Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 90. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Vor Eintritt in die Tagesordnung bitte ich den Herrn Schriftführer, die Namen der Abwesenden zu verlesen. Darf ich im voraus sagen, daß die Damen und Herren des Vermittlungsausschusses entschuldigt sind.
Es fehlen wegen Erkrankung die Abgeordneten Morgenthaler, Dr. Dresbach, Winkelheide, Dr. Edert, Dr. Pferdmenges, Frau Rösch, Dr. Gülich, Birkelbach, Frau Albertz, Jahn, Lohmüller, Graf, Dr. Bergstraeßer, Dr. Brill, Behrisch, Ruhnke, Gockeln, Krause, Loritz, Nuding, Agatz, Dirscherl. Es fehlen entschuldigt die Abgeordneten Neuburger, Frau Dr. Weber , Dr. Kopf, Frau Heiler, Dr. Götz, Dr. Dr. Müller (Bonn), Frau Brauksiepe, Wacker, Heiland, Frau Schroeder (Berlin), Dr. Suhr, Neumann, Görlinger, Troppenz, Dr. Baade, Wagner, Kuhlemann, Parzinger, Dr. Besold, Freiherr von Aretin, Rademacher, von Thadden, Goetzendorff, Niebergall, Freitag, Dr. Middelhauve. Außerdem fehlen die Abgeordneten Renner, Reimann, Rische, Vesper, Müller (Offenbach), Fisch.
Meine Damen und Herren! Ich schlage Ihnen vor, daß wir die Tagesordnung um die Beratung eines dringenden Immunitätsfalles ergänzen. Es ist der
Antrag auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Kalbfell
gestellt. Es liegt im Interesse des Abgeordneten, daß über diesen Immunitätsantrag so rasch wie möglich entschieden wird. — Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich erteile zur Berichterstattung dem Abgeordneten Mende das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Grund eines Schreibens des Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages vom 22. September 1950 hat sich der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität in seiner Sitzung vom 5. Oktober 1950 mit einem Antrag des Innenministeriums des Landes Württemberg-Hohenzollern vom 13. September 1950
befaßt. Dieser Antrag hat die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Kalbfell zum Ziele. Ich habe die Ehre, dem Hohen Hause über die Stellungnahme des Ausschusses zu berichten.
Der Abgeordnete Kalbfell hat in seiner Eigenschaft als Oberbürgermeister von Reutlingen am 31. August 1950 an das Innenministerium des Landes Württemberg-Hohenzollern als für ihn zuständige Dienstaufsichtsbehörde den Antrag gestellt, die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen ihn zu beantragen. Der Antragsteller berief sich hierbei auf die in der Essener Wochenzeitung „Der Fortschritt" Nr. 33 vom 18. August 1950 gemachten Vorwürfe, daß er im Jahre 1945 bei Geiselerschießungen mitgewirkt hätte. Es sei bereits früher im gleichen Zusammenhang gegen einen Herrn Jacob Steiger seitens ,des Innenministeriums Strafantrag gestellt worden. Das damals seitens der Staatsanwaltschaft eingeleitete Verfahren sei jedoch durch das französische Militärgericht auf Grund des ihm zustehenden Evokationsrechtes an sich gezogen und später mit dem Hinweis auf das Amnestiegesetz eingestellt worden.
Der Ausschuß hat sich zunächst mit der Frage befaßt, ob auch für die Einleitung von Disziplinarverfahren die Aufhebung der Immunität gemäß Art. 46 des Grundgesetzes erforderlich sei. Er ist bereits in früheren Sitzungen zu dem Ergebnis gekommen, daß auch für Dienststrafverfahren eine Aufhebung der Immunität erforderlich ist. Dies war bereits in der Reichstagspraxis der Weimarer Republik unbestritten.
Dem vorliegenden Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde. Am 20. 4. 45 stand eine französische Panzerspitze unmittelbar vor Reutlingen. 1 Unter Einsatz seines Lebens gelang es dem in der Stadt als aufrechter Demokrat und Antifaschist bekannten Herrn Oskar Kalbfell, Straßenkämpfe und Zerstörungen zu vermeiden, indem er die Sperren öffnen ließ und sich den einmarschierenden Truppen für die Aufrechterhaltung der Ordnung mit seinem Leben verbürgte. Kalbfell wurde durch die französischen Truppen als kommissarischer Oberbürgermeister eingesetzt.
Am 22. 4. 45, also zwei Tage später, zog hinter der Kampftruppe ein sogenanntes bataillon de choc in die Stadt ein, und am 24. 4. 45 mittags gegen 12 Uhr wurden vier Reutlinger Bürger: der Oberfeldarzt der Reserve Dr. Wilhelm Ekloff, der Architekt Wilhelm Schmidt, der Redakteur Ludwig Ostertag und der Schreinermeister Jakob Schmidt, als Geiseln festgenommen und zwischen 15 und 16 Uhr erschossen.
Die Veröffentlichung des „Fortschritt" läßt die Tendenz erkennen, Oberbürgermeister Kalbfell für die Namhaftmachung der Geiseln verantwortlich zu machen. Unter anderm wird das Faksimile eines Briefes des Schreinermeisters Jakob Schmidt an seine Frau und Kinder veröffentlicht, in dem zum Ausdruck kommt: „Ich bin mir nicht bewußt, für was ich als Opfer dienen soll. K. hat es so bestimmt und mich ausgesucht". Der „Fortschritt" veröffentlicht ebenfalls die vier Bilder der Erschossenen und erwähnt, daß ein katholischer Geistlicher als einziger Zeuge bei der Erschießung zugegen war.
Diese Veröffentlichung hat in der Umgebung Reutlingens großes Aufsehen erregt, zumal über 10 000 Exemplare dieser Zeitung in der Gegend verkauft, zum Teil auch kostenlos verteilt wurden. Das Motiv
für die Geiselerschießungen ist nach der Stellungnahme der französischen Militärbehörden darin
zu suchen, daß ein französischer Soldat durch ein
Attentat umgekommen sei. Inzwischen sind jedoch
große Zweifel an dieser Feststellung aufgetaucht.
Aus den Diskussionen in der Öffentlichkeit scheint
sich vielmehr zu ergeben, daß der französische
Soldat das Opfer eines Motorradunfalls wurde.
Im Rahmen der nunmehr in der Öffentlichkeit beginnenden Diskussionen, in die auch verschiedene Reutlinger Zeitungen, so die „Reutlinger Nachrichten" und der „Reutlinger Generalanzeiger", eingriffen, wurde das Für und Wider hinsichtlich der Haltung Kalbfells erörtert. Unter anderm wurde zum Ausdruck gebracht, daß die Bevölkerung dem Oberbürgermeister dadurch eindeutig ihr Vertrauen ausgesprochen habe, daß sie ihn 1948, also drei Jahre später, mit über 80% der Stimmen erneut zum Oberbürgermeister und im August 1949 in direkter Wahl zum Bundestagsabgeordneten gewählt habe. Die Gegner des Abgeordneten Kalbfell erheben hingegen den Vorwurf, daß Kalbfell durch die Nominierung oder durch die Aushändigung einer Geiselliste eine Beihilfehandlung geleistet und sich damit eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit im Sinne des Kontrollratgesetzes Nr. 10 schuldig gemacht habe. Abgeordneter Kalbfell war bemüht, wiederholt festzustellen, daß er mit den Vorkommnissen des 24. 4. 45 auch nicht die geringste Verbindung habe, sondern von der Festnahme der Geiseln und ihrer Erschießung vielmehr erst erfahren habe, als das Unglück bereits geschehen war. In einigen Veröffentlichungen wird erwähnt, daß ein berüchtigter Agent, Terboven-Graeber, einzelnen Zeitungen Skandalmaterial durch einen Mittelsmann anbieten ließ. Terboven-Graeber soll in Haft sein und demnächst wegen Erpressung vor Gericht stehen. Auch ein Ausschußmitglied erklärte, daß man bereits vor Jahren versucht habe, ihm Material gegen den politischen Gegner Kalbfell für seine Zeitschrift zur Verfügung zu stellen, was er entschieden abgelehnt habe. Es scheint sich demnach bei der Veröffentlichung des „Fortschritt" um eine bewußt gesteuerte, tendenziöse Kampagne gegen den Abgeordneten Kalbfell zu handeln. Die Aufmachung des Artikels und die Art der Berichterstattung lassen diese Auffassung gerechtfertigt erscheinen.
Den Bemühungen des Abgeordneten Kalbfell um Aufklärung des Sachverhalts stand das Evokationsrecht der französischen Behörden entgegen. Es ist zweifelsohne festzustellen, daß die Geiselerschießungen von Reutlingen für die französischen Behörden einen schwer belastenden Vorwurf darstellen, zumal jene Geiselerschießungen ohne Verfahren erfolgt sind, den Erschossenen keine Möglichkeit der Rechtfertigung gegeben wurde,
ein Erschossener, der Oberfeldarzt Dr. Wilhelm Ekloff, als Sanitätsdienstgrad noch unter den besonderen Schutzbestimmungen des Internationalen Roten Kreuzes stand und auch die Rot-KreuzBinde sichtbar an seiner Uniform trug
und ein anderer Erschossener, der Architekt Wilhelm Schmidt noch nicht von seinen schweren Ver-
wundungen genesen war. Vielleicht ist dieser die französischen Stellen schwer belastende Umstand mit dafür verantwortlich, daß die Aufklärung des Sachverhalts bisher seitens der französischen Stellen nicht mit der Gründlichkeit gehandhabt wurde, die die Ehre der Erschossenen und des Abgeordneten Kalbfell gefordert hätte.
Entscheidend ist jedoch die Veröffentlichung des französischen Protokolls vom 7. 11. 1949, in dem Kapitän Rouché, der seinerzeit an dem bewußten Tage eine Kommandogewalt in Reutlingen hatte, folgendes zu Protokoll gegeben hat. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten Ihnen Auszüge aus diesem Protokoll vorlesen:
Verhandlungsniederschrift vom 7. 11. 1949: Vor mir, CANTAREL, Rene, Commissaire Principal, Officier de Police judiciaire, auxiliaire de M. le Procureur de la République, erschien heute auf Ladung in der gegen. STAIGER, Jacob, wegen Beleidigung geführten Strafsache, in Erledigung des Ersuchens vom 25. 10. 1949 des Herrn Untersuchungsrichters von Reutlingen, das mir durch den Herrn Untersuchungsrichter in Bordeaux, Cabinet 3, zugegangen ist,
Herr ROUCHÉ, Max, geb. 3. April 1902 in Merville , professeur d'allemand à la Faculté des Lettres, wohnhaft 94 Avenue du Parc de Lescure, Bordeaux.
Dieser hat nach seiner Erklärung, daß er mit dem Beschuldigten weder verwandt noch verschwägert noch sonst für ihn interessiert sei, und nachdem er den Eid dahin geleistet hatte, die volle Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen, folgendes ausgesagt:
Es ist richtig, daß ich am 24. 4. 1945 die Funktion des Chefs du deuxième Bureau des Armeekommandanten in Reutlingen ausübte.
Frage: Hat Herr KALBFELL, Bürgermeister von Reutlingen, die vier Personen, die wegen eines auf eine französische Militärperson ausgeübten Attentats erschossen werden sollten, bezeichnet?
Antwort: Nein.
Frage: Hat Herr Oberbürgermeister Kalbfell den französischen Dienststellen eine Geiselliste übergeben?
Antwort: Ich habe eine Liste von notorischen
Nazis in Händen gehabt, unter
welchen die vier Geiseln ausgewählt
wurden. Ich kann mich nicht erinnern, wie diese Liste aufgestellt
wurde, aber ich fühle mich veranlaßt zu glauben, daß diese Liste
nicht von Herrn Kalbfell stammte.
Frage: Hat der Oberbürgermeister Kalbfell
in irgendeiner Weise an der Aufstellung einer Geiselliste mitgewirkt?
Antwort: Unter den Vorbehalten, wie ich sie
soeben formulierte, bin ich davon
überzeugt, daß der Oberbürgermeister Kalbfell nicht an der Aufstellung der Geiselliste beteiligt war.
Ich bin unbedingt sicher, was die
Antwort auf die erste Frage anlangt. Was die Antwort auf die zwei
anderen Fragen betrifft, kann ich
nicht ebenso bestimmt aussagen, da meine Erinnerung hieran ungenau ist.
Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben
Le COMMISSAIRE PRINCIPAL aux Délégations Judiciaires:
gez. Rouché; gez. Cantarel.
Abgeordneter Kalbfell hat zu diesem Protokoll noch an Eidesstatt erklärt, um jeden Zweifel auszuschließen, daß er mit keiner Liste, die Namen von Nationalsozialisten enthielt, etwas zu tun hätte und somit auch keine Liste für Geiseln aufgestellt haben könne.
Es ist nicht Sache des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität, in eine materielle Würdigung des Sachverhalts einzutreten. Entscheidend ist vielmehr nach den bisher aufgestellten Grundsätzen die Frage, ob der Abgeordnete seiner ungestörten Parlamentsarbeit erhalten bleiben soll oder der gegen ihn gerichtete Vorwurf so schwerwiegend ist, daß im Hinblick auf eine ungestörte Ausübung der Rechtspflege eine Aufhebung der Immunität erfolgen soll. In den früher hier aufgestellten Grundsätzen hat sich das Haus zu der Auffassung bekannt, daß alle Verfahren dann nicht zu einer Aufhebung der Immunität führen sollten, bei denen offenkundig das Verfahren politisch infiziert und eine tendenziöse Verfolgung des Abgeordneten erkennbar ist. Es ist nach der Art der Presseberichterstattung unstreitig, daß die Absicht einer politisch-tendenziösen Verfolgung des Abgeordneten Kalbfell vorliegt. Mithin hätte nach den bisherigen Grundsätzen der Aufhebung der Immunität nicht stattgegeben werden dürfen. Der schwere kriminelle Vorwurf jedoch, der dem Abgeordneten Kalbfell zur Last gelegt wird, insbesondere aber die Tatsache, daß auf andere Weise die durch die Presseangriffe verletzte Ehre des Abgeordneten Kalbfell nicht wiederhergestellt und die Aufhellung des seinerzeitigen Tatbestandes nicht ermöglicht werden können, stellen so gravierende Momente dar, daß sie zu einer Abweichung von der bisherigen Regel Anlaß geben. Der Ausschuß hat daher einstimmig beschlossen, dem Hohen Hause die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Kalbfell zu empfehlen.
Abschließend möchte ich noch davon Kenntnis geben, daß der Abgeordnete Kalbfell von sich aus durch ein Schreiben vom 20. 9. 1950 den Bundestag urn die Aufhebung seiner Immunität ersucht hat. Es ist unstreitig, daß zu dem Kreis der Antragsberechtigten auch der Abgeordnete gehört, er selbst also die Aufhebung seiner Immunität beantragen kann. Nach der Praxis des früheren Reichstags, der sich auch der Bundestag angeschlossen hat, sind solche Anträge für die Entscheidung völlig unerheblich. Im Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität ist zum Ausdruck gekommen, daß die turbulenten Verhältnisse beim Einmarsch in Reutlingen und die Panikstimmung unter der Bevölkerung es kaum wahrscheinlich erscheinen lassen, daß das französische „bataillon de choc", dessen Schock- und Schreckwirkungen heute noch in Reutlingen in grausiger Erinnerung sind,
sich an die deutschen .Dienststellen und den Oberbürgermeister gewandt hat. Dagegen spricht der
ganze Ablauf des Verfahrens. Es wurde im Aus-
schuß ferner zum Ausdruck gebracht, daß die französischen Behörden von sich aus alles daransetzen sollten, um den Fall restlos aufzuklären, und daher von dem Evokationsrecht keinen Gebrauch machen sollten, damit der aus den Kriegsereignissen tief bedauerliche „Fall Reutlingen" nicht nur im Interesse der Gerechtigkeit, sondern auch der Ehre des Abgeordneten Kalbfell seiner Klärung entgegengeführt und Pressekampagnen hier vorliegender Art in Zukunft unmöglich gemacht werden.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache und lasse abstimmen. Ich bitte diejenigen, die für den Ausschußantrag sind, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Damit ist die Immunität des Abgeordneten Kalbfell gegen einige Stimmenthaltungen aufgehoben.
Meine Damen und Herren! Ich habe noch einige amtliche Mitteilungen zu machen.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 4. Oktober 1950 die Anfrage Nr. 111 der Abgeordneten Dr. Bertram, Frau Wessel und Fraktion des Zentrums betreffend Zuständigkeit für das Geld- und Kreditwesen — Drucksache Nr. 1296 — beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 1419 verteilt werden.
Der Ältestenrat hat in seiner gestrigen Sitzung beschlossen, die Beratungen a) des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1950 — Punkt 6 der Tagesordnung —, b) des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung — Punkt 7 der Tagesordnung — vorzuziehen, so daß sie als Punkte 2 und 3 behandelt werden können. Die übrigen Tagesordnungspunkte verschieben sich entsprechend. Das gilt für die heute vorgesehene Tagesordnung, nicht für die Erledigung der gestrigen.
Wir haben zuerst den Rest der gestrigen Tagesordnung zu erledigen. Ich rufe auf:
Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Besteuerung besonderen Aufwandes .
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dr. Höpker-Aschoff.
Meine Damen und Herren! Der frühere Professor der Nationalökonomie an der Münchener Hochschule Walter Lotz, dem wir ein ausgezeichnetes Lehrbuch über die Finanzwissenschaft verdanken, meinte, die Aufwandsteuer gehöre zur Experimentierfreude der Politiker, die sich in Zeiten kritischer Finanzlage immer wieder auf diesem Gebiet betätigen, ja so stark betätigen, daß die Aufwandsteuer geradezu zu einem Tummelplatz für Steuerdilettantismus geworden ist.
Es liegt mir vollkommen fern, etwa dem verehrten Herrn Bundesfinanzminister und seinen Mitarbeitern Steuerdilettantismus vorzuwerfen, aber ich glaube, daß bei der Abfassung des uns vorliegenden Gesetzentwurfs die Besprechungen eine Rolle gespielt haben, die seinerzeit bei der Genehmigung der Einkommensteuer auf dem
Petersberg gepflogen worden sind. Ich meine, daß wir als Gesetzgeber durch diese Besprechungen in keiner Weise gebunden sind. Ich möchte es gleich klar und deutlich aussprechen: Meine politischen Freunde können sich nicht entschließen, dem Gesetzentwurf über eine Aufwandsteuer, die sogenannte Luxussteuer, ihre Zustimmung zu geben.
Es fällt mir nicht schwer, Ihnen die Begründung für diese ablehnende Haltung zu geben. Ich verweise Sie auf eine Ihnen vorliegende Drucksache des Bundesfinanzministeriums, in welcher in überzeugender Weise alle Argumente noch einmal zusammengetragen werden, die gegen die Luxussteuer sprechen. Ich meine die Begründung zu dem vorliegenden Gesetz und richte Ihre Aufmerksamkeit auf folgende Sätze. Es heißt dort:
Die Luxussteuer ist eines der umstrittensten steuerlichen Gebiete. Eine nicht vorsichtig gestaltete Luxussteuer führt zu Produktionseinschränkungen und damit zu Arbeiterentlassungen. Das darin liegende soziale Problem ist um so ernster, je schwieriger es ist, die entlassenen Arbeitskräfte in einen anderen Arbeitsprozeß einzugliedern. Ferner besteht die Gefahr, daß Facharbeiter abwandern und für ihre Spezialarbeit dauernd verlorengehen. Produktionseinschränkungen mindern das Steueraufkommen durch den Ausfall von Lohnsteuern und durch die Minderung der Einkommen- und Ertragssteuern infolge des Rückganges der Gewinne.
Wenn Waren mit einem hohen Lohnanteil betroffen werden, so wird die Arbeit, insbesondere die Qualitätsarbeit, steuerlich besonders belastet; das kann leicht einen Druck auf die Löhne auslösen.
Jede Luxussteuer geht davon aus, daß die Steuer abgewälzt wird; sie enthält also ein preissteigerndes Element.
Von besonderer Bedeutung ist die Frage, inwieweit der Export durch die Luxussteuer behindert wird.
Eine Luxussteuer kann den Schwarzmarktgeschäften neuen Auftrieb geben.
Besser kann man die Gründe, die gegen eine Luxussteuer sprechen, nicht zusammenfassen. Ich möchte dieser Begründung nur noch einige Lichter aufsetzen.
Meine Damen und Herren! Wenden Sie die hier entwickelten Argumente gegen die Luxussteuer einmal auf Industrien an, wie die Schmuckwarenindustrie in Pforzheim und Idar-Oberstein oder auf die Lederindustrie in Offenbach oder auf die Teppichweberei in Wuppertal oder auf die Gablonzer Industrie, deren wackere Leute, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, vertrieben aus ihrer Heimat, nun in Hessen und in Bayern begonnen haben, ihre Industrien wieder aufzubauen: alle diese Industriezweige werden durch die Luxussteuer auf das schwerste betroffen. Sie befinden sich jetzt in einer aufsteigenden Entwicklung und haben das Schwerste überwunden. Soll nun diese erfreuliche Entwicklung durch die Einführung der Luxussteuer unterbrochen werden? Das ist nach unserem Dafürhalten eine Unmöglichkeit.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch auf einige Einzelheiten eingehen. Unter anderem wer-
den auch Spirituosen besteuert, wenn das Entgelt 20 DM für den Liter übersteigt. Überlegen Sie sich einmal: wenn ein Bergmann nach der Arbeit ein Glas Branntwein trinkt, 5 ccm für 40 Pfennig, und diesen Branntwein in einer Gastwirtschaft oder an der Theke eines Einzelhandelsgeschäftes kauft, dann übersteigen diese 5 ccm zu 40 Pfennig schon den Preis, der hier für die Erhebung der Luxussteuer angesetzt ist. Die Luxussteuer würde also dahin führen, daß dieses einfache Getränk, das ein Bergmann nach seiner Arbeit zu sich nimmt, dieser Luxussteuer unterworfen wird. Denken Sie einmal an die Besteuerung der Gebinde der Gärtnereien, wenn der Preis von 25 DM überschritten wird. Wer seinem Freund oder seiner Freundin ein Blumenarrangement von 25 oder 30 DM zugedacht hat, der wird in Zukunft zwei Blumengebinde kaufen und es so einrichten, daß die Verkäuferin das Arrangement so aufbaut, daß man nachher zwei Arrangements zu einem vereinigen kann.
Es sind auch Motorboote und Jachten erwähnt. Meine Damen und Herren, Motorboote und Jachten sind ja auch nicht nur Luxusgegenstände, sondern die Sportfreunde, Männer und Frauen des deutschen Volkes, unterhalten solche Dinge auch für sich. Also auch hier wieder eine Besteuerung, die nach unserem Dafürhalten völlig unmöglich ist.
Es kommen alle Erfahrungen hinzu, die man mit der Einführung der Luxussteuer in den zwanziger Jahren gemacht hat: hohe Verwaltungskosten, ein geringer Ertrag. Die Begründung des Finanzministeriums schweigt sich darüber aus, wie hoch der Ertrag dieser Luxussteuer überhaupt sein könnte. Es kommt weiter hinzu, daß auch der Wirtschaftsrat aus diesen Gründen seinerzeit die Erhebung einer Luxussteuer abgelehnt hat. Aus allen diesen Gründen — ich wiederhole es noch einmal — sind meine politischen Freunde nicht in der Lage, dieser Luxussteuer ihre Zustimmung zu geben.
Etwas anders liegen die Dinge bei der sogenannten Besteuerung besonderer Aufwendungen für die Bewirtung von Geschäftsfreunden. Wir haben seinerzeit bei der Beratung der Einkommensteuer im Finanz- und Steuerausschuß sehr eingehend die Frage erörtert, ob es gerechtfertigt ist, daß Spesen in manchmal unerträglicher Höhe steuerfrei vom Einkommen und vom Gewinn abgesetzt werden können. Wir haben damals den Herrn Finanzminister gebeten, doch Mittel und Wege zu finden, um diesem Unwesen, das in breiten Schichten der Bevölkerung große Erregung auslöst, weil die betreffenden Herren ja nicht nur ihre Geschäftsfreunde bewirten, sondern auch fröhlich selber schmausen und trinken, zu steuern. Wir sind also durchaus bereit, hier nach einem Weg zu suchen, wie diesem Mißstande abgeholfen werden kann. Aber wir sind nicht in der Lage, anzuerkennen, daß der Weg, der hier in diesem Gesetzentwurf vorgeschlagen wird, der richtige Weg ist. Hier sollen nicht nur die Aufwendungen für die Bewirtung von Geschäftsfreunden einmal durch scharfe Kontrollen eingeschränkt werden — Ziffer 1, Ziffer 2 des Abs. 1 in § 8 —, sondern sie sollen auch mittelbar dadurch eingeschränkt werden, daß der Unternehmer verpflichtet wird, eine Spesenabgabe von besonderer Höhe zu zahlen. Ja, ob diese formalen Bestimmungen nicht umgangen werden können? Es sollen Quittungen
vorgelegt werden. Nun, solche Quittungen werden heute leider Gottes in großem Umfange produziert, wo die entsprechenden Grundlagen für solche Quittungen fehlen. Mir ist neulich eine Geschichte erzählt worden, die, wenn ich nicht irre, auch dem Herrn Bundesfinanzminister — er ist leider selbst nicht da — bekannt ist. Ein Finanzminister kam in ein Lederwarengeschäft und kaufte für seine Frau eine Ledertasche ein.
Die Verkäuferin schlug ihm darauf vor, die Quittung nicht über eine Damenhandtasche auszustellen, sondern lieber über eine Aktentasche, weil der Kaufpreis dann ja als Spesen von den Geschäftsunkosten abgesetzt werden könne. Wenn sich solche Sitten und Gebräuche heute eingebürgert haben, dann wird ja auch wohl die Produktion der in Ziffer 2 des § 8 vorgesehenen Quittungen nicht auf allzugroße Schwierigkeiten stoßen, und man könnte sich die Frage vorlegen, ob nicht die vorgesehenen Bestimmungen dazu verleiten könnten, solche Quittungen zu produzieren, einen hohen Aufwand zu konstruieren und sich dann die Möglichkeit, diesen hohen Aufwand vom Einkommen und vom Gewinn abzusetzen, dadurch zu erkaufen, daß man eine zehnprozentige oder fünfzehnprozentige Spesenabgabe bezahlt.
Wir sind der Meinung, daß man hier einen anderen Weg finden muß, und zwar bei den Durchführungsbestimmungen zum Einkommensteuergesetz, daß man sich einmal ernsthaft die Frage überlegen muß, ob nicht die Abzugsfreiheit solcher Aufwendungen an eine bestimmte Grenze gebunden werden soll, die in einem Hundertsatz zu dem Umsatz oder anderen Merkmalen bestimmt werden könnte.
Man kann dabei noch an Progression und Degression denken, je nach dem Verhältnis der Aufwendungen zu dem Umsatz. Wir haben dafür ein Vorbild in der amerikanischen Gesetzgebung. Ich glaube, daß ein solcher Weg ein besserer Weg wäre als der in dem Entwurf der Regierung vorgeschlagene Weg. Wir wollen diese Dinge im Finanz- und Steuerausschuß eingehend prüfen und sind hier zu einer verantwortungsvollen Mitarbeit gern bereit. Aber die Luxussteuer, die im ersten Teil des Gesetzentwurfes vorgeschlagen wird, müssen wir aus den vorgetragenen Gründen rundweg ablehnen.
Das Wort hat der
Herr Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion lehnt die Aufwandsteuer, die sich ja nach ihrer Bezeichnung und nach ihrem Umfang von der „Luxussteuer" abheben soll, ab, weil dieser Begriff des „Aufwandes" noch viel weniger zu erfassen ist und weil schon die Liste des § 1 mit den Gegenständen, die der Steuer unterliegen sollen, zeigt, daß man eine solche Steuer nicht ohne jede Willkür auf irgendwelche besonderen Artikel beschränken kann. Darf ich darauf hinweisen, daß in dieser Liste z. B. Gegenstände aus Glas, Papier, Porzellan überhaupt fehlen, obwohl doch jedermann bekannt ist, daß man insbesondere bei Bucheinbänden, Gläsern aus Kristall und bei
Porzellanen besonderen Aufwand treiben kann. Wenn diese Dinge ausgenommen sind, dann ist dies, wie ich annehme, zum Schutze der Industrien geschehen. Aber was diesen Industrien recht ist, ist allen anderen billig. Genau so willkürlich ist es z. B., anzunehmen, daß zwar Hummern, Kaviar, Austern — Langusten schon mit einem kleinen Fragezeichen — steuerpflichtig sein sollen, nicht aber Gänseleber in ihrer lukrativen Bearbeitung, Trüffeln, Artischocken oder sonstige DinerHerrlichkeiten. Ganz besonders aber macht für uns und für mich als Wasserkantler die Idee, daß Motorboote und Jachten zwar steuerpflichtig sein sollen, aber beispielsweise Reitpferde nicht, diese Vorlage völlig unannehmbar. Die Abgrenzung ist bei sogenanntem Aufwand, wie auch die Vorlage in der Begründung selbst sagt, dermaßen schwierig, daß man damit entweder nichts oder letzten Endes alle diejenigen Gegenstände und Genüsse treffen muß, die dem Leben ein wenig persönlichen Reiz verleihen. Aufwand treibt man ja auch z. B. in der Ausstattung von Wohnungen, und all dieser Aufwand wird hier in keiner Weise auch nur gestreift. Natürlich nicht, weil, wenn man jeden Aufwand treffen würde, man die deutsche Wirtschaft schließlich zum Erliegen bringen müßte.
Mit Rücksicht hierauf können wir uns mit dieser Steuer unter keinen Umständen befreunden und meinen, daß wir zur Ehre des Herrn Bundesfinanzministers annehmen dürfen, daß ohne einen Wink vom Petersberg herab er selbst nicht auf die absurde Idee gekommen wäre, im Jahre 1950 eine Steuer wieder einzuführen, die vor genau 25 Jahren ihre völlige Unmöglichkeit schon einmal in deutschen Landen dargetan hat.
Etwas anderes ist es allerdings auch nach unserer Meinung mit der Spesensteuer. Ich möchte betonen, daß die überhöhte Einkommensteuer diesen Spesenaufwand zwar außerordentlich begünstigt hat, daß es aber ein Irrtum wäre, anzunehmen, daß die Großbetriebe einen gewissen Aufwand erst seit dieser überhöhten Steuer treiben. In diesen Dingen hat es immer eine sehr leichte Hand gegeben. Wir meinen, daß gerade diese Art Beköstigungsüppigkeiten und diese Art von Feiern gelegentlich eines geschäftlichen Treffens heute weniger angebracht sind als je. Wenn man der Steuer einen solchen Charakter gibt, wie ihn mein Vorredner Dr. Höpker-Aschoff vorgeschlagen hat, wird man sich, glaube ich, allseits mit ihr befreunden können. Die hier versuchte Methode, den Direktor oder Inhaber eines Gaststättenbetriebes als Steuerbescheiniger einzuschalten, scheint uns in hohem Maße mißlich.
Ich betone also, daß auch wir bei der Spesensteuer gern mitarbeiten werden, daß wir aber die Luxussteuer in dem schüchternen Gewande der Aufwandsteuer aus den angegebenen Gründen radikal ablehnen.
Das Wort hat der
Herr Abgeordnete Dr. Koch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie daran erinnern, daß meine Fraktion schon bei der Beratung des Einkommensteuergesetzes, jener unsozialen Einkommensteuerreform, über die wir uns in diesem Hause vor nunmehr einem halben Jahr unterhalten haben, an die Regierung die Forderung gerichtet haben, eine besondere Aufwandsteuer zu schaffen — obwohl wir uns klar waren, wie groß die Schwierigkeiten sind, ein solches Steuergesetz zu formulieren —, insbesondere aber eine Steuer gegen den Spesenunfug zu schaffen. Ich darf Sie daran erinnern, daß ich am 3. März 1950 zur Einkommensteuerreform und zu dieser verlangten Spesenabgabe das folgende gesagt habe: „Wie wäre es gewesen, wenn man in den Steuervorschlägen, die man uns gemacht hat und die ja lediglich auf eine ziemlich phantasielose Steuersenkung zugunsten eines ganz kleinen Kreiseis höchster Einkommensbezieher hinauslaufen; —wenn man uns statt dessen Vorschläge gemacht und in das Gesetz eingearbeitet hätte und nun kommt der Vorschlag — eine Erfassung überhöhter Betriebsausgaben und Werbungskosten, insbesondere im Kampf gegen die Spesen
Jetzt liegt uns das Gesetz über diese Spesenabgabe — es ist der zweite Teil des Entwurfes — vor. Wir sind grundsätzlich für diese Abgabe; wir glauben aber, wie es auch schon die Herren Vorredner zum Ausdruck brachten, daß wir diese Spesenabgabe ganz anders gestalten sollten. Ich glaube, wir kommen dem heute herrschenden Spesenunfug nur dann zu Leibe, wenn wir in dem Gesetz einen ganz engen Rahmen ziehen, innerhalb dessen derartige Spesen für Bewirtung noch als Werbungskosten und Betriebsausgaben im Einkommensteuerrecht und im Körperschaftsteuerrecht anerkannt werden.
Die Sätze von § 9 des Entwurfs sind zu starr. Sie nehmen keine Rücksicht auf die Höhe der Umsätze; sie nehmen keine Rücksicht auf die tatsächlichen Bedürfnisse der einzelnen Wirtschaftszweige. Wir müssen doch daran denken, daß exportintensive Wirtschaftszweige andere Spesen haben müssen als andere Wirtschaftszweige, die lediglich Inlandsabsatz haben. Die wirtschaftlich Starken werden von dieser Spesenabgabe am wenigsten getroffen. Wir müssen einen Unterschied meinetwegen zwischen Handwerksbetrieben und Großunternehmen machen. Diese Spesenabgabe hier ist eine lahme Handhabe in der Hand der Finanzverwaltung und in der vorliegenden Form lediglich eine Legalisierung des übermäßigen Verzehrs.
Nun zur Aufwandsteuer. Wir haben alle Veranlassung, immer wieder festzustellen, daß bestimmte Schichten in der deutschen Bevölkerung einen Aufwand treiben, der mit der Not und dem Elend von Millionen in gar keinem Verhältnis steht.
Wir haben darauf bei der Beratung der Einkommensteuerreform hingewiesen. Wir sollten daran denken, daß dieser Aufwand unserem Ansehen im Ausland abträglich ist. Wir werden immer wieder unser ceterum censeo hierzu sagen. Wir werden immer wieder sagen: Warum beschließt man zunächst eine unsoziale Einkommensteuerreform, mit der man Hunderte von Millionen für derartige Dinge zur Verfügung stellt, und kommt nunmehr mit einer derartigen Gesetzesvorlage, mit der man pfennigweise, bis zu 20 Millionen etwa, wieder einen ganz kleinen Bruchteil dieser Hunderte von Millionen hereinholen will?
Meine Damen und Herren, wir erkennen an, daß die Finanzverwaltung sich bei der Abfassung
dieses Gesetzes offenbar große Mühe gegeben und all die Fehler vermieden hat, die mit den alten Luxussteuern verbunden waren. Die entsetzliche Kasuistik, die endlosen Aufzählungen sind weggefallen, die zu Rechtsunsicherheit führen. Wir denken an die unsozialen Luxussteuern aus der Zeit zwischen 1919 und 1925. Die Finanzverwaltung hat uns auch in einer trefflichen Aufzählung die Gründe genannt, die gegen die Aufwandsteuern sprechen. Herr Dr. Höpker-Aschoff hat uns diese Gründe aus der Begründung der Regierungsvorlage vorgetragen. Ich brauche sie nicht zu wiederholen. Aber uns von der Opposition drängt sich die Frage auf, ob uns der Herr Finanzminister mit dieser Begründung die Waffen aus der Hand schlagen wollte, die wir gegen ihn und gegen seine Vorlage richten könnten, oder ob er seinen Freunden und uns die Gegengründe gegen seine Vorlage überhaupt erst in den Mund legen wollte.
Über all diese Gründe hat sich jedenfalls die Finanzverwaltung hinweggesetzt. Sie hat ganz zweifellos lediglich eine optische Steuer geschaffen und offenbar, wie schon gesagt wurde, aus der Bedrängnis heraus, daß man auf dem Petersberg ein Versprechen gegeben hat. Es ist nicht .so, wie der Herr Vorredner sagte, daß es ein „Wink" des Petersbergs war, eine solche Steuer zu schaffen, sondern wir haben aus der Presse entnommen, daß man, um das Veto zu beseitigen, diese Steuer als Kaufpreis angeboten hat. Und das ist das Bedauerliche.
In der vorliegenden Form wird die Steuer sich selbst auffressen. Es ist schon davon gesprochen worden, daß das bisher bei jeder Luxussteuer der Fall war. Wir können an dieser Steuervorlage in der vorliegenden Form nicht mitarbeiten, weil der fiskalische Erfolg der Steuer viel zu gering wäre. Der Bund der Steuerzahler hat den Ertrag dieser Steuer als „gänzlich uninteressant" bezeichnet. Ich darf daran erinnern, daß Herr Minister Hilpert im Bundesrat den gesamten Ertrag dieser Steuer auf 20 Millionen DM geschätzt hat. Davon wären dann noch die Verwaltungskosten abzusetzen.
Wir wissen, daß die Wirtschaft seit Jahr und Tag um die Vereinfachung des Steuersystems bittet. Die vorliegende Luxussteuer würde zu weiteren Komplikationen führen. Die vorliegende Steuer träfe —4 was das wichtigste ist und was auch schon alle Redner betont haben — in allererster Linie die exportintensiven Wirtschaftszweige. Sie wurden schon genannt: die Silberwarenindustrie in Hanau und Pforzheim, die Offenbacher Lederwarenindustrie und die Frankfurter Rauchwarenindustrie, die ich besonders erwähnen muß, weil sie 22 000 Menschen 'beschäftigt und überwiegend aus Flüchtlingsbetrieben aus der Ostzone besteht. Hinzu kommt die Hanauer und Ober-Idarsteiner Edelsteinindustrie. Es ist kein Zufall, daß im Bundesrat gegen diese Besteuerung der exportintensiven Industrien insbesondere die Länder Hessen, Württemberg-Baden und Rheinland-Pfalz gestimmt haben, die ja besonders exportintensive Industrien beherbergen.
Ich möchte, wie es meine Vorredner schon getan haben, noch einige Einzelheiten aus dem Gesetz erwähnen, die den ganzen Widersinn der Aufzählung des Gesetzes kennzeichnen und zeigen, wie willkürlich diese Aufzählung ist. Eine Silberschale ist Luxus, eine Porzellanschale oder eine Kristallschale ist kein Luxus. Nach der Vorlage ist ein Lederkoffer im Preise von 160 DM, den sich ein Reisender für seinen Betrieb kauft, Luxus, eine Damenhandtasche für 145 DM ist kein Luxus. Ein Pelzmantel für 800 DM ist Luxus, ein Modellmantel aus Tuch für 850 DM ist kein Luxus. Ein Kranz für eine Beerdigung zum Preise von 30 DM ist Luxus, eine Schachtel Pralinen in Luxusausführung für 40 oder 50 DM ist kein Luxus, ebensowenig wie zwei oder drei Blumensträuße für je 20 DM Luxus sind. Diese Möglichkeit der Umgehung hat schon Herr Dr. Höpker-Aschoff genannt. Es ist im Bundesrat behauptet worden, daß das, was für die Binnenländer die Schrebergärten seien, für die Küstenbewohner die Motorboote seien; für diese Behauptung möchte ich Herrn Senator Harmssen, der das im Bundesrat sagte, die Beweisführung überlassen.
Sie kennen die Pläne, die Schaumweinsteuer zu senken. Meines Erachtens ist es doch völlig unmöglich, im gleichen Atemzug die Spirituosen als Luxus zu bezeichnen. Wenn etwa 20 Kubikzentimeter im Ausschank 40 Pf. kosten, käme schon die Aufwandsteuer zum Zuge. Das trifft also meinetwegen den Münsterländer Korn, den Schwarzwälder Kirsch und andere bodenständige Gewächse.
Herr Kollege Leonhard, melden Sie sich doch bitte zum Wort.
Ich habe den Zwischenruf leider nicht verstanden.
Wir lehnen also aus den genannten Gründen die Luxussteuer in der vorliegenden Form ab. Man könnte mit einer umfassenden Aufwandsteuer wirtschaftslenkend tätig sein; aber das dürfen wir von dieser Regierung, die die Wirschaftslenkung durch wirtschaftliche Maßnahmen und durch Steuermaßnahmen grundsätzlich ablehnt, nicht erwarten. Wenn sich heute im Straßenbild Luxus und Luxusgeschäfte breitmachen und aufdrängen, so sind das eben die verhängnisvollen Auswirkungen dieser Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik sowie insbesondere auch der Einkommensteuerreform, über die wir uns hier vor einem halben Jahr unterhalten haben. Es ist sinnlos, zunächst Hunderte von Millionen an die Großeinkommensbezieher wegzugeben und dann auf diesem Wege zu versuchen, einige 10 Millionen wieder hereinzuholen.
Die Luxussteuer, die Aufwandsteuer und auch die Spesenabgabe ließen sich zu einer wohltätigen, wirtschaftslenkenden Steuer ausbauen. Wir glauben aber nicht, daß der Weg, der uns hier gezeigt wird, der richtige Weg ist. Wir wollen uns in jeder Weise an der Reform des Steuersystems beteiligen, wenn es gilt, die Auswüchse zu beseitigen, die wir tagtäglich im Wirtschaftsleben sehen. Wir halten es aber für sinnlos, nicht den Grundübeln zu begegnen und lediglich an einigen Symptomen
herumzulaborieren. Wir sollten uns die Erfahrungen zunutze machen, die im Ausland mit der Luxussteuer gemacht worden sind. Unter allen Umständen werden wir bei der Beratung dieses Gesetzes darauf achten, daß keine Besteuerung der exportintensiven Industrien eintritt. Ich denke dabei insbesondere an die Silberwarenindustrie, die Lederwarenindustrie und die Rauchwarenindustrie; denn wir wissen, daß die Drosselung des Inlandsabsatzes, die durch diese Steuer einträte, in jedem Falle auch zu einem Rückgang des Auslandsabsatzes führen würde. Meine Fraktion will keine Steuer gegen die Exportindustrie, keine Steuer gegen die Facharbeiter. Sie will keine Steuer, die die deutsche Qualitätsarbeit unter Geldstrafe stellt. Wir wollen eine ernsthafte Bekämpfung aller unsozialen Auswüchse des Wirtschafts- und Steuersystems. Wir behalten uns unsere endgültige Stellungnahme zu diesem Abschnitt des Gesetzes vor. In der vorliegenden Form ist es für uns unannehmbar. Wie gesagt: entweder eine umfassende Steuer oder keine Steuer. Jedenfalls hat die sozialdemokratische Fraktion nicht die Absicht, der Regierung bei Scheingefechten zur Beruhigung ihres sozialen Gewissens Hilfestellung oder Sekundantendienste zu leisten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat mit Negativem die Steuer hier im Hause begründet. Ich habe ein einziges Positivum in seiner Begründung gehört, und das war die allgemeine Finanzkalamität. Die bisherigen Redner, die in der Debatte gesprochen haben, haben auch nur negative Gesichtspunkte herausgestellt. Nun gibt es auch zweifellos einige positive Gesichtspunkte. Das sind politische und psychologische Momente, die in der Debatte um dieses Gesetz von Bedeutung sind. Diese politischen und psychologischen Gesichtspunkte, die vor allem auch mit Rücksicht auf das Ausland im Bundesrat angeklungen sind, muß man sich einmal durch den Kopf gehen lassen, um festzustellen, daß auch von dieser Seite her die Steuer nicht verantwortet werden kann. Das vorgesehene Ziel, das dieses Steuergesetz erreichen will, ist doch entweder die Eindämmung von Luxusausgaben oder die Teilnahme des Fiskus an den Luxusausgaben. Dabei will ich die Frage, wie Luxus vom notwendigen Verbrauch abzugrenzen ist, die hier schon wiederholt angesprochen worden ist, einmal ganz dahingestellt lassen. Kann aber Luxusverbrauch durch eine solche Steuer überhaupt eingedämmt werden, oder kann zumindest der Staat einen Teil davon, seinen Teil, miteinkassieren? Beide Gesichtspunkte kann man mit guten Gründen verneinen. Wer Geld für Luxusausgaben übrig hat, der wird trotzdem das Rechnen nicht vergessen, er wird trotzdem aus dem Katalog, den das Gesetz bietet, sich eben solche Gegenstände für seine Einkäufe heraussuchen, die die Überteuerung um 10 % nicht aufweisen. Wenn also jemand 1000 Mark auf den Kopf hauen will, um sich einen Pelz zu kaufen, der wird in dem einen Geschäft den Pelz kaufen und ihn in einem anderen verarbeiten lassen. Dann spart er die 10 % Verteuerung. Wir treffen also gar nicht den Luxusaufwand. Soweit eine solche
Zerlegung nicht möglich ist, wird er sich zwei Rechnungen ausstellen lassen, was in den Geschäften auf keine besonderen Schwierigkeiten stoßen dürfte. Soweit auch diese Möglichkeit nicht gegeben ist, wird der Käufer, der Geld für Luxusausgaben übrig hat, sich andern Ausgaben zuwenden, die in diesem höchst lückenhaften Katalog nicht enthalten sind, d. h. also: wir treffen mit dem vorgesehenen Gesetz nicht das Ziel, das wir eigentlich erreichen wollen. Die Besteuerung bestimmter Umsatzvorgänge kann nie erreichen, daß der Staat an überflüssigen Ausgaben teilhat.
Wenn wir das wollen, dann müssen wir entsprechende Änderungen an der Einkommensteuer vornehmen. Damals, als wir die Einkommensteuerdebatte hier im Bundestag hatten, hat uns die Regierung erklärt, bei den großen Einkommenbeziehern käme überflüssiger Aufwand nicht in Frage, denn die großen Einkommen orientierten sich automatisch volkswirtschaftlich richtig. Wenn wir jetzt von der Regierung ein Luxussteuergesetz vorgelegt bekommen, so zeigt das offenbar, daß die Regierung diesen Standpunkt, den sie damals vertreten hat, nicht mehr ,als zutreffend ansieht. Sie hat in der Wirklichkeit feststellen müssen, daß die großen Einkommenbezieher, denen man damals besondere Geschenke machte, sich volkswirtschaftlich automatisch nicht richtig orientiert haben, sondern ihre Ausgaben an falsche Stellen lenkten, wo man sie jetzt eben nicht mehr erfassen kann.
Dieser Fehler, der seinerzeit gemacht worden ist, nämlich daß wir die Steuern für die großen Einkommen sehr stark gesenkt, die mittleren und kleinen Einkommenbezieher aber nicht bedacht haben, rächt sich heute und soll nun mit einem Palliativmittel kuriert werden, ein Mittel, das tatsächlich nicht helfen kann.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Spesenabgabe. Die Spesenabgabe ist praktisch eine Strafsteuer. Es soll bestraft werden, wer Betriebsausgaben, und zwar auch echte Betriebsausgaben macht. Man denke sich einen Betrieb, der neu in Gang kommt und deshalb genötigt ist, doch höhere Aufwendungen für die Bewirtung von Geschäftsfreunden zu machen als ein Betrieb, der schon vor längerer Zeit gegründet wurde und deshalb diese hohen Aufwendungen nicht mehr hat. Man wird also nach diesem Gesetz tatsächliche echte und notwendige Betriebsausgaben mit einer Steuer bedenken, ein Vorgang, der steuerrechtlich und steuerfachlich eigentlich gar nicht zu verantworten ist.
Wenn wir statt dessen eine Begrenzung des Spesenaufwands herbeiführen wollen, so müssen wir den Weg gehen, der eine absolute Begrenzung nach bestimmten Kriterien wie Umsatz und Einkommen vorsieht. Dieser Gesichtspunkt ist aber in dem vorliegenden Steuergesetzentwurf überhaupt nicht enthalten.
Wenn wir also den Gesetzentwurf einmal gründlich unter die Lupe nehmen, so bleibt nichts von ihm übrig, was sich lohnt, im Ausschuß diskutiert zu werden. Ich wüßte gar nicht, worüber wir im Ausschuß bei diesem Steuergesetz noch diskutieren sollten. Die Aufwandsteuer ist von allen Rednern aller Parteien einhellig abgelehnt worden. Die Spesenabgabe in der vorgesehenen Form ist ebenfalls von allen Rednern einhellig abgelehnt worden. Ich muß deshalb den Antrag stellen, daß
wir diesen Gesetzesinitiativantrag der Regierung bereits jetzt im Plenum ablehnen, weil ich mir von einer Beratung im Ausschuß nach dieser Debatte keinerlei Fortschritte mehr denken könnte. Ich stelle deshalb formell diesen Antrag.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Paul.
Meine Damen und Herren! Wie umstritten diese Vorlage der Regierung ist, hat die Debatte am gestrigen und heutigen Tag bereits bewiesen. Die Bundesregierung versucht, sich durch diese Vorlage ein soziales Mäntelchen umzuhängen. Sie will den Massen draußen im Lande begreiflich machen, daß sie gewillt ist, nunmehr gegen die begüterten Kreise vorzugehen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß diese Steuer im Höchstfalle 20 Millionen DM einbringen würde, die praktisch durch den Verwaltungsapparat wieder verbraucht würden. Wenn die Regierung eine wirklich soziale Steuerpolitik betreiben wollte, dann hätte sie das längst beweisen können, z. B. damals bei der Einkommensteuervorlage. Im Gegenteil, den Großkapitalisten wurden damals 900 Millionen bis 1 Milliarde Mark geschenkt. Seit dieser Zeit sind die Preise wahnsinnig in die Höhe gegangen, und die Regierung hat keine ernsthaften Versuche unternommen, dem Preiswucher und der Preissteigerung entgegenzutreten. Im Gegenteil, sie hat sich dort, wo die Arbeiter und Angestellten den Kampf für höhere Löhne aufnahmen, zugunsten der Unternehmer eingeschaltet. Sie hat durch bestimmte Schlichtungsmethoden die Kämpfe der Arbeiter nicht zum vollen Siege kommen lassen.
Die Steuerpolitik dieser Regierung ist unsozial, und auch durch dieses Gesetz kann sie sich keineswegs davon freisprechen, bisher nur eine Steuerpolitik betrieben zu haben, die die breiten Massen belastet. Wenn in der Begründung auf die besondere finanzpolitische Lage hingewiesen wird, in der sich die Bundesrepublik und die Regierung befinden, dann wirkt das sehr eigenartig in einer Zeit, in der die Regierung eine Remilitarisierung und eine verstärkte Besatzungspolitik betreibt. Wenn man ernstlich gewillt wäre, aus dieser Finanzkalamität herauszukommen, dann sollte man mit der Forderung nach erhöhter Besatzung aufhören, die neue Belastungen für die breiten Massen mit sich bringen wird, dann sollte man aufhören mit der Verstärkung der Polizei und der Kasernierung dieser Polizei, weil dies ebenfalls zu neuen Belastungen für die Massen führt.
Wir stimmen dieser Vorlage nicht zu. Diese Regierung ist eine Regierung, die entgegen den Interessen des schaffenden Volkes tätig ist. Wir geben der Regierung keinerlei Vollmacht, neue Massensteuern — auch in versteckter Form -
einzutreiben. Wir sind jederzeit bereit, darüber zu reden, daß man die wirklichen Großverdiener heranholt, um so die Massen zu entlasten. Wir sind jederzeit bereit, darüber zu verhandeln, daß die hohen Verbrauchssteuern herabgesetzt werden. Aber wir haben zu dieser Regierung nicht das Vertrauen, daß sie eine wirklich soziale Politik für die breiten werktätigen Massen betreibt. Das kann nur eine Regierung, die selbst aus den werktätigen Massen kommt, die sich die Wiedervereinigung unserer Heimat, den freien Handel und eine wirklich nationale Politik zum Ziele setzt. Nur eine solche Regierung wäre auch in der Lage, die wirklich begüterten Kreise heranzuholen. Damit wäre in der Tat dem Wohle der breiten Massen gedient.
Meine Damen und Herren, mit diesem Redner ist die Rednerliste erschöpft.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache.
Wir haben zunächst über den Antrag auf Überweisung der Vorlage an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen abzustimmen. Wer für die Überweisung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; die Vorlage ist damit an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen überwiesen.
Ich rufe nunmehr Punkt 7 der gestrigen Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der Bayernpartei eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung .
Hier hat der Ältestenrat Ihnen vorzuschlagen: für die Einbringung 5 Minuten und Verzicht auf eine Aussprache. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Etzel .
Dr. Etzel (BP), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach § 56 der Gewerbeordnung sind Taschenuhren vom Ankauf und Feilbieten im Umherziehen ausgeschlossen. Zuwiderhandlungen sind nach § 148 der Gewerbeordnung mit Geldstrafe oder mit Haft bedroht. Nun ist die Frage aktuell geworden, ob Armbanduhren, bei denen die Uhr nicht lose in einem Leder- oder sonstigen Behältnis am Riemen mitgetragen wird, sondern technisch einen in das Armband selbst eingearbeiteten, wesentlichen Bestandteil desselben ausmacht, Taschenuhren im Sinne des Gesetzes sind. Nach richtiger Ansicht ist wohl jede Kleinuhr, die geeignet und dazu bestimmt ist, von Personen, gleichviel ob in der Tasche, am Arm, außen auf dem Kleid oder Anzug wie ein Anhänger mitgetragen zu werden, einerlei, ob das Gehäuse aus edlen oder unedlen Metallen, aus Glas oder anderen Stoffen besteht, eine Taschenuhr im Sinne des § 56. Auch der Verwaltungsgerichtshof von Württemberg-Hohenzollern hat in einem Urteil vom 20. Juli dieses Jahres die Armbanduhren aller Art als Taschenuhren im Sinne der Gewerbeordnung anerkannt. Nach Auffassung des Bundesinnenministers sind die Armbanduhren als Taschenuhren anzusehen. Der Bundeswirtschaftsminister äußert Zweifel.
Diese Gegensätzlichkeiten in der Handhabung einer gesetzlichen Vorschrift sind unerfreulich. Tatsächlich handelt es sich bei der Einbeziehung der Armbanduhren keineswegs um eine stark extensive Auslegung, zu der die Verwaltung nicht befugt wäre. In Wahrheit liegt bei den Gegnern der Einbeziehung der Armbanduhr ein reiner Formalismus, eine bürokratische Buch-
stabendeuterei vor, die bei einer zeitgemäßen Verwaltung nicht mehr hätte erwartet werden dürfen. Nicht nur der Richter, auch der Verwaltungsbeamte muß bestehende Vorschriften den Entwicklungen und Bedürfnissen der Wirtschaft, des Verkehrs, der Technik und des Verbrauchs im Wege einer sorgfältigen und vernünftigen Auslegung anpassen, ohne daß er die Grenze dort überschreitet, wo eine Verwaltungspraxis in Wahrheit die Inkraftsetzung einer neuen gesetzlichen Vorschrift bedeuten würde. Einer solchen Kunst der Fortentwicklung des Rechts durch Anwendung und Auslegung bestehender Bestimmungen müßte die Verwaltung fähig sein. Der beteiligte oder betroffene Bürger hat ja dann immer noch die Möglichkeit der Zuflucht zum Verwaltungsgericht.
Die Verweisung der vorliegenden Frage auf die Durchführung von Strafverfahren nach § 148 der Gewerbeordnung oder auf die Benützung von Mitteln des Wettbewerbsrechts ist unangebracht. Es geht darum, durch eine eindeutige und übereinstimmende Verwaltungspraxis eine allgemeine Regelung und eine vorbeugende Ordnung herbeizuführen.
Taschen- und Armbanduhren sind Wertgegenstände, die sich nicht zum Vertrieb im Hausiergewerbe eignen. Neuerdings werden überdies infolge der verfehlten Praxis einzelner Verwaltungen vielfach geschmuggelte Armbanduhren ungehindert über Hausierer abgesetzt. Der berechtigte Schutz des redlichen Handels und Handwerks wie auch des Verbrauchers erfordern eine alsbaldige Beseitigung der bestehenden Mißstände. Wir tun ungern den allzu bequemen Griff — wie Bismarck sagte — nach der Klinke der Gesetzgebung. Da sich aber einzelne Verwaltungen offenbar nicht als bereit oder fähig zu einer vernünf tigen Auslegung und Anwendung des § 56 erweisen, müssen wir ihn gleichwohl tun. Der Fall ist so klar und einfach, daß sich eine Ausschußberatung nach meiner Meinung erübrigt und eine geschäftsordnungsmäßige Verabschiedung des Gesetzesvorschlags, in dem ich nur noch hinter den Worten „Ziffer 3" das Wort „Gewerbeordnung" einzufügen bitte, unmittelbar im Plenum erfolgen könnte.
Ich eröffne die Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache.
Ich lasse abstimmen. Es ist kein Antrag auf Überweisung gestellt. Es muß also über die Drucksache selbst abgestimmt werden. Wer für Annahme des Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, das war die erste Lesung, und das war der einzige Paragraph dieses Gesetzes. Wir könnten die zweite Lesung unmittelbar anschließen,
wenn das Haus es beschließt. — Einverstanden. Ich rufe auf zur
zweiten Lesung.
Einziger Paragraph. Sie kennen ihn. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! —
Es ist so beschlossen. Die zweite Lesung ist geschlossen.
Die dritte Lesung? — Kein Widerspruch. Wir kommen zur
dritten Lesung.
Ich rufe auf: einziger Paragraph, — Einleitung und Überschrift. — Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über das Gesetz als ganzes. Wer für Annahme des Gesetzes als ganzes ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! — Es ist so beschlossen. Der Punkt der Tagesordnung ist erledigt.
Ich rufe nunmehr Ziffer 9 der Tagesordnung von gestern auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Antrag der Fraktion der Bayernpartei betreffend Finanzierung des Wohnungsbaues (Nr. 1339, 83 [neu] der Drucksachen).
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Tenhagen.
Hier schlägt Ihnen der Ältestenrat vor, für die Berichterstattung 5 Minuten anzusetzen und auf eine Aussprache zu verzichten. — Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Das Wort hat der Herr Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Vertretung des heute verhinderten Kollegen Görlinger habe ich die Berichterstattung über diesen Punkt der Tagesordnung übernommen. Es handelt sich bei der Vorlage um den Antrag der Fraktion der Bayernpartei Drucksache Nr. 83 vom Oktober vergangenen Jahres. Er befaßt sich mit der Finanzierung des Wohnungsbaues und beantragt, daß die Bundesregierung ein Gesetz erlassen möge, wonach zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues die Ausgleichsforderungen der Realkreditinstitute gegen die Länder gemäß Umstellungsgesetz § 11 vom Bund zu übernehmen sind. Aus dem Bundeshaushalt soll dann eine bevorzugte Rückzahlung dieser Ausgleichsforderungen mit der Auflage vorgenommen werden, daß die Rückzahlungsbeträge ausschließlich als erste Hypothek zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues verwandt werden sollen.
Sowohl der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als auch der Ausschuß für Geld und Kredit haben sich mit dieser Vorlage befaßt und sind übereinstimmend zu der Auffassung gekommen, daß durch das am 24. April dieses Jahres erlassene Wohnungsgesetz alle Finanzierungsmöglichkeiten für den Wohnungsbau ausgeschöpft seien. Deshalb wird vorgeschlagen, diesen Antrag der Fraktion der Bayernpartei als durch das Wohnungsgesetz vom 24. April dieses Jahres erledigt anzusehen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag des Ausschusses ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Ziffer 10 der Tagesordnung von gestern:
Beratung des mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Änderung des § 99 der vorläufigen Geschäftsordnung (Nr. 1404 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Kahn.
Auch hier schlägt Ihnen der Ausschuß zur Begründung 5 Minuten und keine Aussprache vor.
Das Wort hat der Herr Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Schreiben vom 14. September hat der amtierende erste Vizepräsident des Bundestages dem Vorsitzenden des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität mitgeteilt, daß er namens des Ältestenrates dem Hause folgende Erklärung abgeben wird. Diese abgegebene Erklärung lautete:
Ich habe dem Hause mitzuteilen, daß der Ältestenrat heute beschlossen hat, den Ausschuß für Geschäftsordnung zu bitten, die Frage zu prüfen, ob nicht die Geschäftsordnung dahin abgeändert werden könnte, daß die Beschlußfähigkeit des Hauses von mindestens 5 Abgeordneten des Hauses bezweifelt werden muß, wenn die Rechtsfolgen der §§ 99 und 100 der Geschäftsordnung ausgelöst werden sollen.
Meine Damen und Herren! Anlaß zu dieser Anregung des Ältestenrats war der Umstand. daß in der Plenarsitzung am 13. September die Beschlußfähigkeit des Hauses von einem Abgeordneten bezweifelt wurde, der bisher nur in beschränktem Umfange die Arbeiten des Bundestags gefördert hat und der ohne jeden Zweifel durch diesen Schritt die Arbeit des Hauses nicht fördern konnte und nicht fördern wollte.
Der Ältestenrat hatte festgestellt, daß der Großteil der Abgeordneten die bei der genannten Plenarsitzung im Saale fehlten, sich in unaufschiebbaren Ausschußsitzungen befand. Da es sich bei der in Frage stehenden Abstimmung um die Verweisung einer Ausschußvorlage an den zuständigen Ausschuß handelte und im Hause hierüber keine Meinungsverschiedenheit bestand, war nach Auffassung des Ältestenrates offenkundig, daß die Anzweiflung der Beschlußfähigkeit durch den betreffenden Abgeordneten nur in der Absicht der Obstruktion oder mit dem Willen, das Haus in der öffentlichen Meinung herabzusetzen, erfolgt sein konnte.
Um in Zukunft eine derartige Obstruktion zu verhindern, hat der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität in seiner Sitzung am 18. September einstimmig beschlossen, dem Hause vorzuschlagen, daß der Bundestag beschließen wolle, den § 99 der vorläufigen Geschäftsordnung wie folgt zu ändern:
§ 99
Bezweiflung der Beschlußfähigkeit.
Der Präsident eröffnet die Abstimmung. Wird vor ihrem Beginn die Beschlußfähigkeit von mindestens fünf Mitgliedern bezweifelt und auch vom Sitzungsvorstand weder einmütig bejaht oder verneint, so ist durch namentliche Abstimmung mittels weißer Namenskarte festzustellen, ob der Bundestag beschlußfähig ist.
Der Präsident kann die Abstimmung auf kurze Zeit aussetzen.
Ich bitte das Haus, dem Abänderungsantrag, wie ihn der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität einstimmig zum Beschluß erhob, die Zustimmung zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für Annahme des Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr auf Ziffer 11 der gestrigen Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein .
Hier hat der Ältestenrat beschlossen, Ihnen zu empfehlen, nach einer kurzen Begründung durch die Regierung keine Aussprache durchzuführen. Ist das Haus damit einverstanden? — Es ist so beschlossen.
Dann bitte ich Herrn Staatssekretär Hartmann, das Wort zu nehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Grundgesetz sollen die Finanzmonopole und die Steuern, die dem Bund zufließen, durch Bundesfinanzbehörden verwaltet werden. Die Verwaltung der Bundessteuern ist in dem Gesetz über die Finanzverwaltung geregelt, das vor etwa 4 Wochen verkündet worden ist. Nach § 38 des Gesetzes über die Finanzverwaltung soll als Sonderverwaltung der Bundesfinanzverwaltung durch besonderes Gesetz eine Bundesmonopolverwaltung für Branntwein errichtet werden. Diesem Zweck dient der vorliegende Gesetzentwurf. Er soll die Verwaltung des Branntweinmonopols in bundeseigene Verwaltung überführen und damit die seit 5 Jahren bestehende treuhänderische Verwaltung des Branntweinmonopols durch 11 Landesmonopolverwaltungen im Bundesgebiet beenden.
Nicht Angelegenheit dieses Gesetzentwurfes ist es, materiellrechtliche Vorschriften über das Branntweinmonopol zu ändern; das würde der bevorstehenden Neuordnung des Branntweinmonopolrechtes vorgreifen. Das gilt auch für die Bildung der Organe zur Vertretung der Gewerbetreibenden dieses Gewerbezweiges.
Im einzelnen darf ich noch erwähnen, daß also künftig an Stelle der 11 Landesmonopolverwaltungen nur eine Monopolverwaltung, an Stelle der 11 Gebiete nur ein Monopolgebiet bestehen wird. Die §§ 2 und 3 des Gesetzes befassen sich mit dem Übergang des Aktiv- und des Passivvermögens.
Da es erwünscht ist, daß die Bundesmonopolverwaltung ihre Tätigkeit so bald wie möglich aufnimmt, wäre ich dankbar, wenn die Beratungen in dem zuständigen Ausschuß bald aufgenommen und zu Ende geführt werden könnten.
Meine Damen und Herren, der zuständige Ausschuß wird wohl der Finanz- und Steuerausschuß sein.
Ich muß die Aussprache formell eröffnen. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wer für die Überweisung dieser Vorlage an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen ist, den
bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 12 der gestrigen Tagesordnung:
Beratung des Interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse .
Es erhebt sich kein Widerspruch, daß im Wege dieses Antrages verfahren wird. Es ist so beschlossen.
- Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff.
Es ist vorgesehen, daß die mannigfachen Anträge über den Sitz der Bundesmonopolverwaltung nicht dem Finanz- und Steuerausschuß, sondern, ich glaube, dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß überwiesen werden. Ich würde es für richtig halten, wenn auch diese Anträge über den Sitz der Bundesmonopolverwaltung zusammen mit dem Gesetz über die Bundesmonopolverwaltung selbst dem Finanz- und Steuerausschuß überwiesen würden.
Ist das Haus damit einverstanden?
Dann ist so beschlossen.
Es ist dann noch beantragt, den Antrag der Fraktion der SPD Nr. 1352 an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen zu überweisen.
— Auch diese Überweisung ist beschlossen.
— Also 1412 ebenfalls. Gut!
Dann rufe ich auf Punkt 3 der gestrigen Tagesordnung:
Beratung der Verodnung PR Nr. 59/50 über Getreidepreise für die Monate Oktober 1950 bis Juni 1951 .
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Preisanordnung 38 ist dem Bundesrat und dem Bundestag seinerzeit die Regelung der Getreidepreise für die ersten drei Monate des Wirtschaftsjahres — Juli, August und September — vorgelegt worden. In der Drucksache Nr. 1400 liegt ihnen nun der Entwurf einer Preisanordnung 59/50 vor, die die Getreidepreise für die restierenden Monate des am 1. Oktober begonnenen Wirtschaftsjahres regelt.
Grundsätzlich hat sich am bisherigen System nichts geändert. Es bleibt bei dieser Erhöhung um 40 bzw. 60 Mark je Tonne gegenüber den Roggen- und Weizenpreisen des vergangenen Wirtschaftsjahres. Aber in der Durchführung sind einige Änderungen notwendig geworden.
Erstens: Schon seit der Zwangswirtschaft im ersten Weltkrieg war das alte Reichsgebiet in eine große Zahl von Preisgebieten eingeteilt, 14 bei
Roggen, 18 bei Weizen. Seit langem war es der Wunsch der beteiligten Kreise und der Landesregierungen, diese Preisgebiete zahlenmäßig zu vermindern. Wir haben das getan. Statt der 14 Roggenpreisgebiete finden Sie in der Vorlage nur 4, und auch die Zahl der Weizenpreisgebiete haben wir von 18 auf 4 verringert.
Die Reports hören mit März auf. Das entspricht dem Gedanken, daß die Regierung ein Interesse daran hat, die inländisch erzeugten Getreidemengen verhältnismäßig rasch dem öffentlichen Verbrauch zuzuführen. Die Reports sind auch von 2,50 DM auf 2 DM vermindert. Sie betragen für Oktober 1,50 DM, und im Dezember wird ein mittlerer Preis von 280 bzw. 320 DM effektuiert werden.
Damit erhebt sich die Frage nach dem Preis für das sogenannte Konsumbrot. Ich bin ermächtigt, im Auftrage der Bundesregierung die Erklärung abzugeben, daß die Preise für die sogenannten Konsumbrote — ich muß die Mehrzahl nennen, weil das Konsumbrot von Kiel bis Konstanz sehr verschieden ist — unverändert bleiben und daß die eingetretene Erhöhung durch 1,50 DM Report je Tonne sich nicht auswirkt.
In Ziffer 2, meine Damen und Herren, sehen Sie dann die Preisregelung für das ausländische Getreide. Hier haben wir insgesamt drei Preisgebiete gebildet. Die ausländischen Brotgetreidepreise sind mit den inländischen verzahnt. Sie ersehen die Einzelheiten aus den Tabellen.
Ich darf Sie dann noch auf § 3 aufmerksam machen. Sie wissen, daß nach der ersten Preisanordnung in der Regierungsvorlage ein Abgabepreis von 260 DM vorgesehen war. Der Antrag Lübke, der damals auch von den bürgerlichen Parteien angenommen worden ist, senkte den Preis auf 240 DM. Die Alliierte Kommission hat erstens den Charakter des Preises als Festpreis und zweitens die zu niedrige Festsetzung beanstandet. Die Damen und Herren sehen infolgedessen, daß jetzt in § 3 ein Abgabepreis als Höchstpreis von 260 DM je Tonne vorgesehen ist. Er kann natürlich entsprechend seinem Charakter als Höchstpreis unterschritten werden.
Der Bundesrat hat mit allen Stimmen gegen die von Hamburg die Regierungsvorlage angenommen. Nordrhein-Westfalen hat — Sie sehen das auf der letzten Seite der Vorlage — einen Antrag folgenden Wortlauts gestellt:
Soweit nach dieser Anordnung in einzelnen Preisgebieten sich Preise ergeben, die unter den Septemberpreisen der Anordnung PR Nr. 38/50 liegen, verbleibt es bei den Septemberpreisen, bis ein Gleichstand erzielt ist.
Das klingt etwas kompliziert, und infolgedessen
darf ich mir einige Worte der Erklärung gestatten.
Ich habe den Damen und Herren geschildert, daß wir die Preisgebiete bei Roggen von 14 auf 4 und bei Weizen von 18 auf 4 zusammengeschweißt haben. Dabei nahmen wir natürlich nicht das jeweils oberste Preisgebiet, sondern das mittlere. Es können also — auf der Landkarte müßte ich sagen: streifenweise — Gebiete auftreten, wo durch die eben von mir geschilderte Technik tatsächlich der Oktoberpreis niedriger wäre als der Septemberpreis. Das ist natürlich unmöglich, und daher wurde dieser Antrag von Nordrhein-Westfalen gestellt, der vom Bundesrat angenommen wurde und dem auch die Bundesregierung beitritt.
Ferner der Antrag von Niedersachsen:
Ergeben sich bei Anwendung der Vorschriften über die Preisgebiete (§ 1 Absatz 3 Satz 1, § 2 Absatz 3) und über die Paritätspunkte (§ 2 Absatz 3, § 3 Absatz 2) Ungleichheiten, so kann der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Preisgebiete und Paritätspunkte anderweitig festsetzen.
Veranlassung zu diesem Antrag war die Überlegung, daß sich dieses System der neuen Preisgebiete erst einspielen muß. Da und dort werden sich Reibungen ergeben. Ohne den Antrag von Niedersachsen müßte bei jeder, auch der kleinsten Änderung die Gesetzgebungsmaschine in Bewegung gesetzt werden. Der Antrag von Niedersachsen enthält also eine Ermächtigung an den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Der Bundesrat hat einstimmig zugestimmt; die Bundesregierung hat ebenfalls zugestimmt.
Schließlich noch eine Kleinigkeit, der Antrag von Schleswig-Holstein, als weiteren Paritätspunkt Flensburg in die Liste einzufügen, die Ihnen vorliegt. Der Wunsch ist angesichts der Bedeutung Schleswig-Holsteins als Mastbezirk berechtigt.
Die Bundesregierung tritt sämtlichen eben aufgeführten drei Abänderungs- bzw. Ergänzungsanträgen des Bundesrats bei und bittet um Annahme der Preisanordnung PR Nr. 59/50.
Ich eröffne die Aussprache.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen 40 Minuten für die Gesamtaussprache vor. Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren: Die sozialdemokratische Fraktion sieht sich nicht in der Lage, dieser Anordnung zuzustimmen. Die Gründe dafür liegen keineswegs in der Höhe der Preise für in Deutschland erzeugtes Getreide. Sie liegen auch nicht in der Höhe der Reports. Wir wollen uns auch nicht mit den zweifellos in der Anordnung vorhandenen Unebenheiten bezüglich der Paritätspunkte und der Preisgebiete beschäftigen. Wir sind der Überzeugung, daß es sich hier um eine sehr schwierige Angelegenheit handelt, die jetzt schon wegen der einen Tatsache nicht mehr korrigiert werden kann, daß uns diese Anordnung erst am 28. September zugegangen ist, obwohl sie eigentlich schon am 1. Oktober in Wirkung sein sollte.
Wenn wir der Anordnung nicht zustimmen, dann tun wir es deshalb nicht, weil wir in ihr eine Fortsetzung des — verzeihen Sie den harten Ausdruck! — etwas leichtfertigen Verfahrens bezüglich der Behandlung der Auswirkungen der Getreidepreiserhöhung auf den Brotpreis sehen. Es ist ganz ohne Zweifel und wird von keinem der Beteiligten bestritten, daß die Auswirkung dieser Anordnung eine Erhöhung der Brotpreise in dem Umfang bedeuten muß, in dem die Erhöhung der Getreidepreise, der Mehlpreise durch die Reports nicht durch Subventionen ausgeglichen wird. Wir haben von dem Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der ausdrücklichen Bezugnahme auf den Herrn Bundesminister der Finanzen die Mitteilung bekommen, daß die Regierung im Interesse der Erhaltung
des Preises für das sogenannte Konsumbrot unter allen Umständen eingreifen werde, wenn sich das zur Aufrechterhaltung des heutigen Preises als notwendig erweisen sollte. Wir haben leider keine zuverlässige Mitteilung darüber, um welchen Betrag es sich handeln wird. Es ist auch mit den beteiligten Kreisen — also in diesem Falle Bäcker und Müller — trotz mehrfacher Verhandlungen noch kein brauchbarer Weg für die Durchführung einer solchen Subvention gefunden worden. Aber selbst wenn es möglich sein sollte, den Preis für Konsumbrot in der einen oder anderen Weise durch Zurverfügungstellung von öffentlichen Mitteln in der heutigen Höhe zu halten, würden wir das für keine ausreichende Sicherung der Aufrechterhaltung des Brotpreises erachten.
Meine Damen und Herren! Es ist über das Konsumbrot außerordentlich viel geredet worden. Aus den verschiedensten Gründen, die jetzt nicht zur Debatte stehen, wird über das Konsumbrot nur ein außerordentlich geringer Prozentsatz der Brotversorgung befriedigt; d. h. daß weite Kreise der Verbraucher aus Gründen, die, wie gesagt, hier nicht zur Debatte stehen, in ihre Haushaltsrechnung nicht den Preis für Konsumbrot, sondern den Preis für die freien Brotsorten eingehen sehen müssen. Deshalb ist das Problem nicht damit gelöst, wenn man diese eine Brotsorte betrachtet und ihren Preis stabilisieren will; denn diese Brotsorte hat für die Statistik, für die Berechnung des Lebenshaltungskosten-Indexes zweifellos sehr viel mehr Bedeutung als für die Brotversorgung in der Praxis. Wir haben also aus den Auswirkungen dieser Anordnung mit einer weiteren Steigerung des Preises mindestens der sogenannten freien Brotsorten zu rechnen. Das erscheint uns außerordentlich bedenklich, ebenso bedenklich vom Standpunkt der Verbraucher wie vom Standpunkt der Erzeuger aus.
Ich habe von dieser Stelle aus mehrfach darauf hingewiesen, daß es mindestens unzweckmäßig, ja gefährlich ist, wenn man bei der Berücksichtigung der Interessen der Erzeuger nicht zugleich auch die Auswirkungen solcher Maßnahmen auf die Verbraucher betrachtet. Es ist dann für die Verbraucher zu naheliegend, die Ursachen für die bei ihnen auftretenden Schwierigkeiten in der Landwirtschaft zu sehen. Sie können es keinem übelnehmen, wenn er da nicht in tiefe Forschungen einsteigt, um die Zusammenhänge zu erkennen.
Es ist nach unserer Meinung Sache der Regierung, daß sie sich, wenn sie auf der einen Seite eine Maßnahme trifft, mit den Konsequenzen dieser Maßnahme nach der anderen Seite hin auseinandersetzt. In der Zusage der Regierung, den Konsumbrotpreis auf dem heutigen Stande zu halten, sehen wir dafür keine Garantie. Man hat seinerzeit, weil man ja mit aller Gewalt den Nachweis dafür führen wollte, daß das Kanzlerwort „der Brotpreis bleibt unverändert" auch gehalten würde, den Konsumbrotpreis unter recht erheblichem Druck auf die beteiligten Wirtschaftskreise so eng kalkuliert, daß er jetzt einfach nicht mehr aufrechtzuerhalten ist. Das werden Ihnen alle, die bereit sind, darüber offen zu reden, zugeben. Darüber liegen Meinungsäußerungen sowohl von seiten der Genossenschaftsbäckereien wie auch von seiten der privaten Unternehmer vor, daß wegen der Enge der Kalkulation der Konsumbrotpreis überhaupt nur gehalten werden kann, wenn man zum Ausgleich der Verluste oder mindestens zum Ersatz der Gewinne, die man auf dieser Seite nicht machen kann, auf die freien Brotsorten zu-
rückgreift. Das bedeutet, daß die Dinge doch außerordentlich eng ineinander sitzen. Es scheint mir völlig ohne Zweifel zu sein — und ich bedaure, es hier aussprechen zu müssen —, daß, da sich die Regierung ganz offenbar nicht entschließen will, alle Verteuerungen aufzufangen, am Ende dieser Verordnung zwangsläufig mindestens für die sogenannten freien Brotsorten eine neue Preiserhöhung sich durchsetzen wird. Das ist der Regierung auch von allen Beteiligten mitgeteilt worden.
Es scheint uns nicht der richtige Weg zu sein, in solchen Fällen einfach zu sagen, daß es am guten Willen der Beteiligten liege. Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, daß ein so umfangreiches Gewerbe wie die Bäcker und die Müller so verantwortungslos ihre engen Interessen gegenüber der Regierung durchsetzen würde, wenn es dafür nicht auch ausgezeichnete kalkulatorische Grundlagen hätte. Weil das auf uns zukommt, sprechen wir es hier aus. Wir bedauern, daß auch in dieser Situation von seiten der Regierung nicht offen zugegeben wird, daß die Erhöhung der Getreidepreise unter gleichzeitiger Beschränkung der Subventionen notwendigerweise zu einer Erhöhung der Brotpreise führen muß. Ich wollte es hier angesprochen haben, und damit hoffe ich, die Gründe dafür dargetan zu haben, warum wir dieser Anordnung nicht zustimmen. Wer ihr zustimmt, muß es in dem Bewußtsein tun, daß, wenn er also ganz vorsichtig formulieren will, mindestens eine sehr erhebliche Gefahr und viele gute Gründe für eine weitere Verteuerung des Teils der Brotversorgung entstehen, der nun einmal der überwiegende Teil ist. Ich würde Sie dringend bitten, nicht allzusehr auf dem Konsumbrot herumzureiten; denn, wie gesagt, es ist für die Lebenshaltungstatistik, für den Nachweis, daß die Dinge nicht teurer werden, sehr viel wichtiger als für die Brotversorgung.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich die Aussprache.
Wir haben zunächst über die einzelnen Paragraphen abzustimmen und dann eine Schlußabstimmung vorzunehmen. Es handelt sich nicht um die Lesung eines Gesetzes, sondern lediglich um die Zustimmung zu einer Verordnung. Diese Zustimmung ist auf Grund des § 2 des Preisgesetzes vom 10. April notwendig.
Ich rufe auf § 1. Ich eröffne die Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste ist die Mehrheit.
§ 2. Ich eröffne die Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache. Wer zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit.
§§ 3, — 4, - 5 und 6. Wer zustimmen will, den
bitte ich, die Hand zu erheben. — Angenommen.
Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Angenommen.
Gesamtabstimmung. Wer der ganzen Verordnung zustimmen will, den bitte ich, dies anzuzeigen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Die Zustimmung des Bundestags zu dieser Verordnung ist erfolgt.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Tagesordnung, die für gestern aufgestellt war, erschöpft. Ich rufe auf Ziffer 1 der für heute vorgesehenen Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses betreffend Entwurf eines Gesetzes über Personalausweise .
Hier schlägt Ihnen der Ältestenrat für die Berichterstattung 5 Minuten und im übrigen Verzicht
auf Aussprache vor.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Oellers als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vermittlungsausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes hat mich beauftragt, Ihnen über seine Verhandlungen hinsichtlich des Entwurfs eines Gesetzes über Personalausweise Bericht zu erstatten und Ihnen den Antrag des Ausschusses vorzulegen, der die bei diesen Verhandlungen erzielte Verständigung beinhaltet. Ich darf dazu folgendes bemerken:
Der Bundestag hat in seiner Sitzung vom 26. Juli 1950 das Gesetz über Personalausweise in dritter Lesung verabschiedet. Der Deutsche Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 11. August beschlossen, hinsichtlich dieses Gesetzes den Vermittlungsausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes anzurufen.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen.
Dabei richtet sich die Anrufung des Vermittlungsausschusses gegen das Gesetz in seiner Gesamtheit, insbesondere aber gegen den subsidiären Charakter des zu schaffenden einheitlichen Personalausweises nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes. Damit hat es folgende Bewandtnis. Der ursprüngliche Entwurf der Regierung sah die Schaffung eines einheitlichen, mit Lichtbild und Fingerabdruck versehenen Personalausweises vor, den jeder 15jährige Bewohner des Bundesgebiets zu führen verpflichtet sein sollte, es sei denn, daß er sich im Besitz eines ordnungsmäßigen Passes befindet. Diese Regierungsvorlage war durch die Beschlüsse des 24. Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung grundlegend geändert worden. Nicht zuletzt mit Rücksicht auf die mit der geplanten Einrichtung verbundenen Kosten war in dem verabschiedeten Gesetz angeordnet worden, daß ein mit Lichtbild versehener Ausweis aber nur an solche Personen ausgegeben würde, die sich nicht bereits im Besitz eines Personalausweises befanden. Es war in diesem Gesetz nicht gesagt, welcher Art dieser Personalausweis sein müßte, so daß also bereits ein Jagdschein oder ein Führerschein als solcher Personalausweis ausreichend gewesen wäre.
Dagegen hat der Bundesrat auf Grund einer Stellungnahme der Länderminister Bedenken vorwiegend polizeilicher Natur erhoben. Der Bundesrat macht darauf aufmerksam, daß die Vielzahl der danach möglichen Personalausweise eine Kontrolle praktisch unmöglich mache, weil der letzte mit diesen Kontrollen beauftragte Polizeibeamte die Richtigkeit derartiger Ausweise gar nicht zu überprüfen in der Lage sei. Er machte ferner darauf aufmerksam, daß damit die Gültigkeit stark veralteter Personalausweise, bei denen man möglicherweise das Lichtbild kaum noch mit dem
Träger identifizieren könne, verewigt sei; und er machte schließlich darauf aufmerksam, daß damit auch die Gültigkeit von solchen Ausweisen bestätigt sei, die von irgendwelchen Behörden der ostzonalen Verwaltung ausgegeben seien, so daß damit die Bekämpfung des Agentenunwesens auf große Schwierigkeiten stoßen müsse.
Diesen Bedenken glaubte sich der Vermittlungsausschuß nicht verschließen zu sollen. Es kam also darauf an, eine Synthese zwischen den polizeilichen Notwendigkeiten und der Notwendigkeit der Vermeidung hoher Kosten zu finden. Es wurde dann mit Mehrheit die folgende Regelung gefunden. Nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses soll grundsätzlich auf den Regierungsentwurf zurückgegriffen werden, der jede Person, die das 16. Lebensjahr vollendet hat, verpflichtet, einen Ausweis mit Lichtbild zu führen, und zwar nach einem einheitlichen Muster, das mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt wird. Damit diese Ausweise im Laufe der Zeit nicht veralten, soll ihre Gültigkeit auf 5 Jahre beschränkt werden, es soll aber eine gebührenfreie Verlängerung dieses Ausweises um weitere 5 Jahre vorgesehen werden. Um aber nicht vor der Notwendigkeit zu stehen, diese Ausweise bereits jetzt in vollem Umfang auszugeben, ist in einer Übergangsvorschrift vorgesehen, daß bis zum 31. Dezember 1954 als Personalausweis im Sinne des § 1 jeder mit einem Lichtbild versehene Ausweis genügen soll, der Namen, Geburtsort, Geburtsdatum sowie Wohnung und Wohnort des Auszuweisenden bescheinigt. Darüber hinaus muß dieser Ausweis von einer Behörde im Geltungsbereich des Grundgesetzes oder in Westberlin ausgestellt sein, und zwar nach dem 8. Mai 1945. Damit ist garantiert, daß es sich um Ausweise von Behörden handelt, die unserer Kontrolle unterstehen, und um Ausweise, die nicht vollkommen veraltet sind. Die Praxis geht also dahin, daß derartige für eine Identifizierung der Person geeignete Ausweise noch bis zum 31. Dezember 1954 ihre Gültigkeit besitzen und daß dann, wenn diese Ausweise sowieso veraltet wären, der einheitliche Ausweis, wie dieser Gesetzentwurf ihn vorsieht, im Bundesgebiet allmählich eingeführt wird.
Eine kleine Änderung hinsichtlich der Bestimmung des Inkrafttretens befindet sich noch in der neuen Vorlage. Das Gesetz soll nicht am Tage nach seiner Verkündung, sondern erst am 1. Januar 1951 in Kraft treten. Das ist mit Rücksicht auf die Strafbestimmungen und die ferner nicht zu verkennende Tatsache notwendig, daß die Schaffung eines solchen Personalausweises für die Personen, die einen gültigen Ausweis nicht mehr haben, gewisse Verwaltungsvoraussetzungen erfordert, die noch geschaffen werden müssen.
Der Vermittlungsausschuß schlägt Ihnen danach vor, entsprechend dem Antrag in Drucksache Nr. 1385 zu votieren und diesen Antrag, d. h. das Gesetz in der jetzt vorgeschlagenen Form, anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Auf die Aussprache wird verzichtet.
— Es wäre trotzdem eine Aussprache möglich, wenn nicht anders als mit ja und nein abgestimmt wird.
Die Abstimmung ist eine einmalige Abstimmung über das Ganze, keine paragraphenweise Abstimmung.
Wer für die Annahme des Ausschußantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Gemäß dem Beschluß von heute vormittag rufe ich nunmehr Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1950 .
Hier schlägt Ihnen der Ältestenrat für die Gesamtaussprache 60 Minuten vor.
Das Wort zur Begründung hat der Herr Staatssekretär Hartmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz über die vorläufige Haushaltsführung im Rechnungsjahr 1950 ist am 30. September abgelaufen. Wir haben also im Moment einen vom Gesetz nicht gedeckten Zustand. Daher ist es dringend, daß, um den Zeitraum bis zum Inkrafttreten des endgültigen Haushaltsgesetzes 1950 nach Möglichkeit abzukürzen, der jetzt vorliegende Gesetzentwurf so schnell wie möglich beschlossen wird; er dient im wesentlichen der Fortführung des Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung.
Es ist dazu folgendes zu sagen. Zunächst schlagen wir vor, daß die Grenze des bisherigen § 3 Absatz 2 bei Sachausgaben für neue Aufgaben, die die Zustimmung des Haushaltsausschusses voraussetzen, von 300 000 Mark auf 500 000 Mark heraufgesetzt wird, da auch die Wirksamkeit dieses Gesetzes sich zeitraummäßig von sechs auf neun Monate erhöht.
Besonders wesentlich ist die von uns vorgeschlagene Erhöhung des Kreditplafonds des Bundes von 1,5 Milliarden auf 2 Milliarden DM. Das ist eine gewaltige Summe, aber sie rechtfertigt sich und macht sich aus folgenden Erwägungen notwendig: Die Bundeskasse hat wider Erwarten vorübergehend in ganz besonders hohem Maße Verbindlichkeiten aufnehmen müssen, und zwar zunächst deshalb, weil die Länder ihren Beitrag zum Fehlbetrag des Bundeshaushalts aus dem Jahre 1949 in Höhe von etwa 240 Millionen DM bisher noch nicht entrichtet haben. Die Verhandlungen mit den Ländern über die Aufschlüsselung dieses Betrages auf die einzelnen Länder sind noch nicht zum Abschluß gekommen.
Der zweite Grund sind die Auswirkungen des Abkommens über die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika, also des sogenannten Marshallplan-Abkommens. Nach diesem Abkommen, das ja gesetzlich festgelegt ist, hatten wir aus der Zeit vor Abschluß des Abkommens Verbindlichkeiten der Besatzungsmächte zu übernehmen, die ziffernmäßig damals noch nicht feststanden. Diese Übernahme war erforderlich, um die Freigabe der DM-Gegenwertmittel für die Anlage in Investitionen innerhalb der Wirtschaft zu ermöglichen, und es hat sich nun herausgestellt, daß diese erheblichen Beträge zunächst einmal kassenmäßig vorgelegt werden müssen.
Der dritte Punkt ist die Vorratshaltung des Bundes auf dem Gebiete der Lebensmittel. Diese Vorratshaltung soll ganz überwiegend auf kom-
merziellem Wege finanziert werden, wie das früher auch immer der Fall gewesen ist. Das wird auch geschehen, aber zwischendurch wird die Bundeskasse mit gewissen Beträgen in Anspruch genommen werden. Ich brauche in diesem Augenblick über die Notwendigkeit der Haltung und der Verstärkung von Lebensmittelvorräten kein Wort hinzuzufügen.
Schließlich ist eine, wie ich annehmen möchte, auch nur vorübergehende Belastung der Bundeskasse dadurch eingetreten, daß der am 1. April eingetretene Übergang der Steuern und der Lasten von den Ländern auf den Bund, insbesondere der Übergang der Besatzungskosten und der Kriegsfolgelasten, ebenfalls zusätzliche Anforderungen gestellt hat.
Wenn Sie diese vier Posten zusammenehmen, dann ist die Erhöhung des Kreditplafonds von 1,5 auf 2 Milliarden keineswegs alarmierend. Der Rest ist normaler Kassenbedarf, insbesondere um den Eingang der Steuern zu überbrücken und den Ultimobedarf zu decken. Man muß schließlich auch daran denken, daß der Haushalt einen Betrag von über 12 Milliarden umfaßt, so daß ein gewisser Kassenhaltungsbedarf beim Bund genau so notwendig ist wie bei jedem privaten Unternehmen.
Ich darf nochmals die Bitte an das Hohe Haus richten, die Vorlage wegen der Eilbedürftigkeit heute in drei Lesungen zu verabschieden, soweit das geschäftsordnungsmäßig möglich ist.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die jetzt zur Beratung stehende Vorlage gilt das bekannte Wort, daß nichts so eilig sein könnte, als daß es durch Liegenlassen nicht noch eiliger werden würde. Ich finde, es ist ein etwas starkes Stück, dem Bundestag den Gesetzentwurf erst nach dem Auslaufen des Gesetzes vorzulegen, obwohl bekannt war, daß das vorläufige Haushaltsgesetz am 30. September ablaufen würde.
Dazu war überhaupt kein Grund vorhanden. Das Bundesfinanzministerium ist seit langem darauf aufmerksam gemacht worden, die Beratungen über den Haushalt 1950/51 würden unter keinen Umständen so fristgerecht vor sich gehen, daß etwa nicht mit der Verlängerung dieses Gesetzes zu rechnen ist. Ich weiß nicht, was man im Bundesfinanzministerium über eine korrekte Haushaltsführung gedacht hat, wenn man einfach die Dinge treiben ließ und es dahin brachte, daß wir praktisch seit dem 30. September einen haushalts-
und gesetzlosen Zustand haben.
Ich glaube trotz allen Verständnisses für die Schwierigkeiten einer Übergangsperiode, so kann man die Dinge nicht behandeln. Man muß schon darauf Wert legen, daß auch das Bundesfinanzministerium seinen Kalender zur Hand nimmt und an die ablaufenden Fristen denkt.
Meine Damen und Herren! Ich möchte im Namen meiner Fraktion dagegen Einspruch erheben, daß die Vorlage heute in allen drei Lesungen verabschiedet wird; nicht etwa, weil wir die Dringlichkeit dieses Gesetzes nicht einsehen würden. Aber ich glaube, es ist unmöglich, diese Vorlage zu behandeln, ohne im Haushaltsausschuß die schwerwiegenden Bedenken gründlich geprüft zu haben, die gegen einige Formulierungen des vorläufigen Haushaltsgesetzes vorgebracht worden sind. Ich denke dabei insbesondere an den § 8 des Gesetzes, in dem ein Kreditplafond festgesetzt wird, dessen Erhöhung man jetzt in der Verlängerungsvorlage fordert. Es gibt verschiedene Bedenken gegen die Formulierungen dieses § 8, die dahin gehen, daß er mit dem Wortlaut des Grundgesetzes nicht übereinstimme. Das Grundgesetz bestimmt in seinem Art. 115:
Kreditgewährungen und Sicherheitsleistungen zu Lasten des Bundes, deren Wirkung über ein Rechnungsjahr hinausgeht, dürfen nur auf Grund eines Bundesgesetzes erfolgen.
Aber für dieses Bundesgesetz wird bindend vorgeschrieben, daß im Gesetz die Höhe des Kredits oder der Umfang der Verpflichtungen, für die der Bund die Haftung übernimmt, bestimmt sein müssen. Dem entspricht die jetzige Formulierung des vorläufigen Haushaltsgesetzes nicht. Es .ist unmöglich, heute in drei Lesungen über ein Gesetz abzustimmen, gegenüber dem z. B. der Bundesschuldenausschuß eine Reihe von Vorbehalten zu machen hat. Ich schlage deshalb vor, daß wir heute eine erste Lesung durchführen, dann das Gesetz dem Haushaltsausschuß überweisen und in der nächsten Woche die zweite und dritte Lesung vornehmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Nöll von der Nahmer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Auch für mich und meine Freunde ist nicht der geringste Zweifel daran möglich, daß es undenkbar ist, ein Gesetz von dieser Tragweite hier in drei Lesungen zu verabschieden, wie wir es vorhin ausnahmsweise einmal bei der Änderung der Gewerbeordnung in einem ganz klarliegenden Falle getan haben. Ich bedauere, daß von Regierungsseite ein solcher Antrag gestellt worden ist. Man versteht nicht recht, was sich die Regierung eigentlich dabei gedacht hat. Meine Damen und Herren! Ich bedauere es, daß ich leider nicht in der Rolle des Oppositionellen hier stehen kann.
— Das ist ja nun nicht zu machen.
Aber meine Freunde fassen die Stellung als Koalitionspartei nicht so auf, daß wir in einem Falle, wie er hier vorliegt, nicht sehr offen der Regierung gegenüber unsere abweichende Auffassung mit allem Nachdruck zum Ausdruck bringen sollten. Wir haben uns wiederholt gegenüber unserer — wie ich leider hier sagen muß — Regierung dagegen verwahrt, daß dieses Haus immer wieder im letzten Moment zu Gesetzesvorlagen Stellung nehmen muß, wenn eine Frist abläuft.
Meine Fraktion ist nicht gewillt, weiter zu dulden, daß das, was sie als Regierungspartei sagt, anscheinend bei der Regierung nicht gehört wird.
Dieser Zustand ist unerträglich. Ich bedauere, daß hier kein verantwortlicher Minister zugegen ist.
Wir lassen uns als Regierungspartei solche Dinge nicht länger gefallen.
Das Vertrauen in die Regierungsarbeit muß aufs schwerste gestört werden, wenn bei der Regierung anscheinend so wenig Vorsorge und vorausschauende Planung vorhanden ist, daß man für ein am 30. September ablaufendes Gesetz dem Hohen Hause am 28. September die entsprechende Vorlage macht. Es war seit Monaten vorauszusehen, daß wir bis zum 30. September den Haushalt nicht würden verabschieden können. Der Haushaltsausschuß muß sich in der nächsten Woche überlegen, ob wir die Haushaltsberatung bis zum 31. Dezember werden abschließen können. Ich hoffe, daß die Regierung sich schon heute — —
- ja, das ist die offene Frage, über die wir uns dann im Haushaltsausschuß unterhalten müssen. Aber ich hoffe, daß auch die Regierung nun nicht wieder wartet bis zum 18. Dezember, wenn hier die Weihnachtspause einsetzen soll, sondern sich rechtzeitig überlegt, wie die Situation ist, wenn bis zum 31. 12. die Sache nicht erledigt ist.
Meine Damen und Herren! Eine Krediterhöhung um 500 Millionen wird beantragt. Wenn man einmal Banker gewesen ist, hat man auch in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts noch eine große Achtung für den Tausendmarkschein. 500 Millionen Krediterhöhung! Ich darf darauf hinweisen, daß diese Kredite ja auch Zinsen kosten. Unser Schuldenhaushalt sieht jetzt schon eine Zinsensumme von 150 Millionen vor. So einfach ist das also nicht, hier einfach 500 Millionen zu bewilligen. Diese Bewilligung kostet auch Zinsen. Wir werden im Haushaltsausschuß vom Herrn Bundesfinanzminister genaue Aufklärung fordern, wie sich seine Kreditoperationen in den letzten Monaten vollzogen und entwickelt haben. Es wird behauptet, daß im Schuldenausschuß bereits schwere Bedenken zum Ausdruck gebracht worden sind hinsichtlich gewisser Manipulationen, die hier durchgeführt worden sind.
Wir wünschen über diese Dinge absolute Klarheit gerade als Regierungspartei, die wir die Verantwortung mittragen. Wir werden auf der anderen Seite selbstverständlich gern dafür geradestehen, ,daß die nötigen Mittel für die notwendige Anreicherung der Vorräte zur Verfügung stehen. Aber wir wünschen vorher absolute und restlose Klarheit über die ganze Kreditlage.
Wir haben mit Erstaunen in der Begründung gelesen, daß in dem halben Jahr, das seit Beginn des Haushaltsjahres verflossen ist, immer noch keine Klarheit über die Zahlungen der Länder an den Bund zur Abdeckung des Haushaltsdefizits für das Haushaltsjahr 1949 geschaffen worden ist. In unseren Kreisen ist kein Zweifel mehr darüber, daß eben die Dinge immer schwieriger werden, weil die elf Länder teilweise nicht leistungsfähig und nicht in der Lage sind, diese Beträge aufzubringen. Das sind sehr grundsätzliche Fragen!
Leider scheinen auch meine Voraussagen eingetroffen zu sein, die ich schon bei der letzten Etatberatung machte, daß wohl auch die Bundesbahn kaum in der Lage gewesen ist, die Zahlungen zu leisten, die sie nach dem Haushaltsplan leisten soll. Das sind alles Fragen von sehr großer, grundsätzlicher Bedeutung. Es ist falsch, zu Blaubei, daß diese Fragen sich von selbst lösen würden! Nein, diesen Problemen muß man ganz offen ins Auge sehen. Man muß dann auch den Mut haben, daraus die Konsequenzen zu ziehen, die sich zwangsläufig ergeben. Wir sind dafür und werden dafür stimmen, daß dieses Gesetz dem Haushaltsausschuß überwiesen wird. Wir werden uns gern dafür einsetzen, daß die Beratungen im Haushaltsausschuß so rasch wie möglich durchgeführt werden. Aber daß dieses Gesetz mit seiner großen Bedeutung einer ganz eingehenden Beratung bedarf, das unterliegt für meine Freunde keinem Zweifel.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist damit geschlossen.
Es ist der Antrag gestellt worden, den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1950 — Nr. 1401 der Drucksachen — dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Wuermeling, Arnholz, Gaul, Farke, Dr. Falkner, Pannenbecker, Paschek und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung .
— Das Wort hat zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Seelos.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur geschäftlichen Entlastung des Bundestages erscheint es mir zweckmäßig, daß alle bereits gestellten Anträge, die auf die Aufhebung dieser Kürzung gehen, hier mit erledigt werden. Sonst müßten wir sie nochmals vor das Plenum bringen. Es ist also ein dahingehender Antrag der SPD und ein Antrag der Bayernpartei Nr. 1379 der Drucksachen. Vielleicht hat noch eine Partei einen gleichen Antrag gestellt, so daß diese Anträge mit als erledigt erklärt werden können, wenn die Vorlage angenommen ist.
Meine Damen und Herren, das ist nicht ganz einfach durchführbar, weil die genannten verschiedenen Anträge heute nicht auf der Tagesordnung stehen. Wenn aber das Haus damit einverstanden ist, dann wird es nach meiner Meinung möglich sein, nachher den Beschluß so zu fassen, daß man die bereits zu dem gleichen Sachverhalt gestellten Anträge mit diesem Antrag dem Ausschuß überweist oder als überwiesen ansieht. Würden Sie mit dieser Form einverstanden sein, Herr Abgeordneter Dr. Seelos?
— Es wird wahrscheinlich ein Antrag auf Ausschußüberweisung gestellt werden; dann überweisen wir die Anträge mit. Vielleicht wiederholen Sie nachher in diesem Zusammenhang Ihren Antrag.
Meine Damen und Herren, ich glaube, dann können wir in die Beratung eintreten. Wer begründet für die Antragsteller? — Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Gegensatz zu der Regelung, die sich infolge der Wandlungen aller Umstände inzwischen für alle anderen Berufsstände entwickelt hat, befinden sich die Gehaltssätze der Beamten heute noch auf der Basis des Jahres 1927, und zwar bei den Bundesbeamten mit der Maßgabe, daß sie noch bis heute um 6 % gekürzt werden. Es bedarf keiner näheren Darlegung, wie dringend es unter den heutigen Verhältnissen ist, diese seit 1930 bestehende Gehaltskürzung endlich aufzuheben, trotz der Folgen, die eine solche Aufhebung für den Haushaltsplan des Bundes hat. Diese Notwendigkeit ist um so mehr gegeben, als sämtliche Länder diese Gehaltskürzung von 6% aus der Brüningschen Notverordnung bereits vor einigen Monaten aufgehoben haben. Wir haben jetzt den Zustand, daß lediglich die Gehälter der Bundesbeamten noch der Kürzung von 6% unterliegen, was schon wegen des Vergleichs mit den Landes- und Gemeindebeamten, denen gegenüber sie natürlich nicht schlechter gestellt werden können, untragbar ist. Insbesondere ist die Aufhebung der Kürzung wichtig wegen der zahlreichen Beamten in den unteren und mittleren Stufen bei der Bundespost und bei der Bundesbahn, wenn diesen auch zwischenzeitlich gewisse Teuerungszulagen gegeben worden sind.
Meine Damen und Herren! Wenn die Aufhebung der Gehaltskürzung für die Bundesbeamten bisher noch nicht erfolgt ist, so beruhte das auf der vielfach sehr bedauerten Koppelung mit der Verabschiedung des Gesetzes nach Art. 131 des Grundgesetzes. Der Grund für diese Koppelung war der, daß man sich sagte, man könne schlecht den aktiven Beamten, die bereits ihre Gehaltsbezüge haben, den Betrag der sechsprozentigen Gehaltskürzung — wenn die Aufhebung der Kürzung auch noch so notwendig ist — zukommen lassen, ohne gleichzeitig den vertriebenen Beamten, die zumeist noch nicht wieder in ihren Rechtsstatus eingesetzt sind, ihr Recht werden zu lassen. Diese Gesichtspunkte haben zu einer Verzögerung der Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung geführt.
Inzwischen hat nun der Herr Bundesfinanzminister im Haushaltsausschuß am 26. September erkennen lassen, daß er Widerspruch gegen die Aufhebung der sechsprozentigen Kürzung jetzt nicht mehr erheben werde, so daß das Parlament die Anwendung des Art. 113 der Verfassung nicht mehr zu befürchten braucht. Hiermit war also auch rein verfassungsrechtlich der Weg dafür freigegeben, die Gehaltskürzung nunmehr aufzuheben. Der Finanzminister hat dem Haushaltsausschuß vorgeschlagen, die Aufhebung der Kürzung im Verwaltungswege in der Form vorzunehmen, daß mit Ermächtigung des Haushaltsausschusses die Kürzungsbeträge mit Wirkung vom 1. Oktober gewissermaßen vorschußweise ausgezahlt werden sollen. Der Beamtenrechtsausschuß hat sich dieser Tage mit der Frage ebenfalls befaßt mit dem Ergebnis, daß er dieser Regelung zustimmt. Man hielt
es aber in beiden Ausschüssen für besser, diese Aufhebung der Kürzung nicht nur im Verwaltungswege vorzunehmen, sondern ihr eine klare gesetzliche Fundierung zu geben. Aus diesen Erwägungen ist der Ihnen heute vorliegende Urantrag entstanden, der jetzt zur Beratung steht.
Inzwischen hat nun aber auch, nachdem unser Urantrag am 29. September gestellt war, der Herr Finanzminister mit einer Vorlage vom 30. September beim Haushaltsausschuß die förmliche Genehmigung zur vorschußweisen Auszahlung der Kürzungsbeträge beantragt. Der Haushaltsausschuß hat dieser Regelung zugestimmt, teilweise allerdings mit dem Untergedanken, daß die gesetzliche Regelung noch nachfolgen müsse. Diese gesetzliche Neuregelung, die Ihnen zur Beschlußfassung vorliegt, erfolgt nun ohne die Koppelung mit dem Art. 131 des Grundgesetzes bzw. mit dem dazu vorgesehenen Ausführungsgesetz.
Die von mir vorher geschilderten Bedenken gegen die Aufhebung dieser Kürzung glauben wir jetzt fallenlassen zu können, weil wir doch damit rechnen, daß die Regelung des Art. 131 des Grundgesetzes, mit der der Beamtenrechtsausschuß aufs intensivste befaßt ist, nun in kurzer Frist wird in Kraft treten können.
Es bleibt jetzt lediglich noch eine Frage zu behandeln, da man sich ja materiell allgemein über die Notwendigkeit der Aufhebung der Kürzung klar und die Aufhebung durch die Verwaltungsanordnung tatsächlich bereits erfolgt ist, nämlich die Frage der Anrechnung der Teuerungszulagen bei der Aufhebung der Kürzung. In dieser Hinsicht schafft der Gesetzentwurf, den wir vorgelegt haben, keine Klarheit. Die einen legen den Entwurf dahin aus, daß die Anrechnung der bisher gewährten Teuerungszulagen erfolgen solle, die anderen legen ihn dahin aus, daß die Anrechnung nicht erfolgen solle. Bei dieser Sachlage und nachdem die Aufhebung der Kürzung tatsächlich schon in Gang gesetzt worden ist, glaube ich, daß es richtig ist, die Vorlage doch noch dem Beamten-rechtsausschuß und dem Haushaltsausschuß zu überweisen, damit hinsichtlich dieser Frage in gemeinsamer Beratung mit dem Finanzministerium eine Klärung erfolgen kann. Wir bleiben aber dabei, daß die Koppelung mit Art. 131 nicht mehr stattfindet, und möchten auch ausdrücklich hinzufügen, daß nach Auffassung des Beamtenrechtsausschusses eine Präjudizierung der Frage der dreiprozentigen Gehaltskürzung, die von der Regierung vorgeschlagen wurde, durch die hier vorgesehene Beschlußfassung nicht erfolgt. Es wird also jetzt weder für noch gegen die dreiprozentige Gehaltskürzung im Zusammenhang mit der Durchführung des Art. 131 des Grundgesetzes irgend etwas gesagt.
Ich darf Ihnen, meine Damen und Herren, entgegen der vorgesehenen Tagesordnung, also den Vorschlag machen, den Gesetzentwurf doch noch den beiden genannten Ausschüssen zur Klärung der Frage der Anrechnung der Teuerungszulagen zu überweisen. Eine längere Beratung wird ja hier nicht erforderlich sein.
Damit ist der Antrag begründet. Der Ältestenrat hat vorgesehen, eine weitere Debatte nicht stattfinden zu lassen. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich darf also die Aussprache als beendet ansehen.
Durch den Antrag des Herrn Antragstellers auf Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß ist gleichzeitig gegen eine Verbindung der ersten,
zweiten und dritten Beratung Widerspruch erhoben. Ich lasse über den Antrag auf Ausschußüberweisung abstimmen und bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. Das erste war die Mehrheit. Die Ausschußüberweisung ist also beschlossen.
Zur Klärung möchte ich feststellen, daß der Herr Antragsteller die Überweisung an den Ausschuß für Beamtenrecht als federführenden Ausschuß und gleichzeitig an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung beantragt hat. Ich nehme die Zustimmung des Hauses zu dieser Regelung an.
Damit ist Punkt 7 der Tagesordnung erledigt. Wir kommen nunmehr zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Ablauf der durch Kriegs- oder Nachkriegsvorschriften gehemmten Fristen .
Eine Debatte ist hierzu nicht vorgesehen. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Es ist die Überweisung der Vorlage an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht beantragt. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag auf Ausschußüberweisung zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung von Vorschriften über das
Schiffsregister .
Auch hier ist keine Aussprache vorgesehen. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Es ist die Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Verkehrswesen zur Mitbearbeitung beantragt. Ich bitte diejenigen, die diesem Überweisungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes .
Auch hier hat der Ältestenrat keine Debatte vorgesehen. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Es ist die Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung beantragt. Ich bitte diejenigen, die dieser Überweisung zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über Rheinschifferpatente .
Auch in diesem Falle ist vom Ältestenrat vorgesehen, von einer Debatte abzusehen. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Es ist die Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen beantragt. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist demgemäß beschlossen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
eines Gesetzes über die Anerkennung von
Nottrauungen ; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) (Nr. 1362 der Drucksachen).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Schatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Vertretung des Herrn Kollegen Dr. Weber habe ich namens des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über den Entwurf eines Gesetzes über die Anerkennung von Nottrauungen zu berichten. Kaum irgendwo haben der Krieg, die Nachkriegszeit und die damit zusammenhängenden Auflösungserscheinungen einen solchen Wirrwarr hervorgerufen wie auf dem Gebiet des Familienwesens. Das Hohe Haus hat erst vor kurzem ein Gesetz über die Anerkennung freier Ehen rassisch und politisch Verfolgter verabschiedet. Dieses Gesetz war ein Ordnungsgesetz, indem es endlich einmal auf diesem Gebiet einen Schlußstrich unter die verworrenen Verhältnisse auf dem Gebiet des Familienwesens gezogen hat. Auch das vorliegende Gesetz hat keinen anderen Grund als den, endlich hier eine Bereinigung herbeizuführen, um klare Verhältnisse auf dem Gebiet des Familienwesens zu schaffen.
Der Regierungsentwurf hat in seiner Begründung mit Recht angeführt, daß nach 1945 eine Menge deutscher Personen aus den Ostgebieten nach Dänemark in Läger verschleppt oder deportiert worden ist. Dort haben viele Deutsche geheiratet, und zwar vor irgendeinem ehemaligen deutschen Standesbeamten, nachdem die dänische Regierung hierzu ihre Zustimmung gegeben hatte. Auf der anderne Seite sind viele Deutsche in Norwegen festgehalten worden. Sie haben dort noch vor den richterlichen Militärjustizbeamten geheiratet, die während des Krieges das Recht hatten, Trauungen vorzunehmen, aber mit dem Eintritt der Kapitulation dazu nicht mehr befähigt waren. Der Großteil der Ehen, die hier in Beacht kommen, sind in den Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie vor Geistlichen geschlossen worden, die zum Teil auf Grund eines Dorfrechts möglicherweise — was aber sehr bestritten ist -
das Recht gehabt haben, rechtsgültige Ehen zu schließen. Ein Teil dieser Leute ist dort vor nicht zuständigen Beamten oder nicht zuständigen deutschen Personen eine Ehe eingegangen, die nicht rechtsgültig ist, und zwar deshalb nicht, weil das deutsche Recht nur eine Eheschließung vor dem zuständigen Trauungsbeamten, das ist der Standesbeamte, kennt.
In Verfolg dieser Bereinigung haben die deutschen Bundesländer, mit Ausnahme von Südbaden und Württemberg-Hohenzollern, bereits Gesetze geschaffen, die die Rechtsgültigkeit dieser Ehen herbeiführen. Im Anklang hieran hat nun, nachdem das Eherecht Bundesrecht geworden ist und diese Ländergesetze mit Ablauf des Dezembers ihre Befristung beenden, die Regierung ein kodifiziertes Bundesgesetz vorgelegt, das der Rechtsausschuß in seiner Sitzung vom 20. September eingehend behandelt hat. Er hat vor allem die grundsätzliche Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit dieses Gesetzes bejaht.
Der Entwurf der Regierung spricht immer von Scheinehen. Diese Ehen sind aber nicht nur keine Scheinehen, sondern rechtlich sind sie Nichtehen,
da sie rechtlich nicht existent geworden sind. Die Ehefrau eines solchen etwa in Norwegen, Dänemark oder in den Ostgebieten verheirateten Mannes trägt mit Unrecht den Namen dieses Mannes; die Kinder, die etwa aus einer solchen Ehe hervorgegangen sind, sind uneheliche Kinder. Kurzum, wenn ein Mann oder eine Frau aus einer solchen Ehe wieder geheiratet hat, so haben sie sich durchaus nicht des Vergehens der Doppelehe schuldig gemacht, weil sie überhaupt nicht verheiratet gewesen sind.
Sie werden einsehen, meine Damen und Herren, daß hier eine Bereinigung dringend erforderlicht ist. So hat das Gesetz in sieben Paragraphen einfach, klar, aber auch mit der notwendigen und genügenden Kontrolle ein Verfahren erarbeitet, das, wie ich schon sagte, in starkem Anklang an die Ländergesetze ausgearbeitet ist.
In § 1 ist festgelegt, daß eine solche rechtsungültige Ehe gültig wird, sobald sie in das Familienbuch des Hauptstandesamtes in Hamburg eingetragen ist. Man hat dieses Standesamt deshalb gewählt, weil die Ländergesetze bisher schon dieses Standesamt aufgeführt haben. Die Ehe wird rückwirkend gültig, d. h. von dem Zeitpunkt, wo sie als rechtsunwirksame Ehe irgendwo in Norwegen, in Dänemark oder in den Ostgebieten geschlossen worden war. In Abs. 2 ist aber festgelegt, daß die Güterrechtsverhältnisse erst mit dem Zeitpunkt der Eintragung in Kraft treten, und zwar deshalb, weil man unmöglich die Güterrechtsverhältnisse von Ehegatten oder von Ehegatten zu Dritten, oder eines Ehegatten zu Dritten, rückwirkend gestalten kann.
§ 2 sagt: Antragsberechtigt ist allgemein jeder Ehegatte oder, wenn beide Ehegatten verstorben sind, jedes gemeinschaftliche Kind. Der Standesbeamte, sagt Abs. 2, hat aber zu prüfen, ob nicht ein Eheverbot gegen die Eintragung besteht, denn die absoluten Ehehindernisse müssen selbstverständlich auch hier beachtet werden.
In § 3 ist festgelegt, daß die Eintragung nur erfolgen darf, wenn eine Urkunde des seinerzeit nichtberechtigten deutschen Beamten oder der Militärpersonen, des Kriegsgerichtsrats, oder wer immer da tätig gewesen sein mag, vorliegt. Man ist absichtlich davon ausgegangen, daß kein Unfug mit eidesstattlichen Versicherungen etwa hier Platz greifen darf, wenn irgendjemand behauptet, daß er am Soundsovielten in Dänemark oder in Norwegen oder in den Ostgebieten vor dem X. X. getraut worden sei, sondern es muß eine Urkunde von der Person vorliegen, die diese Trauung seinerzeit, wenn auch zu Unrecht, geschlossen hat.
§ 4 regelt die Verhältnisse, die eintreten, wenn einer der Ehegatten aus einer solchen rechtsunwirksamen Ehe sich später rechtsgültig verheiratet hat. Diese Möglichkeit besteht durchaus und vor allen Dingen deshalb, weil viele Leute erst später darauf gekommen sind, daß sie überhaupt nicht verheiratet waren. Hier bestimmt das Gesetz, daß trotzdem die Eintragung einer solchen Ehe möglich ist, auch rückwirkend von dem Tage des Abschlusses der rechtsungültigen Ehe, die aber gleichzeitig mit der Eingehung der neuen Ehe aufgelöst wird. Das ist aber deshalb gemacht worden, weil z. B. die sich nicht wieder verheiratenden Frauen — sagen wir mal, ein Mann hat geheiratet — mindestens in fürsorgemäßiger, in unterhaltsmäßiger Beziehung sichergestellt werden müssen. Hier greifen die Bestimungen des Ehegesetzes vom Jahre 1946 ein.
In § 4 Abs. 2 ist weiter festgelegt, was geschieht, wenn ein Mann, der sich verheiratet hat, zunächst glaubte, rechtsgültig verheiratet zu sein, und später vor einem richtigen deutschen Standesamt wieder geheiratet hat. Hier wird angenommen — das ist die Folgerung —, daß die erste, rechtsungültige Ehe ohne Schuldausspruch geschieden worden wäre, und dann greifen die Bestimmungen des Ehegesetzes über Unterhalt, Versorgung für die Kinder usw. Platz.
In § 6 ist festgelegt, wie die Fristen für die Anträge laufen. Zunächst hat der Regierungsentwurf vorgesehen, daß mit Ablauf des Jahres 1950 die Möglichkeit der Antragstellung ausläuft. Wir haben uns aber im Rechtsausschuß zu der Meinung durchgerungen, daß dieses Gesetz ja frühestens Ende Oktober rechtskräftig wird und so im günstigsten Falle nur für zwei Monate die Möglichkeit besteht, daß ein Beteiligter Anträge stellen könnte. Nachdem nach den bisherigen Ländergesetzen die Beteiligten mindestens ein Jahr Frist hatten, wäre es ungerecht, wenn man diese Frist auf zwei Monate beschränken würde. Deshalb hat der Ausschuß sich auf den Standpunkt gestellt, daß die Antragsfrist mit dem 31. Dezember 1951 abläuft. Kriegsgefangene können aber innerhalb eines Jahres von dem Tage ab, an dem sie auch in Zukunft aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehren, diesen Antrag stellen.
Nun hat der Bundesrat, der das Gesetz als solches gebilligt hat, zu § 6 einen Abs. 2 für notwendig gehalten, um die Fälle zu regeln, die etwa eintreten, wenn ein deutscher Kriegsgefangener, der geheiratet hatte, stirbt oder wenn er nachher für tot erklärt wird, und wenn etwa die Mutter auch stirbt und gemeinschaftliche Kinder aus dieser nicht rechtsgültigen Ehe vorhanden sind. Hier haben wir in Abs. 2 eine Bestimmung getroffen, die ein erweitertes hinausgezogenes Antragsrecht für die gemeinschaftlichen Kinder regelt. Hier mußten wir aber auch gegen den Entwurf des Bundesrates die Zeitdauer von 1950 auf 1951, und den Tod der Ehefrau von 1951 auf 1952 verlegen, eine analoge Angelegenheit, die weiterer Begründung nicht bedarf.
Meine Damen und Herren! Der Rechtsausschuß hat das Gesetz, wie ich schon sagte, eingehend geprüft und hat es einstimmig angenommen, einstimmig auch in bezug auf die kleinen Abänderungen in § 6 Abs. 2.
Ich habe Sie, meine Damen und Herren, zu bitten, durch Ihre Zustimmung zu diesem Gesetz auch Ihr Teil dazu beizutragen, daß wir auf dem Gebiet der Bereinigung des verworrenen Familienwesens wieder einen Schritt weiterkommen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe au die §§ 1 bis 7. Wer den aufgerufenen Paragraphen in der vorliegenden Fassung zustimmt, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist demgemäß so beschlossen.
Ich rufe auf Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist ebenfalls die Mehrheit. Es ist so beschlossen. Damit ist die zweite Beratung des Gesetzes abgeschlossen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in der in zweiter Lesung beschlossenen Fassung zustimmt, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Damit ist das Gesetz in der soeben beschlossenen Fassung in dritter Beratung angenommen.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen über den Antrag der Abgeordneten Goetzendorff und Genossen betr. Fahrpreisermäßigung für Heimatvertriebene.
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Das Wort hat zur Berichterstattung Herr Abgeordneter Leonhard.
Meine Damen und Herren! Vor Ihnen liegt die Drucksache Nr. 883, Antrag des Abgeordneten Goetzendorff und Genossen betreffend Fahrpreisermäßigung für Heimatvertriebene. Mit dieser Drucksache wurde beantragt, die Bundesregierung zu ersuchen, zu veranlassen, daß Heimatvertriebenen gegen Vorlage ihres Flüchtlingsausweises auf allen Strecken der Deutschen Bundespost eine 50%ige Fahrpreisermäßigung gewährt wird. Der Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen hat sich in seiner Sitzung am 31. Mai 1950 und erneut in seiner Sitzung am 14. September 1950 eingehend mit diesem Antrag befaßt. Leider hatte der Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen nicht das Vergnügen, die mündliche Begründung des Antragstellers, des Herrn Abgeordneten Goetzendorff, entgegenzunehmen, obwohl sich dieser zur Zeit der Sitzung im Hause befand
und zu dieser Sitzung schriftlich und unmittelbar vor der Sitzung noch einmal telefonisch eingeladen wurde.
Der Ausschuß bedauerte dies in Anbetracht der Bedeutung des Antrags sehr.
Das Problem der Fahrpreisermäßigung wurde gründlich beraten und von allen Seiten beleuchtet. Die Mitglieder des Auschusses hatten volles Verständnis für die Belange der Heimatvertriebenen, jedoch konnte der Ausschuß nicht diesem Antrag zustimmen, dem erwähnten Personenkreis eine 50%ige Fahrpreisermäßigung auf den Strecken der Bundespost zu gewähren. Dies würde dazu führen, daß auch für Geschäfts- und Vergnügungsreisen jeder gegen Vorzeigung des Flüchtlingsausweises in den Genuß dieser Ermäßigung käme, und zwar auch bei guten Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Gegenüber all den Ausgebombten, Kriegs- und Währungsgeschädigten, Arbeitslosen, Fürsorge- und Unterstützungsempfängern und sonstigen Bedürftigen wäre dies ein großes Unrecht. Auch die Postverwaltung konnte sich nicht entschließen, dem Antrag zuzustimmen, da sie finanziell nicht in der Lage ist, so weitgehende Vergünstigungen zu gewähren.
Der Heimatvertriebenenausschuß hat sich mi diesem Antrag ebenfalls befaßt, diesen gutgeheißen und sich einstimmig dafür ausgesprochen, daß den Flüchtlingen bei der Post die gleichen Vergünstigungen gewährt werden, wie dies gegenüber den Heimatvertriebenen auf den Eisenbahnlinien der Bundesbahn geschieht. Es muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß es sich bei den Ermäßigungen für Flüchtlinge durch die Bundesbahn im wesentlichen darum handelt, den Vertriebenen die Möglichkeit zu geben, ihre durch die Vertreibung aus der Heimat und Unterbringung im Bundesgebiet oft weit auseinandergerissenen und noch voneinander getrennt lebenden Verwandten zu besuchen. Diese Funktion wird in der Regel der Postomnibusverkehr nicht erfüllen können. Aus diesen und auch aus finanziellen sowie verkehrstechnischen Gründen lehnt es auch die Bundesbahn ab, auf den von ihr betriebenen Kraftwagenlinien die gleiche Vergünstigung zu gewähren, wie sie diese den Vertriebenen bei der Eisenbahnbeförderung eingeräumt hat.
Der Verkehrsausschuß befaßte sich in seiner Sitzung vom 7. Juni 1950 ebenfalls mit dem Antrag Goetzendorff und Genossen auf 50%ige Fahrpreisermäßigung der Heimatvertriebenen bei der Deutschen Bundespost und schloß sich einstimmig der ablehnenden Haltung des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen an.
Im Namen des Ausschusses bitte ich deshalb das Hohe Haus, den Antrag Nr. 883 der Abgeordneten Goetzendorff und Genossen entsprechend der Drucksache 1358 abzulehnen.
Meine Damen und Herren! Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist also geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 1358 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist zweifellos die Mehrheit. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe nun Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts des Ausschusses für den Lastenausgleich über den Antrag der Abgeordneten Dr. Etzel (Bamberg), Dr. Besold, Dr.-Ing. Decker und Fraktion der Bayernpartei betreffend Änderung der Anordnung nach § 73 des Soforthilfegesetzes vom 8. August 1949 (WiGBl. S. 214) (Nr. 1359 und 957 der Drucksachen).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Matzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Auftrag, für den 17. Ausschuß des Deutschen Bundestages über den Antrag unter Drucksache Nr. 957 und seine Behandlung Bericht zu erstatten, und kann hierbei feststellen, daß Ihnen unter Drucksache Nr. 1359 ein zwar kurzer, aber eingehender schriftlicher Bericht vorliegt. Ich nehme an, daß Sie diesen schriftlichen Bericht zur Kenntnis genommen haben, und kann mich deshalb in aller Kürze darauf beschränken, in einigen Sätzen den Kern für alle die herauszuschälen, die infolge anderweitiger Inanspruchnahme bisher nicht Gelegenheit hatten, den Bericht zu lesen.
Es handelt sich bei diesem Antrag darum, daß jenen Besatzungsgeschädigten, die am gleichen Wohnort geblieben sind, aber durch die Anordnung der Besatzungsmächte auch aus ihrer Wohnung herausmußten, die gleichen Vergünstigungen zu gewähren sind, die den Geschädigten nach dem Soforthilfegesetz zukommen. Gestützt war dieser Antrag auf eine Bestimmung, die den § 73 des
Soforthilfegesetzes dahin auslegte, daß auch Besatzungsgeschädigten in besonderen Fällen diese Gleichstellung zukommen kann.
Wir müssen hier feststellen, daß es sich bei dieser Gruppe nur um einen relativ kleinen Personenkreis handelt, und zwar um jene, die man den Heimatvertriebenen infolge ihrer besonderen Lage gleichstellen kann. Ich erinnere hier an die Räumung der Insel Helgoland, an die Evakuierten aus dem Gebiet Thüringen und andere Fälle. Das trifft aber bei den Besatzungsgeschädigten, die am gleichen Wohnort geblieben sind, also nur ihre Wohnung räumen mußten und für diese eine gleichartige Wohnung und eine, wenn auch nur kleine Entschädigung dafür bekommen haben, nicht zu.
Ich darf Sie vielleicht auch bei dieser Gelegenheit darauf verweisen, daß sich dieses Hohe Haus immer auf den Standpunkt gestellt hat, daß Anordnungen zur Vergrößerung des Personenkreises im Wege der Abänderung des Gesetzes nicht gangbar sind, ohne das Aufkommen und die zur Verfügung stehenden Mittel dadurch allzustark in Anspruch zu nehmen.
Im Verlaufe der Verhandlungen des Ausschusses war auch von seiten der Antragsteller die Absicht zu erkennen, daß sie durchaus nicht gewillt waren, eine Gleichstellung im Sinne des Soforthilfegesetzes herbeizuführen. Es kam dabei klar heraus, daß es sich nur um eine Vergünstigung für den Neubau von Wohnungen handeln kann. Das wurde berücksichtigt, und inzwischen hat auch die antragstellende Bayernpartei unter Drucksache Nr. 1407 in Anerkennung dieses Umstandes, daß man auf das Soforthilfegesetz wohl kaum warten kann, einen neuen Antrag gestellt, der an die zuständige Stelle — ich nehme an, an den Wohnungsausschuß - verwiesen wird, wo er an der richtigen Stelle zu behandeln ist.
Deswegen möchte ich Sie im Namen des Ausschusses bitten, den Antrag der Bayernpartei unter Drucksache Nr. 957 abzulehnen und sich damit der Ansicht des Ausschusses anzuschließen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Für die Aussprache zu diesem Gegenstand hat der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vorgesehen. — Da kein Widerspruch erhoben wird, stelle ich das Einverständnis des Hauses mit dieser Regelung fest.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Etzel .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe bereits in der Sitzung des 17. Ausschusses die Gründe dargelegt, die uns zu der Einbringung des Antrages veranlaßt haben. Ich habe die damals im Ausschuß vor allem seitens des Herrn Vertreter,; des Bundesfinanzministers geltend gemachten Gegenargumente bekämpft. Ich stehe auf dem Standpunkt, den ich damals im Ausschuß eingenommen habe, ohne daß ich beabsichtige, die Einwendungen hier zu wiederholen. Ich kann mich zu einer solchen Beschränkung meiner Ausführungen um so eher bewogen fühlen, als der Bericht des 17. Ausschusses selbst anerkennt, daß die endgültige Regelung der Stellung der durch Anordnungen der Besatzungsmächte Geschädigten, also der Besatzungsverdrängten, tunlichst bald durch besondere Bundesgesetzgebung zu erfolgen hat. Eine solche positive Auffassung des Ausschusses begrüße ich.
Ich möchte hier nur den Appell an die Bundesregierung richten, ihre Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren so zu beschleunigen, daß die Voraussetzungen für die deutsche Gesetzgebung in dieser Beziehung alsbald geschaffen werden. Wir möchten also mit anderen Worten, daß die Bundesregierung bzw. dieses Hohe Haus möglichst bald die Drucksache Nr. 958 erledigt, in der die entsprechenden Anregungen gemacht worden sind.
Wir haben uns weiterhin im Anschluß an den Standpunkt des 17. Ausschusses erlaubt, einen neuen Antrag einzubringen. Wir möchten der Hoffnung Ausdruck geben, daß er möglichst bald — er ist in der Drucksache Nr. 1407 enthalten — vom Ältestenrat vor das Plenum des Hauses gebracht werden kann; denn es handelt sich um den Schutz einer großen, über 3 Millionen Menschen umfassenden Bevölkerungsgruppe, die durch einseitige Maßnahmen der Besatzungsmächte oder in deren Auftrag durch deutsche Stellen in ihren Existenzgrundlagen und Lebensverhältnissen auf das stärkste in Mitleidenschaft gezogen ist, eine große Menschengruppe, die es bisher unterlassen hat, „die Wände", wie es im altgermanischen Recht heißt, „zu beschreien", damit man sie hört. Im Interesse dieser Geschädigten möchte ich noch einmal an das ganze Interesse des Plenums dieses Hohen Hauses appellieren.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kohl.
Meine Damen und Herren! Als die Frage im Ausschuß zur Debatte
stand, habe ich die Meinung vertreten, daß eine Erledigung der Angelegenheit in der Form, wie Herr Dr. Etzel glaubt die Dinge erledigen zu können, nicht möglich ist, weil das bedeuten würde, daß man ein Problem, das in seiner Gesamtheit beurteilt und bewertet werden muß, aus dem Zusammenhang reißt. Ich bezweifle dabei nicht, daß das Bestreben von Herrn Dr. Etzel darauf gerichtet war, den Besatzungsverdrängten zu helfen. Aber in der Zielsetzung und in den Endkonsequenzen würde nach unserer Auffassung dabei gerade das Gegenteil erreicht werden.
Was uns in diesem Zusammenhang besonders interessiert, das ist die Stellungnahme des Herrn Finanzministers zu diesem Fragenkomplex. Der Herr Finanzminister hat in einem Schreiben an den Ältestenrat mitgeteilt — das wurde im Ausschuß bei den Verhandlungen sehr eingehend erörtert —, daß er einen Gesetzentwurf in seiner Schublade liegen habe, der in dem Augenblick vorgelegt werden solle, wenn die Angelegenheit von den Alliierten in deutsche Zuständigkeit überwiesen worden sei.
Man kann zu dieser Frage eins sagen: Der Bundestag hat einem von uns eingereichten Gesetzentwurf, der in Zusammenarbeit mit dem Verband der Besatzungsgeschädigten und -verdrängten gestellt worden ist, zugestimmt. Im Haushaltsausschuß wurde erklärt, er könne deshalb nicht behandelt werden, weil die Zuständigkeitsfrage noch nicht geklärt sei. Der Herr Bundesfinanzminister — so wurde beispielsweise auf einer Tagung dieser Verbände in Frankfurt am Samstag zum Ausdruck gebracht — hat seinen Gesetzentwurf oder wenigstens die Grundzüge dazu bei den Verhandlungen mit den Hohen
Kommissaren zugrunde gelegt, ohne daß der Bundestag überhaupt Gelegenheit hatte, diese Grundzüge kennenzulernen.
Wir finden dieses Verfahren und dieses Verhalten des Herrn Bundesfinanzministers etwas sehr eigenartig. Denn die Besatzungsverdrängten und auch der Bundestag haben ein Recht darauf, zu wissen, nach welchen Grundsätzen ihre Rechtsansprüche bewertet werden sollen. Ich stelle das im Zusammenhang mit dieser Debatte ausdrücklich fest.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist damit geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 1359 zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war zweifellos die Mehrheit. Es ist also so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Zwischenstaatliche Regelung von sozialpolitischen Angelegenheiten (Nrn. 1360 und 876 der Drucksachen).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion betreffend die zwischentstaatliche Begelung von sozialpolitischen Angelegenheiten datiert vom 27. April dieses Jahres. Er ist in wiederholten Sitzungen der Ausschüsse für Arbeit und für Sozialpolitik Gegenstand der Erörterung gewesen. Im Laufe dieser Verhandlungen wurde der Antrag dahin erweitert, daß man sich auch mit dem Wiedereintritt Deutschlands in die Internationale Arbeitsorganisation beschäftigen solle. Dann wurde ein Bericht des Staatssekretärs Sauerborn vom Bundesarbeitsministerium über die Teilnahme der deutschen Vertretung an der letzten Tagung der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf entgegengenommen. Aus diesem Bericht wurde vor allen Dingen deutlich, inwieweit sich die deutsche Delegation, die ja zunächst nur als Beobachter an dieser Tagung teilnehmen konnte, mit der Frage eines Wiedereintritts Deutschlands in die Internationale Arbeitsorganisation in vorbereitender Weise beschäftigt hat. Der Bericht war in dieser Beziehung — das darf ich ausdrücklich feststellen — durchaus befriedigend.
Im Ausschuß wurde auch darüber gesprochen, daß in der Zwischenzeit ja auch schon internationale Verhandlungen und Abmachungen dieser Art von der Bundesregierung getroffen worden sind. Allerdings wurde auch darauf verwiesen, daß derartige Verhandlungen immer noch von der Zustimmung der Besatzungsmächte abhängig sind, die in der Direktive Nr. 3 vom 31. Mai 1950 ausdrücklich bestimmen, daß die Bundesregierung, sofern sie derartige Verhandlungen führen will, die Hohen Kommissare um die Zustimmung dazu ersuchen muß, daß derartige Abmachungen auch nach ihrer Unterzeichnung den
Hohen Kommissaren vorgelegt werden müßten und der üblichen Frist unterliegen, während deren sie abgelehnt werden können.
Die einmütige Auffassung des Ausschusses war; es kann nur erwünscht sein, daß die Bundesregierung die Ermächtigung bekommt, solche Abmachungen selbständig und ohne diese Bindungen schließen zu können. Als sich der Ausschuß das letzte Mal mit diesen Dingen beschäftigte, standen wir unmittelbar vor dem Bekanntwerden der New Yorker Beschlüsse. In der letzten Sitzung des Ausschusses ist auch mit Bezug auf die bereits getätigten Abmachungen und die wiederholte Teilnahme der deutschen Bundesrepublik an derartigen Verhandlungen, auch als Beobachter, darauf hingewiesen worden, daß dieser Antrag dadurch schon zum Teil offene Türen einrenne und daß man vermuten dürfe, daß uns durch die New Yorker Beschlüsse weitere wesentliche Erleichterungen auf diesem Gebiet zuteil werden würden.
In der Vergangenheit sind Abmachungen getroffen worden, die die Arbeitsbedingungen und die soziale Sicherheit auf dem Gebiete der Rheinschiffahrt betreffen. Im vorigen. Monat ist ein Abkommen mit der französischen Regierung über die gleichen Fragen unterzeichnet worden. Es werden in aller Kürze, nachdem die Hohen Kommissare ihre Zustimmung dazu bereits gegeben haben, auch Verhandlungen mit den Niederlanden, mit Österreich, Großbritannien, Belgien und Luxemburg aufgenommen werden.
Der Ausschuß hat trotzdem geglaubt, die Entschließung, die dem Hause mit Drucksache Nr. 1360 heute unterbreitet wird, fassen zu sollen. Er hat es trotz der Anerkennung der bisherigen Initiative der Bundesregierung und obschon der Ausschuß davon überzeugt war, daß in der weiteren Auswirkung der letzten Beschlüsse weitere Erleichterungen kommen würden, für zweckmäßig befunden, dem Hause zu empfehlen, die Entschließung in dem vorliegenden Wortlaut anzunehmen.
Ich darf dabei auch der Überzeugung Ausdruck geben, die das Haus wahrscheinlich mit mir teilt, daß die Bundesregierung im Zuge der Besprechungen, die über die Auswirkung der New Yorker Beschlüsse jetzt mit den Hohen Kommissaren zu führen sind, auch ihrerseits nichts unversucht lassen wird, um im Sinne dieser Entschließung weiter tätig zu sein.
Ich darf das Haus deshalb bitten, dieser Vorlage zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist damit geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses nach Drucksache Nr. 1360 zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Finanzierung des Baues von Hochseeschiffen .
Wer begründet für die Antragsteller? — Das Wort hat Herr Abgeordneter Wehner.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ihnen als Drucksache Nr. 1366 vorliegende Antrag meiner Fraktion will einen Beschluß dieses Hauses herbeiführen, nach dem die Bundesregierung die für die Finanzierung des Baues von Hochseeschiffen in Aussicht genommenen 100 Millionen DM den beteiligten Ländern beschleunigt zur Verfügung stellt. In diesem Antrag wird außerdem gesagt, daß der Bundestag von der Regierung gegebenenfalls verlangt und erwartet, daß sie die notwendigen Vorlagen zur Durchführung dieses Beschlusses und eines Vorgriffs auf die im Bundeshaushalt vorgesehenen Leistungen dem Haushaltsausschuß des Bundestags zur Beschlußfassung beschleunigt unterbreitet.
Wir stützen uns dabei auch - das wird in dem Antrag ebenfalls gesagt — auf die Ankündigungen und Erklärungen, die Herr Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm in seiner Antwort auf eine Interpellation meiner Fraktion und im Zusammenhang damit auch in der Begründung des damals von diesem Haus behandelten Gesetzes zum Wiederaufbau einer Handelsflotte gegeben hat. In dieser Rede vom 19. Juli sagte der Herr Bundesverkehrsminister, daß für das Etatjahr 1950/51 250 Millionen DM in folgender Form vorgesehen seien: Erstens 100 Millionen DM aus dem außerordentlichen Haushalt; zweitens 105 Millionen DM aus dem Wiederaufbauprogramm der Bundesregierung; drittens 45 Millionen DM aus ERP-Mitteln usw. Inzwischen ist — und das ist ein besonderer Beunruhigungsfaktor — schon allerlei darüber gesprochen worden, daß der vom Herrn Bundesverkehrsminister unter 2) angeführte Posten
105 Millionen DM aus dem Wiederaufbauprogramm der Bundesregierung — zunächst einmal nicht greifbar ist, weil über dieses Wiederaufbauprogramm keine Klarheit herrsche. Hier aber, in unserem Antrag, geht es zunächst um diese 100 Millionen DM, deren Bereitstellung als sicher hingestellt worden ist. Der Herr Bundesverkehrsminister hat ja damals auch noch über dieses hinaus erklärt, daß man im September, und zwar spätestens im September - wir sind jetzt im Oktober —, die entsprechenden Verhandlungen über die von den zuständigen Schiffsbauunternehmen vorgelegten und gemeinsam mit den Ländern ausgearbeiteten Programme führen werde.
Nun, ich muß Ihnen in diesem Zusammenhang sagen, daß unser Antrag aus der Sorge darüber entstanden ist, daß das Werk, das mit der Annahme des Gesetzes über Darlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen in diesem Hause im Juli .dieses Jahres mit einer großen Einmütigkeit begonnen wurde, schon in seinen Anfängen nicht in dem notwendigen Maße gefördert wird. Wenn ich sage: in dem notwendigen Maße, so darf ich Sie bitten, sich daran zu erinnern, daß in diesem Hause bei der Behandlung des Gesetzes und im Zusammenhang mit den sich aus unserer Interpellation ergebenden strittigen Fragen allerlei gute Worte über die volkswirtschaftliche Notwendigkeit des Schiffsbaus gesagt worden sind. Es ist auch daran möchte ich noch einmal erinnern — darüber gesprochen worden, wieviel andere als die direkten Küstenländer bei einem wirklich großzügig in Angriff genommenen Hochseeschiffbau partizipieren würden, arbeitsbeschaffend usw.
Ich darf Ihnen noch einmal in Erinnerung rufen, daß bei einem Schiffsbauvolumen im Werte von 250 Millionen DM, wie es vorgesehen war, annähernd 87 Millionen DM nach Nordrhein-Westfalen, 37,5 Millionen nach Süddeutschland, 118 Millionen DM nach den Küstenländern und ein Rest für Importe fließen würden. Ich sage das noch einmal, um die Bedeutung und um die Ausdehnung eines Objekts, um das es sich hier handelt, zu kennzeichnen. Jetzt aber ist es so, daß diejenigen, die sich ein wenig mit der Lage der Werften beschäftigen, feststellen müssen, daß wir uns wieder bedenklich dem Punkte nähern, an dem die Werften mit den jetzigen Aufträgen nicht weiterkommen und an einer Grenze angelangt sind. Auch das „Handelsblatt" hat in seiner Ausgabe vom 2. dieses Monats geschrieben, daß schon im Jahre 1951 nach Erledigung der jetzigen Aufträge ein neues Beschäftigungstal mit allen Erscheinungen der Betriebseinschränkung und Arbeiterentlassungen drohe, wenn nicht der Anschluß durch neue Aufträge hergestellt wird.
Das muß nicht so sein! Aber Tatsache ist, daß augenblicklich — vor allen Dingen in den Küstenländern - tiefe Sorge darüber herrscht, ob denn zum Beispiel diese Küstenländer nicht auf den Verpflichtungen sitzen bleiben, die sie auf dem Weg der Vorfinanzierung des Schiffsbaus im Hinblick auf die ihnen in Aussicht gestellten Mittel eingegangen sind. Es hat eine Zeit gegeben, da hat man diese Initiative der Küstenländer begrüßt, und zweifellos war das vom Standpunkt der Beschäftigung und überhaupt vom volkswirtschaftlichen Standpunkt nützlich. Jetzt aber müssen diese Küstenländer gehen und müssen fragen: Wie steht es denn nun mit der Deckung?
Hier wollen wir Sicherheit dafür schaffen, daß über die schönen Worte hinaus, die am 19. Juli und dann auch beim Abschluß der Beratungen über das Gesetz gesprochen worden sind, nun endlich einmal etwas vorgelegt wird. Wir warten bis heute noch auf die Ausführungsverordnungen. Wir wissen, daß damals auch im Bundesrat Sorge darüber war, ob die Regierung bei der Ausarbeitung dieser Verordnungen recht beraten werde, wenn sie nicht auch die besonderen Interessen der Küstenländer mit berücksichtige. Es kommt uns jetzt darauf an, daß man, wie es unser Antrag verlangt, beschleunigt diese Vorlagen einreicht. Soweit ich unterrichtet bin, ist beim Haushaltsausschuß noch keine einzige Vorgriffsanforderung vorgelegt worden. Das geht nicht, und wir müssen, wenn wir im Interesse der Beschäftigung der Werftindustrie und auch im allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse beim Aufbau einer deutschen Handelsflotte das wahrmachen wollen, was hier im Juli von allen Seiten des Hauses feierlich gesagt worden ist, von der Regierung verlangen, was unser Antrag bezwecken will.
Das Wort hat der
Herr Bundesverkehrsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesfinanzminister habe ich zu dem Antrag der Fraktion der SPD folgendes zu erklären. Die 100 Millionen
DM, die nach dem Antrag der Bundesregierung in den außerordentlichen Bundeshaushalt eingestellt werden sollen, sind nicht nur für Hochsee-, sondern auch für Küstenschiffe bestimmt. Sie sollen zu Wiederaufbaudarlehen im Sinne des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes verwendet werden; sie können deshalb nicht im ganzen den Küstenländern, sondern nur in Form einzelner Darlehen an die Unternehmen gegeben werden, die Wiederaufbaudarlehen im Sinne des Gesetzes erhalten sollen.
Eine Durchführungsverordnung zu dem Gesetz ist in Vorbereitung. Diese wird das Verfahren für eine erste Zuteilung von Wiederaufbaudarlehen regeln. Der Entwurf der Verordnung ist mit den beteiligten Ländern bereits erörtert worden. Er wird nach Abstimmung mit den beteiligten Ressorts beschleunigt dem Kabinett zur Verabschiedung vorgelegt werden.
Ein Antrag auf Genehmigung des Vorgriffs auf die im außerordentlichen Haushalt vorgesehenen Mittel wird dem Haushaltsausschuß des Bundestages demnächst zugehen. Schon jetzt werden vorbereitende Maßnahmen getroffen, die eine Auszahlung der einzelnen Wiederaufbaudarlehen nach dem Inkrafttreten der Durchführungsverordnung und alsbald nach dem Beschluß des Haushaltsausschusses nach Maßgabe der verfügbaren Kassenmittel ermöglichen. Da es sich um die Verwendung von Bundesmitteln handelt, kann —
von der Prüfung jedes einzelnen Darlehensgesuches nicht abgesehen werden.
Durch diese Auszahlungen werden die Kreditinstitute der Küstenländer, die kurzfristige Kredite in der Erwartung gegeben haben, daß die Kreditnehmer Wiederaufbaudarlehen erhalten werden, und die Länder, die solche kurzfristigen Kredite garantiert haben, entsprechend entlastet werden.
Ich darf in Ergänzung zu dieser mit dem Herrn Bundesfinanzminister vereinbarten Erklärung folgendes sagen. Die Kreditinstitute in Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben Vorfinanzierungskredite in verschiedener Höhe zugesagt; Hamburg in Höhe von 33,8 Millionen, Bremen in Höhe von 28 Millionen, Schleswig-Holstein in Höhe von 11,6 Millionen, Niedersachsen in Höhe von 9 Millionen und Nordrhein-Westfalen in Höhe von 0,9 Millionen, insgesamt in Höhe von 83,3 Millionen. Davon sind bisher ausgezahlt worden: in Hamburg 27 Millionen, in Bremen 16 Millionen, in Schleswig-Holstein 5 Millionen, in Niedersachsen 5,3 Millionen, in Nordrhein-Westfalen noch nichts, zusammen also 53,3 Millionen, bisher also nur knapp mehr als die Hälfte dessen, was im außerordentlichen Haushalt für diesen Zweck ausgeworfen werden soll.
Wir hatten gewisse Schwierigkeiten zu überwinden, um einen Vorgriff auf den außerordentlichen Haushalt vornehmen zu können. Die dazu notwendige Ausräumung etatsrechtlicher Bedenken ist erledigt. Ich hoffe, daß der Haushaltsausschuß des Bundestags diesem Vorgriff zustimmen wird, um die Entlastung der Länder und ihrer Finanzierungsinstitute in dem gegebenen Rahmen zu ermöglichen.
Zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Wehner möchte ich noch hinzufügen, daß die Verhandlungen, von denen ich seinerzeit sprach, seit September laufen. Am 11. und 12. Oktober werden sie in Hamburg und Lübeck — in Lübeck beim ersten Zusammentritt des Seeverkehrsbeirates — fortgesetzt werden. Die Dinge sind also weiterhin im Fluß.
Ich darf in diesem Zusammenhang wieder betonen, daß wir uns in guter Übereinstimmung mit den Küstenländern befinden und diese Fragen in steter Abstimmung mit den Küstenländern weiter betreiben. Ich darf dazu das Hohe Haus weiter davon unterrichten, daß mir auf Grund meiner Initiative der General Hanes mitgeteilt hat, daß gegen eine Einplanung der 40 plus 45 Millionen bei der Verteilung der ECA-Mittel von der amerikanischen Seite aus keine Einwendungen erfolgen werden, wenn diese Mittel von der deutschen Seite aus durch die entsprechenden Stellen eingeplant werden. Die diesbezüglichen Anträge liegen beim Herrn Bundesminister für den Marshallplan vor. Ich nehme also an, daß wir über diese Mittel verfügen können, und zwar mit einer viel größeren Sicherheit, als das noch vor wenigen Wochen der Fall zu sein schien. Wegen der restlichen 100 Millionen, die in das Wirtschaftsförderungsprogramm eingeplant waren, sind die Verhandlungen mit dem Wirtschaftsministerium im Gange; und ich hoffe auch hier, daß wir zu einer endgültigen Klärung der Angelegenheit im guten Sinne kommen werden, zumal auch der Herr Bundeswirtschaftsminister mit uns gemeinsam an der Erfüllung dieser Zusagen arbeitet. Wie wir diese Fragen im nächsten Jahr gestalten können, hängt jetzt vor allen Dingen davon ab, wie sich der nächstjährige Haushaltsplan aufbauen lassen wird. Sie können versichert sein, daß von unserer Seite aus alles geschehen wird, um die entsprechenden Mittel auch im nächsten Haushaltsplan bewilligt zu erhalten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf zur Aussprache bemerken, meine Damen und Herren, daß der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vorgeschlagen hat. Da nicht widersprochen wird, nehme ich die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bucerius. Sie haben 8 Minuten, Herr Abgeordneter.
Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß der Antrag in diesem Hause vielleicht doch nicht zuständigerweise vorgebracht worden ist. Der Bundesverkehrsminister hat uns nach seiner Rede im Bundestag am 19. Juli mitgeteilt, daß er den Ländern Zusagen in Höhe von 100 Millionen DM gemacht habe. „Die Vorfinanzierung", heißt es wörtlich, „für diesen Betrag erfolgt im Einvernehmen mit den Küstenländern durch diese Länder und ihre Bankinstitute". Zweifellos haben daraufhin die Länder, wie wir eben gehört haben, namhafte Beträge bereits vorgeschossen, auf deren Erstattung sie Anspruch haben. Wenn ich den Antrag der SPD recht verstehe, geht es darum, daß diese beteiligten Länder die von ihnen vorgeschossenen Beträge zurückerstattet erhalten.
Nun ist der deutsche Staatsaufbau föderalistischer Natur. Die Länder haben die Möglichkeit, mit der Bundesregierung unmittelbar zu verhandeln. Wenn sie meinen, daß der Verkehrsminister seine Verpflichtung zur Erstattung der vorgelegten Beträge nicht erfüllt habe, so müssen sie diese Beschwerde beim Bundesfinanzminister oder beim Bundesverkehrsminister unmittelbar vortragen. Es ist mir nicht bekannt geworden, daß eine solche Bitte ausgesprochen oder daß sie abgelehnt worden sei. Ich kann mir andererseits auch nicht gut vorstellen, daß die beteiligten Länder sich an eine der Fraktionen dieses Hauses gewandt und gebeten haben, einen entsprechenden Antrag hier vorzubereiten, um auf diese Weise die Dinge über den Bundestag noch einmal in Fluß zu bringen. Das würde der Courtoisie, die zwischen Bund und Ländern zu herrschen hat, in keiner Weise angemessen sein. Trotzdem werden wir dem Antrag zustimmen, weil wir jede Methode begrüßen, die dazu führen kann, die Dinge zu beschleunigen.
Wir möchten auch gern möglichst bald wissen, wie sich die Dinge im nächsten Jahr abspielen. Es handelt sich dabei nicht nur um die Frage, die der Herr Bundesverkehrsminister angeschnitten hat, nämlich die Aufbringung der nötigen Mittel aus dem Haushaltsplan, sondern es würde uns auch interessieren, recht bald zu hören, ob die deutsche Eisenindustrie in der Lage sein wird, diejenigen Mengen an Stahl und Eisen zur Verfügung zu stellen, die für den Schiffsbau im nächsten Jahr erforderlich sein werden. Wir weisen den Bundesverkehrsminister noch einmal ausdrücklich darauf hin, daß in diesem Punkt vielleicht Verhandlungen im Rahmen der Stahlquote erforderlich sein werden, um diese wichtige, vordringliche Frage ein für allemal im Sinne des Beschlusses des Bundestags klarzustellen.
Im übrigen habe ich die Hoffnung, daß der deutsche Seeschiffsbau in der gleichen Geschwindigkeit voranschreiten wird wie die Rede des Herrn Bundesverkehrsministers, die er soeben in diesem Hause gehalten hat.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist beantragt, Drucksache Nr. 1366 dem Haushaltsausschuß als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 13 a und 13 b der Tagesordnung:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Verordnung PR Nr. 51/50 vom 9. August 1950 über Änderung des Einheitstarifes für Kraftfahrtversicherungen ;
b) Beratung des Antrags der Fraktion der WAV betreffend Verordnung PR Nr. 51/50 vom 9. August 1950
Das Wort zur Begründung des Antrags der Fraktion der SPD hat Herr Abgeordneter Meyer .
Meyer (SPD), Antragsteller: Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Es scheint, als ob über dem deutschen Kraftfahrzeuggewerbe ein Unstern schwebt. Nachdem sich der Bundestag monatelang in jeder möglichen Richtung mit der Benzinpreiserhöhung beschäftigt und seinem Unmut darüber deutlichen Ausdruck gegeben hat, daß man auf diesem Wege eine wesentliche Beeinflussung des Preisstandes herbeiführen könne, ist nun auf das deutsche Kraftfahrzeuggewerbe und alle daran beteiligten Verkehrsteilnehmer mit der Preisverordnung Nr. 51/50 vom 9. August 1950, die am 22. August im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde, eine neue Belastung zugehäuft worden, die sich in einer für die einzelnen Gruppen spezifizierten Erhöhung der bis dahin geltenden Prämiensätze ausdrückt.
Wir sind der Meinung, daß damit eine wesentliche Veränderung der Sätze des Einheitstarifs für die Kraftfahrzeugversicherung in einem Zeitpunkt herbeigeführt ist, als bereits innerhalb des Bundestags Beratungen über das neue Preisgesetz, das in erster Lesung am 1. Juni vor dem Hohen Hause verhandelt wurde, in intensiver Form stattfanden und als aus dem Gang der Beratungen in den Ausschüssen — mindestens was den Ausschuß für Verkehrswesen betraf — auch der Bundesregierung sehr klar werden mußte, daß man sehr große Bedenken hatte, einen Preisschutz für den gesamten Einheitstarif der Kraftfahrzeugversicherung weiterhin zu gewährleisten. Der Verkehrsausschuß hatte bereits in seinen Sitzungen nach eingehender Prüfung des Zahlenmaterials des Bundeswirtschaftsministers vom 13. Juli mit großer Mehrheit jede Preisbindung für das Gebiet der Kasko- und Insassenversicherung abgelehnt. Ohne daß ich die Darlegungen, die in dieser Debatte gemacht worden sind, im einzelnen hier wiederholen will — die dann im wirtschaftspolitischen Ausschuß bei der weiteren Erörterung vertieft worden sind —, möchte ich aber sagen, daß mindestens der Bundesregierung und dem Herrn Bundeswirtschaftsminister klar sein mußte, daß es in diesem Zeitpunkt aus vielen Gründen nicht zweckmäßig sein konnte, einen Vorgriff vorzunehmen, der lediglich dem Drängen der beteiligten Versicherungsgesellschaften entsprach.
Ich will nur auf einen Punkt hinweisen, nämlich auf das Gebiet der Kasko- und Insassenversicherung. Hier verlangen wir mit unserem Antrag, daß die Preisverordnung Nr. 51/50 insoweit aufgehoben wird, daß auf diesem Gebiet volle Versicherungsfreiheit für alle Verkehrsteilnehmer besteht und daß angesichts dieser vollen Versicherungsfreiheit, auch wenn man die Konzeption der Bundesregierung auf wirtschaftspolitischem Gebiet im übrigen berücksichtigt, gar keine Veranlassung besteht, noch einen Preisschutz zugunsten der Versicherungsgesellschaften zu gewährleisten.
Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, daß die Bundesregierung zwar auf dem Standpunkt steht, die Preise müßten sich auf vielen Gebieten von Verbrauchsgütern am nicht vorhandenen Markte regeln, daß aber in all den Fragen, wo die Interessentengruppen stark genug sind und glauben, auf diesem Wege einige Unbequemlichkeiten für die Führung ihrer Geschäfte in Kauf nehmen zu müssen, indem sie sich dem Druck der Konkurrenzität ihrer Leistungen aussetzen, diesem Druck gern nachgegeben wird. Wir stellen jedenfalls fest, daß in dieser Frage von den Regierungsvertretern immer wieder einheitlich die Auffassungen
der Versicherungsgesellschaften vertreten worden sind, ohne daß die die Sachunterlagen prüfenden Ausschußmitglieder beispielsweise des Verkehrsausschusses von der Überzeugungsfähigkeit dieses Zahlenmaterials den gleichen Eindruck hatten.
Es kommt hinzu, daß diese Preisverordnung Festpreise und nicht etwa Höchstpreise regelt. Es scheint uns doch sehr erheblichen Bedenken zu unterliegen, daß man auf dem Gebiete der Kaskoversicherung, einer freiwilligen Versicherung, Festpreise vorschreibt, obwohl die Kostenelemente auch nach den Zahlenunterlagen der Versicherungsgesellschaften in ihrer Höhe durchaus unterschiedlich sind. Es gibt bei den Versicherungsgesellschaften solche, die mit einem Höchstsatz von 40 % Verwaltungskosten, und solche, die mit geringeren Verwaltungskostensätzen rechnen. Ganz abgesehen davon: wir glauben, daß das Argument, das hier als wesentlichstes vorgebracht wird, bei der Aufhebung des Preisschutzes für die Kasko- und Insassenversicherung würde eine Schleuderkonkurrenz eintreten und damit würden die Versicherungsgesellschaften zu Lasten etwa der Einkünfte aus den Haftpflichtversicherungsprämien notleiden, in keiner Hinsicht überzeugen kann, da ja jeder Versicherte, der ein gutes Risiko zu besitzen glaubt, die Möglichkeit hat, aus der Versicherung herauszugehen, so daß dann damit die Versicherungsgesellschaften mit dem Restbestand der schlechten Risiken verbleiben, die ihrer Erfahrung nach damit rechnen können, daß sie auf jeden Fall mindestens die Versicherungsprämie, wenn nicht mehr herausholen.
Ich will auf die andere Seite der Frage nicht eingehen, die letzthin noch in einem Gutachten von Dr. Jabusch vom Obersten Gerichtshof Köln im „Betriebsberater" vom 30. 9. 1950 berührt worden ist, wo er darlegt, daß Preisanordnungen im rechtspolitischen Sinne nur zulässig sein können, wenn sie auf der echten Kostengrundlage einen Preisschutz gewähren, und daß man innerhalb dieses Preisschutzes nicht für Versicherungskostengruppen eine Ausgleichung der Kostenträger zugunsten anderer Kostengruppen herbeiführen kann, daß also beispielsweise keine Erhöhung der Sätze der Haftpflichtversicherung zulässig sei, wenn damit etwa Verluste, die in der Kaskoversicherung auftreten, gedeckt werden sollen. Die Ausgleichung müßte vielmehr innerhalb dieser Schadensgruppen selbst gesucht werden. Ich will das nur am Rande erwähnen.
Zur Frage der Haftpflichtversicherung sind wir der Meinung, daß es sich angesichts der Bedeutung, die dieser Einheitstarif und seine künftige Prämienberechnung für die gesamte Wirtschaft hat, um eine Preisanordnung von solcher Wichtigkeit handelt, daß der Bundestag das Recht fordern muß, die Preisanordnung insoweit nachzuprüfen.
Ich bitte Sie deshalb, meine Damen und Herren, unserem Antrag beizustimmen, die Bundesregierung zu ersuchen, daß sie für das Gebiet der Kasko- und Insassenversicherungen den Preisschutz aufhebt und daß im übrigen den zuständigen Ausschüssen — dem Verkehrsausschuß und dem wirtschaftspolitischen Ausschuß — die Möglichkeit gegeben wird, für das Gebiet der Haftpflichtversicherung die Preisanordnung in ihrer Berechtigung nachzuprüfen, indem die Bundesregierung gebeten wird, das darauf bezügliche Material vorzulegen.
Zur Begründung des Punktes 13 b der Tagesordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Löfflad.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen
und Herren! Schon durch die Treibstoffpreiserhöhung ist das gesamte Transportgewerbe in eine Lage versetzt worden, daß ein Betrieb nach dem anderen entweder die Kraftfahrzeuge abmelden muß oder in Konkurs geht.
Wir konnten, als wir nun wieder auf dein Verordnungswege durch das Wirtschaftsministerium erlassene Versicherungsprämienerhöhungen erlebten, — —
Meine Damen und
Herren, seien Sie doch ein bißchen großmütiger!
— nicht umhin, diesen von
uns gestellten Antrag einzubringen. Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, wenn Sie die Augen offen haben, dann können Sie feststellen, daß noch keine Versicherung bankrott gemacht hat. Aber wenn Sie sich einmal um das Transportgewerbe kümmern, dann können Sie feststellen, daß durch diese Verordnung das gesamte Transportgewerbe wiederum in eine Lage versetzt wird., die einfach untragbar ist. Die Unfälle haben im letzten Jahr in erschreckendem Maße zugenommen, und auch wir stehen auf dem Standpunkt, daß Maßnahmen ergriffen werden müssen, um diese Unfälle zu verhindern. Ich glaube aber, daß es hierfür andere Möglichkeiten gibt, als die Versicherungsprämien auf dem Verordnungswege zu erhöhen, nämlich die Verkehrserziehung und die empfindliche Bestrafung von Verkehrssündern. Dann ist den Versicherungen, den Verkehrsteilnehmern und dem Herrn Bundesfinanzminister gedient.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie, sei es als Fußgänger, sei es als Autofahrer am Verkehr teilnehmen, dann können Sie feststellen, daß die Schuld an Verkehrsunfällen fast immer an der Sturheit oder Unvorsichtigkeit anderer liegt. Dagegen einzuschreiten erscheint uns wichtiger, als die Versicherungsprämien zu erhöhen, wo gerade die Verkehrsunfälle laufend zunehmen. Wir werden unseren Antrag im Ausschuß detailliert begründen.
Ich eröffne die
Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier handelt es sich wieder um die Zuständigkeitsverteilung zwischen Regierung und Bundestag. Ich glaube nicht, daß die Frage durch die Regierung richtig gelöst worden ist. Die Anordnung greift so tief in das gesamte Verkehrswesen ein, daß zum mindesten eine Zustimmung des Bundesrates hätte herbeigeführt werden müssen. Aus Gründen, die von maßgebender juristischer Seite dargelegt worden sind, handelt es sich im wesentlichen nicht um eine Anordnung, die die Preisbildung betrifft, sondern aus folgenden Gründen in erster Linie um eine wirtschaftspolitische Anordnung. Die Kaskoversicherung hat eine erhöhte Schadenskurve zu verzeichnen, und die zusätzlichen Kosten der freiwilligen Kaskoversicherung sind in dieser Preisanordnung den Zwangsversicherten aus der Haftpflichtversicherung zu-
sätzlich mit aufgebürdet worden. Das ist keine Maßnahme der Preisbildung mehr, sondern eine Maßnahme der Wirtschaftspolitik. Für eine solche Maßnahme ist der Verordnungsweg nicht gegeben.
Es kommt hinzu, daß die Schadenshäufigkeit heim gewerblichen Güterverkehr viel stärker angestiegen. ist als die Schadenshäufigkeit beim PKW-Verkehr. Diese erhöhte Schadenshäufigkeit findet aber nicht ihren Ausdruck in den Prämien, das heißt, der Personenkraftwagenverkehr muß einen anderen Teil des motorisierten Verkehrs, nämlich den gewerblichen Güterverkehr mit subventionieren. Auch das ist keine Maßnahme, die im Verordnungswege auf Grund einer Preisbildungsverordnung hier getroffen werden könnte. Man sieht also, daß vielleicht durchaus erstrebenswerte Ziele - darüber möchte ich mich hier nicht verbreiten - hier auf dem Verordnungswege durchgesetzt werden sollen und daß das zuständige Gremium, nämlich der Gesetzgeber, vereint in Bundestag und Bundesrat, übergangen werden soll. Dagegen müssen wir uns in erster Linie wehren.
Es kommt noch ein zweiter sehr wichtiger Gesichtspunkt. hinzu. Die Versicherungsgesellschaften haben gut daran getan, diesen Antrag jetzt vorzulegen. Denn es hat sich in einer international vergleichenden Betrachtung der Schadenshäufigkeit ergeben, daß bei ganz kleiner Verkehrsdichte die Schäden gering sind. Bei einer sehr großen Verkehrsdichte weisen die Schäden eine mittlere Höhe auf. Bei einer mittleren Verkehrsdichte aber sind die Schäden am allergrößten. Es ist also keineswegs so, daß mit zunehmender Verkehrsdichte auch die Schäden steigen, sondern die Schäden senken sich hierbei. In Deutschland haben wir aber das Stadium einer mittleren Verkehrsdichte erreicht, die sich weiter steigert. Auf Grund des Vergleichs mit dem Ausland kann man annehmen, daß sich dann die Schadenshäufigkeit senken wird. Infolgedessen ist es vom volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt aus betrachtet ein denkbar ungeeigneter Augenblick, für die Schadens- und Prämienfestsetzung einen Zeitpunkt zu wählen, in dem die Schadenshäufigkeit, international gesehen, am allerhöchsten ist.
Ich hin deshalb der Ansicht, daß diese Anordnung einmal rechtsungültig ist. Zum andern müßte eine solche Anordnung, wenn sie im Wege der Gesetzgebung erwogen werden sollte, den zuständigen Instanzen zugeleitet. werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
Meine Damen und Herren! Es hat uns einigermaßen in Erstaunen versetzt, daß jetzt auf einmal vom Herrn Kollegen Meyer von der SPD ein Antrag auf Beseitigung der Preisbindungen für die Kasko- und Unfallversicherung vorgelegt und begründet worden ist. Genau denselben Standpunkt vertritt auch unsere Fraktion bereits seit langer Zeit in den Beratungen über das Preisgesetz. Die Fraktion der SPD hat erst vor wenigen Tagen bei den Abstimmungen im wirtschaftspolitischen Ausschuß über die Frage der Beibehaltung oder Aufhebung der Preisbindung für die Kasko- und Unfallversicherung für die Beibehaltung der Preisbindung für die Kasko- und Unfallversicherung gestimmt.
Ich vermag diesen Widerspruch nicht aufzuklären
und wäre sehr interessiert, zu erfahren, ob nun
die Stellungnahme von vor drei Tagen oder die jetzige Stellungnahme die Meinung der SPD-Fraktion widergibt.
Von unserem Standpunkt aus ist sicher den Kraftfahrzeugversicherungen zuzubilligen, daß sie im Laufe der letzten eineinhalb Jahre wesentlich erhöhte Schäden zu regulieren hatten, daß die Zahl der Unfälle auf unseren Landstraßen erheblich zugenommen hat. Andererseits glauben wir aber auch, daß kein Grund besteht, nun auf der Grundlage nur des kurzen bisher zur Verfügung stehenden Zeitraumes so tiefgehende Eingriffe in die bisherigen Prämiensysteme vorzunehmen und so erhebliche Heraufsetzungcn zu verordnen. Wir glauben, daß die Prämiensätze ungenügend gewesen sind, aber niemand kann mit Sicherheit sagen, ob sie tatsächlich in diesem Umfang heraufgesetzt werden mußten. Die Versicherungen selbst scheinen ja auch das Empfinden gehabt zu haben, daß sie hier doch mit unsicheren Größen arbeiten. Sonst hätten sie nicht von sich aus den Korrektivgedanken der Einführung der Gewinnbeteiligung hervorgebracht, der ja auch in dieser Verordnung 51/50 niedergelegt wurde, allerdings in einer Weise, die uns absolut nicht befriedigt. Für den Fall, daß die Aufhebung der Preisbindung für die Kasko- und Unfallversicherung nicht erfolgt, müssen wir schon jetzt sagen, daß dieser Punkt unbedingt geändert werden muß.
Wenn man aber weiß, daß etwa 70 bis 75 % der gesamten Schadens- und Prämienzahlungen auf die Zwangshaftpflichtversicherung entfällt und daß auf den übrigen Bereich der Kasko- und Unfallversicherung nur etwa 25 % entfallen, so scheint es uns tatsächlich bei diesen Versicherungszweigen, bei denen kein Abschlußzwang für das Versicherungsunternehmen vorliegt, sondern es im freien Willen des Unternehmens sowohl wie der Versicherten liegt, ob sie einen bestimmten Vertrag abschließen wollen oder nicht, berechtigt zu sein, die Preisbindungen aufzuheben, um im Wege des freien Wettbewerbs der Versicherungsunternehmen untereinander und auf der anderen Seite dann auch der freien Wahl der Versicherungsnehmer zu einer echten Bedarfsprämie auf den Gebieten der Unfall- und Kaskoversicherung zu gelangen.
Es ist häufig eingewandt worden, daß die drei Gebiete eng zusammengehören und sich voneinander nicht trennen ließen, weil sie dasselbe Objekt betreffen. Dann müßte man mit dem gleichen Recht auch den untrennbaren Zusammenhang etwa zwischen Kranken- und Lebensversicherung begründen können. Denn zweifellos betrifft sowohl die Kranken- wie die Lebensversicherung das gleiche Objekt, nämlich den Menschen. Es handelt sich aber doch um völlig verschiedene Dinge, die auch in der Kalkulation völlig verschieden behandelt werden müssen, ebenso in der Deckungsmasse. In dem einen Fall, bei der Haftpflichtversicherung, werden Schäden versichert, die irgend jemand dritten Personen oder Sachen zufügt. Bei der Unfall- und Kaskoversicherung werden dagegen in erster Linie Schäden versichert, die man selbst an seinem eigenen Körper oder an seinem Fahrzeug erleidet. Es sind also ganz verschiedene Tatbestände. Daß sie mit einem und demselben Auto zusammenhängen, steht auf einem anderen Blatt.
Ich darf nur noch ein Wort zu dem Antrag der WAV sagen. Hier müßte es zunächst heißen: „da sie ohne Zustimmung des Bundesrates erfolgte"; denn es steht nirgendwo im Grundgesetz, daß eine
Rechtsverordnung der Zustimmung des Bundestags bedarf. Wir sind der Meinung, daß der Bundestag in keinem Falle hier hätte zustimmen müssen. Dieser Antrag ist also abzulehnen, weil er sachlich unrichtig ist.
Zu dem Antrag der SPD darf ich für unsere Fraktion nur erklären, daß wir aus den angeführten Gründen auch dafür sind, den freien Wettbewerb in der Unfall- und Kaskoversicherung endlich zuzulassen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Es ist der Antrag gestellt, diese beiden Anträge an den Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen. Sollen weitere Ausschüsse mit der Sache befaßt werden? — Das wird kaum notwendig sein. Wer für die Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren! Ehe ich in der Tagesordnung fortfahre, gebe ich folgendes bekannt. Ich bekomme soeben die Mitteilung, daß der Vermittlungsausschuß sich einstimmig über das Konsulargesetz verständigt habe, das vom Bundesrat beanstandet worden war. Herr Staatsminister Dr. Pfeiffer ist hier anwesend, um den Beschluß zu begründen. Er ist nächste Woche nicht verfügbar, und es wird gebeten, die Tagesordnung um diesen Punkt zu ergänzen. Ich glaube, daß die ganze Sache in fünf Minuten erledigt sein wird. Ist das Haus einverstanden? — Es ist so beschlossen.
Dann erteile ich zunächst das Wort dem Herrn Bundesarbeitsminister zur Abgabe einer
Erklärung der Bundesregierung außerhalb der Tagesordnung.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie Ihnen durch die Meldungen der Presse und des Rundfunks bekannt geworden ist, hat die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr mit Wirkung von heute morgen 8 Uhr den allgemeinen Streik für die Arbeiter und Angestellten der Bundeswasserstraßenverwaltung proklamiert.
Die Bundesregierung hält sich für verpflichtet, dem Hohen Hause zu diesen Vorgängen folgende Klarstellung zu geben.
Die derzeitige Lohnhöhe der Arbeiter und Angestellten bei der Bundeswasserstraßenverwaltung beruht im wesentlichen auf der Tarifvereinbarung zwischen der früheren Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr vom 28. 7. 1948, die durch eine Zusatzvereinbarung vom 4. 10. 1948 ausdrücklich auf die Arbeitnehmer der Wasserstraßenverwaltung ausgedehnt wurde. Diese tarifliche Vereinbarung wurde von der vertragschließenden Gewerkschaft zum 1. April 1950 gekündigt, nachdem vorher Verhandlungen über eine Erhöhung der Löhne ergebnislos verlaufen waren. Nach der Kündigung wurde zwischen den Vertragsparteien vereinbart, daß die Verhandlungen bis zur Aufstellung des Haushaltsplanes ausgesetzt werden sollten. Der Haushaltsplan ist im
September fertiggestellt worden, so daß im Anschluß daran die Verhandlungen mit den Gewerkschaften aufgenommen werden konnten.
In der Zeit vom 7. August bis 23. September 1950 hat die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr mit der Begründung, daß die Lebenshaltungskosten stark gestiegen seien, um sofortige Aufnahme der Verhandlungen gebeten und gleichzeitig erhöhte Forderungen gestellt. Die am 2. Oktober 1950 von dem Tarifausschuß der Bundesregierung mit der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr und der Deutschen Angestelltengewerkschaft geführten Verhandlungen führten zu keiner Einigung. Die Gewerkschaften verlangten von der Bundesregierung bis zum Donnerstag, dem 5. Oktober 1950, 12 Uhr mittags, eine Mitteilung, ob die Bundesregierung außer den beabsichtigten Maßnahmen zur Preissenkung auch die Löhne und Gehälter der Arbeiter und Angestellten der Bundesregierung erhöhen wolle. Hierauf erhielt die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr am 4. Oktober 1950 telefonisch und am 5. Oktober 1950 durch Fernschreiben des Bundesarbeitsministeriums folgende Mitteilung:
Die Bundesregierung schlägt vor, die Verhandlungen über die Lohnstreitigkeiten beim Bund unter einem unparteiischen Vorsitzenden weiterzuführen. Für den Fall, daß die Verhandlungen zu keinem Ergebnis führen, wird vorgeschlagen, unter dem unparteiischen Vorsitzenden ein Schiedsgericht zu bilden mit dem Ziel, die Lohnstreitigkeiten beizulegen.
Den Tarifgemeinschaften bei den Ländern und Kommunen ist von der Bundesregierung dasselbe Verfahren empfohlen worden.
Am 5. Oktober 1950 fanden Verhandlungen zwischen den Tarifgemeinschaften der Kommunen und der Länder und dem Bundesfinanzministerium statt. Aus dieser Verhandlung ist an die in Frage kommenden Gewerkschaften noch folgendes Fernschreiben durchgegeben worden:
Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder ladet nochmals zur Fortsetzung der am 19. 9. begonnenen Verhandlungen nach Königstein im Taunus auf den 10. 10. um 13 Uhr 30 ein. Die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände wird auf Grund der schon seither von ihr bekundeten grundsätzlichen Verhandlungsbereitschaft teilnehmen. Der Bundesfinanzminister wird inzwischen bei der Bundesregierung darauf hinwirken, daß der Ressorttarifausschuß des Bundes sich an dieser Verhandlung beteiligt.
Dieses Fernschreiben ist von Dr. Hilpert, Hessen, gezeichnet.
Der Inhalt dieses Fernschreibens wurde fernmündlich im voraus dem Hauptvorstand der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr in Stuttgart durch den in der Sitzung gleichfalls anwesenden Oberbürgermeister von Stuttgart, Herrn Dr. Klett, übermittelt. Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr hat den Inhalt der beiden amtlichen Erklärungen für unbefriedigend erklärt und verlangt, daß die Bundesregierung innerhalb einer Frist von einer Stunde
die von den Gewerkschaften gestellten Forderungen dem Grunde nach ausdrücklich anerkennt.
Die Verantwortung für die durch den Streikbeschluß etwa entstehenden Schwierigkeiten im Wirtschaftsleben, insbesondere in der Versorgung der Bevölkerung,
dürfte nach dem Vorgetragenen bei der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr liegen.
Meine Damen und
Herren! Nach § 97 der Geschäftsordnung kann, wenn ein Mitglied der Regierung das Wort außerhalb der Tagesordnung ergreift, in eine Besprechung eingetreten werden, falls 30 Mitglieder des Hauses dies verlangen. — Es scheint kein Wunsch nach einer Besprechung zu bestehen. Dann hat das Haus die Erklärung des Herrn Bundesministers zur Kenntnis genommen.
Wir kommen zur
Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses betreffend den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Konsulargesetzes.
Ich bitte Herrn Staatsminister Dr. Pfeiffer um Berichterstattung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen sehr dafür, daß Sie mir die Möglichkeit bieten, heute noch meine Pflicht als Berichterstatter des Vermittlungsausschusses zu erfüllen.
Am 8. September 1950 hat der Bundestag im Zuge einer außerordentlich großen Tagesordnung das Gesetz zur Abänderung des Konsulargesetzes ohne Aussprache und ohne vorhergehende Behandlung in einem Ausschuß in drei Lesungen erledigt. Dadurch entfiel die Möglichkeit, die Auffassung des Bundesrates zu Art. 7 dieses Gesetzes und die Stellungnahme der Bundesregierung zu einem Abänderungsvorschlag des Bundesrates vorzutragen. In Ansehung dieser Umstände hat der Bundesrat beschlossen, —
Meine Damen und
Herren! Ich bitte um Ruhe!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
— den Zusammentritt des Vermittlungsausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu verlangen.
Die Aussprache hat heute vormittag stattgefunden. Dabei hat sich ergeben, daß über den Inhalt der Regierungsvorlage und den Inhalt des Vorschlags des Bundesrates Meinungsverschiedenheiten nicht bestehen. Es kam vielmehr im wesentlichen darauf an, eine bessere Formulierung des Art. 7 zu finden. Es handelt sich in diesem Artikel darum, der zuständigen obersten Bundesbehörde eine reiche Auswahlmöglichkeit für die in den konsularischen Dienst aufzunehmenden Bewerber zu schaffen. Die Regierung war sich mit dem Bundestag und dem Bundesrat darin einig, daß das wünschenswert ist.
Nachdem der Sachverhalt geklärt war, hat der Vermittlungsausschuß einstimmig beschlossen, dem Bundestag folgenden Antrag zu unterbreiten:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der vom Bundestag in seiner 82. Sitzung vom 8. September 1950 angenommene Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Konsulargesetzes, Nr. 1289 der Drucksachen, wird wie folgt geändert:
§ 7 Absätze 1 und 2 werden durch folgenden Absatz ersetzt:
Zum Berufskonsul kann jeder deutsche Staatsangehörige ernannt werden, der die für dieses Amt vorgeschriebene Prüfung bestanden hat oder sich sonst durch seine Lebens- und Berufserfahrung für das ihm zu übertragende Amt als besonders geeignet erwiesen hat.
Dabei war es die einstimmige Auffassung des Vermittlungsausschusses, daß grundsätzlich die Ablegung der Konsularprüfung zu fordern ist und daß die anderen Möglichkeiten nur ausnahmsweise in Betracht kommen können.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Antrags auf Drucksache Nr. 1421 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Eine Stimmenthaltung. Es ist so beschlossen.
Dann rufe ich Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Rat für Formentwicklung deutscher Erzeugnisse in Industrie und Handwerk .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Begründung 10 Minuten und für die Aussprache 40 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Hennig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag ersucht die Regierung, vorbereitende Schritte zu unternehmen, um einen Rat für Formentwicklung der Erzeugnisse der deutschen Industrie und des deutschen Handwerks ins Leben zu rufen. Wenn Form und Wirtschaft zusammengebracht werden sollen, ist das deshalb nicht so einfach, weil die Wirtschaft möglichst nur von rationellen Dingen oder materiellen Gegebenheiten ausgeht, während die Formentwicklung eine irrationelle Angelegenheit ist.
— Das läßt sich leicht nachweisen, und das will ich eben tun, nämlich beides vereinigen. Es läßt sich leicht nachweisen, daß bei gleichwertiger materieller Qualität von jedem Käufer immer das Produkt vorgezogen wird, das auch zugleich ein Formniveau gewährleistet. So ist es nicht zu verwundern, daß in letzter Zeit bittere Erfahrungen überall dort gemacht wurden, wo dieser wichtige Gesichtspunkt vernachlässigt wurde. Nach meiner Meinung ist die deutsche Industrieschau 1949 in New York, was die Leichtindustrie anlangt, ein großer Mißerfolg gewesen. Ich fasse viele, auch wohlwollende Urteile in ein einziges zusammen, in das eines Mannes deutscher Herkunft namens Otto, der in einer kritischen Betrachtung geschrieben hat: „Es war offensichtlich, daß die ausgestellten Erzeugnisse bei aller funktionellen Exakt-
heit für amerikanische Augen einen fast musealen Charakter hatten; ihr äußeres Bild schloß sie praktisch vom Wettbewerb aus".
Es handelt sich also hier um eine Frage, die jeden Exporteur brennend interessieren muß, und, wie ich gleich hinzufügen darf, auch um eine Frage, die jeden deutschen Inlandskäufer interessieren muß. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, mit welcher Schundware man bis zum Tage der Währungsreform und auch noch nachher den deutschen Käufer beliefert hat. Es ist auch eine Frage von großer kultureller Bedeutung, ob unsere Familien in Wohnungen leben, die von dem Formgedanken, von dem Formwillen im besten Sinne des Wortes durchwaltet sind, ob unsere Jugend in solchen Wohnungen und in sonstiger Umgebung, die diesen Anforderungen entspricht, aufwächst oder nicht. Es ist schade, daß der Ältestenrat diesem Gegenstand nur diese Eckstunde gegeben und die Zeit für seine Behandlung so knapp bemessen hat. Ich glaube, dieses Problem bedarf einer gründlicheren Erörterung. Dazu wird jedoch noch einmal Gelegenheit sein, falls die Regierung sich — worum wir ersuchen - zu einer solchen Vorlage entschließen sollte.
Wir haben die bittere Erfahrung machen müssen, daß das Ausland uns in dieser Beziehung weit voran ist. In Amerika hat fast jede größere Fabrik einen solchen — man darf beinahe sagen - Formdiktator. In England, wo gemeinwirtschaftliche Gesichtspunkte sehr stark im Vordergrund stehen, hat man einen Rat für Formgebung geschaffen, und zwar — das ist das besonders Schmerzliche — unter Auswertung deutscher Erfahrungen der Zeit vor 1933, zum Teil sogar unter Verwendung deutscher erfahrener Kräfte aus dieser Zeit, Bereits seit 1910 sind in Deutschland entsprechende Bestrebungen im Gange, die zunächst von dem Dürerbund, dann vom Bauhaus Dessau, vor allem aber von dem Werkbund getragen waren, bis sie 1933 brüsk abgebrochen worden sind und erst seit 1945 wieder auflebten.
Diese Bestrebungen gilt es heute wieder lebendig zu machen und zusammenzufassen — und nicht nur das, sondern man muß ihnen auch ihren festen Platz im öffentlichen Leben geben. Wir wissen und unterstellen gern, daß auch im Wirtschaftsministerium solche Erwägungen ernst genommen werden, aber wir möchten nicht, daß dieses Anliegen dem zufälligen Wohlwollen des jeweiligen Ministers ausgeliefert bleibt, sondern daß es in gesetzlicher Form verankert wird.
Wir wollen aber verhüten, daß daraus eine neue bürokratische Einrichtung entsteht, und deshalb schlagen wir vor, einen ehrenamtlichen Rat für Formentwicklung der Erzeugnisse der deutschen Industrie und des Handwerks zu schaffen, einen ehrenamtlichen Rat, der natürlich dem Wirtschaftsministerium insofern unterstellt sein müßte, als das Wirtschaftsministerium die Oberaufsicht zu führen hätte und die Mittel zur Verfügung stellen müßte, die zur Entwicklung der Arbeit eines solchen Rates nun einmal gehören.
Dieser Rat hätte sich im Unterschied zu früheren Bestrebungen dieser Art nicht nur aus Künstlern und Kunstgewerblern, sondern auch aus den Publizisten, den Verbrauchern und den Erzeugern zusammenzusetzen, vor allem aber auch aus dem großen Kreise der Erzieher; denn der Käufer muß genau so erzogen werden wie der Produzent, um das zu erreichen, was man in Fachkreisen die Wertware genannt hat, die Wertware, in der Materialgediegenheit, Gebrauchsfähigkeit, Dauerhaftigkeit, Formenschönheit und angemessener Preis vereinigt sind. Diese Ware ist heute schon zu haben. Im Kunstgewerbe werden seit langem diese Gesichtspunkte gepflegt. Ich darf Sie z. B. an die Deutschen Werkstätten Hellerau und an namhafte Firmen in München erinnern. Dieser Rat der Formgebung hätte als wichtigste Aufgabe die modernen Möglichkeiten, die ja vorhanden sind, auszunützen und diese Wertware anstatt der Schundware nicht nur in teurer Einzelanfertigung, sondern in Serienherstellung zu gewährleisten und sie der Kauffähigkeit der breiten Massen der interessierten Käufer anzupassen.
Deshalb schlagen wir Ihnen vor, die Regierung um eine Vorlage zu ersuchen, die einen solchen Rat ins Leben ruft. Ich gestehe gern, daß ich die Ehre des Vorantritts in dieser Angelegenheit zu schätzen weiß; aber dieser Gegenstand wäre wert gewesen, eine interfraktionelle Behandlung zu erfahren, denn er ist nicht die Angelegenheit einer Partei oder einer Kräftegruppe im Volk, sondern er ist wirklich eine Angelegenheit des gesamten deutschen Volkes. Und in diesem Sinne möchte ich Sie um Ihr Wohlwollen dem Antrag gegenüber gebeten haben.
Es gibt auf diesem Gebiete wertvolle Vorarbeit, und zur rechten Stunde - vor etwa einem Monat - ist ein Buch von Frau Dr. Else Meißner, der letzten Geschäftsführerin des Werkbundes in Sachsen vor seiner Vernichtung im Jahre 1933, erschienen. Ich kann mich in diesen zehn Minuten nicht über dieses Buch ergehen und das wertvolle Material, das es enthält, nicht darlegen; ich hoffe aber, daß es die Regierung zu nutzen weiß, wenn das Haus sie um eine solche Vorlage bitten sollte.
Es war ein Engländer namens Brock, der in jener Zeit der Blüte der Werkbundbestrebungen in Deutschland einmal das gewichtige Wort aussprach: „Der deutsche Erfolg auf diesem Gebiet ist keiner des bloßen Wettbewerbs; die Deutschen haben ihn errungen, weil sie auch die Sache sahen". Ich hoffe, daß viele Menschen und möglichst alle maßgebenden Stellen in diesem Sinne lernen, auf die Sache zu sehen, die nicht nur Materie und nicht nur rationellen Rechenstift bedeutet, sondern für die zum Dienst an der Sache auch die volle Erkenntnis der Bedeutung der Form unserer Wirtschaftsgüter gehört, wodurch den in Deutschland produzierten Waren ein erweiterter Export und die echte Wertschätzung des deutschen Verbrauchers gesichert wäre.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und des Handwerks durch bestmögliche Formgebung deutscher Erzeugnisse kann nicht durch ein Gesetz sichergestellt werden.
Eine wertvolle Formentwicklung entsteht aus dem Konkurrenzprinzip der Betriebe des Handwerks und der Industrie untereinander und aus dem ungeschriebenen Gesetz der Nachfrage und Abnahme der Erzeugnisse, besonders im Ausland, von selbst. Eine Formkultur kommt nur aus der Mannigfaltigkeit in freier Entwicklung ohne staatliche Lenkung und Einflußnahme. Ein Rat in der vorge-
schlagenen Form paßt nach meiner Auffassung nur in ein totalitäres Wirtschaftsprinzip
und ist der Tod jeglicher Kultur.
Mittel, wie sie hier für den beantragten Rat verlangt werden, sollten nur für Kunstbildungsstätten gegeben werden, damit dem Handwerk und der Industrie vorgebildete formschöpferische Kräfte, wie das früher gewesen ist, zur Verfügung stehen. Meine Freunde sind mit diesem Antrag nicht einverstanden und lehnen ihn ab.
Das Wort hat der Abgeordnete Schuler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei Betrachtung dieses Antrages komme ich zu folgenden Ausführungen. Es muß zunächst unterschieden werden zwischen Exportaufträgen für die Industrie und der Befriedigung des örtlichen Bedarfs durch das Handwerk. Jeder Fabrikant, der sich am Export beteiligen will, muß ja zunächst den Auslandsmarkt analysieren, um festzustellen, was dort als schön empfunden und gewünscht wird. Nur auf diesem Wege kann er ins Geschäft kommen. Das Handwerk bezieht seine Auftrage hauptsächlich direkt von seiner Majestät dem Kunden. In der Erfüllung der individuellen Wünsche wird es auch in der Zukunft seine Existenzberechtigung finden. Auf dieser Linie hat sich das Handwerk schon bisher als krisenfest erwiesen.
Weil es etwas Ähnliches wie einen Rat für Formentwicklung, wie ihn der Antrag Drucksache Nr. 1347 vorsieht, schon im Dritten Reich einmal gegeben hat, die Käufer jedoch dieser JedermannWare ablehnend gegenüberstanden, deshalb kann sich weder die Industrie noch das Handwerk ohne weiteres für diesen Antrag erwärmen. Meine ursprüngliche Absicht, gegen die Annahme dieses Antrags an Sie zu appellieren, habe ich aber unter den zweckmäßigen Argumenten des Herrn Berichterstatters abgeändert, und ich bitte daher, diesen Antrag dem wirtschaftspolitischen Ausschuß zu überweisen.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Dann erteile ich das Schlußwort dem Antragsteller.
Meine Damen und Herren! Soll ich mich freuen, daß der Antrag mit einem blauen Auge weggekommen ist und daß der Vertreter der CDU den Antrag gestellt hat, ihn an den wirtschaftspolitischen Ausschuß zu überweisen? Ich glaube, was Herrn Farke angeht, so liegt ein Mißverständnis vor: Es soll ein ehrenamtlicher Rat werden, der keine beschließenden Kompetenzen hat, sondern der Rat geben soll. Ausnahmsweise kann ein Rat auch einmal wirklich Rat geben, d. h. er soll Wege finden, wie man junge Kräfte erzieht, wie man die Käuferschichten auf diese Wertware hinweist, wie man die Marktanalyse im In- und Ausland durchführt und daraus wortwörtlich Gestalt gewinnen läßt. Das alles muß ja irgendwo geschehen. Der einzelne Unternehmer kann nicht jedesmal von neuem beginnen. Deshalb, glaube ich, ist es ganz unbedenklich, auch vom Standpunkt der noch so privaten Wirtschaft aus, einen solchen Vorschlag zu akzeptieren.
Wir möchten Sie bitten, diesen Antrag dann, wenn die Regierung sich entschlossen haben sollte, eine Vorlage zu machen, federführend dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik anzuvertrauen und den Außenhandelsausschuß sowie auch, da es sich um eine große Erziehungsaufgabe handelt, den kulturpolitischen Ausschuß mit hinzuzuziehen. Wir haben inzwischen im kulturpolitschen Ausschuß unverbindlich bereits darüber gesprochen. Ich möchte Sie bitten, einstweilen die Federführung dieser Angelegenheit beim kulturpolitischen Ausschuß zu belassen. Er hat sich bereits dahin entschieden, daß er zwei Sachverständige zu hören wünscht. Er will dazu die Mitglieder des wirtschaftspolitischen und des Außenhandelsausschusses hinzuziehen. Dann kann man darüber weiter sprechen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist der Antrag gestellt, den Antrag an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik, den Ausschuß für Außenhandel und den Ausschuß für Kulturpolitik zu überweisen. Federführend ist der Ausschuß für Wirtschaftspolitik.
— Entschuldigen Sie, dann habe ich Sie mißverstanden. Der Ausschuß für Kulturpolitik ist federführend.
Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Die Gegenprobe! — Es ist so beschlossen gegen einige Stimmen.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Tagesordnung erledigt.
Ich habe die 91. Sitzung des Deutschen Bundestages einzuberufen auf Freitag, den 13. Oktober, vormittags 9.00 Uhr.
Damit schließe ich die 90. Sitzung des Deutschen Bundestages.