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ID0504121800

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    Deutscher Bundestag 41. Sitzung Bonn, den 17. Mai 1966 Inhalt: Telegrammwechsel zwischen den Präsidenten des Deutschen Bundestages und des Schwedischen Reichstages zu dessen 100. Geburtstag 1777 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der. Abg. Mauk, Dr. Ils und Hahn (Bielefeld) 1777 B Abg. Dr. Hamm (Kaiserslautern) legt sein Mandat nieder 1777 B Abg. Jung tritt in den Bundestag ein . 1777 B Überweisung des Entwurfs einer Patentanwaltsordnung an den Haushaltsausschuß gem. § 96 GO 1777 C Fragestunde (Drucksache V/614) Frage des Abg. Müller (Mülheim) : Haftpflichtversicherungszwang für Motorboothalter Dr. Jaeger, Bundesminister . . . 1778 A Müller (Mülheim) (SPD) 1778 B Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Änderung des § 61 Konkursordnung 1778 D Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Verbesserung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes 1779 A Fragen des Abg. Dr. Lohmar: „Tele-Kolleg" Dr. Ernst, Staatssekretär . . . . . 1779 B Dr. Lohmar (SPD) . . . . . . . 1779 C Fragen des Abg. Kulawig: Anrechnung von Aufwandsentschädigungen auf Versorgungs- und Ruhegehaltsbezüge Dr. Ernst, Staatssekretär . . . . . 1779 D Frage der Abg. Frau Freyh: Auskunftserteilung betreffend Erklärung der Stadt Frankfurt zum weißen Kreis Dr. Bucher, Bundesminister . . . . 1780 B Frau Freyh (SPD) . . . . . . . 1780 C Frau Berger-Heise (SPD) . . . . . 1780 D Frau Meermann (SPD) . . . . . 1781 A Hauffe (SPD) . . . . . . . . 1781 B Bartsch (SPD) 1781 D Müller (Mülheim) (SPD) 1781 D Fragen des Abg. Lautenschlager: Fehlbedarf an Wohnungen für Bundesbedienstete Dr. Bucher, Bundesminister . . . . 1782 B Lautenschlager (SPD) . . . . . . 1782 B Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . . 1782 D Strohmayr (SPD) . . . . . . . 1783 A II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Absetzbarkeit von Werbungskosten . 1783 B Fragen des Abg. Dr. Martin: Diskriminierung der Examina an deutschen medizinischen Fakultäten durch die Nigerianische Ärztekammer Dr. Schröder, Bundesminister . . . 1783 C Dr. Martin (CDU/CSU) . . . . . 1783 D Kahn-Ackermann (SPD) . . . . 1784 A Moersch (FDP) 1784 A Fragen des Abg. Matthöfer: Stellungnahme des DGB gegen die Aufnahme Franco-Spaniens in die EWG Dr. Schröder, Bundesminister . . 1784 B Matthöfer (SPD) 1784 C Strohmayr (SPD) 1785 A Fragen des Abg. Schmidt (Braunschweig) : Wettbewerbsbenachteiligungen für den inländischen grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 1785 D Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . . 1786 A Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 1786 C Frage des Abg. Jahn (Marburg) : Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 1786 D Jahn (Marburg) (SPD) 1787 A Frage des Abg. Lautenschlager: Verkehrs- und Abfertigungsverhältnisse beim Zollamt Lindau-Ziegelhaus Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 1787 C Lautenschlager (SPD) 1787 D Fragen des Abg. Strohmayr: Finanzierung der Olympischen Spiele 1972 in München — Gedenkmünze Dr. Dahlgrün, Bundesminister . 1788 B Strohmayr (SPD) 1788 C Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . 1788 D Fragen des Abg. Reichmann: Förderung und Entwicklung der Orthopädie-Technik Katzer, Bundesminister . . . . 1789 A Reichmann (FDP) 1789 B Mick (CDU/CSU) 1790 A Frage des Abg. Josten: Erledigung der Anträge auf Anerkennung als Kriegsopfer Katzer, Bundesminister . . . . 1790 C Josten (CDU/CSU) 1790 C Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 (Getreide) des Rates der EWG (Drucksache V/527); Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksache V/607) — Zweite und dritte Beratung — 1791 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1966 (Haushaltsgesetz 1966) (Drucksache V/250) — Zweite Beratung — Leicht (CDU/CSU) 1791 B Hermsdorf (SPD) 1796 C Dr. Emde (FDP) 1799 D Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksache V/573) in Verbindung mit Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksache V/574) Erler (SPD) 1804 A D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . 1811 D Dr. Schmid, Vizepräsident . . . 1812 A Dr. Erhard, Bundeskanzler . . . 1812 B Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 1817 B Strauß (CDU/CSU) . . . . . . 1818 C Mischnick (FDP) 1827 D. Dr. Mende, Bundesminister . . . 1832 A Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 1835 A Dr. Schröder, Bundesminister . . 1837 C Moersch (FDP) 1841 B Dr. Martin (CDU/CSU) 1843 A Frau Geisendörfer (CDU/CSU) . 1843 D Kahn-Ackermann (SPD) . 1844 A, 1846 D Dr. Conring (CDU/CSU) . 1845 C, 1847 A, 1854 A Sänger (SPD) . . . . . . . . . 1847 B Haase (Kassel) (CDU/CSU) . . . . 1848 C Wischnewski (SPD) . . . . . . 1853 A Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt (Drucksache V/570) . . 1855 C Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksache V/571) Dr. Götz (CDU/CSU) . . . . . . 1855 C Dorn (FDP) . . . . . . . 1858 B Frehsee (SPD) 1863 D Brese (CDU/CSU) . . . . . . 1868 D D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . 1872 C Dr. Abelein (CDU/CSU) 1874 C Genscher (FDP) 1877 A Ruf (CDU/CSU) . . . . . . . 1878 C Nächste Sitzung . 1879 C Anlagen 1881 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 1777 41. Sitzung Bonn, den 17. Mai 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 1881 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Aigner * 17.5. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 18.5. Dr. Artzinger 17. 5. Bading* 18. 5. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 13.5. Prinz von Bayern 21. 5. Berger 18.5. Blachstein 17.5. Borm 18.5. Buchstaller 28.5. Dr. Burgbacher 17.5. Burgemeister 18. 5. Diekmann 18.5. Frieler 2. 7. Dr. Furler 29. 5. Geldner 18.5. Dr. Hammans 18.5. Illerhaus 17.5. Dr. Jungmann 30.6. Frau Kalinke 18. 5. Klinker * 18.5. Kriedemann * 17.5. Lemmer 17.5. Lücker (München) * 17.5. Mauk * 18.5. Dr. von Merkatz 31. 5. Metzger * 18.5. Michels 17. 5. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 30. 6. Dr. Morgenstern 30. 6. Müller (Aachen-Land) * 18.5. Dr. Müller (München) 18. 5. Richarts * 17.5. Schwabe 22.5. Stahlberg 31.6. Frau Strobel * 17.5. Teriete 2. 7. Tobaben 18.5. Dr. Toussaint 17. 5. Unertl 18.5. Zerbe 27. 5. b) Urlaubsanträge Dr. Barzel 31. 5. Brünen 23.5. Gibbert 27. 5. Frau Jacobi (Marl) 27. 5. Dr. h. c. Jaksch 13. 6. Hahn (Bielefeld) 27.5. Seither 31. 5. Seuffert 28.5. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Umdruck 37 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966, hier: Einzelplan 04 - Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksachen V/250 Anlage, V/573). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 04 03 — Presse- und Informationsamt der Bundesregierung - 1. Im Tit. 300 - Zur Verfügung des Bundeskanzlers für Förderung des Informationswesens -(Drucksache V/250 Anlage S. 28) - wird der Ansatz von 12 500 000 DM um 4 500 000 DM auf 8 000 000 DM gesenkt. Der Haushaltsvermerk erhält folgende Fassung: „Die Jahresrechnung über die Einnahmen und Ausgaben dieses Titels unterliegt nur der Prüfung eines Unterausschusses des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärungen des Unterausschusses und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung." 2. Tit. 314 - Aufklärung und Unterrichtung der Bevölkerung auf den Gebieten der Sozialinvestitionen — 2 500 000 DM (Drucksache V/573 S. 4) wird gestrichen. Bonn, den 16. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 3 Umdruck 36 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966, hier: Einzelplan 05 - Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksachen V/250 Anlage, V/574). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 05 02 — Allgemeine Bewilligungen — wird in Tit. 964 — Ausrüstungshilfe - (Drucksache V/574 S. 4) der Ansatz um 27 000 000 auf 60 000 000 DM gekürzt. Bonn, den 16. Mai 1966 Erler und Fraktion 1882 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 Anlage 4 Umdruck 48 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 hier: Einzelplan 05 — Auswärtiges Amt (Drucksachen V/250 Anlage, V/574). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 05 02 — Allgemeine Bewilligungen — Tit. 676 — Förderung der UNESCO-Arbeit in der Bundesrepublik b) Zuschuß an das UNESCO-Institut für Pädagogik in Hamburg — (Drucksache V/250 Anlage S. 43) wird in den Erläuterungen Absatz 2 gestrichen. Bonn, den 17. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 5 Umdruck 38 Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 1. hier: Einzelplan 02 — Deutscher Bundestag (Drucksachen V/250 Anlage, .V/571). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 02 01 wird der Tit. 710 — Errichtung eines Bürohauses des Deutschen Bundestages (Arbeitszimmer für Abgeordnete und Sitzungsräume für Ausschüsse) — mit einem Ansatz von 3 000 000 DM gestrichen. 2. hier: Einzelplan 06 — Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksachen V/250 Anlage, V/575) . Dementsprechend wird in Kap. 06 02 Tit. 610 — Für zentrale Maßnahmen auf dem Gebiet des Sports und der Leibesübungen — der Ansatz von 6 180 000 DM um 3 000 000 DM auf 9 180 000 DM erhöht. In den Erläuterungen zu Kap. 06 02 Tit. 610 wird der Nummer 1 folgender Buchstabe c angefügt: „c) Zuschüsse zur Ausrichtung der Olympiade 1972 in München 3 000 000 DM". Bonn, den 16. Mai 1966 Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 6 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Seiermann vom 6. Mai 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Cramer (Drucksache V/561 Frage IX/11): Ist die Bundesregierung bereit, die Deutsche Bundesbahn zu veranlassen, für den Transport von Muschelkalk einen dem früheren G-Tarif ähnlichen Sondertarif einzuführen, um der drohenden Existenzvernichtung deutscher Muschelkalkwerke zu begegnen? Nach den Bestimmungen der Verkehrsänderungsgesetze vom 1. August 1961 kann der Bundesminister für Verkehr die Deutsche Bundesbahn nur aus Gründen des allgemeinen Wohls zur Einführung einer Tarifmaßnahme veranlassen. Solche schwerwiegenden Gründe dürften im vorliegenden Falle nicht gegeben sein. Im übrigen würde es sich dabei um einen Unterstützungstarif handeln, der nach dem EWG-Vertrag ohne Genehmigung der Kornmission unzulässig ist. Bei der Genehmigung solcher Maßnahmen legt die Kommission einen sehr strengen Maßstab an. Sie verlangt grundsätzlich zunächst Hilfe durch unmittelbare Unterstützung, wenn diese unerläßlich und mit den Bestimmungen des EWG-Vertrages vereinbar ist. Ihrer Entscheidung über einen Unterstützungstarif muß sie ein multilaterales Konsultationsverfahren vorschalten.
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    Rede von Wolfgang Mischnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser zur zweiten Lesung vorgelegte Haushalt macht deutlich, daß der Wunsch aller Fraktionen, auch vom Bundestag her dazu beizutragen, daß die Ausweitung der öffentlichen Ausgaben eingedämmt wird, dazu geführt hat, daß alle Fraktionen — und wir erkennen dankbar an, daß es auch von seiten der Opposition geschehen ist — mitgeholfen haben, den Rahmen von 69 Milliarden DM zu unterschreiten, statt über ihn hinauszugehen. Das ist deshalb besonders erfreulich, weil ich mich noch sehr gut an die Diskussion im Wahlkampf erinnern kann, als die Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion die Frage an die Abgeordneten der Regierungskoalition richteten, wo sie denn streichen wollten, als wir die Gegenfrage an Sie richteten, ob Sie denn nicht bereit seien, endlich einmal zu sagen, was Sie einsparen wollten, und als die Antwort kam: „Wir sollen das vor den Wahlen sagen? Wir denken gar
    nicht daran!" — Das machte deutlich, daß der Vorwurf, die Regierung, die Regierungsparteien hätten in ihrer Ausgabenpolitik nicht richtig funktioniert, aufrechterhalten wurde, aber das „Bessermachen" auch damals nicht dargelegt werden konnte. Ich erinnere mich hierbei ganz besonders daran, daß bei dieser Auseinandersetzung davon gesprochen wurde, wir, die Regierungsfraktionen, hätten Wahlgeschenke verteilt. Herr Kollege Erler sprach davon, man habe jetzt die Attrappen, die man in das Wahlschaufenster gestellt habe, wieder herausgezogen. Nun wundert mich nur eines: wieso die sozialdemokratische Opposition vor der Wahl solchen Attrappen zustimmen konnte und warum sie dann nicht gegen diese Attrappen gestimmt hat, wenn sie es als Attrappen angesehen hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es zeigt sich doch immer wieder, daß in der Beurteilung der Situation durchaus unterschiedliche Auffassungen bestehen können, daß aber die Bereitschaft, bei eingefahrenen Dingen Veränderungen vorzunehmen, nicht zuletzt — und das zieht sich quer durch alle Fraktionen — unter dem Gesichtspunkt steht: ist es auch nach draußen verkaufbar? Was wir jetzt für unsere weiteren Beratungen brauchen — nicht nur zur zweiten und dritten Lesung dieses Haushalts, sondern auch für die künftigen Haushalte —, ist der Mut, Entscheidungen, die in diesem Hohen Hause zu fällen sind, nicht unter dem Gesichtspunkt zu treffen, wie es draußen ankommt, sondern nur unter dem Gesichtspunkt, was in der derzeitigen Finanzsituation der Bundesrepublik für das ganze Volk notwendig ist und nicht
    unter dem Gesichtspunkt, was wünschenswert ist. Das muß der Maßstab sein.

    (Beifall bei der FDP.)

    Mit Recht ist gesagt worden, es sei nicht gelungen, die Preissteigerungen aufzufangen. Von einer Hilflosigkeit der Bundesregierung zu sprechen, ist falsch. Denn Sie wissen sehr genau, daß eine ganze Reihe von Maßnahmen — über den Rahmen des Bundeshaushalts hinaus — zur Diskussion gestellt sind und sich in den Beratungen befinden. Eines dürfen wir allerdings nicht vergessen: Unser ganzes Bemühen, den Bundeshaushalt unter 69 Milliarden DM zu halten, hat wenig Wirkung, wenn nicht Länder und Gemeinden in der gleichen Richtung mitziehen. Sie, meine Kollegen von der SPD, tragen ja in vielen Gemeinden die Verantwortung. Wir hoffen, daß Sie dort genau den gleichen harten Maßstab anlegen, den Sie bei der Beurteilung der Bundesregierung immer anwenden.

    (Beifall bei der FDP und Abgeordneten in der Mitte.)

    Mit Recht haben Sie darauf hingewiesen, daß die Preissteigerungen aus den verschiedensten Bereichen kommen, und es ist hier klargestellt worden, aus welchen Gründen das eine oder andere geschehen muß. Aber lassen Sie mich in aller Offenheit sagen, obwohl es für manche Futter für Reden gegen Freie Demokraten sein mag: Wer von Preissteigerungen spricht, wer die negativen Wirkungen der Preissteigerungen mit Recht kritisiert, muß auch bereit sein, die Auswirkungen von Lohnsteigerungen auf die Preise in seine Betrachtungen mit einzubeziehen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Das bedeutet nicht etwa, daß wir Freien Demokraten gegen Lohn- und Gehaltssteigerungen wären. Ganz und gar nicht! Aber alles muß sich im Rahmen des Produktivitätsfortschritts halten, und es darf nicht durch überspannte Forderungen auf andere, die sich bisher zurückgehalten haben, ein Anreiz ausgeübt werden, in die gleiche Richtung zu drängen.
    Natürlich kann man die Kriegsopfer nur zu gut verstehen, wenn sie sagen, daß drei Jahre nach dem letzten Anpassungsgesetz auch für sie eine solche Anpassung erforderlich sei. Warum aber ist manches für die Kriegsopfer davongelaufen? Weil ihr Abstand durch Lohnsteigerungen über Rentensteigerungen immer größer wurde. Wir haben nun durch die Gesetzgebung hier entsprechend nachzuziehen. Die Wirkung geht also von einer anderen Seite aus, als uns das oft gesagt wird.
    Herr Kollege Erler, Sie sagten, die Überstundenforderung des Bundeskanzlers stehe im Widerspruch zur Lage im Kohlenpott. Ich muß ehrlich sagen, ich war über diesen Vergleich etwas überrascht; er paßt gar nicht in Ihre sonstige Argumentation herein. Denn jedermann weiß, daß das Problem der Arbeitskräfte in der Bundesrepublik — 600 000 freie Stellen, 1,2 Millionen Gastarbeiter — unabhängig von den Schwierigkeiten örtlicher Natur im Ruhrgebiet besteht. Es sind aber — Herr Kollege Strauß
    Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 1829
    Mischnick
    sagte es — nicht nur Appelle notwendig. Wir können auch praktisch etwas tun.
    Wir Freien Demokraten haben entsprechende Gesetzentwürfe eingebracht, und eine Reihe von Kollegen der CDU/CSU haben mit unterschrieben. Wir sprechen immer davon, das Arbeitskräfteangebot zu erhöhen. Seien wir dann doch auch bereit, die Konsequenzen hier in diesem Hohen Hause zu ziehen und die Frage der Teilzeitarbeit sowie die Frage der Lohnsteuerbefreiung für Überstunden im Sinne des FDP-Antrags zu lösen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Hier sind praktische Möglichkeiten, die negativen Einwirkungen auf das Preisgefüge, die von der Enge auf dem Arbeitsmarkt ausgehen, durch entsprechende Maßnahmen zumindest zu mildern. Kein Mensch von uns glaubt, daß damit alle Probleme aus der Welt geschafft seien. Wir wissen aber, daß es durch viele kleine Maßnahmen möglich sein wird, in diesem Bereich zumindest eine gewisse Beruhigung zu erzielen.
    Von dem Kollegen Strauß ist darauf hingewiesen worden — er hat das mit Recht betont —, daß wir keine Möglichkeit haben, in die Tarifautonomie einzugreifen. Wir wollen das bewußt nicht. Allerdings ist es gut, immer wieder allen Verbrauchern klarzumachen, daß es nicht in ihrem Interesse liegen kann, wenn sich Arbeitgeber auf der einen Seite und Gewerkschaften auf der anderen Seite auf dem Rücken der Verbraucher einigen. Das Problem besteht doch darin, daß oft eine zu große Nachgiebigkeit bei den Arbeitgebern und zu große Forderungen der Gewerkschaften in Industriebereichen, die es sich leisten können, für die schwächeren Teile unserer Wirtschaft nachteilige Folgen gehabt haben.

    (Beifall bei der FDP.)

    Morgen wird noch eine wirtschaftspolitische und finanzpolitische Runde — wenn ich so sagen darf — hier stattfinden. Ich möchte deshalb zu den Problemen der Entwicklung des Kapitalmarktzinses nur einige wenige Bemerkungen machen. Mit Recht wird darauf hingewiesen, daß die öffentliche Hand hier sehr wesentlichen Einfluß nimmt, je nachdem, wie stark sie an den Kapitalmarkt herantritt. Wir sind sehr froh, daß der Herr Bundesfinanzminister seine Politik darauf abgestellt hatte, vom Bund her möglichst wenig an den Kapitalmarkt zu gehen. Das kann aber nun nicht das Signal sein, daß dafür andere Träger der öffentlichen Hand, wie z. B. die Kommunen, glauben, sie müßten diesen Raum um jeden Preis ausfüllen, und damit genau die negative Wirkung erreicht wird, die wir vom Bund her vermeiden wollen.
    Daß diese Warnung nicht ganz unberechtigt ist mögen Sie daran sehen, daß wir heute bereits eine große Zahl größerer Gemeinden haben, die ihre Investitionen durch vorschüssige Finanzierung verwirklichen wollen. Das Ergebnis ist, daß wir in einzelnen Bereichen bereits mehr vorschüssige Finanzierung haben, als der Kassenbestand, ja als die Steuereinnahmen dieser Gemeinden ausmachen. Woher rührt das? Das rührt einfach daher, daß man jahrelang, ja fast ein Jahrzehnt lang hier nicht die
    nötige Sorgfalt bei der kommunalen Überwachung angewendet hat, um sicherzustellen, daß sich die Ausgabenpolitik der Gemeinden und Kreise im Rahmen des allgemein Vertretbaren hält, daß man oft das Wünschenswerte vor dem Notwendigen getan hat. Ich will jetzt nicht einzelne Beispiele anführen. Ich kenne leider aus eigener Erfahrung genügend Beispiele, die deutlich machen, daß von unseren sozialdemokratischen Kollegen noch manches an Überzeugungsarbeit vom Bund über die Länder bis zu den Gemeinden geleistet werden muß.
    Der Herr Kollege Erler hat davon gesprochen, daß die Denkpause in der sozialen Gesetzgebung zwar durchaus richtig sei, man aber das Gefühl habe, daß diese Denkpause nur benutzt werden solle, um Demontagen vorzubereiten. Daß das nicht so ist, hat der Bundeskanzler zum Ausdruck gebracht. Allerdings, glaube ich, sollten wir alle den Mut haben, zu erkennen, daß Beschlüsse, wie sie z. B. 1957 bei der Verabschiedung der Rentenreform gefaßt worden sind, in Kürze uns alle zu neuen Diskussionen zwingen werden. Es ist doch nun einmal kein Geheimnis mehr, daß wir im Laufe dieses Jahres mit der Sozialenquete, mit einer Vorlage zum nächsten Deckungsabschnitt der Rentenversicherung hier erneut Grundfragen beraten müssen und Enrscheidungen über die künftige Finanzierung zu fällen haben. Wir sind nicht der Meinung, daß das unter dem Gesichtspunkt geschehen sollte: Zuschüsse an die Rentenversicherung sind Subventionen, und deshalb müssen sie gekürzt werden. Man muß aber die Fragen der Beitragszahlung an die Rentenversicherung und der Bundeszuschüsse im Zusammenhang sehen. Das eine Mal bringt es ja der Betreffende irber seinen Beitrag auf, das andere Mal über seine Steuerzahlung. Denn wir sind doch alle über den Aberglauben hinaus, daß die Zuschüsse an die Renrenversicherung etwa nur durch die hohen Einkommen aufgebracht werden. Sie werden genauso von Arbeitern und Angestellten durch die von ihnen gezahlten Verbrauchsteuern wie auch von denjenigen, die nicht in der Rentenversicherung sind, mit aufgebracht. Wir sollten deshalb diese Fragen setzt nicht im einzelnen zur Diskussion stellen, aber in diesem Herbst in aller Gründlichkeit prüfen, ob der Weg, der bisher beschritten worden ist, in finanzieller Hinsicht auch in Zukunft so weiter begangen werden kann oder ob wir hier andere Lösungsmöglichkeiten in Aussicht nehmen müssen.
    Die Frage der Subventionen ist hier generell angesprochen worden. Mit Recht hat Herr Kollege Emde darauf hingewiesen, daß in diesen wenigen Wochen der Haushaltsberatungen nicht die zeit war, alle Subventionen Punkt für Punkt vorzunehmen, sie auszuforsten. Hier wird es sich erweisen, ob die Gemeinsamkeit, die bei der Beratung im Haushaltsausschuß über die Begrenzung des Haushalts guer durch alle Fraktionen vorhanden war, auch dann vorhanden sein wird, wenn wir diese Subventionen durchforsten wollen. Machen wir uns nichts vor: Abbau langjähriger Subventionen wird in großem Umfange nur möglich sein, wenn keiner versucht, daraus eine gezielte Propaganda gegen diejenigen zu machen, die hier den Rotstift ansetzen wollen.

    (Beifall bei der FDP.)

    1830 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966
    Mischnick
    Wenn das geschieht, dann ist diese Frage von vornherein, ich will nicht sagen: zum Scheitern verurteilt, aber dann werden nur Bagatellösungen herauskommen. Hier sollten wir alle gemeinsam den Mut haben, den Rotstift anzusetzen und auch gemeinsam die Verantwortung zu tragen. Ich bin sicher, es wird dann viel leichter sein, als sich das mancher heute vorstellt.
    Herr Kollege Erler hat mit vollem Recht darauf hingewiesen, und auch wir sind dieser Auffassung, daß der Ausbau des sozialen Rechtsstaats ohne die Arbeitnehmerorganisationen nicht möglich sei. Die Organisationsfreiheit, die in unserem Grundgesetz garantiert ist, darf nicht nur ein Verfassungspostulat sein, es muß auch in der praktischen Arbeit eine entsprechende Auswirkung möglich sein. Allerdings meinen wir, daß zu diesem Recht auch eine gewisse Pflicht gehört, nämlich die Pflicht gegenüber dem Staat, der das Recht einräumt, sich frei organisieren zu können, ihm die Möglichkeit zu geben, sich für den Notstandsfall entsprechend rüsten zu können. Das Recht der Organisationsfreiheit und die Pflicht, dem Staat eine entsprechende Bereitschaft zur Mitwirkung zu beweisen, sind meiner Meinung nach unabdingbar miteinander verbunden.

    (Beifall bei der FDP.)

    Es sind noch eine Reihe von kleineren Fragen behandelt worden, die ich nicht für unwichtig halte. Ich denke an die Enquete über die Verkehrsschwierigkeiten in Ballungsgebieten, die Probleme des Zonenrandgebietes, wo es ja in letzter Minute noch möglich war, eine positive Lösung für den Facharbeiterwohnungsbau zu schaffen, an die Fragen, die mit dem Problem der Finanzreform zusammenhängen, zu der der Finanzminister Stellung genommen hat. Wir meinen, daß wir wesentliche Punkte der Umstrukturierung, Probleme, die sich aus der Zuweisung an die Länder ergeben, im Rahmen der Finanzreform diskutieren sollten, aber auch hier den Mut haben müssen, nicht nur das zu sehen, was im Augenblick vielleicht am bequemsten durchsetzbar erscheint, sondern dabei auch zu sehen, was für die Zukunft entscheidend ist.
    Ich denke daran, daß Probleme der Raumordnung und Probleme der Finanzreform aufs engste miteinander zusammenhängen. Hier dürfen wir nicht nur halbe Arbeit leisten, wir dürfen nicht nur das Verhältnis Bund/Länder sehen, sondern müssen auch bedenken, welche Entwicklungen zwischen den Ländern, zwischen den Ballungsgebieten sich ergeben werden.
    Daß dabei in der Diskussion auch der Art. 29 des Grundgesetzes angesprochen werden wird, halte ich für selbstverständlich, ohne mich dabei in Spekulationen einzulassen, wie es ausgehen wird, so wie es z. B. von Ministerpräsident Meyers geschehen ist — oder ihm gar zustimmen zu wollen —; aber Lösungsmöglichkeiten auch von dieser Seite sollten bei der Grundsatzdebatte von uns mit zur Diskussion gestellt werden.
    Lassen Sie mich im zweiten Teil ein paar Bemerkungen zu dem machen, was hier zu den außenpolitischen Fragen gesagt worden ist. Ich teile
    durchaus die Auffassung des Kollegen Erler, daß man den Platz Frankreichs im Bündnis freihalten muß und daß eine klare Festlegung für die französischen Truppen in der Bundesrepublik notwendig ist. Ich gehe so weit zu sagen: wir dürfen auf keinen Fall den französischen Staatspräsidenten der Gefahr aussetzen, daß er sein ausgeprägtes Souveränitätsdenken desavouieren muß, indem er andere Bedingungen etwa für die Bundesrepublik für richtig hält, als er für sein eigenes Volk für richtig hält. Es wird notwendig sein, diese Gespräche in aller Freundschaft und Offenheit zu führen, aber auch keine Zweifel daran zu lassen, daß eine Rückkehr zu der Zeit des Besatzungsstatus für uns unmöglich ist. Das soll nicht in Schwarz-weißMalerei geschehen. Das soll nicht mit heftigen Reaktionen geschehen, aber doch mit der gebotenen Offenheit und Deutlichkeit.
    Daß hier gleichzeitig ein Koordinieren mit der französischen Ostpolitik angestrebt werden muß, halten wir für selbstverständlich. Die Tatsache, daß in diesen Tagen hoher rumänischer Besuch nach Bonn kommt, zeigt uns doch, daß gewisse, wenn ich so sagen darf, Vorarbeit vor einiger Zeit auch gewissen Nutzen für uns haben kann, wenn wir die Dinge in unserem Sinne weitertreiben.
    Eines wollen wir Freien Demokraten bei allen Fragen der europäischen Zusammenarbeit, bei allen Fragen der NATO allerdings niemals in den Hintergrund gedrängt wissen: das Problem, wie gleichzeitig die entsprechenden Schritte zur Förderung der Wiedervereinigung einzuleiten oder zu unterstützen sind, muß für uns immer mit auf dem Tisch liegen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Es kann keine getrennte Behandlung der Frage von EWG auf der einen Seite, NATO auf der anderen Seite unter Ausklammerung der deutschen Frage geben.
    Daß die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten wesentlicher Bestandteil unserer Politik bleiben muß, ist für uns Freie Demokraten unbestritten. Es ist auch nachteilig, wenn dann ab und zu einmal plötzlich Mißtrauen in diese Verbindung hineingedeutet wird, indem alarmierende Erklärungen abgegeben werden, daß man nicht mehr so auf das Bündnis vertrauen könne, wie es früher gewesen sei. Es ist besonders bedenklich, wenn das von prominenten Mitgliedern dieses Hauses geschieht, die selber jahrzehntelang die Verantwortung getragen haben. Es nützt uns nichts, wenn zur falschen Zeit in der falschen Weise Cassandra-Rufe ausgestoßen werden.
    In der Frage der Deutschlandpolitik — ich sagte schon, daß sie für uns immer aufs engste mit all den Problemen verbunden ist, die die europäische Sicherheit, die EWG und die NATO betreffen — herrscht in der FDP kein „heilloses Durcheinander". Das ist wohl ein kleiner Versprecher des Kollegen Erler gewesen. Wir Freien Demokraten sind uns über die Ziele unserer Deutschlandpolitik, über die Methoden und die Versuche, auch mit kleinen Schritten weiterzukommen, immer einig gewesen; wir sind da
    Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 1831
    Mischnick
    immer geschlossen gewesen. Auch haben wir uns bemüht, diese Fragen zu einer Zeit anzupacken, wo es für manchen noch etwas weniger interessant war, in aller Öffentlichkeit Deutschlandpolitik zu betreiben.

    (Sehr richtig! rechts. — Zuruf von der SPD: Was sagen Sie zu Herrn Strauß?)

    — Ich bin doch noch nicht fertig.
    Allerdings sind wir der Meinung, daß wir der gefährlichen Entwicklung, die in manchen Ländern im westlichen Bereich zu beobachten ist, nämlich dem Gefühl, wir Deutschen seien an der Wiedervereinigung gar nicht mehr interessiert, mit allen Mitteln entgegentreten müssen. Ich höre, daß die Bemühungen um den Redneraustausch in einigen Ländern mißdeutet werden könnten, daß man darin die Gefahr sieht, wir würden uns mit der Situation abfinden, daß es zwei deutsche Staaten gebe. Da kann ich mich nur fragen: Ist vielleicht unsere Aufklärungsarbeit bis zum heutigen Tage nicht intensiv genug gewesen, daß man so vorschnell zu falschen Einschätzungen unserer heutigen Überlegungen kommen kann? Es kann doch nicht von ungefähr kommen, wenn der Versuch eines Redneraustausches in einigen Ländern mißdeutet wird. Ich fürchte, diese Mißdeutung hat ihre Ursache darin, daß wir in all den Ländern, die für uns als Partner, als Mithelfende oder auch nur als interessierte Beobachter in Betracht kommen, das Problem der deutschen Frage zuwenig zur Diskussion gestellt haben.

    (Sehr gut! rechts.)

    Wesentlich wird es sein, die Bemühungen, im innerdeutschen Bereich zu gewissen Auflockerungen zu kommen, unmißverständlich, unmißdeutbar nicht nur bei unseren unmittelbaren Verbündeten, sondern auch bei allen westlichen Völkern ins Bewußtsein zu rücken. Es wäre vielleicht gut, neben dem jetzt veröffentlichten Weißbuch auch Dokumentationen über diese Bemühungen allen Botschaften an die Hand zu geben, damit sie solchen Mißdeutungen mit Fakten entgegentreten können. Auf keinen Fall aber sollten wir in den Fehler verfallen, angesichts der Kritik zu sagen: weil ein Risiko in der Beurteilung sein könnte, ist es besser, nichts zu tun.
    Wir Freien Demokraten haben uns 1956 um einen Redneraustausch bemüht. Unsere Freunde Döring, Scheel und Mende waren damals in Weimar und machten dieses Angebot. Die Bemühungen scheiterten daran, daß wenige Tage danach in Ungarn der Aufstand durch sowjetische Panzer niedergeworfen wurde.
    Trotzdem sind wir nicht müde geworden, diese Verbindung über die Zonengrenzen hinweg aufrechtzuerhalten. Unsere eigene Veranstaltung, die wir durchführen konnten, hat deutlich gemacht, daß sich diese Diskussion immer für uns lohnt, daß wir, wenn wir offensiv sind, immer überlegen sein werden und nur dann unterlegen sind, wenn wir uns von der anderen Seite in die Defensive drängen lassen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Wir haben deshalb den Redneraustausch nicht nur
    bejaht, sondern wir sind auch bereit, alles mit zu
    unterstützen, war darauf hinzielt, ihn zu ermöglichen. Dabei muß ich mich mit aller Schärfe gegen diejenigen wenden, die eine Unterstützung des Redneraustausches mit der Bereitschaft gleichsetzen, Mörder, Totschläger, Freiheitsräuber und was alles gesagt worden ist, nun plötzlich als Gentlemen hinzustellen. Daran hat kein Mensch gedacht und wird auch kein Mensch denken. Aber es ist doch notwendig, daß wir den Mut haben, zu prüfen, was in dieser Situation unseres Volkes politisch möglich ist, um gewisse Erleichterungen innerhalb Mitteldeutschlands zu erreichen. Und ein solcher Redneraustausch führt automatisch zu gewissen Erleichterungen, nämlich der Information und der Diskussion in Mitteldeutschland. Wer das nicht sieht, vielleicht weil er nie selbst erlebt hat, was es bedeutet, in diesem Bereich zu leben, wer nicht erkennt, daß z. B. die Veröffentlichung des Offenen Briefs der SPD im „Neuen Deutschland" für die Menschen in Mitteldeutschland ein legaler Anlaß war, über diese Thesen zu reden und sich damit nicht unmittelbar der Gefahr auszusetzen, angegriffen zu werden, der kann natürlich nicht die richtige Wertung des gesamten Vorgangs vornehmen. Deshalb unsere Bitte, sich in diese Dinge nicht nur von der einen Seite aus hineinzudenken, sondern auch einmal zu versuchen, sich von der anderen Seite, von der Seite der Menschen aus der Zone her in diese Situation hineinzudenken.
    Der Versuch einer gemeinsamen Bestandsaufnahme der Deutschlandpolitik, aller Fakten, die dazugehören, der Versuch, sie nüchtern zu analysieren, wird von uns deshalb mit besonderer Freude begrüßt, weil unser verstorbener Freund Max Becker im Dezember 1957 an den damaligen Bundeskanzler in einem Brief die Bitte aussprach — Dezember 1957! —, doch regelmäßig alle Fraktionen zu Gesprächen über Fragen der Deutschlandpolitik zusammenzurufen. Daß es soviel Jahre gedauert hat, ist der politischen Arbeit auf diesem Gebiet bestimmt nicht zugute gekommen. Es zeigt sich immer mehr, daß die Zeit nicht für uns, sondern gegen uns gearbeitet hat.
    Eines ist notwendig: wir dürfen auf keinen Fall auch nur das Häkchen liefern, an dem Herr Ulbricht oder diejenigen, die bei ihm zu diesem Zeitpunkt die Verantwortlichen sind, ein Scheitern der jetzigen Bemühungen aufhängen können. Wir müssen uns darum bemühen, vor aller Weltöffentlichkeit klarzustellen, daß wir diese geistige Auseinandersetzung nicht nur nicht scheuen, sondern daß wir sie wünschen, um vor aller Welt deutlich zu machen, worum es uns hier geht.
    Daß das eine Frage der nüchternen Prüfung ist, ist unbestritten. Aber es sollte niemandem verwehrt sein, sich in Fragen der Deutschlandpolitik bei aller nüchternen Analyse auch mit aller Leidenschaft zu engagieren, weil es schließlich hier um die Lebensfrage unseres Volkes geht. Natürlich kann man die heutige Situation des geteilten Deutschlands sehr pessimistisch beurteilen, ja, es mag sogar manchen geben, der den Glauben an die Wiedervereinigung Deutschlands verloren hat. Wer aber so denkt, kann aus seiner inneren Einstellung heraus kein über-



    Mischnick
    zeugter Verfechter der deutschen Einheit bleiben, sei es gegenüber Kleingläubigen im eigenen Lande, sei es gegenüber Gegnern im Ausland.

    (Beifall bei der FDP.)

    Natürlich kann man bei einer intellektuellen Analyse unserer augenblicklichen Situation verschiedener Meinung über die Möglichkeiten deutscher Wiedervereinigungspolitik sein. Die Geschichte lehrt aber, daß das Verhalten der Völker, der Menschen in unterdrückten Staaten nicht bis ins letzte berechenbar ist. Die unbändige moralische Kraft, die in den Menschen eines Volkes steckt, das wieder zusammenkommen will, wird auf die Dauer nicht unterdrückt werden können, wenn wir diesen Willen nicht nur wachhalten, sondern auch den Gläubigen Mut machen, daß sie dieses Ziel auch tatsächlich erreichen können. Nur Kleingläubige unterwerfen sich den angeblich unumstößlichen Fakten. Wer in großen geschichtlichen Auseinandersetzungen bestehen will, muß zwar mit nüchternem Verstand analysieren, was ist, aber mit heißem Herzen bewegen wollen, was er nicht für richtig hält.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Bundesminister Mende.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Erich Mende


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident, meine Damen und Herren!
    Die bisherige Aussprache hat die Deutschlandpolitik in den Vordergrund gerückt. Ich halte es daher für meine selbstverständliche Pflicht als Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, einmal den Versuch einer Zusammenfassung zu machen und die Frage zu stellen, ob trotz aller Mißtöne der letzten aktuellen Auseinandersetzungen in der 'Öffentlichkeit noch die Prinzipien und Rechtsgrundlagen der Deutschlandpolitik allen drei Fraktionen dieses Hauses und der Bundesregierung gemeinsam sind. Man kann auf Grund der bisherigen Debatte, aber erst recht auf Grund der bisher beim Herrn Bundeskanzler erfolgten Gespräche der drei Fraktionen, aber auch auf Grund der Geschäftslage im Gesamtdeutschen Ausschuß feststellen, daß trotz aller Verschiedenheiten in Verfahrensfragen und in Fragen des Vorgehens die Rechtsgrundlagen der Deutschlandpolitik unverändert ,geblieben sind und von allen Parteien gleichermaßen vertreten werden.
    Es ist vielleicht ganz gut, sich diese Rechtsgrundlagen noch einmal kurz in Erinnerung zu rufen, zumal sie von Jahr zu Jahr deswegen für uns mehr an Bedeutung gewinnen, weil möglicherweise hier und da die Tendenz in der Welt auftreten könnte, diese Rechtsgrundlagen durch Zeitablauf in ihrer Effektivität geringer wenden zu lassen.
    Nun sind gerade die wichtigsten Grundlagen der Deutschlandfrage ohne deutsches Zutun durch die Siegermächte selbst gesetzt worden:
    Erstens. Die Erklärung der vier Siegermächte vom 5. Juni 1945, nach der Deutschland in den Grenzen vom 31. 12. 1937 rechtlich existent geblieben ist.
    Zweitens. Jene Stellen des Potsdamer Abkommens vom 2. August 1945, in denen bezüglich der deutschen Ostgebiete eindeutig die Vorläufigkeit des bisherigen Status festgestellt wurde und erst einem Friedensvertrag die endgültige Entscheidung über das Schicksal der deutschen Ostgebiete eingeräumt wurde.
    Schließlich drittens das hier schon durch Kollegen Erler zitierte Grundgesetz, das in seiner Präambel eindeutig fixiert, daß die Bundesrepublik Deutschland nach dem Willen des Verfassungsgebers für eine Übergangszeit dem staatlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland eine neue Ordnung geben wollte — Theodor Heuss hat daher vom Transitorium gesprochen — und daß wir alle aufgefordert seien, die staatliche Einheit in freier Selbstbestimmung zu vollenden.
    Im Deutschland-Vertrag haben die westlichen Bündnispartner Rechte und Pflichten übernommen, uns bei der Wiederherstellung der deutschen Einheit aktive Hilfe zu leisten.
    Es seien noch die in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers zitierte Genfer Direktive von 1955 erwähnt und schließlich jene Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen, die auch für das deutsche Volk Geltung haben sollten, insbesondere die Inanspruchnahme des Selbstbestimmungsrechts. Die Genfer Außenministerkonferenz von 1959 hat sich vertagt, und bei der Vertagung ist es bisher geblieben. Alle Versuche, bei den vier Mächten eine erneute Verhandlung über Berlin und Deutschland als Ganzes zu erreichen, sind gescheitert. Ich glaube, daß daher eine gewisse Unruhe angesichts der Tatsache, daß wir in das 22. Jahr der deutschen Teilung nach Beendigung des zweiten Weltkrieges eingetreten sind, durchaus verständlich ist. Britische Pressestimmen, die uns hier Nervosität vorwerfen, sollte man nicht ernster nehmen als die Tatsache, daß eine Unruhe in beiden Teilen Deutschlands unter der heranwachsenden Jugend durchaus normal ist. Was anders soll diese heranwachsende Jugend sich an Fragen stellen als jene Schicksalsfragen, warum ausgerechnet dem deutschen Volk über 21 Jahre nach Beendigung des zweiten Weltkrieges Selbstbestimmung, Grund- und Freiheitsrechte für alle Deutschen vorenthalten werden, warum durch Berlin die Mauer und durch unser Land die 1381 Kilometer Stacheldraht gezogen wurden und 141 Menschen seit Errichtung der Mauer in Berlin und mitten in Deutschland an der Zonengrenze den Tod gefunden halben.
    Diese Unruhe ist nicht nur verständlich, sie ist, wie der Geschäftsführende Vorsitzende der CDU Dufhues Anfang 1965 erklärte, geradezu unsere Bürgerpflicht. „Unruhe ist die erste Bürgerpflicht", formulierte Josef Hermann Dufhues.
    Dieser Unruhe unserer heranwachsenden Jugend in beiden Teilen Deutschlands ist auch nicht dadurch beizukommen, daß von Zeit zu Zeit beruhigende Erklärungen von Ost oder West abgegeben werden.
    Die Bundesregierung hat im August 1963 ein bisher nicht veröffentlichtes Memorandum zur deutschen Frage in Washington, London und Paris über-



    Bundesminister Dr. Mende
    reichen lassen, das den Titel trägt: „Memorandum der Bundesregierung zu Fragen der kontrollierten Abrüstung, europäischen Sicherheit und Wiedervereinigung". In Weiterentwicklung des westlichen Friedensplanes, den Christian Herter in Genf vorgelegt hatte, sind einige Aktualisierungen und Modifizierungen im Memorandum erfolgt, das leider im Botschafterausschuß in Washington keine letztgültige Behandlung mehr erfuhr. Es kam schließlich auch die Bundestagswahl dazwischen. Vielleicht hat die Friedensnote der Bundesregierung vom 25. März dieses Jahres, die mit Zustimmung aller drei Fraktionen dieses Hauses über hundert Regierungen der Welt zugeleitet wurde, eine neue Impulswirkung bei dem einen oder anderen Staat. Denn unsere Jugend empfindet wie auch unsere ältere Bevölkerung, daß 21 Jahre doch eine lange Zeit sind, zwar relativ kurz im Geschichtsleben der Völker, aber lang und länger, was die Leiden unserer mitteldeutschen Landsleute betrifft.
    Hier ist verständlich, daß sich die Bundesregierung bemüht, zwei Gefahren zu begegnen: der internationalen Gefahr der Gewöhnung in der Welt an den Status quo und der Gefahr in unserem Land, die durch die Entfremdung der Menschen eintreten könnte.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Dehler)

    Der Bundeskanzler hat daher in der Regierungserklärung ein Höchstmaß menschlicher Begegnungen im geteilten Deutschland gefordert, um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen zu erhalten,
    der Entfremdung vorzubeugen und die Unteilbarkeit als Nation zu gewährleisten. Denn wir wissen, daß die Unteilbarkeit unseres Volkes als Nation die Voraussetzung für die Erreichung der staatlichen Einheit auf der Basis des Selbstbestimmungsrechtes ist.
    Passierscheine in Berlin, die Reisen der Rentner zu uns und Erleichterungen des Reiseverkehrs nach Mitteldeutschland, eine Vermehrung und Modernisierung des innerdeutschen Handels — zu dem letzten Punkt hat sich ja Kollege Schmücker vor kurzer Zeit geäußert —, vermehrte Kulturbegegnungen im geteilten Deutschland und auch die Wiederingangsetzung des Sports sind bescheidene Schritte auf dem Wege zur Vermehrung der menschlichen Begegnungen im geteilten Deutschland.
    Nun ist hier von einem Vorredner die Zielsetzung der anderen Seite in Zitaten noch einmal in Erinnerung gerufen worden. Natürlich geht Ostberlin, geht Moskau mit ganz anderen Zielsetzungen und Vorstellungen an alle jene Fragen heran, die sich aus Begegnungen ergeben können, als wir es tun. Das war auch bei den bisherigen bescheidenen Versuchen so. Für Ostberlin sind jedwede technischen Kontakte, menschliche Begegnungen ein Mittel zur Aufwertung oder Anerkennung des kommunistischen Zwangsstaates. Das ist eine solche Binsenwahrheit, daß man sie eigentlich gar nicht mehr wiederholen sollte. Die Zielsetzung Moskaus und Ost-Berlins in der Deutschlandpolitik ist wesentlich anders und wird wesentlich anders bleiben als die Zielsetzung des freien Teils Deutschlands.
    Bei den Passierscheinen hat sich die andere Seite andere Vorstellungen gemacht als wir. Am Ende kommt es darauf an, wer sein Ziel erreicht. Hier ist ja wohl nach drei Jahren eindeutig festzustellen, daß gewisse Befürchtungen, mit der Passierscheinübereinkunft wäre eine Aufwertung oder gar eine Anerkenung Ost-Berlins als zweiter deutscher Staat verbunden, sich nicht verwirklicht haben.

    (Beifall bei der FDP.)

    Das gleiche gilt für die Rentnerbesuche in der Bundesrepublik. Es war doch wahrlich kein humanitäres Gefühl, das die kommunistischen Machthaber veranlaßte, vom 1. November 1964 an den alten Leuten die Ausreise aus Mitteldeutschland und die Einreise in die Bundesrepublik zu gestatten. Die Schätzungen, die damals für das Hierbleiben der alten Leute auch in Kreisen der Bundesregierung und in Kreisen des Deutschen Bundestages gemacht wurden, schwankten zwischen 20 % und 10%. Natürlich wollte der kommunistische Zwangsstaat, daß die alten, nicht mehr im Produktionsprozeß stehenden Leute hierher ziehen sollten. Damit wären Wohnungen in Mitteldeutschland frei geworden und Sozialleistungen wären auf uns übertragen worden. Auf diese Weise hätte man sich dieser unproduktiven Kräfte — wie es in der Terminologie des Kommunismus heißt — entledigen können. Und was ist wirklich eingetreten? Von den 1,8 Millionen alten Leuten, die uns im Jahre 1965 besuchten, sind keine 20 %, auch keine 10%, sondern nur 0,2%, nämlich 3660 ältere Leute, bei uns geblieben; die anderen gingen wieder in ihre mitteldeutschen Heimatgemeinden zurück. Auch hier ist also die kommunistische Zielsetzung einer Entlastung von der sogenannten Soziallast nicht erreicht worden. Wohl aber wissen wir, daß die alten Leute, denen wir zutiefst dankbar sein sollten, dafür sorgen, daß manche falsche Vorstellung vom freien Teil Deutschlands durch unmittelbare Anschauung und Begegnung korrigiert werden kann.

    (Beifall bei der FDP.)

    Natürlich muß man auch jetzt bei der Ingangsetzung der geistigen Auseinandersetzung unterstellen, daß in Ost-Berlin mit anderen Vorstellungen und Zielsetzungen operiert wird, als das bei uns der Fall sein kann und der Fal sein wird. Ob nun unter Einflußnahme der Sowjetregierung oder ob aus irgendwelchen eigenen Motiven, sei dahingestellt — Ost-Berlin glaubt jedenfalls, in eine Rednerbegegnung eintreten zu können. Aber schon zeigt sich in der zweiten Phase, daß man die Geister, die man rief, möglicherweise wieder los werden möchte. Ich glaube, hier feststellen zu müssen, daß die Bundesregierung eindeutig das Vorgehen der Sozialdemokratischen Partei in der Frage der Rednerbegegnung begrüßt und der sozialdemokratischen Opposition jede Unterstützung zugesagt hat. Die Frage, ob diese Rednerbegegnung stattfinden wird oder nicht, wird sich spätestens im Sommer entscheiden. Findet sie statt, dann ist in der Tat eine geistige Einwirkung auf die mitteldeutsche Bevölkerung möglich. Das ist schon vom politisch-psychologischen Effekt her mehr als Resignation und Nichtstun.

    (Beifall bei der FDP.)




    Bundesminister Dr. Mende
    Unsere mitteldeutsche Bevölkerung ist durch die Erfahrung der letzten 21 Jahre dagegen gefeit, in diese Rednerbegegnung schon die Hoffnung auf die Ingangsetzung der Wiedervereingung zu setzen. Diese Illusion haben unsere mitteldeutschen Landsleute am wenigsten. Aber es ist für sie schon ein gutes Zeichen, daß wir bereit sind, das Alleinvertretungsrecht, das wir in Anspruch nehmen, auch durch das Korrelat der Pflicht, für die mitteldeutschen Landsleute mitzudenken und mitzuhandeln zu ergänzen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Sollte die andere Seite aus Gründen, die ein totalitärer Staat immer finden wird, der Rednerbegegnung am Ende doch ausweichen, dann hat der kommunistische Zwangsstaat vor aller Welt bewiesen, daß er nicht einmal zu einer solchen geistigen Auseinandersetzung fähig ist. Auch da wird es sich dann als besser herausgestellt haben, den Ball aufzunehmen und zurückzuwerfen denn ihn liegenzulassen.
    Das gleiche gilt für den Zeitungsaustausch! Die Bundesregierung hat daher die Voraussetzungen dafür dem Parlament zugeleitet, und es wäre erfreulich, wenn noch vor der Sommerpause alle gesetzlichen Regelungen sowohl in der Frage der Veränderung der Staatsschutzbestimmungen als auch in der Frage der Lockerung der entsprechenden Gesetze zum Zeitungsaustausch verabschiedet werden könnten. Auch beim Zeitungsaustausch muß man nach der Erfahrung, die die Wochenzeitung „Die Zeit" mit dem „Neuen Deutschland" seinerzeit gemacht hat, möglicherweise mit einem Zurückziehen rechnen.
    In der Bundesrepublik Deutschland erscheinen 660 Zeitungen täglich mit einer Gesamtauflage von 19 Millionen Exemplaren pro Tag. In der Zone erscheinen 39 Zeitungen täglich mit einer Gesamtauflage von 6 Millionen Exemplaren pro Tag. Der Vertriebsapparat ist in Mitteldeutschland ganz anders. Dennoch: wir bieten den absoluten Zeitungsaustausch an und die Beilegung in Päckchen, Paketen, den Versand mit Streifband und wie es im Zeitungswesen üblich ist. Ob sich die andere Seite nicht schon wegen der verschiedenen Relationen oder aus anderen Gründen von dem ursprünglichen Bitterfelder Angebot Walter Ulbrichts wieder zurückziehen wird, soll die Zukunft zeigen.
    Es ist erfreulich, daß sich auch die Rundfunk- und Fernsehanstalten stärker als bisher in den Prozeß der geistigen Auseinandersetzung einschalten. Rundfunk und Fernsehen sind und bleiben, bis mehr möglich ist, die besten Informationsmittel für die mitteldeutsche Bevölkerung.
    Lassen Sie mich zum Schluß noch einmal auf die große Gefahr des Auseinanderlebens der beiden Teile Deutschlands im Menschlichen hinweisen, die gegeben ist, wenn wir die menschlichen Begegnungen nicht noch steigern können. Heute sind es noch in beiden Teilen Deutschlands Bruder und Schwester im wahrsten Sinne des Wortes. Deren Kinder, inzwischen im wahlberechtigten Alter, nach dem Kriege herangewachsen, sind Cousin und Cousine. Sie dürfen sich nicht mehr besuchen, was den mitteldeutschen Reiseverkehr nach Westdeutschland anbetrifft. Den jungen Menschen ist bis auf wenige Ausnahmen der freie Reiseverkehr in die Bundesrepublik untersagt. Nur unsere jungen Menschen können nach Mitteldeutschland gelangen. Im vergangenen Jahr war die Zahl der Einreisen unserer Mitbürger nach Mitteldeutschland bereits höher als früher, nämlich 2 Millionen Personen. Wenn noch eine längere Zeit vergangen sein wird und in beiden Teilen Deutschlands junge Menschen herangewachsen sein werden, die kaum noch Vergleichsmöglichkeiten haben, wenn sie sich nicht mehr begegnen, dann besteht die große Gefahr, daß zu der sowjetischen Zwei- oder Drei-Staaten-Theorie auch die Entfremdung der Deutschen selbst, ihre Spaltung in zwei Bewußtseinsgrundlagen völkischer Art hinzutreten wird. Das „Neue Deutschland" hat am Beginn dieses Jahres durch einen Artikel des Gesandten Dr. Kegel damit begonnen, nicht nur zwei Staaten zu behaupten, sondern auch das Bewußtsein zweier Nationen zu konstruieren.
    Es ist mehr als Vermessenheit, aber es wird im „Neuen Deutschland" gedruckt und vielleicht hier und da in der Welt sogar zur Kenntnis genommen, was Walter Ulbricht im Januar in einer großen Rede vor dem Zentralkomitee der SED sagte:
    Die große nationale Mission der Deutschen Demokratischen Republik tritt immer sichtbarer in den Vordergrund. In Deutschland verfügt nur die DDR über ein klares Leitbild einer fortschrittlichen demokratischen Gesellschaft, die Freiheit und Menschenwürde des einzelnen achtet und die Interessen der ganzen Gesellschaft wahrt.
    Ähnlich ist es in dem Antrag des kommunistischen Zwangsstaates um Aufnahme bei den Vereinten Nationen zu lesen. Dieser Aufnahmeantrag ist leider durch eine „Mantelnote" Bulgariens allen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zugeleitet worden, und es besteht die Gefahr, daß bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen im Herbst auch hier ein Überraschungsmanöver des kommunistischen Zwangsstaates versucht wird, um mindestens eine Beobachterdelegation bei der UNO in New York zu erreichen, wenn schon nicht die Vollmitgliedschaft. Die Bundesregierung ist dabei, eine Dokumentation der Menschenrechtsverletzungen auszuarbeiten, damit die Mitglieder der Vereinten Nationen wissen, wie weit die Theorie und die Praxis im kommunistischen Zwangsstaat auseinanderklaffen. Auch hier werden wir uns um ein Höchstmaß an Aufklärung über die wahren Verhältnisse in Mitteldeutschland bemühen.
    Ich komme zurück auf das Problem der Unruhe. Ich stimme dem früheren Vorsitzenden der Christlich-Demokratischen Union Josef Hermann Dufhues, zu: In unserer Zeit der Teilung Deutschlands und der Gefahr der Gewöhnung, ja sogar vielleicht des Arrangements der Weltmächte auf dem Status quo ist Unruhe im Sinne der Präambel unseres Grundgesetzes unsere erste verfassungspolitische Pflicht.

    (Beifall bei der FDP.)