Rede von
Herbert
Behrens
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Jetzt haben wir auf einmal ein neues Ministerium, näm-
lich das für Mobilität und Modernität. Bis gestern war es
noch das Ministerium für Verkehr und digitale Infra-
struktur.
Es ist aber nicht die Frage des Labels, unter dem wir
arbeiten – um diesen Begriff einmal zu verwenden –,
sondern es kommt darauf an, wie viel Substanz in den
Vorschlägen steckt, die Sie als Minister uns vorlegen
wollen. Kritische Anmerkungen haben Sie eben schon
gehört.
Ich will meinen Beitrag kurz mit einem positiven Bei-
spiel beginnen, damit klar wird, wie wir uns digitale
Infrastruktur vorstellen. In der Integrierten Gesamt-
schule in meinem Heimatort Osterholz-Scharmbeck tau-
schen sich Schülerinnen und Schüler in Videokonferen-
zen in englischer Sprache mit ihren Mitschülern aus
Finnland aus. Sie arbeiten an gemeinsamen Projekten
und lösen zusammen ihre Schulaufgaben. Das alles ist
nur durch das Internet möglich.
Damit das kein Einzelbeispiel bleibt, brauchen wir
flächendeckend eine digitale Infrastruktur auf dem neu-
esten Stand der Technik. Die Linke will deshalb schnel-
les Internet für alle, ob Jung oder Alt, ob in der Stadt
oder auf dem Land.
Die neue Bundesregierung befasst sich mit diesem
Thema jetzt in gleich fünf Ministerien; aber egal, bleiben
wir erst einmal beim Ministerium – ich nenne es einfach
noch einmal so – für Verkehr und digitale Infrastruktur.
In der Koalitionsvereinbarung heißt es:
Für ein modernes Industrieland ist der flächende-
ckende Breitbandausbau eine Schlüsselaufgabe.
So weit, so gut.
Aber ein Bekenntnis reicht nicht aus – in einigen Dis-
kussionsbeiträgen ist das schon angemerkt worden –, die
Bundesregierung muss auch Geld in die Hand nehmen.
Es soll ein Sonderfinanzierungsprogramm „Premiumför-
derung Netzausbau“ geben und außerdem ein Breitband-
bürgerfonds eingerichtet werden. Beides ist hilfreich,
aber es wird nicht reichen, um die notwendigen Investi-
tionen zu finanzieren.
Der TÜV Rheinland hat nachgerechnet und kommt
auf Kosten von 20 Milliarden Euro für einen flächende-
ckenden Breitbandausbau. Für Glasfaserversorgung wird
mit 80 Milliarden Euro gerechnet. Zusätzlich muss in die
Datensicherheit investiert werden, um Industriespio-
nage und das Ausforschen der Privatsphäre zu verhin-
dern. Der Minister muss sagen, wie er das umsetzen will,
und er muss erklären, wie er die Übertragungsrate von
50 Megabit pro Sekunde erreichen will. Appelle an In-
vestoren, doch bitte schön Milliarden in den Breit-
bandausbau zu investieren, reichen nicht.
Datenverbindungen sind schneller geworden – keine
Frage –, doch die Datenmengen steigen schneller als die
Bandbreiten. Noch vor zwei Jahren galten 2 Megabit als
ordentliche Grundversorgung. Das war gestern. Heute ist
in den Niederlanden ein Netzbetreiber dabei, ein flä-
chendeckendes Glasfasernetz bis zum Hausanschluss
aufzubauen. In Zürich sind Leistungen von 300 Megabit
lieferbar. Wer sich mit Korea vergleicht, Herr Dobrindt,
der muss wissen, dass dort an einem Netz gearbeitet
wird, über das innerhalb einer Sekunde 800 Megabyte
Daten geschickt werden können.
800 Megabyte! Das muss man sich auf jeden Fall auf der
Zunge zergehen lassen.
Sie sprechen von einer Aufholjagd, um Deutschland
an die Weltspitze des digitalen Fortschritts zu führen.
Eine solche Aufholjagd sieht anders aus. Sie bleiben
weit dahinter zurück. Nur Glasfasertechnik bringt die
nötigen Geschwindigkeiten. Deshalb fordert die Linke
eine klare Weichenstellung für den Glasfaserausbau.
Herr Dobrindt, genauso wenig, wie Sie zur Finanzie-
rung Stellung nehmen, sagen Sie konkret etwas dazu,
wie den Menschen in Stadt und Land, in Ost und West
gleicher Zugang zum schnellen oder, in Ihren Maßstä-
ben, zu etwas schnellerem Internet – das ist das, was Sie
vorhaben – garantiert werden soll. Tausende Mittel-
ständler und Selbstständige warten im ländlichen Raum
darauf, über schnelles Internet zu verfügen. Ihre ge-
schäftliche Existenz hängt davon ab. Ihnen helfen keine
Ankündigungen. Sie brauchen Entscheidungen.
Ein zweites Thema zum Schluss: die unsinnige Pkw-
Maut, auch „Ausländer-Maut“ genannt. Da blickt doch
inzwischen keiner mehr durch. Jahresgebühr oder doch
Wochen- oder Monatsvignette? Ökorabatt oder Steuer-
senkung? 2014 oder doch erst 2016? Wenn es nicht so
ernst wäre, dann wäre es eigentlich eine Lachnummer.
Herr Dobrindt, die Pkw-Maut ist für Sie in Ihrem Amt
ein klassischer Fehlstart. Packen Sie die Pläne zusam-
men und in die unterste Schublade, wo sie hingehören!
Wenn Sie nicht mehr auf den ADAC hören können, dann
hören Sie auf Ihren Koalitionspartner SPD.
Vielen Dank.