Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, mit diesem Redner ist die Rednerliste erschöpft.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache.
Wir haben zunächst über den Antrag auf Überweisung der Vorlage an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen abzustimmen. Wer für die Überweisung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; die Vorlage ist damit an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen überwiesen.
Ich rufe nunmehr Punkt 7 der gestrigen Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der Bayernpartei eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung .
Hier hat der Ältestenrat Ihnen vorzuschlagen: für die Einbringung 5 Minuten und Verzicht auf eine Aussprache. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Etzel .
Dr. Etzel (BP), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach § 56 der Gewerbeordnung sind Taschenuhren vom Ankauf und Feilbieten im Umherziehen ausgeschlossen. Zuwiderhandlungen sind nach § 148 der Gewerbeordnung mit Geldstrafe oder mit Haft bedroht. Nun ist die Frage aktuell geworden, ob Armbanduhren, bei denen die Uhr nicht lose in einem Leder- oder sonstigen Behältnis am Riemen mitgetragen wird, sondern technisch einen in das Armband selbst eingearbeiteten, wesentlichen Bestandteil desselben ausmacht, Taschenuhren im Sinne des Gesetzes sind. Nach richtiger Ansicht ist wohl jede Kleinuhr, die geeignet und dazu bestimmt ist, von Personen, gleichviel ob in der Tasche, am Arm, außen auf dem Kleid oder Anzug wie ein Anhänger mitgetragen zu werden, einerlei, ob das Gehäuse aus edlen oder unedlen Metallen, aus Glas oder anderen Stoffen besteht, eine Taschenuhr im Sinne des § 56. Auch der Verwaltungsgerichtshof von Württemberg-Hohenzollern hat in einem Urteil vom 20. Juli dieses Jahres die Armbanduhren aller Art als Taschenuhren im Sinne der Gewerbeordnung anerkannt. Nach Auffassung des Bundesinnenministers sind die Armbanduhren als Taschenuhren anzusehen. Der Bundeswirtschaftsminister äußert Zweifel.
Diese Gegensätzlichkeiten in der Handhabung einer gesetzlichen Vorschrift sind unerfreulich. Tatsächlich handelt es sich bei der Einbeziehung der Armbanduhren keineswegs um eine stark extensive Auslegung, zu der die Verwaltung nicht befugt wäre. In Wahrheit liegt bei den Gegnern der Einbeziehung der Armbanduhr ein reiner Formalismus, eine bürokratische Buch-
stabendeuterei vor, die bei einer zeitgemäßen Verwaltung nicht mehr hätte erwartet werden dürfen. Nicht nur der Richter, auch der Verwaltungsbeamte muß bestehende Vorschriften den Entwicklungen und Bedürfnissen der Wirtschaft, des Verkehrs, der Technik und des Verbrauchs im Wege einer sorgfältigen und vernünftigen Auslegung anpassen, ohne daß er die Grenze dort überschreitet, wo eine Verwaltungspraxis in Wahrheit die Inkraftsetzung einer neuen gesetzlichen Vorschrift bedeuten würde. Einer solchen Kunst der Fortentwicklung des Rechts durch Anwendung und Auslegung bestehender Bestimmungen müßte die Verwaltung fähig sein. Der beteiligte oder betroffene Bürger hat ja dann immer noch die Möglichkeit der Zuflucht zum Verwaltungsgericht.
Die Verweisung der vorliegenden Frage auf die Durchführung von Strafverfahren nach § 148 der Gewerbeordnung oder auf die Benützung von Mitteln des Wettbewerbsrechts ist unangebracht. Es geht darum, durch eine eindeutige und übereinstimmende Verwaltungspraxis eine allgemeine Regelung und eine vorbeugende Ordnung herbeizuführen.
Taschen- und Armbanduhren sind Wertgegenstände, die sich nicht zum Vertrieb im Hausiergewerbe eignen. Neuerdings werden überdies infolge der verfehlten Praxis einzelner Verwaltungen vielfach geschmuggelte Armbanduhren ungehindert über Hausierer abgesetzt. Der berechtigte Schutz des redlichen Handels und Handwerks wie auch des Verbrauchers erfordern eine alsbaldige Beseitigung der bestehenden Mißstände. Wir tun ungern den allzu bequemen Griff — wie Bismarck sagte — nach der Klinke der Gesetzgebung. Da sich aber einzelne Verwaltungen offenbar nicht als bereit oder fähig zu einer vernünf tigen Auslegung und Anwendung des § 56 erweisen, müssen wir ihn gleichwohl tun. Der Fall ist so klar und einfach, daß sich eine Ausschußberatung nach meiner Meinung erübrigt und eine geschäftsordnungsmäßige Verabschiedung des Gesetzesvorschlags, in dem ich nur noch hinter den Worten „Ziffer 3" das Wort „Gewerbeordnung" einzufügen bitte, unmittelbar im Plenum erfolgen könnte.