicht erwartet!)

— Die bisherige Diskussion, auch Ihr Beitrag, Herr Kollege Dorn, über die Notwendigkeit eines Bürohausneubaus für das Parlament, hat sich vorwiegend auf die Frage der Zuteilung von Einzelarbeitszimmern für die Abgeordneten beschränkt. Der Berichterstatter hat dankenswerterweise auch schon auf die Situation der Ausschüsse hingewiesen. Sie haben sie gar nicht bedacht,

(Abg. Dorn: Natürlich!)

1) und nicht zuletzt muß man auch an die Belange der Bundestagsverwaltung denken.

(Abg. Dorn: Das habe ich doch erwähnt! Da haben Sie nur nicht zugehört!)

Ich will jetzt noch etwas tiefer, als es der Herr Berichterstatter getan hat, die Situation der Ausschüsse beleuchten. Wie sind sie untergebracht? Abgesehen von zwei Ausschüssen, von denen der eine in einem Miethause in der Nähe des Bundeshauses, der andere in einer ehemaligen Ruderbaracke, die wir jetzt „Bürobungalow" nennen und die hier im Garten des Bundeshauses steht, seine Arbeitsräume hat, liegen die Ausschußzimmer sämtlich oder doch in der großen Mehrzahl im Südflügel dieses Hauses. Die Unzulänglichkeit dieser Räume ist allen bekannt. Die Zimmer der Ausschußvorsitzenden sind so klein, daß eine zweckmäßige und notwendige Möblierung, die es dem Vorsitzenden ermöglichen würde, mehrere Besucher gleichzeitig zu Besprechungen zu empfangen, nicht möglich ist. Außerdem sind die Räume in diesem Südflügel, der 1949/50 als Provisorium errichtet worden ist und der längst abbruchreif ist, so hellhörig, daß man unbeabsichtigt die Gespräche und die Telefonate des Zimmernachbarn mithören kann.
Das Sekretariat des Ausschusses liegt in den günstigsten Fällen gegenüber dem Zimmer des Ausschußvorsitzenden; meist ist es weiter von ihm entfernt. Diese Lage der Zimmer eines Ausschusses zueinander ist der Arbeit eines Auschusses nicht förderlich.
Unzureichend und völlig unzulänglich ist auch die Unterbringung der Ausschußsekretariate. Für neu eingestellte und bis zur Sommerpause noch weiter einzustellende Ausschußassistenten fehlen Arbeitsräume. Es ist nicht möglich, diesen Beamten überhaupt einen Arbeitsplatz zuzuweisen. Die Bundestagsverwaltung mußte auf eine vom Bundestagsvorstand gebilligte Erweiterung des Stellenplans für die Abteilung II — Ausschußabteilung — verzichten, weil einfach keine Arbeitsräume für die neuen Arbeitskräfte vorhanden waren. In einigen Zimmern sitzen zwei Ausschußassistenten zusammen.

(Zuruf von der FDP. — Unruhe.)

Das Sekretariat des Verkehrsausschusses ist 6,1 qm groß;

(Zuruf von der SPD: Löcher!)

der Raum reicht natürlich zur ordnungsmäßigen Unterbringung des Aktenmaterials, das man für die gerade anstehende Arbeit braucht, nicht aus, so daß die Aktenschränke auf den Fluren- stehen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Die Enge der mit Möbeln vollgestopften Zimmer ist der Arbeit hinderlich. Zudem liegen die Sekretariate meistens, ich sagte es schon, an der gefürchteten Südseite des Südflügels, so daß der Aufenthalt in den engen Zimmern an heißen Sommertagen oder an heißen Maitagen wie dem heutigen manchmal fast unerträglich ist.

(Abg. Killat: Badeanzüge liefern!)

Die Technik hat Entlüftungsanlagen eingebaut.

(Zuruf von der Mitte: B e lüftungsanlagen!)

Diese Entlüftungsanlagen helfen leider nur unzureichend. Die behelfsweise angebrachten Ventilatoren, die es dort gibt, bringen eigentlich nur eine Illusion einer Luftverbesserung.

(Abg. Killat: Für die FDP!)

Unhaltbar sind die Raumverhältnisse des Haushaltsausschusses. Diesem Ausschuß stehen für drei Assistenten, einen Büroleiter, drei Sachbearbeiter, fünf Sekretärinnen bzw. Schreibkräfte, einen Registrator und eine Hilfskraft, also für zusammen 14 Mann Personal, nur 8 — richtiger 62/4 — Arbeitsräume mit insgesamt 113 qm zur Verfügung.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Aus alledem geht doch hervor, daß auch für die Ausschüsse zur Erleichterung und Förderung ihrer Arbeit etwas Entscheidendes getan werden muß. Ich glaube, daß sich eigentlich kein Mitglied des Hauses der Dringlichkeit dieses Anliegens verschließen könnte.
Die Räume des Stenographischen Dienstes, meine Damen und Herren, sind völlig unzureichend und teilweise regelrecht unzumutbar.

(Abg. Ruf: Die hat Herr Dorn noch nie gesehen!)

Aktenmaterial muß auch dort im Flur untergebracht
werden. Ja, Herr Kollege Dorn, waren Sie da über-



Frehsee
haupt schon einmal, waren Sie schon einmal in den Zimmern der Stenographen?

(Beifall bei der SPD und bei der CDU/CSU.)

Neun Zimmer des Stenographischen Dienstes haben eine Größe von 1,43 m mal 4 m, also weniger als 6 qm.

(Zuruf von der CDU/CSU: Eine Kulturschande!)

In fünf von diesen Räumen arbeiten jeweils ein Stenograph und eine Schreibkraft, — ein Stenograph und eine Schreibkraft in einem Raum von weniger als 6 qm!

(Abg. Killat: Gefängniszellen!)

Die Raumnot zwingt dazu, in einem Zimmer des Stenographischen Dienstes, in einem Zimmer von etwa 12 qm vier junge Stenographen — sie werden Stenographenanwärter genannt — zusammenzupferchen, — anders kann man das doch nicht bezeichnen!

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU. — Zuruf von der Mitte: Vergessen Sie die Amtsgehilfen auf den Fluren nicht!)

— Ich komme darauf. Ich werde Ihnen und, ich hoffe, damit auch der deutschen Öffentlichkeit ein plastisches Bild der Raumverhältnisse der deutschen Volksvertretung geben.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und CDU/CSU.)

Ein Wort jetzt zu den Sitzungsräumen. Wir haben I hier 12 Sitzungszimmer. In dieser Zahl sind nicht einbegriffen der Sitzungsraum des Petitionsausschusses in der Baracke, genannt „Bürobungalow", da drüben — hier auf dieser Seite —, der Sitzungsraum des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform in dem Mietshaus in der Welckerstraße und der Raum des Ältestenrats. Zu diesen 12 Sitzungszimmern kommen die 5 Sitzungssäle bzw. 3 Sitzungssäle und 2 Vorstandssitzungszimmer der Fraktionen hinzu, so daß insgesamt 17 Sitzungsräume für Ausschußsitzungen zur Verfügung stehen. Zwei dieser Räume sind nur für Unterausschüsse mit höchstens 25 Sitzungsteilnehmern — 026 P und 01 P — oder für Besprechungen kleineren Umfangs zu verwenden. Ein Raum — 01 P — ist nur künstlich zu klimatisieren und daher für längere Sitzungen nicht geeignet.

(Zuruf von der SPD: Für die FDP reicht's!)

Nur der Haushaltsausschuß und der Verteidigungsausschuß besitzen je einen zum Ausschuß gehörenden Sitzungssaal.

(Zuruf von der Mitte: Der auch nicht ausreichend ist!)

Die anderen Ausschüsse wechseln in der Benutzung der restlichen Räume ab. Da diese Sitzungszimmer bei weitem nicht ausreichen — bedenken Sie: wir haben 24 ständige Ausschüsse, 23 regelrechte und einen Sonderausschuß, und daneben tagen dann und wann noch der Vermittlungsausschuß, der Wahlmännerausschuß und der Richterwahlausschuß usw. —, müssen ständig Behelfsräume zusätzlich in Anspruch genommen. werden. Wir tagen z. B., wie ich vorhin schon sagte, in den Wandelgängen neben
dem Plenarsaal hier, in den Ruheräumen dort drüben und zeitweilig sogar in einem Nebenrum der Kantine. Ständig muß außerdem auf die Sitzungszimmer im Bundesratsflügel zurückgegriffen werden.
Auch auf diesen Übelstand ist bisher nicht oder nicht genügend hingewiesen worden, obschon alle betroffenen Ausschüsse die ständigen Improvisierungen und Unzulänglichkeiten immer wieder bemängelt haben.

(Zuruf von der Mitte: Ein Entwicklungsland!)

Ich habe bereits zu Beginn meiner Ausführungen erwähnt, daß die Belange der Bundestagsverwaltung bei den bisherigen Überlegungen keine — das gilt auch für Herrn Dorn — oder zumindest keine genügende Beachtung gefunden haben. Diese, zurückhaltend gesagt, etwas nebensächliche Behandlung der Verwaltung halte ich für verfehlt;

(Beifall bei der SPD und in der Mitte)

denn gerade das reibungslose Funktionieren der
Hilfsdienste der Bundestagsverwaltung ist doch mit
eine Voraussetzung für eine gute Parlamentsarbeit.

(Zuruf von der Mitte: Genau!)

Es darf uns nicht gleichgültig sein, ob die Dienststellen unserer Verwaltung unzureichend oder ausreichend untergebracht sind, ob den organisatorischen und arbeitsmäßigen Zusammenhängen bei der Raumzuteilung an die einzelnen Dienststellen genügend Beachtung geschenkt wurde

(Zuruf von der FDP: Sehr richtig!)

und ob die Arbeitsplätze den selbtsverständlichen Forderungen der Gesundheitsfürsorge gerecht werden.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Sie werden sehen, .daß auch das nicht der Fall ist.

(Zuruf von der FDP: Aber das soll doch geschehen! — Zuruf von der SP)

.sowieso nicht im Programm der FDP!)
Ich werde Ihnen aufzeigen, daß leider bisher in großem Umfang umgekehrt verfahren wurde.

(Zuruf von der FDP: Von wem denn?)

— Von uns allen meinetwegen; wir müssen endlich den Mut fassen, die Verhältnisse grundlegend zu ändern. Verschiedene und nicht unwichtige Dienststellen haben ihre Büros außerhalb des Hauses. Das Personalreferat z. B. arbeitet in der Bürobaracke in der Gronau. Das ist — ich sage es nur für diejenigen Kollegen, die neu in den Bundestag eingetreten sind — das Sportgelände südlich des Bundeshauses. Dieses Verfahren hat zur Folge, daß der Personalreferent der Bundestagsverwaltung für alle seine Besprechungen mit dem Abteilungsleiter
— bei über 800 Beschäftigten kommen diese Besprechungen täglich, häufig sogar mehrmals täglich vor — mit allen notwendigen Akten einen längeren Spaziergang zum Bundeshaus machen muß. Das bedeutet weiter, daß alle Verwaltungsangehörigen bei persönlichen Anliegen vom Bundeshaus in die Gronau spazieren müssen. Es wäre interessant, fest-



Frehsee
zustellen, wieviel Arbeitszeit auf diese Weise ganz unnötig verlorengeht.
In der Bürobaracke in der Gronau befindet sich außerdem die Vorprüfungsstelle. Für sie bestehen ähnliche Arbeitsverhältnisse wie für das Personalreferat. Alle zu prüfenden Rechnungen und sonstigen Vorgänge laufen in die Gronau und zurück. Rückfragen müssen meist telefonisch erledigt werden, da persönliche Besprechungen mit den Sachbearbeitern nur nach im Dienst doch wohl unerwünschten Spaziergängen in die Gronau möglich sind.

(Abg. Ruf: Rationalisierung der Verwaltung!)

Das Technische Referat befindet sich in einem der Pressehäuser ,gegenüber dem Bundeshaus.
Das Referat Gesetzesmaterialien der Abteilung III hat seine Arbeitsräume in einem Mietshaus in der Drachenfelsstraße. Die Abgeordneten müssen, wenn sie es nicht vorziehen, das benötigte Material telefonisch zu bestellen und gegebenenfalls zu warten, bis es gebracht wird, selber zur Drachenfelsstraße Nr. 9 gehen, um dort das sie interessierende Material einzusehen.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Es muß eben sein wie 1945!)

Dieses letzte Beispiel beweist im übrigen schlagend, wie sehr das Parlament an einer vernünftigen Planung auch für seine Verwaltung interessiert sein müßte.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Bei den Raumverhältnissen für die Bundestagsverwaltung ist besonders zu bemängeln, daß arbeitsmäßig und organisatorisch zusammengehörende Dienststellen weit voneinander getrennt untergebracht sind. Die Abteilung III wurde schon mit ihrem Referat Gesetzesmaterialien erwähnt. Es wird Sie interessieren, daß .die Archivbestände zum Teil in den Kellern der Abgeordnetenwohnhäuser in der Saemischstraße lagern. Von dort muß das Archivmaterial, das wir für unsere Arbeit benötigen, also hergeholt werden. Darüber hinaus hat die Raumkommission schon jetzt die Keller der drei neuen Appartementhäuser in der Heuss-Allee für das Archiv in Aussicht genommen.

(Zuruf von der FDP: Sie haben das falsche Manuskript!)

Ein gutes Beispiel bietet auch die Antragsannahmestelle mit den an ihrer Arbeit beteiligten
Dienststellen. Die Manuskripte der Umdrucke, von
denen wir heute besonders viele auf unseren Tisch
bekommen haben, gehen vom Büro des Leiters der
Antragsannahmestelle, das neben dem Zimmer des
Direktors hier im Erdgeschoß des Altbaus liegt,
nach erfolgter Redaktion und Einrichtung des Textes
für die Drucklegung in die entfernt von diesem
Büro liegenden Arbeitsräume der Schreib- und Lesekräfte zum Schreiben und Lesen der Matrizen, von
hier aus dann auf einenm ebenfalls längeren Weg
zur Hausdruckerei. Der Weg von der Hausdruckerei,
die neben der Kantine an der Rheinseite des Bundeshauses liegt, bis zum Plenum ist, wie Sie wissen, ziemlich lang. Wenn trotz dieser unmöglichen
Streuung der zusammenhängenden und zusammengehörenden Dienststellen die Umdrucke verhältnismäßig schnell hier zu uns ins Plenum kommen, so ist das nur der minutiösen Zusammenarbeit der beteiligten Dienststellen zu verdanken. Daß aber gerade auch hier Abhilfe geschaffen werden muß, muß doch einleuchten.
Ich will mich auf diese Beispiele beschränken, obschon noch viele weitere aufgezählt werden könnten, beispielsweise die Verhältnisse der Sanitätsstelle, des Fürsorgearztes, der Besucherbetreuungsstelle, am Besuchereingang, beim Leiter der Hausinspektion, des Wachbüros usw. usf.
Aber ich muß mich, weil die Zeit vorgeschritten ist, jetzt einem Kapitel zuwenden, das mir besonders am Herzen liegt und dessen Bedeutung auch Sie sich nicht verschließen werden. Ich denke an die Gestaltung der Arbeitsplätze vom arbeitsmedizinischen, arbeitsmäßigen und fürsorgerischen Standpunkt aus.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Da gibt es eine Reihe arger Schönheitsfehler in unserem Hause.

(Abg. Schultz [Gau-Bischofsheim] : Haben Sie zur Kenntnis genommen, daß auch wir bauen wollen, nur anders?)

— Ich komme auf Ihren Vorschlag im einzelnen zurück, Herr Kollege Schultz. Es ist wichtig, daß angesichts der Debatte, die hier stattfindet, und angesichts der Diskussion, die außerhalb des Hauses über diesen Punkt stattfindet, die Raumverhältnisse des Deutschen Bundestages in aller Breite, ausführlich und genau dargelegt werden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU.)

Wenn Ihnen die Schönheitsfehler, von denen ich zuletzt gesprochen habe, so wie mir als dem Vorsitzenden der Raumkommission bekannt wären, dann wären sie von Ihnen schon längst mit dem dringenden Wunsch nach Abhilfe bedacht worden.
Da gibt es beispielsweise in der Abteilung III die Presseauswertung, eine Dienststelle, die von vielen Mitgliedern des Hauses häufig aufgesucht wird. Die Wichtigkeit dieser Presseauswertung für die Arbeit des Bundestages steht außer Frage. Wir finden in der Dienststelle einen mit Schreibtischen vollgestellten Arbeitsraum, der ein ruhiges Gespräch zwischen dem Besucher, dem Auskunftsuchenden, und dem Informanten und ein Studium des gewünschten Materials einfach unmöglich macht. Die Regale sind so eng einander gegenübergestellt, daß sich die in der Diensstelle Beschäftigten geradezu da hindurchschieben müssen.
Die Bürobaracke in der Gronau, die bereits als Arbeitsplatz des Personalreferats und der Vorprüfungsstelle von mir vorhin erwähnt wurde, ist 1949 mit der Zweckbestimmung, vorübergehend als Kantine und Unterkunft der Kraftfahrer der Abgeordneten zu dienen, gebaut worden. Die Baracke sollte aufgegeben werden, sobald normale Wohnverhältnisse für die Kraftfahrer in Bonn geschaffen wären. Nach den damaligen Überlegungen hätte die Baracke heute längst das Zeitliche gesegnet haben müssen. Tatsächlich ist sie auch sehr reparaturan-



Frehsee
fällig und reparaturbedürftig und zum Teil wegen der provisorischen Leitungsverlegungen feuergefährdet. Sie ist abbruchreif. Trotzdem ist es nicht möglich, dem großen Personalreferat und der Vorprüfungsstelle andere Räume zuzuweisen. Sie müssen in dieser abbruchreifen Baracke bleiben.
Es gibt aber Beispiele für noch unhaltbarere Zustände. Zum Beispiel sind 22 beim Bundestag angestellte Handwerker, Maler, Tischler und Heizer, im Keller unter dem Nordflügel des Bundeshauses, unter dem Bundesratsflügel, tätig, während ihrer ganzen Dienstzeit ohne Licht und Sonne in völlig fensterlosen Kellerräumen. Im Bereich des Archivs sind einige Büros im Bunker unter dem Hochhaus untergebracht. Seit Jahren drängt der Fürsorgearzt auf Änderung dieses Zustands. Er verlangt eine ständige periodische Überprüfung der da unten Beschäftigten auf ihren Gesundheitszustand. In einem dieser Büros — das ist neckisch, aber tragisch zugleich, meine Damen und Herren — wurde vor Jahren ein Fenster mit einer Landschaft an die Wand gemalt, um die Illusion eines wirklichen Fensters zu erwecken. Solche Zustände sind doch nicht nur des Parlaments unwürdig, sie sind doch menschenunwürdig!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU/CSU.)

Aber sie können unter den derzeitigen Verhältnissen nicht abgestellt werden. Die Werkstatt der Telefontechniker unter der Einfahrt zum Postamt — waren Sie da schon einmal, Herr Kollege Dorn? —

(Zurufe von der SPD: Nein!)

ist ein weiteres Musterbeispiel für unzureichende und auch unzumutbare Arbeitsräume. Der Wählerraum, in dem die ganze Fernsprechtechnik des Bundestages untergebracht ist, ist viel zu klein. Die Werkstatt der Fernsprechtechniker dahinter ist in einem feuchten, licht- und luftlosen Keller untergebracht.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Keine Privatfirma würde ihrem Personal solche Arbeitsräume zumuten, zumuten können und zumuten dürfen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU/CSU. — Abg. Ruf: Die würde geschlossen werden!)

Der Deutsche Bundestag muß sie den Bediensteten zumuten; denn bei den derzeitigen Raumverhältnissen kann keine Abhilfe geschaffen werden.
Die Botenmeisterei ist mit 130 Bediensteten im Keller unter dieser Wandelhalle untergebracht. Die Fenster des Kellers unter der südlichen Wandelhalle liegen an Lichtschächten. Bei Hochwasser steigt das Grundwasser in diese Arbeitsräume. Die Umkleideräume der Amtsgehilfen,

(Abg. Dr. Mommer: Hören Sie zu, Herr Dorn!)

die sich ebenfalls unten in diesem Keller befinden — Sie sehen diese Herren immer auf der Treppe dort in der Lobby aus den Umkleideräumen heraussteigen — sind modrig und muffig, und trotz aller
Bemühungen der Technik können wir da keine Luftverbesserung erzielen.

(Zuruf von der SPD: Hören Sie zu, Herr Dorn!)

Ein Teil der Eingangshalle des Eingangs V hier an der Rheinseite wurde mittels einer Harmonikatür abgetrennt. Dieser Teil des Einganges V am Rhein wird als Aufenthaltsraum für die Amtsgehilfen verwendet. Trotz eines Bodenbelags läßt sich dort die Fußbodenkälte nicht beheben; wir haben uns sehr darum bemüht. Wenn man von je einem Keller in der Badeabteilung im alten Luftschutzbunker unter dem Hochhaus und unter der Wandelhalle absieht, stehen für die Reinigungsfrauen keine Aufenthaltsräume zur Einnahme ihres Frühstücks zur Verfügung.
Meine Damen und Herren, ich geniere mich ein wenig, das über meine Lippen zu bringen, aber das ist nun Aufgabe des Vorsitzenden der Raumkommission des Bundestagsvorstandes. Viele von Ihnen haben vielleicht — und hoffentlich! — schon beobachtet, daß diese Reinemachfrauen ihre Brote zum Teil in Verschlägen verzehren, die zum Aufbewahren von Reinigungsmaterial unter Treppenaufgängen vorgesehen sind, und wiederholt mußte einigen Frauen verboten werden, ihr Frühstück in den Vorräumen der Damentoiletten einzunehmen.

(Zuruf von der SPD: Das will die FDP erhalten! — Weitere Zurufe von der SPD und der CDU/CSU.)

Um einen Teil der Beschaffungsstelle unterzubringen, wurde das Kopfende des Flurs im dritten Obergeschoß des Altbaues abgeteilt und als Arbeitsraum verwendet. Das ist baupolizeilich unstatthaft.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Der Klebedienst der Presseauswertung befindet sich unter der Treppe im Erdgeschoß des Zwischenflügels, wo man unter dem Treppensturz eine Wand eingezogen und auf diese Weise einen Arbeitsraum geschaffen hat. Die Fraktion der SPD hat einen großen Verschlag in dem Vorraum zu ihrem Fraktionssitzungssaal errichtet und dort ihre Drucksachen-und Poststelle eingerichtet.
Über die völlig unzumutbaren Raumverhältnisse hat sich unter anderem der Fürsorgearzt in einem Gutachten geäußert und festgestellt, daß Bedienstete gesundheitlich gefährdet sind. Der Personalrat beim Deutschen Bundestag hat sich wiederholt mit der unzulänglichen Unterbringung und den teilweise gesundheitsschädigenden Arbeitsplätzen befaßt. In wiederholten Schreiben an den Präsidenten und an die Verwaltung sowie in Routinebesprechungen hat der Personalrat auf die Notwendigkeit hingewiesen, auch unter dem Gesichtspunkt der ordnungsmäßigen Unterbringung der Bediensteten die Erweiterungsbauten energisch und so schnell wie möglich weiter zu verfolgen.
Ich wollte Ihnen an Hand dieser Beispiele zeigen, wie sehr auch die Verbesserung der Raumverhältnisse der Verwaltung notwendig, daß aber jede Änderung bei dem derzeitigen Raumbestand einfach unmöglich ist.



Frehsee
In der bisherigen Diskussion und auch heute von dem Herrn Kollegen Dorn ist mit Zahlen operiert worden, die einer näheren Nachprüfung nicht standhalten. Außerdem sind immer wieder — auch heute — die Appartementswohnungen in der Saemischstraße und die im Bau befindlichen Wohnungen in der Heuss-Allee als Arbeitszimmer angesehen worden. Es muß hier einmal mit aller Klarheit festgestellt werden, daß diese Wohnungen kein Ersatz für fehlende Arbeitszimmer sind.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU.)

Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß diese Wohnungen aus der gegenwärtigen Notsituation heraus den Abgeordneten vorübergehend als Arbeitszimmer dienen. Ein Dauerzustand kann das keinesfalls sein.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Wenn Abgeordnete in diesen Arbeitszimmern diktieren wollen, müssen die Schreibkräfte einen weiten Weg vom Altbau zur Saemischstraße oder später zur Heuss-Allee zurücklegen.

(Zuruf.)

— Ich habe den Satz auslassen dürfen; vielen Dank. — Für die endgültige Lösung des Problems müssen diese Wohnungen ausschließlich als Wohnungen betrachtet werden.
Wenn aber trotz dieser Sachlage der Vorschlag der FDP zugrunde gelegt würde — um den handelt es sich also, nicht um einen Vorschlag der Verwaltung, und weil aus den Ausführungen des Kollegen Dorn der Eindruck hätte entstehen können, daß es sich um Vorschläge der Verwaltung gehandelt habe, habe ich ihm zugerufen, er sei unfair gegenüber der Verwaltung —, die Raumfrage durch Inanspruchnahme des Nordflügels, des Bundesratsflügels, zu lösen, und wenn —wenn; aber ich lehne es ab! — die Wohnräume in der Saemischstraße und in der Heuss-Allee weiterhin als Arbeitszimmer gelten sollten, wie ,die FDP es vorschlägt, dann ergibt sich ein Bedarf von 91 Arbeitsräumen für die Abgeordneten. Dazu kommt der anerkannte Bedarf für die Fraktionen, und zwar 21 Zimmer für die CDU/CSU, 20 Zimmer für die SPD und 10 Zimmer für die FDP.

(Lebhafte Zurufe und Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU.)

— Dies, meine Damen und Herren, ist eine Angabe der Fraktion der FDP, daß die Fraktion 10 Fraktionsgeschäftszimmer benötigt.

(Erneute Zurufe von der SPD und der CDU/CSU.)

Das sind zusammen 51 Räume, so daß ein Gesamtbedarf von 142 Räumen vorliegt. Herr Kollege Dorn, da der gesamte Nordflügel nur 132 Räume umfaßt, würde sich bei dieser Regelung ein Fehlbedarf von zehn Räumen ergeben. Dabei wäre noch völlig außer acht gelassen der Bedarf der Abteilung II und der Abteilung III, der Bedarf für die Ausschüsse, die jetzt noch außerhalb des Hauses untergebracht sind, und zwar für den Sonderausschuß Strafrechtsreform, den Petitionsausschuß, die Dienststellen in der Gronau-Baracke, die Dienststellen in der Pressebaracke, die Dienststellen in der Drachenfelsstraße und in der Parlamentarischen Gesellschaft sowie zwölf außerhalb des Hauses untergebrachte Abgeordnete. Dafür werden insgesamt 135 Räume gebraucht. Mit den zehn Fehlstellen, die sowieso schon entstünden, wären das also insgesamt 145 fehlende Räume.
Wie Sie sehen, bedeutet also der von Herrn Kollegen Dorn vorgetragene Gedanke der FDP-Fraktion, die Räume des Nordflügels in unsere Überlegungen einzubeziehen, keine Lösung des Problems. Außerdem wäre damit auch nicht die Lage der Ausschüsse verbessert und auch nicht die Frage der Sitzungsräume zufriedenstellend gelöst.
Es muß erreicht werden, daß jedem Mitglied des Hauses ein eigenes Arbeitszimmer im Bundestag zugeteilt wird.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU.)

Es muß erreicht werden, daß die Ausschüsse so untergebracht werden, daß sie ausreichende Arbeits-und Sitzungsräume zur Verfügung ,haben.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU.)

Es muß erreicht werden, den Verwaltungsdienststellen Büroräume zuzuweisen, die sie in die Lage versetzen, ihre Aufgaben reibungslos zu erfüllen und abzuwickeln.

(Erneuter Beifall bei SPD und CDU/CSU. — Zuruf : Auch aus Gründen des Gesundheitsschutzes!)

Es muß erreicht werden, daß die Arbeitsräume den Erfordernissen eines gut belichteten und belüfteten Arbeitsplatzes entsprechen.
Dieses Ziel läßt sich nur erreichen, wenn für die Abgeordneten und die Ausschüsse ein Neubau erstellt wird und für die Bundestagsverwaltung dann das jetzige Hochhaus zur Verfügung steht. Nur der geplante Neubau ermöglicht mit den vorgesehenen 246 Abgeordneten-Arbeitszimmern — benötigt werden 245 Zimmer —, daß allen Abgeordneten ein Arbeitszimmer, daß den Ausschüssen ausreichende und zweckmäßige Arbeitszimmer und Sitzungsräume zur Verfügung gestellt werden und daß auch die Verwaltung die Räume bekommt, die sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben dringend braucht.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504132100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brese.

Wilhelm Brese (CDU):
Rede ID: ID0504132200
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hermsdorf hat heute morgen seine Rede mit den Worten geschlossen: Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, daß wir miteinander reden können und daß man auch seinen Gegner überzeugen kann. Mit Gegner meine ich Andersdenkende — nicht etwa politische Gegner, sondern sämtliche Kollegen, wenn sie anderer Meinung sind. Ich muß sagen, nach der Viertelstunde, die Sie hier geredet haben, Herr Frehsee, weiß ich gar nicht mehr, wo ich bin. Ich will mich deswegen



Brese
erst einmal vorstellen. Ich habe dem Wirtschaftsrat angehört und bin in allen Bundestagen gewesen. Ich gehöre nicht zu den Abgeordneten, die sich um die Arbeit drücken. Ich war stets im Haushaltsausschuß und neunzehnmal Berichterstatter für den Haushalt Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

(Zurufe von der SPD: Und wie! — Hoch klingt das Lied vom braven Mann! — Große Heiterkeit.)

Ich muß Ihnen sagen, ich bin stolz auf die Arbeit, die wir in der Vergangenheit geleistet haben, und ich bin nicht durch die Raumverhältnisse behindert worden.

(Beifall bei der FDP.)

Man soll also die Dinge doch nicht dramatisieren. Wenn man arbeiten will, dann geht man am Abend in sein stilles Kämmerlein und arbeitet dort.

(Zuruf von der SPD: Ich will Ihr Kämmerlein sehen! — Heiterkeit.)

— Kämmerlein ist in Anführungsstriche zu setzen. Ich gehöre zu den Abgeordneten, die spät aus diesem Hause gehen; ich rate Ihnen, einmal darauf zu achten, wie viele Fenster noch erleuchtet sind, wenn sie abends um 1/211 Uhr aus dem Hause gehen. Und wenn ich arbeiten will, kann ich nur arbeiten, wenn ich abends allein bin.

(Schallende Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU.)

Ich will diese Sitzung nicht unnötig ausweiten; aber wenn Sie mich nicht anhören können und so nervös werden, — —

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504132300
Herr Abgeordneter Brese, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stark?

Wilhelm Brese (CDU):
Rede ID: ID0504132400
Ja!

Dr. Anton Stark (CDU):
Rede ID: ID0504132500
Herr Kollege Brese, mit welchen Behörden führen Sie abends Telefongespräche?

Wilhelm Brese (CDU):
Rede ID: ID0504132600
Die Telefongespräche kann ich auf meinem Zimmer am Tage führen, auch wenn mein Zimmergenosse dabei ist. Am Tage werde ich doch dauernd gestört durch Besuche von zu Hause und von Abgeordneten. Am Tage kann man keine Arbeit leisten.

(Schallende Heiterkeit.)

— So leicht werden Sie mit mir nicht fertig. — Am Tage können Sie hier in den Zimmern nur wenig Arbeit leisten.

(Zurufe: Warum nicht? — Sie Nachtschwärmer! — Du bist ein nokturner Typ! — Anhaltende Heiterkeit.)

— Das scheint für Sie ganz erheiternd zu sein. Es ist nach den schweren Ausführungen von Herrn Frehsee vielleicht auch nötig, daß Sie nun einmal in eine aufgelockerte Stimmung hineinkommen und
sehen, daß wir hier noch ganz menschlich zusammen sind und noch miteinander reden können.

(Beifall bei der FDP.)

Wir waren bei der Arbeit angelangt. Ich habe gesagt, am Tage kann ich auf meinem Zimmer keine große Arbeit leisten, weil ich im Haushaltsausschuß von morgens bis abends tätig gewesen bin.

(Heiterkeit bei der SPD und bei der CDU/CSU. — Beifall bei der FDP.)

— Ich weiß nicht, ob das etwas zum Lachen ist. Hier sitzt der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, er kann das jederzeit bestätigen. Und im übrigen: Sie sagen jetzt mit einem Male, unser Wohnheim könne unter keinen Umständen als Büroraum gelten. Ich erinnere mich, daß in den Jahren, als das erste Wohnhaus hier beschlossen wurde, gesagt wurde: jawohl, und das ist zugleich der Arbeitsraum. Ich habe damals auch dazu gesprochen und habe gesagt: Ja, ich habe diesen Arbeitsraum auch in meiner Wohnung hier in Bonn. Denn ich gehöre zu den Abgeordneten, die nicht immer hin- und herwandern; ich bin seit 1949 im selben Zimmer untergebracht, und zwar sehr gut, und da kann ich auch abends noch in aller Ruhe meine Arbeit machen.

(Zuruf: Es lebe die Zimmerwirtin, die Sie haben!)

Ja, aber nun müssen wir doch zum Thema kommen.

(Lachen und Beifall.)

— Vorläufig haben wir uns über die Arbeitsverhältnisse im allgemeinen unterhalten, und da haben Sie natürlich andere Auffassungen. Viele haben zu Hause ein Büro; denn viele von Ihnen sind Beamte "und Angestellte und sind, wer weiß in welcher Stellung!

(Leider!)

Zu diesen Leuten gehöre ich als Bauer nicht.

(Zurufe.)

— Nein, bei uns wird Verwaltung sehr klein geschrieben; da ist die Handarbeit am Platze.

(Beifall rechts. — Abg. Dr. Stecker: Wir sind nicht alle so nokturne Typen!)

Wir haben, sage ich, uns über unsere Arbeitsverhältnisse und Arbeitsmöglichkeiten unterhalten, und ich habe Ihnen gesagt: ich bin nicht eingeengt worden in meiner Tätigkeit, und ich bin stolz auf die Arbeit, die ich habe leisten können.
Aber nun sind wir heute noch zur Beratung des Haushalts des Bundestages, des Einzelplans 02, zusammen, und da muß ich Ihnen sagen: zu diesem Haushalt habe ich mich fast in jedem Jahr zu Wort gemeldet.

(Zurufe.)

— Ja, das habe ich getan, weil wir in diesem Hause souverän sind. Hier bestimmt der Vorstand des Bundestages die Planung und schlägt sie vor. Es kann kein Bundesrechnungshof hineinreden, und



Brese
wir im Haushaltsausschuß haben die Pläne dann gewöhnlich angenommen.

(Zurufe: Wir? — Lachen.)

Ich weiß genau, woran es liegt, daß wir mit unseren Arbeitsplätzen so beengt sind. Dazu muß ich Ihnen einmal einige Zahlen geben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt kommt's! Jetzt hört zu!)

Sie wissen, ich bin kein übertriebender Freund einer überwuchernden Bürokratie. Wenn man von einer solchen reden will, dann muß man allerdings hier im Bundeshaus von dieser Bürokratie reden. Wenn ich mir einmal die Verhältnisse ansehe, stelle ich folgendes fest. Der Deutsche Reichstag hatte im Jahre 1932 nur 329 Bedienstete. Davon waren 47 Scheuerfrauen. An höheren Beamten waren da 1 Ministerialrat, 6 Oberräte und 25 Regierungsräte.

(Zuruf: Sag bloß!)

Als wir im Jahre 1949 hier anfingen,

(Zuruf von der SPD: Wie war es 1870?)

hatte man sich dieses Muster anscheinend zum Vergleich genommen und hatte wie folgt geplant: im Jahre 1950 waren es 508 Bedienstete, 1 Ministerialrat, 6 Oberräte und 25 Regierungsräte. Sehen Sie sich nun einmal unseren heutigen Haushaltsvoranschlag an! Den müssen Sie sich einmal in Ruhe durchlesen; vielleicht haben das die meisten von Ihnen noch gar nicht getan.

(Oho-Rufe.)

Wir sprechen ja heute nicht über die Personalien, aber weil in diesem Fall die Personalien eine det Ursachen unserer Raumnot sind, muß ich es hier erwähnen.

(Zuruf von der SPD: Wieviel Kühe haben Sie inzwischen?)

In diesem Jahre haben Sie einen Voranschlag, der wie folgt aussieht: 1 Staatssekretär, — —

(Abg. Schoettle: Herr Brese, in der Steinzeit kamen sie mit weniger aus!)

— Ja, auf Sie höre ich gern, Herr Schoettle; das ist nicht ironisch gemeint. Aber in der Steinzeit leben wir ja nun nicht mehr.

(Abg. Schoettle: Gott sei Dank!) Jetzt muß ich wieder von vorn anfangen:


(Heiterkeit)

Der Vorschlag sieht vor: 877 Bedienstete, davon 1 Staatssekretär, 3 Ministerialdirigenten, 10 Ministerialräte, 28 Regierungsdirektoren, 26 Oberräte und 25 Regierungsräte. Das sind die Zahlen in diesem Hause, in dem Hause, wo wir souverän sind und wo wir selber entscheiden können. Und da, glaube ich, haben wir unser Maß überschritten. Das ist die Ursache.

(Abg. Ruf: Darüber reden wir noch, Herr Brese!)

Denn wir sind in jedem Bundestag neu aus unseren
Zimmern herausgedrängt worden in andere Zimmer,
und unsere Zimmer wurden immer wieder für die Verwaltung zur Verfügung gestellt.
Herr Frehsee, Sie haben von der jämmerlichen Unterbringung unserer Verwaltung gesprochen. Ich glaube, das war schon die Rede für das Großparlament, das gebaut werden soll. Ich habe den Eindruck, alle die Wünsche, die Sie da vorgetragen haben, können Sie in dem Hause auch noch nicht verwirklichen. Und wissen Sie: ich bin aus Sparsamkeitsgründen dagegen, daß wir hier jetzt solche Bauten aufführen. Wie wollen Sie das dem Volk draußen noch klarmachen? Haushaltssicherungsgesetz, kein Geld, kein Kredit, die Leute können nichts mehr bauen, die Wohnhäuser können nicht zu Ende gebaut werden, weil keine Landesmittel da sind. Das ist der Zustand unten ja auch bei uns in Niedersachsen. Und dann bauen wir hier lustig darauf los. Herr Dr. Götz, ich bin auch nicht Ihrer Meinung, daß wir diesen Haushalt mit derselben Elle gemessen haben. Wenn wir schon einmal bei dieser Wäsche sind, dann will ich Ihnen das an einem Beispiel beweisen.
Wenn ich mir vor Augen halte, daß wir für die Unterhaltung dieses Hauses in diesem Jahr — und jedes Jahr haben wir Summen in derselben Höhe eingesetzt — 447 000 DM eingesetzt haben, für die Verbesserung der Einrichtung dieses Hauses 500 000 DM und für die Bewirtschaftung — die muß ja sein — 676 000 DM, dann muß ich Ihnen sagen, habe ich nicht den Eindruck, daß mit der Elle der Sparsamkeit hier gemessen wird, die uns wirklich zusteht. Denn heute morgen hat an dieser Stelle hier — ob es Herr Erler gewesen ist oder der Bundeskanzler oder ob es Herr Leicht gewesen ist — jeder darauf hingewiesen, daß die Stabilität das wichtigste ist und daß wir harte Entscheidungen zu treffen haben. Bitte, meine Damen und Herren, wenn wir harte Entscheidungen treffen wollen, müssen wir sie bei uns selbst treffen und wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Deshalb stelle ich mich hier hin und deshalb muß ich sagen, Herr Frehsee, Ihre Ausführungen waren nach meiner Meinung völlig übertrieben.

(Beifall bei der FDP. — Zuruf: Ihre, Herr Brese!)

Sehen Sie einmal auch die geldlichen Auswirkungen unserer Verwaltung. 1950 erforderte der Personalaufwand hier 2 702 000 DM, 1965 waren es 11 223 200 DM, und 1966 — wenn die Vorlage durchgeht; ich hoffe aber auf meine Freunde im Haushaltsausschuß von allen Seiten, daß sie so nicht durchgehen kann, wie sie vorgelegt ist —würde der Personalaufwand hier 13 957 000 DM betragen. Ich muß sagen, nach meinen Begriffen — und ich sehe die Dinge auch nicht aus der Maulwurfperspektive — ist das völlig Übertrieben.

(Zuruf von der SPD: Aus der Perspektive der Ackerfurche!)

Im übrigen will ich Ihnen zu .den Räumen einmal folgendes sagen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504132700
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?




Dr. Anton Stark (CDU):
Rede ID: ID0504132800
Herr Kollege Brese, halten Sie es für übertrieben, wenn pro Kopf der Bevölkerung bei uns 80 Pf ibis 1 DM für das Parlament ausgegeben werden?

Wilhelm Brese (CDU):
Rede ID: ID0504132900
Das ist eine Rechnung, wie soll ich sie in Vergleich stellen?

(Lachen. — Zuruf: Da kommen Sie ins Stottern!)

Und wenn es nur 20 Pf wären: wenn es sich um öffentliche Gelder handelt, dann habe ich die Aufgabe, besonders vorsichtig mit diesen Geldern umzugehen. Denn ich weiß, wieviel Tränen auch an der Aufbringung dieser Mittel im Lande hängen.

(Anhaltende Unruhe. — Zuruf.)

Eines will ich Ihnen noch einmal sagen, es war im Jahre 1956, da hat Herr Finanzminister Schäffer in der Drucksache 2554 folgendes gesagt

(Zuruf: Alle Jahre wieder!)

— das halten Sie sich bitte auch einmal vor Augen —:
Das Programm für die Unterbringung des Parlaments und der Bundesregierung in Bonn wird ohne den noch ausstehenden Bedarf für die Verteidigung im wesentlichen als abgeschlossen angesehen.
Sehen Sie einmal, 1956 haben wir große Politik in diesem Bundestag gemacht. In ,den Jahren 1953 bis 1957 sind hier große Entschlüsse gefaßt worden. Wenn da der verantwortliche Minister gesagt hat, die Raumfrage sei gelöst, dann sollten wir heute nun nicht so tun,

(Zuruf: Was heißt so tun?)

als ob wir hier in unterirdischen Räumen hausten, in denen die Gesundheit gefährdet wäre.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch so!) — Ach, das ist ja lächerlich!


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504133000
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hermsdorf?

Wilhelm Brese (CDU):
Rede ID: ID0504133100
Bitte schön!

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0504133200
Ganz kurz, Herr Brese. Sie haben teilweise mit Recht die Verwaltungsaufblähung dieses Hauses kritisiert. Sie sind jahrelang Berichterstatter für den Einzelplan 10. Darf ich Sie fragen, ob Sie jemals dort mit derselben Elle gemessen haben?

(Zuruf: Sehr gut!)


Wilhelm Brese (CDU):
Rede ID: ID0504133300
Herr Hermsdorf, im Ernährungsministerium -- —

(Abg. Hermsdorf: Ich rede nur von den Personalien!)

— Ja, wir haben manches Mal die Personalien auch da beschnitten, und in den Vorbesprechungen habe
ich den Herren klargemacht, daß sie hier sehr zurückhaltend sein müssen.

(Abg. Hermsdorf: Aber Sie haben sie immer bewilligt!)

— Ich habe sie gebilligt. Sie wissen, ich war als Berichterstatter tätig. Dann geht man ins Ministerium und verhandelt vorher.

(Lachen bei der SPD.)

— Sie müssen nicht so lachen, als ob das irgendeine wilde Angelegenheit wäre.

(Abg. Börner meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Bitte schön!

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0504133400
Herr Kollege Brese, nachdem Sie Ausführungen unseres Kollegen Frehsee, des Vorsitzenden der Raumkommission, als übertrieben bezeichnet haben, sind Sie bereit, zuzugeben, daß Sie noch nie einen von den zitierten Arbeitsräumen gesehen haben, die hier von Herrn Frehsee als ohne Licht, ohne Sonne, gegen die Bestimmungen der Hygiene bzw. gegen die Bestimmungen der Gewerbeordnung bezeichnet worden sind, und sind Sie unter Umständen bereit, Ihren eigenen Arbeitsraum im Haus mit einem solchen unwürdigen Raum zu tauschen?

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU.)


Wilhelm Brese (CDU):
Rede ID: ID0504133500
Ich bin in diesen Räumen gewesen. Ich gehe aber nur dahin, wo ich etwas zu erledigen habe, und halte nicht andere Leute von der Arbeit ab. Soll ich eine Aufzählung machen von all den Räumen, die ich kenne, von den Schreibräumen oben und auch im dritten Stock — —

(Abg. Ruf: Auch die sind unwürdig!)

— Auch unwürdig! Das ist ganz klar. Wenn wir normale Verhältnisse hätten und in unserer richtigen Hauptstadt wären, dann könnte das alles geregelt werden. Aber es ist diese ganzen Jahre so gegangen, und in diesem Moment, in diesem Jahr, wo sich doch irgendwie eine Unruhe in der Welt zeigt, wo man sieht: Man kann dem deutschen Volk die Teilung nicht mehr zumuten — das ist so mein Gefühl; man kann sich ja in der Außenpolitik nur auf das Gefühl verlassen —, da, muß ich sagen, sollten wir alles tun, das Provisorium dieser Hauptstadt zu betonen.

(Beifall bei der FDP.)

Ich bin 1949 für Bonn gewesen und nicht für Frankfurt, das auch zur Debatte stand, weil ich mir sagte: Frankfurt ist kein Provisorium, das Provisorium ist Bonn. Das ist der Grund gewesen, und deshalb kämpfe ich auch dafür, daß der provisorische Status dieser Stadt erhalten bleibt. — Wollte noch jemand etwas sagen?

(Lachen.)

— Na ja, wenn Sie etwas hören wollen?!

Karl August Bühler (CDU):
Rede ID: ID0504133600
Herr Kollege Brese, waren Sie eigentlich einmal im Büchermagazin unten? Als Bundestagspräsident hätte ich wirklich ein schlech-



Bühler
tes Gefühl im Gedanken an die Leute, die da unten arbeiten dürfen. Haben Sie einmal die Abteilung III gesehen, die vorhin leider nicht genannt worden ist und in der unsere Arbeitskräfte sitzen, die Wissenschaftliche Abteilung? Dann möchte ich Ihnen noch sagen: Ich glaube, wir sind hier bei einer Preislage angelangt, wo ich das Parlament nur bedauern kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD.)


Wilhelm Brese (CDU):
Rede ID: ID0504133700
Ich habe vorhin schon gesagt: Ich kann hier nicht aufzählen, wo ich überall gewesen bin. Ich gehe nur dahin, wo ich auch etwas zu erledigen habe. Sonst bin ich nämlich völlig ausgelastet, das muß ich Ihnen sagen.

(Lachen bei der SPD und bei der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504133800
Herr Abgeordneter Brese, ich mache darauf aufmerksam, daß es gleich halb zehn ist. Wir haben noch drei Wortmeldungen.

Wilhelm Brese (CDU):
Rede ID: ID0504133900
Das liegt nicht an mir. Ich hatte mir vorgenommen, hier ganz kurz zu sprechen. Aber bei dieser Unruhe will ich auch nicht feige sein und nicht kneifen.
Ich fasse zusammen. Ich bin gegen diesen geplanten Neubau, und zwar vor allem deswegen, weil ich weiß, es ist der erste Bauabschnitt des Mammutparlaments. Ich habe vor vier Jahren den Plan gesehen, und wer von Ihnen den nicht kennt, kann ihn bei mir auf meinem Zimmer einsehen.
Ich bin weiter dagegen, weil es gegen jeden Grundsatz der Sparsamkeit verstößt. Wir sprechen alle von Sparsamkeit, und es ist wie im „Faust": Wir wollen alle Tage sparen und brauchen alle Tage mehr.

(Abg. Büttner: Wie war es beim Reptilienfonds, Herr Brese?)

— Den Reptilienfonds habe ich nicht zu verwalten. Darüber haben Sie sich doch wohl lange genug unterhalten, über Reptilienfonds in Hessen, in Hannover und auch bei uns.

(Abg. Büttner: Wie stehen Sie dazu?)

Ich glaube also, da brauchen wir uns alle gegenseitig nichts vorzuwerfen.

(Abg. Killat: Haben Sie dagegen gestimmt?)

— Nein, das habe ich nicht. So töricht bin ich ja nun auch nicht.

(Lachen bei der SPD.)

— Wenn wir das Thema in aller Ruhe erörtern wollen, bin ich gerne bereit, mich auch darüber mit Ihnen zu unterhalten.
Ich muß Ihnen sagen: Für mich gibt es nur eine Hauptstadt, und das ist die alte Hauptstadt Berlin.

(Lebhafte Bravo-Rufe.)

Deshalb bitte ich Sie, den Antrag der FDP anzunehmen und dieses Bauvorhaben zu unterlassen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504134000
Das Wort hat Herr Präsident Dr. Gerstenmaier.

(Zuruf von der SPD: Der Abgeordnete!)

D. Dr. Gerstenmaier, Präsident des Deutschen Bundestages: Meine Damen und Herren! Ich hätte gewünscht, daß das Haus für diese für uns immerhin wichtige Frage eine etwas bessere Zeit erwischt hätte

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

und daß uns diese oder jene Bemerkung erspart worden wäre. Denn schließlich und endlich handelt es sich nicht nur um eine ernste, sondern auch um eine überreife Sache. Ich habe gezögert, ob ich mich überhaupt zu Worte melden sollte; aber ich habe es schließlich getan in der Hoffnung, daß wir damit vielleicht die Verhandlung ein wenig abkürzen können.
Es ist nicht meine Absicht, Herr Kollege Dorn, jetzt auf drei von Ihnen gestellte Fragen einzugehen und auf eine zusätzliche schräge Darstellung zu antworten. Zu der schrägen Darstellung habe ich eigentlich dem Hause den Vorschlag machen wollen, einen anderen Kollegen des Hauses gewissermaßen in den Zeugenstand zu rufen, einen Kollegen, von dem ich annehme, daß er Ihrem Herzen, meine Damen und Herren von der FDP, etwas näher steht, als es der Präsident dieses Hauses tut, und dem ich das auch neidlos gönne. Das ist der Herr Bundesfinanzminister, der Herr Kollege Dr. Dahlgrün. Der Herr Kollege Dr. Dahlgrün wäre nämlich in der Lage, Ihnen auf Heller und Pfennig genau und außerdem in den Motiven völlig zutreffend noch einmal auseinanderzusetzen, warum und wie es zu diesem Handel um die Gronau gekommen ist. — Da Sie nicht da oben auf der Regierungsbank sitzen — bleiben Sie ruhig da unten —, kann ich Sie als Kollegen ansprechen.
Herr Kollege Dr. Dahlgrün, Sie wissen noch viel besser als ich, wie es sich mit diesen sogenannten 14 ha verhält. Ich bleibe dabei, Herr Kollege Dorn, daß wir diese ganzen 14 ha für den Deutschen Bundestag bei weitem nicht brauchen. Wenn nun irgendwelche Zeitgenossen, seien es Bonner Bürger oder andere, sich darüber beklagen, daß der Bundestag nicht nur ein phantastisches Hochhaus bauen wolle, sondern sich auch noch einen Park mit Sportplätzen hinzugekauft habe, dann kann ich nur sagen: auch mit diesem Traum ist es nichts. Ich. muß sogar darauf aufmerksam machen, daß ich die Kollegen von der Sportgemeinschaft des Bundestages, die mir schon einige besorgte Briefe geschrieben haben, insoweit nicht trösten kann, als wir auch dann, wenn wir das Vorhaben, so wie es jetzt zu Buche steht, durchführen, nicht in der Lage sind, diese Wünsche — die im übrigen vernünftig und vertretbar sind, meine Herren; denken Sie an Ziffer 2 des FDP-Antrags — zu erfüllen. Wir brauchen für das Bürohaus lediglich einige Ar, die jenseits dieses Weges liegen, um dieses Hochhaus hinsetzen zu können.
Aber ich bin der Meinung, daß der Bundesfinanzminister richtig entschieden hat, als er bei der Frage
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 1873
D. Dr. Gerstenmaier
des Gronau-Ankaufs davon ausging: Wie hilft man Bonn, aus seiner Situation — nun, es ist ein bißchen salopp ausgedrückt — der Goldgräberstadt herauszukommen? Daran ist einfach etwas wahr. Diese Stadt hat mindestens einen Anspruch darauf, nicht mit dem ganzen Bundestag zusammen in ein einziges unabsehbares Provisorium verwandelt zu werden.

(Beifall in der Mitte.)

Das ist doch ein Gesichtspunkt, vor dem man aus Gerechtigkeits- und Billigkeitsgründen nicht dauernd das Auge schließen kann.
Also kurz und gut, der Bund wird sich eines Tages weiter mit der Frage auseinandersetzen müssen: Was sind wir der Stadt Bonn aus Gründen der Fairneß schuldig? Genau vor dieser Frage stand die Bundesregierung, Abteilung Bundesfinanzminister auch, als die Frage der Gronau akut wurde. Ich nehme es der Stadt Bonn nicht übel — obwohl es für uns gar nicht bequem war —, daß sie kam und sagte: nein, jetzt könnt ihr von uns keinen Quadratmeter Boden mehr bekommen, wenn wir nicht irgendwie eine Gewißheit — und zwar nicht bloß in schönen Formulierungen, sondern in ganz festen, rechtsverbindlichen, finanziell vollstreckbaren Zusagen — bekommen; wenn wir solche Zusagen nicht bekommen, dann könnt ihr von uns keinen Quadratmeter Boden mehr bekommen! — Das war nicht bequem für uns, aber schließlich verständlich. Das war die Situation, in der der Bundesfinanzminister gesagt hat: Also gut, da wir mit der Stadt Bonn sowieso und auf jeden Fall einen finanziellen Handel werden machen müssen, ist nicht einzusehen, warum wir diesen Handel nicht mit diesem Gelände verbinden sollen, wie das auch die Stadt Bonn will. Meine Damen und Herren, wir sind dabei einfach in einer Zwangslage — auch architektonisch —, die es uns nicht mehr ermöglicht, irgendwo anders hinzugehen und hinzubauen als da, wo es projektiert und — damit komme ich zu meinem Punkt 2 — beschlossen worden ist.
Wissen Sie, den wievielten Beschluß in dieser Sache wir jetzt nach langen, sorgfältigen, wochenlangen und auch hier im Plenum nach stundenlangen Debatten fassen? Ich habe es gezählt. Es ist der zehnte parlamentarisch ordnungsmäßig gefaßte, nach sorgfältiger Diskussion ergangene Beschluß. Es ist doch einfach die Pflicht des Mannes, der die Ehre hat, für dieses Haus zu sprechen, dafür zu sorgen, daß — ganz egal sogar, wie er selber in dieser Sache empfindet oder denkt — ordnungsmäßig gefaßte Beschlüsse auch durchgeführt werden.
Deshalb habe ich es begrüßt, meine Damen und Herren von der FDP, daß Sie die Überlegung haben fallenlassen, nämlich das Dispositiv, das in diesem Zusammenhang ausgebracht ist, anzugreifen. Dazu gratuliere ich Ihnen. Diese Frage hätte nämlich eine andere aufgeworfen.
Wir sind der Meinung, daß in einer parlamentarischen Demokratie das Parlament in Sachen Willenssetzung jedenfalls das letzte Wort halben muß und daß sich ihm die Exekutive insofern dienend zur Verfügung stellt und nicht dagegensteht, indem sie alle möglichen auch noch anziehbaren Paragraphen aus vergangenen Zeiten heranzieht, die vielleicht noch geltendes Recht sind. Wir wollen das geltende Recht als geheiligt ansehen und es respektieren. Aber schließlich ist dieses Recht nicht dazu da, klar gefaßte und genau verantwortete Beschlüsse des Parlaments unmöglich zu machen und ihre Durchführung zu verhindern.
Meine Damen und Herren, ich halte nicht dafür, daß wir auf die einzelnen Fragen noch weiter eingehen müssen. Herr Kollege Dorn, es würde mich natürlich reizen — weniger aus politischer Notwendigkeit, vielmehr aus einer gewissen Freude an der Dialektik, an einer intellektuellen Spielerei —, auf Ihre drei Fragen einzugehen, um Ihnen zu zeigen, daß alle drei Fragen eigentlich Fangfragen sind und alle miteinander schief angelegt sind.
Die erste Frage — um nur ein Beispiel zu bringen — heißt, db das Parlament ohne diesen Neubau nicht funktionsfähig wäre. Darauf kann ich nur eine schlichte Antwort geben: natürlich ist dieses Parlament auch ohne diesen Neubau funktionsfähig. Aber das ist nicht das Problem. Das Problem ist, wie es zeitgerecht und in die Zukunft wirkend besser und angemessener seine Aufgabe erfüllt, die ihm vom deutschen Volk übertragen worden ist. Das ist die Aufgabe.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei der SPD.)

So gestellt, kann ich darauf nur das Folgende antworten; und damit verbinde ich meinen Dank für den ebenso eindringlichen wie überzeugenden Vortrag des Herrn Kollegen Frehsee von unserer Raumkommission, übrigens auch meinen Dank für den eingehenden Bericht des Herrn Berichterstatters; diese Kollegen sind auf Grund jahrelanger genauer .Mitarbeit am Detail in der Lage, die Sache darzustellen. In ihren Feststellungen, die hier .getroffen worden sind, wird deutlich, daß wir es unserem Auftrag und unserer Aufgabe schuldig sind, uns dafür die jeweils in jeder Zeit angemessenen Mittel zu verschaffen. Das ist unsere Pflicht, das ist nicht in unser Belieben gestellt; wohlverstanden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es hätte keinen Zweck, wenn man darauf hinweisen würde, daß die großen historischen Urkunden der deutschen oder der europäischen Geschichte samt und sonders in mehr oder weniger schöner Schrift niedergeschrieben sind, und wenn man dann sagen würde: warum schreibt man eigentlich nicht weiter mit der Feder? Meine Herren, warum sollten wir in unserer Zeit nicht mit der Schreibmaschine schreiben? Das ist heute angemessen. Niemand würde auf die Idee kommen, daß es irgendwie ein uns zustehender Ausdruck der Bescheidenheit wäre, bloß mit der Hand zu schreiben. — Alle diese Geschichten haben gar keinen Zweck und nützen dem Parlamentarismus überhaupt nicht weiter.
Herr Kollege Dorn, ich komme mit einem Schlußwort noch auf Ihre sogenannte Alternative zu sprechen. Wir haben im Laufe der Debatten — es



D. Dr. Gerstenmaier
sind jetzt rund fünf Jahre her, daß wir den ersten Beschluß in der Sache gefaßt haben — zwei, nein, mit Ihrem Vorschlag drei Alternativen auf das sorgfältigste im Bundestagsvorstand erwogen und immer wieder durchgesprochen und erörtert. Wir sind dann zu klaren Beschlüssen, zu genau verantworteten Entscheidungen gekommen, warum wir auf diese Alternativlösungen nicht eintreffen konnten. Wissen Sie, warum? Weil diese Alternativlösungen Alternativen wären, mit denen nach unserer Überzeugung — und das war die große Mehrheit im Bundestagsvorstand — das deutsche Volk schließlich wegen einer augenblicklichen Bequemlichkeit, die w i r uns damit leisten würden, sachlich betrogen wäre, um es hart zu sagen. Das deutsche Volk wäre mit einer Alternative betrogen, die die Funktionsfähigkeit des Parlamentes in Wirklichkeit nicht verbessern, sondern eher noch problematischer gestalten würde.
Dazu gehört z. B. auch das Verbauen der schönen Wiese da vorne zwischen dem Bundespresseamt und dem Palais Schaumburg.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wenn wir diese Wiese verbauten, dann läge das natürlich in der Aura unserer gesamtdeutschen Verantwortung, die immer in dieser Sache strapaziert wird. Herr Kollege Brese, das war bei Ihrem heiteren Vortrag eigentlich das für mich Betrübliche, das hätten Sie nicht tun sollen, eine so ernste Sache wie die Wiedervereinigung noch in eine solche Darbietung wie die Ihre hineinzuwickeln. Ich hätte das lieber vermieden gesehen. Damit wird der deutschen Wiedervereinigung nämlich nicht gedient, wenn wir hier so unhaltbare Ideen realisieren würden, wenn wir eine Marschstrecke von 450 Metern zum Plenarsaal anlegten, die an der ersten Baracke begänne, die vorn an der Koblenzer Straße stünde und in der unsere Kollegen dann übrigens auch noch zu zweien, jedenfalls teilweise immer noch zu zweien, sitzen müßten. Das ist keine gute Lösung.
Alle anderen Alternativen gehen außerdem noch von der Voraussetzung aus, daß wir die Hausherren des Bundesrates wären. Davon kann keine Rede sein. Wir können nicht einfach dem Bundesrat dekretieren: Bitte, ziehe ab! Wir brauchen jetzt die Räume für uns! — Davon kann ja gar keine Rede sein. Der Bundesrat ist Hausherr in seinem Haus und er hat einstweilen nicht mitgeteilt, daß er zu bauen gedenkt.
Da wir schon spät am Abend sind, erlauben Sie mir dazu die kleine Erinnerung an die Geschichte von den Sieben Schwaben, — selbstverständlich bei allem schuldigen Respekt gegenüber dem Bundesrat. Der Gedanke, daß der Bundesrat bauen solle, geht ein bißchen nach der Melodie jenes Schwaben, der sagte: Joggele, geh du voran, du hast Sporen und Stiefel dran!
Kurz und gut: Das Bauproblem stellt sich für u n s , und w i r müssen entscheiden. Das Ausziehen des Bundesrates ist eine Rechnung, die mindestens einstweilen keinen Boden hat. Außerdem bliebe, selbst wenn wir das machen würden, immer noch ein Bedarf von weiteren 130 Räumen; und dabei ist das Ausschußproblem noch nicht hinreichend berücksichtigt. Ich will Sie aber jetzt nicht mehr mit dieser ganzen Geschichte langweilen.
Meine Damen und Herren, in dieser Sache ist jetzt die zehnte Entscheidung fällig. Vollziehen Sie sie so, wie es Ihnen ihr Gewissen, Ihre eigene Erfahrung und Ihr eigener Eindruck befehlen! Keine Fraktion nimmt, soweit ich sehe, irgendeinen Einfluß. Jeder kennt die Situation, jeder soll abstimmen. Die Entscheidung fällt in der Abstimmung über den Einzelplan 02 mit dem darin ausgebrachten Dispositiv zu diesem Titel und mit der Ablehnung des Änderungsantrages der FDP.
Zum Schluß nur noch ein Wort zum Problem des guten Beispiels. Ein gutes Beispiel gibt der Bundestag nach meiner Überzeugung nicht dadurch, daß er es sich bequem macht und versucht, von allen gelobt zu werden, sondern dadurch, daß er ein charaktervolles Ja zu dem sagt, was sachlich notwendig und unabweisbar ist. Dieser Hochhausbau, dieser Bürohausbau ist sachlich notwendig und nunmehr völlig unabweisbar. Deshalb muß dieser Änderungsantrag der Fraktion der FDP abgelehnt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504134100
Das Wort hat der Herr Dr. Abelein.

Dr. Manfred Abelein (CDU):
Rede ID: ID0504134200
Meine Damen und Herren! Mir ist zwar nicht ganz klar, ob es jetzt noch sinnvoll ist, nach den Worten des Herrn Präsidenten lange Ausführungen zu diesem Thema zu machen.

(Zurufe: Nein!)

Aber einige Sätze möchte ich wenigstens dazu sagen.
Aus der Erfahrung eines Neulings möchte ich Ihnen mitteilen, daß diese Unterhaltung heute abend für mich zu den ohnehin nicht immer im Rahmen des Erhebenden liegenden, zu den erschütterndsten Erfahrungen in diesem Hause gehört.

(Unruhe in der Mitte und links.)

Man macht hier aus einer glatten Selbstverständlichkeit, wo es darum geht, daß man die simpelsten Voraussetzungen für eine normale Arbeit erhält, eine hochpolitische Frage.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD. — Zuruf von der Mitte: Aus wahltaktischen Gründen!)

Diese Dinge gefallen mir nicht.
Ich möchte auf Ihre Ausführungen, Herr Brese, gar nicht eingehen. Sie machen sich viel zu sehr zum persönlichen Maßstab dieser Dinge. Sie mögen ein Nachtarbeiter sein und sich tagsüber entspannen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und bei der SPD)

aber die normale Tätigkeit — —

(Zuruf des Abg. Brese.)




Dr. Abelein
— Herr Brese, ich meine das ja gar nicht böse; wir sitzen ja nebeneinander. Ich akzeptiere das als eine individuelle Eigenart von Ihnen. Nur der normale Zustand ist eben anders. Man arbeitet heutzutage ja auch mit gewissen Unterlagen und Material. Wenn Sie hier wörtlich sagen, daß man sich nur aufs Gefühl verlassen könne, so ist das auch Ihre Sache. Wenn Sie sich nur aufs Gefühl verlassen, brauchen Sie natürlich den ganzen Apparat von Unterlagen und die Mitarbeiter im Büro nicht.

(Beifall und Heiterkeit in der Mitte und links.)

Ich akzeptiere 'das, Herr Brese. Sie gehören ja dem landwirtschaftlichen Beruf an, und das Gefühl entwickelt sich gar nicht in vier Wänden; dazu brauchen Sie die frische Luft und sonst nichts.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD.)

Ganz kurz und auch gar nicht polemisch — sehen Sie, die Polemik liegt mir völlig fern bei 'diesem Thema und auch sonst — —

(Große Heiterkeit in der Mitte und links. — Lachen bei der FDP.)

— Herr Kollege Dorn, Sie haben hier ein schönes Bild der parlamentarischen Tätigkeit gezeichnet: da gibt es Abgeordnete, die sind überhaupt nur wenige Stunden hier, wenige Stunden nur arbeiten sie.

(Abg. Spitzmüller: Die sind die übrige Zeit im Plenum! So können Sie doch nicht verallgemeinern!)

— Herr Kollege Spitzmüller, lassen Sie mich doch rein sachlich mich mit diesen Äußerungen auseinandersetzen.

(Zuruf von der FDP: Sachlich nennen Sie das?!)

Hier wurde doch tatsächlich gesagt, daß die Abgeordneten nur wenige Stunden in ihren Zimmern arbeiteten,

(Zustimmung In der Mitte und links)

und jetzt angesichts dieser prekären Haushaltssituation begäben wir uns daran, ein gigantisches parlamentarisches Riesenprojekt durchzuführen, den teuersten Parlamentsbau in Europa. Ich sage Ihnen das deswegen: mir gefällt das nicht, weil hier — vielleicht noch nicht einmal auf Grund Ihrer Absicht — zumindest der Anschein erweckt wird, als ob man Geschäfte machen wollte mit möglicherweise noch vorhandenen antiparlamentarischen Ressentiments in unserer Öffentlichkeit.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/ CSU und der SPD. — Abg. Killat: Das ist die FDP! — Zuruf von der Mitte: Unter dem Vorwand der Sportfreundlichkeit!)


Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0504134300
Herr Kollege, sollte Ihnen entgangen sein, daß diejenigen, die sich hier gegen diese Ausgabe in diesem Sinne aussprechen, vielleicht mehr für das Ansehen des Parlamentarismus in Deutschland tun

(Zurufe von der SPD)

als diejenigen, die täglich dazu auffordern, Maß zu halten, und hier Millionen hinauswerfen?
Beifall bei der FDP.)

Dr. Manfred Abelein (CDU):
Rede ID: ID0504134400
Herr Dorn, ich bin gern bereit, auf diese Frage hier einzugehen.
.(Abg. Dorn: Ja, bitte schön!)

Wenn Sie sich daran' erinnern, wer sich im Haushaltsausschuß tatsächlich um Sparsamkeit bemüht hat, dann müssen Sie zugeben, daß nicht zuletzt wir es waren. Ich nehme das vor allem auch für mich persönlich in Anspruch.

(Beifall in der Mitte. — Zurufe von der FDP.)

— Bitte, hören Sie mich doch noch an.

(Zuruf von der FDP: Fällt uns sehr schwer!)

— Ich werde Ihnen das noch sagen. Ich bin der Ansicht, wenn man sparen muß und wenn man jetzt versucht, den Etat zu drücken — wir haben immerhin einen Etat von rund 70 Milliarden DM in diesem Jahr —, gerade wenn man sparen soll, wenn man sich überlegen soll, wie man das Geld sparsam und sinnvoll anwendet, muß man auch die Arbeitsvoraussetzungen dafür schaffen, daß man es sinnvoll anwenden kann, und darum geht es in dieser Debatte.

(Beifall in der Mitte und bei der SPD.)

Ich möchte Ihnen nur einige Erfahrungen schildern.

(Zuruf von der FDP: Wovon denn?)

Ich habe eine langjährige Tätigkeit in der Verwaltung hinter mir, nicht in hoher Position.

(Aha-Rufe rechts.)

Ich habe mich in der Verwaltung bis zum Oberregierungsrat hochgedient. Aber ich sage Ihnen: ich war noch nie auch nur annähernd so schäbig und jämmerlich untergebracht wie gegenwärtig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD. — Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Nicht einmal als Referendar!)

Ich kann — das ist meine Erfahrung — in diesen räumlichen Verhältnissen nicht arbeiten.

(Abg. Killat: Sehr richtig! — Zurufe rechts.) Ich meine, niemand kann hier arbeiten.


(Abg. Dorn: Dann legen Sie Ihr Mandat nieder und gehen Sie nach Hause!)

— Ach, Herr Dorn, Sie empfehlen mir, mein Mandat niederzulegen? Das finde ich nun ein starkes Stück. Das sind Töne, die von mir nicht angeschlagen wurden.

(Widerspruch bei der FDP.)

Aber lassen Sie mich gerade dazu sagen: Sie hätten mich mit Ihren Ausführungen erheblich mehr überzeugt, wenn Sie einer von denjenigen Abgeordneten gewesen wären, die hier auf die räumlichen Möglichkeiten angewiesen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD.)




Dr. Abelein
L) Diese Debatten und auch dieser Stil in dieser Frage sind, glaube ich, nicht geeignet, das Ansehen des Parlaments, das im Zentrum unserer noch jungen Demokratie steht, draußen in der Öffentlichkeit zu heben.

(Erneuter Beifall in der Mitte und bei der SPD.)

Das Ansehen der Abgeordneten hängt teilweise auch von der Selbsteinschätzung der Abgeordneten ab,

(wiederholter Beifall in der Mitte und bei der SPD — Zurufe von der FDP)

und es zeugt von einer geringen Selbsteinschätzung, wenn man sich bei einer so hochverantwortlichen parlamentarischen Tätigkeit in derartige äußere Umstände begibt.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Und noch dazu behauptet, es würden Millionen hinausgeschmissen!)

Ich bin gar nicht der Ansicht, daß das ein heikles Thema sei. Ich war dieser Ansicht bis vielleicht noch vor einigen Monaten. Aber ich bin in zahlreichen Veranstaltungen im Wahlkreis immer wieder von kleinen Leuten, die ursprünglich die gleiche Ansicht vertreten haben, die Sie, Herr Brese, hier vorgetragen haben, darauf angesprochen worden, und ich kann Ihnen aus meiner Erfahrung erzählen: wenn man mit den Leuten offen diskutierte, sahen sie es alle ein.

(Zustimmung in der Mitte.)

Die beste Maßnahme ist, die Besucher hier durchs
Bundeshaus zu führen. Ich versäume keine Gelegenheit, den Besuchern, die zu mir kommen, mein Zimmer zu zeigen. Ich brauche dann über diese Situation kein Wort mehr zu verlieren.

(Zuruf von der Mitte: Die verstehen es besser als der Herr Dorn!)

Die Frage scheint mir auch noch einen verfassungsrechtlichen Aspekt zu haben, und da komme ich wieder — ich bitte um Entschuldigung — auf Sie, Herr Kollege Dorn, zu sprechen. Sicher entspricht es den Vorstellungen des Grundgesetzes, daß wir als Vertreter des gesamten deutschen Volkes hier im gleichen Rang hereingekommen sind, um Verantwortung für das gesamte deutsche Volk zu übernehmen, und dazu gehört auch, daß wir alle, um diese Verantwortung zu tragen, die gleichen Voraussetzungen erhalten. Dem ist aber, so wie die Sache gegenwärtig aussieht, keineswegs so. Ich meine das — ich kann es gar nicht genügend unterstreichen — in keiner Weise polemisch. Aber es ist nun einfach eine Tatsache, daß sich in unseren Reihen Männer und Frauen befinden, die Vertreter, Geschäftsführer von Verbänden sind mit all den Möglichkeiten, die ihnen diese Verbände für diese Arbeit bieten. Ich halte das gar nicht für illegitim, aber daraus scheint mir eine verfassungsrechtlich bedenkliche, gefährliche Ungleichheit in diesem Hause zu resultieren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD. — Abg. Killat: Die ganze FDP, eine Lobby ist das!)

Da ich nun gerade einmal dabei bin, die Geschichte von dieser Seite anzugehen, lassen Sie mich auch als Angehöriger der Partei, die in der Regierung vertreten ist, einiges sagen. Mir gefällt — ich sage das ganz offen — in der parlamentarischen Arbeit nach den Erfahrungen, die ich neu gemacht habe, nicht das ,Übergewicht der Bürokratie und auch der Bundesregierung. Wir sind zu einem großen Maße auf die Informationen und die Vorarbeit —wobei ich durchaus davon ausgehe, daß diese Vorarbeit für uns gutwillig geleistet wird — angewiesen und manchmal ihr auch ausgeliefert, und das gefällt mir nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei der SPD.)

Um auch auf diesem Gebiet dem Parlament eine größere Eigenständigkeit und auch ein größeres Gewicht zu verschaffen, glaube ich, ist es nötig, die räumliche Situation als die Grundlage all dessen, was damit zusammenhängt, zu bereinigen und zu klären.
Vielleicht lassen Sie mich gerade hier an einige Vergleiche mit dem Ausland anknüpfen. Es ist immer eine komische, obgleich sehr stark gepflegte Sache, die Vergleiche dort zu holen, wo sie einem gerade ins Bild passen. Wenn Sie sich etwa die Situation der amerikanischen Kongreßmitglieder vor Augen halten, müssen Sie sagen, daß die wirklich in einer erheblich besseren Lage sind, ihre parlamentarische Arbeit durchzuführen, als wir. Völlig unabhängig von diesem Projekt bin ich ganz persönlich der Ansicht: Ein Raum .pro Abgeordneten ist nicht nur das Minimum, das ist entschieden zu wenig.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Ich meine — ich spreche nur für mich —, ich sollte dringend eine Sekretärin haben und sogar noch einen wissenschaftlichen Mitarbeiter,

(Beifall bei der CDU/CSU und bei der SPD)

wenn ich mich nicht ausschließlich auf das Gefühl verlassen will, was meine Art nicht ist.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU und bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Herr Abelein, Sie sprechen für sehr viele in diesem Hause!)

Meine Damen und Herren, noch auf einen anderen Punkt möchte ich kommen, der hier angeklungen ist und der nicht nur mit den räumlichen Fragen zu tun hat. Sie sagen hier — zumindest klang das durch —, wenn man ein Hochhaus, einen Erweiterungsbau hier hinstelle, so betreibe man eine Politik gegen Berlin; letztlich desavouriere man auch die Wiedervereinigungspolitik. Bitte sehen Sie es mir nach, ich vermag hier nicht die allergeringsten Zusammenhänge zu entdecken. Hier geht es darum, für uns die simpelsten Voraussetzungen der Arbeit zu schaffen. Wenn ich überhaupt einen Zusammenhang entdecke, dann den: Gerade für die Wiedervereinigung muß man zäh arbeiten und viel nachdenken, und dazu braucht man Ruhe, und dazu braucht man einen Raum.

(Zuruf von der FDP: Einen Kopf!)




Dr. Abelein
Ich glaube — um damit zum Schluß zu kommen—, man sollte diese Dinge, wie wir es getan haben und worum ich mich bemüht habe, ganz sachlich untersuchen. Daß dabei einige Meinungsverschiedenheiten aufkommen, gehört zum parlamentarischen Dialog. Aber wenn ich mich so in der Presse umsehe, stelle ich fest, daß sich auch das Bild in der Presse darüber völlig geändert hat. Es ist tatsächlich heute in der Presse und in der Öffentlichkeit nicht mehr viel damit zu holen, wenn man gegen diesen Neubau ist. Ersparen Sie es mir bitte, das zu zitieren. Aber ich wäre in der Lage, Ihnen eine ganze Reihe von Pressestimmen aus unseren großen Zeitungen zu zitieren, aus denen sich ergibt daß das Bild in letzter Zeit dort völlig gewechselt hat und das Verständnis durchaus gegegeben ist.
Summa summarum, die Öffentlichkeit; das ganze deutsche Volk und unsere Wähler, und zwar die Wähler von uns allen, völlig unabhängig davon, welcher Partei sie nun angehören, erwarten von uns, daß wir uns für das Wohl des Volkes einsetzen, darüber nachdenken und dafür arbeiten. Dafür wollen wir die notwendigen Voraussetzungen schaffen. Darum geht es und sonst um nichts.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504134500
Das Wort hat der Abgeordnete Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0504134600
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Abelein lebt in der Furcht, er müsse sich auch in Zukunft auf sein Gefühl verlassen, wenn er in diesem Hause redet und arbeitet. Heute abend hat er sich in seinen verfassungsrechtlichen Ausführungen eindeutig auf sein Gefühl verlassen. Herr Kollege Abelein, wenn Sie hier Ausführungen zur Gleichheit der Lebensverhältnisse der Abgeordneten machen, werden wir Sie beim Wort nehmen, wenn wir über die Gleichheit der Lebensverhältnisse in diesem Lande bei der Herstellung gleicher Bildungschancen reden. Da gehört das hin, aber nicht in dieses Haus.

(Beifall bei der FDP. — Lachen bei der CDU/CSU und der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU: Das ist unter Ihrem Niveau! — Der Dorn wirkt ansteckend!)

Sie haben hier eine Reihe von interessanten Ausführungen zur Reform der Parlamentsarbeit gemacht, insbesondere zum Verhältnis des Parlaments gegenüber der Exekutive. Da Sie eine Zeitlang auf der Seite der Exekutive tätig waren, können Sie in besonderem Maße das Übergewicht dieser Seite erkennen, und ich stimme Ihnen voll zu, Herr Kollege Abelein; aber das ist nicht eine Frage des Hochhausbaues, sondern eine Frage der personellen Bestückung dieses Parlaments, und darüber sollten wir ernsthaft reden.

(Beifall bei der FDP. — Zuruf von der SPD: Wohin mit den Leuten?)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504134700
Eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wörner!

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID0504134800
Herr Kollege Genscher, wenn Sie mit uns der Meinung sind, daß die personellen Verhältnisse in diesem Hause verbessert werden müssen, daß die personellen Arbeitsverhältnisse des Bundestages verbessert werden müssen, wo wollen Sie die Leute unterbringen, und unter welchen Bedingungen wollen Sie sie unterbringen? Glauben Sie etwa, Sie erhalten einen vernünftigen wissenschaftlichen Mitarbeiter in einem Kellerraum mit einer Sekretärin auf 6 qm?

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0504134900
Herr Kollege Wörner, ich will dazu im weiteren Verlauf meiner Ausführungen gern Stellung nehmen. Allerdings meine ich, daß auch die Mitarbeiter, die wir heute schon haben, nicht unvernünftig sind. Sie wissen, warum sie in diesem Hause sind.
Meine Damen und Herren, es sollte möglich sein, auch über die Angelegenheiten dieses Hauses, über die Unterbringung der Abgeordneten und der Mitarbeiter dieses Hauses in aller Ruhe und in aller Sachlichkeit zu verhandeln. Vor allen Dingen sollte man auch die Toleranz haben, die eigene Meinung eines eigenen Fraktionskollegen zu erdulden, wenn er hier einmal eine andere Meinung vertritt als die Mehrheit des Hauses.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das haben wir ja getan!)

Ich bedaure sehr, daß Sie hier Hohn und Spott auf den Kollegen Brese und auf seinen Berufsstand dazu ausgegossen haben.

(Beifall bei der FDP. — Zuruf von der CDU/CSU: Herr. Brese hält jedes Jahr seine Rede!)

— Ja, ja, mir ist das bekannt. Vielleicht lassen Sie ihn einmal zu einem anderen Thema reden; dann kann er zeigen, was er sonst noch in diesem Hause weiß.
Meine Damen und Herren! Die Raumkommission unter dem Vorsitz des Herrn Kollegen Frehsee hat einen Raumbedarf von 130 Räumen angemeldet. Diesem Raumbedarf stimmen wir voll zu. Ich gehe davon aus, daß die Raumkommission dabei alle Notwendigkeiten für dieses Haus einkalkuliert hat. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Raumkommission, in der auch Sie vertreten sind, Notwendigkeiten außer acht gelassen hat.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504135000
Eine Zwischenfrage des Abgeordneten Frehsee.

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0504135100
Herr Kollege Genscher, haben Sie wirklich nicht zugehört und nicht mitgehört, als ich ganz nachdrücklich und eindringlich ausgeführt habe, daß sich diese 145 Zimmer nur beziehen auf Abgeordnetenzimmer und nicht auf die Abteilung II, auf den Bedarf der Ausschüsse an Ausschußsekretariatszimmern und auf die Abteilung III? Haben Sie nicht gehört, daß sich sonst ein Bedarf von mindestens 345 Zimmern ergäbe?

(Zuruf von der CDU/CSU: Das paßt nicht ins Konzept!)





Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0504135200
Herr Kollege Frehsee, ich hatte bei Ihren Ausführungen den Eindruck, daß Sie von einer vorbereiteten Rede ausgehend zu den Ausführungen des Kollegen Dorn nicht Stellung genommen haben, denn er hatte in seiner Berechnung den von Ihrer Kommission errechneten Raumbedarf für die Verwaltung dieses Hauses mit einbezogen. Daran müssen Sie sich doch erinnern.
Es geht also nach den Darlegungen der von Ihnen geleiteten Raumkommission um einen Bedarf von 130 Zimmern, um nichts anderes.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja einfach nicht wahr! — Abg. Ruf: Das stimmt einfach nicht!)

Herr Kollege Frehsee, ich bedauere, daß Sie hier mit Ihren Ausführungen zu der Frage der schlechten Unterbringung der Bediensteten dieses Hauses ein wenig den Eindruck erweckt haben, als ob es in diesem Hause Meinungsverschiedenheiten darüber gäbe, wie Bedienstete unterzubringen sind oder nicht.

(Abg. Ruf: Gibt es offenbar!)

Ich erkläre Ihnen: Wenn ich das gewußt hätte, was Sie hier gesagt haben, dann hätte ich längst die Einberufung der Raumkommission verlangt, damit der vorhandene Raumbestand besser und gerechter verteilt wird.

(Beifall bei der FDP. — Zurufe von der SPD.)

— Ach hören Sie mich doch erst einmal an; sie können ja hinterher noch reden.
Es geht darum, daß wir — unterstellt, daß die Ausführungen des Kollege Frehsee zutreffend und richtig sind — sofort aus dem vorhandenen Raumbestand zur Behebung der aufgezeigten Mängel ausreichend Unterbringungsmöglichkeiten schaffen.
Und nun ist hier etwas zur Selbsteinschätzung und Selbstachtung des Parlaments gesagt worden. Meine Damen und Herren, die Qualität eines Parlaments hängt nicht davon ab, wie hoch das Hochhaus ist,

(Zuruf von der SPD: Hat das jemand gesagt?)

sondern davon, von welcher Qualität die Ausführungen hier in diesem Hause sind.
Sie kommen an zwei Fragen nicht vorbei, und ich wäre dankbar, wenn sie hier noch beantwortet würden.
Die erste Frage ist, warum Sie für einen Raumbedarf, den Sie selber mit 130 Räumen errechnet haben, ein dreißigstöckiges Hochhaus bauen wollen. — Das ist die erste Frage.
Die zweite Frage ist, wie Sie jede Mißdeutung, die sich mit Recht oder zu Unrecht — ich behaupte: zu Unrecht — aus den Bauplänen für Bonn ergeben können, ausräumen wollen. Hier ist gesagt worden, in diesem Hause solle durch die Beschlüsse die Grundlage gelegt werden für einen Bau der Zukunft. Meine Damen und Herren: die Zukunft die-
ses frei gewählten Parlaments liegt eben nicht in Bonn, sondern eindeutig und allein in Berlin.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504135300
Meine Damen und Herren, wir sind am Schluß. — Herr Ruf meldet sich doch. Er hatte seine Wortmeldung zurückgezogen. Bitte sehr! Es ist die letzte Wortmeldung.

Thomas Ruf (CDU):
Rede ID: ID0504135400
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte meine Wortmeldung zurückgezogen; aber nach den Ausführungen des Herrn Kollegen Genscher muß ich doch noch einige Bemerkungen machen.
Als Mitglied der Raumkommission kann ich jeden einzelnen Satz und jede einzelne Zahl, die Herr Kollege Frehsee hier vorgetragen hat, bestätigen. Die Angaben des Herrn Frehsee stimmen. Wir haben einen Raumbedarf von 340 Räumen. Sie kommen auf Ihre Zahl von — ich weiß nicht mehr genau — 130 oder 140 Räumen, wenn Sie den Bundesratsflügel beziehen, wenn Sie auch in Zukunft hinnehmen, daß die Abgeordneten ihre Schlaf- und Wohnräume gleichzeitig als Büroräume benutzen, und wenn Sie den Bedarf der Ausschüsse nicht berücksichtigen. Aber gerade bei den Ausschüssen liegt hier sehr vieles im argen. Im übrigen, meine sehr verehrten Herren von der FDP, sind Herr Frehsee und ich gern bereit, für Sie einmal eine Sonderführung durch das Bundeshaus zu machen,

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

damit Sie endlich einmal sehen, unter welch unwürdigsten Verhältnissen manche Menschen hier in diesem Hause arbeiten müssen. Manche Werkstatt hier unten im Hause wäre, wenn sie ein Handwerksbetrieb irgendeines privaten Unternehmers wäre, schon längst von der Gewerbeaufsicht geschlossen worden.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Noch zwei Sätze zu dem Antrag der FDP! Daß die FDP unter der Ziffer 1 beantragt, die Mittel für den Bau des Bürohauses zu streichen, damit haben wir gerechnet; wir haben nichts anderes erwartet. Daß aber die FDP in der Ziffer 2 jetzt diese Mittel für den Sport und für die Olympiade verwenden will — meine Damen und Herren von der FDP, billiger geht es nicht mehr.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der SPD.)

Das ist Stimmenfang primitivster Art,

(erneuter Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

und eine Partei, die den Anspruch erhebt, in der Öffentlichkeit ernst genommen zu werden, und die auch für dieses Haus und für den Parlamentarismus in Deutschland Verantwortung trägt, sollte sich solche Dinge nicht leisten. Ich bitte, den Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD.)





Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0504135500
Damit sind wir am Ende der Rednerliste. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Zunächst steht zur Abstimmung der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 38 *), und zwar allein die Ziffer 1, die sich auf den Einzelplan 02 bezieht.
Der Antrag liegt Ihnen vor. Ich brauche ihn also nicht zu verlesen. Wer für den Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit. Sind Stimmenthaltungen? — Keine Enthaltungen! Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
*) Siehe Anlage 5
Ich stelle jetzt den Einzelplan 02 im ganzen in der Fassung des Ausschußantrages auf Drucksache V/571 zur Abstimmung. Der Antrag des Haushaltsausschusses liegt Ihnen vor; ich brauche ihn nicht zu verlesen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen!
Ich frage das Hohe Haus, ob es noch die Kraft und den Willen hat, einige Einzelpläne — —

(Rufe: Nein!)

— Ich komme dann zum Schluß der Sitzung und berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 18. Mai 1966, 9 Uhr, ein.
Ich danke Ihnen und schließe die Sitzung.