Protokoll:
18012

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 12

  • date_rangeDatum: 31. Januar 2014

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:11 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/12 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 12. Sitzung Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 I n h a l t : Zur Geschäftsordnung Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 841 B Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) . . . . . . 842 A Zusatztagesordnungspunkt 2: Wahl von Mitgliedern des Verwaltungsra- tes der Kreditanstalt für Wiederaufbau ge- mäß § 7 Absatz 1 Nummer 4 des Gesetzes über die Kreditanstalt für Wiederaufbau  Drucksache 18/398 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 843 B Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung durch die Bundes- kanzlerin (Fortsetzung der Aussprache) . . . . . . . . . . . . . 843 B Verkehr und digitale Infrastruktur . . . . . . 843 B Alexander Dobrindt, Bundesminister  BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 843 C Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 846 C Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 848 A Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 849 C Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 851 B Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 852 C Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 853 A Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 853 D Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 855 C Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 856 D Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 857 A Martin Dörmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 859 A Reinhold Sendker (CDU/CSU). . . . . . . . . . . . 860 A Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 861 B Birgit Kömpel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 861 D Arnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 863 A Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor- sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 864 C Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 864 C Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 866 A Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 866 D Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 868 A Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 869 C Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . 869 D Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 870 D Marie-Luise Dött (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 872 A Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873 B Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 874 B Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU) . . . 875 B Steffen Kanitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 876 D Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 Bildung und Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . 877 D Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin  BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 878 A Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 880 A Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . 881 B René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 882 A Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 883 C Patricia Lips (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 885 C Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 886 C Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 887 B Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 887 C Oliver Kaczmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 888 B Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 889 D Oliver Kaczmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 890 A Dr. Wolfgang Stefinger (CDU/CSU) . . . . . . . 890 B Dr. Simone Raatz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 891 B Stephan Albani (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 892 C Zusatztagesordnungspunkt 1: Vereinbarte Debatte: zur aktuellen Situation in der Ukraine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 894 A Franz Thönnes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 894 A Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 895 C Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 895 D Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 896 D Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . 897 A Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 898 B Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 899 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 900 C Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 900 B/D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 901 A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 901 D Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 841 (A) (C) (D)(B) 12. Sitzung Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 Beginn: 9.01 Uhr
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    (D) Berichtigung 10. Sitzung, Seite 657 B, zweiter Absatz, zweiter Satz ist wie folgt zu lesen: „Jetzt will ich nicht, dass wir uns anmaßen, eine Leadership-Funktion zu übernehmen, aber vielleicht könnte es eine „Smart Leadership“-Funktion sein: nicht oberlehrerhaft, nicht selbstgefällig, nicht populistisch, sondern ergebnisorientiert und nachhaltig. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 901 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (D)  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 31.01.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 31.01.2014 Binninger, Clemens CDU/CSU 31.01.2014 Birkwald, Matthias W. DIE LINKE 31.01.2014 Buchholz, Christine DIE LINKE 31.01.2014 Ehrmann, Siegmund SPD 31.01.2014 Freitag, Dagmar SPD 31.01.2014 Gerdes, Michael SPD 31.01.2014 Giousouf, Cemile CDU/CSU 31.01.2014 Grindel, Reinhard CDU/CSU 31.01.2014 Dr. Hahn, André DIE LINKE 31.01.2014 Hardt, Jürgen CDU/CSU 31.01.2014 Heller, Uda CDU/CSU 31.01.2014 Kauder, Volker CDU/CSU 31.01.2014 Krellmann, Jutta DIE LINKE 31.01.2014 Kühn-Mengel, Helga SPD 31.01.2014 Dr. Lamers, Karl A. CDU/CSU 31.01.2014 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 31.01.2014 Mast, Katja SPD 31.01.2014 Dr. Müller, Gerd CDU/CSU 31.01.2014 Dr. Murmann, Philipp CDU/CSU 31.01.2014 Dr. Neu, Alexander S. DIE LINKE 31.01.2014 Nietan, Dietmar SPD 31.01.2014 Petzold (Havelland), Harald DIE LINKE 31.01.2014 Pofalla, Ronald CDU/CSU 31.01.2014 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Haushaltsausschuss hat mitgeteilt, dass er gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen ab- sieht: – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2013 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 11 12 Titel 681 12 – Arbeitslosen- geld II bis zur Höhe von 700 Mio. Euro Drucksachen 18/131(neu), 18/305 Nr. 5 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2013 Mitteilung gemäß § 4 Absatz 2 Satz 6 des Haushaltsge- setzes 2013 i. V. m. § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine außerplanmä- ßige Verpflichtungsermächtigung bei Kapitel 15 11 Titel 712 01 – Große Baumaßnahme des Robert Koch-Insti- tuts Drucksachen 18/132, 18/305 Nr. 6 Rüthrich, Susann SPD 31.01.2014 Dr. Schick, Gerhard BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 31.01.2014 Schieder (Schwandorf), Marianne SPD 31.01.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 31.01.2014 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 31.01.2014 Schmidt (Wetzlar), Dagmar SPD 31.01.2014 Tressel, Markus BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 31.01.2014 Dr. Uhl, Hans-Peter CDU/CSU 31.01.2014 Willsch, Klaus-Peter CDU/CSU 31.01.2014 Zimmermann (Zwickau), Sabine DIE LINKE 31.01.2014  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 902 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 (A) (C) (B) – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2013 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 17 02 Titel 686 01 Erläuterungs- nummer 2 – Zuweisungen an den Fonds für Opfer der Heimerziehung Ost Drucksachen 18/133, 18/305 Nr. 7 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2013 Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapi- tel 17 10 Titel 681 02 – Elterngeld – bis zu einer Höhe von 280 Mio. Euro Drucksachen 18/148, 18/305 Nr. 9 Offsetdruc sellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 K – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2013 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 12 25 Titel 893 01 – Prämien nach dem Wohnungsbau-Prämiengesetz – bis zur Höhe von 30 Mio. Euro Drucksachen 18/264, 18/305 Nr. 11 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2013 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmä- ßige Ausgabe bei Kapitel 07 04 Titel 632 01 „Verwal- tungskostenerstattung an Länder“ bis zur Höhe von 5,556 Mio. Euro Drucksachen 18/265, 18/305 Nr. 12 ö (D) kerei, Bessemerstraße 83–91, 1 ln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 22 12. Sitzung Inhaltsverzeichnis ZP 2 Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung: Wahl: Verwaltungsrat der KfW TOP 1 Verkehr und digitale Infrastruktur TOP 1 Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit TOP 1 Bildung und Forschung ZP 1 Vereinbarte Debatte zur Situation in der Ukraine Anlagen
Gesamtes Protokol
Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801200000

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, müssen wir
einen Geschäftsordnungsantrag behandeln. Die Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD haben fristgerecht bean-
tragt, die heutige Tagesordnung um die Wahl von vier
Mitgliedern des Verwaltungsrates der Kreditanstalt für
Wiederaufbau zu erweitern. Die Wahl soll im Anschluss
an die Geschäftsordnungsdebatte erfolgen, vorausgesetzt
das Anliegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat
keinen Erfolg.

Das Wort zur Geschäftsordnung hat zunächst die Kol-
legin Britta Haßelmann.


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1801200100

Guten Morgen, Frau Präsidentin! Meine Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat:
Gestern sollte kurzerhand per amtlicher Mitteilung die-
ser Vorgang beschlossen werden. Dagegen haben wir
Widerspruch eingelegt, weil wir finden: Das muss heute
hier diskutiert werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage ausdrücklich: Das richtet sich nicht gegen die
Personen, die Sie als Mitglieder vorschlagen. Das wissen
auch alle handelnden Personen. Es geht uns hier um das
Verfahren.

Meine Damen und Herren, worum geht es? Es geht da-
rum, dass der Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wie-
deraufbau zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode
heute teilweise neu besetzt werden soll. Er wird nicht le-
gislaturperiodenscharf besetzt, sondern es werden heute
drei Plätze von ausscheidenden Mitgliedern nachbesetzt,
die ihren Sitz bis zum 31. Dezember 2013 innehatten. Für
die 18. Legislaturperiode – darauf haben wir uns in einem
gemeinsamen Antrag zur Geschäftsordnung und zu den
Stellenanteilen für die Fraktionen verständigt – haben wir
als grüne Fraktion den Anspruch, in diesem Verwaltungs-
rat der Kreditanstalt für Wiederaufbau vertreten zu sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Das ist richtig und wichtig; denn dort geht es um ganz
viele Förderprogramme und ganz viele Bundesgelder.
Deshalb ist es selbstverständlich, dass wir als eine von
vier Fraktionen einen Vertretungsanspruch haben – die-
ser Auftrag ist uns zugebilligt nach der gemeinsamen
Vereinbarung nach Sainte-Laguë/Schepers – und dass
wir unseren Sitz dort wahrnehmen können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben gegenüber den Fraktionen von SPD und
Union deutlich gemacht, dass, wenn jetzt diese erste Be-
setzung stattfindet, wir die einzige Fraktion sind, die im
Moment nicht in diesem Verwaltungsrat vertreten ist.
Wir wollen einen dieser Sitze wahrnehmen, um unserem
Auftrag gerecht zu werden, gemeinsam mit den anderen
Fraktionen Kontrolle auszuüben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dieses Recht wird uns jetzt verweigert, und zwar mit
dem Argument, die Besetzung des Verwaltungsrats wäre
nicht an den Beginn der Legislaturperiode gebunden.

Okay, meine Damen und Herren, dann lassen Sie uns
dieses Argument mal durchgehen. Warum sagen Sie
dann in Ihrer Argumentation: Heute beginnt hier sozusa-
gen die 18. Legislaturperiode, und angesichts der Zu-
sammensetzung des Bundestags in der 18. Legislatur-
periode besetzt die Union zwei und die SPD einen der
freiwerdenden Sitze? Meine Damen und Herren, da kann
doch etwas nicht in Ordnung sein. Sie widersprechen
sich doch selbst.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie beziehen sich bei diesem Benennungsverfahren
auf einen Rechtsvermerk der Bundestagsverwaltung.
Das halte ich schon mal für ein Unding, weil die Frage
der Unterrepräsentanz der Grünen in diesem Rechtsver-
merk überhaupt nicht erörtert wird. Wenn man diesem
Verfahren und Ihrer Logik folgte, dass jetzt sozusagen
die 18. Wahlperiode beginnt und deshalb der Union zwei
Sitze und der SPD ein Sitz zustehen, dann wären wir erst
2015 dran. Denn bei der nächsten Besetzung nach dem
Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren wären erst mal wieder





Britta Haßelmann


(A) (C)



(D)(B)

die SPD und die Linken dran, und die Grünen folgen erst
auf Platz sechs, im Jahr 2015.

Das kann nicht richtig sein. Das ist politisch falsch,
und es ist rechtlich höchst zweifelhaft. Wir melden hier
ganz deutlich unseren Widerspruch an und werden die-
ser Besetzung heute auf gar keinen Fall zustimmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801200200

Nun hat der Kollege Michael Grosse-Brömer das

Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Michael Grosse-Brömer (CDU):
Rede ID: ID1801200300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Frau Kollegin Haßelmann, Sie haben sich
Mühe gegeben, den Sachverhalt möglichst kompliziert
darzustellen.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Im Prinzip ist er ganz einfach: Es geht heute um die Be-
setzung eines Gremiums – das, was wir in den letzten
Wochen mehrfach, fast täglich, gemacht haben. Und Sie
haben es selbst angesprochen: Wir haben da ein verein-
bartes Verfahren.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das halten Sie aber nicht ein!)


Wenn, wie in diesem konkreten Fall, sieben Personen in
diesem Gremium sind – wir haben eine Berechnung
nach Sainte-Laguë/Schepers vereinbart –, dann ergibt
sich folgende Zusammensetzung, auch orientiert an der
Größe der Fraktionen aufgrund des Wahlergebnisses:
Die Union bekommt drei Sitze, die SPD bekommt zwei,
die Grünen bekommen einen und die Linken bekommen
einen.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Offensichtlich nicht! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir kriegen ja keinen! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Vor 2015 kriegen wir gar keinen Sitz!)


Das bleibt auch so. Ich verstehe überhaupt nicht, wie Sie
auf die Idee kommen, dass man Ihnen diesen Sitz nicht
gönnt. Es bleibt doch dabei.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum fangen wir dann jetzt an, zu zählen?)


Es gibt in diesem konkreten Gremium nur eine Be-
sonderheit – da haben Sie völlig recht –: Es wird zu Be-
ginn der Wahlperiode, anders als die anderen, nicht in
der Gesamtheit neu besetzt, sondern angesichts der Tat-
sache, dass die Mitglieder zu unterschiedlichen Zeit-
punkten ausscheiden, je nachdem, ob ein Platz frei wird,
Schritt für Schritt.


(Zuruf der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nun scheiden drei Mitglieder aus. Im Übrigen sollen nur
die wiedergewählt werden, die schon Mitglieder sind.
Von den drei Sitzen stehen logischerweise, nach den Be-
rechnungen nach Sainte-Laguë/Schepers, zwei der
Union und einer der SPD zu. Und Sie bekommen natür-
lich den Sitz, wenn er frei wird und Ihnen rechnerisch
zusteht – ganz einfach!


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben natürlich bei der Bundestagsverwaltung
Rechtsrat eingeholt, weil ich Ihre Interessen immer sehr
ernst nehme. Egal, ob es Minderheitenrechte oder Ihre
persönlichen Ansichten sind – wir unterhalten uns im-
mer ganz gut.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nein, damit kommen Sie nicht durch! Wir haben einen Vertretungsanspruch!)


Ich gehe gar nicht davon aus, dass nur ich recht habe.
Also haben wir ein vernünftiges, sachverständiges Gut-
achten eingeholt,


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch kein Gutachten!)


und damit haben wir eine profunde Festlegung durch die
Bundestagsverwaltung. Die Kurzfassung dieser Bewer-
tung – –


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gegenrufe von der CDU/CSU)


– Ich weiß, Sie sind jetzt ein bisschen aufgeregt, aber das
müssen Sie sich jetzt auch anhören. – Die Kurzfassung
dieser Bewertung lautet wie folgt: Das Sainte-Laguë/
Schepers-Verfahren ist vereinbart; deswegen ist das, was
Grosse-Brömer und die CDU/CSU und die SPD sagen,
richtig. – Selbst wenn es nicht vereinbart wäre, gäbe es
kein Verfahren, das Ihre Rechtsauffassung widerspiegelt.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Rechtsgutachten ist ein Witz!)


Nur damit das klar ist: Wir haben das gestern im Äl-
testenrat besprochen, und es gab nicht eine Fraktion, die
Ihrer Auffassung ist. Jenseits der Rechtslage will ich Sie
mal eines fragen: Können Sie sich an 2009 erinnern? Da
war es in diesem Gremium folgendermaßen: Frau
Scheel, eine Grüne, hatte einen Sitz inne, und uns stand
er zu. Was haben wir gemacht? Wir haben keine Ge-
schäftsordnungsdebatte geführt, wir haben uns nicht auf-
geregt, sondern haben gewartet, bis die Kollegin aus-
schied, bis ihre Amtszeit abgelaufen war, und dann
haben wir nachbesetzt.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hatten Sie drei Sitze! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Ihnen war es nicht so, dass Sie gar nicht vertreten waren!)


So gehört es sich unter Kollegen. Man sollte sich nicht
permanent hinstellen und Sonderrechte einfordern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)






Michael Grosse-Brömer


(A) (C)



(D)(B)

Ich will Ihnen abschließend sagen: Wir, die Union,
haben die ganze Zeit – das wird auch in den künftigen
Debatten so sein – Wert darauf gelegt, dass die Opposi-
tion Minderheitenrechte bekommt, auch wenn sie Quo-
ren nicht erreicht.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht heute!)


Aber eines müssen Sie sich abgewöhnen: Sonderrechte
für Ihre Fraktion, für Ihre Abgeordneten zu fordern, aus-
gehend von der Annahme, dass Abgeordnete der Grünen
wertvoller sind als Abgeordnete der SPD oder anderer
Fraktionen.


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da machen wir nicht mit, auch wenn Sie hier noch so
viele Geschäftsordnungsdebatten beantragen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Am Thema vorbei!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801200400

Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte zu beachten,

dass wir über den Aufsetzungsantrag abstimmen. Wer
stimmt für den Aufsetzungsantrag? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Der Aufsetzungsantrag ist mit
den Stimmen der Unionsfraktion und der SPD-Fraktion
gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.

Wir verfahren jetzt weiter gemäß der Tagesordnung.
Ich rufe den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 2 auf:

Wahl von Mitgliedern des Verwaltungsrates
der Kreditanstalt für Wiederaufbau gemäß
§ 7 Absatz 1 Nummer 4 des Gesetzes über die
Kreditanstalt für Wiederaufbau

Drucksache 18/398

Dazu liegt ein Wahlvorschlag der Fraktionen der
CDU/CSU und der SPD vor. Wer stimmt für den Wahl-
vorschlag auf Drucksache 18/398? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Der Wahlvorschlag ist ange-
nommen.

Ich rufe nun wieder Tagesordnungspunkt 1 auf:

Regierungserklärung durch die Bundeskanz-
lerin

(Fortsetzung der Aussprache)


Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir am Mittwoch
für die heutige Aussprache insgesamt 3 Stunden und
36 Minuten beschlossen haben.

Wir kommen nun zu den Bereichen Verkehr und di-
gitale Infrastruktur. Das Wort hat der Bundesminister
Alexander Dobrindt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Das Bundesministerium für Mobilität und
Modernität hat Aufgaben, die von zentraler Bedeutung
für die gesellschaftliche Entwicklung unseres Landes
sind.


(Zurufe von der LINKEN)


– Schon Aufruhr beim ersten Satz, nicht schlecht.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Verkehr und digitale Infrastruktur, das sind die He-
rausforderungen, die wir nicht nur rein technisch disku-
tieren dürfen, sondern die wir vor allem gesellschafts-
politisch verantworten und organisieren müssen. Wer
Mobilität organisiert, der organisiert die Lebensadern
unserer Gesellschaft, der stellt die Weichen für Wachs-
tum und zukünftigen Wohlstand in unserem Land.

Es war deswegen ein richtiger Schritt, dass wir die
Bereiche Verkehrsinfrastruktur und digitale Netze in ei-
nem Ministerium gebündelt haben und damit zusammen
denken, zusammen planen und zusammen errichten. Das
ist genau der Ansatz, der mit über die Zukunftschancen
unseres Landes entscheidet und damit über die Zukunfts-
chancen eines jeden Einzelnen von uns. Der Zugang zur
digitalen Welt, der über die Netze organisiert wird, wird
mit ausschlaggebend dafür sein, ob unsere nächste Ge-
neration Zukunftschancen in unserem Land hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich rate dazu, dies unter folgendem Gesichtspunkt zu
sehen: Wenn wir für einen Moment die Technik in den
Hintergrund und die Gesellschaftspolitik in den Vorder-
grund treten lassen, dann kann man feststellen, dass die
Frage der Digitalisierung vor allem eine Frage der Ge-
rechtigkeit ist. Es ist eine Frage der Innovationsgerech-
tigkeit, ob ich heute Zugang zur digitalen Welt habe, und
damit ist es eine Frage der Teilhabegerechtigkeit. Jeder
in unserem Land hat Anspruch darauf, an der neuen
Technologie teilzuhaben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben mit der sozialen Marktwirtschaft Ökono-
mie und sozialen Ausgleich zusammengebracht. Die so-
ziale Marktwirtschaft gibt uns bis heute den Auftrag, die
Ökonomie und die Ökologie sowie nunmehr gerade auch
die Ökonomie und die digitale Revolution zusammenzu-
bringen; denn das ist der Garant für wirtschaftlichen Er-
folg in unserem Land. Neben der Produktivität und der
sozialen Verantwortung wird die Teilhabe an der digita-
len Welt künftig über Wachstum und Wohlstand mit ent-
scheiden.

Dabei darf man sich nicht ausruhen auf dem, was man
schon erreicht hat, darauf, dass wir funktionierende
Netze in den großen Städten haben und große Daten-
mengen transportiert werden können. Wir haben in die-
sem Bereich eine enorme Dynamik zu verzeichnen. Die
Datenmenge, die transportiert werden muss, wird in den
nächsten Jahren sprunghaft ansteigen. 2020 werden wir





Bundesminister Alexander Dobrindt


(A) (C)



(D)(B)

fünfzigmal mehr Daten transportieren und speichern
müssen, als dies zurzeit der Fall ist. Dabei geht es nicht
nur um die Kommunikation, die wir alle mit unseren
Handys ausüben, sondern in erster Linie um die Kom-
munikation der Dinge untereinander. Dadurch werden
Daten produziert. Die selbstständige Kommunikation
der Maschinen untereinander wird Produktionsprozesse
bestimmen. Das, was wir heute als Industrie 4.0 bezeich-
nen, die Modernisierung der Produktionsprozesse mittels
Digitalisierung, ist in vollem Gange. Die wirtschaftliche
Bedeutung der digitalen Infrastruktur ist inzwischen so
groß, dass wir sie neben der Arbeit, neben den Ressour-
cen und neben dem Kapital als vierten Produktionsfaktor
bezeichnen können.

Deswegen dürfen wir in Europa nicht einfach zu-
schauen, wie unser Wirtschaftsraum in diesem Bereich
im Vergleich zu anderen Wirtschaftsräumen, beispiels-
weise dem der Vereinigten Staaten von Amerika oder der
asiatischen Länder, Gefahr läuft, technisch abgehängt zu
werden. Es ist etwas Neues für uns, darüber nachzuden-
ken, was es für uns in Europa bedeutet, technisch abge-
hängt zu werden. In anderen Regionen der Erde haben
wir 50 Prozent mehr Pro-Kopf-Investitionen in die digi-
tale Infrastruktur als in Europa. Das kann uns nicht zu-
friedenstellen. Das heißt, dass die Kluft, die im digitalen
Bereich inzwischen zwischen uns, den Vereinigten Staa-
ten von Amerika und den chinesischen Märkten entstan-
den ist, nicht kleiner, sondern immer größer wird. Es
braucht eine Initialzündung, damit wir eine Aufholjagd
starten können. Deswegen werden wir eine Netzallianz
Digitales Deutschland ins Leben rufen, an der all dieje-
nigen teilnehmen sollen, die willig sind, in unsere digita-
len Netze zu investieren. Wir werden die Rahmenbedin-
gungen so gestalten, dass diese Investitionen in die
Netze in erhöhtem Maße erfolgen können und das Vor-
haben erfolgreich ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass
wir bis 2018 ein flächendeckendes Breitbandnetz mit
50 Megabit pro Sekunde in Deutschland haben wollen.
Neben dem Ausbau des Glasfaserkabelnetzes wird man
dafür weitere Techniken benötigen. Wir gehen davon
aus, dass dieser schnelle Datenzugang in der Fläche nur
dann zu erreichen ist, wenn man Hybridtechniken ein-
setzt, das heißt, die Nutzung unterschiedlicher Netzzu-
gänge gleichzeitig möglich ist.

An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit wahrneh-
men, für die ausgesprochen gute Zusammenarbeit mit
dem Wirtschaftsministerium zu danken. Das ist nicht im-
mer eine Selbstverständlichkeit.


(Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin: Bei uns schon! – Beifall bei der SPD)


– Mit dem Bundeswirtschaftsministerium schon, habe
ich gerade gehört.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sigmar Gabriel scheint das Thema nicht so wichtig zu sein!)

– Ich kann ja verstehen, dass Sie Zweifel daran haben,
dass wir gut zusammenarbeiten können. Glauben Sie
mir: Der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und
ich haben in dieser Frage exzellent zusammengearbeitet.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da passt kein Blatt dazwischen!)


Wir haben uns in der bedeutenden, entscheidenden in-
haltlichen Frage, wer zukünftig für die Frequenzpolitik
zuständig ist – die Frequenzpolitik kann ein Schlüssel
sein, wenn es darum geht, in der Fläche eine echte Breit-
bandversorgung zu haben –, geeinigt. Das BMVI ist zu-
künftig für die digitale Dividende und die Frequenzpoli-
tik zuständig. Das ist in unser beider Interesse. Es liegt
in der gemeinsamen Verantwortung des Bundeswirt-
schaftsministers und mir, dass wir mit dieser Strategie
am Schluss im Sinne der Bevölkerung Deutschlands er-
folgreich sind und eine flächendeckende Breitbandver-
sorgung haben. Deswegen danke schön an den Bundes-
wirtschaftsminister dafür, dass dies gelungen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Sie sehen, wir nehmen diese Herausforderung ernst.
Ich erwarte nicht, dass dies einfach gelingen kann. Des-
wegen ist es umso wichtiger, dass man seine Kompeten-
zen an dieser Stelle bündelt. Nicht nur in der Politik,
sondern auch in der Wirtschaft wird es darum gehen, ob
man die Kompetenzen bündeln kann. Wenn Sie sich
heute anschauen, welche Topunternehmen es in der digi-
talen Welt gibt, dann werden Sie darunter kaum noch ein
europäisches Unternehmen finden. Der Wettbewerb fin-
det heute zwischen Amerika und den asiatischen Län-
dern statt.

Wer zukünftig Wertschöpfung generieren will, der
wird sich an der Spitze der technischen Entwicklung be-
wegen müssen.


(Beifall des Abg. Andreas G. Lämmel [CDU/ CSU])


Dies ist nicht nur eine rein finanzielle Frage, sondern es
ist auch eine Frage der Sicherheit. Ich trete da dem Bun-
desinnenminister nicht zu nahe, weil auch wir in diesem
Bereich an einem gemeinsamen Strang ziehen.


(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der ist ja auch nicht da!)


Gesetze sind das eine, das Know-how über die Technik
ist das andere. Wenn wir in Europa die Kompetenz ver-
lieren, die digitale Technik zu verstehen, und sie nur
noch konsumieren, dann ist auch die Sicherheitsfrage
nicht lösbar. Deswegen müssen wir uns Kompetenz an
dieser Stelle zurückerarbeiten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich sage Ihnen: Eine Aufgabe der Netzallianz wird
sein, das Interesse derjenigen, die heute in dieser Bran-
che, in der digitalen Welt wirtschaftlich unterwegs sind,
zu wecken und zu fördern, in der digitalen Champions
League mitzuspielen. Dabei geht es für uns in der Tat um
eine digitale Souveränität Europas. Ein Kontinent, der
davon lebt, dass er Spitzentechnologien entwickelt, und
in der Welt mit dabei ist, wenn es darum geht, Spitzen-





Bundesminister Alexander Dobrindt


(A) (C)



(D)(B)

technologien zu nutzen, kann schlichtweg nicht akzep-
tieren, dass er in einem bedeutenden Feld der Zukunft,
nämlich der digitalen Modernisierung, nicht ganz vorne
mitspielt. Deswegen müssen wir unsere digitale Souve-
ränität in Europa verteidigen, auch gegenüber anderen
Ländern der Erde.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Modernisierung ist übrigens auch das Schlüsselwort,
wenn es um die klassische Infrastruktur geht: um die
Straßen, um die Schienen, um die Wasserwege und um
den Luftverkehr. Das wollen wir nicht isoliert betrach-
ten, sondern es geht um ein vernetztes Mobilitätsange-
bot. Wir werden unsere Infrastruktur nicht nur sichern
müssen – wir haben ja gut ausgebaute Netze im Bereich
der Straßen, der Bahnen und der Wasserwege –, sondern
wir wollen sie auch weiterhin ausbauen.

Wir haben gerade in diesen Tagen über 20 Jahre
Bahnreform diskutiert und sie gefeiert. Die Bilanz ist im
Grundsatz sehr positiv. Trotz aller Konkurrenz durch das
Auto, den Flugverkehr und inzwischen auch durch Fern-
buslinien nimmt die Attraktivität der Bahn weiter zu.
Die Fahrgastzahlen steigen weiter an. Wir wollen das
System der Schiene stärken und es weiter ausbauen, um
einen verlässlichen und sicheren Schienenverkehr zu ha-
ben. Das ist notwendig, weil wir ein Höchstmaß an Mo-
bilität für alle garantieren müssen. Mobilität ist ein
Grundrecht, und zu Recht fordern die Menschen in die-
sem Land eine funktionierende Mobilitätsinfrastruktur
ein.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht das im Grundgesetz, Herr Dobrindt?)


Ich habe in den letzten Tagen bei den Gesprächen mit
Vertretern der Bahn deutlich darauf hingewiesen, dass
die Bahn inzwischen mehr als ein Reisemittel, mehr als
ein Transportmittel geworden ist. Sie ist für viele ein
mobiler Arbeitsplatz geworden. Deswegen hat die Bahn
die Verantwortung, die digitale Modernisierung voran-
zutreiben. WLAN an den Bahnhöfen, leistungsfähige In-
ternetanschlüsse in den Zügen – das entspricht einer mo-
dernen Kundenorientierung. Wir können von der Bahn
verlangen, dass sie hier besser wird und dafür sorgt, dass
diese modernen Technologien in die Bahn Eingang fin-
den.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen die leistungsfähige Schieneninfrastruktur
erhalten und ausbauen. Dafür sind weiterhin Investitio-
nen notwendig. Wir werden in den nächsten Monaten
mit der Deutschen Bahn AG in die Verhandlungen über
eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung eintre-
ten und wollen darin die finanziellen Rahmenbedingun-
gen für den Erhalt dieser Infrastruktur festlegen. Ich will
in diesem Zusammenhang auch festhalten: Wir stehen
genauso zu einem gesunden und funktionierenden Wett-
bewerb auf der Schiene wie zum integrierten Konzern
Deutsche Bahn AG.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wir haben uns innerhalb der Koalition auf zusätzliche
Infrastrukturinvestitionsmaßnahmen in Höhe von 5 Mil-
liarden Euro geeinigt. Das ist ein wesentlicher Beitrag,
um die Substanzsicherung unserer Verkehrswege voran-
zutreiben. Davon müssen alle Bereiche profitieren, so-
wohl die Straße als auch die Schiene und die Wasser-
wege.

Wir werden einen erheblichen Teil dieser Mittel für
Erhaltungsmaßnahmen einsetzen. Das wiederum heißt,
dass die Spielräume für den Neubau natürlich nicht gren-
zenlos sein werden. Deswegen ist es unsere Aufgabe, für
weitere finanzielle Spielräume zu sorgen. Dies geht nur,
wenn wir die Weiterentwicklung der Nutzerfinanzierung
vorantreiben. Das betrifft auf der einen Seite die Lkw-
Maut, die wir, wie im Koalitionsvertrag vereinbart,
Schritt für Schritt ausweiten werden. Das betrifft auf der
anderen Seite die Pkw-Maut, über die wir von den Hal-
tern nicht in Deutschland zugelassener Pkw einen ange-
messenen Beitrag erheben werden mit der Maßgabe,
dass kein Halter eines in Deutschland zugelassenen
Fahrzeugs stärker belastet wird als heute. Einen genau
dies beinhaltenden Gesetzentwurf werde ich vorlegen.
Er wird europarechtskonform sein. Etwas anderes gibt es
mit mir auch nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sören Bartol [SPD] – Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tosender Applaus bei der SPD! – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Ich habe nichts gehört!)


– Ich freue mich, wie euphorisch sich die Grünen schon
wieder diesem Thema nähern.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir warten die ganze Zeit darauf, dass Sie etwas dazu sagen!)


– Betrachten Sie es doch einfach einmal ganz unideolo-
gisch.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und das ausgerechnet aus Ihrem Munde! – Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wir sind gespannt!)


Wenn in fast allen unseren Nachbarländern die deut-
schen Autofahrer über eine Nutzerabgabe ganz selbst-
verständlich an der Finanzierung der funktionierenden
Infrastruktur beteiligt werden, dann ist es doch nur eine
Frage der Gerechtigkeit, dass Fahrer aus dem Ausland,
die unsere Infrastruktur in Deutschland nutzen, auch am
Erhalt mit beteiligt werden. Um mehr geht es doch gar
nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Andrea Wicklein [SPD] – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch eine Frage der Gerechtigkeit! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, ja, starker Auftritt sieht anders aus! – Gegenruf des Abg. Sören Bartol [SPD]: Was hast du heute gefrüh Bundesminister Alexander Dobrindt stückt? – Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist doch so!)





(A) (C)


(D)(B)


Wir haben das Zukunftsprojekt Elektromobilität auf
die Agenda gesetzt. Dafür wurden in der Vergangenheit
die Weichen schon gut gestellt. Die deutschen Autoher-
steller haben angekündigt, dass in diesem Jahr 16 ver-
schiedene Modelle auf dem Elektroautomarkt verfügbar
sein werden. Es gab allein im letzten Jahr einen Zuwachs
von 32 Elektrofahrzeugmodellen auf dem deutschen
Markt. Inzwischen sind über 104 000 Elektrofahrzeuge
in Betrieb. Das zeigt: Die Elektromobilität beginnt zu
wachsen. Das ist ein ermutigender Schritt.

Das heißt aber auch: Wir müssen neue Anreize setzen,
damit noch mehr dieser Autos schneller auf den Markt
kommen. Deswegen bringen wir ein Elektromobilitätsge-
setz auf den Weg, in dem wir vor allem Privilegien für
Halter und Fahrer von Elektrofahrzeugen schaffen wie
zum Beispiel Sonderparkplätze oder die Möglichkeit zur
Nutzung von Sonderfahrspuren.

Alles, was hilft, zu überzeugen, dass Elektromotoren
ein Automobilantrieb der Zukunft in unserer mobilen
Gesellschaft sind, ist es, glaube ich, wert, dass man es
organisiert und mit auf den Weg bringt. An dieser Stelle
wollen wir den Mehrwert der Elektromobilität über den
reinen Umwelt- und Energiegedanken hinaus herausstel-
len.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801200500

Herr Minister, wenn Sie als Abgeordneter sprechen

würden, müsste ich Sie schon seit zwei Minuten auffor-
dern, zum Schlusspunkt zu kommen.


(Heiterkeit)


Sie können natürlich weitersprechen; ich mache Sie aber
darauf aufmerksam, dass das Konsequenzen für die Re-
dezeit der Mitglieder Ihrer Bundestagsfraktion hat.

Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:

Frau Präsidentin, ich weiß; aber ich habe zwölf Jahre
darauf gewartet, einmal die Chance zu haben, hier länger
zu reden, als mir erlaubt ist. Diese Chance will ich jetzt
nutzen.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Heiterkeit bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801200600

Gut. Ich gehe davon aus, dass Ihre Fraktion jedes Ver-

ständnis dafür hat und die daraus folgenden Veränderun-
gen klaglos trägt.

Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:

Danke schön. – Die öffentliche Hand muss mit gutem
Beispiel vorangehen und in die Elektromobilität inves-
tieren und dafür sorgen, dass die Fuhrparks Stück für
Stück umgestaltet werden. Nur so kann auch ein funktio-
nierender Gebrauchtwagenmarkt entstehen. Er ist ein
Schlüssel dafür, dass diese Autos in breiter Masse zur
Verfügung stehen werden.

Ich glaube an die Elektromobilität. Gerade die Elek-
tromobilität kann ein Element sein, um den Modernisie-
rungsprozess unseres Landes mit voranzutreiben. Elek-
tromobilität auf der einen Seite und Digitalisierung auf
der anderen Seite, das ist ein Beispiel dafür, dass in den
Akzenten, die wir in diesem Jahr setzen, die Themen
Mobilität und Modernität eng miteinander verknüpft
sind. Wir sind fest entschlossen, Mobilität und Moderni-
tät weiterzuentwickeln – im Sinne von Wachstum und
Wohlstand in unserem Land.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801200700

Das Wort hat die Kollegin Sabine Leidig für die Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Sabine Leidig (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801200800

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Ich will aus dem weiten Feld der Verkehrspolitik drei
Themen ansprechen: die Straße, die Bahn und den
ÖPNV.

Vorab will ich aber sagen, dass mich Herr Dobrindt
überrascht hat: Herr Dobrindt, Sie haben über Infrastruk-
tur und Netze viel interessanter gesprochen,


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)


als ich es bisher vom Verkehrsminister gekannt hatte.

Ob der Ausschuss für Mobilität und Modernität, wie
Sie ihn nennen, der spannendste in dieser Legislatur-
periode wird, das wird sich zeigen. Sie haben festge-
stellt, dass es nicht um technische Fragen gehe, sondern
darum, wie der gesellschaftliche Prozess gestaltet werde;
dass es um die Wege gehe, auf denen Menschen und Gü-
ter zusammenkommen; und dass Teilhabegerechtigkeit
ein wichtiges politisches Ziel sei. – D’accord, das passt
hervorragend zu den Anforderungen, die wir an eine
gute Verkehrspolitik stellen. In der Tat werden auf die-
sen Gebieten die Weichen für die Zukunft gestellt.

Das heißt aus unserer Sicht: Wir brauchen Mobilität
für alle – aber mit weniger Verkehr! Das betrifft zum
Beispiel den gesellschaftlichen Prozess der Produktion
und Verteilung von Waren. Mit den Lkw-Lawinen, die
heute durchs Land rollen, mit immer mehr Lärm, Dreck,
Staus und kaputten Straßen muss irgendwann Schluss
sein. Wir wissen alle, dass der zerstörerische Klimawan-
del durch den motorisierten Verkehr entscheidend befeu-
ert wird.

In Ihrem Koalitionsvertrag steht allerdings nichts,
was zeigen würde, dass Sie sich dieser Probleme be-
wusst wären, im Gegenteil – ich zitiere –:

Das Netzwerk Güterverkehr und Logistik werden
wir weiter festigen …





Sabine Leidig


(A) (C)



(D)(B)

Sie gehen einfach davon aus, dass der Lkw-Verkehr in
den nächsten 15 Jahren um 70 Prozent wächst. Das ist
Transportwahnsinn und den wollen Sie ausbauen mit Ih-
rer Nutzerfinanzierung. Das wollen wir nicht.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir brauchen endlich so etwas wie eine regionale Struk-
turpolitik, damit Produkte wie Milch, Zucker, Bier, Tier-
futter usw. nicht durch ganz Europa gekarrt werden, son-
dern regional auf den Markt kommen. Es müssen doch
nicht fünf verschiedene Paketdienste eine Ortschaft an-
fahren, es wäre doch sinnvoll, eine Bündelung vorzuneh-
men, bevor verteilt wird. Die Linke will, dass schädli-
cher Verkehr vermieden wird.


(Beifall bei der LINKEN)


Das gilt auch im Personenverkehr. Die Leitidee muss
sein, den gesellschaftlichen Prozess so zu gestalten, dass
die Leute möglichst kurze Wege haben zur Arbeit, zur
Schule, zum Arzt, zum Einkaufen oder zum Freizeitver-
gnügen. Mehr Grünanlagen, Raum für Fahrräder und au-
tofreie Zonen in den Städten sind in jeder Hinsicht sinn-
voll. Aber nichts dergleichen findet sich in Ihren
verkehrspolitischen Zielen.

Es ist bezeichnend und bedauerlich, dass Fußgänger
auch in diesem Koalitionsvertrag überhaupt nicht vor-
kommen – das war schon bei der letzten Regierung so –,
obwohl die meisten Menschen die meisten ihrer Wege zu
Fuß zurücklegen und obwohl diese Fortbewegungsart
genauso wie das Fahrradfahren am umweltfreundlichs-
ten ist.


(Beifall bei der LINKEN)


Auch zum Radverkehr steht nur ein ganz dürrer Satz
im Koalitionsvertrag ohne konkrete Ansagen zur För-
derung. Dabei gibt es in diesem Bereich einen riesen-
großen Bedarf, auch weil viele Kommunen selbst beim
besten Willen nicht das Geld haben, um Radwege auszu-
bauen und gute Abstellplätze einzurichten.

Hier besteht übrigens ein großes Feld für Elektro-
mobilität, wo sie wirklich sinnvoll ist. Die Zahl von E-
Bikes und Pedelecs könnte deutlich steigen, wenn es
eine vernünftige Infrastruktur gäbe. Elektroautos werden
uns an dieser Stelle nicht aus den Problemen herausfüh-
ren.

Deshalb stimmen wir auch nicht in den Chor derjeni-
gen ein, die einfach mehr Geld für Infrastruktur fordern.
Denn es kommt darauf an, was man daraus macht.


(Beifall bei der LINKEN)


Nun zur Bahn. Ich begrüße es sehr, Herr Dobrindt,
dass Sie als Verkehrsminister endlich kontrollieren und
durchsetzen wollen, dass die Steuergelder in der Tat
auch für die Infrastruktur in diesem Bereich eingesetzt
werden. Das Bahnnetz ist an vielen Stellen inzwischen
nun wirklich in einem desolaten Zustand; darauf hat der
Bundesrechnungshof bereits zur Genüge hingewiesen.
Es freut uns, wenn endlich Druck auf die Bahn ausgeübt
wird, dass das Steuergeld auch vollständig für das Bahn-
netz verwendet und nicht als Gewinn in der Bilanz ver-
bucht wird.
Allerdings wird das nicht genügen. Der Beherr-
schungsvertrag zwischen dem Bahnkonzern und den Be-
reichen Netz und Bahnhöfe ist eine Fehlkonstruktion
und wird das auch bleiben. In der Konzernplanung, die
ja vom Aufsichtsrat und damit von der Bundesregierung
abgesegnet wird, ist vorgesehen, dass steigende Ge-
winne von DB Netz und DB Station & Service an die
Holding fließen. Das müssen Sie ändern.

Aber das ist nicht das Einzige. Herr Minister
Dobrindt, dass Sie die Bahn modernisieren und die digi-
tale Welt in den Zug holen wollen, ist prima – für Abge-
ordnete und Geschäftsleute vor allem. Aber wissen Sie,
dass die meisten Bahnreisenden, die Mütter mit Kindern,
die Beschäftigten, die Jungen und die Alten, im Nahver-
kehr unterwegs sind, abseits der großen Magistralen? Da
gibt es ganz andere Probleme. Der Zustand vieler Bahn-
höfe ist beklagenswert: ohne Warteraum, ohne Toilette,
mit Durchgängen, in denen es tropft, manche vergam-
melt und verschlossen und viele ganz und gar nicht bar-
rierefrei. Ich lade Sie ein, mit mir einmal durch das Kin-
zigtal von Hanau nach Schlüchtern zu fahren. Dort
dokumentieren die Auszubildenden der Kreisverwaltung
seit Jahren die Missstände an den Bahnhöfen. Es passiert
nichts.

Wissen Sie, dass jede Bahnstation mit weniger als
1 000 Zustiegen pro Tag von Herrn Gruber einfach als
stufenfrei deklariert werden darf, obwohl ein Rollstuhl-
fahrer oder eine Mutter mit Kinderwagen keine Chance
hat, die steilen Treppen zum Bahnsteig zu überwinden?
Das ist zynisch. Wir verlangen ein Bahnhofsprogramm,
mit dem alle Stationen für alle Bürgerinnen und Bürger
zugänglich und kundenfreundlich gestaltet werden.


(Beifall bei der LINKEN)

Und noch etwas: Es gibt ein Bahnhofsprojekt, mit

dem mindestens 6 Milliarden Euro buchstäblich vergra-
ben werden sollen, das dem Schienenverkehr mehr scha-
det als nützt, weil ein Engpass gebaut wird und weil das
Geld an tausend anderen Stellen fehlt. Stuttgart 21 ist
nicht nur dauerhafter Zankapfel in und um Stuttgart, das
Projekt ist auch unwirtschaftlich und nicht nur finanziell
auf Sand gebaut. Noch immer ist ein Aus- und Umstieg
möglich. Herr Minister, ich empfehle Ihnen sehr: Rich-
ten Sie sich nicht in den Schützengräben ein, die Ihr Kol-
lege Pofalla betoniert hat, sondern beraten Sie sich mit
den Expertinnen und Experten aus der dortigen Bürger-
bewegung.

Sie sehen es außerdem als wichtige Aufgabe an, den
Wettbewerb auf der Schiene voranzubringen. Ich bitte
Sie: Vielerorts wäre man froh, wenn überhaupt ein Zug
fahren würde. Inzwischen sind ganze Regionen vom
Bahnverkehr abgehängt. Die Teilhabegerechtigkeit, Herr
Minister Dobrindt, die Sie für den Internetzugang for-
dern, muss auch für die Mobilität gelten.


(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben politische Planziele ausgesprochen. Das

finde ich hervorragend. Solche politischen Planziele
brauchen wir auch für den Ausbau des ÖPNV: mindes-
tens stündliche Bus- und Bahnverbindungen auch im
ländlichen Raum,


(Beifall bei der LINKEN)






Sabine Leidig


(A) (C)



(D)(B)

kurze Wege zur nächsten Haltestelle, integraler Taktfahr-
plan und einheitliche Tarifbedingungen im ganzen Land, –


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801200900

Frau Kollegin Leidig, achten Sie bitte auf die Zeit.


Sabine Leidig (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801201000

– Fahrpreise, die sich alle leisten können, Abbau von

Barrieren. Das ist möglich und nötig für einen guten
ÖPNV für alle, und das wären moderne Weichenstellun-
gen, für die sich die Linke engagiert.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801201100

Das Wort hat der Kollege Sören Bartol für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Sören Bartol (SPD):
Rede ID: ID1801201200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue
mich, dass wir heute hier im Deutschen Bundestag in
einer offenen Debatte darüber diskutieren, was die bes-
ten Konzepte im Bereich „Mobilität und digitale Infra-
struktur“ sind, um die Probleme in unserem Land anzu-
gehen.

Sehr geehrter Herr Minister, herzlichen Dank für Ihre
erste Rede als neuer Bundesminister für Verkehr und di-
gitale Infrastruktur, in der Sie viele wichtige Themen der
Koalitionsfraktionen aufgegriffen haben. Ich finde,
„Mobilität und Modernität“ ist ein gutes Credo, das auch
die Aufgabe Ihres Hauses treffend beschreibt. Ich will
aber hinzufügen: Ich glaube, wir beide sind uns einig,
dass Mobilität ebenfalls sehr modern sein kann. Denken
Sie alleine an intelligente Verkehrsleitsysteme oder neue
Carsharing-Modelle. – Herr Dobrindt, wir freuen uns auf
die Zusammenarbeit mit Ihnen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich möchte diese Debatte zunächst damit verbinden,
die Kolleginnen und Kollegen der Opposition, die heute
schon sehr rege sind,


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Koalition schläft ja auch!)


zu einer fairen und offenen Zusammenarbeit einzuladen.
Ich glaube, wir sollten den Geist der überfraktionellen
Zusammenarbeit, den wir in der letzten Legislaturpe-
riode auch im Ausschuss gepflegt haben, besonders in
Zeiten der Großen Koalition unbedingt auch weiterhin
pflegen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


– Etwas Applaus von der Opposition wäre jetzt gar nicht
so schlecht gewesen.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Sehr geehrte Damen und Herren, Mobilität und das
Internet prägen weite Teile unseres Lebens. Morgens
und abends nutzen Millionen von Pendlerinnen und
Pendlern die Bahn und den ÖPNV, um von zu Hause zur
Arbeit zu kommen. Tagsüber ist bei vielen das Arbeiten
ohne schnellen Internetzugang nur noch schwer mög-
lich.

Deutschland hat als starke Wirtschaftsnation im Ver-
kehrssektor und auch bei der digitalen Infrastruktur be-
reits viel erreicht, und doch reicht das noch nicht aus.

Zu Recht ärgern sich die Passagiere darüber, wenn die
Deutsche Bahn unpünktlich und der nächste Anschluss
einfach weg ist. Zu Recht kritisieren die Autofahrer, dass
sie im Stau stehen und sich nach dem Winter große
Schlaglöcher auftun. Zu Recht regt es die Bürgerinnen
und Bürger auf, wenn sie das Gefühl haben, dass das
Geld an der falschen Stelle in die Verkehrswege inves-
tiert wird. Zu Recht fühlen sich Anwohner vom Lärm
lauter Güterwagen belästigt und fordern, dass sie nachts
endlich wieder ordentlich schlafen können.


(Gustav Herzog [SPD]: Sehr richtig!)


Zu Recht sind wir alle genervt, wenn wir vor dem Com-
puter sitzen, die Datenübertragung im Internet zur
Schnecke wird und der Tatort am Ende an der span-
nendsten Stelle auch noch stoppt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Wählerinnen
und Wähler haben am 22. September 2013 entschieden
und uns alle damit beauftragt, diese Probleme zu lösen.
SPD, CDU und CSU haben diesen Wählerauftrag auch
angenommen. Die Koalitionsparteien haben in langen
und auch harten Verhandlungen um gemeinsame Lösun-
gen gerungen.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat lange gedauert! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viel zu lange!)


Ich finde, mit dem Koalitionsvertrag haben wir ein Ar-
beitsprogramm für die nächsten vier Jahre, dessen Um-
setzung die Mobilität und auch den Zugang zum Internet
verbessern wird.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Pendlerinnen und Pendler können sich darauf
verlassen, dass wir die Deutsche Bahn als Eigentümer in
Zukunft besser steuern werden. Dazu werden wir ein
neues Steuerungskonzept des Bundes für die Deutsche
Bahn AG erarbeiten und, Frau Leidig, auch dafür sor-
gen, dass die Gewinne, die im Bereich der Infrastruktur
erwirtschaftet werden, am Ende natürlich auch dort wie-
der reinvestiert werden.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das wäre ja mal etwas Neues!)


Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit müssen wieder
zum Markenzeichen der Deutschen Bahn werden. Ich





Sören Bartol


(A) (C)



(D)(B)

finde, dazu gehört auch – auch das steht im Koalitions-
vertrag –, dass die Boni des Bahnvorstandes in Zukunft
zum Beispiel stärker an das Erreichen dieser Ziele ge-
bunden sind.


(Beifall bei der SPD)


Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler können da-
rauf vertrauen, dass wir ihre Steuergelder und auch
Mautzahlungen in Zukunft nur noch dort investieren, wo
sie am Ende den höchsten Nutzen für das gesamte Ver-
kehrsnetz haben. Die Koalitionsfraktionen haben verein-
bart, dass in Zukunft 80 Prozent der Investitionsmittel in
den Neu- und Ausbau von Projekten investiert werden,
die von überregionaler und nationaler Bedeutung sind.
Das Bauen ausschließlich nach Himmelsrichtung gehört
damit der Vergangenheit an.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Die Autofahrerinnen und Autofahrer können sicher sein,
dass wir mehr in bröckelnde Brücken und löchrige Stra-
ßen investieren werden. Wir haben ganz klar gesagt: Er-
halt wird vor Ausbau gehen.


(Beifall bei der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher soll das Geld kommen?)


Wir werden die Nutzerinnen und Nutzer, die die Stra-
ßen am meisten beanspruchen, stärker an der Finanzie-
rung des Erhalts der Straßen beteiligen. CDU/CSU und
SPD haben miteinander fest vereinbart, dass die Lkw-
Maut in dieser Legislaturperiode auf alle außerörtlichen
Bundesfernstraßen ausgedehnt wird, und die zusätzli-
chen Einnahmen sollen eins zu eins in die Infrastruktur
investiert werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich persönlich denke, Herr Dobrinth, dass wir schnell zu
grundsätzlichen Entscheidungen kommen müssen, mit
welchen Partnern wir die Ausdehnung der Lkw-Maut bis
zum Ende dieser Legislaturperiode wirklich umsetzen
können.

Die Bevölkerung an den Hauptbahnstrecken kann da-
rauf vertrauen, dass wir alles dafür tun werden, dass ab
dem Jahr 2020 keine lauten Güterwagen mehr durch
Deutschland fahren; denn auch dies ist eine klare Verein-
barung der Koalitionsfraktionen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Bereits in zwei Jahren werden wir schauen, wie viele
laute Güterwagen bis dahin umgerüstet sind. Wir haben
vereinbart, dass wir dann, wenn bis dahin nicht mindes-
tens die Hälfte der Wagen mit neuen leisen Bremsen aus-
gerüstet ist, in dieser Legislaturperiode darüber diskutie-
ren, aber auch entscheiden müssen, ob wir zum Beispiel
in Deutschland ein Nachtfahrverbot für lärmende Güter-
wagen verhängen.


(Beifall bei der SPD)

Die Gesellschaft in unserem Land kann darauf bauen,
dass wir die digitale Spaltung zwischen Stadt und Land
nicht auf sich beruhen lassen werden. Wir wollen ein In-
ternet für alle. Die Koalitionsfraktionen werden alles da-
für tun, dass die Breitbandversorgung in unserem Lande
besser wird. Ich glaube, wir alle haben uns dort ambitio-
nierte Ziele gesetzt.

Zum Schluss. Aus den Vereinbarungen des Koali-
tionsvertrages müssen jetzt konkrete Projekte werden.
Ich finde, wir alle haben genug miteinander verhandelt,
miteinander gerungen, teilweise auch miteinander gere-
det. Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land wol-
len jetzt Taten sehen. Deswegen freue ich mich darauf,
wenn wir uns jetzt alle gemeinsam an die Arbeit ma-
chen. Los geht’s!

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801201300

Das Wort hat der Kollege Stephan Kühn für die Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen.

Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Die Große Koalition – das hat die Rede des neuen Ver-
kehrsministers eindrucksvoll bestätigt – verweigert sich
den zentralen verkehrspolitischen Herausforderungen.

Sie haben gesagt, Sie wollen Ökonomie und Ökologie
zusammenbringen. Das Thema Energiewende im Ver-
kehr und Verringerung der hohen Erdölabhängigkeit des
Verkehrssektors kommt im Koalitionsvertrag praktisch
nicht vor.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es werden keine übergeordneten Ziele für die Verringe-
rung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor genannt.
Die Große Koalition versteht Verkehrspolitik fast aus-
schließlich als Instrument der Wirtschaftspolitik.

Die Begriffe „Klimaschutz“ und „Nachhaltigkeit“
tauchen noch nicht einmal im Prosateil des Koalitions-
vertrages auf. Ich habe sie auch in Ihrer Rede nicht ge-
hört. Wer Klimaschutz im Verkehrsbereich nicht als die
zentrale Gestaltungsaufgabe begreift, wird den Heraus-
forderungen nicht gerecht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Sich zu dem Ziel zu bekennen, bis 2020 die Zahl von
1 Million batterieelektrischen Fahrzeugen zu erreichen,
reicht nicht und hat die gleiche Qualität wie der Satz im
Koalitionsvertrag: Wir bekennen uns zum Bau des Berli-
ner Hauptstadtflughafens.


(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Bau, nicht zur Fertigstellung!)






Stephan Kühn (Dresden)



(A) (C)



(D)(B)

Ich komme zu Ihrem Vorschlag, Herr Dobrindt, dass
Elektroautos in den Städten die Busspuren zustellen dür-
fen. Gerade die öffentlichen Verkehrsmittel sind die Pro-
blemlöser bei der Energiewende. Sollen sie jetzt auch
noch ausgebremst werden?


(Gustav Herzog [SPD]: Sie sollen die Busspuren nutzen, nicht zuparken!)


Welchen Stellenwert der Umweltverbund in der Großen
Koalition hat, wird schon daran erkenntlich, dass der
Führerscheinentzug als Alternative zu Freiheitsstrafen
eingeführt werden soll. Ich übersetze das einmal: Bus-
und Bahnfahren, Radfahren und Zu-Fuß-Gehen wird zur
allgemeinen Strafe erklärt.

Kein Wunder also, dass im Koalitionsvertrag die so-
ziale Dimension von Mobilität, nämlich die gesellschaft-
liche Teilhabe von Menschen durch bezahlbare Mobilität
in Stadt und Land zu sichern, maximal ein Randthema
ist. Verbraucherschutz findet man im Koalitionsvertrag
auch nicht. Ich habe lange etwas zu dem Thema Fahr-
gastrechte gesucht, aber nichts gefunden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Mit der Diskussion um eine Pkw-Maut für Ausländer
lenken Sie geschickt von den eigentlichen Problemen bei
der Infrastrukturfinanzierung ab.


(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! So ist es!)


Während das Wunschprojekt der bayerischen Regional-
partei im Koalitionsvertrag verankert wurde, wird der
von der Bodewig-Kommission ausgewiesene Sanie-
rungsbedarf bei der Infrastruktur in Höhe von jährlich
7 Milliarden Euro zusätzlich für alle Verkehrsträger in
Bund, Ländern und Gemeinden mit keiner Silbe er-
wähnt.

Selbst wenn dem Berliner Statthalter von Horst
Seehofer die Quadratur des Kreises gelingt, nämlich eine
Vignette für im Ausland zugelassene Fahrzeuge, europa-
rechtskonform und ohne Mehrbelastung für deutsche
Fahrzeughalter, löst sie in keiner Weise den Sanierungs-
stau bei Straßen, Schienen und Brücken auf.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Leider schließt sich Schwarz-Rot nicht dem sinnvol-
len Vorschlag der Bodewig-Kommission an, einen
Fonds mit jährlich 2,7 Milliarden Euro für die nachho-
lende Sanierung aufzulegen. Über die gesamte Legisla-
turperiode von vier Jahren wäre also der Bedarf für die
Bundesinfrastruktur für nachholende Sanierung etwa
10,8 Milliarden Euro. Das wäre mehr als doppelt so viel
wie das, was derzeit eingestellt werden soll, nämlich
5 Milliarden Euro in vier Jahren.

Nach Ihrer Rede, Herr Minister, hat man den Ein-
druck, Sie wollen uns weismachen, mit Ihren Digitalisie-
rungsplänen könnte man die Schlaglöcher in den Straßen
stopfen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, das funktioniert nicht. Sie wollen Minister
für virtuelle Realitäten werden. Den Zahn werden wir
Ihnen ziehen.

Wie passt es, dass Sie jetzt auf Datenautobahnen statt
Autobahnen setzen, damit zusammen, dass ausgerechnet
Ihr Heimatbundesland Bayern für den neuen Bundesver-
kehrswegeplan Straßenprojekte mit einem Volumen von
16 Milliarden Euro – also genug Projekte für die nächs-
ten 150 Jahre – eingereicht hat?


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was?)


Wie ernst meinen Sie es mit der Festlegung im Koali-
tionsvertrag zum neuen Bundesverkehrswegeplan, wo-
nach 80 Prozent der Mittel für Neu- und Ausbau in den
Vordringlichen Bedarf Plus, also in das Kernnetz, fließen
sollen?


(Gustav Herzog [SPD]: Ganz einfach! Wir machen den Plan, nicht die Bayern!)


Nur dass wir uns richtig verstehen: Die Abkürzung
BVWP steht nicht für „Bayerischer Verkehrswegeplan“,
sondern für Bundesverkehrswegeplan.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Mit Blick auf den Bundesverkehrswegeplan ist das
Bekenntnis zum Deutschland-Takt lobend hervorzuhe-
ben. Ebenso ist es zu begrüßen, dass Sie sich jetzt den
Zustand des Schienennetzes und damit den zweckge-
rechten Einsatz der Bundesmittel für den Erhalt genauer
ansehen wollen. Aber das ist leider nicht ausreichend.
Wir brauchen bei der Überprüfung des bestehenden
Bahnnetzes endlich strecken- und stationsgenaue über-
prüfbare Qualitätsmerkmale statt nichtaussagekräftiger
Durchschnittswerte. Sie können die Testfahrzeuge noch
so viele Kilometer weit durch die Lande schicken: Wenn
wir keine Qualitätsparameter festgelegt haben, werden
wir den Zustand nicht genau ermitteln können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Genug gelobt; denn beim Nahverkehr auf der Schiene
sieht es ganz anders aus. Es gibt keine klaren Aussagen
zur Erhöhung der Regionalisierungsmittel. Die Zukunft
der Finanzierung des öffentlichen Verkehrs wird an eine
Bund-Länder-Kommission delegiert, die vielleicht ir-
gendwann am Ende der Legislaturperiode Ergebnisse
bringt. So schaffen Sie keine langfristige Planungs-
sicherheit für Kommunen, kommunale Verkehrsunter-
nehmen und Aufgabenträger. Eine Offensive für den öf-
fentlichen Verkehr sieht anders aus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Interessant ist, dass die Große Koalition beim Schienen-
lärm sogar mit Nachtfahrverboten droht; beim Luftverkehr
darf es aber weiter laut bleiben. Auffällig unkonkret sind
hier die Forderungen. Es gibt Appelle an die Luftfahrtbran-
che, sie möge doch schneller leiseres Fluggerät einführen,
und es sollten auch ein bisschen mehr lärmreduzierende
Flugverfahren eingesetzt werden. Meine Damen und Her-
ren, das sind Textbausteine, die Sie eins zu eins von der
Luftverkehrslobby abgeschrieben haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Herbert Behrens [DIE LINKE])






Stephan Kühn (Dresden)



(A) (C)



(D)(B)

Niemand streitet die wirtschaftliche und verkehrliche
Bedeutung der Luftverkehrsinfrastruktur ab, auch wir
nicht. Aber das darf nicht dazu führen, dass die Gesund-
heit der von Fluglärm betroffenen Bürgerinnen und Bür-
ger eine untergeordnete Rolle spielt. Genau das sehen
wir aber in Ihrem Koalitionsvertrag.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ein nationales Luftverkehrskonzept, das wir richtig
und notwendig finden, muss deshalb dem Schutz der Be-
völkerung vor Fluglärm eine zentrale Bedeutung bei-
messen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen auf die Menschen zugehen!)


Wir erwarten, Herr Dobrindt, dass Sie sich nicht nur um
Ihre Pkw-Maut für Ausländer kümmern, sondern im
nächsten halben Jahr endlich eine politische Agenda für
ein solches nationales Luftverkehrskonzept vorlegen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich komme zum Schluss und fasse zusammen. Aus
dem vorgelegten Koalitionsvertrag und Ihren heutigen
Verlautbarungen kann ich nur das Fazit ziehen: Der
kleinste gemeinsame Nenner der Großen Koalition reicht
nicht aus, um die verkehrspolitischen Herausforderungen
der Zukunft zu bewältigen. Oder anders ausgedrückt – um
mit den Worten des ehemaligen Vorsitzenden des Ver-
kehrsausschusses zu sprechen –: Je größer die Mehrheit,
desto kleiner der Anspruch. – Ich befürchte, dass wir
vier verlorene Jahre in der Verkehrspolitik vor uns ha-
ben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801201400

Das Wort hat der Kollege Ulrich Lange für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulrich Lange (CSU):
Rede ID: ID1801201500

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Lieber Kollege Kühn, diese Große Koalition ist
eine Koalition


(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für Löcher!)


für Infrastruktur und – das ist mir aufgefallen, als ich Ih-
nen zugehört habe – gegen die Verweigerungshaltung
der Grünen, die in den letzten Jahren im Verkehrsaus-
schuss immer wieder zu spüren war. Darauf werde ich
beim Bundesverkehrswegeplan noch explizit zu spre-
chen kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir werden in den nächsten vier Jahren Straßen
bauen.

(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich denke, Sie sanieren!)


Wir werden in den nächsten vier Jahren das Schienen-
netz ausbauen und sanieren. Wir werden die Übertra-
gungsnetze ausbauen und so einen weiteren Schritt hin
zu mehr Informationsgerechtigkeit gehen.


(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Schiene vergessen Sie!)


Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit unserem
neuen Verkehrsminister Alexander Dobrindt und den
Parlamentarischen Staatssekretären. Deshalb sind wir
auch bereit, lieber Herr Minister, Ihren Wunsch, nach
zwölf Jahren endlich länger sprechen zu dürfen, zu erfül-
len. Wir kürzen einfach unsere gesamte Redezeit um ein
paar Minuten.

Die Koalition hat ein schlüssiges und realistisches
Programm auch und gerade beim Bundesverkehrswege-
plan, lieber Kollege Kühn. Unser nationales Prioritäten-
konzept wird sich als schlüssig und überzeugend erwei-
sen. Da Sie argumentieren, dass nun zu viele Projekte
angemeldet sind: Die Bürgerinnen und Bürger insbeson-
dere in Baden-Württemberg warten – das sage ich ganz
bewusst als jemand aus dem bayerischen Grenzland –
auf ihre Ortsumgehungen und die damit verbundenen
Entlastungen. Wenn Sie über Lärm sprechen, dann dür-
fen Sie den Autolärm nicht vergessen. Um diesen zu re-
duzieren, brauchen wir Ortsumfahrungen und einen
Bundesverkehrswegeplan.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir werden in den nächsten vier Jahren 5 Milliarden
Euro mehr in die Infrastruktur stecken können. Das ist
ein Baustein – wenn auch kein ganz kleiner –, um der
zugegebenermaßen nicht gerade üppigen Ausstattung in
der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung etwas nachzuhel-
fen. Der Ausbau der Nutzerfinanzierung ist ein anderer,
ebenso wichtiger Baustein. Dazu gehört die Lkw-Maut
genauso wie die Pkw-Maut für Nichtdeutsche, liebe Kol-
leginnen und Kollegen des Koalitionspartners. Wir wer-
den die Begeisterung, die vorhin noch etwas zurückhal-
tend geäußert wurde, in stürmischen Applaus umwandeln,
wenn der entsprechende Gesetzentwurf vorliegt und be-
raten wird; darin sind wir uns sicher.


(Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich lach mich tot!)


Wir werden die Kommunen und die Länder nicht al-
leine lassen – darauf haben wir uns im Koalitionsvertrag
verständigt –, wenn es um die Regionalisierungs- und
die Entflechtungsmittel geht. Ich glaube, dass wir in ei-
nem guten Dialog mit den Ländern hier zu vernünftigen
Lösungen kommen werden.

Das angekündigte Elektromobilitätsgesetz wird – da-
von sind wir überzeugt – den notwendigen kräftigen
Schub dafür geben, dass wir hier die Schritte vorankom-
men, die wir uns für diese Legislaturperiode vorgenom-
men haben.





Ulrich Lange


(A) (C)



(D)(B)

Der Schienenverkehr muss langfristig sicher finan-
ziert sein. Eine neuer Vertrag, eine neue Leistungs- und
Finanzierungsvereinbarung für die Ersatzinvestitionen,
aber auch – ich sage das so offen – bessere Planungsre-
serven bei der Bahn gehören dazu. Es gehört auch dazu,
dass die Bahn notwendige Eigenmittel aufbaut und diese
Eigenmittel wieder in die Infrastruktur investiert wer-
den. Ich glaube, dass die Schritte, die der Minister ange-
kündigt hat, die richtigen sind. Wir stehen zum integrier-
ten Konzern DB, wir stehen aber genauso dazu, dass
Regulierung und Wettbewerb im Schienenverkehr unbe-
dingt notwendig sein müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das Thema Verkehrslärm, lieber Kollege Kühn, neh-
men wir sehr ernst. Schauen Sie in den Koalitionsver-
trag.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, hoffentlich!)


Wir nehmen den Lärm ernst beim Schienenverkehr,


(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch beim Flugverkehr?)


– beim Flugverkehr natürlich auch –, aber auch beim
Straßenverkehr. Dabei verweise ich wieder auf die Orts-
umfahrungen.

Dass wir dafür sorgen müssen, dass der Luftverkehr
in Deutschland wettbewerbsfähig bleibt, haben wir in
den letzten Wochen und Monaten gesehen. Wir können
es uns also nicht leisten, unsere Flughäfen von gewissen
Nachtflügen freizuhalten. Ich sage das ganz offen; denn
auch das ist ein Teil der Wahrheit. Mögen Sie nicht so
tun, als ob es bei Ihnen anders ginge.

Das Maritime Bündnis ist fortzusetzen. Ich will hier
nur die wichtigsten Stichworte nennen: nationales Ha-
fenkonzept und Schifffahrtsförderung. Ich bin mir si-
cher, dass wir auch in diesen Punkten ein gutes Stück vo-
rankommen können.

Die digitale Infrastruktur – dazu hat der Minister
wirklich gut und ausführlich Stellung genommen – ist
wichtig. Sie ist wichtig für das ganze Land, insbesondere
für die ländlichen Regionen; denn diese Infrastruktur
heißt Arbeitsplätze, diese Infrastruktur heißt Teilhabe an
der neuen digitalen Welt. Hier werden wir ganz beson-
ders auf die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstand-
ortes Deutschland hinarbeiten müssen.


(Abg. Dieter Janecek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801201600

Herr Kollege Lange.


Ulrich Lange (CSU):
Rede ID: ID1801201700

Frau Präsidentin, ich bin froh, dass die mir gekürzte

Redezeit jetzt doch wieder verlängert wird.

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801201800

Darauf wollte ich Sie gerade aufmerksam machen.

Der Kollege Janecek hätte gern das Wort zu einer Frage
oder Bemerkung.


Ulrich Lange (CSU):
Rede ID: ID1801201900

Jetzt haben Sie schon so wenig Redezeit und verlän-

gern unsere auch noch.


Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1801202000

Es war mein Anliegen, Herr Kollege Lange, dass Sie

mehr Zeit erhalten.

Ich stelle Ihnen folgende Frage. Ich bin aus Bayern
Ankündigungen gewohnt, auch von Minister Dobrindt.
Er spricht von Champions League, Weltmeister, Netz-
allianz und sagt Asien und den USA den Kampf an. Wie
bringen Sie denn das mit der Tatsache zusammen, dass
Sie es nicht geschafft haben, in Ihrem Koalitionsvertrag
Ihre Breitbandstrategie mit einem Finanzkonzept zu ver-
sehen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Ulrich Lange (CSU):
Rede ID: ID1801202100

Lieber Kollege Janecek, ich glaube, dass wir die ent-

sprechenden Mittel und die entsprechenden Strategien in
den nächsten vier Jahren auflegen können. Der Koali-
tionsvertrag ist ein Arbeitsvertrag und kein Finanzie-
rungskonzept.


(Widerspruch bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dass Sie es mal gesagt haben!)


Deshalb werden wir diesen Koalitionsvertrag umsetzen
können. Seien Sie beruhigt. Ich kann nur wie die Kanzle-
rin vorgestern im Zusammenhang mit der Maut sagen:
Warten Sie es ab.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir werden hier die richtigen Anreize – auf die
kommt es ganz wesentlich an – setzen, um auch privates
Kapital zum Einsatz bringen zu können. Die vorgeschla-
gene Netzallianz ist insoweit ein ganz wichtiger Bau-
stein. Die Branche hat eine Menge Innovationspotenzial.
Ich bin mir sicher: Wir können und werden es heben.

Wir haben einen guten und überzeugenden Fahrplan.
Diese Koalition arbeitet zusammen mit unserem Minis-
ter für Mobilität und Modernität.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801202200

Das Wort hat der Kollege Herbert Behrens für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) (C)



(D)(B)


Herbert Behrens (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801202300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Jetzt haben wir auf einmal ein neues Ministerium, näm-
lich das für Mobilität und Modernität. Bis gestern war es
noch das Ministerium für Verkehr und digitale Infra-
struktur.

Es ist aber nicht die Frage des Labels, unter dem wir
arbeiten – um diesen Begriff einmal zu verwenden –,
sondern es kommt darauf an, wie viel Substanz in den
Vorschlägen steckt, die Sie als Minister uns vorlegen
wollen. Kritische Anmerkungen haben Sie eben schon
gehört.

Ich will meinen Beitrag kurz mit einem positiven Bei-
spiel beginnen, damit klar wird, wie wir uns digitale
Infrastruktur vorstellen. In der Integrierten Gesamt-
schule in meinem Heimatort Osterholz-Scharmbeck tau-
schen sich Schülerinnen und Schüler in Videokonferen-
zen in englischer Sprache mit ihren Mitschülern aus
Finnland aus. Sie arbeiten an gemeinsamen Projekten
und lösen zusammen ihre Schulaufgaben. Das alles ist
nur durch das Internet möglich.

Damit das kein Einzelbeispiel bleibt, brauchen wir
flächendeckend eine digitale Infrastruktur auf dem neu-
esten Stand der Technik. Die Linke will deshalb schnel-
les Internet für alle, ob Jung oder Alt, ob in der Stadt
oder auf dem Land.


(Beifall bei der LINKEN)


Die neue Bundesregierung befasst sich mit diesem
Thema jetzt in gleich fünf Ministerien; aber egal, bleiben
wir erst einmal beim Ministerium – ich nenne es einfach
noch einmal so – für Verkehr und digitale Infrastruktur.
In der Koalitionsvereinbarung heißt es:

Für ein modernes Industrieland ist der flächende-
ckende Breitbandausbau eine Schlüsselaufgabe.

So weit, so gut.

Aber ein Bekenntnis reicht nicht aus – in einigen Dis-
kussionsbeiträgen ist das schon angemerkt worden –, die
Bundesregierung muss auch Geld in die Hand nehmen.
Es soll ein Sonderfinanzierungsprogramm „Premiumför-
derung Netzausbau“ geben und außerdem ein Breitband-
bürgerfonds eingerichtet werden. Beides ist hilfreich,
aber es wird nicht reichen, um die notwendigen Investi-
tionen zu finanzieren.

Der TÜV Rheinland hat nachgerechnet und kommt
auf Kosten von 20 Milliarden Euro für einen flächende-
ckenden Breitbandausbau. Für Glasfaserversorgung wird
mit 80 Milliarden Euro gerechnet. Zusätzlich muss in die
Datensicherheit investiert werden, um Industriespio-
nage und das Ausforschen der Privatsphäre zu verhin-
dern. Der Minister muss sagen, wie er das umsetzen will,
und er muss erklären, wie er die Übertragungsrate von
50 Megabit pro Sekunde erreichen will. Appelle an In-
vestoren, doch bitte schön Milliarden in den Breit-
bandausbau zu investieren, reichen nicht.


(Beifall bei der LINKEN)


Datenverbindungen sind schneller geworden – keine
Frage –, doch die Datenmengen steigen schneller als die
Bandbreiten. Noch vor zwei Jahren galten 2 Megabit als
ordentliche Grundversorgung. Das war gestern. Heute ist
in den Niederlanden ein Netzbetreiber dabei, ein flä-
chendeckendes Glasfasernetz bis zum Hausanschluss
aufzubauen. In Zürich sind Leistungen von 300 Megabit
lieferbar. Wer sich mit Korea vergleicht, Herr Dobrindt,
der muss wissen, dass dort an einem Netz gearbeitet
wird, über das innerhalb einer Sekunde 800 Megabyte
Daten geschickt werden können.


(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Nordoder Südkorea? – Gegenruf des Abg. Gero Storjohann [CDU/CSU]: Sonst nehmen sie immer Nordkorea!)


800 Megabyte! Das muss man sich auf jeden Fall auf der
Zunge zergehen lassen.

Sie sprechen von einer Aufholjagd, um Deutschland
an die Weltspitze des digitalen Fortschritts zu führen.
Eine solche Aufholjagd sieht anders aus. Sie bleiben
weit dahinter zurück. Nur Glasfasertechnik bringt die
nötigen Geschwindigkeiten. Deshalb fordert die Linke
eine klare Weichenstellung für den Glasfaserausbau.


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Dobrindt, genauso wenig, wie Sie zur Finanzie-
rung Stellung nehmen, sagen Sie konkret etwas dazu,
wie den Menschen in Stadt und Land, in Ost und West
gleicher Zugang zum schnellen oder, in Ihren Maßstä-
ben, zu etwas schnellerem Internet – das ist das, was Sie
vorhaben – garantiert werden soll. Tausende Mittel-
ständler und Selbstständige warten im ländlichen Raum
darauf, über schnelles Internet zu verfügen. Ihre ge-
schäftliche Existenz hängt davon ab. Ihnen helfen keine
Ankündigungen. Sie brauchen Entscheidungen.

Ein zweites Thema zum Schluss: die unsinnige Pkw-
Maut, auch „Ausländer-Maut“ genannt. Da blickt doch
inzwischen keiner mehr durch. Jahresgebühr oder doch
Wochen- oder Monatsvignette? Ökorabatt oder Steuer-
senkung? 2014 oder doch erst 2016? Wenn es nicht so
ernst wäre, dann wäre es eigentlich eine Lachnummer.
Herr Dobrindt, die Pkw-Maut ist für Sie in Ihrem Amt
ein klassischer Fehlstart. Packen Sie die Pläne zusam-
men und in die unterste Schublade, wo sie hingehören!
Wenn Sie nicht mehr auf den ADAC hören können, dann
hören Sie auf Ihren Koalitionspartner SPD.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN – Heiterkeit bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801202400

Das Wort hat die Kollegin Kirsten Lühmann für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Kirsten Lühmann (SPD):
Rede ID: ID1801202500

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen!

Gottfried Daimler hat einmal festgestellt:





Kirsten Lühmann


(A) (C)



(D)(B)

Die weltweite Nachfrage nach Kraftfahrzeugen
wird eine Million nicht überschreiten – allein schon
aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren.


(Heiterkeit)


Wenn es so gekommen wäre, benötigten wir heute
deutlich weniger Finanzmittel für die Instandhaltung un-
serer deutschen Infrastruktur. Deutschland würde aber
auch anders aussehen. Persönliche Freiheiten, Möglich-
keiten und Entwicklungschancen für die Menschen in
unserem Lande wären andere, es wären schlechtere.

Gottlieb Daimler scheint mit seiner Einschätzung,
dass der Mangel an verfügbaren Chauffeuren ein Pro-
blem darstellt, schon recht zu haben, wenn man sich die
Logistikbranche in Deutschland anschaut. Darum hat
sich die Bundesregierung in dem Koalitionsvertrag die-
ses Themas angenommen. Was allerdings die Zahl der
Kfz betrifft, war die Prognose von Gottlieb Daimler
falsch. Wir hatten im letzten Jahr in Deutschland knapp
59 Millionen Kraftfahrzeuge, davon allein 43,5 Millio-
nen Pkw. Weil das so ist, stehen wir vor deutlichen He-
rausforderungen in der Verkehrspolitik.

Die zentralen Themen, die unsere Gesellschaft bewe-
gen und die unser politisches Handeln bestimmen, sind,
Kollege Kühn, die Energiewende, der Klimaschutz, die
demografische Entwicklung und die Daseinsvorsorge.


(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo steht das denn im Koalitionsvertrag?)


Bei all diesen Themen kann eine richtige – oder eine fal-
sche – Verkehrspolitik viel bewirken. Es ist also unsere
Aufgabe, Verkehr nicht nur beschränkt auf einzelne Ver-
kehrsträger wie Straße, Schiene, Wasserstraße und Luft
zu denken, sondern wir müssen berücksichtigen, dass
weder die Menschen noch die Güter, die wir täglich
transportieren, von Tür zu Tür nur mit einem Verkehrs-
mittel unterwegs sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Um hier für alle eine bezahlbare, sichere und klima-
freundliche Mobilität zu ermöglichen, müssen jetzt die
Weichen richtig gestellt werden. Diese Bundesregierung
hat dazu im Koalitionsvertrag die entscheidenden The-
menfelder angesprochen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Zum Beispiel zu der Frage: Was ist zu tun, damit der
Verkehrssektor einen deutlichen Beitrag zur Energie-
wende und zum Klimaschutz leistet? Wir lesen dazu im
Koalitionsvertrag:

Die von uns geförderte Mobilitätsforschung wird
zukünftig verstärkt die gesamte Breite von Mobili-
tätsangeboten auch unter gesellschafts- und sozial-
wissenschaftlichen Aspekten in den Blick nehmen.

Etwas weiter heißt es:

Wir setzen zudem auf die Nutzung moderner Infor-
mations- und Kommunikationstechnik für eine ver-
netzte, sichere und effiziente Mobilität.
Infrastruktur und Mobilität müssen neu gedacht wer-
den, um größtmöglichen Schutz der Menschen, des Kli-
mas und einen schonenden Umgang mit Ressourcen zu
erreichen. Dazu sind in den verschiedenen Bereichen
Systemvorteile zu nutzen. Die sogenannte Intermodali-
tät, das heißt die Verknüpfung der unterschiedlichen
Transportmittel, ist unsere zentrale Aufgabe. Mehr Gü-
terverkehr auf die Wasserstraße und die Schiene – auch
das ist eine Verabredung der neuen Bundesregierung,
und zwar eine gute.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Gustav Herzog [SPD]: Und eine klimafreundliche, liebe Freunde von den Grünen!)


Wir wissen aber auch, dass dies Grenzen hat. Die Ka-
pazität der Schiene reicht derzeit nicht aus, um den ge-
samten prognostizierten Zuwachs an Güterverkehren
aufzunehmen. Der Kapazitätsausbau ist nicht nur an
finanzielle Grenzen gestoßen, auch die deutliche Verrin-
gerung der Belastung der Anwohner durch Schienenlärm
wird für uns eine genauso zentrale Rolle bei den Aus-
baumaßnahmen spielen.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und bei den Bestandsstrecken?)


Ein wichtiges Thema, das ich schon in der letzten Le-
gislatur gerne bearbeitet habe, ist, die Bedingungen auf
den Straßen zu verändern, um den Transport von Men-
schen und Gütern zu verbessern. Dazu bedarf es eines
verstärkten Telematikeinsatzes und eines Ausbaus von
Verkehrssteuerungsanlagen. Auch dazu haben wir uns
verabredet; denn unser Ziel ist es, die Mobilität der Men-
schen und die Intermodalität als Gradmesser für Moder-
nität zu berücksichtigen.

Abgestimmte Fahrpläne beim Schienennah- und -fern-
verkehr, gute Anschlussangebote beim öffentlichen
Personennahverkehr, Rufbusse, Carsharing sowie Miet-
möglichkeiten von Fahrrädern und Pedelecs werden es
möglich machen, ohne Verlust von Lebensqualität ver-
mehrt auf einen eigenen Pkw zu verzichten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sehen wir doch
schon in den Großstädten. Aber unsere Herausforderung
ist es, dieses Angebot auch und besonders in den ländli-
chen Räumen, in den strukturschwachen Regionen, wo
ältere Menschen und Menschen mit weniger finanziellen
Mitteln genau auf diese neuen Konzepte angewiesen
sind, durchzusetzen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Gustav Herzog [SPD]: Wunderbar! Genau richtig!)


Das ist übrigens auch eine Verpflichtung, die uns das
Grundgesetz auferlegt. Dort steht nämlich, dass wir da-
für zu sorgen haben, dass in Deutschland gleichwertige
Lebensbedingungen bestehen. Zu dieser Verpflichtung
steht diese Bundesregierung. Sie hat sehr viele Konzepte
vorgelegt.

Wir werden unser Augenmerk noch stärker auf um-
weltfreundliche Fahrzeuge legen. Die Koalition hat sich
verpflichtet, die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie wei-
terzuentwickeln und die Forschung zu intensivieren. Zu-





Kirsten Lühmann


(A) (C)



(D)(B)

sammen mit den Kommunen müssen Privilegierungen
von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben im Straßen-
verkehr diskutiert werden. Wichtig dabei ist jedoch, dass
dies nicht zu einem Nutzungskonflikt mit dem öffentli-
chen Personennahverkehr führt.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias Lietz [CDU/CSU])


Ein Anreizsystem in Form von Prämien beim Kauf,
zum Beispiel von Elektrofahrzeugen, halten wir für nicht
erforderlich. Sinnvoller sind die schon umgesetzten zeit-
weise geltenden Steuerbefreiungen für diese Fahrzeuge
oder auch die Energiesteuerermäßigung für klimascho-
nendes Autogas und Erdgas. Wir haben vereinbart, diese
Steuerbefreiung über das Jahr 2018 hinaus fortzuführen.


(Beifall der Abg. Barbara Lanzinger [CDU/ CSU])


– Danke schön.


(Heiterkeit)


Unser immer besser ausgebautes Verkehrsnetz wird
aber in Teilen auch zu einer Belastung. Was die Men-
schen in unserem Lande in diesem Zusammenhang am
meisten beeinträchtigt, ist der Verkehrslärm.


(Gustav Herzog [SPD]: Ja!)


Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Bürger und Bürge-
rinnen nicht länger bereit sind, größere Lärmbelästigun-
gen hinzunehmen, und dass die Bürgerinitiativen zu die-
sen Themen immer stärker werden.

Dem hat diese Regierung in doppelter Hinsicht Rech-
nung getragen, und zwar zum einen mit mehr Lärm-
schutz und zum anderen mit mehr Bürgerbeteiligung.
Die Mittel für die Lärmschutzprogramme im Bereich
Straße und Schiene werden erhöht, und somit wird der
Lärmschutz für die Anwohnenden deutlich verbessert.
Dabei – das ist jetzt neu – soll die Gesamtlärmbelästi-
gung an Bundesfernstraßen und Bundesschienenwegen
Grundlage der Bemessung sein. Grundlage dafür soll
also nicht mehr wie bisher die Einzelmessung des je-
weils einzelnen Verkehrsträgers sein.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Gustav Herzog [SPD]: Ein sehr guter Bürgerschutz!)


Bei all dem sind aber die Interessen der Güterver-
kehrsbranche und somit auch die Interessen aller Konsu-
menten und Konsumentinnen, die die Waren, die dort
transportiert werden, letztendlich kaufen und nutzen
wollen, nicht aus den Augen zu verlieren. Das ist eine
Herausforderung für uns, und wir werden sie meistern.

Hierbei erteilen wir Extrempositionen, wie wir sie
teilweise hörten, zum Beispiel, dass Betriebszeiten von
Flughäfen allein an wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu
orientieren sind, aber auch einem generellen Nachtflug-
verbot für Deutschland eine deutliche Absage. Jedoch:
Wenn man diesen Koalitionsvertrag genau liest, Kollege
Kühn, sieht man, dass darin auch steht, dass wir verein-
bart haben, die Grenzwerte des Fluglärmschutzgesetzes
zu überprüfen.

(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich hoffe, die Überprüfung hat auch Ergebnisse!)


Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich möchte zum
Schluss ganz ausdrücklich meinem ehemaligen stell-
vertretenden Parteivorsitzenden Helmut Schmidt wider-
sprechen, der gesagt hat: Wer Visionen hat, soll zum
Psychiater gehen. – Ich sage: Wer Visionen hat, sollte In-
frastrukturpolitik betreiben, am besten mit dieser Bun-
desregierung. Ich freue mich auf die nächsten vier Jahre.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801202600

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die

Kollegin Tabea Rößner das Wort.


Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1801202700

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Bundesminister Dobrindt, bis 2018 wollen Sie, so
steht es im Koalitionsvertrag, Deutschland flächen-
deckend mit Breitbandgeschwindigkeiten von bis zu
50 Megabit pro Sekunde versorgen. Das ist mal eine An-
sage! Sie ist aber auch nicht neu. Kanzlerin Merkel hat
schon vor einigen Jahren versprochen, dass 75 Prozent
aller Haushalte Highspeed-Internet bekämen – bis 2014.
Jetzt haben wir 2014 und sehen: Verheißungen helfen
nicht weiter – das Internet sollte schon gar keine sein
und bleiben –, man muss auch etwas dafür tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Herbert Behrens [DIE LINKE]: Nein, das ist noch Neuland!)


Eigentlich mag ich ja Menschen mit Visionen. Ich
habe auch eine, nämlich dass die Menschen rund um
Peißenberg einen schnellen Anschluss bekommen. Der
Breitbandatlas zeigt, dass die weißen Flecken bei Ihnen,
Herr Minister Dobrindt, direkt vor der Haustür anfangen.
Rund um den Sitz Ihres Wahlkreisbüros ist derzeit maxi-
mal 1 Megabit pro Sekunde möglich. Bis da eine Mail
bei einem Wahlkreisabgeordneten ankommt, hat man sie
schneller persönlich vorbeigebracht.


(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind ja Schnecken in Bayern! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja ganz armselig!)


Das sind nicht die einzigen weißen Flecken. Auch bei
Staatssekretärin Doro Bär – schade, dass sie jetzt nicht
mehr da ist – sieht es vor Ort nicht so rosig wie auf ihrer
Homepage aus.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn sich die Wähler in Münnerstadt die Homepage
von Doro Bär mit den vielen schönen bunten Fotos anse-
hen wollen, müssen sie richtig viel Geduld haben.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)






Tabea Rößner


(A) (C)



(D)(B)

So sieht es 2014 in vielen Regionen Deutschlands aus.
Die Menschen in diesen Regionen hätten lieber heute als
morgen schnelle Internetverbindungen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir stehen vor zwei gewaltigen Herausforderungen:

Erstens: Wie stopfen wir die Löcher im Breitbandnetz
möglichst schnell?

Zweitens: Wie bauen wir mittel- und langfristig das
Glasfasernetz aus? Das brauchen wir nämlich wirklich,
wenn wir ein Hightechland sein wollen. Denn ohne gibt
es kein Cloud-Computing, kein Smart Grid und auch
keine intelligente Logistik. Gewaltige Aufgaben, die Sie
da zu bewältigen haben! Bis ein Runder Tisch „Netz-
allianz“ Ergebnisse liefert, dauert es. Dabei warten wir
jetzt ja schon seit Jahren darauf, dass sich die Lage ins-
besondere in den ländlichen Regionen deutlich verbes-
sert.

Die Grundversorgung hätten wir schnell und ohne zu-
sätzliche Haushaltsmittel haben können, nämlich mit
dem Universaldienst.


(Martin Dörmann [SPD]: So geht es aber wirklich nicht!)


Danach würde jeder Haushalt einen einigermaßen
schnellen Internetanschluss kriegen, so wie jeder von der
Post beliefert werden muss oder einen Telefonanschluss
bekommt – und da ist es völlig egal, ob auf der Alm, auf
der Hallig oder im Westerwald.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist ein Konzept, das bis zur Wahl übrigens auch von
der SPD gefordert wurde. Nach den Koalitionsverhand-
lungen wollten Sie aber leider nichts mehr davon wissen.
Hier, werte Kollegen von der SPD, haben Sie sich über
den Tisch ziehen lassen.


(Sören Bartol [SPD]: Ja, ja! Ist klar!)


Bis 2018 ist es noch lange hin. Bis dahin gibt es ja be-
reits eine neue Bundesregierung.


(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau!)


Wahrscheinlich müssen Sie sich für das Nichteinlösen
dieser Versprechungen dann gar nicht mehr rechtferti-
gen. Das Ziel ist also nicht nur auf den ersten Blick mu-
tig, es ist auch auf den zweiten vor allen Dingen be-
quem.

Eines halte ich Ihnen aber zugute: Die neue Regie-
rung hat immerhin verstanden, wie wichtig der Breit-
bandausbau ist. Das ist nicht nur eine Frage von Teil-
habe, wie Minister Dobrindt betont, sondern auch eine
Zukunftsinvestition. Flächendeckendes Breitband birgt
für Deutschland auch enorme Wirtschaftskraft. Ein An-
stieg der Breitbandversorgung um 10 Prozent kann laut
EU-Kommission zu einem jährlichen BIP-Wachstum
von 1 bis 1,5 Prozent führen. Breitbandverbindungen be-
wirken Innovationen in Unternehmen, sie fördern Be-
schäftigung und bieten das Potenzial, bis 2020 2 Millio-
nen zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Ohne Ausbau
läuft die Energiewende nur mit angezogener Hand-
bremse. Wir könnten bis zu vier Kohlekraftwerke ein-
sparen, hätten wir externe klimaneutrale Rechenzentren.
Dafür brauchen die Unternehmen aber eben Breitband-
verbindungen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind leider wenig
vielversprechend. Es gibt weder Geld noch ein Konzept
und auch kein Anreizprogramm. Die ursprünglich ge-
plante 1 Milliarde Euro für den Ausbau ist in den Koali-
tionsverhandlungen gestrichen worden. Was bleibt, sind
bloße Ankündigungen. Aber die alleine machen noch
keinen Breitband-Frühling.

Die Einberufung eines Runden Tisches und Ihr Auf-
tritt im Ausschuss hinterlassen einen engagierten Ein-
druck. Aber letztendlich kostet der Ausbau viel Geld,
das die Regierung eben nicht bereitstellen will und von
dem unklar ist, woher es kommen soll. Von Gesprächs-
runden wird es nicht vom Himmel fallen. Irgendeiner
wird die Zeche zahlen müssen. Die Frage bleibt nur:
Wer?

Herr Dobrindt, als Sie im Dezember letzten Jahres bei
Ihrer Vereidigung hier vorne standen, konnte ich be-
obachten: Hier ist ein Mann, der es gar nicht erwarten
kann, Minister zu werden.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Martin Dörmann [SPD]: Zwölf Jahre!)


Ich wünsche Ihnen, dass Ihnen zwischen Peißenberg und
Runden Tischen die Puste nicht ausgeht.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801202800

Das Wort hat der Kollege Gero Storjohann für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Gero Storjohann (CDU):
Rede ID: ID1801202900

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Image macht man am Anfang. Deswegen
bin ich dem neuen Verkehrsminister sehr dankbar, dass
er hier seine Prioritäten auf den Tisch gelegt hat. Wir
hatten vorher ein Ministerium, das auch mit Wohnungs-
bau zu tun hatte. Wir Mitglieder des Ausschusses hatten
immer den Eindruck, dass der Wohnungsbau ein An-
hängsel war und es in erster Linie um Verkehrspolitik
ging. Alexander Dobrindt hat jetzt deutlich gemacht,
dass digitale Infrastruktur sehr wichtig ist, dass er hier
sehr viel Arbeitskraft einbringen wird und dass Ver-
kehrspolitik und digitale Infrastruktur in diesem Ministe-
rium gleichwertig behandelt werden sollen. Das ist die
Botschaft. Wir als Ausschuss sollten uns dieser Aufgabe
intensiv annehmen.

Ich möchte etwas zu der Kritik von Frau Rößner sa-
gen. Ich glaube, Sie waren von 2002 bis 2005 mit in der
Regierung. Da hatten Sie die Möglichkeit, in die Zukunft





Gero Storjohann


(A) (C)



(D)(B)

zu schauen und zu erkennen, ob ein Breitbandnetz zur
Daseinsvorsorge gehört.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schon ganz schön lange her!)


Sie haben das nicht in das Telekommunikationsgesetz
geschrieben. – Es ist lange her, und wir brauchen lange
Wege, um etwas umzusetzen. Wir haben es in der letzten
Koalition auch nicht gemacht,


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorletzte auch nicht!)


auch vor dem Hintergrund, dass die finanziellen Mittel
nicht da sind.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus meinem Wahlkreis
nennen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801203000

Kollege Storjohann, gestatten Sie eine Bemerkung

oder Frage des Kollegen von Notz?


Gero Storjohann (CDU):
Rede ID: ID1801203100

Ja, gerne.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Lieber Herr Kollege, vielen Dank. – Herr Storjohann,
wir kommen aus dem schönen Schleswig-Holstein.
Auch da ist es mit dem Breitbandausbau ähnlich traurig
bestellt wie in vielen Kreisen in Bayern. Sie haben auf
Rot-Grün verwiesen. Ich sage: Das waren noch gute Zei-
ten. Es ist aber schon eine Weile her. Sie regieren nun
schon seit acht Jahren.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fast neun!)


Seit acht Jahren regiert die CDU/CSU, und in dem Be-
reich ist nichts passiert. Jetzt kündigen Sie großartig
wieder Dinge an – Breitbandausbau –, stellen dafür aber
keinen Euro zur Verfügung. Was soll der Verweis auf
rot-grüne Zeiten, wenn Sie heute nicht bereit sind, Geld
dafür auszugeben? Wie können Sie den Vorwurf entkräf-
ten, dass dies alles Ankündigungspolitik und reiner Bu-
denzauber ist und Sie am Ende doch wieder nicht liefern
werden, wie in den letzten acht Jahren?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Gero Storjohann (CDU):
Rede ID: ID1801203200

Ich bin Ihnen dankbar für diesen Hinweis, Herr von

Notz. Ich sehe darin überhaupt kein Problem. Ich glaube,
es wäre falsch, mit Geld den Infrastrukturausbau beför-
dern zu wollen. Das möchte ich Ihnen auch gerne be-
gründen.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie denn sonst? – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne Moos nix los, Herr Storjohann!)


– Lassen Sie es sich jetzt bitte erklären. Ich war gerade
bei meiner Erklärung.
In meinem Wahlkreis haben wir drei Anbieter – neben
Telekom und Vodafone –, die den Breitbandausbau in-
tensiv vorantreiben. In Norderstedt gibt es seit über zehn
Jahren ein schnelles Internet, mit das schnellste in
Deutschland.

Der Kreis hat einen Zweckverband gegründet, um
kleinen Kommunen mit 200 bis 400 Einwohnern Fiber-
to-the-Home zu ermöglichen. Die ersten Dörfer sind an-
geschlossen, weitere kommen. Wir haben einen privaten
Investor – die Deutsche Glasfaser, ein niederländisches
Unternehmen –, der das jetzt auch macht. Das heißt, un-
ser Kreis Segeberg wird in den nächsten drei Jahren ver-
sorgt sein. In Ihrer Region machen es die Stadtwerke. In
Neumünster machen es die Stadtwerke. Die Dinge neh-
men also zurzeit einen guten Lauf. Wenn jetzt plötzlich
1 Milliarde Euro als Fördermittel bereitgestellt würden,
würde jede Kommune überlegen: Warten wir noch ein
bisschen, ob wir das Fördergeld bekommen können! Wie
sind die Ausschreibungsbedingungen? – Wir haben in
den letzten drei Jahren erlebt, dass Fördermittel meistens
nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen und
letztlich das ganze Vorhaben gefährden. Ich bin sehr zu-
versichtlich, dass wir mit dem Konzept, das wir im
Kreise Segeberg, aber auch bei Ihnen haben, einen gro-
ßen Schritt vorankommen. Deswegen meine ich, dass
wir auf dem richtigen Weg sind.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, grundsätzlich begrüße ich
– um auf das andere Thema, das Thema Verkehr, zu
sprechen zu kommen –, dass wir im Bundesverkehrswe-
geplan die Planung netzorientiert vornehmen. Wir wer-
den also Lücken in unserem Verkehrsnetz schließen. Es
geht auch darum, mit Mobilität unserem Land die Zu-
kunft zu erhalten. Dabei handelt es sich einmal um die
digitale Mobilität und zum Zweiten um die Infrastruktur.
Wir müssen in unserem Bundesverkehrswegeplan über
das nationale Prioritätenkonzept definieren, welche Vor-
haben bedeutsam sind. Das wird eine spannende Dis-
kussion, auch bei uns in den Ausschüssen. Es gibt unter-
schiedliche Interessen, die wir bündeln müssen. In diese
Projekte werden zukünftig 80 Prozent der Mittel für den
Neu- und Ausbau fließen. Welche Projekte werden das
sein? Das sind die Seehafenhinterlandanbindungen, der
Ausbau hochbelasteter Knoten, die Schließung wichti-
ger, überregional bedeutsamer Netzlücken sowie die
Einbindung von Achsen, die schon in transeuropäischen,
völkerrechtlichen Verträgen festgelegt sind.

Als Beispiel für die Notwendigkeit des Ausbaus von
Seehafenhinterlandanbindungen kann ich nur den Ham-
burger Hafen nennen, der eine wichtige Bedeutung für
ganz Deutschland hat. Der Hamburger Hafen ist vom
Funktionieren des Nord-Ostsee-Kanals abhängig. Vom
Funktionieren des Nord-Ostsee-Kanals sind natürlich
auch Warenströme nach Bayern und Baden-Württem-
berg betroffen. Es geht also um ein Gesamtkonzept. Ich
bin froh, dass wir die Finanzierung der Maßnahmen bei
den Brunsbütteler Schleusen sichergestellt haben. Wei-
tere Maßnahmen sind erforderlich;


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie das mal!)






Gero Storjohann


(A) (C)



(D)(B)

ich setze mich dafür ein, dass wir das jetzt machen. Ich
freue mich, Herr von Notz, dass Sie uns da unterstützen.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, volle Kanne!)


– Wunderbar!


(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht nur Spatenstiche, sondern auch bauen! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Virtuelle Spatenstiche!)


– Sie sind ja nur verärgert, dass Sie damals nicht dabei
waren. Ich weiß, Sie wären gerne dabei gewesen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur bringt unser
Land voran und ist auch Grundlage für unseren Wohl-
stand. Ich halte es für wichtig, dass wir uns im Koali-
tionsvertrag für ÖPP-Projekte starkmachen. Das ist eine
Finanzierungsform, die es uns über die bisherige Haus-
haltsfinanzierung hinaus und über größere Zeiträume
hinweg ermöglicht, Projekte auf den Weg zu bringen.
Dafür gibt es gute Beispiele.


(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach ja?)


Ich bin hoffnungsvoll, dass wir darüber neue Projekte
anschieben können, zum Beispiel den Weiterbau der
Küstenautobahn A 20, den Sie von den Grünen nicht
wollen. Wir sehen durchaus Möglichkeiten, hier ein gu-
tes Konzept auf den Weg zu bringen.


(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Träumereien!)


Was mich natürlich besonders interessiert, ist der Kli-
maschutz, insbesondere die Förderung des Fahrrads als
umweltfreundliches Verkehrsmittel.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben den Nationalen Radverkehrsplan auf den Weg
gebracht; er steht explizit im Koalitionsvertrag. Jetzt zu
behaupten, das Fahrrad sei im Koalitionsvertrag nicht
enthalten, finde ich nicht in Ordnung.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das lässt sich Gero nicht sagen!)


Im Bereich des Fahrradverkehrs werden wir viele Dinge
auf den Weg bringen. Im Koalitionsvertrag steht explizit,
dass wir die gesetzliche Grundlage dafür schaffen wer-
den, an Bundeswasserstraßen mehr Fahrradwege zu
bauen.


(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann stellen Sie auch das Geld in den Haushalt ein!)


– Sie haben unter Rot-Grün einmal 10 Millionen Euro
zur Verfügung gestellt und es nicht geschafft, dieses
Geld auszugeben. Deswegen ist der Haushaltsansatz in-
zwischen auf 3 Millionen Euro gefallen. Wir haben nur
300 000 bis 600 000 Euro ausgeben können.

(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben die Mittel gekürzt!)


Wir wollen da was machen. Das ist touristisch hochinte-
ressant und fördert auch die Akzeptanz des Fahrrads im
Alltag.

Die jährlichen Verkaufszahlen bei Fahrrädern steigen.
Die Zukunft des Pedelecs ist positiv einzuschätzen.
Nicht alle Fahrräder werden zukünftig Pedelecs sein;
aber die Pedelecs fördern den Fahrradverkehr gerade in
den Regionen, in denen es nicht flach ist. Aber da der
Wind dort, wo es flach ist, immer aus der falschen Rich-
tung weht, sind Pedelecs eigentlich für ganz Deutsch-
land interessant.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist nur in Schleswig-Holstein so!)


– In Schleswig-Holstein kommt der Wind immer von
vorne. Ihr glaubt gar nicht, wie viele kleine Hügel wir
haben, bei denen es auch anstrengend sein kann.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Ihr seid nicht so gut trainiert! Das ist alles!)


Meine Damen und Herren, ein weiteres Thema ist die
Verkehrssicherheit. Darauf werden wir ebenfalls einen
Schwerpunkt setzen. Wenn auch die Zahl der Verkehrs-
toten kontinuierlich zurückgegangen ist, bleibt es Auf-
gabe der Bundesregierung, hier weitere Fortschritte zu
erzielen. Wir haben die Alkoholgrenze für Fahranfänger
auf 0 Promille gesetzt.


(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie für alle machen!)


Wir haben den Führerschein mit 17 auf den Weg ge-
bracht. Hier gibt es weiteren Gesprächsbedarf. Wir wol-
len die Ausbildung der Fahranfänger verbessern, die
Qualität der pädagogischen Ausbildung der Fahrlehrer
erhöhen, das begleitete Fahren optimieren und in der
Fahranfängerausbildung ein Mehrphasenmodell entwi-
ckeln.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Zum Abschluss komme ich zu einem Punkt, der nicht
im Koalitionsvertrag steht. Wir werden auch über die
Promillegrenze bei Fahrradfahrern sprechen müssen.
1,6 Promille erreichen wir ja nicht mal unter normalen
Gegebenheiten.


(Heiterkeit)


Ich halte den Wert für zu hoch und werde mich gerne
persönlich für eine Herabsetzung einsetzen.

Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit unserem
neuen Verkehrsminister. Wir sind hochmotiviert, uns
auch in den Bereichen Fahrrad, Verkehrssicherheit und
Infrastrukturausbau zu engagieren. Auf, an die Arbeit!

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)







(A) (C)



(D)(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801203300

Das Wort hat der Kollege Martin Dörmann für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Martin Dörmann (SPD):
Rede ID: ID1801203400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Schnelles Internet in ganz Deutschland zu verwirkli-
chen, ist ein zentrales Anliegen der Koalition. Wir wol-
len allen Menschen und Regionen die Teilhabe an den
kommunikativen und wirtschaftlichen Chancen unserer
Informationsgesellschaft ermöglichen. Eine digitale
Spaltung unseres Landes dürfen wir nicht zulassen. Ge-
nau die droht aber.

In größeren Städten erleben wir eine dynamische Ent-
wicklung von Breitbandangeboten, angetrieben durch
den Infrastrukturwettbewerb. Kabelunternehmen, die
früher nur TV-Angebote unterbreitet haben, vermarkten
heute mit modernster Technik Internetgeschwindigkei-
ten von 100 Megabit und mehr pro Sekunde.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und im ländlichen Raum?)


Die Telekommunikationsunternehmen sind gezwungen,
nachzuziehen, um konkurrenzfähig zu bleiben. So baut
die Deutsche Telekom beispielsweise ihre VDSL-Lei-
tung mit moderner VDSL-Technik aus, um hohe Band-
breiten zu realisieren.


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Das ist doch inzwischen alte Technik!)


Ergebnis des beschriebenen Infrastrukturwettbewerbs
wird sein, dass bald zwei Drittel der deutschen Haus-
halte mit Bandbreiten von mindestens 50 Megabit pro
Sekunde versorgt sein werden.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und die anderen?)


Rund ein Drittel der Haushalte profitiert von dieser
Entwicklung nicht oder nur sehr verzögert. In vielen
ländlichen Regionen lohnt sich eine Investition in den
Breitbandausbau für die Unternehmen derzeit nicht,


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau das ist das Problem!)


weil die Kosten pro Haushalt dort besonders hoch sind
– das TÜV-Gutachten ist bereits erwähnt worden –: Es
können 800 Euro pro Anschluss sein; bei 5 Prozent die-
ser Haushalte sind es sogar mehrere 1 000. Diese Wirt-
schaftlichkeitslücke ist somit das zentrale Ausbauhinder-
nis, wenn es um eine flächendeckende Versorgung mit
schnellem Internet geht.

Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD in
Bezug auf den flächendeckenden Breitbandausbau ein
äußerst ehrgeiziges Ziel gesetzt. Bis 2018 wollen wir er-
reichen, dass jedem Haushalt Internetgeschwindigkeiten
von mindestens 50 Megabit pro Sekunde zur Verfügung
stehen. Ja, das ist eine echte Herkulesaufgabe, und sie
kann nur gemeistert werden, wenn zwei Bedingungen
erfüllt werden: Erstens. Alle Akteure müssen zusam-
menwirken: Unternehmen, Regulierungsbehörde, Bund,
Länder und Kommunen, aber auch die EU. Zweitens.
Die Investitionsbedingungen für die Unternehmen müs-
sen weiter optimiert und Wirtschaftlichkeitslücken kon-
sequent abgebaut werden.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat übrigens in der ver-
gangenen Legislaturperiode in einem einzigartigen Dia-
logprojekt mit Experten ein Breitbandkonzept erarbeitet,
das hierzu Lösungsvorschläge anbietet. Ich freue mich
sehr, dass viele der von uns formulierten Punkte in den
Koalitionsvertrag eingeflossen sind.


(Beifall bei der SPD)


Dazu gehören insbesondere eine investitionsfreundliche
Regulierung und der Abbau von Wirtschaftlichkeitslü-
cken.

Hierbei sind zwei Punkte von entscheidender Bedeu-
tung. Zum einen müssen beim Breitbandausbau zusätzli-
che Synergiepotenziale erschlossen werden, beispielsweise
dadurch, dass TK-Unternehmen bereits vorhandene
Netze in anderen Infrastrukturbereichen nutzen, zum
Beispiel Straßen, Schienen und Energieleitungen. Zum
anderen – das ist richtig – brauchen wir verbesserte För-
dermöglichkeiten.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Ohne zusätzliche Mittel werden die angestrebten Aus-
bauziele in der Tat kaum zu realisieren sein. Von daher
wäre es wünschenswert gewesen, wenn wir die 1 Mil-
liarde Euro, über die wir in den Koalitionsverhandlun-
gen diskutiert haben, schon jetzt in den Bundeshaushalt
hätten aufnehmen können.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und? Wo sind sie?)


Wir müssen anerkennen, dass nur ein begrenztes Budget
zur Verfügung stand. Das Geld wurde für andere sehr
wichtige Projekte eingesetzt, die jetzt in der Realisierung
sind.

Wir sind aber mit unseren Überlegungen keineswegs
am Ende. Die Koalition hat sich im Koalitionsvertrag
auf ein neues Sonderfinanzierungsprogramm „Premium-
förderung Netzausbau“ bei der KfW-Bankengruppe ver-
ständigt, um bestehende Programme zu ergänzen.
Außerdem wollen wir einen Breitbandbürgerfonds ein-
richten, um zusätzliche Gelder für den Breitbandausbau
zu organisieren. Zudem ist es durchaus wahrscheinlich,
dass der Bund im Laufe dieser Legislaturperiode Ein-
nahmen aus Frequenzversteigerungen realisieren kann,
die für den Breitbandausbau nutzbar gemacht werden
sollten.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie das letzte Mal!)


Hinzu kommt, dass nach der Umstellung der terrestrischen
Rundfunkversorgung auf den neuen Standard DVB-T2
zusätzliche Frequenzen zur Verfügung stehen, die wir
ebenfalls für einen zügigen Ausbau von Breitbandangebo-





Martin Dörmann


(A) (C)



(D)(B)

ten mit dem neuen Funkstandard LTE Advanced, der hohe
Bandbreiten ermöglicht, nutzen wollen.

Sie sehen, die Koalition hat sich ehrgeizige Ziele vor-
genommen. Sie will die flächendeckende Versorgung
mit Hochleistungsnetzen, um zusätzliche Wachstumsim-
pulse zu setzen. Dabei sind wir uns sehr wohl bewusst,
dass es außerordentlicher Anstrengungen bedarf, und
zwar aller Beteiligten, um diese Ziele tatsächlich realisie-
ren zu können. Deshalb hat Bundesminister Alexander
Dobrindt unsere volle Unterstützung bei diesen ehrgeizi-
gen Vorhaben. Herr Minister, wir sollten alle Beteiligten
motivieren, diese Ziele gemeinsam mit uns zu verfolgen;
denn wir alle sollten das Ziel haben, Deutschland zum
Internetland Nummer eins in Europa zu machen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801203500

Das Wort hat der Kollege Reinhold Sendker für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Reinhold Sendker (CDU):
Rede ID: ID1801203600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In der vergangenen Legislaturperiode ist es uns trotz not-
wendiger Haushaltskonsolidierungen gelungen, für die
Verkehrsinfrastruktur weitere Investitionsmittel einzu-
werben, nicht zuletzt durch die bekannten Investitions-
beschleunigungsprogramme der beiden letzten Jahre. Ja,
wir sind vorangekommen. Diesen erfolgreichen Weg
wird die Koalition in den nächsten Jahren fortsetzen:


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


mit zusätzlichen 5 Milliarden Euro plus weiteren Mitteln
aus der Nutzerfinanzierung, mit der Absicht, nicht ver-
brauchte Investitionsmittel überjährig und ungekürzt zur
Verfügung zu stellen, mit der Absicht, stabile Finanzie-
rungskreisläufe zu statuieren, mit mehr Bürgerbeteili-
gung, vor allen Dingen mit Blick auf den Bundesver-
kehrswegeplan, und schließlich mit dem neuerlichen
Bekenntnis „Erhalt vor Neubau“ angesichts gewaltiger
Erhaltungs- und Sanierungsaufgaben, zum Beispiel bei
den Brückenbauwerken. Das sind ganz hervorragende
Aufschläge im gemeinsamen Koalitionsvertrag von
Union und SPD. Die Eckpfeiler wurden richtig gesetzt
für eine erfolgreiche Verkehrspolitik unserer Regierung
in den nächsten Jahren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Für den Aus- und Neubau bleiben allerdings – das ist
schon gesagt worden – wenig Spielräume übrig. Die
Spielräume bleiben eng. Folglich werden wir uns ge-
meinsam mit unserem Minister für einen weiteren Auf-
wuchs der Investitionsmittel einsetzen. Schließlich hat
unser Land eine zentrale Bedeutung für die europäischen
Verkehre, ist Wachstumslokomotive im Herzen Europas.
Im Interesse der Sicherheit der Menschen und der Pros-
perität unserer Volkswirtschaft, der Sicherung von Ar-
beitsplätzen, müssen wir weiter die Voraussetzungen
dafür schaffen, dass gebaut werden kann, was gebaut
werden muss. Den Kolleginnen und Kollegen der Grü-
nen sage ich: Eine Verweigerungshaltung beim Straßen-,
Schienen- und Wasserwegeausbau, die wir hier oft ver-
nommen haben, kann sich unser Land schon lange nicht
mehr leisten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind doch alte Grabenkämpfe! – Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch albern!)


Erforderlich ist vor allem Transparenz in Form eines
Verkehrsinfrastrukturberichtes alle zwei Jahre. Erforder-
lich ist darüber hinaus die unvoreingenommene Prüfung,
wie weit im Einzelfall die Zusammenarbeit von öffentli-
chen und privaten Geldgebern als zusätzliche Beschaf-
fungsvariante genutzt werden kann. In der Diskussion
um öffentlich-private Partnerschaften kann ich uns nur
raten, Fakten sprechen zu lassen, sprich: Wirtschaftlich-
keit, Transparenz, Qualität der Bauausführung, verbun-
den mit einem hochwertigen Betriebsdienst, einem
schnelleren Ausbau und dergleichen mehr. Diese Ver-
gleichsfaktoren gilt es sorgsam zu prüfen. Danach muss
entschieden werden und nicht nach ideologischen Be-
denken.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Als jemand, der viele Jahre im Landes- und Kommu-
nalparlament mitwirken konnte, bin ich hocherfreut da-
rüber, dass dieser Koalitionsvertrag einige kommunal-
freundliche Ansätze hat, darunter die Vereinbarungen
zur Gemeindeverkehrsfinanzierung, zu den Regionali-
sierungsmitteln und zu den NE-Bahnen, also dem nicht
bundeseigenen Schienengüterverkehrsnetz. Dass der
Bund im Zusammenhang mit der Ausbauhilfegesetzge-
bung trotz Föderalismusreform bis ins Jahr 2019 weiter-
hin 1,33 Milliarden Euro per annum für die Gemeinde-
verkehrsfinanzierung bereitstellt, war Beschlussfassung
der bisherigen Regierung und – lassen Sie mich das an
dieser Stelle noch einmal betonen – fürwahr eine heraus-
ragende Leistung.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Da unsere Kommunen mit Recht Verlässlichkeit und
Planungssicherheit bei der Gemeindeverkehrsfinanzie-
rung einfordern, ist auch die Zielsetzung erfreulich, eine
Anschlussfinanzierung für die Entflechtungsmittel im
Rahmen des GVFG für die Zeit nach 2019 zu erreichen.
Machen wir uns nichts vor: Viele Städte und Gemeinden
hätten schon jetzt ohne die Hilfe des Bundes eine zusätz-
liche Finanzierungsaufgabe bei schwieriger Kassenlage.
Deshalb sind unsere Vorschläge, die Vorschläge der Ko-
alition, gut für unsere Kommunen. Noch deutlicher: Das
ist kommunalfreundliche Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


In diesem Jahr, in 2014, steht die Revision der Regio-
nalisierungsmittel an. Auch beim Schienenpersonennah-
verkehr ist es gut und richtig, die Finanzierung im Sinne





Reinhold Sendker


(A) (C)



(D)(B)

der Bedürfnisse der Menschen und im Sinne guter
Standortpolitik zu sichern.


(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann hätte man das auch in den Koalitionsvertrag schreiben können!)


In der zurückliegenden Wahlperiode hatten wir, wenn
ich daran noch erinnern darf, für das Haushaltsjahr 2013
erstmals Fördermittel für die NE-Bahnen eingestellt,
also eine über die Netze der Bahn AG hinausgehende In-
vestitionsförderung für die Güterverkehrsstrecken, die
von Kommunen und Privaten betrieben werden. Diese
Förderung ist absolut zielführend; denn wenn sich die
Betreiber der NE-Bahnen diese nicht mehr leisten kön-
nen, haben wir am Ende womöglich noch mehr Schwer-
lastverkehr auf unseren Straßen. Deshalb ist die Absicht,
die Förderung der NE-Bahnen fortzusetzen, in ihrer
Auswirkung kommunal- wie umweltfreundlich und da-
mit absolut richtig.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Insgesamt gesehen werden wir also in dieser Legisla-
turperiode über mehr Geld für die Verkehrsinfrastruktur
verfügen können. Wir wollen die gegebenen Finanzie-
rungsstrukturen weiter optimieren und ÖPP als zusätzli-
che Beschaffungsvariante prüfen. Wir wollen noch mehr
Transparenz und Bürgerbeteiligung erreichen. Wir erbli-
cken im Koalitionsvertrag ausgesprochen kommunal-
freundliche Ansätze. Wir wollen mehr Lärmschutz und
eine bessere Verzahnung unserer Verkehrsträger herstel-
len.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801203700

Kollege Sendker.


Reinhold Sendker (CDU):
Rede ID: ID1801203800

Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801203900

Sie müssen noch nicht zum Ende kommen. Vielmehr

haben Sie die einmalige Chance, weiterzureden, wenn
Sie dem Kollegen Gastel die Möglichkeit geben, eine
Bemerkung zu machen oder eine Frage zu stellen.


Reinhold Sendker (CDU):
Rede ID: ID1801204000

Bitte schön. Gerne.


Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1801204100

Vielen Dank, Herr Kollege, dass ich die Gelegenheit

habe, Ihnen eine Zwischenfrage zu stellen. – Sie haben
in Ihrem Beitrag unter anderem gesagt, wir Grüne wür-
den uns bei Investitionen verweigern. Sie haben von
Ideologie gesprochen. Sie haben davon gesprochen, dass
mehr investiert werden muss. Jetzt möchte ich auf das
Thema Schiene zu sprechen kommen. Hier wurde viel
investiert und soll weiterhin viel investiert werden. Wie
erklären Sie sich, dass im Personenfernverkehr, aber
auch im Güterverkehr der Anteil der Schiene am Ver-
kehrsaufkommen trotz dieser milliardenschweren Inves-
titionen in den letzten Jahren nicht gestiegen ist? Wie
wollen Sie das Investitionsverhalten in der Zukunft steu-
ern, sodass es gelingt, mehr Güter auf die Schiene zu be-
kommen und im Fernverkehr mehr Personen?


Reinhold Sendker (CDU):
Rede ID: ID1801204200

Das ist eine berechtigte Frage, Herr Kollege Gastel.

Wir werden daran arbeiten. Wir haben schon in der Ver-
gangenheit über dieses Thema diskutiert, also über eine
stärkere Verlagerung der Verkehre auf die Schiene. Da
haben wir noch einiges zu erledigen. Ich darf Ihnen mit
den Worten der Bundeskanzlerin antworten: Bitte haben
Sie Geduld. Da werden wir liefern. Wenn Sie uns das
nicht zutrauen, dann darf ich Ihnen sagen: Die Bürgerin-
nen und Bürger, jedenfalls die Wählerinnen und Wähler
trauen es uns zu. Sie haben die CDU/CSU-Bundestags-
fraktion mit 42 Prozent der Stimmen ausgestattet. Wir
sind auf einem guten Weg. Vertrauen Sie uns.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich darf fortfahren, Frau Präsidentin. – Wir wollen
vor allen Dingen Zukunftsoptionen weiter voranbringen:
von der Elektromobilität über noch mehr Verkehrs-
sicherheit bis hin zu einer hervorragenden digitalen
Infrastruktur. Wir werden der Gesamtverantwortung für
unser Land mit einer modernen und zukunftsfähigen
Verkehrspolitik gerecht. Lassen Sie uns gemeinsam
sachlich und ohne ideologische Verrenkungen an dieser
hervorragenden Aufgabe und Zielsetzung gemeinsam
weiterarbeiten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801204300

Für die SPD-Fraktion spricht nun die Kollegin Birgit

Kömpel.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Birgit Kömpel (SPD):
Rede ID: ID1801204400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Gäste auf der Besuchertribüne! Bei al-
ler Brisanz und der großen Bedeutung der digitalen In-
frastruktur sollten wir nicht vergessen, dass zu Mobilität
und Infrastruktur auch das Thema Verkehrssicherheit ge-
hört. Herr Kollege Storjohann hat es vorhin ganz kurz
erwähnt. Ich möchte dazu weiter ausführen.

Wir hatten im Jahr 2013 die niedrigste Anzahl von
Verkehrstoten seit der Einführung der amtlichen Unfall-
statistik zu verzeichnen. Diese positive Entwicklung
wäre ohne die wertvolle Arbeit der Verkehrssicherheits-
verbände und der vielen Ehrenamtlichen nicht denkbar.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön dafür.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


So erfreulich diese Zahl auch ist, so gibt sie uns den-
noch Anlass, etwas genauer hinzuschauen. Wir dürfen
nicht vergessen, dass diese Zahl auch ein wenig dem
schlechten Wetter in den Monaten April und Mai des
letzten Jahres geschuldet ist. Sie fragen sich jetzt viel-
leicht: Was hat das Wetter damit zu tun? Ganz einfach:





Birgit Kömpel


(A) (C)



(D)(B)

Bei Regen und Kälte, wie es eben leider in den beiden
Monaten – Entschuldigung, das ist meine erste Rede; ich
bin sehr nervös –


(Beifall)


Mai und Juni des letzten Jahres der Fall war, lassen zum
Beispiel die Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer
ihre Maschinen in der Garage stehen. Wir können aber
nicht auf schlechtes Wetter in diesem Frühjahr hoffen,
damit sich die Zahl der Verkehrstoten im Straßenverkehr
verringert. Ich denke, das will hier niemand.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Apropos Wetter: Gerade im Winter geschehen immer
wieder Unfälle an unseren Bahnhöfen, weil der Streu-
pflicht nicht rechtzeitig nachgekommen wurde oder
nachgekommen werden konnte. Sehr geehrter Herr
Minister Dobrindt, im Zusammenhang mit dem Vorha-
ben, die Bahn strenger zu kontrollieren, möchte ich Sie
herzlich bitten, auch ein wachsames Auge auf die Ver-
kehrssicherheit an unseren Bahnhöfen zu haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Ganz sicher ist die Technik – das ist ein Segen – heute
so weit fortgeschritten, dass besonders im Straßenver-
kehr niemand mehr so schnell an den Folgen eines Un-
falls sterben muss. Das gilt ganz besonders für die Insas-
sen eines Pkw. Doch dieser Fortschritt birgt auch eine
Gefahr. Viele Autofahrerinnen und Autofahrer verlassen
sich auf Airbag, ABS, Bremsassistent und deutlich ver-
besserte Kindersitze. Wer nach dem Motto „Es geht noch
ein bisschen schneller, mein Auto ist sicher“ ins Fahr-
zeug steigt, der oder die hat verkannt, dass die Gefahr
stets vorhanden ist.

Die neuen Sicherheitssysteme können Autofahrerin-
nen und Autofahrer tatsächlich dazu verleiten, schneller
und mit mehr Risiko zu fahren. Wer frontal mit einem
anderen Fahrzeug zusammenprallt oder gegen einen
Baum fährt, mag heute vielleicht nicht mehr so schnell
sterben wie noch vor einigen Jahren. Es ist aber nun
nicht so, dass er oder sie sich nach dem Aussteigen zwei-
mal schüttelt und sich dann entspannt das zerstörte Fahr-
zeug betrachten kann. Das mag in der Formel 1 manch-
mal so sein, aber im normalen Straßenverkehr ist dem
nicht so. Schwerverletzte Autofahrerinnen und Autofah-
rer mit bleibenden körperlichen Schäden gibt es bis
heute genug. Es besteht also gar kein Grund, sich zu-
rückzulehnen und das Thema Verkehrssicherheit auf die
lange Bank zu schieben.

Wir befinden uns nicht zu Unrecht in der Dekade der
Verkehrssicherheit, die von den Vereinten Nationen aus-
gerufen worden ist. Es sind hervorragende Projekte wie
„Begleitetes Fahren mit 17“ oder das absolute Alkohol-
verbot für Autofahrer bis zum Alter von 21 Jahren auf
den Weg gebracht und umgesetzt worden. Aber auch
dem zunehmenden Anteil älterer Menschen an der Ge-
samtbevölkerung muss die Verkehrssicherheitsarbeit mit
neuen Maßnahmen Rechnung tragen. Ältere Menschen
über 65 und Kinder im Grundschulalter verunglücken als
Fußgänger dreimal so oft wie 35- bis 44-Jährige.


(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber am meisten rasen die Eltern vor den Kitas, mit den dicksten Autos!)


Auf schwächeren Verkehrsteilnehmern, zu denen ältere
Menschen und Kinder gehören, aber auch auf ungeschütz-
ten Verkehrsteilnehmern wie Fußgängern, Fahrradfahrern
und Motorradfahrern muss in der Verkehrssicherheit un-
ser besonderes Augenmerk liegen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Hier helfen jedoch nicht immer strengere Verkehrs-
regeln, sondern hier muss in unserer Gesellschaft für
Einsicht, Rücksicht und Verantwortungsbewusstsein ge-
worben werden.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wichtige Grundsteine dafür werden vor allem in der
Verkehrserziehung an den Grundschulen und in den Kin-
dertagesstätten gelegt. Diese Maßnahmen müssen wei-
terhin unterstützt werden, um das Verständnis für und
die Akzeptanz von Verkehrsregeln bereits in jungen Jah-
ren zu fördern – frei nach dem Motto: Was Hänschen
nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.

Kommen wir jetzt zu einem heiklen Thema, zur ver-
kehrsmedizinischen Beratung für unsere lieben Senio-
ren. Keine Angst! Im Koalitionsvertrag steht, dass die
Anzahl der – ich glaube, das ist das Zauberwort – frei-
willigen Gesundheitschecks erhöht wird. Auch wenn un-
sere Senioren über mehr Erfahrung und Fahrpraxis ver-
fügen als die jungen Verkehrsteilnehmer, so ist die Zahl
der Unfälle, die durch ältere Bürgerinnen und Bürger
verursacht werden, noch immer hoch. Wir müssen die
Hausärzte dazu auffordern, die gegebenenfalls notwen-
digen Fortbildungen zu absolvieren; sie sollen in einer
ständig älter werdenden Gesellschaft als Ansprechpart-
ner für unsere Senioren hinsichtlich der Fahrkompetenz
agieren – ich betone: agieren, nicht reagieren; denn dann
ist es meist schon zu spät.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich komme zum Schluss. Wir alle kennen jemanden,
der einen Freund oder eine Freundin oder einen Angehö-
rigen durch einen Verkehrsunfall verloren hat; vielleicht
sind wir sogar selbst betroffen. Wir wissen, welch uner-
messliches Leid dann über die Angehörigen herein-
bricht. Deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir
hier im Parlament alles dafür tun, dass die Zahl der Men-
schen, die um einen Angehörigen trauern müssen, weiter
sinkt.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) (C)



(D)(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801204500

Kollegin Kömpel, das war Ihre erste Rede hier im

Deutschen Bundestag. Ich gratuliere Ihnen dazu und
wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses viel Er-
folg für Ihre weitere Tätigkeit.


(Beifall)


Das Wort hat der Kollege Arnold Vaatz für die CDU/
CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1801204600

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Als letztem Redner kommt mir die Aufgabe zu,
ein paar zusammenfassende Bemerkungen aus Sicht un-
serer Fraktion zu machen. Die erste dieser Bemerkungen
ist folgende: Die digitale Infrastruktur zu einem zentra-
len Aufgabengebiet aufzuwerten, das sich im Namen des
Ministeriums widerspiegelt und dort auch strukturelle
Folgen haben wird, halte ich für eine der wichtigsten
strategischen Entscheidungen der Großen Koalition.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Denn diese Aufgabe gehört dort angesiedelt, wo die Ver-
antwortung für Mobilität wahrzunehmen ist. Zur Mobili-
tät von Menschen gehört die Mobilität von Daten und In-
formationen, heute mehr denn je und morgen mehr als
heute. Der Grund ist ganz einfach: Die Mobilität von
Daten ist eine der vielversprechendsten und wichtigsten
Komponenten, auf die wir vertrauen können, wenn wir
daran arbeiten, die Attraktivität des ländlichen Raumes
zu heben. Wir wissen, dass die Landwirtschaft dort
längst nicht mehr das prägende Element ist. Wenn wir
diese Aufgabe geschickt angehen, wird es uns gelingen,
auf diese Weise auch im ländlichen Raum wieder Er-
werbsmöglichkeiten und Arbeitsplätze zu schaffen. Das
ist eine große Chance, die wir damit wahrnehmen. Bei
aller Kritik: Dass das Konzept hierfür am Anfang der
Regierungstätigkeit noch nicht fertig sein kann, dass am
ersten Tag noch keine Resultate geliefert werden kön-
nen, sondern dass mit diesem Aufgabengebiet ein Ar-
beitsauftrag umrissen ist, das sollten vernünftige Men-
schen begreifen und für selbstverständlich halten.
Unterstützen wir unseren Minister darin, dass er zu ei-
nem guten Ergebnis kommt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Über dieser zusätzlichen Aufgabe darf selbstverständ-
lich das Brot- und Buttergeschäft der Verkehrspolitik
nicht in den Hintergrund geraten – und das wird es auch
nicht. Wir wissen, dass die gut ausgebaute Infrastruktur
in Deutschland eine der zentralen Erfolgsgarantien für
die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft ist. Das
wird sie auch bleiben. Dabei muss uns allerdings klar
sein, dass wir einen weiteren Werteverzehr bei unserer
Infrastruktur nicht zulassen können.


(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jawohl, das trifft zu!)


Das bedeutet, dass der Akzent „Erhalt vor Neubau“ rich-
tig ist und von allen – das wird dem Einzelnen von uns
in seinem Wahlkreis möglicherweise schwerfallen – un-
terstützt werden sollte. Das erfordert Mäßigung, aber
auch die Sorge dafür, dass diese Mittel so eingesetzt
werden, dass sie optimale Wirkung entfalten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Zum Thema Finanzierung. Der Akzent „Erhalt vor
Neubau“ bedeutet nicht, dass es keinen Neubau geben
soll. Selbstverständlich brauchen wir auch weiterhin
Neubauvorhaben, um unsere Infrastruktur weiterzuent-
wickeln. Nur muss das natürlich maßvoll und nach trans-
parenten Prinzipien geschehen. Das bedeutet wiederum,
dass wir alle gemeinsam eine große Aufgabe zu schul-
tern haben, wenn es um den gegenseitigen Interessen-
ausgleich bei der Aufstellung unseres Bundesverkehrs-
wegeplanes 2015 geht. Dessen Qualität wird sich danach
bemessen, inwieweit die Realisierbarkeit im Vorder-
grund stehen wird und nicht das Wünsch-dir-was. Das
erfordert meines Erachtens große Disziplin, Kollegialität
und Transparenz. Auch in diesem Punkt werden wir un-
seren Minister unterstützen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Meine Damen und Herren, Verkehrspolitik darf auch
in Zukunft nicht allein ein innenpolitisches Thema sein.
Der Eiserne Vorhang ist ein für alle Mal weg. Die
Durchdringung des Raumes, der sich auf diese Weise
eröffnet hat, ist im Ansatz noch längst nicht weit genug
entwickelt. Deshalb hat die Europäische Union auch mit
dem Vorstoß zu den transeuropäischen Verkehrsnetzen
– Grünbuch, Weißbuch, Netzkonzept – reagiert. Auch
diese Aufgabe müssen wir schultern. Das ist eine lang-
fristige Aufgabe, die wir nicht heute und nicht morgen
schaffen. Aber wir müssen dranbleiben, wenn wir ein
solches Verkehrsnetz jemals realisieren wollen. Das ist
eine der zentralen Aufgaben bei der Weiterentwicklung
der Zusammengehörigkeit der Gesellschaften in Europa.
Das halte ich für eine ganz wichtige Aufgabe. Demzu-
folge dürfen wir das nicht aus den Augen verlieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Im Übrigen ist hier bis jetzt sehr wenig zum Thema
Schifffahrt gesagt worden. Auch dazu will ich, auch
wenn ich es mir eigentlich nicht vorgenommen hatte, et-
was sagen. Außerordentlich wichtig sind die Hafenhin-
terlandanbindungen, aber auch – das dürfen wir nicht
vergessen – der Binnenschiffsverkehr.


(Sören Bartol [SPD]: Sehr richtig, Herr Kollege!)


Dies dürfen wir auch aus ökologischen Gründen nicht
außer Acht lassen. Wir müssen auch in diesem Bereich
den Ausbau fortführen, müssen die Aufgaben identifi-
zieren, die sich wiederum nach dem Jahrhunderthoch-
wasser ergeben haben, und müssen zügig dafür sorgen,
dass wir an dieser Stelle nicht ins Hintertreffen geraten.
Auch das muss sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)






Arnold Vaatz


(A) (C)



(D)(B)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt, wie
Sie sehen, jede Menge Aufgaben. Packen wir es an. Wir
wissen alle – das sage ich hier ausdrücklich –, dass wir
im Infrastrukturbereich unterfinanziert sind. Aber es
nützt nichts – das sage ich insbesondere an die Adresse
der Grünen –, über Jahre durch immer neue Umweltstan-
dards alle Großprojekte entweder zu verhindern oder zu
verteuern und hinterher zu schimpfen, dass wir nicht ge-
nug Geld haben. Das ist nicht der richtige Weg.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Primitiv!)


Meine Damen und Herren, wir müssen nach Finanzie-
rungsmöglichkeiten suchen, die tatsächlich tragfähig
sind. Deshalb haben wir an zwei Punkten wirklich einen
vernünftigen Umdenkungsprozess vollzogen – ich komme
zum Ende, Frau Präsidentin –:


(Heiterkeit im ganze Hause)


Erstens. Wir haben 5 Milliarden Euro zusätzlich für
die Infrastruktur bereitgestellt, die nicht unter Finanzie-
rungsvorbehalt stehen. Das ist eine große Leistung der
Koalition.

Zweitens. Wir werden weiter auf dem Weg zur Nut-
zerfinanzierung anstatt der Steuerfinanzierung gehen.
Auch das ist ein wichtiger Weg.

Außerdem werden wir darauf achten, dass die Infra-
strukturhaushalte in Zukunft aufhören, der ständige
Steinbruch für alle Einsparungen im Bundeshaushalt zu
sein.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1801204700

Herr Kollege.


Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1801204800

Ich denke, dass uns das gemeinsam gelingen wird.

Ich bedanke mich ganz herzlich, Frau Präsidentin,


(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)


dass ich zu Ende reden durfte, und wünsche Ihnen allen
ein schönes Wochenende.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1801204900

Die Liberalität dieses Parlaments unter besonderer

Berücksichtigung des jeweils amtierenden Präsidiums ist
schwerlich zu überbieten.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD)


Das nehmen wir mit besonderer Rührung zu Protokoll.

Im Übrigen hoffe ich doch sehr, dass Sie nicht am
Ende sind, Herr Kollege Vaatz.


(Heiterkeit im ganzen Hause)


Leider muss dennoch jede Rede irgendwann einmal an
ein gesetztes Ende kommen.

(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Sie haben hinter meinem Rücken den Vorsitz ausgetauscht! – Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


– Ja, es ist nicht völlig unüblich, dass ein Wechsel im
Präsidium während laufender Plenarsitzungen erfolgt.
Dass das aber selbst stellvertretenden Fraktionsvorsit-
zenden ohne Vorwarnung passiert, ist schon eine arge
Zumutung; das räume ich ausdrücklich ein.


(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)


Weitere Wortmeldungen zu diesem Geschäftsbereich
liegen nicht vor, sodass wir jetzt zu den Bereichen Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit kom-
men.

Wenn die dazu vereinbarte Redezeit von 60 Minuten
eingehalten wird, droht das gleiche Risiko wie eben bei
den Rednern in dieser folgenden Debatte nicht.

Wir beginnen mit der Bundesministerin für Umwelt,
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Frau Dr. Barbara
Hendricks, die hiermit das Wort erhält, sobald sich die
Plenarbesetzung wieder etwas neu sortiert hat.

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
gen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die
Agenda der Bundesregierung in der Umwelt- und Bau-
politik ist lang. Sie ist aber nicht nur lang, sondern auch
vielfältig und ambitioniert, und sie steht unter einer
Überschrift, nämlich: Alle unsere Lebensgrundlagen
sind auf Nachhaltigkeit angewiesen. – Damit haben wir
beim Strom begonnen, das müssen wir bei der Wärme
sowie beim Natur- und Flächenverbrauch fortsetzen, und
darum muss es mehr noch als bisher schon auch beim
Planen und Bauen gehen.

Es ist richtig, Umweltschutz, Stadtentwicklung und
Bauen in einem Haus zusammenzuführen,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


weil zum Beispiel 40 Prozent der deutschen Treibhaus-
gasemission aus dem Gebäudebereich kommen, weil
80 Prozent der Energie und Ressourcen in Städten ver-
braucht werden und vor allem, weil Nachhaltigkeit eine
ökologische, eine ökonomische und eine soziale Dimen-
sion hat.

Wir alle sehen, wie groß die Widerstände gegen eine
Politik der Nachhaltigkeit gerade auch auf der internatio-
nalen Bühne sind. Ich kann Ihnen versichern: Diese
Bundesregierung wird Kurs halten.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Es wird nicht einfach sein, am Ende des nächsten Jah-
res auf der UN-Konferenz in Paris ein globales, rechtlich
bindendes und vor allem substanzielles Klimaschutzab-
kommen zu erreichen. Wir werden aber – alle Ressorts
zusammen – jeden diplomatischen Hebel in Bewegung





Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks


(A) (C)



(D)(B)

setzen, und ich werde mich natürlich auch persönlich der
UN-Klimaverhandlungen annehmen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


So muss es natürlich auch in Europa sein, weil wir das
Ziel, bis zum Jahr 2030 um mindestens 40 Prozent zu re-
duzieren, brauchen, und weil wir eine Reform des Emis-
sionshandels wollen, die ihren Namen verdient und auf
marktwirtschaftliche Weise die Verstromung von Kohle
zurückdrängt; denn nur so wird der Emissionshandel
endlich zu dem Innovationstreiber werden, der er sein
kann.

Auch in Deutschland müssen wir mehr tun, indem wir
nämlich die Verlässlichkeit für das Langfristprojekt Kli-
maschutz schaffen und für Investitionen und Planungssi-
cherheit sorgen. Ein Langfristziel ist für uns das Jahr
2050. Deshalb werden wir noch in diesem Jahr einen na-
tionalen Klimaschutzplan mit klaren Zwischenzielen für
die nächsten Jahrzehnte vorlegen.

Damit ist es aber nicht getan. Auch kurzfristig müssen
wir handeln. Ich möchte hier ankündigen, dass ich mich
um ein ressortübergreifendes Sofortprogramm für den
Klimaschutz kümmern werde, und zwar umgehend.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Sylvia KottingUhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Nach allen Daten, die uns vorliegen, werden wir mit
den bisher beschlossenen Maßnahmen unser nationales
Ziel bis 2020 nicht erreichen können. Mit den Maßnah-
men, die schon auf dem Weg sind, erreichen wir allen-
falls ein Minderungsziel von 33 Prozent, aber nicht von
40 Prozent. Bei einer schlechteren wirtschaftlichen Ent-
wicklung würden wir ein Minderungsziel von 35 Pro-
zent erreichen, aber es kann nicht unser Wunsch sein,
das Ziel auf diese Weise zu erreichen.

Also müssen wir weitere Anstrengungen unterneh-
men, um die Lücke, die sich auftut, bis zum Jahr 2020 zu
schließen. Deswegen braucht es auch ein Sofortpro-
gramm; denn bis 2020 ist es, wie wir wissen, nicht mehr
lange hin. Das Ziel von 40 Prozent haben wir im Jahre
2007 gemeinsam definiert. Das werden wir auch ge-
meinsam umsetzen wollen. So viel für heute zum Klima-
schutz.

Es gibt natürlich vielfältige weitere Herausforderun-
gen. Der Atomausstieg – das ist eine Selbstverständlich-
keit – ist für uns unumkehrbar. Nun geht es um eine pro-
fessionelle Umsetzung und darum, bis zuletzt maximale
Sicherheit zu gewährleisten. Es geht darum, ein geeigne-
tes Endlager zu finden. Ich finde, das ist eine Aufgabe
von wahrhaft nationaler Bedeutung.

Wir haben die Erkundung in Gorleben beendet und
werden nun in einem transparenten Verfahren die Krite-
rien für eine ebenso transparente Standortentscheidung
bestimmen. Dazu wird der Bundestag sehr bald die End-
lagerkommission ins Leben rufen. Mein Ministerium
wird dafür sorgen, dass das neue Bundesamt für kern-
technische Entsorgung im Sommer seine Arbeit aufneh-
men kann, damit es dann, wenn die Kriterien bis zum
Ende des Jahres 2015 gemeinschaftlich bestimmt sind,
auf Basis dieser dann bestimmten Kriterien auf die Su-
che gehen kann.

Stichwort „Sommer“ – das ist jetzt eine ganz gewagte
Überleitung –:


(Heiterkeit der Abg. Ute Vogt [SPD])

Im Sommer dieses Jahres wird das neue Bundesamt
seine Arbeit aufnehmen, und im Sommer des vergange-
nen Jahres standen weite Teile unseres Landes nach ei-
nem verheerenden Hochwasser still. Das ist natürlich
nicht vergessen, gerade in den betroffenen Gebieten
nicht, aber auch darüber hinaus nicht.

Gemeinsam mit den Ländern arbeiten wir an einem
nationalen Hochwasserschutzprogramm. Wir brauchen
– das wissen wir alle – mehr Raum für die Flüsse, ge-
nauso wie wir mehr Raum für die Natur überhaupt brau-
chen. Deswegen werden wir in dieser Legislaturperiode
unser Nationales Naturerbe erheblich ausweiten, und
zwar um mindestens 30 000 Hektar.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Kommen wir zum Bauen. Nicht nur in Deutschland,
sondern weltweit sind es heute die Städte, die im Fokus
der Nachhaltigkeitsdiskussion stehen; denn dort, wo
Menschen auf engem Raum zusammenleben, entschei-
det sich, ob Nachhaltigkeit wirklich gelingt. Ein Schwer-
punkt dieser Legislaturperiode wird darin bestehen, die
Städte zukunftsfähiger zu machen und sie in ihrer Ent-
wicklung zu unterstützen, weil wir lebenswerte Städte
wollen, in denen auch in Zukunft Menschen aller Ein-
kommensgruppen, jeden Alters und jeder Herkunft,
deutscher oder anderer Herkunft, nicht nebeneinander,
sondern miteinander leben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

6, 7 oder 8 Prozent Mietanstieg pro Jahr in manchen

Ballungsräumen muss uns natürlich beunruhigen. Das ist
eine ernste Bedrohung für ein sozial ausgewogenes Mit-
einander. Ich danke dem Kollegen Justizminister, dass er
unmittelbar dahin gehend tätig geworden ist, den
Rechtsrahmen entsprechend anzupassen, so wie wir das
in der Koalitionsvereinbarung vorgesehen haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Um aber an die Wurzeln des Problems zu kommen,
werden wir den Wohnungsbau in Deutschland stärken,
nicht zuletzt den sozialen Wohnungsbau, für den wir bis
zum Jahr 2019 weiterhin 518 Millionen Euro zur Verfü-
gung stellen. Ich werde darüber hinaus ein Bündnis für
bezahlbares Bauen und Wohnen auf den Weg bringen:
mit den Ländern, mit der Immobilienwirtschaft, mit
Baufachleuten und mit den Sozialverbänden.

Ich freue mich, dass wir uns in der Koalition darauf
verständigt haben, die Städtebauförderung zu einem
wirklich schlagkräftigen Gestaltungsmittel mit einem
Volumen von 700 Millionen Euro jährlich zu machen.
Das ist ein deutlicher Aufwuchs im Verhältnis zu den
vergangenen Jahren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)






Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks


(C)



(D)(B)

Hierdurch können wir unter anderem das Programm
„Soziale Stadt“ ausbauen, mit dem wir Städte und Ge-
meinden gezielt unterstützen, den demografischen, den
sozialen und den ökonomischen Wandel zu gestalten.

Wandel gestalten, Umweltschutz, wirtschaftlichen Er-
folg und sozialen Frieden zusammenführen, Nachhaltig-
keit ernst nehmen. Um es begrifflich zusammenzufüh-
ren: das gute Leben in Deutschland fördern. Darum wird
es in meinem Ressort in den kommenden Jahren gehen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1801205000

Nächster Redner ist der Kollege Ralph Lenkert für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801205100

Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen

und Kollegen! Frau Ministerin Hendricks, die zwei So-
fortprogramme zum Klimaschutz und Hochwasserschutz
waren so ziemlich das erste Konkretere, was ich von die-
ser Koalition zum Umweltschutz gehört habe. Allein die
Neugestaltung der Bundeswehr nimmt im Koalitionsver-
trag mehr Platz ein als das globale Thema Umwelt-
schutz, so als gäbe es keine globalen Herausforderungen.

Die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie bis 2015
wird Deutschland nicht erfüllen. Die EU hat bereits ein
Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, unter anderem
wegen der Versalzung der Werra im thüringisch-hessi-
schen Grenzgebiet. Wie will die Regierung damit umge-
hen? Kein Wort dazu.

Der Konzern Kali und Salz kann also weiter ungestört
Salz in die Werra einleiten. Sollte Deutschland Strafzah-
lungen leisten müssen, dann zahlt die nicht der Konzern.
Die zahlen dann die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.
So macht man keine Politik für die Umwelt.


(Beifall bei der LINKEN)


Richtig schlimm wird es, wenn ökologisch sinnlose
Maßnahmen als Umweltschutz verkauft werden. Ich
hätte mich gerne an ihnen abgearbeitet; das fällt aber
schwer. Deswegen nenne ich ein paar warnende Bei-
spiele aus der Vergangenheit:

Erstens. Energiesparlampen sind gesamtökologisch
schädlich. Die Energieeinsparung wurde nie über den
gesamten Lebenszyklus der Energiesparlampen betrach-
tet. Sie ist zweifelhaft. Das Lichtspektrum macht Men-
schen krank. Die Entsorgung ist nicht geklärt. Die Lam-
pen landen auf dem Müll; das Quecksilber verdampft
oder wird einfach unter Tage abgelagert. Bei einem
Bruch der Lampen in geschlossenen Räumen besteht die
Gefahr einer Quecksilbervergiftung.

Aber der Preis einer Energiesparlampe ist deutlich hö-
her als der Preis einer Glühbirne. Das nennen wir Pseu-
doumweltschutz zur Profitmaximierung.


(Beifall bei der LINKEN)

Das zweite Beispiel: Das Land Nordrhein-Westfalen
ordnet an, alle Hausanschlüsse von Abwasserleitungen
auf Dichtheit zu prüfen. Das kostet zwischen 500 und
3 000 Euro je Anschluss für den Gutachter. Es geht an-
geblich um Trinkwasserschutz. Der ist wichtig. Aber der
Schadstoffeintrag durch undichte Hausanschlussleitun-
gen ist ein Bruchteil dessen, was aus anderen Quellen
stammt. Zum Beispiel stammen 60 Prozent des Stick-
stoffeintrages aus der Landwirtschaft. Wo sind da Ihre
Maßnahmen? Da ist nichts, gar nichts. Sie greifen immer
dort zu, wo Verbraucherinnen und Verbraucher bezahlen
müssen. Wenn es die Industrie oder Ihre Lobbygruppen
treffen würde, lassen Sie schön die Hände davon. Eine
solche Politik werden wir bekämpfen.

Damit solcher Irrsinn künftig unterbleibt, erwarte ich
– Sie haben die Chance, das zu ändern – konsequente und
effektive Umweltschutzmaßnahmen: für eine salzfreie
Werra, für Mindestabstände von Hochspannungsleitungen
von 800 Metern, für mehr Lärmschutz an Straßen, Schie-
nen und Flughäfen und für einen Hochwasserschutz, der
Menschen und Natur berücksichtigt. Das wäre Umwelt-
schutz, wie ihn die Menschen erwarten. Dafür sind wir
verantwortlich.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1801205200

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege

Georg Nüßlein das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1801205300

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Herr

Lenkert, die neue Ministerin hat die schwierige Aufgabe
übernommen, in wenigen Minuten den Rahmen für die
Verzahnung von zwei Politikbereichen zu beschreiben.
Das hat sie gut und umfassend gemacht,


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


auch wenn sie auf Ihre regionalen Anliegen nicht einge-
gangen ist – das konnte Sie logischerweise nicht – und
die von Ihnen immer wieder vorgetragenen Vorurteile
über Lobbypolitik nicht entkräften konnte.


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Aber der Koalitionsvertrag ist deutlich!)


Das wird wohl niemand von uns in den kommenden vier
Jahren schaffen. Nichtsdestotrotz will ich deutlich unter-
streichen, dass der Wegfall eines Teils der Energiepolitik
uns Freiraum für andere Themen gibt, und zwar neben
dem Bau für Umweltfragen sowie für Fragen des Natur-
schutzes. Insofern ist das gar nicht so problematisch.

Ich will unterstreichen, dass in Zukunft die Energie-
politik im Umweltministerium sehr wohl noch verortet
ist. Das Problem ist, dass wir in diesem Land über das
Thema Energiepolitik zu sehr unter der Überschrift
Strom diskutieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(A)






Dr. Georg Nüßlein


(A) (C)



(D)(B)

Ich halte das angesichts der Potenziale und Spielräume,
etwas für Umwelt- und Klimaschutz sowie gegen den
Ressourcenverbrauch zu tun, sowieso für falsch. Man
darf von hier aus das Signal an diejenigen, die in Zu-
kunft das EEG ändern werden, geben, dass das EEG Teil
eines mittlerweile eifrig beschriebenen Problems ist,
aber seine Änderung auch nur Teil der Lösung sein kann.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wer glaubt, dass man eine Energiewende einleiten kann,
indem man nur das EEG ändert, der wird frustriert daste-
hen und auch seine Wählerinnen und Wähler frustrieren;
denn wir sind maximal in der Lage, die Kostendynamik
des Ganzen zu bremsen. Aber wir können keine Wende
bei den Kosten herbeiführen. Deshalb ist es unser Anlie-
gen, mit den Kollegen, die für die Neuerungen zuständig
sind, über die Frage zu reden, wie sich das Marktdesign
so ändern lässt, dass die Erneuerbaren in die energiepoli-
tische Landschaft passen. Nun muss ich allerdings nach
gut zehn Jahren Energiepolitik aufpassen, dass ich nicht
zurückfalle und über das rede, was ich üblicherweise ge-
tan habe. Das räume ich ein.

Ich will betonen, dass wir als Umweltpolitiker bei den
erneuerbaren Energien – jenseits des Themas Wärme –,
auch wenn es um Strom geht, ein kräftiges Wörtchen
mitzureden haben müssen. Das, was die Europäische
Union in der Energiepolitik bis zum Jahr 2030 plant, ist
aus nationaler Sicht extrem problematisch; denn das
drängt uns in eine schwierige Wettbewerbssituation. Das
kann dazu führen, dass wir, wenn wir keine separaten
national verbindlichen Ziele für den Ausbau der Erneu-
erbaren in ganz Europa vereinbaren, aufgrund unserer
Vorreiterrolle in eine sehr schwierige Wettbewerbslage
kommen. Deshalb halte ich es für eine ganz wichtige
Aufgabe, dass auch die Umweltpolitik auf die Vereinba-
rung nationaler Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren
auf europäischer Ebene drängt. Das halte ich für ganz
zentral.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Es kann uns natürlich nicht kaltlassen, dass der Anteil
der Erneuerbaren steigt, dass aber gleichzeitig die CO2-
Emissionen zunehmen; auch darüber müssen wir reden.
Hier ist der Emissionshandel ein Schlüssel. Aber ich
sage ganz klar: Wenn man ein Marktinstrument implan-
tiert hat und auf den Markt setzt, dann kann es nicht sein,
dass die Politik bei jeder Gelegenheit steuernd eingreift.
Das bringt uns aus meiner Sicht von marktwirtschaftli-
chen Lösungen weg. Deshalb ist es wichtig, dass die
Konjunktur in ganz Europa so anspringt, dass die CO2-
Zertifikate wieder einen Wert bekommen. Wir haben
nun steuernd eingegriffen. Aber das können wir – das
haben wir in der Koalition klar formuliert – nicht ständig
tun.

Ich habe einleitend gesagt, dass wir die Chance ha-
ben, noch mehr für den Natur- und Landschaftsschutz zu
tun, als es im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Das will
ich nochmals betonen. Ich möchte in diesem Zusammen-
hang auf die Länderöffnungsklausel eingehen, in der wir
den Ländern zugestehen wollen, die Abstände zwischen
den Windrädern selber zu definieren. Das haben wir so
vereinbart, und das wollen wir so tun.

Darüber hinaus geht es natürlich um ganz andere Fra-
gestellungen. Ich erlebe, dass der Strukturwandel in der
Landwirtschaft natürlich ein Problem für die Landschaft
und für die Natur bei uns darstellt. Dass wir dieses
Thema Hand in Hand und nicht gegen die Landwirt-
schaft miteinander bearbeiten sollten, halte ich für ganz
wichtig.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ute Vogt [SPD])


Wenn die Landwirte im Zusammenhang mit den Aus-
gleichsflächen Kritik üben, dann geht es ihnen um zwei
Themen: zum einen um die Problematik, dass bearbeit-
bares Land tatsächlich knapp und knapper wird; zum
anderen sehen sie, was mit den Ausgleichsflächen
manchmal passiert. Oft werden einfach bürokratische
Regelungen getroffen, wobei am Schluss der Beitrag für
den Landschafts- und Naturschutz überschaubar ist. Wir
müssen uns noch einmal Gedanken darüber machen, wie
man es macht, dass alle verstehen, warum wir das tun
und was das Ganze bringen soll.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ute Vogt [SPD])


Es gibt ein weiteres Thema, das wir angehen wollen:
die Ressourceneffizienz. Das ist ein auch für die Wirt-
schaft wichtiges Thema. Die Wertstofferfassung muss
zielorientiert an Recyclingquoten festgemacht werden.
Es darf nicht nur um die Frage gehen, wer das organi-
siert. Ich glaube, dass wir uns einig sind, dass wir weder
eine Rekommunalisierung noch eine Zwangsprivatisie-
rung haben wollen. Am Schluss kommt es auf das Er-
gebnis an. Es muss so laufen, dass etwas dabei heraus-
kommt, nämlich hohe Recyclingquoten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nun haben wir schon in der letzten Legislatur partei-
und fraktionsübergreifend ein hohes Maß an Verantwor-
tung für nachfolgende Generationen übernommen, in-
dem wir die von der Ministerin angesprochene Standort-
suche für ein Endlager hochradioaktiver Abfälle
konsensual behandelt haben und beschlossen haben,
wieder bei null anzufangen. Wir wollen das Thema mit-
einander angehen. Ich glaube, das ist eine der vornehms-
ten Aufgaben der Großen Koalition.

Ich will aber auch sagen: Wenn man dazu dann eine
Kommission einsetzt, in der sich die Politik ganz be-
wusst zurücknimmt, weil das in besonderer Weise eine
Aufgabe der Zivilbevölkerung ist, dann kann es nicht an-
gehen, dass Teile der Umweltverbände sich zurückzie-
hen und sagen: Wir sind dazu da, um zu protestieren und
Nein zu sagen. – Das ist falsch. Damit wird man seiner
Verantwortung nicht gerecht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Deshalb an dieser Stelle ein leidenschaftlicher Appell,
den auch schon Teile der Grünen formuliert haben, sich
bitte einzubringen und mitzumachen; denn es geht wirk-
lich darum, ein großes Problem gemeinschaftlich so zu





Dr. Georg Nüßlein


(A) (C)



(D)(B)

lösen, dass es am Ende auch gemeinschaftlich akzeptiert
wird.

Ich wünsche mir, dass wir diese großen Aufgaben an-
gehen. Ich glaube, Frau Ministerin, dazu haben wir die
Voraussetzungen alle gemeinsam geschaffen. Wir wer-
den jetzt mit großer Tatkraft und Freude ans Werk gehen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1801205400

Peter Meiwald ist der nächste Redner für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen.


Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1801205500

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebes Präsidium!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau
Ministerin, zunächst möchte auch ich Ihnen von diesem
Ort aus zu Ihrer Ernennung herzlich gratulieren.

Aber nun zur Sache. Das Programm, das wir bisher zu
hören bekommen haben, ist zunächst einmal lediglich
die Fortsetzung der bestehenden Programme, die wir
schon aus der alten Regierungszeit kennen – Biodiversi-
tätsprogramm, Hochwasserschutz, Naturerbe –, oder es
wird der Umsetzung von EU-Recht, zum Beispiel beim
Elektroschrott, Genüge getan. Die Frage ist: Was ist ei-
gentlich neu, was sind die neuen Aspekte, was ist die
neue Dynamik in dieser Politik? Was ist mit den Wäl-
dern, was ist mit Monokulturen? Wir haben das eben
schon vom Kollegen Lenkert gehört. Es stellt sich die
Frage nach der Wasserverseuchung durch Nitrateinträge
und Ähnliches. Was ist mit dem Flächenverbrauch?

Wenn wir uns das anschauen, können wir sagen:
Wenn wir uns den ökologischen Fußabdruck, den unsere
Gesellschaft hinterlässt, weiterhin leisten wollen und so
weitermachen wie bisher, dann ist das in der Tat nach-
haltig, aber nachhaltig schädigend. Der Fußabdruck ist
aber nicht enkeltauglich. Das ist ein Punkt, an dem wir
noch deutlich mehr von Ihnen zu erwarten haben, als wir
bisher gehört haben. Ich hoffe, dass dazu etwas kommt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Im Bereich der Atomlobbypolitik haben Sie mit dem
Austauschen des Leiters der Abteilung Reaktorsicherheit
einen ersten Schritt getan, der bei uns auf Wohlwollen
gestoßen ist, auch wenn das natürlich spät gekommen
ist – aber immerhin.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dass Sie ein Kompetenzzentrum „Naturschutz und
Energiewende“ einrichten wollen, finden wir natürlich
auch eine gute Idee. Wichtig ist, dass die Umsetzung mit
einem vernünftigen Maß an Finanzmitteln nun auch
schnell erfolgt, damit es da vorangeht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn wir hören, dass Sie ein Klimaschutzsofortpro-
gramm planen, freuen wir uns als Grüne natürlich; das
ist ganz klar. Das findet erst einmal unsere Zustimmung,
steht aber den Überlegungen entgegen, die wir gestern
zu hören bekommen haben, oder den Maßnahmen, die
wir zum Beispiel in den letzten Jahren gerade im Bereich
der Braunkohle erleben mussten. Da verdrängt die Braun-
kohle – das kann auch nicht in Ihrem Interesse sein – die
effizienten Erdgaskraftwerke. Das ist nicht gut für das
Klima, das ist aber auch nicht gut für den vorbeugenden
Gesundheitsschutz unserer Bevölkerung; man denke nur
an Quecksilber, Feinstaub, Radioaktivität und alles das,
was aus diesen Kraftwerken herauskommt. Das kann
nicht in unserem Sinne sein. Da ist es auch nicht damit
getan, zu sagen: Wir haben jetzt einmal in den Zertifika-
tehandel eingegriffen, das reicht, und dann muss der
Markt es eben regeln. – Nein, der Markt regelt es nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wichtig an dem Punkt ist – das kann ich wirklich nur
als herzliche Bitte formulieren –: Überlassen Sie den
Klimaschutz nicht dem Wirtschaftsminister. Das hat
schon in der letzten Periode nicht geklappt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Frage ist: Wer wird sich in Brüssel für die ambi-
tionierten Klimaziele, von denen Sie ja gerade engagiert
gesprochen haben, einsetzen? Auf eine Kanzlerin, die
einmal eine Klimakanzlerin war, mittlerweile aber ganz
andere Interessen im Kopf hat, können wir in dieser
Frage, glaube ich, nicht warten. Also: Haben Sie die
Macht, haben Sie die Möglichkeiten, innerhalb der Re-
gierung diese ambitionierten Ziele auch durchzusetzen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die gestrige Debatte und die gestrige Entscheidung in
diesem Haus zum Thema Gentechnik lassen uns zumin-
dest befürchten, dass das Gegenteil der Fall ist. Hier
wird weiterhin eine Politik gegen die Interessen der Be-
völkerung gemacht. Bestenfalls ist es Mutlosigkeit der
Regierung, schlimmstenfalls sogar neu erwachte Liebe
zur Genindustrie, die Ihnen eigentlich sogar der eigene
Koalitionsvertrag verbietet. Die Menschen in unserem
Land und wir werden Ihnen diese verbotene Liebe zulas-
ten der Verbraucherinnen und Verbraucher und unserer
Umwelt nicht durchgehen lassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da müssen Sie als Umweltministerin in dieser Regie-
rung Gewicht entwickeln, Ihre Macht auch einmal ein-
setzen und sagen: Wir sind hier verantwortlich für Um-
welt und Natur, für den Verbraucherschutz und für die
Menschen in unserem Land.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Erlauben Sie mir noch einen kleinen Abstecher zur
Abfallpolitik. Das Thema Plastiktüten ist in den letzten
Monaten in aller Munde gewesen und war Gegenstand
vieler Fernsehberichte. Viele haben beklagt, dass Fische
oder auch Delfine daran zugrunde gehen. Darum geht es
aber nicht allein. Es geht dabei auch um Ressourcenver-
schwendung und um den Meeresschutz. Irland hat mit
einer Abgabe auf Plastiktüten ein Zeichen gesetzt und
große Erfolge damit. Ruanda hat bereits 2006 Plastik-
tüten komplett verboten – mit riesigen Erfolgen im
Land. Wann folgt Deutschland? Wann werden wir hier





Peter Meiwald


(A) (C)



(D)(B)

dazu kommen, die Plastiktüten endlich auch aus unse-
rem Umfeld zu verbannen? Wann werden wir hier – wir
müssen das ja nicht über ein Verbot machen, sondern
können das auch über eine Abgabenlösung wie in Irland
machen – im Interesse unserer Umwelt weiter voran-
kommen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ein Aspekt, der heute noch keine so große Rolle ge-
spielt hat: CETA und TTIP, die internationalen Abkom-
men, die jetzt anstehen. Setzen Sie sich bitte dafür ein,
dass Umweltstandards, die in Deutschland und in der EU
mittlerweile selbstverständlich geworden sind, nicht ge-
opfert werden! Gegebenenfalls müssen Sie in der Regie-
rung die Reißleine ziehen und sagen: So kann es nicht
gehen. – Wir müssen hier dafür sorgen, dass unser Ver-
braucherschutz und unser Umweltschutz nicht interna-
tionalen Abkommen geopfert werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben also einen gewissen Vertrauensvorschuss.
Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit. Aber wir erwar-
ten ambitionierte Politik. Wenn ich zum Beispiel im Be-
reich der Verkehrsinfrastruktur – –


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1801205600

Herr Kollege, ich habe keinen Zweifel, dass Ihnen

noch viele Beispiele einfallen,


(Heiterkeit)


aber irgendwann im Laufe des Vormittags werden Sie zu
Ende kommen müssen.


Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1801205700

Ja, ich komme zum Schluss, sehr gern. Das ist auch

mein letzter Punkt, Herr Präsident.

Nur noch zur Verkehrsinfrastruktur: Wenn wir das,
was der Kollege Vaatz eben ausgeführt hat, zu Ende den-
ken und uns anschauen, welches Umweltbewusstsein da-
hintersteht, wird uns angst und bange. Wir haben den
dringenden Wunsch an Sie, dass Sie da in der Regierung
einen Gegenpol bilden. Wir wünschen Ihnen für diese
Arbeit viel Glück. Verlassen Sie sich auf unsere kritische
Begleitung in der weiteren Arbeit.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Karin Binder [DIE LINKE])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1801205800

Lieber Kollege Meiwald, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer

ersten Rede


(Beifall)


und wünsche Ihnen alles Gute für die weitere parlamen-
tarische Arbeit. Sie werden hoffentlich Verständnis dafür
haben, dass ich bei Ihren künftigen Reden nicht wieder
einen etwa 50-prozentigen Redezeitzuschlag gewähren
kann.

(Heiterkeit – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz so viel war es nicht!)


Das gilt übrigens auch für die Kollegin Ute Vogt,


(Zuruf von der CDU/CSU: Kriegt die auch 50 Prozent?)


die nun als Nächste zu Wort kommt und nachweislich
nicht zum ersten Mal im Deutschen Bundestag redet.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1801205900

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, ich möchte
mich bei Ihnen ganz herzlich bedanken. Sie sind noch
keine 100 Tage im Amt, und schon können wir in der
Klimapolitik feststellen: Deutschland ist wieder da.


(Beifall bei der SPD)


Unser Einsatz ist dringend notwendig; denn das, was
die EU-Kommission vorlegt, sind mutlose Vorgaben. Es
gibt keine verpflichtenden Ausbauziele für die erneuer-
baren Energien und keine verbindlichen Vorgaben für
die Energieeffizienz. Diese Mutlosigkeit wird durch am-
bitionierte Vorgaben unserer Bundesregierung ersetzt.


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir sind diejenigen, die antreiben und die dafür sorgen,
dass auch die EU ihre Vorreiterrolle wieder einnehmen
kann


(Zuruf der Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


und dass die internationalen Standards nach oben ge-
drückt werden.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1801206000

Frau Vogt, darf Ihnen schon zu diesem frühen Zeit-

punkt die Kollegin Bulling-Schröter eine Zwischenfrage
stellen?


Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1801206100

Ja, gerne.


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801206200

Vielen Dank, Frau Kollegin Vogt. – Sie sprachen ge-

rade von ambitionierten Klimazielen. Im Koalitionsver-
trag steht, dass Backloading, also die Herausnahme von
Zertifikaten, ein einmaliger Eingriff sein soll. Die Zerti-
fikate sollen aber wieder auf den Markt zurückkommen
können. Aufgrund dieser Einschränkung ist der Zertifi-
katepreis nicht gestiegen. Er liegt bei 5 Euro. Wir haben
im letzten Umweltausschuss gemeinsam darüber disku-
tiert, dass dieser Betrag wesentlich höher liegen müsste
– am besten über 15 Euro –, um relevant zu sein.

Wissenschaftler sagen, dass wir, wenn die Klimapoli-
tik der Bundesregierung so weiter geht, nicht bei 40 Pro-
zent CO2-Reduktion im Jahr 2020 landen, sondern nur





Eva Bulling-Schröter


(A) (C)



(D)(B)

bei 30 bis 32 Prozent. Das sind realistische Zahlen. Ich
frage Sie: Wie können Sie angesichts dessen hier von
ambitionierten Klimaaktivitäten und Zielen sprechen?


Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1801206300

Vielen Dank, liebe Kollegin. – In meiner Eingangsbe-

merkung habe ich ja gesagt, dass die Ministerin noch
nicht einmal 100 Tage im Amt ist. Ich bitte Sie daher, zu
beachten, dass sowohl die Frau Umweltministerin als
auch – das ist ein Novum – der Herr Wirtschaftsminister
in den Debatten der letzten Tage darauf hingewiesen ha-
ben, dass hiermit ein erster Schritt beim Thema Emis-
sionshandel vollzogen werden soll. Sie können sich na-
türlich darauf verlassen, dass die Verhandlungen zur
Stärkung des Emissionshandels weitergehen. Aber das
kann man nicht alles in den ersten Wochen der Regie-
rungszeit schon vollenden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In dieser Legislaturperiode, liebe Kolleginnen und
Kollegen, sollten wir die Möglichkeiten aber auch nut-
zen, die Diskussion über einen angeblichen Widerspruch
zwischen Ökonomie und Ökologie zu beenden. Diese
Einschätzung beruht in der Regel auf künstlich herbeige-
redeten Lobbyinteressen. Wo es – wie in der Klimapoli-
tik – darum geht, das Überleben der ganzen Erde zu si-
chern, da darf man keinen Gegensatz zwischen Ökologie
und Ökonomie konstruieren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Viele Unternehmen in Deutschland gehen bereits jetzt
ökologische Wege, und das mit großem ökonomischen
Erfolg. Lassen Sie uns deshalb getrost mehr Ökologie
wagen.


(Beifall bei der SPD)


Dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg wird es nämlich nur
geben, wenn wir eine Politik machen, die die Ressourcen
schont und auch die Lebensqualität erhöht. Politik, die
für gesunde Umwelt und gute Lebensqualität sorgt, ist
aus sozialdemokratischer Sicht und sicherlich auch aus
Sicht der Großen Koalition eben nicht nur eine Politik
für ein begrenztes Feld, sondern es ist auch eine Politik
der sozialen Gerechtigkeit, die darauf abzielt, für alle
Menschen ökologisch annehmbare Bedingungen zu
schaffen.

Gerade in Gegenden, wo es starke Lärmbelastungen
und große Luftverschmutzungen gibt, haben die Men-
schen nur ein geringes Einkommen. Sie können sich
kein Haus am Waldrand oder einen schönen Garten mit
vielen Bäumen um das Haus herum leisten. Diese Men-
schen leiden deshalb unter den Umweltbedingungen oft
weit mehr als andere. Deshalb ist es das erklärte Ziel un-
serer Politik, auch in diesem Bereich mehr Lebensquali-
tät zu schaffen. Wir verstehen das als einen Beitrag zur
Schaffung sozialer Gerechtigkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich will noch auf ein weiteres Thema eingehen – der
Kollege Nüßlein hat es schon angesprochen –, nämlich
die Besetzung der Kommission zur Vorbereitung des
Standortauswahlverfahrens nach dem Standortauswahl-
gesetz. Auch bei dieser Frage geht es um Verantwortung
für die kommenden Generationen und darum, dass wir
für das geradestehen, was wir durch die Nutzung der
Atomenergie angerichtet haben. Wir müssen das alles
nun in einer Art und Weise auf den Weg bringen, dass
kommende Generationen keinen Schaden dadurch erlei-
den.

Insofern ist es wichtig, dass die stimmberechtigten
Mitglieder der Kommission zur Vorbereitung des Stand-
ortauswahlverfahrens die Gesellschaft in ihrer Breite wi-
derspiegeln. Stimmrecht in dieser Kommission haben
nur die acht Wissenschaftler sowie die acht Vertreterin-
nen und Vertreter gesellschaftlicher Gruppen. Wir müs-
sen daher verstärkt an die Umweltverbände appellieren:
Nutzen Sie Ihr Recht zur Mitentscheidung! Begnügen
Sie sich nicht mit der Rolle der Kritiker, sondern treten
Sie in die Verhandlungen ein und nutzen Sie Ihr Stimm-
recht! Setzen Sie es ein! – Ich finde, Umweltverbände
haben nicht nur das Recht, in dieser Frage mitzureden,
sondern es ist auch ihre Verpflichtung, die Umweltbe-
lange dort zur Geltung zu bringen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In dieser Woche hat uns der Tierfilmer und Moderator
Dirk Steffens auf einem parlamentarischen Abend des
WWF Trost zugesprochen. Er erinnerte daran, wie häu-
fig wir Abgeordnete an drögen Sitzungen teilnehmen,
wie langsam sehr vieles vorangeht und dass wir oft mit-
einander ringen und uns manchmal fragen: Warum tut
man sich das eine oder andere eigentlich an? – In diesen
Fällen sollten wir uns daran erinnern: Wir haben nicht
mehr, aber auch nicht weniger zu tun, als die Welt retten
zu müssen. – Das war ein großes Wort, das sehr pathe-
tisch klang. Ich fand, das war ein schöner Auftrag an
uns. Wir alle wissen, dass nicht jeder Einzelne von uns
die Welt retten kann, dass wir aber gerade mit einer ver-
nünftigen Verbindung von Ökonomie und Ökologie
kleine und große Beiträge dazu leisten können, diese
Welt tatsächlich ein Stück stabiler und für die nächsten
Generationen zukunftsfest zu machen. In diesem Sinne
freue ich mich auf eine gemeinsame, durchaus kritisch
diskutierte, aber auf jeden Fall die Welt voranbringende
Umweltpolitik.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1801206400

Das Wort erhält nun die Kollegin Heidrun Bluhm für

die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Heidrun Bluhm (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801206500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Werte Frau Bauministerin Hendricks, ich benutze diese





Heidrun Bluhm


(A) (C)



(D)(B)

Anrede deshalb, weil Ihr Vorgänger diese Bezeichnung
nicht verdient hatte. Hier klingt also eine gewisse Hoff-
nung mit, dass sich in diesem Bereich in Zukunft für
Deutschland Wesentliches ändern wird.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Die Bundesregierung hat uns mit dem Koalitionsver-
trag einen wohnungspolitischen Dreiklang aus Stärkung
der Investitionskraft, Wiederbelebung des sozialen Woh-
nungsbaus und einer ausgewogenen mietrechtlichen und
sozialpolitischen Flankierung versprochen. Was Frau
Ministerin Hendricks hier heute vorgetragen hat, bestä-
tigt das. Das klingt alles schon einmal viel besser als das,
was wir von Vorgängerregierungen gehört haben oder
was diese gar umzusetzen vermochten. Deshalb wün-
schen wir uns sehr, dass aus diesem Dreiklang eine har-
monische Melodie mit langem Nachhall werden wird.

Allerdings zeichnen sich schon heute einige Disso-
nanzen ab:

Stichwort „Investitionskraft“: Frau Ministerin, weder
im Koalitionsvertrag noch in Ihrer Rede heute haben die
Altschulden der ostdeutschen Wohnungsunternehmen
eine Rolle gespielt. Wir brauchen, so denke ich, die
Streichung der Altschulden ostdeutscher Wohnungsun-
ternehmen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die SPD hat mit uns gemeinsam noch in der letzten Le-
gislaturperiode entsprechende Anträge gestellt und auch
eingereicht. Von alldem steht aber nun nichts im Koali-
tionsvertrag, und auch Sie, Frau Ministerin, haben dazu
nichts gesagt. Wir werden weiterhin fordern, die Alt-
schulden zu streichen und damit die Investitionskraft der
Wohnungsunternehmen zum Beispiel für energetische
Sanierung oder auch den altersgerechten Umbau der
Wohnungen zu stärken.


(Beifall bei der LINKEN)


Demnächst, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die
Haushaltsdebatte. Die Regierung will die Mittel für die
Städtebauförderung von 455 Millionen Euro auf 700 Mil-
lionen Euro aufstocken;


(Beifall des Abg. Sören Bartol [SPD])


das hat Frau Hendricks hier eben noch einmal bestätigt,
ebenso auf der Bauministerkonferenz in dieser Woche.
Das begrüßen wir sehr, weil auch wir diese Forderung
unterstützen. Herr Pronold hat das allerdings auf meine
Anfrage im Ausschuss in dieser Woche schon wieder re-
lativiert. Er sagte nämlich: Über vier Jahre wollen wir
zusätzlich 620 Millionen Euro zur Verfügung stellen. –
Wenn ich die Differenz zwischen 455 Millionen Euro
und 700 Millionen Euro ausrechne, komme ich auf jähr-
lich 245 Millionen Euro mehr, und mal vier Jahre macht
das dann 980 Millionen Euro. 620 Millionen Euro wären
also schon einmal 360 Millionen Euro weniger, als Sie
brauchen würden, um Ihr Versprechen von 700 Millio-
nen Euro pro Jahr einzuhalten. Ich zitiere, was mein
Kollege Bartsch in der gestrigen Debatte zu Finanzen
und Haushalt sagte: Mathematische Gesetze lassen sich
nicht wegbeschließen. – Auch beim Summieren sind die
Zahlen für die Regierung die gleichen wie für die Oppo-
sition. Aber in 2014 muss das ja auch nicht mehr unbe-
dingt umgesetzt werden; denn wenn wir erst im Juni den
Haushalt beschließen, ist das Jahr halb um. Ehe das Geld
dann ausgereicht ist, hat man die Hälfte wahrscheinlich
schon wieder eingespart.

Stichwort „sozialer Wohnungsbau“: Sie wollen diesen
wiederbeleben, aber die Mittel von 518 Millionen Euro
pro Jahr, die zur Verfügung stehen, werden nicht aufge-
stockt. Wenn wir genauer hinsehen, stellen wir fest, dass
Herr Schäuble in der Verwaltungsvereinbarung bis 2018
nicht einmal darauf bestanden hat, dass durch die Länder
kofinanziert werden muss. Außerdem hat er auch noch
die Zweckbindung für den sozialen Wohnungsbau auf-
gegeben. Ich weiß nicht, wie Sie mit den Ländern ver-
einbaren wollen, dass das Geld dann zukünftig aus-
schließlich für den sozialen Wohnungsbau ausgegeben
werden soll. Da sind Sie auf das Wohlwollen der Bau-
minister angewiesen; aber die haben ihre Haushalte
längst beschlossen. Und: Selbst das würde nicht reichen,
um die fehlenden 4 Millionen Sozialwohnungen in
Deutschland zu schaffen oder ausreichend viele Woh-
nungen aus dem Bestand in die Zweckbindung zurück-
zuführen. Der Wegfall der Zweckbindung ist also,
glaube ich, kontraproduktiv. Da müssen Sie nacharbei-
ten.


(Beifall bei der LINKEN)


Stichwort „Klimaschutz im Gebäudebereich“: Das
CO2-Gebäudesanierungsprogramm und die energetische
Stadtsanierung sollen fortgeführt werden. Richtig! Aber
auf welchem Niveau und mit welchen Mitteln? Der Ko-
alitionsvertrag spricht von Zusammenfassung von Woh-
nungsbau und energetischer Gebäudesanierung zu
einem Aktionsprogramm. Aber wie? Aus den 518 Mil-
lionen Euro Kompensationsmitteln für den sozialen
Wohnungsbau? Aus Mitteln der Städtebauförderung und
wenn ja, in welcher Höhe? Aus dem EKF, der allerdings
jetzt bei Herrn Gabriel verwaltet werden soll? Dazu
würde ich in Zukunft gern noch etwas mehr von Ihnen
hören, Frau Ministerin.

Meine Damen und Herren, die bevorstehende Haus-
haltsdebatte wird der erste Test für die Ernsthaftigkeit
dieser Ankündigungen sein. Es wird sich zeigen, wer
den Taktstock führt und ob der versprochene Dreiklang
als kräftiges Fortissimo daherkommt oder doch nur ein
seichtes Piano bleibt.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1801206600

Nun hat Marie-Luise Dött das Wort für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)


Marie-Luise Dött (CDU):
Rede ID: ID1801206700

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

und Herren! Die Entscheidung, die Umweltpolitik und
die Bau- und Wohnungspolitik in einem Bundesministe-
rium zusammenzuführen, hat viel Aufmerksamkeit er-
zeugt. Ich sehe in dieser Zusammenführung beider Poli-
tikfelder eine spannende Herausforderung. Bereits
heute gibt es ja sehr viele inhaltliche Verzahnungen. Im
Konfliktfall mussten sie aber bisher zwischen zwei
Bundesministerien geklärt werden. Nun muss Frau Bun-
desministerin selbst für die Ausgewogenheit der Ent-
scheidung für beide Politikbereiche einstehen. Wir wer-
den sie dabei unterstützen.

Meine Damen und Herren, ich will hier die Gelegen-
heit nutzen, einige Schwerpunkte unserer Arbeit zu be-
nennen.

Wir werden auch in der neuen Legislaturperiode die
Umwelt- und Klimapolitik dynamisch weiterentwickeln;
Frau Ministerin Hendricks hat das schon ausführlich be-
schrieben.

Wettbewerb, Produktverantwortung und anspruchs-
volle Recyclingquoten sind auch zukünftig der Maßstab
für die Kreislaufwirtschaft. Dabei bleibt das bewährte
effiziente System einer fairen Beteiligung von Kommu-
nen und privaten Entsorgern auch künftig erhalten.

Der Schutz der Bürger vor Lärm wird verbessert. Der
Schienenlärm soll bis 2020 halbiert werden. Die Belas-
tungen durch Fluglärm werden wir reduzieren und vor
allen Dingen die Öffentlichkeit stärker beteiligen.

Wir werden, wie schon genannt, das Nationale Natur-
erbe um mindestens 30 000 Hektar erweitern.

Bei Infrastrukturmaßnahmen werden die Belange des
Natur- und Hochwasserschutzes stärker berücksichtigt.

Es bleibt beim beschlossenen Ausstieg aus der Kern-
energie. Wir sorgen für die Sicherheit der Kraftwerke bis
zum letzten Betriebstag und setzen uns für verbindliche,
ambitionierte Sicherheitsziele sowie Zusammenarbeit
und Transparenz in Europa ein. Das ist nicht nur eine
Frage, die Deutschland betrifft, sondern das muss für
ganz Europa gelten.

Wir werden die Suche nach einem geeigneten Endla-
ger für radioaktive Abfälle auf der Grundlage des Stand-
ortsuchgesetzes voranbringen. Ich bin froh, dass wir dies
mit diesem Gesetz geschafft haben. Ich schließe mich
natürlich dem Appell der anderen Redner an die Um-
weltverbände zur Mitarbeit an. Das ist ganz wichtig. Wir
dürfen auch nicht vergessen, die Voraussetzungen für die
Rückholung der Abfälle aus der Schachtanlasse Asse zu
schaffen.

Meine Damen und Herren, die Umweltpolitik bleibt
auch künftig ein Motor für Wachstum und Beschäfti-
gung in Deutschland. Neben all diesen Themen bleibt
der Schutz des Klimas im Zentrum deutscher und euro-
päischer Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Das von der Europäischen Kommission vorgelegte
Weißbuch zur Weiterentwicklung der europäischen
Energie- und Klimapolitik kann nur der Beginn einer
umfassenden Diskussion sein. 40 Prozent Minderung der
Treibhausgasemissionen bis 2030 sind ein gutes Signal
– ich sage das ganz bewusst – für den Start der Verhand-
lungen. Es muss zudem bei der Zieltrias – dazu habe ich
schon im Ausschuss Ausführungen gemacht – von Kli-
maziel, Ausbauziel für die erneuerbaren Energien und
Steigerung der Energieeffizienz bleiben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das sind drei gleichberechtigte und gleichwichtige Säu-
len einer modernen, zukünftigen Standortpolitik.

Meine Damen und Herren, bau- und wohnungspoli-
tisch steht die Koalition vor wichtigen Aufgaben. Der
demografische Wandel, die wirtschaftsstrukturellen Ver-
änderungen und die ambitionierten klimapolitischen
Ziele wirken sich stark auf die Stadtentwicklung sowie
den gesamten Gebäudesektor aus. Wir brauchen pas-
sende Antworten auf die regionalen Unterschiede auf
dem Wohnungsmarkt. Wir müssen die erforderlichen
Stadtanpassungsprozesse in Schrumpfungsregionen effi-
zient gestalten. Wir wollen die Stadtentwicklung auch
auf die Herausforderungen des Klimawandels ausrich-
ten. Und wir wollen, dass Wohnen trotz der erforderli-
chen Investition in die Energieeffizienz bezahlbar bleibt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Im Koalitionsvertrag haben wir Vorhaben verabredet,
die dazu beitragen sollen, diese Aufgaben zu bewältigen.
CDU und CSU haben die SPD von ihrem regionalisier-
ten Konzept der Mietpreisbremse überzeugen können.
Das ist sachgerecht. Ergänzt werden muss die Mietpreis-
bremse jedoch durch eine Stärkung des Wohnungsbaus.
Das wäre die nachhaltige Lösung des Problems. Wenn
man „nachhaltig“ steigern könnte, dann würde ich sa-
gen: Es ist die nachhaltigste Lösung des Problems.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Länder und Kommunen stehen hier in besonderer
Verantwortung. Die beabsichtigte Anhebung der Städte-
bauförderung auf 700 Millionen Euro wollen wir aus-
drücklich. Das ist ein starkes Signal an die Städte und
Gemeinden in Deutschland. Wir unterstützen sie bei den
erforderlichen Investitionen in die Stadtentwicklung. Sie
werden beim Stadtumbau, beim städtebaulichen Denk-
malschutz und bei den spezifischen Herausforderungen
der kleinen Städte und Gemeinden im ländlichen Raum
nicht alleingelassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Die sinnvolle Verknüpfung mit gesellschaftspoliti-
schen Herausforderungen wird in den Programmen „Ak-
tive Stadt- und Ortsteilzentren“ sowie „Soziale Stadt“
deutlich. Das Programm „Soziale Stadt“ werden wir als
Leitprogramm der sozialen Integration weiterführen – so
die Vereinbarung des Koalitionsvertrages. Dazu muss es
aber endlich gelingen, die jeweiligen Kompetenzen aus
den verschiedenen Bundesministerien sinnvoll zu bün-
deln.


(Sören Bartol [SPD]: Sehr richtig!)






Marie-Luise Dött


(A) (C)



(D)(B)

Die Politik denkt hier seit Jahren weiter, als es die Res-
sortstrukturen freiwillig wollen, Herr Bartol.


(Sören Bartol [SPD]: Ich bin begeistert!)


Ein besonders großer Beitrag zur Erreichung der Kli-
maschutzziele wird vom Gebäudesektor erwartet. Das
Umwelt- und Bauministerium muss in der geänderten
Zuständigkeit nun verstärkt darauf hinarbeiten, dass die
Energiewende für Mieter und Hauseigentümer bezahlbar
bleibt. Die Energiewende verliert sonst ihre gesellschaft-
liche Akzeptanz. Wir haben im Koalitionsvertrag das
geltende Wirtschaftlichkeitsprinzip im Ordnungsrecht
und den Verzicht auf Zwangssanierungen bestätigt. Das
ist richtig und vertrauensbildend.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Viele Eigentümer von Einfamilienhäusern oder kleine-
ren Mietshäusern sind in dieser Frage genauso schutzbe-
dürftig wie Mieter; und darauf werden wir achten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, das umwelt- und baupoli-
tische Programm der Großen Koalition ist ambitioniert,
wachstumsorientiert und sozial gerecht. Jetzt geht es
kraftvoll an die Umsetzung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1801206800

Ich erteile dem Kollegen Christian Kühn für die Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau
Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf
der Tribüne! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue
mich heute, nicht nur, weil ich meine erste Rede hier im
Parlament halte, sondern auch, weil es uns Grünen in der
letzten Legislaturperiode gelungen ist, zwei Konzepte zu
entwickeln und auf den Weg zu bringen, die in den Ko-
alitionsvertrag Eingang gefunden haben, nämlich die
Mietpreisbremse und das Bestellprinzip bei den Makler-
kosten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen des Abg. Sören Bartol [SPD])


2010 haben es sowohl SPD als auch CDU/CSU noch ab-
gelehnt. Dass es in dieser Legislaturperiode umgesetzt
wird, ist ein grüner Erfolg. Darauf können wir Grüne
stolz sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der SPD)


Frau Ministerin, Sie können von uns Grünen in dieser
Legislaturperiode eine konstruktive Oppositionsarbeit in
der Wohnungs- und Baupolitik erwarten. Wir wollen ge-
meinsam dafür Sorge tragen, dass das Thema Bauen und
Wohnen in diesem Parlament einen größeren Stellenwert
bekommt. Ihre ersten Aussagen dazu haben wir sehr
wohlwollend zur Kenntnis genommen. Aber Ihren war-
men Worten – da will ich Frau Bluhm von der Linken
recht geben – müssen haushalterische Taten folgen.

Alle wohnungspolitischen, alle baupolitischen, alle
mietrechtlichen Instrumente und auch alle Fördermittel
müssen auf zwei große Herausforderungen ausgerichtet
werden: zur Energiewende auch bei den Gebäuden bei-
zutragen und den demografischen Wandel zu meistern.
Wir finden es richtig, dass Sie die Mietpreisbremse
schnell umsetzen wollen. Angesichts der vielen Podi-
umsveranstaltungen, auf denen man im Augenblick ist,
warne ich Sie davor, gegenüber denjenigen einzukni-
cken, die gerade gegen die Mietpreisbremse arbeiten.
Bleiben Sie hier in der Großen Koalition standfest, zum
Wohle der Mieterinnen und Mieter in Deutschland.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Leider haben Sie ein Konzept von uns nicht übernom-
men.


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht nur eins!)


Sie begehen mit der Absenkung der Modernisierungs-
umlage – das muss man wirklich sagen – einen Kon-
struktionsfehler,


(Sören Bartol [SPD]: Mist!)


indem Sie eine zeitliche Befristung einführen wollen.
Das wird am Ende zu nichts anderem führen als zu ei-
nem Konjunkturprogramm für Anwaltskanzleien. Nichts
gegen Anwaltskanzleien – auch Anwälte brauchen Jobs –,
aber eines ist ganz klar: Eine Absenkung der Moderni-
sierungsumlage in dieser Form ist nicht sinnvoll. Viel-
leicht schwenken Sie doch noch auf unser Konzept um,
nämlich auf eine inhaltliche Begrenzung der Moderni-
sierungsumlage nur auf die Fälle, wo auf die beiden ge-
nannten großen Herausforderungen reagiert wird, also
auf den demografischen Wandel in Form des Abbaus
von Barrieren und auf die Energiewende in Form ener-
getischer Gebäudesanierung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Im Zusammenhang mit der energetischen Gebäude-
sanierung haben wir sehr wohlwollend zur Kenntnis ge-
nommen, dass Sie die Sanierungsquote auf 2,5 Prozent
erhöhen wollen. Doch wenn man in den Koalitionsver-
trag schaut, sieht man, dass dort steht: Sie wollen das
KfW-Gebäudesanierungsprogramm „verstetigen“ und
das Programm zur energetischen Stadtsanierung „fort-
schreiben“. – Wenn man aber die Sanierungsquote stei-
gern will, kann man die Programme nicht auf dem glei-
chen Niveau fortführen. Die jetzige Quote liegt bei unter
1 Prozent. Wenn man darüber hinauskommen will, muss
man mehr Mittel einsetzen. Hier gibt es in Ihrem Koali-
tionsvertrag eine riesige Leerstelle; das zeigen auch Ihre
Aussagen. Ich finde es schade, dass Sie nicht bereit sind,
gerade in diesem Bereich Mittel einzusetzen. Ich glaube,
das zeugt von großer Zukunftsvergessenheit der Großen
Koalition bei der energetischen Gebäudesanierung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)






Christian Kühn (Tübingen)



(A) (C)



(D)(B)

Ein paar Worte an die Sozialdemokratie. Die Heiz-
kosten steigen dreimal schneller als die Löhne. Gerade
deshalb müssten Sie erkennen: Die energetische Sanie-
rung ist nicht nur eine Frage des Klimaschutzes, sondern
auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Ich hoffe,
dass Sie hier nachlegen und die Regierung ein bisschen
vor sich hertreiben werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich komme zum Schluss. Die eigentliche Herausfor-
derung, vor der die Große Koalition und auch Sie als
Ministerin stehen, ist das, was Sie hier beschworen ha-
ben, nämlich die Verzahnung von Umwelt- und Baupoli-
tik. Ich sage ganz klar: Die klassische Antwort der So-
zialdemokratie „Mehr Beton hilft mehr“ wird an dieser
Stelle nicht helfen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Matthias Miersch [SPD]: Dann haben Sie aber die Sozialdemokratie falsch verstanden!)


Sie müssen klar sagen, was die Verzahnung bedeutet.
Sie bedeutet nämlich mehr als das Hin- und Herschieben
von Planstellen. Sie dürfen nicht nur Fragen stellen
– wie Sie das heute getan haben –, sondern Sie müssen
auch Antworten geben auf die Fragen, wie Sie den Flä-
chenverbrauch in Deutschland reduzieren wollen, wie
Sie für mehr Nachhaltigkeit auf den Baustellen sorgen
wollen, wie Sie ökologische Baustoffe fördern wollen,
wie Sie die Energiewende im Gebäudebereich meistern
wollen. Das sind die Herausforderungen, vor denen Sie
stehen. An deren Bewältigung werden wir Sie messen.

Wir Grüne werden Sie dabei als kritische, konstruk-
tive und kluge Opposition begleiten. Ich verspreche Ih-
nen, dass wir in dieser Legislaturperiode weiterhin die
Ideenschmiede in der Wohnungs- und Baupolitik in
Deutschland sein werden.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1801206900

Auch Ihnen, lieber Herr Kühn, herzlichen Glück-

wunsch zur ersten Rede. Ich wünsche Ihnen Erfolg bei
und Freude an Ihrer parlamentarischen Arbeit.


(Beifall)


Nächster Redner ist der Kollege Sören Bartol für die
SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Sören Bartol (SPD):
Rede ID: ID1801207000

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Die Bau- und Stadtentwicklungspolitik ist zu-
rück auf der politischen Bühne, mit einem neuen Res-
sortzuschnitt, einer neuen Ministerin und dem Gestal-
tungsanspruch einer aktiven Stadtentwicklungs- und
sozialen Wohnungsbaupolitik.
Ihnen, Frau Ministerin, möchte ich zunächst meine
herzlichen Glückwünsche zu Ihrem neuen Amt als Um-
welt- und Bauministerin übermitteln.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. MarieLuise Dött [CDU/CSU])


Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und die gemein-
same Umsetzung dessen, was wir uns als Koalition in
der Bau-, Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik vor-
genommen haben: die Reform des Wohngeldes und die
Mietpreisbremse, die Stärkung der Städtebauförderung
und die Förderung des Neu- und Umbaus von Wohnun-
gen, die zugleich bezahlbar, energiesparsam und alters-
gerecht sind. Das alles ist ein Gesamtpaket, und nur als
solches ist es auch sinnvoll.

Es besteht dringender Handlungsbedarf. Wohn- und
vor allen Dingen Heiz- und Warmwasserkosten steigen
schneller als die Einkommen. Bei Haushalten im unteren
Einkommensbereich fressen sie inzwischen bis zu
40 Prozent des Budgets auf. Das Wohngeld ist seit 2009
nicht mehr angepasst worden. Haushalte mit kleinen
Einkommen oder Renten werden alleine wegen hoher
Wohnkosten in Arbeitslosengeld II oder die Grundsiche-
rung gedrängt. Das ist ein Verschiebebahnhof zwischen
den öffentlichen Kassen, und das geht zulasten der Be-
troffenen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Wohngeldanpassung ist überfällig. Sie zügig an-
zupacken und zu beschließen, ist eine der ersten Aufga-
ben. Angesichts der steigenden Energiekosten ist aber
auch mehr als deutlich, dass der energetische Umbau
weitergehen muss. Wenn ich energetischer Umbau sage,
dann meine ich eben nicht nur die Gebäudedämmung,
sondern vor allen Dingen auch die quartiersbezogenen
Ansätze der Strom- und Wärmeversorgung, den Einsatz
erneuerbarer Energien im Gebäudebereich und die Ener-
gieberatung. Technologieoffenheit und Bezahlbarkeit
sind die Leitlinien, die sich diese Koalition dabei gesetzt
hat.

Die Mietpreisbremse brauchen wir als kurzfristig
wirksames Instrument, damit sich in Städten und Bal-
lungsräumen die Preisspirale nicht weiter nach oben
dreht. So sind zum Beispiel nach dem neuen GSW-Woh-
nungsmarktbericht von dieser Woche die Mieten in Ber-
lin bei neu abgeschlossenen Verträgen weiter deutlich
angestiegen: allein von 2012 auf 2013 in Mitte, Fried-
richshain und Kreuzberg im Mittel um 12 Prozent. Aus-
reißer von bis zu 40 Prozent Mietsteigerungen, die es
durchaus auch gibt, sind dabei noch gar nicht berück-
sichtigt.

Diese – ich nenne das so – Exzesse wollen wir mit ei-
ner Begrenzung bei Wiedervermietung in den Griff be-
kommen, und ich freue mich, dass der Bundesjustizmi-
nister dies in enger Abstimmung mit der Bauministerin
im Sinne des Koalitionsvertrages schnell umsetzen will.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wer hier Alarm schlägt und das Ende jeder Neubau-
aktivität sieht, der hat einfach nicht aufmerksam gelesen:





Sören Bartol


(A) (C)



(D)(B)

Die Mietpreisbremse gilt nicht für den Neubau, sie ist
regional begrenzt und zeitlich befristet, und sie ist, wie
schon gesagt, Teil des bau- und wohnungspolitischen
Gesamtpakets dieser Koalition, eines Pakets, das eben
nicht nur Mieterinnen und Mieter besser absichert und
ihre Rechte stärkt, sondern das natürlich auch die Inves-
titionsbedingungen der Wohnungswirtschaft ganz klar
verbessert und damit, wie ich finde, eine gute Grundlage
für das von der Ministerin angekündigte Bündnis für
Wohnen ist.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Dazu zählen die Fortführung der Bundesmittel für die
soziale Wohnraumförderung der Länder, die bis Ende
des Jahrzehnts gesichert ist, die gezielte Förderung des
genossenschaftlichen Neubaus, die verbilligte Abgabe
von ehemaligen Militärliegenschaften für den Woh-
nungsbau und – das ist in dieser Debatte schon oft ge-
nannt worden – die massive Aufstockung der Städte-
bauförderung von 455 auf 700 Millionen Euro.

Sozial stabile Quartiere, ein gesundes und sicheres
Wohnumfeld, Einkaufsmöglichkeiten, aber auch der
Rückbau von Leerstand – all das steigert die Lebensqua-
lität für die Bewohnerinnen und Bewohner, aber es
sichert und erhöht am Ende auch den Wert der Immobi-
lien. Zum guten Wohnen gehört eine intakte Nachbar-
schaft, in den Stadtquartieren der Metropolen wie auch
in den ländlichen Gemeinden. Denn vor Ort entscheidet
sich, ob Integration gelingt und demografischer Wandel
gestaltet werden kann, ob Menschen in politische Le-
thargie verfallen oder mitmachen. Deshalb bin ich sehr
froh, dass die soziale Wohnungs- und aktive Stadtent-
wicklungspolitik mit dieser Koalition endlich wieder
dort sind, wo sie hingehören, nämlich ganz oben auf der
Tagesordnung.

Vielen Dank. Ich freue mich auf die gemeinsame Ar-
beit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1801207100

Der Kollege Volkmar Vogel freut sich hoffentlich

auch. Jedenfalls werden wir das jetzt von ihm hören,
wenn er für die CDU/CSU-Fraktion das Wort ergreift.


(Beifall Abgeordneten bei der CDU/CSU)



Volkmar Uwe Vogel (CDU):
Rede ID: ID1801207200

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Ich freue mich tatsächlich, vor allen Din-
gen darüber, lieber Kollege Bartol, dass Sie jetzt wieder
bei uns auf der politischen Bühne Politik aktiv mitgestal-
ten können, wenngleich ich sagen muss: Wir sind nicht
allein auf dieser Bühne. Wir können das auch nicht al-
leine schultern. Diese Bühne gehört genauso unserer
Bauwirtschaft, unserer Wohnungswirtschaft, der Immo-
bilienwirtschaft, ganz besonders natürlich unseren Län-
dern und Kommunen. Wir müssen das gemeinsam, wie
von Frau Ministerin Hendricks dargestellt, in den nächs-
ten Monaten im gemeinsamen Gespräch auf den Weg
bringen.


(Beifall des Abg. Sören Bartol [SPD])

Wir sollten auch nicht vergessen, dass – das hat sich
in den vergangenen Jahren bewährt – der Wohnungs-
markt, die Immobilienwirtschaft zum Glück vielgestaltig
sind. Wir haben leistungsstarke kommunale Wohnungs-
wirtschaftsunternehmen, wir haben die Genossenschaf-
ten, die eine Menge tun, um das Wohnumfeld zu verbes-
sern, und wir haben viele private Investoren und viele
Einzelinvestoren, die dafür sorgen, dass der Wohnungs-
markt in Deutschland – das muss man an dieser Stelle
bei aller Kritik und allen Problemen, die wir haben, sa-
gen – stabil ist und eine wesentliche soziale Errungen-
schaft in Deutschland erhalten bleibt: menschenwürdige
und bezahlbare Wohnungen. Wir müssen dafür sorgen,
dass das so bleibt. Wie in den vergangenen Jahrzehnten
die Herausforderung die Wiederherstellung der Innen-
städte in Ostdeutschland war, so sehen wir uns jetzt He-
rausforderungen gegenüber, die vor allen Dingen mit der
demografischen Veränderung und der Energiewende zu
tun haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Probleme, die sich aus der demografischen Ver-
änderung ergeben, sind vielschichtig. Auf der einen
Seite haben wir Wohnungsmangel in den Metropolen,
auf der anderen Seite gibt es große Flächen, bei denen
wir mit Leerstand zu kämpfen haben. Wenn es um die
Beseitigung des Wohnungsmangels geht, ist die Miet-
preisbremse sicherlich eine Möglichkeit; aber sie löst
das Problem nicht. Das Problem lösen wir nur durch die
Ankurbelung der Investitionstätigkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dazu gehört aus meiner Sicht auch, dass wir – auch
wenn das nicht im Koalitionsvertrag steht – weiterhin
über Möglichkeiten der degressiven Abschreibung in
diesem Bereich sprechen sollten. Dazu gehört natürlich
auch unser Instrumentenkasten der Städtebauförderung.
Dazu gehören Dinge wie die verbilligte Abgabe von mi-
litärischen Liegenschaften, die nicht mehr gebraucht
werden.

All das wirkt aber nicht sofort, wenn wir es auf den
Weg gebracht haben. Da sich tatsächlich viele die Miete
in der Innenstadt in einem normalen Wohnumfeld nicht
mehr leisten können, ist es richtig, während einer Über-
gangszeit dafür zu sorgen, dass eine Mietpreisbremse
wirken kann, aber eben nur zeitweise, regional begrenzt
– das ist Aufgabe der Länder – und schlussendlich mit
der Maßgabe, dass die Länder, in denen es Regionen
gibt, die sich in einer solchen Situation befinden, mit ei-
nem entsprechenden Maßnahmenplan dafür sorgen, dass
das möglichst zeitnah, innerhalb weniger Jahre, abgear-
beitet wird.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Eine dauerhafte Regulierung des Mietmarktes würde zu
dem führen, was ich leidvoll im Feldversuch DDR mit-
machen musste,


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Oh!)






Volkmar Vogel (Kleinsaara)



(A) (C)



(D)(B)

nämlich dazu, dass der Wohnbereich in einer Art und
Weise vernachlässigt wird, dass er nicht mehr lebenswert
ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dagmar Ziegler [SPD]: Wohl wahr! Das stimmt!)


Trotz alledem, demografische Veränderung hat in ein-
zelnen Regionen auch Leerstand zur Folge. Diesem
Leerstand werden wir nach wie vor sehr viel Aufmerk-
samkeit widmen. Die Stadtumbauprogramme haben sich
in den vergangenen Jahren bewährt; wir müssen sie fort-
schreiben. Lieber Sören Bartol, wir haben ja bereits in
der vorhergehenden Legislatur über den dazu vorliegen-
den Zwischenbericht gesprochen. Im Jahre 2015 werden
wir die Evaluierung abgeschlossen haben, und ab 2016
brauchen wir eine neue Regelung. Ich denke, dass wir
hier auf ein einheitliches Programm zurückgreifen kön-
nen, das zum Beispiel Stadtanpassungsprogramm heißen
könnte. In diesem Programm sollten manche Dinge bes-
ser berücksichtigt werden als in der Vergangenheit, ins-
besondere wenn es um die Aufwertung und die Umnut-
zung von Wohnraum geht.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Unser Instrumentenkasten ist die Städtebauförderung,
die vor allen Dingen natürlich auch die Wohnungspolitik
der Länder maßgeblich mit unterstützt. Das Programm
„Soziale Stadt“ – wir haben in den Ausschüssen in den
letzten Jahren sehr oft darüber gesprochen – ist aus unse-
rer Sicht ein wichtiges Programm.


(Sören Bartol [SPD]: Endlich wieder!)


Es ist aus unserer Sicht sogar so wichtig, dass wir es, so
wie damals von Franz Müntefering sinnvoll angedacht,
ressortübergreifend mit den Bereichen Familie sowie
Arbeit und Soziales weiterführen wollen.


(Ute Vogt [SPD]: Gut, dass Sie den richtigen Koalitionspartner haben!)


Das würde es aufwerten, und – machen wir uns nichts
vor – wir würden dadurch vielleicht insgesamt finanziell
ein bisschen besser gestellt werden, was auch dazu füh-
ren würde, dass wir mehr Mittel für die anderen eben-
falls sehr wichtigen Programme hätten. Gerade die Pro-
gramme zum Stadtumbau sind aus meiner Sicht so
wichtig, dass es dort eine Aufstockung der Mittel geben
muss.

Ich muss sagen: Ich bin auch ein starker Verfechter
der ländlichen Region. Leerstand und demografischer
Wandel berühren ja gerade unsere ländlichen Regionen
und die vielen kleinen Städte. Ich finde, dass wir das
Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“, so wie
von Minister Ramsauer angelegt, weiterführen sollten,
um auch die kleinen Städte und die Fläche zu unterstüt-
zen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Der zweite Schwerpunkt ist die Energiewende. Dazu
wurde schon viel gesagt. Ich glaube, es ist richtig und
wichtig, dass wir uns die Regelungen, die wir im Baube-
reich dazu treffen müssen, gut überlegen. Wir sollten die
Energieeinsparverordnung, so wie sie jetzt in Kraft ist,
wirken lassen. Wir haben eine EnEV 2014. Wir wissen,
dass 2021 für den Wohnungsbau der Niedrigenergie-
hausstandard der EU kommt. Das heißt, wenn wir jetzt
nicht noch maßgeblich daran herumdoktern, gibt es Pla-
nungssicherheit für alle Beteiligten, für Investoren ge-
nauso wie für Hausbesitzer, die dann dafür sorgen kön-
nen, dass ihre Gebäude nach dem Standard, den wir
vorgegeben haben, saniert werden.

Es gibt mit dem Niedrigenergiehausstandard auch
schon die Perspektive ab 2021. Wir werden dafür sorgen,
dass das Programm entsprechend ausgestattet wird und
die notwendigen Mittel dafür zur Verfügung stehen. Auf
diese Art und Weise werden wir eine der wichtigen He-
rausforderungen der nächsten vier Jahre in diesem Be-
reich bewältigen.

Als jemand, der vorher im Verkehrs- und Bauaus-
schuss war, kann ich nur sagen, dass ich mittlerweile
keine Sorge mehr habe, was die Verbindung von Umwelt
und Bau angeht. Ich finde, dass die Bereiche Umwelt
und Bau sehr gut zusammenpassen und dass der Baube-
reich auch im Umweltbereich einen angemessenen Stel-
lenwert hat.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1801207300

Letzter Redner zu diesem Geschäftsbereich ist der

Kollege Steffen Kanitz für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Steffen Kanitz (CDU):
Rede ID: ID1801207400

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Energiewende muss ein Erfolg werden. Das hat
nicht zuletzt die gestrige Rede des Bundesenergieminis-
ters gezeigt, und das ist ja auch gerade in der Debatte
noch einmal deutlich geworden. Wir alle sind uns der
Bedeutung dieses Themas bewusst. Wir alle wollen, dass
Deutschland zum Vorreiter einer modernen Energiepoli-
tik wird, die sicher, sauber und bezahlbar ist. Damit fol-
gen wir dem breiten gesellschaftlichen und politischen
Konsens, in Deutschland endgültig ohne die Nutzung
der Kernenergie auszukommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


An dieser Stelle wird klar: Die erfolgreiche Umset-
zung der Energiewende steht und fällt nicht allein mit
dem Ausbau der erneuerbaren Energien, sondern sie
hängt in ganz beträchtlichem Maße auch davon ab, ob
uns der Ausstieg aus der Kernenergie gelingt. Wir spre-
chen insofern von zwei Seiten ein und derselben Me-
daille.

Erfolgreich, das heißt für mich vor allem Sicherheit,
Transparenz und Bezahlbarkeit beim Restbetrieb der
Kernkraftwerke, ihrem Rückbau und der Entsorgung des
radioaktiven Materials. Unser Koalitionsvertrag greift





Steffen Kanitz


(A) (C)



(D)(B)

diesen Grundsatz auf und bekräftigt noch einmal: Die
Sicherheit der Kernkraftwerke in Deutschland bleibt
oberstes Gebot. Diese Zusicherung umfasst sowohl die
Betriebsdauer als auch die Stilllegung und den Rückbau
der Kraftwerke. Aber die Sicherheit deutscher Kern-
kraftwerke – auch das ist heute schon mehrmals ange-
sprochen worden – reicht allein nicht aus. Wir müssen
auch unsere europäischen Nachbarn, die nach wie vor
auf Kernenergie setzen, mit einbeziehen. Deutschlands
Kernkraftwerke zählen zu den sichersten der Welt. Al-
lein deshalb sind wir verpflichtet, uns engagiert in die
europäische Sicherheitsdiskussion einzubringen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Politik hat immer auch etwas mit Verantwortung zu
tun, insbesondere gegenüber denjenigen, die noch keine
Stimme haben. Deshalb meine ich: Die Generation, die
maßgeblich von günstigem Atomstrom profitiert hat,
muss nun auch eine Lösung für die Beseitigung und
langfristig sichere Endlagerung der radioaktiven Abfälle
finden. Wenn man sich die Intensität der Auseinander-
setzung und die Dauerhaftigkeit des Konflikts zur Endla-
gersuche vor Augen führt, dann darf die Einigung, die
wir im letzten Sommer gemeinsam erzielt haben und die
anschließend zum Standortauswahlgesetz geführt hat,
durchaus als historischer Erfolg bewertet werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir sind übereingekommen, dass wir die Hinterlas-
senschaft der Kernkraft gemeinsam und in Deutschland
bewältigen werden, damit von radioaktiven Abfällen
keine Gefahr für jetzige und künftige Generationen aus-
geht. Entscheidend für den Erfolg ist, dass das verab-
schiedete Gesetz Ausdruck eines gesamtgesellschaftli-
chen Dialoges ist, den unser ehemaliger Umweltminister
Norbert Röttgen einmal als „Verantwortungs- und Si-
cherheitskonsens für Deutschland“ bezeichnet hat.

An dieser Stelle danke ich ganz herzlich allen Betei-
ligten, die eine solche Verständigung auf Basis von
Kompromissbereitschaft und Transparenz ermöglicht
haben, insbesondere dem damaligen Umweltminister
Peter Altmaier, aber auch den zuständigen Berichterstat-
terinnen und Berichterstattern in den Fraktionen.

Diese Gesprächskultur des Dialogs wollen wir fort-
setzen. Die Beteiligung der Zivilgesellschaft in Form
von öffentlichen Anhörungen und Bürgerforen werden
wir auch weiterhin sicherstellen. Denn nur so entsteht
Transparenz und letztlich die dringend notwendige Ak-
zeptanz für die zu treffende Standortentscheidung.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Eine umfassende Beteiligung bedeutet für mich, dass
sämtliche interessierten Akteure an der Suche mitwir-
ken. Dazu zähle ich neben den Kirchen, der Wirtschaft
und den Gewerkschaften ausdrücklich auch die Umwelt-
verbände. Dass es strittige Themen gibt und dass wir ei-
nen steinigen Weg vor uns haben, ist, glaube ich, allen
klar. Doch im Interesse eines tragfähigen, ausgewogenen
Kompromisses halte ich es für unabdingbar, dass alle
Betroffenen mit am Verhandlungstisch sitzen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mein Dank gilt deshalb unserer neuen Bundesum-
weltministerin, Frau Hendricks, die gestern noch einmal
deutlich an die Umweltverbände appelliert hat, die
„Chance des Mitwirkens nicht verstreichen zu lassen“.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich pflichte ihr bei. Eine Beteiligung am Suchprozess
von vorneherein abzulehnen, entspricht nicht dem über-
parteilichen Geist, in dem wir das Standortauswahlge-
setz verabschiedet haben. Daher möchte auch ich um die
Beteiligung der Umweltverbände am Suchverfahren
werben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Suche nach einem Endlager soll laut Gesetz er-
gebnisoffen und vergleichend gestaltet werden. Daher
gibt es keine Vorfestlegungen, weder auf Gesteinsforma-
tionen noch auf einzelne Standorte. Das Auswahlverfah-
ren wird durch eine ausgewogen besetzte Kommission
vorbereitet. Bis Ende 2015 soll die Arbeit der Kommis-
sion abgeschlossen sein und ein Bericht als Grundlage
der Standortsuche vorliegen.

Das ist ein ambitioniertes Ziel, für das wir alle ge-
meinsam Verantwortung tragen. Jetzt wird es darauf
ankommen, nahtlos an die allgemein akzeptierten und
ausgewogenen Vereinbarungen aus dem Sommer 2013
anzuknüpfen. Die Vorgehensweise, auf die wir uns alle
geeinigt haben, darf nicht infrage gestellt, sondern muss
jetzt umgesetzt werden. Wir als Union werden jedenfalls
unseren Beitrag dazu leisten.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, ich bin optimistisch, dass wir die anstehenden
Herausforderungen, insbesondere die Suche nach einem
atomaren Endlager, gemeinsam, verantwortungsvoll und
sicher lösen können, genauso wie wir gemeinsam den
Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen haben. Ich
freue mich auf die Zusammenarbeit.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1801207500

Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege Kanitz, zu Ih-

rer ersten Rede und viel Erfolg bei der künftigen parla-
mentarischen Arbeit.


(Beifall)


Damit ist auch für diesen Geschäftsbereich die vorge-
sehene Debatte, heute jedenfalls, zu Ende.

Ich rufe nun als nächsten Geschäftsbereich den Be-
reich Bildung und Forschung auf. Auch hierfür ist eine





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)

60-minütige Debatte vereinbart. Das Wort erhält zu-
nächst die Bundesministerin Dr. Johanna Wanka.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])


Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie kann
es sein, dass Deutschland – dieses kleine Deutschland –
das Land in der Welt ist, das absolut betrachtet die meis-
ten Hightechprodukte exportiert, mehr als die riesigen
USA und mehr als China, die ja ganz andere Produk-
tionskapazitäten haben? Wie kann es sein, dass Deutsch-
land, wo gerade einmal 1,2 Prozent der Weltbevölkerung
leben, die viertstärkste Industrienation ist? Da muss man
mit Recht fragen: Was ist die Basis dafür? Die Basis ist
Deutschlands starke Innovationskraft. Sie gründet auf
Forschung und Entwicklung und Bildung.

Wenn man sich – es gibt viele Rankings – die schönen
Zahlen anschaut, wird aber auch eines klar: Der globale
Wettbewerb wird stärker, wird heftiger. Deswegen ist der
Koalitionsvertrag ein starkes Signal, dass gute Bildung
und leistungsstarke Forschung in unserem Land weiter-
hin eine Zukunft haben. Dafür werden wir uns in den
nächsten vier Jahren gemeinsam engagieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir untermauern das im Koalitionsvertrag mit finan-
ziellen Zusagen. Von den 23 Milliarden Euro, die zusätz-
lich bereitgestellt werden, fließen 9 Milliarden Euro
– das ist der größte Brocken, mehr als ein Drittel – in die
Bereiche Forschung, Hochschule, Schule, Kita. Davon
wollen wir 6 Milliarden Euro so anlegen, dass die Län-
der entlastet werden. Die Koalition macht damit deut-
lich, dass Bildung, Wissenschaft und Forschung für sie
weiterhin Kernanliegen sind. Für mich resultieren daraus
für die nächsten Jahre drei Hauptaufgaben – sie sind ent-
scheidend –:

Erstens: die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stär-
ken, das heißt, die gerade beschriebene Innovationskraft
erhalten und nach Möglichkeit ausbauen. Das ist ein
zentrales Ziel.

Zweitens: die Zukunftsarchitektur des Wissenschafts-
systems bauen, das heißt die Leitplanken für die dynami-
sche Weiterentwicklung des Systems.

Drittens: Bildungsgerechtigkeit. Wir leben in einem
reichen Land. In diesem Land müssen jedem und jeder
Lebenschancen durch Bildung eröffnet werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie schön! Das passt ja zum Koalitionsvertrag!)


Zum Punkt Wettbewerbsfähigkeit. Seit acht Jahren
bündeln Bundesregierung, Wissenschaft und Wirtschaft
in der Hightech-Strategie ihre Kräfte für Innovation. Das
zahlt sich aus. 2012 haben wir zum ersten Mal erreicht,
dass 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – dabei ist die
Wirtschaft in starkem Maße, zu zwei Dritteln, beteiligt –
für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden. In
zahlreichen Rankings – von der EU und von vielen ande-
ren – steht Deutschland sehr gut da.

Wirtschaftsminister Gabriel hat gestern das Thema
Batterieforschung angesprochen. Ich will dieses Thema
als Beispiel nehmen, um zu illustrieren, wie die High-
tech-Strategie funktionieren kann und funktioniert. Bat-
terieforschung ist für die Energiewende von zentraler
Bedeutung. Deutschland war im letzten Jahrhundert auf
diesem Gebiet weltmarktführend. Im Jahr 2008 dagegen
gab es kaum noch Professoren für Elektrochemie, es gab
in diesem Bereich nur ganz wenige Wissenschaftler
überhaupt, es gab keine nachfragende Industrie. Es war
aber schon damals klar, dass dieser Bereich in den
nächsten Jahren systemrelevant werden würde. Deswe-
gen wurde im Rahmen der Hightech-Strategie wirklich
viel Geld in die Hand genommen, um diesen Bereich zu
pushen. Mittlerweile sind wir im Forschungsbereich der
modernen elektrochemischen Batterien wieder welt-
marktführend.

Das reicht aber noch nicht aus. Der Ansatz ist: Es
muss transferiert werden. Wir haben einen Industriever-
bund, dem alle Firmen, die mit der Wertschöpfung der
Batterieproduktion zu tun haben, angehören. Darüber hi-
naus haben wir in Ulm die Schaffung einer Produktions-
anlage unterstützt, in der geforscht werden kann. Diese
startet im Sommer ihren Betrieb. Das ist ein entschei-
dender Schritt auf dem Weg, vielleicht auch in der Pro-
duktion eine Weltmarktführerschaft zu erreichen. Zur
Massenproduktion ist aber ein weiterer Schritt nötig. Ich
will mich gerne zusammen mit meinem Kollegen
Gabriel um dieses Thema kümmern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Eine solche Hightech-Strategie zu verfolgen, die
Innovationskraft zu stärken, ist das eine. Darüber hinaus
ist es genauso wichtig, dass Deutschland als starke In-
dustrienation eine große Verantwortung für die globalen
Aufgaben, die globalen Herausforderungen in der Welt
übernimmt. In der Debatte zum vorherigen Tagesord-
nungspunkt ging es um Klimawandel. Hier wird sich
Deutschland, gerade weil wir auf diesem Gebiet stark
sind, auch mit Forschungsleistungen hervortun müssen.

Die Hightech-Strategie wollen wir – das haben wir im
Koalitionsvertrag beschlossen – ressortübergreifend zu
einer allgemeinen Forschungs- und Innovationsstrategie
weiterentwickeln. Dabei muss man immer wieder beto-
nen: Es geht nicht nur um wirtschaftliche Innovationen;
genauso entscheidend und wichtig sind gesellschaftliche
Innovationen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Die Eckpunkte zu dieser Weiterentwicklung will ich im
zweiten Quartal vorlegen.

Diese Weiterentwicklung wollen wir sehr eng mit
dem Programm Horizon 2020 auf europäischer Ebene
verzahnen. Auch die Kooperation mit Entwicklungslän-
dern und aufstrebenden Wissenschaftsländern wollen
wir forcieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)






Bundesministerin Dr. Johanna Wanka


(A) (C)



(D)(B)

Im Mittelpunkt stehen natürlich die Bereiche, die In-
novationstreiber sind; ich kann das jetzt nicht im Detail
ausführen. Als Beispiel nenne ich die Digitalisierung:
Wir haben das Wissenschaftsjahr zur Digitalisierung, wo
es vor allem um die Diskussion mit der Bevölkerung und
deren Ängste geht. Wir werden zum Beispiel im Früh-
jahr zwei große Kompetenzzentren für Big Data eröff-
nen. Beim Projekt Industrie 4.0 sind wir gut aufgestellt.
Mit dieser Strategie können wir ganz weit oben mitspie-
len. Daraus ergeben sich riesige Chancen zur Erhaltung
des Wohlstands in Deutschland.

Zur Energieforschung. Die Energieforschung müssen
wir an den Themen der Energiewende ausrichten. Wir
haben im letzten Jahr die Forschungsplattform Energie-
wende gebildet, die in sehr starkem Maße ein Gremium
zur Abstimmung auch mit Wirtschaft und Wissenschaft
ist. Im Rahmen dieses Forschungsforums werden wir bis
Ende dieses Jahres mit allen Beteiligten, das heißt mit
Wirtschaft, Umwelt und Wissenschaft, eine Forschungs-
agenda im Bereich Energie für die nächsten Jahre auf-
stellen: Was sind die Themen, die zuerst bearbeitet wer-
den müssen? Worauf wollen wir uns konzentrieren? –
Diese Agenda steht zum Ende des Jahres.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Zum Thema Gesundheitsforschung. Gesundheitsfor-
schung wird weiterhin einen hohen Stellenwert behalten.
Dies gilt auch für die anderen Themen, die in der High-
tech-Strategie zu finden sind.

Im Zusammenhang mit der Wettbewerbsfähigkeit
sind auch die Fachkräfte ein wichtiges Thema. Wir ha-
ben in Deutschland zwei starke Säulen in Bezug auf die
Ausbildung von Fachkräften. Die erste Säule ist der aka-
demische Bereich. Hier haben wir in den letzten Jahren
sehr viel gemacht; von Bund und Ländern sind Milliar-
den geflossen. Die Erfolge waren groß, wie man zum
Beispiel an der Zahl der Studierenden sehen kann. Es ist
auch beabsichtigt, das fortzuführen. Ich nenne nur die
dritte Phase des Hochschulpaktes.

Die zweite Säule im Bereich Fachkräfteausbildung ist
das duale Ausbildungssystem. Dieses wird weltweit ge-
lobt und bewundert. Hier besteht aber Handlungsbedarf.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Das ist ein entscheidender Schwerpunkt in dieser Legis-
laturperiode. Wir wollen für den Bereich der beruflichen
Bildung vieles tun, zum Beispiel mit dem großen Paket
„Chance Beruf“. Natürlich geht es – ohne auf Details
einzugehen – auch darum, das eine oder andere modell-
haft auszuprobieren. Uns geht es in dieser Legislatur-
periode aber darum, Dinge, die gut und wichtig sind, flä-
chendeckend umzusetzen. Das ist das strategische Ziel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dass die präventiven Möglichkeiten für junge Leute
im Bereich „Chance Beruf“ genutzt werden, ist einer-
seits natürlich volkswirtschaftlich wichtig – wir brau-
chen die Fachkräfte –, aber nicht nur. Denn das ist ande-
rerseits auch entscheidend für das Lebensglück der
Menschen, weil nur eine gerechte Bildung individuelle
Zukunftschancen ermöglicht. Deswegen ist das Thema
Bildungsgerechtigkeit ganz zentral.

Wir werden den Ausbildungspakt gemeinsam mit al-
len Sozialpartnern weiterentwickeln und das Thema „all-
gemeine Weiterbildung“ – gerade auch für die Älteren –
sehr stark mit in den Fokus nehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


– Ich habe gerade das Wort „Wochenende“ hinter mir im
Präsidium gehört und dachte, das bezieht sich auf meine
Rede.


(Heiterkeit und Beifall)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801207600

Der Redner sollte sich immer nach vorne konzentrie-

ren, Frau Ministerin, nie nach hinten.


(Heiterkeit)


Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:

Ich dachte, das war eine launige Bemerkung zur Wei-
terbildung.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Zu dem Bereich Bildungsgerechtigkeit gehört natür-
lich auch das Thema Ausbildungsförderung bzw.
BAföG. Wir haben vor wenigen Tagen den 20. BAföG-
Bericht im Kabinett verabschiedet. Die letzte Novelle im
Jahre 2010 hat strukturelle Veränderungen gebracht, so-
dass wir jetzt sagen können: Migranten erhalten sehr viel
häufiger als zuvor BAföG, und unsere deutschen Studen-
ten sind sehr viel flexibler, wenn es um Auslandsaufent-
halte geht. Die nächste BAföG-Novelle muss aber kom-
men, und wir gehen zügig an diese Arbeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich komme zum letzten Punkt. Es geht um die Zu-
kunft des Wissenschaftssystems. Wir müssen die neue
Architektur in diesem Bereich weiterbauen. Sie alle wis-
sen: Es gibt Pakte und die Exzellenzinitiative. Wir haben
dort ganz viel in Bewegung gebracht; es gibt eine große
Dynamik. Wir können jetzt aber nicht damit fortfahren,
dass ständig neuer Wettbewerb entsteht, sondern daraus
müssen jetzt auch einmal langfristige Strukturen erwach-
sen. Vor allen Dingen muss die Balance zwischen den
außeruniversitären Einrichtungen und den Hochschulen
wiederhergestellt werden. Deswegen geht der Bund dort
entscheidend heran; er will sich an der Grundfinanzie-
rung der Hochschulen beteiligen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie denn und in welcher Höhe?)


Das alles kann man nur in Verhandlungen mit den
Ländern erreichen. Der Bund ist hier nicht der alleinige
Spieler. Wir versuchen, gemeinsam mit den Ländern ei-
nen nationalen Zukunftspakt zu schnüren.

Wir müssen weiter über Art. 91 b des Grundgesetzes
diskutieren. Ich glaube, wenn wir dort Bewegung errei-





Bundesministerin Dr. Johanna Wanka


(A) (C)



(D)(B)

chen, dann werden wir das Geld sehr viel besser einset-
zen können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben ehrgeizige Ziele, die für viele Häuser rele-
vant sind. Bei dem einen oder anderen Ziel ist das Herz-
blut in den Häusern naturgemäß sicher unterschiedlich
verteilt; das ist völlig klar. Diese Koalition steht aber ge-
meinsam für Innovationen, für nachhaltigen Wohlstand
und für individuelle Zukunftschancen für alle in diesem
Land.

Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801207700

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort Frau Kol-

legin Nicole Gohlke, Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Nicole Gohlke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801207800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

muss mich schon wundern: Zwei Monate Koalitionsver-
handlungen, und dann kommt so etwas heraus!


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Das ist substanziell!)


Wer einen Aufbruch in der Bildung erwartet hatte, wurde
bitter enttäuscht.


(Zurufe von der SPD)


– Entschuldigung, in der Rede von Frau Wanka kamen
die Begriffe „Bildung“, „allgemeine Bildung“ und
„schulische Bildung“ noch nicht einmal vor.

Die GEW attestierte sehr zu Recht einen „fehlenden
politischen Gestaltungswillen“, der studentische Dach-
verband fzs spricht von einer Fortführung der Politik der
„befristeten Finanzspritzen nach Stimmungslage“, und
sogar der Deutsche Philologenverband nannte das Er-
gebnis „konturlos“.


(Lachen bei der SPD – René Röspel [SPD]: Das ist wohl eine Organisation der Linken!)


– Daran sehen Sie einmal, wie breit die Kritik an Ihrem
Vorschlag ist.

Man hätte es nicht für möglich gehalten, aber die
Große Koalition setzt auf die unsoziale Politik von
Schwarz-Gelb


(Zuruf von der CDU/CSU: Oh!)


sogar noch eins drauf; denn auf das drängendste Pro-
blem, dass die Länder immer weniger Geld für Investi-
tionen im Bildungsbereich haben und aufgrund der
Schuldenbremse vor massiven Kürzungen stehen, gibt
diese Regierung einfach keine Antwort.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Milliardenentlastung der Länder! – Dagmar Ziegler [SPD]: Was? 6 Milliarden Euro sind keine Antwort?)

Sie gibt nicht nur keine Antwort, sondern sie verweigert
auch auf der Hand liegende und zum Greifen nahe Lö-
sungen. Das ist nicht nur mangelnde politische Gestal-
tung, sondern das ist eigentlich schon unterlassene Hilfe-
leistung.


(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der CDU/CSU)


Zwei Dinge wären bitter nötig: erstens eine Steuer-
politik, die auch einmal die Reichen zur Kasse bittet, um
die öffentlichen Haushalte überhaupt in die Lage zu ver-
setzen,


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Wir haben hier eine Bildungsdebatte!)


die großen Aufgaben in der Bildung anzupacken, und
zweitens die Aufhebung des Kooperationsverbotes, da-
mit es dem Bund nicht länger verboten ist, in der Bil-
dung mitzufinanzieren.


(Beifall bei der LINKEN – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Wir finanzieren die Bildung mit, und zwar mit Milliardenbeträgen!)


Aber Sie in der Koalition haben sich bereits vor Beginn
der Koalitionsverhandlungen darauf verständigt, auf
Steuergerechtigkeit zu verzichten.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Zum Thema, bitte!)


Sprich: Bevor Sie überhaupt wussten, was Sie inhaltlich
wollen, wussten Sie bereits, dass Sie es nicht finanzieren
können.

Dass Sie sich dann aber noch nicht einmal darauf ei-
nigen konnten, das Kooperationsverbot abzuschaffen,
versteht wirklich niemand. Das ist doch inzwischen ein-
hellige Meinung. Selbst Ihre Ministerin, Frau Wanka, hat
im Wahlkampf erklärt, es wäre Zeit, dieses Relikt abzu-
schaffen. Ich frage mich: Was hindert Sie daran? Wieso
tun Sie es nicht einfach mit Ihrer hier existierenden Vier-
fünftelmehrheit?


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie kündigen ein Jahrzehnt der Hochschulen an, ha-
ben aber keine Idee, wie Sie das finanziell untersetzen
sollen. Es ist vor allem eine finanzielle Frage; denn in
den meisten Hochschulen bröckelt mittlerweile etwas
mehr als nur der Putz: Da wackelt wirklich das Funda-
ment. In Sachsen werden gerade 30 Studiengänge ge-
schlossen. An der Uni Bremen sollen 140 Stellen gestri-
chen werden. In Thüringen stehen sogar 500 Stellen zur
Disposition. Wenn das der Anfang Ihres Jahrzehnts der
Hochschulen ist, dann graut einem wirklich davor, wie
es weitergeht.


(Beifall bei der LINKEN)


Kommen wir zur Haltung der SPD. Ich denke zum
Beispiel an Ihren Beitrag, Herr Rossmann, in der Frank-
furter Rundschau vor zwei Wochen, als Sie das Ergebnis
des Koalitionsvertrages ziemlich treffend, wie ich finde,
einen „Flop“ genannt haben.





Nicole Gohlke


(A) (C)



(D)(B)


(René Röspel [SPD]: Einen Teil davon!)


Da hat man dann doch den Eindruck, die SPD hat Mühe,
sich selbst von der propagierten sozialdemokratischen
Handschrift im Koalitionsvertrag zu überzeugen. Das ist
auch kein Wunder; denn der Abschnitt zu Bildung und
Wissenschaft gibt das nicht her. Kein Wort mehr zu den
großen SPD-Wahlkampfversprechen: kein Wort mehr
zum Ganztagsschulprogramm oder zum Ausbau der
Schulsozialarbeit.

Die SPD hat für eine BAföG-Reform und für ein
Ende des Deutschlandstipendiums Wahlkampf gemacht.
Jetzt bekennen Sie sich zur Fortführung dieses Stipen-
dienprogramms. Das Thema BAföG taucht gar nicht
mehr auf. Statt der überfälligen BAföG-Erhöhung schönt
die Regierung lieber den BAföG-Bericht, wie vor zwei
Tagen geschehen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wo sind denn Ihre Argumente?)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801207900

Frau Kollegin, ich darf ganz kurz eine Atempause bei

Ihnen nutzen: Der Kollege Rossmann von der SPD-
Fraktion möchte Ihnen eine Frage stellen. Lassen Sie sie
zu?


Nicole Gohlke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801208000

Ja, gerne.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801208100

Bitte schön, Kollege Rossmann.


Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1801208200

Frau Kollegin, Sie haben sich auf das bezogen, was

ich in der Frankfurter Rundschau geschrieben habe.
Meine Frage ist: Stimmen Sie darin überein, dass ich
nicht den Koalitionsvertrag und die Vereinbarungen zu
Bildung und Forschung insgesamt als „Flop“ bezeichnet
habe, sondern geschrieben habe, dass wir das BAföG aus
dem „schwarzen Loch“ herausholen wollen? Haben Sie
auch gehört, dass unsere Bundesbildungsministerin
diese Neugestaltung des BAföG in ihrer Erläuterung
zum Koalitionsvertrag angekündigt hat?


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Nicole Gohlke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801208300

Das habe ich gehört. –


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Gut!)


Ich finde es trotzdem bemerkenswert, dass Ihre Rolle in
der Regierung momentan darin besteht, dass Sie Ihre
Meinung in den Medien publizieren und dadurch den
Koalitionspartner dazu auffordern, auf bestimmten Ge-
bieten etwas zu tun, weil dazu nichts im Koalitionsver-
trag steht. Da ist natürlich das BAföG an allererster
Stelle zu nennen. Ich finde es schon erstaunlich, wie eine
absolut mickrige Studienfinanzierung wie das Stipen-
dienprogramm Eingang in einen Koalitionsvertrag findet

(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Weil es wichtig ist!)


und die wichtigste Säule der individuellen Bildungs-
finanzierung wie das BAföG nicht einmal erwähnt wird.
Das lässt schon tief blicken.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die SPD hat sich auch für die Grund- und Ausfinan-
zierung der Hochschulen starkgemacht. Jetzt lesen wir
im Koalitionsvertrag ausschließlich von befristeten Pro-
grammen und Wettbewerben, wie der x-ten Auflage des
Hochschulpaktes oder der Exzellenzinitiative, was aber
doch – das muss man sagen – an den Bedarfen der aller-
meisten Hochschulen völlig vorbeigeht.

Sie wissen doch auch: Genau diese Politik von Pakten
und befristeten Programmen ist doch der Grund, warum
90 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter an Hochschulen befristet und prekär be-
schäftigt sind. Immerhin da sieht die Koalition Hand-
lungsbedarf und will das Wissenschaftszeitvertragsge-
setz novellieren. Gleichzeitig sagen Sie, dass Sie vor
allem die Hochschul- und Wissenschaftseinrichtungen in
der Pflicht sehen, dieser Entwicklung gegenzusteuern.
Es wäre nicht das erste Thema, bei dem sich die Regie-
rung aus der Verantwortung ziehen will.

Die Linke fordert, die Tarifsperre im Wissenschafts-
zeitvertragsgesetz abzuschaffen und eine Mindestver-
tragslaufzeit von zwölf Monaten für wissenschaftliche
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter festzulegen.


(Beifall bei der LINKEN)


Es muss für diejenigen, die Kinder betreuen oder Ange-
hörige pflegen, der Anspruch auf Verlängerung der Be-
fristungshöchstdauer verbindlich festgeschrieben wer-
den. Das ist natürlich eine Aufgabe des Gesetzgebers.
Hören Sie auf, sich davor wegzuducken!


(Beifall bei der LINKEN)


Das große Problem der Großen Koalition ist doch
Folgendes: Sie denken Bildung und Wissenschaft vom
Wettbewerb her, als Standort- und Wirtschaftsfaktor; ich
denke, die Rede von Frau Wanka gerade war ein guter
Beleg dafür.


(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU und der SPD)


Die Bedürfnisse der Studierenden und der Beschäftigten,
der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Schülerinnen und
Schüler sind für Sie doch bestenfalls nachrangig.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Na, na, na!)


Ich sage Ihnen: So kann man an Bildung und ihren in-
dividuellen und gesellschaftlichen Anspruch nicht he-
rangehen, und das wird Ihnen noch auf die Füße fallen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) (C)



(D)(B)


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801208400

Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen

René Röspel von der SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1801208500

Oh, schnell noch einen Schluck Wasser zu trinken,

wird schon auf meine Redezeit angerechnet. Schade,
hätte ich das gewusst!


(Heiterkeit)


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich glaube, dass sich nur wenige andere Abge-
ordnete so intensiv mit dem Koalitionsvertrag befasst
und auch dafür geworben haben wie die Abgeordneten
der SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)


Denn es war eine wirklich gute, aber auch mutige Idee
des Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel, den Mitgliedern
der SPD die Entscheidung über den Koalitionsvertrag in
die Hand zu geben. Das hat dazu geführt, dass wir in
ganz vielen Veranstaltungen nicht nur mit Mitgliedern
der SPD, sondern auch mit Nichtmitgliedern den Koali-
tionsvertrag diskutiert haben. Ich habe das als ungeheuer
mobilisierend und motivierend erlebt. Es waren offene
Diskussionen.

Nicht nur das Erlebnis der Mobilisierung ist positiv.
Wir haben, glaube ich, auch eine sehr gute Wahrneh-
mung bekommen, liebe Kollegin Gohlke, was für die
Menschen an diesem Koalitionsvertrag wichtig ist. Da-
bei hatte ich eine andere Wahrnehmung als Sie. Daher
teile ich das, was Sie gerade vertreten haben, nicht; das
will ich Ihnen deutlich sagen.

Klar ist, dass es ohne bestimmte Abschnitte in diesem
Koalitionsvertrag die Zustimmung der SPD nicht gege-
ben hätte. Der Mindestlohn oder das, was Andrea Nahles
jetzt mit der Rente ab 63 auf den Weg bringt, waren defi-
nitiv ganz wichtig. Ohne diese Punkte hätte es keine Zu-
stimmung gegeben.

Die Mitglieder und auch viele andere Menschen wa-
ren sehr begeistert, dass wir das fortsetzen, was 1998 in
diesem Haus von einer rot-grünen Koalition begonnen
worden ist, nämlich endlich wieder einen Schwerpunkt
auf Bildung und Forschung in diesem Land zu setzen
und auch mehr Geld in die Hand zu nehmen. Es ist gut,
dass alle Regierungen danach, die Große Koalition, aber
auch Schwarz-Gelb, diesen Weg fortgesetzt haben. Da-
rüber sind alle froh.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Dieser Konsens in Deutschland unterscheidet uns mitt-
lerweile von anderen Ländern und hat uns auch nach
vorne gebracht.

Gar nicht glücklich waren unsere Mitglieder darüber,
dass es nicht noch mehr Geld gegeben hat. Denn mit
9 Milliarden Euro ist weniger Geld als in der letzten Le-
gislaturperiode vorgesehen. Aber das lag auch daran,
dass leider mit dem Koalitionspartner in Sachen Steuer-
gerechtigkeit nicht mehr möglich war. Aber das ist ein-
fach so.

Ganz unzufrieden – auch das gehört dazu – waren die
Mitglieder gerade in meiner Heimatregion, dem Ruhrge-
biet, aber auch in vielen anderen Städten darüber, dass
wir die Union nicht davon überzeugen konnten, dass die
Schulsozialarbeit weiter eine Leistung des Bundes
bleibt. Denn das ist unerhört wichtig für die Schulen.
Aber wir werden einfach weiter darüber reden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden reicht aber nicht!)


– Wir werden versuchen, das zu ändern. Dafür haben wir
noch vier Jahre. Aber der Koalitionsvertrag gibt es erst
einmal nicht her. Das ist definitiv so.


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um Moos! Sie müssen Geld reinstecken!)


Ich will mich in der restlichen Redezeit auf den Be-
reich Forschung konzentrieren – der Kollege Kaczmarek
wird gleich noch detaillierter auf die Bildung eingehen –
und sagen, warum der Forschungsteil in allen Diskussio-
nen, die wir geführt haben, sehr gut weggekommen ist.
Das will ich an einigen Punkten deutlich machen.

Wir sind und waren uns in diesem Land sicherlich alle
einig – Frau Wanka hat das vorhin auch betont –, dass
die Stärke, der Wohlstand und der wirtschaftliche Erfolg
dieses Landes sich daran bemessen lassen müssen, dass
die Menschen in diesem Land gute Arbeit verrichten.
Dass vieles nicht in Ordnung ist und dass der Arbeits-
markt wieder in Ordnung gebracht werden muss, ist das
eine. Das wird Arbeitsministerin Andrea Nahles in den
nächsten Jahren auch richten.

Aber das andere ist, in die Zukunft zu blicken und zu
überlegen, wie wir es sicherstellen können, dass in
Deutschland weiterhin gute Produkte unter vernünftigen
Arbeitsbedingungen und möglicherweise innovativen
Arbeitsmodellen hergestellt werden, die es zum Beispiel
auch ermöglichen, Familie und Beruf zu vereinbaren. In
diesem Zusammenhang ein Wort zu einer anderen De-
batte: Ich fand den Vorschlag von Manuela Schwesig zu
dem, was da überhaupt möglich ist, höchst interessant.
Dem sollten wir uns noch einmal widmen.

Ein wichtiger Punkt, den wir in den letzten Jahren im-
mer wieder gefordert und jetzt in den Koalitionsvertrag
hineingebracht haben, ist, dass wir den Bereich der Ar-
beitsforschung, Dienstleistungsforschung und Produk-
tionsforschung wieder stärken und in Verbindung und
enger Abstimmung mit den Sozialpartnern unseren Bei-
trag zu einer Humanisierung der Arbeitswelt leisten.
Auch dieser Bereich wird in Zukunft sicherlich den
Wohlstand in Deutschland sichern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ein weiterer wichtiger Punkt ist für mich die Genera-
tionengerechtigkeit, nämlich die Frage, wie wir diesen
Planeten an unsere Kinder und Kindeskinder übergeben.





René Röspel


(A) (C)



(D)(B)

Dabei spielt die Energie- und Klimaforschung eine zen-
trale Rolle. Ich hätte mir gewünscht, dass schon vor vier
Jahren der Satz im Koalitionsvertrag gestanden hätte,
den wir nun hineingeschrieben haben, nämlich dass wir
die Energieforschung konsequent an der Energiewende
ausrichten werden. Ich freue mich, Frau Wanka, dass Sie
das schon in allen Medien so deutlich vertreten; das ist
dringend erforderlich. Ich hätte mir nur gewünscht, dass
das schon früher der Fall gewesen wäre.


(Beifall bei der SPD)


Ein weiterer Bereich, der uns am Herzen liegt, ist das,
was wir als Forschung für die Gesundheit des Menschen
bezeichnen. Wir wollen nicht nur schwerpunktmäßig die
Entwicklung von Medikamenten, Arzneimitteln und
Technologien in den Vordergrund stellen. Gesundheits-
forschung ist mehr. Da geht es um Prävention und die
Gesunderhaltung des Menschen. Es geht nicht nur da-
rum, Menschen gesund zu machen, wenn sie krank sind,
sondern auch darum, die Arbeits- und Lebensbedingun-
gen so zu gestalten, dass Menschen erst gar nicht krank
werden. Das umfasst auch eine Altersforschung, die sich
mit den Bedingungen befasst, unter denen Pflegende ar-
beiten und Pflegebedürftige leben müssen. Das ist ein
breiterer Begriff von Gesundheitsforschung als in den
letzten Jahren. Ich bin froh, dass wir das so im Koali-
tionsvertrag niedergeschrieben haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Auch beim letzten Punkt bin ich mit Herzblut dabei,
und zwar nicht nur weil gestern Abend die Kollegin
Hübinger und die Exkollegin Roth den Preis für das En-
gagement gegen vernachlässigte Krankheiten in der Ka-
tegorie „Politischer Wille“ – ich gratuliere dazu – erhal-
ten haben. Als eines der reichsten Länder der Welt, das
über eine hervorragende Forschung verfügt, haben wir
auch Verantwortung gegenüber jenen Ländern, die nicht
in der Lage sind, sich hier stabil aufzustellen. 3 Milliar-
den Menschen, die an sogenannten vernachlässigten, ar-
mutsassoziierten Krankheiten leiden, ohne dass es nötig
wäre, weil es längst entsprechende Medikamente gibt,
warten darauf, dass wir ihnen helfen. Deswegen bin ich
froh, dass wir in den Koalitionsvertrag hineingeschrie-
ben haben, dass wir die Forschung betreffend die ver-
nachlässigten Krankheiten stärken wollen, um in Ent-
wicklungs- und Schwellenländern unseren Beitrag zu
leisten.

Mein Dank geht an den Kollegen Helge Braun, der
bei den Koalitionsverhandlungen auf der anderen Seite
saß. Wir haben offene Türen eingerannt. Wir haben hier
eine Verpflichtung.

Mit unserem Forschungsprogramm können wir nicht
nur Deutschland, sondern die ganze Welt vielleicht ein
bisschen besser machen. Ich lade Sie alle dazu ein, daran
konstruktiv mitzuarbeiten.

Vielen Dank und ein schönes Wochenende, Herr Prä-
sident.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801208600

Das Präsidium hat ausnahmsweise dem Kollegen

Röspel die Wassertrinkzeit am Anfang seiner Rede wie-
der an das Ende drangehängt, sodass er zu seinem Recht
gekommen ist.


(Heiterkeit)


Als Nächstem gebe ich das Wort dem Kollegen Kai
Gehring, Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte.


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1801208700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

Koalitionsvertrag von Union und SPD trägt die Über-
schrift „Deutschlands Zukunft gestalten“.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Abwarten! Er ist noch nicht mit dem Satz zu Ende!)


Das klingt ähnlich gut wie viele andere Überschriften,
auch im Bildungs- und Forschungskapitel. – Sie sind
leicht zufriedenzustellen, meine Damen und Herren von
der Koalition.

Schaut man aber hinter die Zukunftsprosa von besse-
rer Grundfinanzierung der Hochschulen, Innovations-
strategie und Bioökonomie, dann fällt auf: Gerade Ihrem
Bildungs- und Forschungskapitel fehlen ambitionierte
und ausfinanzierte Konzepte. Es fehlen vor allem
Schritte zur konkreten Umsetzung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt dürft ihr mitklatschen, liebe Kollegen von der Union!)


Sehr konkret wird es dagegen bei den beiden Schwer-
punkten dieser Regierung. Mit Ihren Eckpunkten zur
Energiewende bremsen Sie die Ausbaudynamik der er-
neuerbaren Energien aus. Damit verzögern Sie Innova-
tionen und neue Technologien für eine emissionsarme
und ressourcensparende Wirtschaftsweise, die dem Kli-
maschutz dient. Da droht viel Rückschritt und wenig
Fortschritt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der zweite Schwerpunkt, Ihr Rentenpaket. Pro Jahr
gehen zusätzlich 10 Milliarden Euro an einzelne, wenige
Rentnergruppen.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Forschung und Bildung ist jetzt dran! – Weiterer Zuruf des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Trotz dieser großen Summe lösen Sie das große Problem
der Altersarmut nicht. Herr Rossmann, im Vergleich dazu
sind die pro Jahr vorgesehenen zusätzlichen 2,25 Milliar-
den Euro für die gesamte Bildungskette – für Kitas,
Schulen, Fachhochschulen, Universitäten, Weiterbildung
und Forschung – geradezu mickrig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)






Kai Gehring


(A) (C)



(D)(B)

Das zeigt doch, dass Sie in die junge Generation kaum
investieren. Das ist zukunftsvergessen.

Schauen wir uns Ihren Koalitionsvertrag genauer an.
Darin fehlen Initiativen gegen Kinderarmut und Bil-
dungsarmut. Chancen dürfen aber nicht vom Konto oder
von der Postleitzahl des Elternhauses abhängen. Wir
wollen endlich Klarheit, wie Sie die Qualität der Kitas
verbessern und die entsprechende Finanzierung sicher-
stellen wollen.

Wir halten es weiterhin für falsch, dass Sie an der Bil-
dungsfernhalteprämie Betreuungsgeld festhalten.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)


Wir halten das nicht für richtig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Dem bundesfinanzierten Programm Schulsozial-
arbeit haben Sie keine Zukunftsperspektive geschaffen.
Das geht zulasten vieler Schülerinnen und Schüler. Das
alles ist bildungspolitisch kontraproduktiv und für die
Mehrheit der Familien in unserem Land enttäuschend.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In Ihrem Vertrag fehlt ein Vorschlag für ein Ende des
Kooperationsverbotes. Ich hatte wirklich gehofft, dass
eine Große Koalition, die uns diese Bildungs- und Wis-
senschaftsblockade im Grundgesetz vor acht Jahren ein-
gebrockt hat, die Kraft aufbringt, sie auch wieder einzu-
reißen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn sich das nicht ändert, fällt ein dringend notwendi-
ges neues Ganztagsschulprogramm wohl aus.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Reden Sie mal mit Herrn Kretschmann über dieses Thema!)


– Wir reden mit Herrn Kretschmann, Sie reden mit Ihren
Ministerpräsidenten.

Dass sich aber eine 80-Prozent-Mehrheit des Deut-
schen Bundestages hinter Herrn Kretschmann versteckt,


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Es gibt auch einen Bundesrat!)


ist auch putzig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Greifen Sie doch endlich unseren Vorschlag auf, einen
Reformkonvent einzurichten, in dem sich Bund und
Länder zusammensetzen. Wir sollten eine gemeinsame
Lösung finden; ich halte sie für möglich. Weil Sie, Herr
Heil, das Kooperationsverbot nicht abschaffen,


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ist Herr Kretschmann schon in der CSU?)


können Sie nämlich Ihr Versprechen eines Masterplans
in Höhe von 8 Milliarden Euro für Ganztagsschulen, ein
SPD-Versprechen, das Sie im Parlament und im Wahl-
kampf gegeben haben, wohl nicht einlösen. Das ist fatal;
denn der Ganztagsschulausbau ist wichtig, um allen
Chancen zu eröffnen. Den Ausbau zu drosseln, ist fahr-
lässig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe mir eben die Äußerungen von Frau Wanka
zum BAföG mit großem Interesse angehört. Ich hoffe,
dass ihren Ankündigungen im Plenum und auch in den
vielen Interviews wirklich Taten folgen;


(Beifall der Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


denn im Koalitionsvertrag fehlt jede Aussage zum
BAföG, und das ist schlicht peinlich. Der BAföG-Be-
richt, der diese Woche im Kabinett behandelt wurde, hat
sehr deutlich gemacht, wie dringend notwendig der
Handlungsbedarf ist. Der Reformdruck steigt. Deshalb
sage ich: Das BAföG muss noch in diesem Jahr erhöht
werden. Das ist extrem wichtig für eine neue soziale
Öffnung unserer Hochschulen und für die Studierenden
in unserem Land.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE])


Frau Wanka, Sie haben vorhin viel über Innovationen
gesprochen. Aber was in Ihrem Koalitionsvertrag auch
fehlt, ist die steuerliche Forschungsförderung für KMU.
Das heißt, die Große Koalition behält bei, dass staatliche
Forschungs- und Innovationsförderprogramme an klei-
nen und mittleren Unternehmen weitestgehend vorbeige-
hen. Das bremst Innovationen. Das halten wir für falsch.
Wir halten die steuerliche Forschungsförderung weiter
für richtig.


(René Röspel [SPD]: Dazu sagen die Mittelständler etwas ganz anderes!)


In Ihrem Vertrag fehlt die Klarheit, wie Sie die Ener-
gieforschung ganz konkret auf die Energiewende aus-
richten wollen. Wir sehen durchaus richtige Ansätze,
wie die Stärkung der Klimaforschung oder auch der
Meeres- und Polarforschung – das ist gut –, wir wollen
aber kein öffentliches Geld für Hochrisikotechnologien
wie die atomare Fusionsforschung oder CCS. Das wären
Fehlinvestitionen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE])


Zu den Lücken in Ihrem Koalitionsvertrag kommen
noch sehr viele offene Fragen, bei denen Sie sich als
Union und SPD offensichtlich nicht einigen konnten.
Deshalb frage ich Sie: Wie wollen Sie denn das Dickicht
an Warteschleifen des Übergangssektors lichten, um al-
len Jugendlichen wirklich gute Ausbildungschancen zu
geben?


(Willi Brase [SPD]: Wird kommen!)


Wie geht es denn konkret weiter mit dem Hochschulpakt
zur Schaffung der Studienplätze auch nach 2020? Wo ist
denn die Antwort der Regierung auf die richtige Forde-
rung nach Erhöhung der Programmpauschale? Keine
Aussage dazu im Vertrag.





Kai Gehring


(A) (C)



(D)(B)

Wie genau wollen Sie denn Hochschulen das Geld für
die Grundfinanzierung überhaupt zur Verfügung stellen,
wenn sich im Grundgesetz nichts ändert? Wie gehen Sie
eigentlich das konkrete Problem der sehr unsicheren Per-
spektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses und der
prekären Arbeitsverhältnissen an den Hochschulen an?


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Ist ausführlich im Koalitionsvertrag dargestellt!)


– Ja, dann lassen Sie uns doch schnell eine Novelle zum
Wissenschaftszeitvertragsgesetz erarbeiten, wie es Rot-
Grün im Bundesrat vorgeschlagen hat. Das können wir
hier zusammen machen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Was auch nicht im Koalitionsvertrag steht, ist, wie Sie
den Pakt für Forschung und Innovation fortsetzen wol-
len: Welche Steigerungsraten sollen es denn sein? Wie
soll das denn mit den Ländern gemeinsam gehen? Wie
führen Sie die Exzellenzinitiative weiter? Ich fände auch
sehr spannend, zu erfahren, ob Sie die dritte Säule – wer
wird Deutschlands Eliteuni? – endlich auslaufen lassen,
so wie wir es für richtig halten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist sehr wichtig, dass Sie all diese Fragen schnell
beantworten, weil das extrem wichtig für die Planungssi-
cherheit und Verlässlichkeit in der Ausbildungs- und
Wissenschaftspolitik ist. Die Fragen waren auch schon
lange vor den Koalitionsgesprächen bekannt. Ihr Vertrag
benennt sehr viele Baustellen; er beinhaltet aber keinen
Bauplan für eine Wissensrepublik oder ein Bildungsauf-
steigerland. Hier sieht man einmal mehr, dass Große Ko-
alitionen offenbar keine großen Lösungen liefern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich nenne noch einen ganz wichtigen Punkt: Bei der
Finanzierung des Bildungs- und Wissenschaftssystems
muss sich Deutschland endlich zu einem Vorreiter entwi-
ckeln; denn sonst riskieren wir tatsächlich Teilhabe, und
wir riskieren Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit.
Jährlich wären fast 20 Milliarden Euro zusätzlich nötig,
um endlich 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für
die Bildung und das 3,5-Prozent-Ziel für die Forschung
– die Republik redet über ein 3,5-Prozent-Ziel – zu errei-
chen und entsprechend zu investieren.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Wir haben das 3-Prozent-Ziel erreicht!)


Wir brauchen ehrgeizige Ziele, weil wir sonst bei Bil-
dung, Forschung und Innovation zurückfallen.

Deshalb möchte ich an Sie alle dringend appellieren:
In dieser Wahlperiode starten die Debatten über die Neu-
ordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und
Ländern. Ohne ein Gesamtkonzept für eine zukunftsfä-
hige Finanzarchitektur bei Bildung, Wissenschaft und
Forschung rutschen diese Bereiche in die generellen
Neuordnungsdebatten hinein, und dann laufen Sie alle
Gefahr, dass letztlich wieder keine bildungs- und wis-
senschaftsadäquaten Lösungen dabei herauskommen.
Das hat man bei der Föderalismusreform gesehen.


(Zurufe von der SPD)

Wir hoffen daher, dass Sie sich aus dem engen Kor-
sett Ihres Koalitionsvertrags befreien, eine Finanzarchi-
tektur für Bildung und Wissenschaft auf den Tisch legen
und das mit den Ländern verabreden. Falls Ihnen das
doch glücken sollte, dann kriegen Sie sogar einmal von
uns Applaus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD] – René Röspel [SPD]: Darauf freuen wir uns schon!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801208800

Als Nächster erteile ich das Wort der Kollegin

Patricia Lips, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Patricia Lips (CDU):
Rede ID: ID1801208900

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Meine

sehr geehrten Damen und Herren! Investitionen in Bil-
dung und Forschung sind zumeist nicht tagesaktuell zu
messen; es sind vor allem Investitionen in die Zukunft
unseres Landes und seiner Menschen. Die im Vergleich
niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland, um die
uns viele beneiden, ist an sich schon – das richtet sich
ein bisschen an meine Vorredner – der beste Beweis für
die Qualität unseres Bildungssystems.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Darüber hinaus – die Ministerin hat es bereits erwähnt –
gehen Milliarden an die Länder, an die anderen politi-
schen Ebenen, um sie zu entlasten, damit sie eigene In-
vestitionen tätigen können.

In den vergangenen Jahren haben so viele junge Men-
schen ein Studium aufgenommen wie nie zuvor. Allein
innerhalb von zehn Jahren gab es fast 15 Prozent mehr
Berechtigungen für ein Hochschulstudium. Das ist ein
Erfolg, den wir nicht schmälern wollen. Das deutsche
Wissenschaftssystem leistet in unserem Land einen ent-
scheidenden Beitrag, auch für die Zukunftsfähigkeit.
Nicht zuletzt deshalb müssen die guten Initiativen – sie
wurden in verschiedenen Beiträgen bereits genannt: Ex-
zellenzinitiative, Hochschulpakt und anderes mehr –
fortgesetzt und, wo nötig, weiterentwickelt werden.

Aber, Kolleginnen und Kollegen, darüber dürfen wir
einen anderen Bereich nicht vergessen, der schon im
Mittelpunkt unserer Diskussion im Ausschuss stand: die
berufliche Bildung in ihrer ganzen Breite und mit ihren
Chancen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Gerade nach der Krise fragen uns nicht wenige Länder
genau an dieser Stelle: Wie macht ihr das? Wie funktio-
niert das? Verbände, Handwerkskammern, das Ministe-
rium – viele sind bereits unterwegs, um Hilfestellung zu
leisten oder auch betroffene Jugendliche in unserem
Land entsprechend vorzubereiten. Genau wie wir haben
diese Länder erkannt, dass nicht allein die akademische





Patricia Lips


(A) (C)



(D)(B)

Ausbildung ein Gradmesser für den Erfolg eines Landes
ist,


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber auch!)


sondern ebenso – das ist ein Zweiklang – die berufliche
Bildung.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ein Land, das in Wissenschaft und Forschung hohe Ach-
tung genießt, wie das bei uns der Fall ist, das im Gegen-
satz zu vielen anderen Ländern noch einen erfreulich ho-
hen Anteil an Industrialisierung aufweist und vor allem
einen gesunden, stabilen und innovationsfreudigen Mit-
telstand hat, braucht beides: junge Menschen, die sich
für ein Hochschulstudium qualifizieren und den akade-
mischen Weg beschreiten, aber ebenso solche, die sich
für eine Ausbildung in einem Handwerksbetrieb begeis-
tern können.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Beides trägt zur Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes
bei. Am Ende sollte es kein Ranking und keine Wertung
des gewählten Weges geben. Eine Berufsausbildung ist
immer die Basis für ein selbstbestimmtes Leben. Dies
betrifft gleichermaßen die Weiterbildung in einer Welt,
in welcher der technische Fortschritt immer rasanter Ein-
zug hält.

Wir erleben zurzeit eine Verschiebung zugunsten ei-
nes akademischen Weges, unabhängig davon, ob dieser
Weg von Anfang an oder im Anschluss an eine Ausbil-
dung eingeschlagen wird. Man muss dies im Zusammen-
hang mit der demografischen Entwicklung in unserem
Land sehen. Aus Gesprächen kennt jeder von uns die Er-
fahrungen, die IHKn und Handwerkskammern machen.
Den Betrieben fällt es immer schwerer, Nachwuchs zu
finden.

Wir stellen fest: Die Zahl der Bewerber, die keinen
Ausbildungsplatz erhalten haben, ist gestiegen, aber
auch die Anzahl der unbesetzten Ausbildungsstellen. Sie
haben vor allem in kleineren und mittelständischen Be-
trieben einen Höchststand erreicht. Ganz offensichtlich
kommen Wunsch und Angebot nicht mehr so recht zu-
sammen. Wir müssen uns deshalb die Frage stellen: Be-
nötigen junge Menschen mehr als in früheren Jahren
eine stärkere Orientierungshilfe bei ihrer Berufswahl?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801209000

Frau Kollegin, es gibt einen Fragewunsch des Kolle-

gen Mutlu. Möchten Sie die Zwischenfrage zulassen?


Patricia Lips (CDU):
Rede ID: ID1801209100

Ich lasse sie zu.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801209200

Bitte schön, Herr Kollege.

Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1801209300

Danke, Frau Lips, dass Sie meine Frage zugelassen

haben. – Ich habe genau zugehört. Sie haben das Stich-
wort demografische Entwicklung genannt. Die Frau
Ministerin hat in ihrer Rede das Thema Bildungsgerech-
tigkeit als letzte von drei Überschriften genannt, aber im
weiteren Verlauf ihrer Rede kaum etwas dazu gesagt.
Wir wissen, dass sich auch in unserem Land die Schere
bei der Bildung sehr deutlich öffnet. Nach wie vor ist der
Einfluss des sozialen Hintergrunds ein wichtiger Faktor
beim Bildungserfolg, wie PISA-Studien immer wieder
belegt haben.

Da ich in dem Koalitionsvertrag wenig zu diesem
Thema finde, möchte ich Sie als Vorsitzende des Bil-
dungsausschusses fragen, ob Sie einige konkrete Maß-
nahmen nennen können, mit denen Sie die beiden The-
men demografische Entwicklung und Ungerechtigkeit in
unserem Bildungssystem angehen wollen. Welche Mittel
wollen Sie dafür in die Hand nehmen, ohne dabei das
Kooperationsverbot zu missachten, sodass der Kollege
von der SPD nicht wieder auf Herrn Kretschmann ver-
weisen muss?


Patricia Lips (CDU):
Rede ID: ID1801209400

Sehr geehrter Herr Mutlu, nicht allein der Bildungs-

ausschuss ist dafür verantwortlich, sich mit der demo-
grafischen Entwicklung zu beschäftigen. Viele Institu-
tionen und andere Ausschüsse machen sich ebenfalls
darüber Gedanken, vielleicht auch der eine oder andere,
der hier sitzt. Wie dem auch sei: Das Thema demografi-
sche Entwicklung müssen wir ressortübergreifend ange-
hen.

Es ist unser Ziel – wenn Sie den Koalitionsvertrag le-
sen, dann können Sie das erkennen –, niemanden zu-
rückzulassen und jeden jungen Menschen nach seinen
Möglichkeiten zu fördern. Etwas anderes können wir
uns gar nicht mehr erlauben. Wir müssen es schaffen,
auch junge Menschen mit Migrationshintergrund in spe-
ziell entwickelte Maßnahmen einzubinden. Wir müssen
es aber gleichermaßen schaffen, leistungsstarke junge
Menschen vom Wert der beruflichen Ausbildung zu
überzeugen, sodass sie nicht automatisch den Gang zu
einer Hochschule antreten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich bin der festen Überzeugung – darauf wäre ich spä-
ter noch eingegangen; Sie haben mir durch Ihre Frage
die Möglichkeit eröffnet, schon an dieser Stelle darüber
zu sprechen –, dass es uns über den Bereich der berufli-
chen Bildung hinaus gelingen muss, stärker an die jun-
gen Menschen heranzukommen. Da liegen wir gar nicht
weit auseinander. Ich gebe Ihnen in diesem Punkt völlig
recht.

Aber wir müssen sehen, dass wir nur Stück für Stück
vorankommen können. Wir können es uns, wie gesagt,
nicht erlauben, jemanden zurückzulassen. Es gibt viele
junge Menschen, deren Begabung noch nicht erkannt
wurde. Diese müssen wir erreichen. Ich sage ausdrück-
lich, dass der Bund das nicht alleine schultern kann. Alle





Patricia Lips


(A) (C)



(D)(B)

politischen Ebenen stehen hier in der Verantwortung.
Was der Bund an finanzieller Entlastung beitragen kann,
das wird er gerne leisten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann warten wir ab!)


Wir sind uns alle darüber einig, dass wir unser Er-
folgsmodell „berufliche Bildung“ – es ist doch ein Er-
folgsmodell – aufrechterhalten und stärken wollen. Ich
sagte es bereits: Wir können diese jungen Menschen
nicht zurücklassen. Demografie und Fachkräftemangel
kommen hinzu.

Die Probleme beginnen nicht erst, wenn ein junger
Mensch unmittelbar im Übergang von der Schule zur
Ausbildung ist, und sie hören an dieser Stelle auch nicht
auf. Daher haben wir es – ich sage es noch einmal –
nicht mit einer Aufgabe allein des Bundes zu tun, son-
dern es geht nur voran im Dialog mit allen politischen
Ebenen, den Betrieben, den Sozialpartnern, kurz: einer
Allianz für Aus- und Weiterbildung, Stichwort „Bil-
dungsketten“.

Wir brauchen ausbildungsbegleitende Hilfen. Wir brau-
chen eine Stärkung der Qualifizierung. Wir brauchen
eine Erhöhung der Durchlässigkeit im Bildungssystem.
Das sind alles Punkte, über die wir reden müssen, die Sie
übrigens auch im Koalitionsvertrag finden können. Ich
bin mir sicher: Diese Aufgabe wird in der kommenden
Zeit einen breiten Raum einnehmen und einen Schwer-
punkt bilden. Denn nur wenn wir sie bewältigen, bleibt
unser Land auf Dauer stark. Lassen Sie uns gemeinsam
daran arbeiten.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801209500

Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen

Ralph Lenkert, Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801209600

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und

Kollegen! Forschung muss marktnah sein. Forschung
muss der Exportindustrie nutzen. – Das ist der Bundes-
regierung, das war auch heute zu hören, extrem wichtig.
Aber von der Erforschung von Risiken – von Technolo-
giefolgen sowie den Risiken unseres Wirtschaftens –
hört man nichts.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das stimmt!)


Was passiert, wenn man Risikoforschung unterlässt,
möchte ich Ihnen an einem kleinen Beispiel einmal nä-
her erläutern. Seit den 80er-Jahren wurden Pkw-Klima-
anlagen verbreitet eingesetzt.


(Dagmar Ziegler [SPD]: Nicht in der DDR!)

Damals setzte man auf FCKW, weil es nicht brennt.
Dann begann sich die Ozonschicht aufzulösen. Man fing
an zu suchen und entdeckte FCKW als Ursache.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801209700

Herr Kollege, Ihr Redebeitrag hat schon einen Nach-

fragewunsch ausgelöst. Wollen Sie eine Nachfrage des
Kollegen Feist zulassen?


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ging aber fix!)



Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801209800

Ja.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801209900

Bitte, Herr Feist.


Dr. Thomas Feist (CDU):
Rede ID: ID1801210000

Sehr geehrter Kollege, Sie haben gesagt, Forschung

und Innovation sei uns wichtig, Export natürlich auch
– das ist klar –; aber für Technikfolgenabschätzung gä-
ben wir nichts aus.


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801210100

Nicht so viel.


Dr. Thomas Feist (CDU):
Rede ID: ID1801210200

Was ist Ihrer Meinung nach der Betrag, den wir jähr-

lich für Technikfolgenabschätzung ausgeben?


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801210300

Ich sagte nicht, Sie gäben nichts aus. Ich sagte – wenn

Sie genau zugehört hätten, wüssten Sie es –: Davon hört
man bei Ihnen nichts.

Ich verweise auf die EU-Kommission, der auch Mit-
glieder Ihrer Partei angehören: Das EU-Forschungsrah-
menprogramm stellt 70 Milliarden Euro für Innovation
und Forschung und 460 Millionen Euro für – –


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: 2 Millionen Euro im Jahr stehen im Haushalt!)


– „2 Millionen Euro“ – Wahnsinn! Wissen Sie, wie viel
Sie für Kernenergieforschung ausgegeben haben?
168 Milliarden Euro, allerdings ohne die Folgen zu be-
rücksichtigen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich fahre fort.

Dann begann sich die Ozonschicht aufzulösen, und Sie
haben FCKW als Ursache identifiziert. Ihre industrie-
nahen Forscher entwickelten dann R134a als Kältemittel –
Problem gelöst. Das dachte man, bis im Zusammenhang
mit der Klimaerwärmung Ihre Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler endlich erkannten: Dieses Mittel wirkt
klimaerwärmend; es muss weg. Die EU-Kommission
sorgte für ein Verbot ab 2017.





Ralph Lenkert


(A) (C)



(D)(B)

Jetzt stellt die industrienahe Forschung ein neues
Wundermittel bereit: R1234yf. Nebenwirkung: hohe
Brennbarkeit. 1980 wäre so etwas noch verboten gewe-
sen. Ein Zerfallsprodukt dieses Mittels ist Trifluoressig-
säure. Sie schädigt Wasserorganismen und baut sich
nicht ab. Völlig ausgeblendet wurde: Beim Verbrennen
dieses Mittels entsteht Fluorwasserstoff und daraus
Flusssäure. Spätestens jetzt sollten Sie begreifen, dass
die Risikoforschung unverzichtbar ist und die Mittel da-
für maximal aufgestockt werden müssen.


(René Röspel [SPD]: Aber es ist doch Aufgabe der Industrie, dafür zu sorgen! Das muss doch nicht schon wieder der Staat tun, oder?)


Gefahren durch Weichmacher, Nebenwirkungen von
Nanopartikeln – die Risiken dieser Kältemittel wurden
stets erst nach dem Auftreten von Schäden erkannt. Bisher
hat auch diese Regierung nicht gelernt, dass man For-
schung zu Umweltfragen, zu ethischen Gesichtspunkten
und zum Schutze der Menschen massiv verstärken muss.
Die Linke fordert hier deutlich mehr Mittel.


(Beifall bei der LINKEN)


Es ist ein Armutszeugnis, dass erst die Deutsche Um-
welthilfe mit Versuchen an Pkw nachwies, dass
R1234yf, in Pkw eingefüllt, zur tödlichen Konzentration
von Flusssäure führen kann. Kein Institut, keine Univer-
sität, keine Bundesbehörde untersuchte dies – trotz deut-
licher Hinweise. Frau Ministerin Wanka, meist müssen
Menschen und Umwelt die Folgen von unterlassenen Ri-
sikountersuchungen tragen. Deshalb müssten Sie han-
deln.

Übrigens: Die Automobilindustrie muss mehrere Mil-
liarden Euro einsetzen, um das von R1234yf verursachte
Dilemma zu beseitigen. Allerdings hält sich mein Mit-
leid da in Grenzen.

Wenn Sie zukünftig Schaden von Menschen, Umwelt
und auch von Ihrer geliebten Industrie abhalten wollen,
dann erhöhen Sie die Mittel für die Risikoforschung! Die
Linke wird dies unterstützen.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Sie vergiften das Vertrauen! – Uwe Schummer [CDU/CSU]: Unglaublich!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801210400

Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen

Oliver Kaczmarek, SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Oliver Kaczmarek (SPD):
Rede ID: ID1801210500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter dem

Gesichtspunkt der Wettbewerbsfähigkeit oder vor dem
Hintergrund, dass wir in Deutschland insgesamt weniger
Menschen werden, dass wir aber zunehmend älter wer-
den und trotzdem den gleichen Wohlstand erwirtschaften
müssen, ist es richtig, dass man jetzt in Bildung und For-
schung investieren muss. Ich sage auch: 9 Milliarden
Euro zusätzlich in den nächsten vier Jahren, das ist eine
stolze Summe. Das kann man hier im Plenum auch ruhig
mehrmals sagen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 10 Milliarden für Rente pro Jahr! Damit ist klar, welche Schwerpunkte Sie setzen!)


Es ist aber genauso richtig, dass Bildung für die Men-
schen natürlich noch mehr bedeutet. Bildung kann Men-
schen aus ihrer Unmündigkeit befreien. Sie kann sie zu
kritikfähigen Menschen machen, die ihr Leben selbst in
die Hand nehmen. Deswegen ist es unsere Aufgabe, für
die beste Bildung für alle zu sorgen, und zwar unabhän-
gig davon, welches Geschlecht sie haben, wo sie her-
kommen oder was die Eltern besitzen oder waren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir finden uns mit der bestehenden Ungerechtigkeit
nicht ab. Deswegen, Frau Wanka, können Sie sicher
sein, dass wir Ihre Verbündeten sind, wenn es darum
geht, Bildungsgerechtigkeit zu schaffen.

Ich will im weiteren Verlauf zu drei zentralen Heraus-
forderungen Anmerkungen machen:

Die erste Anmerkung – Frau Kollegin Lips hat das
schon angesprochen – betrifft das duale System der Be-
rufsausbildung. Ich glaube, es braucht mehr als schöne
Worte. Wir müssen es noch attraktiver gestalten und
Brücken für alle bauen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das machen wir!)


Es ist unbestritten – das darf ja in keiner Rede fehlen –,
dass das duale System eines der Prunkstücke des deut-
schen Bildungswesens und natürlich auch das Rückgrat
der industriellen Wirtschaft und des Handwerks ist.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie denn gegen die Warteschleifen?)


Wir müssen aber auch feststellen – ich finde, dass auch
die offene Diskussion über den Berufsbildungsbericht,
die wir im Ausschuss geführt haben, das deutlich ge-
macht hat –, dass sich die Situation aus Sicht vieler aus-
bildungswilliger junger Menschen verschlechtert hat.
Viele, die ausgebildet werden wollen, finden keinen
Ausbildungsplatz, und die Zahl der ausbildenden Be-
triebe hat sich erneut verringert.


(René Röspel [SPD]: Ja!)


Wir müssen alles unternehmen, um die Leistungsfä-
higkeit des dualen Systems zu erhalten. Dazu müssen
wir aus meiner Sicht in den nächsten vier Jahren dafür
sorgen, dass kein Jugendlicher, der noch eine Brücke in
die Ausbildung braucht, Zeit verliert.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Es ist natürlich richtig, in den Maßnahmendschungel
einzugreifen und eine bessere Instrumentenreform
durchzuführen, als es in der vergangenen Wahlperiode
der Fall war.


(Beifall der Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD] und René Röspel [SPD])






Oliver Kaczmarek


(A) (C)



(D)(B)

Wir müssen auch dafür sorgen, dass keine Maßnahme,
kein Übergang ohne Anschluss bleibt. Das Ziel ist die
Berufsausbildung für alle jungen Menschen, die das
wollen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die SPD ist überzeugt, dass das duale System in der
Lage ist, sich großen Herausforderungen zu stellen. Wir
finden es richtig, dass wir uns in der Koalition darauf
verständigt haben, den Ausbildungspakt zusammen mit
den Sozialpartnern zu einer Allianz für Aus- und Weiter-
bildung weiterzuentwickeln. Ich denke, in dieser ge-
meinsamen Kraftanstrengung muss es uns gelingen,
dafür zu sorgen, dass jeder Jugendliche, der einen Aus-
bildungsplatz sucht, auch tatsächlich einen findet. Wir
wollen eine Ausbildungsgarantie verwirklichen, auf die
sich junge Menschen verlassen können. Jeder, der einen
Ausbildungsplatz sucht, soll auch einen bekommen. Das
ist ein wichtiges bildungspolitisches Ziel.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die zweite Anmer-
kung. Es ist natürlich an der Zeit, das BAföG zu moder-
nisieren und zu verbessern. Es ist unstrittig: Auch über
40 Jahre nach seiner Einführung ist das BAföG ein un-
verzichtbares Element der Studienförderung, das vielen
jungen Menschen dabei hilft, unabhängig vom Geldbeu-
tel der Eltern ein Studium überhaupt erst aufzunehmen.
Deshalb sind wir gemeinsam, denke ich, der Meinung
– das wird auch im BAföG-Bericht nachzulesen sein –,
dass die über 3 Milliarden Euro, die Bund und Länder
jedes Jahr für das BAföG ausgeben, wirklich sehr gut
angelegtes Geld sind.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber es ist eben auch nicht von der Hand zu weisen,
dass es hier Reformbedarf gibt, weil sich die hochschul-
rechtlichen und die gesellschaftlichen Rahmenbedingun-
gen verändern. Deshalb müssen wir gemeinsam mit den
Ländern – es liegt auf der Hand, dass es nicht anders
geht – einen Modernisierungsschub beim BAföG erzeu-
gen, der die Situation der Studierenden spürbar und sub-
stanziell verbessert, und zwar noch in dieser Wahlpe-
riode. Das ist unser gemeinsames politisches Ziel.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wann kommt denn Ihr Gesetzentwurf?)


Dritte Anmerkung: Bund, Länder und Kommunen
müssen sich ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung für
die Bildungspolitik gemeinsam stellen. Wir freuen uns,
dass so viele junge Menschen wie noch nie in Deutsch-
land ein Hochschulstudium aufgenommen haben. Damit
sind große finanzielle Herausforderungen verbunden,
die Bund und Länder gemeinsam im Hochschulpakt an-
gegangen sind.

Die SPD hat in den vergangenen Jahren immer wieder
angemahnt, dass der Bund seine Ausgaben zeitnah an
die aktuellen Entwicklungen an den Hochschulen anpas-
sen muss. Deshalb ist es folgerichtig – das haben wir im
Koalitionsvertrag vereinbart –, die Verhandlungen über
die dritte Phase des Hochschulpaktes zügig aufzuneh-
men und bundesseitig die Grundfinanzierung der Hoch-
schulen zu verbessern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es ist uns allen klar, dass der Bund dabei gemeinsam
mit den Ländern Verantwortung dafür übernehmen
muss, dass die Basis der Bildungsfinanzierung verbrei-
tert wird. Wir müssen deshalb die Voraussetzungen dafür
schaffen, dass Bund und Länder in der Bildung tatsäch-
lich sinnvoll miteinander kooperieren können. Dazu ge-
hört auch die Forderung, das Grundgesetz entsprechend
zu ändern. Wir als SPD wollen das weiterhin nicht nur
auf Teilbereiche bezogen sehen, sondern auf die Ge-
samtverantwortung für das Bildungswesen beziehen.
Wir werden jedoch gemeinsam darüber reden, wie wir
das umsetzen können.

Ich sage noch eines: Ich würde mich freuen, wenn
sich die Große Koalition in dieser Frage auch angesichts
der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat als Koalition
der Einladung begreift, die alle relevanten politischen
Akteure in Bundestag und Bundesrat zum Mitgestalten
einlädt. „Gemeinsam etwas nach vorne bringen“ – beim
BAföG, bei der Hochschulfinanzierung –, das wäre eine
schöne Überschrift für die nächsten vier Jahre. Wir
freuen uns darauf.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801210600

Ich erteile dem Kollegen Gehring das Wort zu einer

Kurzintervention.


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1801210700

Ich hätte gerne eine kurze, knackige Frage gestellt.

Aber da mein Handzeichen nicht wahrgenommen wurde,
bleibt nur die Möglichkeit einer Kurzintervention.

Herr Kaczmarek, Sie hatten im Mai letzten Jahres mit
viel Tamtam einen Antrag zu einem Ganztagsschulpro-
gramm in den Deutschen Bundestag eingebracht. Er be-
inhaltete einen „Masterplan Gute Ganztagsschule“. In
einem ersten Schritt wollten Sie in den ersten vier Jahren
8 Milliarden Euro in den Ausbau von Ganztagsschulen
investieren. Sie haben dazu jetzt nichts gesagt. Ich
möchte gerne von der SPD-Bundestagsfraktion wissen,
was daraus geworden ist, inwieweit Sie sich für Ganz-
tagsschulen weiter einsetzen wollen. Sie haben das Ko-
operationsverbot angesprochen.


(Zuruf des Abg. Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/ CSU])


– Darf ich meine Kurzintervention zu Ende führen?
Danke. Sie können sich gerne melden und beteiligen.
Wir sind ein Beteiligungsparlament.






(A) (C)



(D)(B)


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801210800

Ich bitte, geschäftsleitende Bemerkungen dem Präsi-

dium zu überlassen, Herr Kollege.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1801210900

Danke, Herr Präsident. – Sie haben gerade zum Ko-

operationsverbot Stellung bezogen. Wenn es nicht fallen
sollte: Welche Umgehungstatbestände plant die SPD, um
ihr Vorhaben umzusetzen?


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801211000

Kollege Kaczmarek möchte antworten.


Oliver Kaczmarek (SPD):
Rede ID: ID1801211100

Vielen Dank, Herr Kollege Gehring, für die Gelegen-

heit, noch einmal darauf eingehen zu können. – Natür-
lich hält die SPD-Fraktion gemeinsame Anstrengungen
von Bund und Ländern mit dem Ziel einer Initiative zum
Ganztagsschulausbau für wünschenswert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will das noch einmal betonen. Aber Sie kennen auch
das Ergebnis der Bundestagswahl.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie regieren doch mit!)


Zu diesem Thema konnten wir in der Koalition keine Ei-
nigkeit erzielen. Wir beide kommen aus Nordrhein-
Westfalen. Wir wissen, dass in Koalitionsverhandlun-
gen, egal in welcher Farbkombination, immer Kompro-
misse gemacht werden müssen. Leider müssen wir an
dieser Stelle akzeptieren, dass wir in diesen vier Jahren
hier nicht weiterkommen. Aber wer weiß, was danach
ist.


(Beifall bei der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801211200

Als Nächstem erteile ich das Wort zu seiner ersten

Rede im Deutschen Bundestag dem Kollegen Dr. Wolfgang
Stefinger, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Wolfgang Stefinger (CSU):
Rede ID: ID1801211300

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich freue mich, dass ich meine erste Rede hier
im Deutschen Bundestag zu einem Thema halten darf,
das für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes von ent-
scheidender Bedeutung ist. Bildung und Forschung sind
Grundlage für Wohlstand, Fortschritt und Wirtschafts-
wachstum. Bildung und Forschung haben in der unions-
geführten Bundesregierung einen hohen Stellenwert.
Seit 2005 sind die Investitionen in diesem Bereich stetig
gewachsen.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Auch seit 1998!)

Nie zuvor wurde in unserem Land so viel in Bildung und
Forschung investiert wie unter Angela Merkel, und das
trotz des notwendigen Konsolidierungskurses beim Bun-
deshaushalt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


In diesem Jahr sollen dem Bundesministerium für Bil-
dung und Forschung rund 14 Milliarden Euro zur Verfü-
gung stehen. Bei Regierungsübernahme 2005 lag die
Zahl noch bei rund 7,5 Milliarden Euro.


(René Röspel [SPD]: Was?)


Alleine dadurch wird deutlich: Wir investieren massiv in
die Zukunft unseres Landes, und dieses Geld ist gut an-
gelegt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Gerade für ein rohstoffarmes Land wie Deutschland
ist es wichtig, unsere Spitzenstellung auf dem Gebiet der
Lehre und Forschung nicht nur zu halten, sondern auszu-
bauen. Wir wollen eine attraktive, wettbewerbsfähige
und international vernetzte Hochschullandschaft mit
besten Rahmenbedingungen für die Studierenden und
den wissenschaftlichen Nachwuchs.

In den letzten Jahren wurden nicht nur die Finanzmit-
tel für den Bildungs- und Forschungsbereich spürbar er-
höht, sondern auch konkrete Maßnahmen ergriffen, von
denen die Hochschulen erheblich profitieren. Lassen Sie
mich den Hochschulpakt 2020 herausgreifen, durch den
zusätzliche Studienplätze geschaffen werden konnten.
Über 500 000 junge Menschen haben im letzten Jahr ein
Studium aufgenommen. Das ist absoluter Rekord. Die-
sen beachtlichen Erfolg verdanken wir dem Hochschul-
pakt und dem Zusammenspiel von Bund und Ländern,
und diese Zusammenarbeit müssen und wollen wir fort-
setzen, weil dieser Weg richtig und wichtig ist, meine
sehr geehrten Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])


Unsere Hochschulen genießen international einen
hervorragenden Ruf. Der schönste Beleg dafür ist die
Zahl der ausländischen Studierenden, die zu uns kom-
men, um hier bei uns in Deutschland zu studieren. Sie
kommen gerne nach Deutschland, denn sie wissen um
die Qualität der Ausbildung und darum, welche berufli-
chen Chancen sich für sie im Anschluss ergeben.

Lassen Sie mich aber auch ein Augenmerk auf dieje-
nigen richten, die ihr Studium nicht weiterführen. Ihnen
wollen wir eine neue berufliche Perspektive eröffnen.
Wir müssen aber auch klar kommunizieren, dass der
Handwerker für unsere Gesellschaft genauso wichtig ist
wie der Ingenieur.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer bestreitet das denn noch?)


Der Fleißige und Lernwillige bekommt vielfältige Chan-
cen und Unterstützung, um weiter voranzukommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen eine ver-
lässliche Ausbildungsförderung sicherstellen, damit ge-





Dr. Wolfgang Stefinger


(A) (C)



(D)(B)

rade Studierende gefördert werden können, die aus ei-
nem finanziell schwächeren Umfeld kommen. Daneben
bieten unsere Begabtenförderungswerke zusätzliche Fi-
nanzierungs- und Bildungschancen für unseren hochqua-
lifizierten Nachwuchs. Seit 2005 hat sich die Zahl der
Stipendien mehr als verdreifacht. Auch das Deutschland-
stipendium ist ein Erfolg und wird fortgeführt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Damit zeigen wir jungen Menschen, dass sich Leistung
lohnt.

Bei all diesen Erfolgen sind wir uns natürlich be-
wusst, dass es weiterhin viel zu tun gibt. Einer Reihe von
Herausforderungen wollen und werden wir uns gemein-
sam mit den Akteuren im Wissenschaftsbereich stellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für die
unionsgeführte Bundesregierung ist klar: Gute Bildung
ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen Berufsleben.
Eine aktive Innovations- und Forschungspolitik ist Basis
für Wachstum und Wohlstand. Die Weichen sind richtig
gestellt. Der Bildungszug fährt; er fährt in die richtige
Richtung und mit Volldampf in die Bildungsrepublik
Deutschland.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – René Röspel [SPD]: Wir sind schon elektrifiziert!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801211400

Das Präsidium gratuliert Herrn Dr. Stefinger zu seiner

ersten Rede und dankt für die Einhaltung der Redezeit.
Es ist nämlich eine Frage der Solidarität: Wenn sich je-
der an die Redezeit hält, kommen auch alle zu ihrem
Recht.


(Beifall)


Ebenfalls zu ihrer ersten Rede gebe ich jetzt Frau
Dr. Simone Raatz von der SPD-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Simone Raatz (SPD):
Rede ID: ID1801211500

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich kann mich der Ministerin und meinen Vor-
rednern von der Koalition in einem Punkt sofort an-
schließen – ich wiederhole gerne, was schon gesagt
wurde –: Mit dem Koalitionsvertrag setzen wir ein star-
kes Signal für die Zukunftsfelder Bildung und For-
schung. Wir wollen hier 9 Milliarden Euro zusätzlich be-
reitstellen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir werden gemeinsam im Ausschuss beraten, wie wir
diese Mittel zielgerichtet einsetzen können. Frau Lips,
ich gebe Ihnen recht: Das ist in jedem Fall eine gute In-
vestition in die Zukunft.

Frau Gohlke, ich habe Ihrem Redebeitrag intensiv ge-
lauscht und kann nicht ganz verstehen, warum Sie im-
mer in einem Totalverriss enden müssen. Wie Sie mitbe-
kommen haben, sind nicht alle Blütenträume gereift.
Jedoch sollten Sie sich einmal anschauen, was im Koali-
tionsvertrag verankert ist. Vielleicht sind einige Punkte
dabei, die auch Ihnen gefallen werden. Diese könnten
Sie dann in Ihrer Rede ruhig einmal erwähnen. Ich finde,
ein bisschen Balance wäre nicht schlecht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Lenkert, ich bin Chemikerin, aber ich muss ehr-
lich sagen: Ich konnte Ihnen nicht bei allem folgen. Viel-
leicht sollten wir in einem Zwiegespräch noch einmal
darüber reden. In der heutigen Debatte möchte ich je-
doch keine weiteren Ausführungen dazu machen.


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Ich helfe Ihnen gerne!)


– Gut.

Ich möchte meinen Blick auf die Forschung in Ost-
deutschland richten, und das nicht, weil das bisher keiner
gemacht hat. Das hat zwei andere Gründe. Der erste ist
ein ganz persönlicher Grund. Ich komme aus Freiberg,
einer Stadt in Mittelsachsen mit Bergbautradition und ei-
ner technischen Universität. Es ist ein interessanter Ort
mit viel innovativer Kompetenz. Als langjährige Mitar-
beiterin an dieser Universität hatte ich viele Gelegenhei-
ten, verschiedenste Förderprogramme kennenzulernen
und mich mit ihren Stärken und Schwächen auseinander-
zusetzen.

Der zweite Grund ist eher allgemeiner Art. Ost-
deutschland verfügt mittlerweile über ein wirklich gutes
Netz von Bildungs- und Forschungseinrichtungen mit
hoher Innovationskraft. Es hat mich sehr gefreut, dass
Frau Ministerin Wanka das Thema Innovation in ihrem
Programm und auch heute in ihrer Rede an erste Stelle
gestellt hat.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Dieses dichte Netz ist eine gute Grundlage für die Stär-
kung einer wissensbasierten regionalen Wirtschaft, ge-
rade auch in Ostdeutschland.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen:
Diese Entwicklung ist nicht vom Himmel gefallen. In
der letzten Großen Koalition haben wir gemeinsam viel
dafür getan. Die SPD hat diese Entwicklung maßgeblich
durch Programme wie „Unternehmen Region“ mit ini-
tiiert. Mein besonderer Dank gilt hierbei Edelgard
Bulmahn – ich bewundere es immer wieder, wie sie sich
damals durchgesetzt hat –, die dieses Programm auf den
Weg gebracht hat.


(Beifall bei der SPD)


„Unternehmen Region“ ist ein Innovationsprogramm,
das mittlerweile mit acht Einzelinitiativen den Ausbau
technologischer, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher
Kompetenzen in den neuen Bundesländern fördert. Auf-
grund der Erfahrungen aus meinem Wahlkreis kann ich
bestätigen, dass diese Förderinitiative des Bundesminis-
teriums für Bildung und Forschung in strukturschwäche-
ren Regionen ganz wichtige Wachstumsimpulse gesetzt
hat und – so hoffe ich – weiterhin setzen wird. Darüber





Dr. Simone Raatz


(A) (C)



(D)(B)

hinaus leistet diese Initiative einen ganz wesentlichen
Beitrag zur Nachwuchsförderung und zur Internationali-
sierung. Bisher war sie ein sehr großer Erfolg.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


So wird an der Freiberger Universität ein Zentrum für
Innovationskompetenz mit dem Namen „Virtuhcon“
– Virtuelle Hochtemperaturkonversionsprozesse – mit
etwa 17 Millionen Euro gefördert. Ziel ist es, die Region
nachhaltig zu stärken. Beschäftigt sind hier 25 Nach-
wuchswissenschaftler, prima junge Leute aus immerhin
neun Nationen – das ist bemerkenswert –, die eng mit
der regionalen Wirtschaft kooperieren und nicht nur vor
Ort wichtige Impulse setzen. Es ist deshalb absolut rich-
tig und wichtig, dass solche Programme in der Großen
Koalition weitergeführt werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es freut mich außerordentlich, dass im Bundeshaus-
halt für 2014 erneut 146 Millionen Euro speziell für die
Innovationsförderung in den neuen Ländern vorgesehen
sind.

Trotz der unbestritten positiven Entwicklung müssen
wir an manchen Stellen zukünftig nachjustieren. So gibt
es nach wie vor Schwierigkeiten bei der Übertragbarkeit
von Forschungsergebnissen auf die Wirtschaft. Die Lü-
cke zwischen wissenschaftlicher Grundlagenforschung
auf der einen Seite und kommerzieller Verwertung auf
der anderen Seite ist ein chronisches Defizit des deut-
schen Forschungs- und Innovationssystems. Diese Situa-
tion zu verbessern, wird eine unserer Aufgaben in dieser
Legislaturperiode sein.

Womit ich beim zweiten Punkt bin: Es gibt nach wie
vor deutliche Strukturunterschiede zwischen Ost und
West. Während in den alten Ländern ein Großteil der
Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen aus der
Wirtschaft direkt kommt, werden diese Aufwendungen
in den neuen Ländern meistens staatlich finanziert. So
investieren beispielsweise die Unternehmen in Baden-
Württemberg 3,6 Prozent des landesweiten BIP in For-
schung und Entwicklung. Schauen wir einmal nach
Brandenburg oder Sachsen-Anhalt: Dort sind es gerade
einmal 0,3 Prozent, also nicht einmal ein Zehntel. Ich
denke, da müssen wir etwas tun. Programme wie Indus-
trie 4.0 sind richtige Ansätze, um die Zusammenarbeit
und den Austausch zwischen Wirtschaft und For-
schungseinrichtungen insgesamt zu fördern und die In-
dustrie zu weiteren Investitionen zu bewegen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801211600

Frau Kollegin.


Dr. Simone Raatz (SPD):
Rede ID: ID1801211700

Ich komme zum Schluss.

Sie sehen, wir haben bereits viel Gutes auf den Weg
gebracht. Ich hoffe, dass wir dies verstetigen können, um
die Entwicklung nachhaltig zu gestalten. Ich bin mir
nach den Worten von Frau Ministerin Wanka sicher, dass
wir diese Programme weiterführen werden und dem
Ausbau von Programmen wie „Unternehmen Region“
von unserer Seite zukünftig nichts im Wege stehen wird.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801211800

Frau Kollegin Dr. Raatz, Glückwunsch zu Ihrer ersten

Rede im Deutschen Bundestag.


(Beifall)


Letzter Redner in der Aussprache ist mit seiner ersten
Rede im Deutschen Bundestag Stephan Albani, CDU/
CSU-Fraktion. – Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Albani.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Stephan Albani (CDU):
Rede ID: ID1801211900

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und

Kollegen! Bevor ich zum eigentlichen Thema meiner
Ausführungen komme, möchte ich ganz kurz auf die
herbe Wirtschafts- und Industrieschelte eingehen, die
wir hier vor 20 Minuten hören mussten.

Für mich, der ich seit 20 Jahren an der Schnittstelle
zwischen Wissenschaft und Wirtschaft arbeite, sind Wis-
senschaft und Wirtschaft keine Gegenpole. Wissenschaft
und Wirtschaft, Hochschule und Industrie sind keine Ge-
genpole, sondern im Prinzip zwei Elemente einer Pro-
zesskette. Sie muss funktionieren – fraglos –, aber die
Elemente sind nicht zu trennen, erst recht nicht in gut
und schlecht; das wäre zu einfach.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Haben Sie ein Glück, dass das die erste Rede ist!)


– Das ist okay.

Als Redner bin ich nun zwar der Letzte in der Debatte
zur Regierungserklärung. Thematisch stehen Forschung
und Innovation aber am Anfang jedes erfolgreichen Pro-
jektes der Menschen. Ohne Innovationsfreude wären wir
heute nicht hier, in diesem sehr innovativen Haus mit
Erdwärmeheizung und Solaranlagen auf dem Dach.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Und kreativen Abgeordneten!)


– Bitte?


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Und kreativen Abgeordneten!)


– Und kreativen Abgeordneten. Natürlich, um Gottes
willen, nicht zu vergessen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Und mit einer hervorragenden Audiotechnik. Diese Be-
merkung sei mir erlaubt, da ich aus diesem Bereich
komme. Dank der Technik können Sie mich bestens hö-
ren und im Wahlkreis sogar sehen. Das ist ein schönes
Beispiel dafür, dass Innovationen manchmal zwei An-





Stephan Albani


(A) (C)



(D)(B)

läufe brauchen – manche werden sich noch erinnern –,
bevor sie richtig funktionieren.

Gerade diese unsere deutschen Forschungsergebnisse
und unsere Innovationskraft waren und sind unsere
Stärke. Ein Fünftel der Wirtschaftsleistung unseres Lan-
des wird durch den Export eben jener Technologiegüter
erbracht. Wir haben immer mit Köpfchen kompensiert,
was uns an Rohstoffen fehlte. So haben wir es zu Wohl-
stand gebracht und in der Welt viel Anerkennung be-
kommen.

Wenn es nun um die nachhaltige Sicherung des Wirt-
schaftsstandorts Deutschland geht – sie wurde in Mese-
berg wieder zur Leitlinie erklärt –, dann müssen wir
diese Innovationsfähigkeit unseres Landes nicht nur er-
halten, sondern auch verstärken und ausbauen. Und wir
müssen neue Wege suchen; denn wer aufhört, besser zu
werden, hat aufgehört, gut zu sein – Philip Rosenthal.

Die Tatsache, dass das Bundesministerium für Bil-
dung und Forschung seit 2005 mit großer Kontinuität ge-
führt wurde, ist – das möchte ich als jemand, der aus der
Forschung kommt, einmal sagen – ein Glücksfall; denn
Kontinuität in der Bildungs- und Forschungspolitik war
entscheidend für die Erfolge der letzten Jahre.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben in diesem Zeitraum die Anzahl angemelde-
ter Patente um 16 Prozent steigern können und liegen da-
mit konstant vor den USA und Japan.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Festschreibung des Anteils von 3 Prozent des Brut-
toinlandsprodukts für Bildung und Forschung auch für
die nächsten Jahre garantiert die Absicherung dieser For-
schungsergebnisse und vieler weiterer Förderprojekte.
Wer sich davon überzeugen will, kann dies einfach tun,
indem er die Internetseite www.foerderkatalog.de auf-
ruft. 110 000 Projekte von Kreativität und Erfolg sind
dort zu sehen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir müssen heute säen, wenn wir morgen wirtschaft-
lichen Erfolg ernten wollen. Das gilt insbesondere für
den Bereich Forschung und Innovationen. Das begrün-
det die klare Priorisierung der gesamten Bildungs- und
Forschungspolitik. Die Bundesregierung unter Angela
Merkel steht dafür, und klare Zahlen belegen das. So ist
das Haushaltsvolumen des BMBF von 2005 bis zum jet-
zigen Zeitpunkt um 82 Prozent gestiegen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Damit kann die Hightech-Strategie als strategische Inno-
vationspolitik gestaltet werden. Sie geht von Deutsch-
lands traditionellen Kernkompetenzen aus, aber sie wird
nun auch als umfassende und ressortübergreifende Inno-
vationsstrategie in Deutschland weiterentwickelt.

Zu den großen gesellschaftlichen Herausforderungen,
die wir mit dieser Innovationsstrategie bewältigen wol-
len, gehören vor allen Dingen Veränderungen aufgrund
des demografischen Wandels, in der Digitalisierung und
auch in der nachhaltigen Wirtschaftsweise. Auch eine
weise Energiepolitik kann dank neuer Resultate im Be-
reich von Speichermedien und der effizienten Nutzung
der regenerativen Energien möglich werden. Wir wollen
diese Zukunftsaufgabe im Verbund von Wissenschaft,
Gesellschaft, Wirtschaft und Politik gestalten.

Deutschland ist aber auch Schrittmacher in ganz an-
deren Bereichen, zum Beispiel in der medizinischen For-
schung. In diesem Bereich der Gesundheitsforschung,
wo Forschung im Dienste der Menschen steht – das ist
generell so –, werden von uns zukünftig weitere Projekte
in den Fokus genommen werden. Es geht dabei zum Bei-
spiel darum, Krankheiten mit individualisierter Medizin
besser therapieren zu können und so nicht nur For-
schungsergebnisse zu erreichen, sondern unser aller Zu-
kunft und persönliche Lebensqualität zu verbessern.

Im Alter ein selbstbestimmtes Leben führen zu kön-
nen, wird auch weiterhin Inhalt und Fokus von For-
schung sein. Hier zeigt sich, dass zum Beispiel ein wei-
terer Schwerpunkt kommunale Beratungsstellen unter
dem Motto „Besser leben im Alter durch Technik“ sein
werden. Dies zeigt, dass Forschung auf der einen Seite
und die Vermittlung der Ergebnisse auf der anderen Seite
elementare Aufgaben der Forschungs- und Innovations-
politik sind.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. René Röspel [SPD])


Zu den Forschungsaufgaben gehört auch, die europäi-
schen und internationalen Forschungskooperationen aus-
zubauen und zu vertiefen. Im Austausch mit anderen und
vom Wissen anderer können wir nur profitieren. Ja, das
alles kostet Geld. Gestern hat Herr Riesenhuber dies
charmant mit „gell“ quittiert. Es braucht auch Zeit. Diese
Zeit müssen wir geben. Wir investieren in kluge Köpfe,
dürfen aber die Herzen nicht vergessen. Wir müssen un-
seren Wissenschaftlern zur Seite stehen, wenn sie der
Mut verlässt, das eine oder andere Forschungsergebnis
in tragfähige Produkte zu überführen.

Wir sind auf einem richtigen Weg, wenn wir konse-
quent und kontinuierlich in Forschung und Innovationen
investieren, wenn wir jungen Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern den Mut zur Innovation, den Mut zur
Umsetzung ihrer Erkenntnisse in Produkte geben, wenn
wir die Hightech-Strategie zu einer umfassenden und
ressortübergreifenden Innovationsstrategie weiterentwi-
ckeln und mit dem Hochschulpakt den Hochschulen ver-
lässliche Perspektiven und Planungssicherheit für die
nächsten Jahre verschaffen. Denn so können wir mit
Freude am Neuen in den Augen, mit Mut zur Umsetzung
in den Herzen und aus der Kreativität unserer Köpfe die
Zukunft gestalten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801212000

Herzlichen Glückwunsch an Kollegen Albani zu sei-

ner ersten Rede.


(Beifall)






Vizepräsident Peter Hintze


(A) (C)



(D)(B)

Weitere Wortmeldungen zu dem Themenbereich lie-
gen nicht vor.

Wir sind damit am Schluss der Aussprache zu der Re-
gierungserklärung der Bundeskanzlerin angelangt. Ich
schließe die Aussprache.

Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:

Vereinbarte Debatte
zur aktuellen Situation in der Ukraine

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Franz Thönnes von der SPD-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1801212100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

So wie kein Mieter das Recht hat, in seiner Woh-
nung Feuer anzuzünden, mit der Berufung auf die
Heiligkeit des Heims, so wenig dürfen Staaten ohne
Gefährdung des Friedens Innenpolitik auf eigene
Faust machen, soweit diese den Frieden in Frage
stellt. Wir wohnen nicht mehr in einzelnen Festun-
gen des Mittelalters, wir wohnen in einem Haus.
Und dieses Haus heißt Europa.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


So hat es der große deutsche Schriftsteller Kurt
Tucholsky 1926 formuliert. Heute sind wir an dem
Punkt, dass wir uns 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen
Vorhangs erneut mit einer sehr brisanten Situation aus-
einandersetzen müssen, über die wir hier im Plenum
schon einmal in dieser Woche diskutiert haben, über die
wir im Ausschuss diskutiert haben und über die wir
heute auch in dieser gemeinsamen Debatte diskutieren.
Es geht erneut darum, den Prozess der Einigung Europas
zu behandeln und kritisch zu betrachten und dabei eine
gute, friedliche Perspektive zu finden.

Seit dem 21. November demonstrieren Menschen in
der Ukraine für Menschenrechte, Freiheit und Demokra-
tie, gegen Korruption und soziale Ungerechtigkeit und
für eine gute Zukunft ihres Landes. Die Demonstratio-
nen waren am Anfang gewaltfrei. Wir wissen aber: Je
länger so etwas dauert, umso gereizter werden die Ge-
müter und umso eher verbreitet sich auch Gewalt.

Ich glaube, uns eint hier die gemeinsame Auffassung,
dass eine friedliche Lösung gefunden werden muss, dass
eine gewaltfreie Lösung gefunden werden muss und dass
die Ukraine eine gute, demokratische, den Menschen-
rechten gerecht werdende Perspektive in Europa haben
muss.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])

Die Bundesregierung und Außenminister Steinmeier
haben mit der notwendigen Klarheit und, ich sage auch,
mit der gebotenen Sensibilität reagiert, Telefonate und
Gespräche mit Staatspräsident Janukowitsch und den
Oppositionsvertretern geführt. Ich denke, dass es gut
war, den Einfluss Deutschlands wahrzunehmen. Die
heute beginnende Sicherheitskonferenz in München
wird eine weitere Gelegenheit sein, Versuche zu unter-
nehmen, die Konflikte zu lösen. Ich glaube, dass diese
Perspektive der Ukraine so ausgerichtet sein muss, dass
Freiheit, Demokratie und Menschenrechte eine Zukunft
haben. Ich sage auch ganz deutlich: Rechtsextremisti-
sche und nationalistisch orientierte Kräfte, die gegen
diese Werte kämpfen, werden dabei nicht hilfreich sein.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN)


Erste Schritte sind gemacht, repressive Gesetze zu-
rückgenommen worden, insbesondere was die Demon-
strations- und Versammlungsfreiheit angeht. Die Regie-
rung ist zurückgetreten. Das sind gute Zeichen, wenn sie
nicht Taktik sein sollen, wenn es nicht darum geht, Zeit
zu schinden. Das, was versprochen und zugesagt worden
ist, muss jetzt auch belastbar eingehalten und darf nicht
mit neuen Bedingungen verknüpft werden. Ich denke, es
gilt ganz klar: Die Verhafteten sind freizulassen. Das
Schicksal der Verschleppten, deren Situation bis heute
nicht geklärt ist, ist aufzuklären. 2 000 Verletzte, 500
aufseiten der Polizei, 6 Tote, 30 Vermisste sind genug.
Jetzt muss Schluss sein.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu viele!)


– Ja, richtig. Es sind zu viele.

Bei dem jetzigen Prozess brauchen wir keine Fackel-
träger nach dem Motto „Augen zu und durch“, weil nur
der kleinste Funke dazu führen kann, dass etwas ent-
steht, was wir alle nicht wollen. Deswegen ist Zurück-
haltung angesagt. Es gilt, auch ein bisschen Vorsicht bei
den Vermittlern walten zu lassen, die jetzt schon
Schlange stehen. Die Betroffenen selbst müssen ent-
scheiden, wer vermittelt. Aber wenn sie Hilfe brauchen,
dann sollen sie es sagen. Wir haben ihnen an dieser
Stelle dabei Rat zu geben.

Ich glaube, dass es auch darum geht, Russland zu sa-
gen, dass das, was mit wirtschaftlichem Druck versucht
worden ist, genauso wenig tolerierbar ist wie die Kreati-
vität, mit der Russland hinsichtlich der Zollformalitäten
und der Gesundheitsvorschriften für den Warenimport
nach Russland agiert.

Es ist notwendig, hier zu realisieren: Die Welt in der
Ukraine ist nicht schwarz-weiß. Es ist eine schillernde
Welt. Die Opposition ist geeint hinsichtlich ihrer Forde-
rung nach Neuwahlen, nach Abdankung des Präsidenten
und nach Freilassung der Verhafteten, aber nicht hin-
sichtlich der Perspektive einer guten Zukunft in der
Ukraine. So ähnlich sieht es bei den Oligarchen aus, die





Franz Thönnes


(A) (C)



(D)(B)

ebenfalls unterschiedliche Interessen haben. So ähnlich
sieht es auch in der Gesellschaft aus.

Deswegen glaube ich, dass auch die Europäische
Union sich fragen muss: Haben wir alles richtig gemacht
in der Phase der Assoziierungsverhandlungen? Ist nicht
leichtfertig übersehen worden, welche ökonomischen
und mentalen Verbindungen zu Russland bestehen, wenn
man weiß, dass die Geburtsstunde Russlands im Kiew
des 8. Jahrhunderts liegt?


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darüber gibt es einen Historikerstreit!)


Das alles zu berücksichtigen wäre wichtig gewesen. Ge-
nauso hätte man sich die Fragen stellen müssen: Welche
finanziellen Herausforderungen kommen auf uns zu und
wie können wir sie gemeinsam schultern? Das bringt
mich, wenn ich den Blick nach vorne richte, zu der
Frage: Sind nicht Europa und Russland gemeinsam ge-
fordert, eine gute Perspektive für die Ukraine in guter
Kooperation zu erarbeiten und zu gestalten, wenn es
jetzt zu einer friedlichen und gewaltfreien Lösung ge-
kommen ist? Wir müssen wegkommen von der Schaukel
des Entweder-oder, mit der Janukowitsch in den letzten
Jahren gespielt hat. Es geht darum, sich Gedanken da-
rüber zu machen, ob an dieser Stelle nicht mehr Koope-
ration entstehen kann. Europa und Russland sollten mit
der Ukraine im wirtschaftlichen Bereich eigentlich große
gemeinsame Interessen haben. Es geht darum, der
Ukraine dabei zu helfen, eine gute wirtschaftliche Per-
spektive zu finden: im Energiesektor, bei der Produktion
von Stahl und Eisen, aber auch bei der Kooperation im
menschenrechtlichen und im zivilgesellschaftlichen Be-
reich. Es geht darum, dies gemeinsam zu organisieren
und die großen ökonomischen Chancen zu realisieren.
Es geht darum, zu schauen, wie man, wenn auf der einen
Seite eine Europäische Union steht, die sich wieder sta-
bilisieren muss, und auf der anderen Seite eine eurasi-
sche Union im Entstehen ist, gemeinsam Verträge ma-
chen kann.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Nur sollte der Prozess freiwillig sein!)


Wir reden heute über ein Transatlantisches Freihan-
delsabkommen. Wir reden an anderer Stelle darüber,
eine Freihandelszone zu schaffen, die von San Francisco
bis Wladiwostok reicht. Ich denke, was vor der eigenen
Haustür liegt, sollte Vorrang haben. Das ist die gemein-
same Aufgabe, die sich uns allen heute stellt: zu helfen
in unserem gemeinsamen Haus Europa, und zwar ge-
waltfrei, lösungsorientiert und kompromissbereit.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801212200

Als Nächstem erteile ich das Wort unserem Kollegen

Wolfgang Gehrcke, Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801212300

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kollegin-

nen und Kollegen! Ich finde es völlig in Ordnung, dass
wir diese vereinbarte Debatte hier im Bundestag führen;
sie ist notwendig und sie ist richtig.

Ich denke, dass wir uns darauf verständigen sollten
– vielleicht lässt sich das nicht mit allen erreichen, aber
doch mit einer Mehrheit –, in welchem Gestus wir diese
Debatte führen wollen. Ich möchte nicht, dass in der
schwierigen Situation, in der sich die Ukraine befindet
– mein Kollege Thönnes hat es gesagt –, vom Deutschen
Bundestag aus gezündelt wird,


(Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch! Es zündelt doch niemand!)


dass von hier Funken ausgehen, die die Situation mit
zum Explodieren bringen können. Sich zurückhalten und
ausgleichen, das ist das Gebot der Stunde; dieses Signal
muss vom Bundestag in dieser Stunde ausgehen.


(Beifall bei der LINKEN – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die Botschaft nach Moskau! – Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Klare Worte wären schön!)


Ich halte überhaupt nichts von der Androhung oder Ver-
hängung von Sanktionen. Das wird nichts lösen, sondern
die Situation noch zuspitzen.

Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken, was
eigentlich die Ursachen dafür sind, dass in der Ukraine
Hunderttausende auf die Straße gegangen sind. Zu den
Ursachen – das muss man doch begreifen! – gehört die
verzweifelte soziale Lage vieler Menschen in der
Ukraine, die sich nicht mehr ernähren können, die erfrie-
ren und verhungern in diesem Land.


(Xaver Jung [CDU/CSU]: 80 Jahre Sozialismus!)


Zu den Ursachen gehört auch, dass viele ihre Zukunft
nicht mehr im eigenen Land gesehen haben, sondern da-
rauf gehofft haben, dass sich ihnen in Europa Perspekti-
ven eröffnen. Vielleicht sind sie auch betrogen worden,


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Vor allem von Janukowitsch sind sie betrogen worden!)


was die Realität in Europa angeht, was die ehrliche Be-
reitschaft angeht, der Ukraine einen vernünftigen Zu-
gang zu Europa zu öffnen.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801212400

Herr Kollege Gehrcke, der Kollege Sarrazin von den

Grünen würde gerne eine Frage stellen.


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801212500

Ja, klar.


Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1801212600

Herr Kollege Gehrcke, uns eint, um es einmal so zu

sagen, ein Interesse an der Geschichte der Region. Ich





Manuel Sarrazin


(A) (C)



(D)(B)

habe Freunde in der Ukraine, bin regelmäßig auch privat
dort und habe die ukrainisch-polnische Grenze schon mit
allen möglichen Verkehrsmitteln überschritten. Ich habe
auch Visaeinladungen für Freunde ausgeteilt und Ähnli-
ches.

Daraus speist sich meine Frage: Glauben Sie nicht
auch, dass eine Ursache für die jetzige Lage der tiefe
Wunsch vieler Menschen in der Ukraine ist, zum euro-
päischen Wertesystem zu gehören, an Europa teilhaben
zu können und auch Zugang zu Europa zu erhalten, und
dass diese Menschen Angst hatten, dass sie in einer his-
torischen Situation sein könnten, in der sie die Chance,
diese Ziele in Zukunft zu erreichen, ein für alle Mal ver-
lieren könnten, wenn sie ihren Präsidenten jetzt nicht
stoppen? Glauben Sie nicht auch, dass das ebenfalls eine
Ursache ist, die vielleicht sogar tiefer reicht als die eben-
falls wichtige soziale Lage im Land?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801212700

Sie haben mir doch zugehört: Ich habe die prekäre so-

ziale Lage genannt und die Verzweiflung, die daraus er-
wächst. Daraus resultiert der Wunsch gerade vieler jun-
ger Menschen, Zugang zu Europa zu erhalten, um das,
was sie im eigenen Land nicht realisieren konnten, in an-
deren Teilen Europas zu realisieren.

Wenn wir etwas tun wollen – das sage ich hier ganz
ernsthaft; das ist in etwa eine Nagelprobe –, dann lassen
Sie uns sofort für die Visafreiheit für Menschen aus der
Ukraine eintreten.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir dürfen nicht drumherum reden und dürfen diese
Menschen nicht wieder vertrösten. Ähnlich wie Sie, Herr
Sarrazin, habe ich viele Freunde in der Ukraine. Ich war
in verschiedenen Teilen der Ukraine unterwegs und habe
sehr unterschiedliche Bilder vor Augen. Der Wunsch,
ungehindert in andere, auch westeuropäische Länder rei-
sen zu können, ist überall manifest. Warum fangen wir
nicht damit an, ihnen das zu ermöglichen?


(Beifall bei der LINKEN)


Wäre es nicht eine große Geste des Deutschen Bundesta-
ges, die Beschränkungen zurückzunehmen, sodass die
Bürgerinnen und Bürger der Ukraine visafrei nach
Deutschland kommen könnten? Das verstehe ich unter
einer Politik des Nichtzündelns: auf die Menschen ein-
gehen und über Werte diskutieren.

Bevor ich auf die Werte zu sprechen komme, komme
ich auf die unterschiedlichen Motive der Demonstranten
zurück. Die Menschen müssen das Recht haben, zu de-
monstrieren. Sie haben ein Recht auf Gewaltfreiheit und
darauf, nicht eingesperrt zu werden. Ich will mir nicht
den Spaß erlauben, darüber zu debattieren, was in
Deutschland passieren würde, wenn hier Ministerien be-
setzt würden – ich träume manchmal davon, dass es pas-
siert – und wie man hier reagieren würde. Es muss mit
gleichem Maß gemessen werden.
Ich möchte hier in aller Deutlichkeit sagen: Ich be-
nutze nicht für alle Demonstranten den Begriff „Frei-
heitskämpfer“. Ein Teil der Demonstranten ist rechtsra-
dikales, nationalistisches Pack, mit dem ich mich nicht
verbünde, sondern gegen das ich dagegenhalte.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Pack“ sagt man nicht, Herr Gehrcke!)


Das muss auch einmal zur Kenntnis genommen werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Dass die jüdischen Gemeinden in Kiew einen empören-
den und ängstlichen Brief geschrieben haben, dass sie
sich am Holocaust-Gedenktag nicht mehr getraut haben,
Veranstaltungen durchzuführen, weil sie unter Druck
und Angst standen, das muss uns doch erschrecken.


(Beifall bei der LINKEN)


Uns müssen die Nazifeiern, die auch stattfinden, erschre-
cken. Wir müssen uns klar davon distanzieren und sa-
gen, der Begriff „Demonstrant“ alleine sagt noch nicht
aus, für was demonstriert wird. Wir wollen mit allen zu-
sammenarbeiten, die gewaltfrei eine andere, eine bessere
Ukraine wollen, die ein anderes Europa wollen. Ich will
aber nicht mit Rechtsradikalen zusammenarbeiten. Das
ist den Preis nicht wert. Das möchte ich hier ganz deut-
lich machen.


(Beifall bei der LINKEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801212800

Herr Kollege Gehrcke, es gibt den Wunsch zu einer

Zwischenfrage von der Kollegin Beck.


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801212900

Gerne.

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Herr Kollege Gehrcke, sind Sie bereit, zur Kenntnis
zu nehmen, dass es in westlichen Medien massive Pro-
pagandaaktivitäten des FSB gibt, durch die zum einen
das Argument, der Maidan sei schon rechtsradikal unter-
wandert, immer stärker verbreitet wird, und durch die
andererseits die Einsatzkräfte von Berkut mit der Infor-
mation, dass der Maidan jüdisch unterwandert sei, der-
zeit heiß gemacht werden?


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1801213000

Hören Sie mir bitte noch einen Moment zu. Mein Ar-

gument war, dass ich nicht möchte, dass wir alle, die mit
einem Schild auftreten, Freiheitskämpfer nennen. Ich
nenne Rechtsradikale, Rechtsextreme, Nazis und Fa-
schisten nicht Freiheitskämpfer, sondern Gegner der
Freiheit. Das muss doch gesagt werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Man kann sich ein eigenes Bild machen von dem, was
dort passiert, wie dort agiert wird. Das ist doch Realität.
Wenn die jüdischen Gemeinden ihre Angst ausdrücken,
müssen wir doch ihre Angst aufnehmen. Wir müssen
zwischen den Demonstranten differenzieren. Wir müs-





Wolfgang Gehrcke


(A) (C)



(D)(B)

sen ganz klar sagen, mit wem wir zusammenarbeiten
wollen und mit wem nicht. Das ist mein Anliegen. Das
sollte der Bundestag berücksichtigen, wenn er klug ist.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist ein Missbrauch der jüdischen Sache, der hier passiert!)


Eine letzte Bemerkung. Wir müssen auch einen ande-
ren Umgang mit Russland finden. Ich möchte eine neue
Ostpolitik der Bundesregierung, in der nicht mit Russ-
land über die Ukraine verhandelt wird, sondern in der
die Kooperation gesucht wird und gemeinsame Interes-
sen vertreten werden. Wir werden nie gute, stabile euro-
päische Lösungen erreichen, wenn sie immer gegen
Russland gerichtet sind und wir die Ukrainer als Boll-
werk gegen Russland einsetzen. Nur mit Russland zu-
sammen wird eine Verbesserung der Situation möglich
werden. – Das ist mein Anliegen.

Herzlichen Dank für die Fragen, für die Kritik und da-
für, dass Sie mir zugehört haben.


(Beifall bei der LINKEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801213100

Als nächstem Redner erteile ich Karl-Georg

Wellmann, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Karl-Georg Wellmann (CDU):
Rede ID: ID1801213200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was

sich in der Ukraine im Moment zeigt, ist ermutigend und
beängstigend zugleich. Es ist beängstigend, weil es ein
großes Ausmaß an Gewalt und staatlicher Willkür, die
wir im 21. Jahrhundert nicht mehr sehen wollen, gibt,
und das Ermutigende daran ist das Ausmaß an Europa-
begeisterung und auch die Begeisterung für europäische
Werte, die gerade von der jungen Generation dort auf
dem Maidan und anderen Plätzen gezeigt wird.

Neben der Beschreibung der Situation müssen wir
uns doch die Frage stellen, was wir tun können. Was sind
unsere Maßstäbe und die Leitplanken unseres jetzigen
Vorgehens?

Erstens. Die Ukraine ist kulturell und historisch ein
europäisches Land, und deshalb muss die Ukraine auch
eine europäische Perspektive haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Heranführung der Ukraine an europäische Struktu-
ren heißt aber nichts anderes als eine politische Neuord-
nung des europäischen Ostens. Hier sollten wir uns noch
einmal die Jubiläen dieses Jahres vor Augen halten.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hitler-Stalin-Pakt!)


Die Zeit von 1914 bis 1918 ist als Feld politischen
Lernens


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Rapallo!)

– bei Ihnen ist es vielleicht Rapallo, bei uns nicht, Frau
Beck – aktuell wieder interessant geworden. Das bedeu-
tet aber, dass die Neuordnung dieses Teiles Europas
nicht ohne die Beteiligung Russlands gelingen kann. Das
muss uns klar sein,


(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: August 1939, Herr Wellmann!)


und wir müssen sehr aufpassen, dass wir uns nicht wie
die sprichwörtlichen Schlafwandler bewegen.

Die EU ist nicht identisch mit Europa. Die Mitte Eu-
ropas hat sich seit der Wende nach Osten verschoben.
Das sollten wir uns auch immer wieder vor Augen hal-
ten, wenn wir über die Ukraine reden.

Das mag aus der Perspektive eines Portugiesen viel-
leicht anders aussehen, aber es bleibt ein schwerer politi-
scher Fehler, dass Barroso in Vilnius erklärt hat, die Rus-
sen hätten bei dieser Neuordnung Osteuropas nicht
mitzureden.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die Linkspartei klatscht, Herr Wellmann!)


Wenn wir die Probleme in der Ukraine im Konflikt
mit Russland lösen würden – wir gegen Russland oder
Russland gegen uns –, dann würde es politisch und fi-
nanziell sehr teuer; das kann man an den russischen
Überweisungen erkennen, die jetzt getätigt werden. Au-
ßerdem würden wir ein gespaltenes Land und Unfrieden
hinterlassen. Das kann man täglich auch empirisch auf
den Straßen der Ukraine feststellen.

Was tun? In der Ukraine demonstriert in der Tat vor
allem die Jugend auf den Straßen. Sie will eine europäi-
sche Perspektive und kämpft für europäische Werte.
Diese müssen wir den Menschen geben können, wenn
wir sie nicht schwer enttäuschen wollen. Es droht die
große Gefahr, dass wir diese junge Generation enttäu-
schen, und deshalb ist es in der Tat wichtig, ganz schnell
über eine Liberalisierung des Visaregimes nachzuden-
ken.


(Beifall im ganzen Hause)


Zweitens. Es fällt ins Auge, dass die Ablösung eines
Präsidenten alleine noch kein Konzept für die Zukunft
ist und dass stabile Mehrheiten im Parlament für etwas
ganz Neues in der Ukraine im Moment auch nicht richtig
erkennbar sind. Wir brauchen deshalb für die Ukraine
ein umfassendes Reformkonzept, und zwar in einer drei-
seitigen Absprache, die nicht ohne Beteiligung Russ-
lands stattfinden kann. Es muss um Investitionen gehen,
das heißt, auch um Jobs und Perspektiven für die Men-
schen in der Ukraine, um die Modernisierung der Indus-
trie, um Strukturreformen, um mehr Rechtssicherheit


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dabei soll Moskau helfen?)


und um weniger Korruption.





Karl-Georg Wellmann


(A) (C)



(D)(B)

Wir haben mit Russland viel zu besprechen, so viel,
dass es in der Tat, wie Außenminister Steinmeier vor ei-
nigen Tagen gesagt hat, einem europäischen Offenba-
rungseid gleichkommt, dass sich der EU-Russland-Gip-
fel in Brüssel vor drei Tagen schon nach wenigen
Stunden erschöpft hat. Hier kann ich Herrn Steinmeier
nur vollständig recht geben.


(Beifall bei der SPD)


– Danke.


(Mechthild Rawert [SPD]: Machen wir gerne!)


Das Wichtigste ist: Wir brauchen einen soliden und
vor allem gewaltfreien Prozess in der Ukraine. – Ich
kann es nicht anders sagen: Hier fallen mir die Transpa-
rente in der zu Ende gehenden DDR ein. Sie können sich
noch an den Aufdruck erinnern: „Keine Gewalt!“


(Zuruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


– Ich weiß, das versetzt Ihnen einen Stich ins Herz, Herr
Gehrcke, aber ich sage es trotzdem:


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ich erleide es!)


Keine Gewalt, weder vom Staat noch von den Demon-
stranten.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Unterstützung dieses politischen Reformprozes-
ses ist die wichtigste Aufgabe für uns alle und für die
Bundesregierung.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801213300

Als Nächster erteile ich der Kollegin Marieluise

Beck, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In
der vergangenen Woche ist in Lemberg ein junger Mann
unter der Anteilnahme von 10 000 Bürgerinnen und Bür-
gern zu Grabe getragen worden. Er ist im Wald von Si-
cherheitskräften des Präsidenten Janukowitsch zusam-
mengeschlagen worden und dann erfroren. Wer hier
unterstellen möchte, diese Bewegung in der Ukraine sei
mehrheitlich rechtsradikal und antisemitisch,


(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das hat doch niemand gemacht!)


der fällt diesen Menschen in den Rücken, die in der Tat
zum ersten Mal unter den Flaggen der Ukraine und der
EU gemeinsam für Freiheit kämpfen.


(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das hat niemand gemacht! – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist verlogen!)

Sie kämpfen auch für Europa, wie sie sagen, obwohl sie
eigentlich zu Europa gehören, Herr Kollege Wellmann.
Aber für diese Menschen ist Europa ein Synonym: ein
Synonym für die Befreiung von Willkür, ein Synonym
für die Befreiung von der Kleptokratie, die in der
Ukraine in atemberaubender Weise um sich greifen
konnte, ein Synonym für die Abschaffung von Wahlbe-
trug und ein Synonym dafür, dass die Staatsgewalt nicht
einfach blindwütig zuschlagen darf.

Es gibt die Hoffnung, dass Europa, wie gesagt wird,
der nächsten Generation eine Zukunft gibt. Ich weiß,
dass Menschen, die von der Entwicklung der Orangenen
Revolution enttäuscht gewesen sind und gesagt haben:
„Wir gehen nicht noch einmal auf die Straße“, auf die
Straße gegangen sind, als sie gesehen haben: Unsere
Kinder werden geschlagen. Da kamen die Massen auf
die Straße. Unter sie haben sich rechtsradikale Elemente
gemischt, aber sie sind nicht die Mehrheit.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das hat auch keiner behauptet!)


Sie könnten aber die Mehrheit werden, wenn wir in
Europa diese Menschen, die vielleicht mehr an Europa
und dessen Werte glauben als wir, bitter enttäuschen und
sie sich alleingelassen fühlen. Das stärkt die radikalen
Kräfte; denn die werden sagen: Seht ihr, ihr habt von
Europa nichts zu erwarten. Wir müssen mit unseren
Knüppeln die Sache selber in die Hand nehmen. – Das
wäre eine Art von Selffulfilling Prophecy.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dieser Bewegung – ich habe es eben wieder vorsich-
tig gehört, mehr im Kammerton; gestern Morgen im
Ausschuss war das deutlicher zu vernehmen – wird vor-
geworfen, sie habe kein gemeinsames Programm. Sie hat
gemeinsame Ziele: Sie wollen nach Europa. Sie wollen
Befreiung von der Kleptokratie, zum Beispiel die des
Präsidentensohns, dessen Vermögen sich innerhalb von
drei Jahren von 7 auf 510 Millionen Dollar erhöht hat
und der das Geld in den Westen schaffen konnte. Sie
wollen Rechtsstaat statt Korruption. Sie wollen Amnes-
tie. Und sie haben ein politisches Ziel: die Rückkehr zur
Verfassung von 2004, die Janukowitsch abgeschafft hat.
Erst die Einführung der Demokratie würde die Möglich-
keit bieten, freie Entscheidungen zu treffen und freie
Wahlen in der Ukraine durchzuführen. Diese Menschen
vertrauen auf uns. Das sollten wir ernst nehmen.

Wer sechs Jahre einen Vertrag verhandelt, hat eine
Verantwortung übernommen. Dies gilt nicht nur für Prä-
sident Janukowitsch, der seiner Bevölkerung jahrelang
erklärt hat: Ich handle einen Vertrag aus und werde ihn
unterzeichnen. – Vielmehr sind auch wir in der Verant-
wortung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wer jetzt sagt: „Das könnte für uns zu teuer werden“,
wird den europäischen Werten in ungeheuerlicher Weise
nicht gerecht. Wir müssen da, wo wir Hoffnungen ge-
weckt und Verantwortung übernommen haben, bereit
sein, dafür einzustehen. Dazu gehört auch, keine heimli-
chen Zugeständnisse an den Kreml zu machen und etwa





Marieluise Beck (Bremen)



(A) (C)



(D)(B)

zu sagen, dass die Ukraine eben doch russische Einfluss-
zone sei und dass man dieses Assoziierungsabkommen
vielleicht von vornherein nicht hätte verhandeln dürfen.

Dazu gehört auch: keine heimliche Akzeptanz eines
sehr kalt kalkulierten geostrategischen Machtdenkens
von Putin, der dabei ist, die Reste des Imperiums wieder
einzusammeln. Dazu gehört auch, ihm nicht zuzugeste-
hen: Das, was Snyder die „Bloodlands“ nennt, der Puffer
zwischen Polen und Russland, wird wieder als russi-
sches Glacis anerkannt; wir pfeifen auf die Souveränität
dieser Länder. – Diese Zungenschläge müssen wir uns
verbitten.

Was können wir Parlamentarier und Parlamentarierin-
nen tun? Es gibt 28 EU-Länder. Wenn sich aus jedem
Parlament nur zwei Parlamentarierinnen und Parlamen-
tarier in den nächsten Wochen aufmachen und ständig in
Kiew, Charkow, Lemberg vor Ort sind – das ist das, was
wir tun können –, dann wären immer mehr als 50 Parla-
mentarier in der Ukraine.

Ich meine, wir sollten uns dazu durchringen, das mit
unseren Kolleginnen und Kollegen aus den Parlamenten
in der EU zu tun. Wir sollten wenigstens das tun: in die
Ukraine gehen, vor Ort sein, den Menschen zeigen, dass
wir zu unseren Versprechen und zu unseren Werten ste-
hen und dass wir sie schützen wollen, soweit wir nur ir-
gend können.

Schönen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Zuruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801213400

Als letzter Rednerin in unserer Debatte gebe ich zu

ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag der Kollegin
Andrea Lindholz, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Andrea Lindholz (CSU):
Rede ID: ID1801213500

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

und Herren! Das ist heute meine erste Rede im Deut-
schen Bundestag. Ich möchte mich an dieser Stelle für
das Vertrauen der Menschen aus meiner Heimatregion
bedanken.

Ohne gegenseitiges Vertrauen kann eine Gesellschaft
nicht funktionieren. Das zeigt sich in der Ukraine ganz
deutlich. Die Jahre der Willkür und der Korruption resul-
tierten dort in einem massiven politischen Vertrauens-
verlust. Ende 2013 wurde allen klar, dass Janukowitsch
kein ernsthaftes Interesse an einem Assoziierungsab-
kommen mit der EU hat. Seither gibt es massive Proteste
der proeuropäischen Bevölkerung.

Trotzdem hat der Rat der EU-Außenminister am
20. Januar 2014 bekräftigt, dass die Tür für Verhandlun-
gen mit der Ukraine geöffnet bleiben soll. Die CSU be-
grüßt das ausdrücklich. Denn wir wollen dem Streben
der Menschen nach Demokratie, nach Recht und Freiheit
eine reale Perspektive geben.

Statt auf den Protest der Menschen ernsthaft ein-
zugehen, beschloss man in Kiew, die Meinungs- und
Versammlungsfreiheit einzuschränken. Am 16. Januar
verabschiedete das Parlament ohne jegliche Debatte ent-
sprechende Gesetze. Seither eskaliert die Krise.

Obwohl die Gesetze nun zurückgenommen wurden,
müssen wir feststellen, dass sowohl der Regierung von
Janukowitsch als auch der Oppositionsbewegung um
Vitali Klitschko die Kontrolle entglitten ist. Gewalt-
exzesse breiten sich über das ganze Land aus. Wir be-
kommen Berichte über die ersten Toten und zahllose
Verletzte. Als Christen, Europäer und Nachbarn der
Ukraine dürfen und wollen wir dieser Gewalt nicht ta-
tenlos zusehen. Vorrangiges Ziel muss die Vermeidung
weiteren Blutvergießens sein. Der Konflikt muss fried-
lich gelöst werden.

Dafür muss Europa aber erstens geschlossen auftre-
ten. Nur gemeinsam können wir genug Druck aufbauen,
um Janukowitsch vom Einsatz brutaler Gewalt gegen die
Demonstranten abzuhalten und zurück an den Verhand-
lungstisch zu drängen. Die EU hat mit dem tschechi-
schen Erweiterungskommissar Stefan Füle einen hoch-
rangigen Vertreter vor Ort, der vermitteln, beobachten
und berichten kann. Das ist zu begrüßen, reicht aber
nicht aus.

Zweitens müssen wir auch die Opposition zur Fried-
fertigkeit drängen. Klitschko und seinen Mitstreitern
entgleitet die Kontrolle über die Oppositionsbewegung.
An jedem Tag, an dem sie keine Ergebnisse liefern,
schwindet ihr Rückhalt bei den Demonstranten. Das öff-
net Räume für Extremisten und gewaltbereite Hooligans.
Wir müssen daher gezielt die friedlichen und demokrati-
schen Kräfte innerhalb der Oppositionsbewegung stär-
ken. Die Konrad-Adenauer-Stiftung leistet hier wert-
volle Arbeit. Die CSU hat heute Vitali Klitschko als
ihren Hauptredner auf der Münchner Sicherheitskonfe-
renz zu Gast.

Drittens dürfen wir uns nicht nur auf Janukowitsch
konzentrieren. Auch den Funktionsträgern im Umfeld
des Präsidenten muss klar sein, dass weiteres Blutvergie-
ßen ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen wird. Eu-
ropa verfügt mit gezielten Visasperren und finanziellen
Sanktionen über ein erhebliches Druckpotenzial gegen-
über den wichtigen Entscheidungsträgern in der
Ukraine.

Viertens müssen wir dauerhaft aufmerksam bleiben.
Indem wir die Geschehnisse in der Ukraine verfolgen,
erhöhen wir den Druck auf die Regierung und errichten
Hürden gegen den Einsatz von Gewalt. Leider ist die in-
ternationale öffentliche Aufmerksamkeit bei solchen
Krisen meistens nicht von Dauer. Wir dürfen nicht zulas-
sen, dass Janukowitsch jetzt auf Zeit spielt und zum
Schein Zugeständnisse macht, nur um zum alten Kurs
zurückzukehren, sobald die Weltöffentlichkeit wieder
wegsieht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)






Andrea Lindholz


(A) (C)



(B)

Fünftens sollte sich die EU zusammen mit den USA
auf eine Position gegenüber Russland einigen. Gemein-
sam müssen wir deutlich machen, dass auch der Kreml
gefordert ist, an der Deeskalation der Krise mitzuwirken.
Gerade mit Blick auf die Olympischen Winterspiele in
Sotschi wird man in Moskau internationale Verstimmun-
gen vielleicht vermeiden wollen. Dieser Umstand sollte
genutzt werden.

Die Bundeskanzlerin hat am Mittwoch ihre Bewunde-
rung für die mutigen Demonstranten in der Ukraine ge-
äußert. In der CSU wird diese Bewunderung aufrichtig
geteilt. Der ukrainische Botschafter in Deutschland,
Pavlo Klimkin, hat heute das Engagement der EU und
der Bundesregierung zur Beilegung der Krise in seinem
Land gelobt.

Unzählige Menschen harren seit Wochen und Mona-
ten bei eisigen Temperaturen von teilweise minus
30 Grad auf den Straßen und Plätzen in Kiew aus. Sie
riskieren ihre Gesundheit, ihre Freiheit und sogar ihr Le-
ben, um näher an Europa und seine demokratischen,
rechtsstaatlichen und freiheitlichen Grundwerte heranzu-
rücken. Auch wenn unser Einfluss insgesamt sicherlich
begrenzt bleibt, müssen wir alles versuchen, um weiteres
Blutvergießen zu verhindern und eine friedliche Lösung
des Konflikts zu ermöglichen.

Vielen Dank, dass Sie mir bei meiner ersten Rede zu-
gehört haben.


(Beifall im ganzen Hause)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1801213600

Das Präsidium gratuliert Frau Kollegin Lindholz zu

ihrer ersten Rede.

Wir sind am Ende der Aussprache und damit auch am
Schluss der heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destags auf Mittwoch, den 12. Februar 2014, um 13 Uhr,
ein.

Die Sitzung ist geschlossen.