Rede von
Dr.
Josef
Schatz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Vertretung des Herrn Kollegen Dr. Weber habe ich namens des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über den Entwurf eines Gesetzes über die Anerkennung von Nottrauungen zu berichten. Kaum irgendwo haben der Krieg, die Nachkriegszeit und die damit zusammenhängenden Auflösungserscheinungen einen solchen Wirrwarr hervorgerufen wie auf dem Gebiet des Familienwesens. Das Hohe Haus hat erst vor kurzem ein Gesetz über die Anerkennung freier Ehen rassisch und politisch Verfolgter verabschiedet. Dieses Gesetz war ein Ordnungsgesetz, indem es endlich einmal auf diesem Gebiet einen Schlußstrich unter die verworrenen Verhältnisse auf dem Gebiet des Familienwesens gezogen hat. Auch das vorliegende Gesetz hat keinen anderen Grund als den, endlich hier eine Bereinigung herbeizuführen, um klare Verhältnisse auf dem Gebiet des Familienwesens zu schaffen.
Der Regierungsentwurf hat in seiner Begründung mit Recht angeführt, daß nach 1945 eine Menge deutscher Personen aus den Ostgebieten nach Dänemark in Läger verschleppt oder deportiert worden ist. Dort haben viele Deutsche geheiratet, und zwar vor irgendeinem ehemaligen deutschen Standesbeamten, nachdem die dänische Regierung hierzu ihre Zustimmung gegeben hatte. Auf der anderne Seite sind viele Deutsche in Norwegen festgehalten worden. Sie haben dort noch vor den richterlichen Militärjustizbeamten geheiratet, die während des Krieges das Recht hatten, Trauungen vorzunehmen, aber mit dem Eintritt der Kapitulation dazu nicht mehr befähigt waren. Der Großteil der Ehen, die hier in Beacht kommen, sind in den Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie vor Geistlichen geschlossen worden, die zum Teil auf Grund eines Dorfrechts möglicherweise — was aber sehr bestritten ist -
das Recht gehabt haben, rechtsgültige Ehen zu schließen. Ein Teil dieser Leute ist dort vor nicht zuständigen Beamten oder nicht zuständigen deutschen Personen eine Ehe eingegangen, die nicht rechtsgültig ist, und zwar deshalb nicht, weil das deutsche Recht nur eine Eheschließung vor dem zuständigen Trauungsbeamten, das ist der Standesbeamte, kennt.
In Verfolg dieser Bereinigung haben die deutschen Bundesländer, mit Ausnahme von Südbaden und Württemberg-Hohenzollern, bereits Gesetze geschaffen, die die Rechtsgültigkeit dieser Ehen herbeiführen. Im Anklang hieran hat nun, nachdem das Eherecht Bundesrecht geworden ist und diese Ländergesetze mit Ablauf des Dezembers ihre Befristung beenden, die Regierung ein kodifiziertes Bundesgesetz vorgelegt, das der Rechtsausschuß in seiner Sitzung vom 20. September eingehend behandelt hat. Er hat vor allem die grundsätzliche Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit dieses Gesetzes bejaht.
Der Entwurf der Regierung spricht immer von Scheinehen. Diese Ehen sind aber nicht nur keine Scheinehen, sondern rechtlich sind sie Nichtehen,
da sie rechtlich nicht existent geworden sind. Die Ehefrau eines solchen etwa in Norwegen, Dänemark oder in den Ostgebieten verheirateten Mannes trägt mit Unrecht den Namen dieses Mannes; die Kinder, die etwa aus einer solchen Ehe hervorgegangen sind, sind uneheliche Kinder. Kurzum, wenn ein Mann oder eine Frau aus einer solchen Ehe wieder geheiratet hat, so haben sie sich durchaus nicht des Vergehens der Doppelehe schuldig gemacht, weil sie überhaupt nicht verheiratet gewesen sind.
Sie werden einsehen, meine Damen und Herren, daß hier eine Bereinigung dringend erforderlicht ist. So hat das Gesetz in sieben Paragraphen einfach, klar, aber auch mit der notwendigen und genügenden Kontrolle ein Verfahren erarbeitet, das, wie ich schon sagte, in starkem Anklang an die Ländergesetze ausgearbeitet ist.
In § 1 ist festgelegt, daß eine solche rechtsungültige Ehe gültig wird, sobald sie in das Familienbuch des Hauptstandesamtes in Hamburg eingetragen ist. Man hat dieses Standesamt deshalb gewählt, weil die Ländergesetze bisher schon dieses Standesamt aufgeführt haben. Die Ehe wird rückwirkend gültig, d. h. von dem Zeitpunkt, wo sie als rechtsunwirksame Ehe irgendwo in Norwegen, in Dänemark oder in den Ostgebieten geschlossen worden war. In Abs. 2 ist aber festgelegt, daß die Güterrechtsverhältnisse erst mit dem Zeitpunkt der Eintragung in Kraft treten, und zwar deshalb, weil man unmöglich die Güterrechtsverhältnisse von Ehegatten oder von Ehegatten zu Dritten, oder eines Ehegatten zu Dritten, rückwirkend gestalten kann.
§ 2 sagt: Antragsberechtigt ist allgemein jeder Ehegatte oder, wenn beide Ehegatten verstorben sind, jedes gemeinschaftliche Kind. Der Standesbeamte, sagt Abs. 2, hat aber zu prüfen, ob nicht ein Eheverbot gegen die Eintragung besteht, denn die absoluten Ehehindernisse müssen selbstverständlich auch hier beachtet werden.
In § 3 ist festgelegt, daß die Eintragung nur erfolgen darf, wenn eine Urkunde des seinerzeit nichtberechtigten deutschen Beamten oder der Militärpersonen, des Kriegsgerichtsrats, oder wer immer da tätig gewesen sein mag, vorliegt. Man ist absichtlich davon ausgegangen, daß kein Unfug mit eidesstattlichen Versicherungen etwa hier Platz greifen darf, wenn irgendjemand behauptet, daß er am Soundsovielten in Dänemark oder in Norwegen oder in den Ostgebieten vor dem X. X. getraut worden sei, sondern es muß eine Urkunde von der Person vorliegen, die diese Trauung seinerzeit, wenn auch zu Unrecht, geschlossen hat.
§ 4 regelt die Verhältnisse, die eintreten, wenn einer der Ehegatten aus einer solchen rechtsunwirksamen Ehe sich später rechtsgültig verheiratet hat. Diese Möglichkeit besteht durchaus und vor allen Dingen deshalb, weil viele Leute erst später darauf gekommen sind, daß sie überhaupt nicht verheiratet waren. Hier bestimmt das Gesetz, daß trotzdem die Eintragung einer solchen Ehe möglich ist, auch rückwirkend von dem Tage des Abschlusses der rechtsungültigen Ehe, die aber gleichzeitig mit der Eingehung der neuen Ehe aufgelöst wird. Das ist aber deshalb gemacht worden, weil z. B. die sich nicht wieder verheiratenden Frauen — sagen wir mal, ein Mann hat geheiratet — mindestens in fürsorgemäßiger, in unterhaltsmäßiger Beziehung sichergestellt werden müssen. Hier greifen die Bestimungen des Ehegesetzes vom Jahre 1946 ein.
In § 4 Abs. 2 ist weiter festgelegt, was geschieht, wenn ein Mann, der sich verheiratet hat, zunächst glaubte, rechtsgültig verheiratet zu sein, und später vor einem richtigen deutschen Standesamt wieder geheiratet hat. Hier wird angenommen — das ist die Folgerung —, daß die erste, rechtsungültige Ehe ohne Schuldausspruch geschieden worden wäre, und dann greifen die Bestimmungen des Ehegesetzes über Unterhalt, Versorgung für die Kinder usw. Platz.
In § 6 ist festgelegt, wie die Fristen für die Anträge laufen. Zunächst hat der Regierungsentwurf vorgesehen, daß mit Ablauf des Jahres 1950 die Möglichkeit der Antragstellung ausläuft. Wir haben uns aber im Rechtsausschuß zu der Meinung durchgerungen, daß dieses Gesetz ja frühestens Ende Oktober rechtskräftig wird und so im günstigsten Falle nur für zwei Monate die Möglichkeit besteht, daß ein Beteiligter Anträge stellen könnte. Nachdem nach den bisherigen Ländergesetzen die Beteiligten mindestens ein Jahr Frist hatten, wäre es ungerecht, wenn man diese Frist auf zwei Monate beschränken würde. Deshalb hat der Ausschuß sich auf den Standpunkt gestellt, daß die Antragsfrist mit dem 31. Dezember 1951 abläuft. Kriegsgefangene können aber innerhalb eines Jahres von dem Tage ab, an dem sie auch in Zukunft aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehren, diesen Antrag stellen.
Nun hat der Bundesrat, der das Gesetz als solches gebilligt hat, zu § 6 einen Abs. 2 für notwendig gehalten, um die Fälle zu regeln, die etwa eintreten, wenn ein deutscher Kriegsgefangener, der geheiratet hatte, stirbt oder wenn er nachher für tot erklärt wird, und wenn etwa die Mutter auch stirbt und gemeinschaftliche Kinder aus dieser nicht rechtsgültigen Ehe vorhanden sind. Hier haben wir in Abs. 2 eine Bestimmung getroffen, die ein erweitertes hinausgezogenes Antragsrecht für die gemeinschaftlichen Kinder regelt. Hier mußten wir aber auch gegen den Entwurf des Bundesrates die Zeitdauer von 1950 auf 1951, und den Tod der Ehefrau von 1951 auf 1952 verlegen, eine analoge Angelegenheit, die weiterer Begründung nicht bedarf.
Meine Damen und Herren! Der Rechtsausschuß hat das Gesetz, wie ich schon sagte, eingehend geprüft und hat es einstimmig angenommen, einstimmig auch in bezug auf die kleinen Abänderungen in § 6 Abs. 2.
Ich habe Sie, meine Damen und Herren, zu bitten, durch Ihre Zustimmung zu diesem Gesetz auch Ihr Teil dazu beizutragen, daß wir auf dem Gebiet der Bereinigung des verworrenen Familienwesens wieder einen Schritt weiterkommen.