Rede von
Anton
Storch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie Ihnen durch die Meldungen der Presse und des Rundfunks bekannt geworden ist, hat die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr mit Wirkung von heute morgen 8 Uhr den allgemeinen Streik für die Arbeiter und Angestellten der Bundeswasserstraßenverwaltung proklamiert.
Die Bundesregierung hält sich für verpflichtet, dem Hohen Hause zu diesen Vorgängen folgende Klarstellung zu geben.
Die derzeitige Lohnhöhe der Arbeiter und Angestellten bei der Bundeswasserstraßenverwaltung beruht im wesentlichen auf der Tarifvereinbarung zwischen der früheren Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr vom 28. 7. 1948, die durch eine Zusatzvereinbarung vom 4. 10. 1948 ausdrücklich auf die Arbeitnehmer der Wasserstraßenverwaltung ausgedehnt wurde. Diese tarifliche Vereinbarung wurde von der vertragschließenden Gewerkschaft zum 1. April 1950 gekündigt, nachdem vorher Verhandlungen über eine Erhöhung der Löhne ergebnislos verlaufen waren. Nach der Kündigung wurde zwischen den Vertragsparteien vereinbart, daß die Verhandlungen bis zur Aufstellung des Haushaltsplanes ausgesetzt werden sollten. Der Haushaltsplan ist im
September fertiggestellt worden, so daß im Anschluß daran die Verhandlungen mit den Gewerkschaften aufgenommen werden konnten.
In der Zeit vom 7. August bis 23. September 1950 hat die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr mit der Begründung, daß die Lebenshaltungskosten stark gestiegen seien, um sofortige Aufnahme der Verhandlungen gebeten und gleichzeitig erhöhte Forderungen gestellt. Die am 2. Oktober 1950 von dem Tarifausschuß der Bundesregierung mit der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr und der Deutschen Angestelltengewerkschaft geführten Verhandlungen führten zu keiner Einigung. Die Gewerkschaften verlangten von der Bundesregierung bis zum Donnerstag, dem 5. Oktober 1950, 12 Uhr mittags, eine Mitteilung, ob die Bundesregierung außer den beabsichtigten Maßnahmen zur Preissenkung auch die Löhne und Gehälter der Arbeiter und Angestellten der Bundesregierung erhöhen wolle. Hierauf erhielt die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr am 4. Oktober 1950 telefonisch und am 5. Oktober 1950 durch Fernschreiben des Bundesarbeitsministeriums folgende Mitteilung:
Die Bundesregierung schlägt vor, die Verhandlungen über die Lohnstreitigkeiten beim Bund unter einem unparteiischen Vorsitzenden weiterzuführen. Für den Fall, daß die Verhandlungen zu keinem Ergebnis führen, wird vorgeschlagen, unter dem unparteiischen Vorsitzenden ein Schiedsgericht zu bilden mit dem Ziel, die Lohnstreitigkeiten beizulegen.
Den Tarifgemeinschaften bei den Ländern und Kommunen ist von der Bundesregierung dasselbe Verfahren empfohlen worden.
Am 5. Oktober 1950 fanden Verhandlungen zwischen den Tarifgemeinschaften der Kommunen und der Länder und dem Bundesfinanzministerium statt. Aus dieser Verhandlung ist an die in Frage kommenden Gewerkschaften noch folgendes Fernschreiben durchgegeben worden:
Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder ladet nochmals zur Fortsetzung der am 19. 9. begonnenen Verhandlungen nach Königstein im Taunus auf den 10. 10. um 13 Uhr 30 ein. Die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände wird auf Grund der schon seither von ihr bekundeten grundsätzlichen Verhandlungsbereitschaft teilnehmen. Der Bundesfinanzminister wird inzwischen bei der Bundesregierung darauf hinwirken, daß der Ressorttarifausschuß des Bundes sich an dieser Verhandlung beteiligt.
Dieses Fernschreiben ist von Dr. Hilpert, Hessen, gezeichnet.
Der Inhalt dieses Fernschreibens wurde fernmündlich im voraus dem Hauptvorstand der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr in Stuttgart durch den in der Sitzung gleichfalls anwesenden Oberbürgermeister von Stuttgart, Herrn Dr. Klett, übermittelt. Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr hat den Inhalt der beiden amtlichen Erklärungen für unbefriedigend erklärt und verlangt, daß die Bundesregierung innerhalb einer Frist von einer Stunde
die von den Gewerkschaften gestellten Forderungen dem Grunde nach ausdrücklich anerkennt.
Die Verantwortung für die durch den Streikbeschluß etwa entstehenden Schwierigkeiten im Wirtschaftsleben, insbesondere in der Versorgung der Bevölkerung,
dürfte nach dem Vorgetragenen bei der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr liegen.