Rede von
Dr.
Harald
Koch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie daran erinnern, daß meine Fraktion schon bei der Beratung des Einkommensteuergesetzes, jener unsozialen Einkommensteuerreform, über die wir uns in diesem Hause vor nunmehr einem halben Jahr unterhalten haben, an die Regierung die Forderung gerichtet haben, eine besondere Aufwandsteuer zu schaffen — obwohl wir uns klar waren, wie groß die Schwierigkeiten sind, ein solches Steuergesetz zu formulieren —, insbesondere aber eine Steuer gegen den Spesenunfug zu schaffen. Ich darf Sie daran erinnern, daß ich am 3. März 1950 zur Einkommensteuerreform und zu dieser verlangten Spesenabgabe das folgende gesagt habe: „Wie wäre es gewesen, wenn man in den Steuervorschlägen, die man uns gemacht hat und die ja lediglich auf eine ziemlich phantasielose Steuersenkung zugunsten eines ganz kleinen Kreiseis höchster Einkommensbezieher hinauslaufen; —wenn man uns statt dessen Vorschläge gemacht und in das Gesetz eingearbeitet hätte und nun kommt der Vorschlag — eine Erfassung überhöhter Betriebsausgaben und Werbungskosten, insbesondere im Kampf gegen die Spesen
Jetzt liegt uns das Gesetz über diese Spesenabgabe — es ist der zweite Teil des Entwurfes — vor. Wir sind grundsätzlich für diese Abgabe; wir glauben aber, wie es auch schon die Herren Vorredner zum Ausdruck brachten, daß wir diese Spesenabgabe ganz anders gestalten sollten. Ich glaube, wir kommen dem heute herrschenden Spesenunfug nur dann zu Leibe, wenn wir in dem Gesetz einen ganz engen Rahmen ziehen, innerhalb dessen derartige Spesen für Bewirtung noch als Werbungskosten und Betriebsausgaben im Einkommensteuerrecht und im Körperschaftsteuerrecht anerkannt werden.
Die Sätze von § 9 des Entwurfs sind zu starr. Sie nehmen keine Rücksicht auf die Höhe der Umsätze; sie nehmen keine Rücksicht auf die tatsächlichen Bedürfnisse der einzelnen Wirtschaftszweige. Wir müssen doch daran denken, daß exportintensive Wirtschaftszweige andere Spesen haben müssen als andere Wirtschaftszweige, die lediglich Inlandsabsatz haben. Die wirtschaftlich Starken werden von dieser Spesenabgabe am wenigsten getroffen. Wir müssen einen Unterschied meinetwegen zwischen Handwerksbetrieben und Großunternehmen machen. Diese Spesenabgabe hier ist eine lahme Handhabe in der Hand der Finanzverwaltung und in der vorliegenden Form lediglich eine Legalisierung des übermäßigen Verzehrs.
Nun zur Aufwandsteuer. Wir haben alle Veranlassung, immer wieder festzustellen, daß bestimmte Schichten in der deutschen Bevölkerung einen Aufwand treiben, der mit der Not und dem Elend von Millionen in gar keinem Verhältnis steht.
Wir haben darauf bei der Beratung der Einkommensteuerreform hingewiesen. Wir sollten daran denken, daß dieser Aufwand unserem Ansehen im Ausland abträglich ist. Wir werden immer wieder unser ceterum censeo hierzu sagen. Wir werden immer wieder sagen: Warum beschließt man zunächst eine unsoziale Einkommensteuerreform, mit der man Hunderte von Millionen für derartige Dinge zur Verfügung stellt, und kommt nunmehr mit einer derartigen Gesetzesvorlage, mit der man pfennigweise, bis zu 20 Millionen etwa, wieder einen ganz kleinen Bruchteil dieser Hunderte von Millionen hereinholen will?
Meine Damen und Herren, wir erkennen an, daß die Finanzverwaltung sich bei der Abfassung
dieses Gesetzes offenbar große Mühe gegeben und all die Fehler vermieden hat, die mit den alten Luxussteuern verbunden waren. Die entsetzliche Kasuistik, die endlosen Aufzählungen sind weggefallen, die zu Rechtsunsicherheit führen. Wir denken an die unsozialen Luxussteuern aus der Zeit zwischen 1919 und 1925. Die Finanzverwaltung hat uns auch in einer trefflichen Aufzählung die Gründe genannt, die gegen die Aufwandsteuern sprechen. Herr Dr. Höpker-Aschoff hat uns diese Gründe aus der Begründung der Regierungsvorlage vorgetragen. Ich brauche sie nicht zu wiederholen. Aber uns von der Opposition drängt sich die Frage auf, ob uns der Herr Finanzminister mit dieser Begründung die Waffen aus der Hand schlagen wollte, die wir gegen ihn und gegen seine Vorlage richten könnten, oder ob er seinen Freunden und uns die Gegengründe gegen seine Vorlage überhaupt erst in den Mund legen wollte.
Über all diese Gründe hat sich jedenfalls die Finanzverwaltung hinweggesetzt. Sie hat ganz zweifellos lediglich eine optische Steuer geschaffen und offenbar, wie schon gesagt wurde, aus der Bedrängnis heraus, daß man auf dem Petersberg ein Versprechen gegeben hat. Es ist nicht .so, wie der Herr Vorredner sagte, daß es ein „Wink" des Petersbergs war, eine solche Steuer zu schaffen, sondern wir haben aus der Presse entnommen, daß man, um das Veto zu beseitigen, diese Steuer als Kaufpreis angeboten hat. Und das ist das Bedauerliche.
In der vorliegenden Form wird die Steuer sich selbst auffressen. Es ist schon davon gesprochen worden, daß das bisher bei jeder Luxussteuer der Fall war. Wir können an dieser Steuervorlage in der vorliegenden Form nicht mitarbeiten, weil der fiskalische Erfolg der Steuer viel zu gering wäre. Der Bund der Steuerzahler hat den Ertrag dieser Steuer als „gänzlich uninteressant" bezeichnet. Ich darf daran erinnern, daß Herr Minister Hilpert im Bundesrat den gesamten Ertrag dieser Steuer auf 20 Millionen DM geschätzt hat. Davon wären dann noch die Verwaltungskosten abzusetzen.
Wir wissen, daß die Wirtschaft seit Jahr und Tag um die Vereinfachung des Steuersystems bittet. Die vorliegende Luxussteuer würde zu weiteren Komplikationen führen. Die vorliegende Steuer träfe —4 was das wichtigste ist und was auch schon alle Redner betont haben — in allererster Linie die exportintensiven Wirtschaftszweige. Sie wurden schon genannt: die Silberwarenindustrie in Hanau und Pforzheim, die Offenbacher Lederwarenindustrie und die Frankfurter Rauchwarenindustrie, die ich besonders erwähnen muß, weil sie 22 000 Menschen 'beschäftigt und überwiegend aus Flüchtlingsbetrieben aus der Ostzone besteht. Hinzu kommt die Hanauer und Ober-Idarsteiner Edelsteinindustrie. Es ist kein Zufall, daß im Bundesrat gegen diese Besteuerung der exportintensiven Industrien insbesondere die Länder Hessen, Württemberg-Baden und Rheinland-Pfalz gestimmt haben, die ja besonders exportintensive Industrien beherbergen.
Ich möchte, wie es meine Vorredner schon getan haben, noch einige Einzelheiten aus dem Gesetz erwähnen, die den ganzen Widersinn der Aufzählung des Gesetzes kennzeichnen und zeigen, wie willkürlich diese Aufzählung ist. Eine Silberschale ist Luxus, eine Porzellanschale oder eine Kristallschale ist kein Luxus. Nach der Vorlage ist ein Lederkoffer im Preise von 160 DM, den sich ein Reisender für seinen Betrieb kauft, Luxus, eine Damenhandtasche für 145 DM ist kein Luxus. Ein Pelzmantel für 800 DM ist Luxus, ein Modellmantel aus Tuch für 850 DM ist kein Luxus. Ein Kranz für eine Beerdigung zum Preise von 30 DM ist Luxus, eine Schachtel Pralinen in Luxusausführung für 40 oder 50 DM ist kein Luxus, ebensowenig wie zwei oder drei Blumensträuße für je 20 DM Luxus sind. Diese Möglichkeit der Umgehung hat schon Herr Dr. Höpker-Aschoff genannt. Es ist im Bundesrat behauptet worden, daß das, was für die Binnenländer die Schrebergärten seien, für die Küstenbewohner die Motorboote seien; für diese Behauptung möchte ich Herrn Senator Harmssen, der das im Bundesrat sagte, die Beweisführung überlassen.
Sie kennen die Pläne, die Schaumweinsteuer zu senken. Meines Erachtens ist es doch völlig unmöglich, im gleichen Atemzug die Spirituosen als Luxus zu bezeichnen. Wenn etwa 20 Kubikzentimeter im Ausschank 40 Pf. kosten, käme schon die Aufwandsteuer zum Zuge. Das trifft also meinetwegen den Münsterländer Korn, den Schwarzwälder Kirsch und andere bodenständige Gewächse.