Rede von
Hugo
Paul
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Wie umstritten diese Vorlage der Regierung ist, hat die Debatte am gestrigen und heutigen Tag bereits bewiesen. Die Bundesregierung versucht, sich durch diese Vorlage ein soziales Mäntelchen umzuhängen. Sie will den Massen draußen im Lande begreiflich machen, daß sie gewillt ist, nunmehr gegen die begüterten Kreise vorzugehen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß diese Steuer im Höchstfalle 20 Millionen DM einbringen würde, die praktisch durch den Verwaltungsapparat wieder verbraucht würden. Wenn die Regierung eine wirklich soziale Steuerpolitik betreiben wollte, dann hätte sie das längst beweisen können, z. B. damals bei der Einkommensteuervorlage. Im Gegenteil, den Großkapitalisten wurden damals 900 Millionen bis 1 Milliarde Mark geschenkt. Seit dieser Zeit sind die Preise wahnsinnig in die Höhe gegangen, und die Regierung hat keine ernsthaften Versuche unternommen, dem Preiswucher und der Preissteigerung entgegenzutreten. Im Gegenteil, sie hat sich dort, wo die Arbeiter und Angestellten den Kampf für höhere Löhne aufnahmen, zugunsten der Unternehmer eingeschaltet. Sie hat durch bestimmte Schlichtungsmethoden die Kämpfe der Arbeiter nicht zum vollen Siege kommen lassen.
Die Steuerpolitik dieser Regierung ist unsozial, und auch durch dieses Gesetz kann sie sich keineswegs davon freisprechen, bisher nur eine Steuerpolitik betrieben zu haben, die die breiten Massen belastet. Wenn in der Begründung auf die besondere finanzpolitische Lage hingewiesen wird, in der sich die Bundesrepublik und die Regierung befinden, dann wirkt das sehr eigenartig in einer Zeit, in der die Regierung eine Remilitarisierung und eine verstärkte Besatzungspolitik betreibt. Wenn man ernstlich gewillt wäre, aus dieser Finanzkalamität herauszukommen, dann sollte man mit der Forderung nach erhöhter Besatzung aufhören, die neue Belastungen für die breiten Massen mit sich bringen wird, dann sollte man aufhören mit der Verstärkung der Polizei und der Kasernierung dieser Polizei, weil dies ebenfalls zu neuen Belastungen für die Massen führt.
Wir stimmen dieser Vorlage nicht zu. Diese Regierung ist eine Regierung, die entgegen den Interessen des schaffenden Volkes tätig ist. Wir geben der Regierung keinerlei Vollmacht, neue Massensteuern — auch in versteckter Form -
einzutreiben. Wir sind jederzeit bereit, darüber zu reden, daß man die wirklichen Großverdiener heranholt, um so die Massen zu entlasten. Wir sind jederzeit bereit, darüber zu verhandeln, daß die hohen Verbrauchssteuern herabgesetzt werden. Aber wir haben zu dieser Regierung nicht das Vertrauen, daß sie eine wirklich soziale Politik für die breiten werktätigen Massen betreibt. Das kann nur eine Regierung, die selbst aus den werktätigen Massen kommt, die sich die Wiedervereinigung unserer Heimat, den freien Handel und eine wirklich nationale Politik zum Ziele setzt. Nur eine solche Regierung wäre auch in der Lage, die wirklich begüterten Kreise heranzuholen. Damit wäre in der Tat dem Wohle der breiten Massen gedient.