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ID0504122000

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    Deutscher Bundestag 41. Sitzung Bonn, den 17. Mai 1966 Inhalt: Telegrammwechsel zwischen den Präsidenten des Deutschen Bundestages und des Schwedischen Reichstages zu dessen 100. Geburtstag 1777 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der. Abg. Mauk, Dr. Ils und Hahn (Bielefeld) 1777 B Abg. Dr. Hamm (Kaiserslautern) legt sein Mandat nieder 1777 B Abg. Jung tritt in den Bundestag ein . 1777 B Überweisung des Entwurfs einer Patentanwaltsordnung an den Haushaltsausschuß gem. § 96 GO 1777 C Fragestunde (Drucksache V/614) Frage des Abg. Müller (Mülheim) : Haftpflichtversicherungszwang für Motorboothalter Dr. Jaeger, Bundesminister . . . 1778 A Müller (Mülheim) (SPD) 1778 B Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Änderung des § 61 Konkursordnung 1778 D Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Verbesserung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes 1779 A Fragen des Abg. Dr. Lohmar: „Tele-Kolleg" Dr. Ernst, Staatssekretär . . . . . 1779 B Dr. Lohmar (SPD) . . . . . . . 1779 C Fragen des Abg. Kulawig: Anrechnung von Aufwandsentschädigungen auf Versorgungs- und Ruhegehaltsbezüge Dr. Ernst, Staatssekretär . . . . . 1779 D Frage der Abg. Frau Freyh: Auskunftserteilung betreffend Erklärung der Stadt Frankfurt zum weißen Kreis Dr. Bucher, Bundesminister . . . . 1780 B Frau Freyh (SPD) . . . . . . . 1780 C Frau Berger-Heise (SPD) . . . . . 1780 D Frau Meermann (SPD) . . . . . 1781 A Hauffe (SPD) . . . . . . . . 1781 B Bartsch (SPD) 1781 D Müller (Mülheim) (SPD) 1781 D Fragen des Abg. Lautenschlager: Fehlbedarf an Wohnungen für Bundesbedienstete Dr. Bucher, Bundesminister . . . . 1782 B Lautenschlager (SPD) . . . . . . 1782 B Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . . 1782 D Strohmayr (SPD) . . . . . . . 1783 A II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Absetzbarkeit von Werbungskosten . 1783 B Fragen des Abg. Dr. Martin: Diskriminierung der Examina an deutschen medizinischen Fakultäten durch die Nigerianische Ärztekammer Dr. Schröder, Bundesminister . . . 1783 C Dr. Martin (CDU/CSU) . . . . . 1783 D Kahn-Ackermann (SPD) . . . . 1784 A Moersch (FDP) 1784 A Fragen des Abg. Matthöfer: Stellungnahme des DGB gegen die Aufnahme Franco-Spaniens in die EWG Dr. Schröder, Bundesminister . . 1784 B Matthöfer (SPD) 1784 C Strohmayr (SPD) 1785 A Fragen des Abg. Schmidt (Braunschweig) : Wettbewerbsbenachteiligungen für den inländischen grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 1785 D Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . . 1786 A Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 1786 C Frage des Abg. Jahn (Marburg) : Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 1786 D Jahn (Marburg) (SPD) 1787 A Frage des Abg. Lautenschlager: Verkehrs- und Abfertigungsverhältnisse beim Zollamt Lindau-Ziegelhaus Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 1787 C Lautenschlager (SPD) 1787 D Fragen des Abg. Strohmayr: Finanzierung der Olympischen Spiele 1972 in München — Gedenkmünze Dr. Dahlgrün, Bundesminister . 1788 B Strohmayr (SPD) 1788 C Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . 1788 D Fragen des Abg. Reichmann: Förderung und Entwicklung der Orthopädie-Technik Katzer, Bundesminister . . . . 1789 A Reichmann (FDP) 1789 B Mick (CDU/CSU) 1790 A Frage des Abg. Josten: Erledigung der Anträge auf Anerkennung als Kriegsopfer Katzer, Bundesminister . . . . 1790 C Josten (CDU/CSU) 1790 C Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 (Getreide) des Rates der EWG (Drucksache V/527); Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksache V/607) — Zweite und dritte Beratung — 1791 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1966 (Haushaltsgesetz 1966) (Drucksache V/250) — Zweite Beratung — Leicht (CDU/CSU) 1791 B Hermsdorf (SPD) 1796 C Dr. Emde (FDP) 1799 D Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksache V/573) in Verbindung mit Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksache V/574) Erler (SPD) 1804 A D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . 1811 D Dr. Schmid, Vizepräsident . . . 1812 A Dr. Erhard, Bundeskanzler . . . 1812 B Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 1817 B Strauß (CDU/CSU) . . . . . . 1818 C Mischnick (FDP) 1827 D. Dr. Mende, Bundesminister . . . 1832 A Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . 1835 A Dr. Schröder, Bundesminister . . 1837 C Moersch (FDP) 1841 B Dr. Martin (CDU/CSU) 1843 A Frau Geisendörfer (CDU/CSU) . 1843 D Kahn-Ackermann (SPD) . 1844 A, 1846 D Dr. Conring (CDU/CSU) . 1845 C, 1847 A, 1854 A Sänger (SPD) . . . . . . . . . 1847 B Haase (Kassel) (CDU/CSU) . . . . 1848 C Wischnewski (SPD) . . . . . . 1853 A Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt (Drucksache V/570) . . 1855 C Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksache V/571) Dr. Götz (CDU/CSU) . . . . . . 1855 C Dorn (FDP) . . . . . . . 1858 B Frehsee (SPD) 1863 D Brese (CDU/CSU) . . . . . . 1868 D D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . 1872 C Dr. Abelein (CDU/CSU) 1874 C Genscher (FDP) 1877 A Ruf (CDU/CSU) . . . . . . . 1878 C Nächste Sitzung . 1879 C Anlagen 1881 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 1777 41. Sitzung Bonn, den 17. Mai 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 1881 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Aigner * 17.5. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 18.5. Dr. Artzinger 17. 5. Bading* 18. 5. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 13.5. Prinz von Bayern 21. 5. Berger 18.5. Blachstein 17.5. Borm 18.5. Buchstaller 28.5. Dr. Burgbacher 17.5. Burgemeister 18. 5. Diekmann 18.5. Frieler 2. 7. Dr. Furler 29. 5. Geldner 18.5. Dr. Hammans 18.5. Illerhaus 17.5. Dr. Jungmann 30.6. Frau Kalinke 18. 5. Klinker * 18.5. Kriedemann * 17.5. Lemmer 17.5. Lücker (München) * 17.5. Mauk * 18.5. Dr. von Merkatz 31. 5. Metzger * 18.5. Michels 17. 5. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 30. 6. Dr. Morgenstern 30. 6. Müller (Aachen-Land) * 18.5. Dr. Müller (München) 18. 5. Richarts * 17.5. Schwabe 22.5. Stahlberg 31.6. Frau Strobel * 17.5. Teriete 2. 7. Tobaben 18.5. Dr. Toussaint 17. 5. Unertl 18.5. Zerbe 27. 5. b) Urlaubsanträge Dr. Barzel 31. 5. Brünen 23.5. Gibbert 27. 5. Frau Jacobi (Marl) 27. 5. Dr. h. c. Jaksch 13. 6. Hahn (Bielefeld) 27.5. Seither 31. 5. Seuffert 28.5. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Umdruck 37 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966, hier: Einzelplan 04 - Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksachen V/250 Anlage, V/573). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 04 03 — Presse- und Informationsamt der Bundesregierung - 1. Im Tit. 300 - Zur Verfügung des Bundeskanzlers für Förderung des Informationswesens -(Drucksache V/250 Anlage S. 28) - wird der Ansatz von 12 500 000 DM um 4 500 000 DM auf 8 000 000 DM gesenkt. Der Haushaltsvermerk erhält folgende Fassung: „Die Jahresrechnung über die Einnahmen und Ausgaben dieses Titels unterliegt nur der Prüfung eines Unterausschusses des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Die Erklärungen des Unterausschusses und des Präsidenten des Bundesrechnungshofes bilden die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung." 2. Tit. 314 - Aufklärung und Unterrichtung der Bevölkerung auf den Gebieten der Sozialinvestitionen — 2 500 000 DM (Drucksache V/573 S. 4) wird gestrichen. Bonn, den 16. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 3 Umdruck 36 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966, hier: Einzelplan 05 - Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksachen V/250 Anlage, V/574). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 05 02 — Allgemeine Bewilligungen — wird in Tit. 964 — Ausrüstungshilfe - (Drucksache V/574 S. 4) der Ansatz um 27 000 000 auf 60 000 000 DM gekürzt. Bonn, den 16. Mai 1966 Erler und Fraktion 1882 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 Anlage 4 Umdruck 48 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 hier: Einzelplan 05 — Auswärtiges Amt (Drucksachen V/250 Anlage, V/574). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 05 02 — Allgemeine Bewilligungen — Tit. 676 — Förderung der UNESCO-Arbeit in der Bundesrepublik b) Zuschuß an das UNESCO-Institut für Pädagogik in Hamburg — (Drucksache V/250 Anlage S. 43) wird in den Erläuterungen Absatz 2 gestrichen. Bonn, den 17. Mai 1966 Erler und Fraktion Anlage 5 Umdruck 38 Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1966 1. hier: Einzelplan 02 — Deutscher Bundestag (Drucksachen V/250 Anlage, .V/571). Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 02 01 wird der Tit. 710 — Errichtung eines Bürohauses des Deutschen Bundestages (Arbeitszimmer für Abgeordnete und Sitzungsräume für Ausschüsse) — mit einem Ansatz von 3 000 000 DM gestrichen. 2. hier: Einzelplan 06 — Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksachen V/250 Anlage, V/575) . Dementsprechend wird in Kap. 06 02 Tit. 610 — Für zentrale Maßnahmen auf dem Gebiet des Sports und der Leibesübungen — der Ansatz von 6 180 000 DM um 3 000 000 DM auf 9 180 000 DM erhöht. In den Erläuterungen zu Kap. 06 02 Tit. 610 wird der Nummer 1 folgender Buchstabe c angefügt: „c) Zuschüsse zur Ausrichtung der Olympiade 1972 in München 3 000 000 DM". Bonn, den 16. Mai 1966 Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 6 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Seiermann vom 6. Mai 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Cramer (Drucksache V/561 Frage IX/11): Ist die Bundesregierung bereit, die Deutsche Bundesbahn zu veranlassen, für den Transport von Muschelkalk einen dem früheren G-Tarif ähnlichen Sondertarif einzuführen, um der drohenden Existenzvernichtung deutscher Muschelkalkwerke zu begegnen? Nach den Bestimmungen der Verkehrsänderungsgesetze vom 1. August 1961 kann der Bundesminister für Verkehr die Deutsche Bundesbahn nur aus Gründen des allgemeinen Wohls zur Einführung einer Tarifmaßnahme veranlassen. Solche schwerwiegenden Gründe dürften im vorliegenden Falle nicht gegeben sein. Im übrigen würde es sich dabei um einen Unterstützungstarif handeln, der nach dem EWG-Vertrag ohne Genehmigung der Kornmission unzulässig ist. Bei der Genehmigung solcher Maßnahmen legt die Kommission einen sehr strengen Maßstab an. Sie verlangt grundsätzlich zunächst Hilfe durch unmittelbare Unterstützung, wenn diese unerläßlich und mit den Bestimmungen des EWG-Vertrages vereinbar ist. Ihrer Entscheidung über einen Unterstützungstarif muß sie ein multilaterales Konsultationsverfahren vorschalten.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Erich Mende


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident, meine Damen und Herren!
    Die bisherige Aussprache hat die Deutschlandpolitik in den Vordergrund gerückt. Ich halte es daher für meine selbstverständliche Pflicht als Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, einmal den Versuch einer Zusammenfassung zu machen und die Frage zu stellen, ob trotz aller Mißtöne der letzten aktuellen Auseinandersetzungen in der 'Öffentlichkeit noch die Prinzipien und Rechtsgrundlagen der Deutschlandpolitik allen drei Fraktionen dieses Hauses und der Bundesregierung gemeinsam sind. Man kann auf Grund der bisherigen Debatte, aber erst recht auf Grund der bisher beim Herrn Bundeskanzler erfolgten Gespräche der drei Fraktionen, aber auch auf Grund der Geschäftslage im Gesamtdeutschen Ausschuß feststellen, daß trotz aller Verschiedenheiten in Verfahrensfragen und in Fragen des Vorgehens die Rechtsgrundlagen der Deutschlandpolitik unverändert ,geblieben sind und von allen Parteien gleichermaßen vertreten werden.
    Es ist vielleicht ganz gut, sich diese Rechtsgrundlagen noch einmal kurz in Erinnerung zu rufen, zumal sie von Jahr zu Jahr deswegen für uns mehr an Bedeutung gewinnen, weil möglicherweise hier und da die Tendenz in der Welt auftreten könnte, diese Rechtsgrundlagen durch Zeitablauf in ihrer Effektivität geringer wenden zu lassen.
    Nun sind gerade die wichtigsten Grundlagen der Deutschlandfrage ohne deutsches Zutun durch die Siegermächte selbst gesetzt worden:
    Erstens. Die Erklärung der vier Siegermächte vom 5. Juni 1945, nach der Deutschland in den Grenzen vom 31. 12. 1937 rechtlich existent geblieben ist.
    Zweitens. Jene Stellen des Potsdamer Abkommens vom 2. August 1945, in denen bezüglich der deutschen Ostgebiete eindeutig die Vorläufigkeit des bisherigen Status festgestellt wurde und erst einem Friedensvertrag die endgültige Entscheidung über das Schicksal der deutschen Ostgebiete eingeräumt wurde.
    Schließlich drittens das hier schon durch Kollegen Erler zitierte Grundgesetz, das in seiner Präambel eindeutig fixiert, daß die Bundesrepublik Deutschland nach dem Willen des Verfassungsgebers für eine Übergangszeit dem staatlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland eine neue Ordnung geben wollte — Theodor Heuss hat daher vom Transitorium gesprochen — und daß wir alle aufgefordert seien, die staatliche Einheit in freier Selbstbestimmung zu vollenden.
    Im Deutschland-Vertrag haben die westlichen Bündnispartner Rechte und Pflichten übernommen, uns bei der Wiederherstellung der deutschen Einheit aktive Hilfe zu leisten.
    Es seien noch die in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers zitierte Genfer Direktive von 1955 erwähnt und schließlich jene Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen, die auch für das deutsche Volk Geltung haben sollten, insbesondere die Inanspruchnahme des Selbstbestimmungsrechts. Die Genfer Außenministerkonferenz von 1959 hat sich vertagt, und bei der Vertagung ist es bisher geblieben. Alle Versuche, bei den vier Mächten eine erneute Verhandlung über Berlin und Deutschland als Ganzes zu erreichen, sind gescheitert. Ich glaube, daß daher eine gewisse Unruhe angesichts der Tatsache, daß wir in das 22. Jahr der deutschen Teilung nach Beendigung des zweiten Weltkrieges eingetreten sind, durchaus verständlich ist. Britische Pressestimmen, die uns hier Nervosität vorwerfen, sollte man nicht ernster nehmen als die Tatsache, daß eine Unruhe in beiden Teilen Deutschlands unter der heranwachsenden Jugend durchaus normal ist. Was anders soll diese heranwachsende Jugend sich an Fragen stellen als jene Schicksalsfragen, warum ausgerechnet dem deutschen Volk über 21 Jahre nach Beendigung des zweiten Weltkrieges Selbstbestimmung, Grund- und Freiheitsrechte für alle Deutschen vorenthalten werden, warum durch Berlin die Mauer und durch unser Land die 1381 Kilometer Stacheldraht gezogen wurden und 141 Menschen seit Errichtung der Mauer in Berlin und mitten in Deutschland an der Zonengrenze den Tod gefunden halben.
    Diese Unruhe ist nicht nur verständlich, sie ist, wie der Geschäftsführende Vorsitzende der CDU Dufhues Anfang 1965 erklärte, geradezu unsere Bürgerpflicht. „Unruhe ist die erste Bürgerpflicht", formulierte Josef Hermann Dufhues.
    Dieser Unruhe unserer heranwachsenden Jugend in beiden Teilen Deutschlands ist auch nicht dadurch beizukommen, daß von Zeit zu Zeit beruhigende Erklärungen von Ost oder West abgegeben werden.
    Die Bundesregierung hat im August 1963 ein bisher nicht veröffentlichtes Memorandum zur deutschen Frage in Washington, London und Paris über-



    Bundesminister Dr. Mende
    reichen lassen, das den Titel trägt: „Memorandum der Bundesregierung zu Fragen der kontrollierten Abrüstung, europäischen Sicherheit und Wiedervereinigung". In Weiterentwicklung des westlichen Friedensplanes, den Christian Herter in Genf vorgelegt hatte, sind einige Aktualisierungen und Modifizierungen im Memorandum erfolgt, das leider im Botschafterausschuß in Washington keine letztgültige Behandlung mehr erfuhr. Es kam schließlich auch die Bundestagswahl dazwischen. Vielleicht hat die Friedensnote der Bundesregierung vom 25. März dieses Jahres, die mit Zustimmung aller drei Fraktionen dieses Hauses über hundert Regierungen der Welt zugeleitet wurde, eine neue Impulswirkung bei dem einen oder anderen Staat. Denn unsere Jugend empfindet wie auch unsere ältere Bevölkerung, daß 21 Jahre doch eine lange Zeit sind, zwar relativ kurz im Geschichtsleben der Völker, aber lang und länger, was die Leiden unserer mitteldeutschen Landsleute betrifft.
    Hier ist verständlich, daß sich die Bundesregierung bemüht, zwei Gefahren zu begegnen: der internationalen Gefahr der Gewöhnung in der Welt an den Status quo und der Gefahr in unserem Land, die durch die Entfremdung der Menschen eintreten könnte.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Dehler)

    Der Bundeskanzler hat daher in der Regierungserklärung ein Höchstmaß menschlicher Begegnungen im geteilten Deutschland gefordert, um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen zu erhalten,
    der Entfremdung vorzubeugen und die Unteilbarkeit als Nation zu gewährleisten. Denn wir wissen, daß die Unteilbarkeit unseres Volkes als Nation die Voraussetzung für die Erreichung der staatlichen Einheit auf der Basis des Selbstbestimmungsrechtes ist.
    Passierscheine in Berlin, die Reisen der Rentner zu uns und Erleichterungen des Reiseverkehrs nach Mitteldeutschland, eine Vermehrung und Modernisierung des innerdeutschen Handels — zu dem letzten Punkt hat sich ja Kollege Schmücker vor kurzer Zeit geäußert —, vermehrte Kulturbegegnungen im geteilten Deutschland und auch die Wiederingangsetzung des Sports sind bescheidene Schritte auf dem Wege zur Vermehrung der menschlichen Begegnungen im geteilten Deutschland.
    Nun ist hier von einem Vorredner die Zielsetzung der anderen Seite in Zitaten noch einmal in Erinnerung gerufen worden. Natürlich geht Ostberlin, geht Moskau mit ganz anderen Zielsetzungen und Vorstellungen an alle jene Fragen heran, die sich aus Begegnungen ergeben können, als wir es tun. Das war auch bei den bisherigen bescheidenen Versuchen so. Für Ostberlin sind jedwede technischen Kontakte, menschliche Begegnungen ein Mittel zur Aufwertung oder Anerkennung des kommunistischen Zwangsstaates. Das ist eine solche Binsenwahrheit, daß man sie eigentlich gar nicht mehr wiederholen sollte. Die Zielsetzung Moskaus und Ost-Berlins in der Deutschlandpolitik ist wesentlich anders und wird wesentlich anders bleiben als die Zielsetzung des freien Teils Deutschlands.
    Bei den Passierscheinen hat sich die andere Seite andere Vorstellungen gemacht als wir. Am Ende kommt es darauf an, wer sein Ziel erreicht. Hier ist ja wohl nach drei Jahren eindeutig festzustellen, daß gewisse Befürchtungen, mit der Passierscheinübereinkunft wäre eine Aufwertung oder gar eine Anerkenung Ost-Berlins als zweiter deutscher Staat verbunden, sich nicht verwirklicht haben.

    (Beifall bei der FDP.)

    Das gleiche gilt für die Rentnerbesuche in der Bundesrepublik. Es war doch wahrlich kein humanitäres Gefühl, das die kommunistischen Machthaber veranlaßte, vom 1. November 1964 an den alten Leuten die Ausreise aus Mitteldeutschland und die Einreise in die Bundesrepublik zu gestatten. Die Schätzungen, die damals für das Hierbleiben der alten Leute auch in Kreisen der Bundesregierung und in Kreisen des Deutschen Bundestages gemacht wurden, schwankten zwischen 20 % und 10%. Natürlich wollte der kommunistische Zwangsstaat, daß die alten, nicht mehr im Produktionsprozeß stehenden Leute hierher ziehen sollten. Damit wären Wohnungen in Mitteldeutschland frei geworden und Sozialleistungen wären auf uns übertragen worden. Auf diese Weise hätte man sich dieser unproduktiven Kräfte — wie es in der Terminologie des Kommunismus heißt — entledigen können. Und was ist wirklich eingetreten? Von den 1,8 Millionen alten Leuten, die uns im Jahre 1965 besuchten, sind keine 20 %, auch keine 10%, sondern nur 0,2%, nämlich 3660 ältere Leute, bei uns geblieben; die anderen gingen wieder in ihre mitteldeutschen Heimatgemeinden zurück. Auch hier ist also die kommunistische Zielsetzung einer Entlastung von der sogenannten Soziallast nicht erreicht worden. Wohl aber wissen wir, daß die alten Leute, denen wir zutiefst dankbar sein sollten, dafür sorgen, daß manche falsche Vorstellung vom freien Teil Deutschlands durch unmittelbare Anschauung und Begegnung korrigiert werden kann.

    (Beifall bei der FDP.)

    Natürlich muß man auch jetzt bei der Ingangsetzung der geistigen Auseinandersetzung unterstellen, daß in Ost-Berlin mit anderen Vorstellungen und Zielsetzungen operiert wird, als das bei uns der Fall sein kann und der Fal sein wird. Ob nun unter Einflußnahme der Sowjetregierung oder ob aus irgendwelchen eigenen Motiven, sei dahingestellt — Ost-Berlin glaubt jedenfalls, in eine Rednerbegegnung eintreten zu können. Aber schon zeigt sich in der zweiten Phase, daß man die Geister, die man rief, möglicherweise wieder los werden möchte. Ich glaube, hier feststellen zu müssen, daß die Bundesregierung eindeutig das Vorgehen der Sozialdemokratischen Partei in der Frage der Rednerbegegnung begrüßt und der sozialdemokratischen Opposition jede Unterstützung zugesagt hat. Die Frage, ob diese Rednerbegegnung stattfinden wird oder nicht, wird sich spätestens im Sommer entscheiden. Findet sie statt, dann ist in der Tat eine geistige Einwirkung auf die mitteldeutsche Bevölkerung möglich. Das ist schon vom politisch-psychologischen Effekt her mehr als Resignation und Nichtstun.

    (Beifall bei der FDP.)




    Bundesminister Dr. Mende
    Unsere mitteldeutsche Bevölkerung ist durch die Erfahrung der letzten 21 Jahre dagegen gefeit, in diese Rednerbegegnung schon die Hoffnung auf die Ingangsetzung der Wiedervereingung zu setzen. Diese Illusion haben unsere mitteldeutschen Landsleute am wenigsten. Aber es ist für sie schon ein gutes Zeichen, daß wir bereit sind, das Alleinvertretungsrecht, das wir in Anspruch nehmen, auch durch das Korrelat der Pflicht, für die mitteldeutschen Landsleute mitzudenken und mitzuhandeln zu ergänzen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Sollte die andere Seite aus Gründen, die ein totalitärer Staat immer finden wird, der Rednerbegegnung am Ende doch ausweichen, dann hat der kommunistische Zwangsstaat vor aller Welt bewiesen, daß er nicht einmal zu einer solchen geistigen Auseinandersetzung fähig ist. Auch da wird es sich dann als besser herausgestellt haben, den Ball aufzunehmen und zurückzuwerfen denn ihn liegenzulassen.
    Das gleiche gilt für den Zeitungsaustausch! Die Bundesregierung hat daher die Voraussetzungen dafür dem Parlament zugeleitet, und es wäre erfreulich, wenn noch vor der Sommerpause alle gesetzlichen Regelungen sowohl in der Frage der Veränderung der Staatsschutzbestimmungen als auch in der Frage der Lockerung der entsprechenden Gesetze zum Zeitungsaustausch verabschiedet werden könnten. Auch beim Zeitungsaustausch muß man nach der Erfahrung, die die Wochenzeitung „Die Zeit" mit dem „Neuen Deutschland" seinerzeit gemacht hat, möglicherweise mit einem Zurückziehen rechnen.
    In der Bundesrepublik Deutschland erscheinen 660 Zeitungen täglich mit einer Gesamtauflage von 19 Millionen Exemplaren pro Tag. In der Zone erscheinen 39 Zeitungen täglich mit einer Gesamtauflage von 6 Millionen Exemplaren pro Tag. Der Vertriebsapparat ist in Mitteldeutschland ganz anders. Dennoch: wir bieten den absoluten Zeitungsaustausch an und die Beilegung in Päckchen, Paketen, den Versand mit Streifband und wie es im Zeitungswesen üblich ist. Ob sich die andere Seite nicht schon wegen der verschiedenen Relationen oder aus anderen Gründen von dem ursprünglichen Bitterfelder Angebot Walter Ulbrichts wieder zurückziehen wird, soll die Zukunft zeigen.
    Es ist erfreulich, daß sich auch die Rundfunk- und Fernsehanstalten stärker als bisher in den Prozeß der geistigen Auseinandersetzung einschalten. Rundfunk und Fernsehen sind und bleiben, bis mehr möglich ist, die besten Informationsmittel für die mitteldeutsche Bevölkerung.
    Lassen Sie mich zum Schluß noch einmal auf die große Gefahr des Auseinanderlebens der beiden Teile Deutschlands im Menschlichen hinweisen, die gegeben ist, wenn wir die menschlichen Begegnungen nicht noch steigern können. Heute sind es noch in beiden Teilen Deutschlands Bruder und Schwester im wahrsten Sinne des Wortes. Deren Kinder, inzwischen im wahlberechtigten Alter, nach dem Kriege herangewachsen, sind Cousin und Cousine. Sie dürfen sich nicht mehr besuchen, was den mitteldeutschen Reiseverkehr nach Westdeutschland anbetrifft. Den jungen Menschen ist bis auf wenige Ausnahmen der freie Reiseverkehr in die Bundesrepublik untersagt. Nur unsere jungen Menschen können nach Mitteldeutschland gelangen. Im vergangenen Jahr war die Zahl der Einreisen unserer Mitbürger nach Mitteldeutschland bereits höher als früher, nämlich 2 Millionen Personen. Wenn noch eine längere Zeit vergangen sein wird und in beiden Teilen Deutschlands junge Menschen herangewachsen sein werden, die kaum noch Vergleichsmöglichkeiten haben, wenn sie sich nicht mehr begegnen, dann besteht die große Gefahr, daß zu der sowjetischen Zwei- oder Drei-Staaten-Theorie auch die Entfremdung der Deutschen selbst, ihre Spaltung in zwei Bewußtseinsgrundlagen völkischer Art hinzutreten wird. Das „Neue Deutschland" hat am Beginn dieses Jahres durch einen Artikel des Gesandten Dr. Kegel damit begonnen, nicht nur zwei Staaten zu behaupten, sondern auch das Bewußtsein zweier Nationen zu konstruieren.
    Es ist mehr als Vermessenheit, aber es wird im „Neuen Deutschland" gedruckt und vielleicht hier und da in der Welt sogar zur Kenntnis genommen, was Walter Ulbricht im Januar in einer großen Rede vor dem Zentralkomitee der SED sagte:
    Die große nationale Mission der Deutschen Demokratischen Republik tritt immer sichtbarer in den Vordergrund. In Deutschland verfügt nur die DDR über ein klares Leitbild einer fortschrittlichen demokratischen Gesellschaft, die Freiheit und Menschenwürde des einzelnen achtet und die Interessen der ganzen Gesellschaft wahrt.
    Ähnlich ist es in dem Antrag des kommunistischen Zwangsstaates um Aufnahme bei den Vereinten Nationen zu lesen. Dieser Aufnahmeantrag ist leider durch eine „Mantelnote" Bulgariens allen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zugeleitet worden, und es besteht die Gefahr, daß bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen im Herbst auch hier ein Überraschungsmanöver des kommunistischen Zwangsstaates versucht wird, um mindestens eine Beobachterdelegation bei der UNO in New York zu erreichen, wenn schon nicht die Vollmitgliedschaft. Die Bundesregierung ist dabei, eine Dokumentation der Menschenrechtsverletzungen auszuarbeiten, damit die Mitglieder der Vereinten Nationen wissen, wie weit die Theorie und die Praxis im kommunistischen Zwangsstaat auseinanderklaffen. Auch hier werden wir uns um ein Höchstmaß an Aufklärung über die wahren Verhältnisse in Mitteldeutschland bemühen.
    Ich komme zurück auf das Problem der Unruhe. Ich stimme dem früheren Vorsitzenden der Christlich-Demokratischen Union Josef Hermann Dufhues, zu: In unserer Zeit der Teilung Deutschlands und der Gefahr der Gewöhnung, ja sogar vielleicht des Arrangements der Weltmächte auf dem Status quo ist Unruhe im Sinne der Präambel unseres Grundgesetzes unsere erste verfassungspolitische Pflicht.

    (Beifall bei der FDP.)






Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt (Hamburg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir zunächst einen Hinweis auf den verfahrensmäßigen Ablauf der heutigen Debatte. Nachdem zum Einzelplan 4 und 5 zunächst für die Sozialdemokraten Herr Erler gesprochen hat, haben inzwischen der Bundeskanzler, der Finanzminister, ein Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, ein Sprecher der FDP-Fraktion, der Minister für gesamtdeutsche Fragen — insgesamt fünf Sprecher für die Koalition — gesprochen, also ein Sozialdemokrat und fünf Sprecher für die Koalition. Es ist dies ein Bild, wie es sich bei mehreren Debatten der letzten Zeit schon ergeben hat. Sie müssen sich —

    (Abg. Rasner: Sie brauchten sich ja bloß zu melden, Herr Schmidt!)

    — Es lagen sozialdemokratische Wortmeldungen vor.

    (Zurufe von der Mitte: Nein!)

    Die Sache ist so, daß die Minister das Recht haben, jederzeit zu sprechen.

    (Abg. Rasner: Mit denen kann man immer reden, Herr Schmidt!)

    — Ich will ja auch wirklich nicht polemisieren. Ich möchte nur gerne appellieren, daß auch wir uns darüber klarwerden — nicht nur, was diese Debatte angeht, sondern auch andere, die wir vorher hatten und auch in Zukunft haben werden —, daß sich auf die Dauer kein gesunder Parlamentarismus entwickeln kann, wenn in Ausbeutung der Geschäftsordnung und des Grundgesetzes die Wortmeldungen, die Reden sich so einseitig verteilen.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Rasner: Das ist nicht geschehen!)

    Ich selbst will hier nur einige wenige Bemerkungen machen. Der Sprecher der CDU/CSU-Fraktion hat Herrn Erler in einem Punkte ausdrücklich recht gegeben, daß nämlich kein sozialer Rechtsstaat ohne oder gegen die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften verwirklicht werden könne. Der Sprecher hat dann hinzugefügt — und dem stimmen wir nun wiederum zu —, daß das auch nicht möglich sei ohne oder gegen leistungswilliges Unternehmertum, gegen einen gesunden Mittelstand und gegen eine gesunde Landwirtschaft oder gegen einen gesunden Bauernstand. So ist gesagt worden. Damit sind wir durchaus einverstanden. Aber das war ja nicht der Punkt, um den es ging, sondern der Punkt, auf den es Herrn Erler gegenüber dem Bundeskanzler ankam, war doch der, daß es auf die Dauer unerträglich sei, wenn der Herr Bundeskanzler seine Vorwürfe immer einseitig nur in eine ganz bestimmte Richtung öffentlich ausspricht. Genau das hat er heute auch wieder getan.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es tut mir leid, auch der Sprecher der CDU/CSUFraktion hat seine Vorwürfe in einer ganz bestimmten Richtung ausgesprochen. Ich habe keinen Vorwurf gehört an die Adresse, sagen wir, des Bundesverbandes der Deutschen Industrie oder an die Adresse der Grünen Front.

    (Abg. Dr. Strecker: Wollen Sie die Bauern noch eine Stunde länger arbeiten lassen?)

    Ich habe nur Vorwürfe gehört an die Adresse der Arbeitnehmer oder ihrer Gewerkschaften. Da mag es durchaus hier und da Punkte geben, die einen Vorwurf rechtfertigen. Nur kann jemand auf die Dauer nicht meinen, er könne mit dem Mantel einer alle gleichmäßig behandeln wollenden Gerechtigkeit durchs Land gehen, der immer nur in die eine Richtung guckt.
    Und wenn Herr Strauß von dem Ereignis der innenpolitischen Rede des Herrn Bundespräsidenten auf dem DGB-Kongreß und ihrer dortigen Aufnahme gesprochen hat, so fällt es ein bißchen schwer, die Fußnote zu unterdrücken, daß Sie, Ihre Seite des Hauses, ja bei anderer Gelegenheit, wo auch der Bundespräsident sich zu innenpolitischen Fragen geäußert hat oder seine Meinung zu erkennen gegeben hat, ihn sehr schwer und sehr heftig und sehr nachhaltig kritisiert haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich meine damit den Zeitraum, der der Bildung der
    zweiten Regierung Erhard unmittelbar vorausging.
    Ich will nun auch nicht nur für den Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, sondern auch für Herrn Strauß persönlich hier feststellen, daß wir es begrüßen, daß Sie hier heute klipp und klar gesagt haben — das war bei den Äußerungen der letzten Wochen nicht ganz so klar, Herr Strauß —, daß Sie nicht um jeden Preis den Wunsch verfolgen, die französischen Truppen auf deutschem Boden zu belassen. Sie haben gesagt, daß Sie den Wunsch haben. Auch wir haben diesen Wunsch; Herr Erler hat das ausgedrückt, und darin stimmen wir überein. Aber wir hatten zwischenzeitlich ein bißchen das Gefühl, daß Sie bereit wären, die französischen Truppen auch dann weiterhin hier haben zu wollen, wenn es ohne jegliche Bedingung sei.
    Sie haben heute gesagt, der Abzug der französischen Truppen aus der Bundesrepublik könne ein Triumph für die Politik der Sowjetunion werden. Das will ich nicht bestreiten. Aber vielleicht darf ich hinzufügen: es wäre auch schon ein Triumph für die Sowjetunion, wenn die französischen Truppen dem Bündnis überhaupt nicht mehr zur Verfügung stünden.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Und es wäre ein noch größerer Triumph für die Sowjetunion, wenn erstens die französischen Truppen dem Bündnis nicht mehr zur Verfügung stünden und zweitens sie gleichwohl auf deutschem Territorium blieben.
    Ich will nicht allzu tief in die Außenpolitik einsteigen. Es wird ja nun für die Debatte eigentlich langsam Zeit, daß die Regierung sich zur Außenpolitik erklärt, nachdem Herr Erler eine Reihe von Gebieten angeschnitten und Fragen gestellt hat. Aber auf ein Wort von Herrn Strauß möchte ich noch eingehen dürfen. Herr Strauß hat den französischen



    Schmidt (Hamburg)

    Staatspräsidenten bezeichnet als eine Mischung zwischen einem politischen Kosmonauten und der Jungfrau von Orleans. Das verleitet natürlich dazu, zu überlegen, was für eine Mischung z. B. derjenige sein könnte, der das hier gesagt hat. Jungfrau von Orleans wird jedenfalls nicht dabei sein, Herr Strauß.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Sie haben dann, wie auch manche anderen Sprecher der CDU im Laufe der letzten Wochen in der öffentlichen Debatte, die hohe Bedeutung des Besuchs des französischen Staatspräsidenten in Moskau hervorgehoben — wir sind uns dessen sicherlich alle bewußt — und darauf hingewiesen, wie man in Vorbereitung auf diesen Besuch versuchen müsse, von der Bundesregierung aus mit der französischen Regierung darüber zu sprechen.
    Aber eines habe ich nicht verstanden: daß auch heute wieder betont werden mußte, daß die Behandlung dieses Besuches viel wichtiger sei als der sogenannte Redneraustausch, der da in Chemnitz und Hannover beabsichtigt ist. Ich verstehe gar nicht, was diese Bewertung soll. Das sind doch Dinge, die beide notwendig sind und die beide auf ganz verschiedenen Ebenen unerläßlich sind.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie müssen doch uns nicht sagen, daß dieser Redneraustausch, wenn er zustande kommt, nicht zur Wiedervereinigung führt. Offenbar müssen wir Ihnen sagen, wieviel Hoffnung auf eine dermaleinstige Wiedervereinigung auch der Redneraustausch drüben wecken kann, wenn er zustande kommt, und wachhalten kann, wenn er zustande kommt. Sie wissen auch, meine Damen und Herren auf der rechten Seite des Hauses, daß, wenn Brandt und wenn Erler und wenn Wehner in Chemnitz reden können, sie dort nicht für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, sondern für die Freiheit Deutschlands reden werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Vizekanzler hat gesagt, die Bundesregierung habe bisher dieses Unternehmen unterstützt und wolle es weiterhin unterstützen. Unsere Hoffnung ist, daß Sie uns dabei helfen werden, die technischen Voraussetzungen, die das ermöglichen, zu schaffen. Ich will das hier nicht vertiefen, weil ich nicht das neue Gespräch belasten möchte, das demnächst, wie wir hoffen, zwischen den Fraktionsvorsitzenden zustande kommt. Wir hoffen sehr, daß Sie uns bei der Herstellung dieser technischen, rechtlichen Voraussetzungen helfen werden.
    Unsere Hoffnung ist, daß von dem in Chemnitz in aller Öffentlichkeit geführten Treffen einige Funken ausgehen werden, die das Land drüben ein wenig erleuchten helfen und die zu menschlichen Erleichterungen zwingen werden.

    ( alle öffentlich abgedruckt werden; ich habe das bisher bei anderen Parteien nicht gesehen, ich will das nicht kritisieren. Aber Sie wissen doch, daß das in keiner Weise eine Legitimation abgibt, uns etwa mit leicht vorwurfsvoller Nuance in der Stimme vor der Idee der Konföderation zu warnen, wie sie von Herrn Ulbricht öffentlich vertreten wird. Wir Sozialdemokraten lehnen eine Konföderation zwischen einer freien Gesellschaft und einer kommunistischen Herrschaft leidenschaftlich ab. Das wissen Sie, darüber brauchen wir nicht miteinander zu sprechen. Wir sollten uns, Herr Strauß, nicht in die Gefahr begeben, daß die alten Schattengefechte wieder neu begonnen werden. Sie haben zum Schluß gesagt, Sie wollten keine politischen Fronten aufreißen; ich habe den Satz noch im Ohr. Aber Sie waren nahe daran, und Sie hätten einen beinahe herausgefordert, zu zitieren, was Sie z. B. in einem Interview in der „Zeit" über Ihre Vorstellungen über die Chancen der deutschen Wiedervereinigung gesagt haben. Ich will das nicht tun. Ich finde, diese alte Auseinandersetzung, wie sie in den 50er Jahren jedenfalls für uns unvermeidlich war — vielleicht aus Ihrer Sicht auch —, sollten wir nicht wieder anfangen. Herr Abgeordneter Strauß möchte eine Frage stellen. Bitte sehr! Herr Kollege Schmidt, ist Ihnen bekannt, daß ich bei jeder Gelegenheit — ich glaube, auch heute — davon gesprochen habe, die sozialdemokratische Führung sei nicht der richtige Partner, mit dem Moskaus Vorstellungen von einer Einheit der deutschen Arbeiterklasse SPD—SED verwirklicht werden könnten? Ist Ihnen nicht klar, daß ich das Stichwort „Konföderation" nur im Hinblick auf die in weiten Bereichen des Auslands sich allmählich anbahnende Verwirrung angewendet habe, aber in keiner Weise damit eine Tendenz Ihrer Aktion und Ihrer politischen Zielsetzung angedeutet habe? Das ist mir klar, Herr Strauß. Trotzdem erlauben Sie mir, zu sagen, daß der Zusammenhang, in dem Sie sprachen, den Eindruck erwecken mußte — genauso war es eben auch —, als gingen Sie davon aus, daß die sozialdemokratische Führung dafür selbstverständlich nicht zu haben wäre, aber möglicherweise andere in der Sozialdemokratischen Partei. Ich möchte Sie insoweit beruhigen. Es gibt überhaupt keinen Sozialdemokraten in Deutschland, der eine Verbindung in Form der Konföderation eingehen wollte. Herr Schmidt, wie begründen Sie dann die Tatsache, daß Ihr Erster Parteivorsitzender, Regierender Bürgermeister Willy Brandt, es in den letzten Tagen für notwendig befunden hat, Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 41. Sitzung, Bonn, Dienstag, den 17. Mai 1966 1837 Strauß in einem Brief an alle Mitglieder des Parteivorstands der SPD auf die Gefahren der Subversion und Infiltration hinzuweisen und höchste Wachsamkeit zu verlangen? Das scheint mir auch durchaus angemessen, wenn ich z. B. an das denke, was der Bundesinnenminister im „Parlament" und im Bulletin der Bundesregierung über die Gefahren der Subversion allüberall in der Bundesrepublik schreibt, und zwar mit Recht. Ich selber war ja auch einmal vier Jahre lang — in kleinerem Rahmen — in diesem Metier tätig. Darauf muß man immer wieder hinweisen. Die CSU ist auch nicht vor Subversion gefeit, Herr Strauß. (Abg. Strauß: Nicht vor Agenten, das stimmt!)