Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 27. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Zunächst bitte ich Herrn Schriftführer Matthes, die abwesenden Mitglieder des Hauses bekanntzugeben.
Beurlaubt sind wegen Krankheit die Abgeordneten Dr. Höpker-Aschoff, Dr. Weiß, Dr. Kopf, Pohle, Dirscherl, Reimann, Walter Fisch, Agatz, Nuding, Niebergall. Auf Grund von Entschuldigungen fehlen die Abgeordneten Dr. Horlacher, Dr. Henle, Dr. Serres, Feldmann, Dr. Gerstenmaier, Bausch, Dr. Greve, Frau Schroeder, Schönauer, Kalbfell, Heinz Meyer , Blachstein, Ohlig, von Knoeringen, Faßbender, Dr. Oellers, Euler, Ernst Mayer (Stuttgart),
Dr. Pfleiderer, Rademacher, Dr. Freiherr von Rechenberg. Dr. Zawadil, Dr. Baumgartner, Ahrens, Wittenburg, Dr. Seebohm, Wittmann.
Meine Damen und Herren! Ich begrüße als Nachfolger des verstorbenen Herrn Abgeordneten Ziegler Herrn Abgeordneten Rahn. Er hat sich erhoben und dem Hause vorgestellt. Ich wünsche ihm gute Zusammenarbeit mit allen Mitgliedern des Hauses.
Mit Schreiben vom 16. Januar 1950 hat der Bundesrat mitgeteilt, daß er in seiner Sitzung vom 13. Januar beschlossen hat, ,gemäß Artikel 77 des Grundgesetzes dem Gesetz über die Erteilung einer Kreditermächtigung zuzustimmen.
Der Herr Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 14. Januar 1950 die Anfrage der Herren Abgeordneten Dr. Wuermeling und Genossen betreffend Reiseverkehr mit dem Saargebiet beantwortet.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 6. Januar 1950 die Anfrage der Fraktion der Bayernpartei betreffend Sicherung der Verwendung der zur Auszahlung gelangenden Hausratshilfsbeträge beantwortet.
Die Antworten gehen in Form einer Drucksache den Mitgliedern noch heute oder morgen zu.
Ich habe ferner als Eingang bekanntzugeben: Das Bayerische Staatsministerium der Justiz in München hat auf Grund einer Anklage des Oberstaatsanwalts in München beantragt, einen Beschluß des Bundestages über die Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Hermann Aumer herbeizuführen. — Ich darf das Einverständnis des Hauses feststellen, daß ich die diesbezüglichen Akten dem Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität zur weiteren Erledigung überweise.
Damit sind meine Mitteilungen erschöpft.
Meine Damen und Herren, ehe wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich noch vorausschicken, daß wir gestern im Ältestenrat wieder darum bemüht gewesen sind, durch Einteilung der Redezeit eine Straffung der Verhandlungen durchzuführen. Ich werde bei den einzelnen Punkten die Vorschläge und Auffassungen des Ältestenrates diesbezüglich mitteilen.
Wir kommen damit zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Einspruch des Abgeordneten Dr. Miessner gegen den ihm erteilten Ordnungsruf in der Sitzung am 16. Dezember 1949 gemäß § 92 der vorläufigen Geschäftsordnung .
Gemäß § 92 schreiten wir zur Abstimmung. Wer für diesen Einspruch des Herrn Abgeordneten Dr. Miessner ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Einspruch ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung des Entwurfs einer Verordnung über die Errichtung einer Zweigstelle des Deutschen Patentamtes in Groß-Berlin .
Ich weise darauf hin, daß wir für die Einbringung der Vorlage und die Aussprache im ganzen etwa eine halbe Stunde vorgesehen haben, und bitte die Damen und Herren, die sich an der Debatte beteiligen, diese Zeitbemessung gebührend berücksichtigen zu wollen.
Ich erteile nun dem Herrn Bundesminister der Justiz das Wort.
Meine Damen und Herren! Der gewerbliche Rechtsschutz war durch die Verhältnisse der Nachkriegszeit vollkommen desorganisiert. Um wieder festen Boden zu schaffen, hat der Wirtschaftsrat in sehr anerkennenswerter Weise im Juli 1948 durch ein Gesetz Annahmestellen, und zwar in Darmstadt und in Berlin, eingerichtet und dadurch wieder die Möglichkeit gegeben, Anmeldungen vorzunehmen und den Zeitrang dieser Anmeldungen zu sichern. Durch ein Gesetz des Wirtschaftsrates vom 12. August 1949 wurde dann wieder unter Abänderung des Gesetzes über das Patentamt ein Deutsches Patentamt, ein Bundespatentamt, in München geschaffen. Dieses Bundespatentamt hat am 1. Oktober 1949 seine Tätigkeit aufgenommen. Damit sind die Annahmestellen in Darmstadt und in Berlin entfallen.
Von Anfang an war vorgesehen, für Berlin die Möglichkeit der Errichtung einer Annahmestelle zu schaffen. Das genannte Gesetz vom 12. August 1949 hat von vornherein die Möglichkeit, Zweigstellen des Patentamtes einzurichten, vorgesehen. Die Dinge haben sich verzögert, weil die Zustimmung des Magistrats von Berlin bisher nicht vorlag. Sie ist nunmehr durch ein Schreiben vom 14. Dezember 1949 erteilt worden, so daß der Einrichtung dieser Zweigstelle des deutschen Bundespatentamtes in Berlin keine Schwierigkeiten mehr entgegenstehen.
Zuständig für die Einrichtung dieser Zweigstelle ist nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 12. August 1949 das Bundesjustizministerium. In § 1 Absatz 3 dieses Gesetzes ist vorgesehen, daß unter den damaligen Verhältnissen der Vorsitzende des Verwaltungsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes mit Zustimmung des Wirtschaftsrates Zweigstellen des Patentamtes errichten kann. Ich habe eine Verordnung vorgesehen und bin der Ansicht, daß hierzu die Zustimmung nunmehr des Bundestages erforderlich ist. Hierüber bestand Streit, und ich habe deswegen vor 8 Tagen gebeten, die Vorlage noch einmal kurz zurückzustellen. Meine Prüfung hat aber kein anderes Ergebnis gehabt. Ich stehe nach wie vor auf dem Standpunkt, daß die Zustimmung des Bundestages für diese Verordnung erforderlich ist. Die Gesetzgebungszuständigkeit des Wirtschaftsrates ist auf dieses Hohe Haus übergegangen. Es handelt sich um eine Frage der Gesetzgebung. Vor allem steht in Frage eine Gesetzgebungsmaterie, die zur ausschließlichen Zuständigkeit des Bundes gehört, nämlich die Frage des gewerblichen Rechtsschutzes, und es steht weiter die Organisation des Bundespatentamtes in Frage, das eine unmittelbare Bundesbehörde ist, so daß Interessen der Länder insoweit nicht in Frage stehen. Meine Bitte geht dahin, daß Sie meiner Verordnung zustimmen.
Noch eine kurze Bemerkung über die Zuständigkeiten der in Berlin zu errichtenden Zweigstelle des Patentamtes. Sie beschränken sich zunächst auf die Annahme von Patenten, Warenzeichen und Gebrauchsmustern mit der Folge der Priorität, die durch die Anmeldung entsteht. Das Problem der Erweiterung dieser Zuständigkeiten wird zwischen der Bundesregierung und den beteiligten Interessentengruppen und vor allem auch mit dem Magistrat von Groß-Berlin erörtert. Es ist eine Frage, die eine Abänderung des Gesetzes dar-
stellen und daher der Zuständigkeit der Gesetzgebung unterliegen würde. Ich werde in den nächsten Wochen persönlich die Verhandlungen mit den Vertretern von Berlin weiterführen. Die Bundesregierung ist grundsätzlich gewillt, alle Möglichkeiten zu erschöpfen, Bundesbehörden nach Berlin zu legen, soweit sich das im Rahmen der praktischen Verhältnisse durchführen läßt, um die Verbindung der Bundesrepublik mit Berlin zu dokumentieren.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Zum Wort hat sich zunächst der Herr Abgeordnete Dr. Seelos gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf einige formelle Dinge dieser Vorlage eingehen. Die Bundesregierung hat die Vorlage für eilbedürftig erklärt. Andererseits wird in der Begründung der Vorlage ganz offen zugegeben und auch jetzt in der Begründung des Herrn Ministers wiederholt, daß der Berliner Magistrat wochenlang gezögert hat, bis er sich dazu entschloß, seine Zustimmung zu dieser Verordnung zu geben. Man hat diese Verordnung sogar so durch das Parlament hindurchpeitschen wollen, daß man davon absehen wollte, die übliche Linie einzuhalten und sie zunächst einem Ausschuß zuzuweisen. Ich bin der Auffassung, daß man bei Vorlagen der Regierung schon etwas wägen soll, wenn eine Sache wirklich eilbedürftig ist, und nicht automatisch Dinge als eilbedürftig bezeichnen soll, die dem in keiner Weise entsprechen.
Es ist nun einmal nicht so, daß ein Brief dadurch eilig wird, daß man ihn per Eilboten aufgibt. Ich glaube, man muß auf diese formellen Dinge etwas mehr Wert legen.
Zu dem Entwurf der Verordnung selbst möchte ich folgendes sagen. In der Begründung steht nur, daß es im Interesse der Groß-Berliner Wirtschaft geboten sei, die Möglichkeit zu geben, in Berlin Anmeldungen mit prioritätsbegründender Wirkung vorzunehmen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Man soll dann aber diese Aufgabe der Stelle in der Verordnung zum Ausdruck bringen. Hier findet man aber doch einen gewissen Widerspruch in § 1 zwischen dem Absatz 1 und dem Absatz 2. In Absatz 1 wird gesagt, daß eine Zweigstelle des Deutschen Patentamtes errichtet wird. In Absatz 2 heißt es aber bereits, daß die Bezeichnung lautet: Deutsches Patentamt, Dienststelle Berlin. Richtigerweise müßte die Bezeichnung lauten: Annahmestelle d e s Deutschen Patentamtes oder: Zweigstelle d e s Deutschen Patenamtes oder meinetwegen: Dienststelle des Deutschen Patentamtes; denn das Deutsche Patentamt hat nach der gesetzlichen Vorschrift nun einmal seinen Sitz in München.
Wir wollen diese Dinge nicht verwischen und nicht
auf kaltem Wege durch erhöhte Zuständigkeiten
so langsam dieses Patentamt nach Berlin bringen.
Wenn man das tun will, soll man es offen machen, soll das Gesetz ändern, aber nicht auf Hintertreppen zu Lösungen, die man will, kommen. Wir sind mißtrauisch geworden. Sowohl Frau Abgeordnete Schroeder als auch ein anderer Abgeordneter haben offen erklärt: als erste der Bundes-
Behörden muß das Patentamt nach Berlin kommen.
Wir haben für die Einrichtung des Patentamts in München so viele Opfer gebracht, haben dem Patentamt das schönste Gebäude, das wir finden konnten, gegeben, so daß man nicht einfach auf diese Art die Behördenverlegungen vornehmen soll.
Bevor nicht in § 1 völlig klargelegt wird, daß es sich hier nur um eine Nebenstelle handelt, sind wir gegen diese Verordnung und bitten, auch im Interesse der Sauberkeit der Rechtsverordnungen, die jetzt erlassen werden, nicht die Zustimmung zu der Verordnung in dieser Form zu geben. Jedenfalls müssen wir darauf bestehen, daß noch eine eingehende Beratung im Ausschuß stattfindet.
Präsident Dr. Köhler Als nächster Redner hat
das Wort der Herr Abgeordnete Rische.
Meine Damen und. Herren! Vielleicht sollte man doch den bayerischen Interessen entgegenkommen und statt „Zweigstelle des Deutschen Patentamtes" richtigerweise sagen: „Zweigstelle des Bayerischen Patentamtes".
— Sie haben natürlich recht! Und darum wollen wir auch unsere Bedenken gegen diese Vorlage erheben.
Meine Damen und Herren, das Reichspatentamt hatte seither seinen Sitz in der deutschen Hauptstadt Berlin. Dem Wirtschaftsrat blieb es vorbehalten, diese alte traditionelle Stätte abzubauen. Es setzte dann der bekannte Streit um Darmstadt oder München ein. Gegen diese Regelung haben wir schon im Wirtschaftsrat unsere Bedenken angemeldet. Wir möchten auch heute hier wieder sagen: es ist recht eigentümlich, daß diejenigen, die in Frankfurt mithalfen, die deutsche Einheit in der Frage des Patentamtes zu zerschlagen, sich nun bemühen, auf Umwegen in Berlin wieder eine Zweigstelle der westdeutschen Einrichtung zu errichten. Es ist klar, daß der Berliner Magistrat mit seiner Zustimmung zur Errichtung einer derartigen Zweigstelle sehr lange zögerte.
Uns ist die Stimmung in Berlin bekannt. Die Berliner können es nicht begreifen, daß sie sich jetzt mit einer Zweigstelle abfinden sollen, nachdem doch bisher in Berlin der Sitz des Reichspatentamts war. Und ich verstehe durchaus, daß die Sozialdemokratische Partei in Berlin bei der Bevölkerung auf einen erheblichen Widerstand stoßen wird, wenn es nur zur Errichtung einer solchen Zweigstelle kommen wird.
Meine Damen und Herren, wir glauben nicht, daß es richtig ist, hier nur eine Geste zu machen. Wir glauben vielmehr, daß man, wenn man eine Regelung treffen will, ein Deutsches Patentamt in der deutschen Hauptstadt errichten muß. Deswegen lehnen wir diese Vorlage ab.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ekstrand.
Meine Damen und Herren! Als sich dieses Hohe Haus zu Beginn seiner Arbeit
schon in den ersten Anfängen mit der Frage Berlin beschäftigte, waren wir alle der Auffassung, daß es an der Zeit und unsere Aufgabe sei, Berlin die Hilfe zu geben, deren die Stadt infolge ihres Kampfes bedarf. Es ist insofern erfreulich, daß der Herr Justizminister in seinen Ausführungen erklärte, daß sich die Bundesregierung nach wie vor verpflichtet fühlt, die endgültige Lösung dieser Frage nicht außer acht zu lassen.
Über die Erklärung des Abgeordneten Seelos von der Bayernpartei bin ich eigentlich verwundert. Ich habe bisher immer geglaubt, daß nur blau nicht nur eine Farbe sei, sondern auch ein Zustand sein könnte.
Aber es ist wohl so, daß auch blau-weiß ein Zustand sein kann.
Herr Abgeordneter Ekstrand, — —
Herr Abgeordneter Ekstrand, darf ich Sie einmal einen Moment unterbrechen. Ich habe soeben erst gehört, daß Sie gesagt haben, daß blau nicht nur eine Farbe, sondern ein Zustand ist.
Ich nehme selbstverständlich an, daß Sie niemanden damit im Hause gemeint haben.
in Berlin als erster Schritt hierzu anzusehen ist.
Auf keinen Fall darf die grundsätzliche Entscheidung durch ,diese Verordnung berührt werden.
Im übrigen . ist die rechtliche Einstellung der Bundesregierung auch die Auffassung unserer Fraktion, und ich bitte, die Vorlage dem Ausschuß zu überweisen.
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Seelos!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war tief verwundert, daß nach meinen sehr sachlichen Ausführungen der Herr Präsident auf diese beleidigenden Ausführungen, auf diesen plumpen ,Witz nicht eine entsprechende Rüge oder Zurechtweisung gefunden und mich nicht in Schutz genommen hat. Das wollte ich hier zum Ausdruck bringen.
Als nächster Redner zur Sache hat sich der Herr Abgeordnete Hoogen zum Wort gemeldet. Ehe ich ihm aber das Wort erteile, möchte ich feststellen, Herr Abgeordneter Dr. Seelos, daß ich ausdrücklich den Herrn Abgeordneten gefragt habe, ob sich seine Bemerkung auf Mitglieder des Hauses bezieht.
- Das habe ich nicht gehört. Ich bin erst nachträglich darauf aufmerksam gemacht worden.
Herr Abgeordneter Hoogen hat das Wort.
Meine Damen und Herren! Die grundsätzliche Entscheidung, von der Herr Kollege Ekstrand sprach, wird weder durch den Wortlaut der Verordnung noch durch ihre Begründung im letzten Absatz irgendwie berührt. Im letzten Absatz der Begründung, wie der Herr Justizminister sie schon dem Inhalt nach vorgetragen hat, ist ausdrücklich hervorgehoben worden, daß Aufgabe dieser Zweigstelle zunächts einmal die Annahme von Patentanmeldungen mit prioritätsbegründender Wirkung sei und daß einer weiteren Aufgabenzuteilung an die Zweigstelle Berlin nicht in irgendeiner Form vorgegriffen werden solle, sondern daß dies, wie er uns gesagt hat, durch eine von ihm persönlich in den nächsten Wochen zu führende Rücksprache geklärt werden solle.
Auf der anderen Seite vermag ich nicht einzusehen, daß der Herr Kollege Seelos recht hat, der meint, die Sache sei nicht eilbedürftig. Unserer Meinung nach i s t die Sache sehr eilbedürftig. Denn nach dem Gesetz des Wirtschaftsrats liefen die Annahmestellen Berlin und Darmstadt mit der Errichtung des Deutschen Patentamts in München am 1. Oktober des vergangenen Jahres aus. Es ist also derzeit nicht möglich, daß in Berlin Patentanmeldungen mit prioritätsbegründender Wirkung erfolgen können. Deswegen ist die Sache eilbedürftig, ganz gleich, wie der eine oder andere darüber denken mag. Die gesetzliche Lage ist nun einmal so.
Deutscher Bundestag — 27: Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1950 827
Die Widersprüche zwischen dem Absatz 1 und dem Absatz 2 des § 1 der Gesetzesvorlage vermag ich auch nicht zu erkennen. In Absatz 1 heißt es ausdrücklich, daß Berlin eine Zweigstelle des Deutschen Patentamts sei. Daß das Deutsche Patentamt in München ist, hat sich allmählich wohl herumgesprochen; denn das ist im Wirtschaftsrat so beschlossen worden. Von dieser gesetzlichen Regelung sollten wir hier, wo es sich um die Erteilung der Genehmigung zu einer Verordnung handelt, ausgehen. In Absatz 3 des § 1 des Gesetzes vom 12. 8. 1949 hat der Wirtschaftsrat ausdrücklich vorgesehen, daß Zweigstellen eingerichtet werden können. Eine solche Zweigstelle mit Zustimmung des Bundestags einzurichten, ist das Recht des Justizministers. Insoweit stimmen wir dem Herrn Justizminister ausdrücklich zu.
Ich vermag also nicht einzusehen, daß die Argumente, die sowohl von dem Redner der Bayernpartei wie von dem Redner der Kommunistischen Partei vorgebracht werden, zutreffen. Deswegen stimmen meine politischen Freunde für die Erteilung der Genehmigung zu der Verordnung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Strauss.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der Verordnung selbst, zu der mein Fraktionskollege Hoogen gesprochen hat, möchte ich nur bemerken, daß wir sie in dem Sinne auffassen, wie der Herr Justizminister sie begründet hat, und daß wir die Interpretation derart, wie sie der. Sprecher der SPD vorgenommen hat, ablehnen müssen. Ich glaube, die SPD, die zur Frage Frankfurt-Bonn und zur Verlegung der Dienststellen von einer Stadt zur andern hier eine sehr dezidierte Meinung bekundet hat, hätte allen Grund, nicht gegen ihre bisherigen Gepflogenheiten hier, wenn es sich um Berlin handelt, diese Verlegung in Zukunft zu wünschen
Es würde sich in Ihrem Fall um Darmstadt und in unserm Fall um München handeln.
Aber zur Sache selbst möchte ich in diesem Zusammenhang nichts mehr sagen. Ich darf aber im Namen der Christlich-Sozialen-Union in Bayern mit aller Schärfe und mit eindringlichem Ernst es uns verbitten und dagegen Beschwerde einlegen, daß die Farben eines Landes mit einem üblen Hintertreppenwitz hier beleidigt werden.
Ich würde auch den Herrn Präsidenten, der offensichtlich den Wortlaut im einzelnen nicht verstanden hat, bitten, sich das Stenogramm dieser Äußerungen zu verschaffen, um diese Angelegenheit im Ältestenrat zur Sprache zu bringen.
Ich habe die Äußerungen des Sprechers der SPD weniger als eine persönliche Beleidigung des Kollegen Seelos empfunden, wenn es auch so aufgefaßt werden kann, als vor allen Dingen in Verbindung mit den Farben weiß und blau als eine Darstellung, als ob weiß und blau ein Zustand wäre, der irgendwie etwas mit blau im Sinne von Alkoholisierung zu tun hätte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der
SPD, so war es gemeint, auch wenn es vielleicht
vorschnell über die Lippen gerutscht ist. Ich
glaube, daß gerade Sie, die Sie Ihren Beitrag zu einem wirklichen Bundesstaat zu liefern versprochen haben, auch gut daran täten, nicht einzelne wichtige Teile des Bundesstaats durch solche Äußerungen und durch solche entehrenden Bemerkungen in ihrer Treue zum Bunde anzugreifen.
Wir selber würden es ablehnen, die Farben eines Landes oder die Farben einer Partei in einer verzerrten Symbolik mit einem beleidigenden Sinn herabzusetzen.
Ich darf bemerken — und das wird jedermann begreifen, der die deutsche Geschichte, nicht nur die bayerische Geschichte kennt —, daß die Farben weiß und blau die Farben eines deutschen Stammes sind, der über eine mehr als eintausendjährige Staatstradition verfügt. Ich glaube, ich habe auch in diesem Hause oft genug unser Bekenntnis zur gesamtdeutschen Treue und zur gesamtdeutschen Zusammengehörigkeit abgelegt. Ich lehne aber im Namen meiner Landesgruppe, der CSU, jede Verunglimpfung der Farben weiß und blau mit solchen Äußerungen auf das entschiedenste ab.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen.
— Einen Moment! Ich habe bereits dem Herrn Abgeordneten Dr. Wellhausen das Wort zur Sache erteilt. Ich komme nachher auf Ihre Wortmeldung zurück.
Meine Damen und Herren! Meine Freunde schließen sich in der Beurteilung der hier gefallenen Äußerung der Tendenz der Worte der Bayernpartei und der CSU an. Es wird Ihnen noch erinnerlich sein, daß vor kurzem ein Abgeordneter der Bayernpartei hier in einem anderen Zusammenhang darauf hingewiesen hat, daß die Farben des Staates Bayern seit vielen Jahrhunderten bestünden und niemals einen besonderen Schutz nötig gehabt hätten.
Das sollte eigentlich einen gewissen Eindruck auf dieses ganze Haus machen. Ich bin zwar überzeugt, daß die hier gefallene Äußerung einen solchen Schutz auch nicht erforderlich machen wird.
— Das war keine Effekthascherei.
Zur Sache selber möchte ich sagen: wir sind einverstanden, daß der Entwurf der Verordnung dem Ausschuß überwiesen wird. Ich glaube aber doch, für meine Freunde hinzufügen zu sollen, daß man als unbeteiligter Beobachter dieser Erörterungen zu der Auffassung kommen muß: keine Angelegenheit ist harmlos genug, als daß sie nicht das Mißtrauen wertvoller Mitglieder dieses Hauses erregt. Wir sollten uns das doch, glaube ich, ein wenig abgewöhnen.
Darf ich fragen, ob das Wort zur Sache noch gewünscht wird. — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Dann darf ich das Einverständnis des Hauses damit feststellen, daß die Vorlage dem Ausschuß für Patentrecht und
gewerblichen Rechtsschutz als überwiesen gilt.. Ich höre keinen Widerspruch.
Sie hatten sich noch gemeldet, Herr Abgeordneter Dr. Miessner:
— Die Sache ist erledigt.
Wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Dezember 1949 .
Zur Einbringung der Vorlage erteile ich dem Herrn Bundesminister für Angelegenheiten des Marshallplans das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als am 15. Dezember 1949 hier in Bonn das Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika durch den amerikanischen Hohen Kommissar Mr. McCloy und den Bundeskanzler unserer Bundesrepublik unterzeichnet wurde, war das ein Tag, an dessen geschichtlicher Bedeutung wir in der Hatz der Ereignisse etwas achtlos vorübergegangen sind. Denn es ging darum, daß Deutschland zum ersten Male seit dem Zusammenbruch seine Unterschrift unter einen Völkerrechtsvertrag von außerordentlicher Bedeutung setzte, und zwar direkt, nicht mehr vertreten durch Militärbefehls- haber, wie das in der Vergangenheit der letzten Jahre der Fall gewesen war.
Wenn wir Ihnen nunmehr ein Gesetz vorlegen, durch welches wir Sie bitten, diesem Abkommen zuzustimmen, so ist das auch für dieses Parlament die erste Mitwirkung an einem derartigen Vertragswerk. Es lohnt sich wohl deswegen, über das Ihrer Zustimmung unterbreitete Abkommen in seiner grundsätzlichen Bedeutung etwas zu sagen, das weit über alle Verträge hinausgeht, die in den letzten Jahren in der Welt geschlossen worden sind. Ich weiß, daß es einige Mitglieder dieses Hauses gibt, denen meine Worte recht unangenehm in den Ohren klingen werden. Aber es muß trotzdem festgestellt werden: ohne die durch diesen Vertrag, ohne die durch den Marshallplan an die europäischen Länder uneigennützig gewährte Hilfeleistung würden wir nicht in diesem Saale sein, und ohne diese Hilfeleistung wäre es nicht möglich. gewesen, Europa im ganzen zu größerer wirtschaftlicher Blüte zu führen; vor allen Dingen aber wäre es unmöglich gewesen, nach der Währungsreform so schnell dazu zu kommen, unsere Wirtschaft nicht nur in Gang zu setzen, sondern sie auch in einer dauernden Entwicklung nach oben zu halten
und damit Brot zu sichern und Arbeit zu geben und die Zuversicht zu haben, daß das kommende Jahr einen weiteren, ganz wesentlichen Schritt nach vorwärts ermöglicht.
Es wäre dieser Stunde nicht angemessen, es zu unterlassen, über die großartige politische Konzeption etwas auszusagen, die dem amerikanischen Hilfswerk zugrunde liegt. Hier ist zum erstenmal an die Stelle der Ausnützung eigener Macht mit
den Mitteln der Gewalt etwas ganz anderes getreten; an diese Stelle ist der Gedanke getreten, daß man eigene wirtschaftliche Macht einsetzt, um wirtschaftlichen Wohlstand und soziale Sicherheit in einem großen Teile der Welt durch eigene Hilfe zu begründen und auf diese Weise die wirksamste Friedensgarantie nach innen und auch im typisch äußeren Sinne zu schaffen.
Das scheint mir allerdings eine so große politische Konzeption zu sein, daß derjenige, der immer noch glaubt, mit den Mitteln der Gewalt oder der Herrschaft über andere allein rechnen zu dürfen, diese Pläne in tiefster Seele als die gefährlichste Waffe gegen sich selbst verabscheuen muß.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Ihnen einen kurzen Bericht darüber schuldig, wie es zur Vorlage dieses Gesetzes gekommen ist. Unmittelbar nachdem die Bundesrepublik Deutschland im September zustande gekommen war, sind wir, wie Ihnen bekannt ist, als Nachfolger der Bizone und der französischen Zone ohne irgendwelche neuen vertraglichen Bindungen Mitglied der Organisation für wirtschaftliche europäische Zusammenarbeit geworden und haben als gleichberechtigtes Land im Rate der 19 Länder Platz genommen. Dann ist uns am 30. Oktober 1949 von seiten der Vereinigten Staaten ein erster Entwurf zu einem Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zugeleitet worden, das wir abschließen sollen, nachdem vorher, im Hochsommer 1948, der amerikanische und britische Gouverneur, sowie auch der Gouverneur der französischen Zone namens ihrer Gebiete mit den Vereinigten Staaten einen ähnlichen Vertrag abgeschlossen hatten. Wir haben sofort in gehöriger Form Kommissionen bestellt, die über eine Reihe der Vertragsinhalte in langwierigen Verhandlungen Klarheit geschaffen haben mit dem Ergebnis, daß am 15. Dezember der Vertrag zur Unterzeichnung reif war. Wichtig ist hier der Inhalt des Artikels XV, in dem gesagt wird, daß dieses Abkommen in Kraft tritt, nachdem die Regierung der Bundesrepublik Deutschland die Regierung der Vereinigten Staaten davon in Kenntnis gesetzt hat, daß alle notwendigen rechtlichen Erfordernisse für den Abschluß dieses Abkommens durch die Bundesrepublik erfüllt sind. In Befolgung dieses Artikels haben wir Ihnen dann unter dem 11. Januar einen Gesetzentwurf vorgelegt, über den ich nunmehr im einzelnen berichte, um hinterher noch auf wesentliche Inhalte des zu genehmigenden Abkommens zurückzukommen.
Das Gesetz sieht in Artikel I nur vor, daß dem am 15. Dezember unterzeichneten Abkommen zugestimmt wird. Artikel II besagt, daß das Abkommen mit Gesetzeskraft veröffentlicht werde, damit es auch innerhalb unseres Landes Gültigkeit bekommt. Weiter wird bestimmt, daß der Tag seines Inkrafttretens im Bundesgesetzblatt bekanntgegeben wird. Diese beiden Artikel haben bei der Beratung im Bundesrat irgendwelche Änderungen nicht erfahren.
Artikel III sieht nun eine besondere Bestimmung vor, die durch den Artikel II des Abkommens notwendig wird. In Artikel II heißt es:
Um durch die Verwendung der von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika erhaltenen Hilfeleistungen den höchsten Grad des Wiederaufbaues zu erzielen, wird die Regierung der Bundesrepublik Deutschland ihr Möglichstes tun, um diejenigen Anordnungen
zu treffen oder beizubehalten, die notwendig sind, um eine wirksame und zweckmäßige Verwendung aller ihr zur Verfügung stehenden Hilfsquellen zu gewährleisten, einschließlich derjenigen Maßnahmen, die notwendig sind, um zu gewährleisten, daß die durch Hilfeleistungen auf Grund dieses Abkommens gelieferten Waren und Dienstleistungen für solche Zwecke verwendet werden, die mit diesem Abkommen und, soweit durchführbar, mit den allgemeinen Zielen vereinbar sind, die in den von der Regierung der Bundesrepublik unterbreiteten Plänen . . . umrissen werden.
Es geht dann im gleichen Sinne in Absatz 2 weiter.
Danach sind wir aus dem Abkommen verpflichtet, uns davon zu überzeugen, daß die verteilten Hilfeleistungen die in den Anträgen genannten Verwendungszwecke erfüllen und auch für die genannten Zwecke verwendet werden. Es soll also vermieden werden, daß etwa der Qualität, der Art, den Preisen, überhaupt der Verwendung nach andere Güter mit den von den Amerikanern genehmigten Hilfeleistungen erworben werden oder anders verwendet werden, als es den Zielsetzungen der Bundesregierung entspricht, die diese in Durchführung des Marshallplanes den Organen der Marshallplanverwaltung mitgeteilt hat. Zu diesem Zweck bedarf die Bundesregierung der Ermächtigung, wie sie in Artikel III ausgesprochen ist.
Zu der Ihnen vorliegenden Entwurfsfassung des Artikels III hat nun der Bundesrat einige Anregungen gegeben und Wünsche geäußert, die Ihnen in der Drucksache mitgeteilt worden sind. Zunächst einmal hat der Bundesrat vorgeschlagen, d aß nicht der Bundesminister für den Marshailplan die Ermächtigung bekommt, sondern die Bundesregierung. Die Regierung wird Ihnen vorschlagen, dem Gedanken des Bundesrats zu folgen.
Zweitens möchte der Bundesrat in Vorschlag bringen, daß bei Erlaß der Rechtsverordnungen auch die Zustimmung des Bundesrats eingeholt wird. Die Beschlußfassung über diesen Wunsch wird Gegenstand der Ausschußberatung in zweiter und dritter Lesung hier in diesem Hohen Hause sein müssen.
Es findet sich dann, aus der ersten Änderung hervorgehend, eine zweite Textänderung, nämlich daß im letzten Satz ebenfalls an Stelle des Bundesministers die Bundesregierung genannt wird. Es gibt eine weitere und nicht unwesentliche Textänderung, und zwar betrifft sie die Einschaltung einer Revisionsstelle. Wir haben lange überlegt und sind zu dem Schluß gekommen, daß es nicht gut wäre, eine große und kostspielige Verwaltung für eine. doch mehr oder minder kurzlebige Aufgabe einzurichten, und daß es besser ist, eine in enger Zusammenarbeit mit den öffentlichen Dienststellen stehende Warenrevisionsstelle, eine Treuhandgesellschaft, mit den Prüfungsaufgaben zu beauftragen; allerdings unter der Vorsorge, daß alle Hoheitsrechte von dem Ministerium ausgeübt werden und daß wir uns nur nach den abzuschließenden Verträgen bei den Prüfungen der sachkundigen Dienste der Revisionsstelle bedienen. Infolgedessen kommt es auch zu einer vorgeschlagenen Textänderung, wie Sie in der Mitteilung des Bundesrats lesen, wonach wir eben die Möglichkeit haben, uns bei der Ausübung der bezeichneten Befugnisse der Dienste der Warenrevisionsstelle zu bedienen.
Die eingehende Beratung im Bundesrat hat eine weitere Einfügung ergeben, eine Einfügung, die uns nach Prüfung richtig und angemessen erscheint. Es handelt sich darum, daß selbstverständlich die Verwaltung der Mittel aus den Gegenwerten der Einsicht des Parlaments und seiner Organe unterliegen muß. Es handelt sich um die ordnungsmäßige, also um die haushaltsmäßige Erfassung der Gegenwertmittel. Infolgedessen ist es zu dem Vorschlag eines neuen Artikels IV gekommen, der lautet:
Die im Zusammenhang mit dem Abkommen der Bunderepublik Deutschland entstandenen und noch entstehenden Vermögenswerte bilden ein Sondervermögen des Bundes, auf das die Vorschriften der Reichshaushaltsordnung Anwendung finden. Die Rechnungsprüfung erfolgt durch den Bundesrechnungshof.
Ich darf hier auch namens des Herrn Bundesfinanzministers erklären, daß die Regierung durchaus mit dieser vorgeschlagenen Fassung einverstanden ist und sie für brauchbar hält, um die notwendige Einsicht des Gesetzgebers zu sichern, um aber auch die verwaltungsmäßige Behandlung klar darzustellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist der Inhalt dieses kurzen Gesetzes. Ich darf mit Nachdruck darauf hinweisen, daß es darauf ankommt, hinsichtlich des Artikel III, der die Rechtsverordnung über Warenrevision behandelt, nicht in Zeitverzug zu geraten. Es könnte nämlich sonst, wenn die Prüfung nicht sehr bald in der neuen und durch Gesetz und Verordnung geregelten Form Platz greift, die Gefahr bestehen, daß eine Verzögerung in den Ablieferungen bzw. in der Abnahme und Auslieferung der Anfuhren eintreten
könnte. Wir müssen uns davor schützen, daß etwa längere Zeit ein rechtloser Zustand Platz greift oder aber daß uns, wenn wir selbst nicht rechtzeitig in Ordnung kommen, doch unliebsame Formen der Kontrolle zur Fortsetzung oder zur Einführung empfohlen werden. Es liegt mir gerade an der schnellen Ausführung dieses unangenehmen Artikels III sehr viel.
Was aber - ich glaube, es ist hier die Gelegenheit, darüber eine kurze Ausführung zu machen — wird denn nun gerade unter dem Gesichtspunkt des Heute der Abschluß dieses Vertrags auch in Zukunft für eine Bedeutung haben? Gestatten Sie mir, daß ich auch dazu einige wenige Ausführungen mache. Es wird in den letzten Monaten unendlich viel über den Marshallplan gesprochen und geschrieben. Ich muß sagen: wenn man von einer amerikanischen Kritik an den europäischen Ländern hört, dann ist diese Kritik gerechtfertigt. Denn alle Länder haben einen Vertrag abgeschlossen, der im Wortlaut der Präambel mit dem von uns abgeschlossenen übereinstimmt. Und da heißt es ganz klar — und das bedeutet eine vertragliche Bindung —:
in der Erwägung, daß die Erzielung solcher Verhältnisse einen europäischen Wiederaufbauplan der Selbsthilfe und Zusammenarbeit bedingt, an dem alle Nationen, die an einem solchen Plan mitwirken, teilnehmen können und der auf kraftvollen Produktionsanstrengungen, der Erweiterung des Außenhandels, der Schaffung oder Erhaltung finanzieller Stabilität im Innern und dem Ausbau wirtschaftlicher Zusammenarbeit beruht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zweimal klingt hier das Wort Zusammenarbeit auf,
und nur das ist es, was im Augenblick und bis heute die amerikanische Seite so sehr vermißt. Und wenn sie nunmehr, damit die Hilfe für Europa gerettet bleibt, hier sehr deutlich und laut gewarnt hat, dann stehe ich nicht an, das als einen Dienst an Europa zu bezeichnen.
Denn es ist doch in der Tat so, daß Europa nicht gerettet werden kann, wenn es in nationale Wirtschaften zerfällt, die immer stärker autarke Prinzipien verfolgen.
Aus diesem Grunde ist uns, ist meinen politischen Freunden und, wie ich annehmen darf, dem überwiegenden Teil dieses Hohen Hauses die mahnende und besorgte Sprache Amerikas in diesem Falle durchaus willkommen gewesen
— lieber als die Stimme Moskaus! —
und wir möchten hoffen,, meine Damen und Herren, daß diese Sprache in allen Nationen vernommen wird. Und dabei bin ich dann eben bei den Wegen, die Amerika sieht, um diesen gesamteuropäischen Fortschritt zu erzielen.
Da ist zunächst das, was man mit einem vielleicht häufig mißverstandenen Schlagwort. die Liberalisierung des Handels nennt. Deutschland ist auf diesem Wege sehr rechtzeitig vorangeschritten,
ist vorangeschritten in dem Bewußtsein der von ihm übernommenen Wagnisse. Deutschland hält diesen Weg für richtig; aber es weiß auch, daß er nur richtig sein kann, wenn alle europäischen Länder bedenken, daß von einer Liberalisierung nur gesprochen werden kann, wenn sie auf der Grundlage echter Gegenseitigkeit beruht.
Meine Damen und Herren! Es wird dann weiter von einer unabdingbaren Voraussetzung für das Funktionieren des innereuropäischen Verkehrs gesprochen. Diese unabdingbare Voraussetzung ist —
und das wissen wir —, daß die europäischen Währungen wieder unter sich frei verkehren können. Außerordentlich angespannte und anstrengende Verhandlungen sind seit etwa 7 Wochen über dieses Thema in Paris in Arbeit und im Fortschreiten. Sie haben alle immer mit großer Sorge die Folge bloß zweiseitiger Handelsverträge gesehen. Wir können diesen Bilateralismus nur bekämpfen, wenn es uns gelingt, wenigstens teilweise das Problem eines freien Verkehrs und einer freien Austauschbarkeit aller europäischen Währungen zu lösen. Infolgedessen werden wir Deutsche das Maximum an Arbeit und Einsicht aufwenden, das wir zur Erreichung dieses großen europäischen Zieles aufbringen können. Wir suchen nach jedem Weg, um durch die Konvertibilität der europäischen Währungen den Weg freizumachen zu einem multilateralen, zu einem allgemeinen freien Warenaustausch. Aber auch hier dürfen wir nicht vergessen, daß es nicht angeht, theoretisch zu liberalisieren und auch theoretisch bei einem europäischen Währungskonzert mitzumachen, wenn man etwa gleichzeitig darauf verfallen wollte, die Zollmauern noch etwas aufzustocken oder aber durch Verwaltungsmaßnahmen Restriktionen neuen Charakters einzuführen. Auch hier kann
es nur um den ehrlichen Willen zu völliger Gleichartigkeit und Gegenseitigkeit aller Maßnahmen gehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Zuge dieser Entwicklung wird ganz zweifellos auf der großen Zollkonferenz, die am 30. September 1950 in Genf, und zwar unter gleichberechtigter deutscher Mitwirkung, beginnen wird, ein wesentliches Stück des Weges zu einer europäischen wirtschaftlichen Einheit zu gehen sein, die sehr viel größere Sicherheit bei der Erhaltung des Arbeitsplatzes durch die Vermeidung mörderischer und zu Fehlinvestitionen führender autarker Produktionsmaßnahmen und die auf die Dauer eine Verbilligung der Lebenshaltung bedeutet, weil mehr als bisher an der rechten Stelle das Rechte erzeugt wird, die eine viel bessere Beteiligung aller Menschen an den Gütern dieser Welt bedeutet. Wer all diese Dinge überdenkt, wird die ganze bedeutende Entwicklung, die durch den Marshallplan eingeleitet worden ist, erkennen, und er wird beim Studium des Abkommens, dessen Wortlaut in diesem Teil bereits im Anfang des Jahres 1948 feststand, sehen, daß hier ein gestaltender Wille für eine friedliche Welt vorhanden ist und daß es für Deutschland ein Stück Erfüllung eines gerechtfertigten nationalen Anliegens ist, an einer solchen Aufgabe mitzuarbeiten, die Europa und die Welt neu gestalten kann.
Meine Damen und Herren, das ist der Grund, weshalb wir uns zu einer Unterzeichnung des Abkommens entschlossen haben. Das ist der Grund, weshalb wir das Hohe Haus bitten, dem vorgelegten Gesetzentwurf unter Berücksichtigung der von mir vorgetragenen Anregungen des Bundesrats bzw. nach Beratung dieser Anregungen im ganzen die Zustimmung zu erteilen. Ich hoffe sehr, daß es möglich sein wird, gerade dieses Abkommen, das uns so sichtbar in die Reihe der gleichberechtigten europäischen Völker stellt, auch durch deutsche Mitarbeit auszugestalten zu einem Instrument des zur Wirklichkeit gewordenen europäischen Gedankens und damit zu einer Garantie für jenen Frieden, der durch Arbeit und soziale Wohlfahrt erreicht wird.
Meine Damen und Herren! Ehe ich die Aussprache eröffne, gestatten Sie mir, folgendes vorauszuschicken. Der Ältestenrat macht Ihnen gemäß § 88 der Geschäftsordnung den Vorschlag, die Gesamtredezeit für den zur Beratung stehenden Gegenstand bei Punkt 3 der Tagesordnung auf rund 100, höchstens 110 Minuten zu beschränken, mit der Maßgabe, daß die Redezeit sich wie folgt auf die einzelnen Fraktionen verteilt: CDU/CSU, SPD je 15 Minuten und alle übrigen 10 Minuten. Ich darf wohl nach der gestern erzielten Übereinstimmung im Ältestenrat das Einverständnis des Hauses mit dieser Regelung feststellen.
Als erstem Redner erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Pünder das Wort.
Meine Damen und Herren! „Es ist jetzt nur noch sehr wenig Zeit", so sagte wörtlich der Marshallplan-Administrator Hoffman zu den versammelten Vertretern der europäischen Empfängernationen Anfang November in Paris. Das war nicht eine nervös, schnell hingesprochene Bemerkung, sondern zweifellos eine wohlüberlegte und wohl auch berechtigte Äußerung des maßgeb-
lichen Vertreters der Vereinigten Staaten in diesem Kreise. Wie ernst es dem amerikanischen Vertreter dabei war, ging noch aus der ergänzenden Bemerkung hervor, daß die Vereinigten Staaten nunmehr Rechenschaftsberichte der europäischen Empfängernationen über das „inzwischen Veranlaßte" - also nicht etwa nur über das Geplante — für die ersten Monate des neuen Jahres erwarteten.
Dieser Ruf Amerikas ist auch an uns hier in der neuen Bundesrepublik gerichtet, und so stehen wir heute im Bundestag auch vor der Frage, ob und wie wir diesem Ruf folgen können und wollen. Insofern hat Herr Bundesminister Blücher mit vollem Recht auf die große Bedeutung dieses Gesetzgebungswerkes hingewiesen. Wenn er den 15. Dezember als den Tag erwähnte, an dem die Bundesregierung durch den Herrn Bundeskanzler die Unterschrift mit dem amerikanischen Hochkommissar McCloy wechselte, so erwähne ich den heutigen Tag, weil er so bedeutsam für unseren Bundestag ist, der heute zum ersten Male zu einem großen internationalen Vertragswerk Stellung nimmt, und zwar zu einem Vertragswerk, das uns in vertragliche Verbindung gerade zu den Vereinigten Staaten bringt und uns zu einem gleichberechtigten Faktor in der großen europäischen Marshallplanorganisation macht.
Der formelle Niederschlag dieses Vertragsinstruments liegt uns in der Drucksache Nr. 392 vor. Herr Minister Blücher hat sich vorhin eingehend über die einzelnen Artikel geäußert. Ich darf meinerseits einige Punkte herausgreifen.
Erfreulicherweise liegt völlige Übereinstimmung zwischen Bundesregierung und Bundestag dahin vor, daß hier die Form eines Bundesgesetzes notwendig ist. Die Rechtsgrundlage liegt in Artikel 59 Absatz 2 unseres Grundgesetzes. Es ist auch festzustellen, daß die Form dieses Gesetzes den herkömmlichen Formen solcher Vertragsinstrumente entspricht, ferner festzustellen, daß der Bundesrat vor einigen Tagen einstimmig diesem Gesetzentwurf zugestimmt hat.
Der Bundesrat hat verschiedene Abänderungsvorschläge gemacht, über die Herr Bundesminister Blücher sich vorhin auch schon geäußert hat. Den meisten hat die Bundesregierung zugestimmt; einer bleibt augenblicklich noch offen. Es erscheint mir nicht zweckmäßig, meinerseits zu diesen formalen Punkten des Gesetzes im Augenblick Stellung zu nehmen. Man sollte das in der zweiten Lesung tun, nachdem die Ausschußberatung, die dringlich ist, vorangegangen ist. Ich möchte deshalb auch die Frage des Artikels III, in dem die Bundesregierung oder der zuständige Bundesminister zum Erlaß von Ausführungsbestimmungen bevollmächtigt werden soll, im Augenblick nicht weiter erörtern, da auch dieser Punkt in der Ausschußberatung zweifellos besprochen werden muß.
Heute bei dieser ersten Lesung ist allein die Frage entscheidend wichtig, ob wir materiell dem zustimmen wollen, was eben in dem Artikel I des Gesetzes genannt wird, nämlich dem „Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik vom 15. Dezember 1949". Dieses Abkommen ersetzt, wie auch der Herr Minister vorhin sagte, die im Juli 1948 von den Militärgouverneuren der westlichen Besatzungszonen abgeschlossenen bilateralen Abkommen. Dieses neue Abkommen vom 15. Dezember ist das Ergebnis einer zielklaren Fortführung der seinerzeit in Frankfurt inaugurierten ERP-Politik.
Wir könnten uns jetzt natürlich stundenlang über viele Punkte dieses großen Vertragsinstrumentes unterhalten. Es ist nicht meine Absicht; ganz abgesehen davon, daß die Redezeit ja beschränkt ist. Ich möchte augenblicklich auch nicht eine Unmenge verwirrender Zahlen anführen und auch nicht die vielen Bedenken, die selbstverständlich heute noch obwalten, und offene Fragen der Zukunft hier erörtern. Wir würden uns damit doch nur im Augenblick die Köpfe heiß machen. Mir schiene ein solcher Streit im Augenblick auch reichlich akademisch; denn Abänderungen dieses Abkommens — das weiß jeder Eingeweihte —, nachdem monatelang über jeden einzelnen Artikel und jedes einzelne Wort verhandelt worden ist, sind heute gar nicht mehr möglich.
Heute besteht nur noch die eine Frage, ob das uns vorliegende Abkommen in das Schema der uns vorschwebenden internationalen Zusammenarbeit hineinpaßt oder nicht, und daher sind in der heutigen ersten Lesung nur zu dieser Frage einige grundsätzliche Anmerkungen nötig und auch ausreichend.
Der Marshallplan hatte seinerzeit, im Frühjahr 1948, in ganz Westeuropa zweifellos allgemeine Zustimmung gefunden, war aber in seiner wahren Zielsetzung doch weithin verkannt worden. In manchen Empfängerländern waren die Marshallplangelder gern zur Schaffung neuer, mehr oder weniger fragwürdiger Produktionskapazitäten benutzt worden, aber es wurde dabei verkannt, daß den Schöpfern des Marshallplanes nichts an der Schaffung 17 neuer autarker Nationalwirtschaften liege,
aber alles an der Schaffung einer europäischen Gesamtwirtschaft.
Insofern ist heute — das klang auch in den Ausführungen des Herrn Ministers Blücher an —von einer Krise des Marshallplangedankens zu sprechen, und zwar sowohl in Europa wie namentlich auch in Amerika; in den Vereinigten Staaten deshalb, weil sie mit Recht sich darüber enttäuscht fühlen können, daß in weiten Teilen Europas dieser Grundgedanke, die große Konzeption des Marshallplans, nicht verstanden worden ist und nur geringe Fortschritte in der praktischen Durchführung gemacht worden sind. In Europa müssen wir eine Krise feststellen, weil weithin nur eine geringe Bereitschaft vorhanden selber so etwas wie eine Krisenstimmung zu gunsten eines noch ungewissen neuen Gebildes Europa zu opfern. Schließlich ist auch bei uns selber so etwas wie eine Krisenstimmung zu spüren. Eine ehrliche große Bereitschaft zur Mitarbeit in der Linie des Marshallplans bestand bei uns in den Westzonen von Anfang an, seit dem Frühjahr 1948, und besteht auch bis zur Stunde, und zwar nicht etwa deswegen, weil wir als Habenichtse etwas erben wollten, sondern weil nach unserer ehrlichen Überzeugung die Rettung Europas nur in seiner wirtschaftlichen und alsdann auch politischen Einheit gefunden werden kann.
Oft und wiederholt ist deshalb von deutscher Seite der Dank an die Vereinigten Staaten ausgesprochen worden, und ich begrüße es, daß auch Herr Minister Blücher eingangs seiner Ausfüh-
rungen diesem Dank namens der Bundesregierung besonderen Ausdruck gegeben hat. Dabei darf ich feststellen, daß gerade diese Ausführungen des Herrn Ministers den lebhaftesten Widerhall im Hohen Hause gefunden haben. Diesen Dank an die Vereinigten Staaten möchte ich auch namens meiner politischen Freunde nochmals ausdrücklich aussprechen.
Umgekehrt ist auch von den Vereinigten Staaten im Laufe dieser verhältnismäßig schon langen Zeit mehrfach anerkannt worden, daß wohl kaum mehr als bei uns in Westdeutschland der wahre Sinn des Marshallplans erkannt worden sei.
Trotz dieser ehrlichen Bereitschaft zu aktiver Mitarbeit sind uns aber — auch das darf nicht verschwiegen werden — Enttäuschungen nicht erspart geblieben. Ich will nur einige Punkte erwähnen: das späte Anlaufen des Marshallplanes, eine ungewöhnliche Bürokratisierung, die Umständlichkeit der Plangestaltung, die früher sehr geringe deutsche Zuständigkeit, die starre Bindung an den Dollar und die Dollarwaren, das vielfache Ausbleiben wirklich notwendiger Dinge und die Lieferung von uns weniger begehrter, aber in Amerika mehr oder weniger überflüssiger Waren, eine nicht genügende Berücksichtigung des besonderen Zerstörungsgrades bei uns in Westdeutschland und daher des bei uns größeren Aufbaubedürfnisses und noch vieles andere, nicht zuletzt auch die Demontagen, die ich hinsichtlich der Vergangenheit noch erwähnen muß. Zu allen diesen Dingen kam noch hinzu, daß sich das Ganze in einer für die Öffentlichkeit schwer verständlichen Überorganisation verkörperte, die
ihren Niederschlag in Wortungetümen fand wie OEEC, ECA, GARIOA, Fritalux, Officomex, Uniscan usw. usw.
Daß eine solche Krisenstimmung sowohl in Amerika wie auch in Europa besteht, ist — wie gesagt — nicht zu bestreiten. Deshalb hat auch der amerikanische Administrator Hoffman Anfang November in Paris so klare Worte gefunden.
Seit dieser Zeit beobachten wir ein energisches Vorantreiben des ursprünglichen Marshallplangedankens durch die Vereinigten Staaten. Meine politischen Freunde, in deren Auftrag ich sprechen darf, sind trotz aller hinter uns liegenden nicht durchweg erfreulichen Erfahrungen absolut bereit, einer solchen wirklich auf Europa ausgerichteten ERP-Politik nachdrücklichst zuzustimmen.
Zwei große Probleme, die auch Herr Minister Blücher eben hervorgehoben hat, stehen dabei im Vordergrund: die Liberalisierung des Handels, von der jetzt schlagwortartig soviel gesprochen wird, und der erstrebte einheitliche internationale Zahlungsverkehr. Ich will diese Fragen im einzelnen nicht zu sehr vertiefen, aber auf die darin liegenden Gefahren möchte auch ich ganz kurz hingewiesen haben wie auch auf unser absolutes Verlangen nach Wahrung der Gegenseitigkeit. Jedenfalls sind die überfüllten Schaufenster voll der köstlichsten Überflüssigkeiten für uns nicht das Ziel der erstrebten Liberalisierung des Handels.
Vielmehr möchten wir schwere Schädigungen unserer Landwirtschaft und Gärtnerei, die doch auch in Zukunft wichtigste Säulen unserer Gesamtwirtschaft bleiben müssen, unter allen Umständen vermieden sehen.
Auch in diesem Zusammenhang darf ich den Herrn Marshallplan-Administrator Hoffman zitieren, der bei derselben Rede in Paris gesagt hat, die größtmögliche Steigerung der deutschen landwirtschaftlichen Produktion sei eine der Hauptaufgaben der deutschen Bundesrepublik im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit.
Noch zwei Schlußbemerkungen darf ich mir erlauben.
Durch den uns vorliegenden Gesetzentwurf wird die Frage der aktiven Teilnahme des Bundestags an der künftigen Verplanung der in der Folge anlaufenden sehr großen Kreditmittel aus den Gegenwerten in keiner Weise präjudiziert. Diese Frage klingt ja bereits in Artikel III des Gesetzentwurfes an, eine Frage, die auch bereits in verschiedenen Ausschüssen des Bundestags zur Sprache gekommen ist.
Schließlich möchte ich noch einen Punkt berühren, den der Herr Minister im Drang der knappen Zeit wohl nicht erwähnen konnte. Ich meine unser liebes Berlin! Berlin wird in dem Vertragsentwurf im Artikel VII besonders behandelt. Eine unmittelbare Teilnahme Berlins am Marshallplan ist nicht möglich, da Berlin, wie wir ja alle wissen, formell vorerst noch nicht Teil unserer Bundesrepublik ist. Deshalb wäre vielleicht eine Sonderbehandlung Berlins à la Triest in Betracht gekommen. Aber auch das wäre durchaus unerwünscht gewesen
bei der engen Verbundenheit, die zwischen uns hier und Berlin nun einmal besteht. Deshalb ist nach unserer Meinung der richtige Mittelweg darin gefunden worden, eine Verpflichtung der Bundesregierung zu stipulieren, wonach den drei Westsektoren Berlins in größtmöglichem Umfang die Hilfe zuteil werden soll, deren Ausmaß auf Grund von Beratungen zwischen Bundesregierung und Berlin für dessen wirtschaftliche Erhaltung und Entwicklung als erforderlich angesehen wird. Wie ich persönlich aus dem Munde des Herrn Oberbürgermeisters Reuter weiß, hat auch Berlin im Bundesrat dieser Formulierung durchaus zugestimmt, und ich kann meiner Befriedigung Ausdruck geben, daß auf dieser Basis inzwischen bereits ein Vertragsentwurf zwischen Berlin und der Bundesregierung im Aushandeln begriffen ist. Ich möchte schließlich der Hoffnung Ausdruck geben, daß der Artikel IV, den der Bundesrat in der uns vorliegenden Drucksache vorschlägt, nicht eine neue Schwierigkeit für Berlin entstehen läßt, über welchen Punkt wir wohl im Ausschuß noch beraten müssen.
Zum Schluß noch ein letzter Gedanke! Das uns vorliegende Abkommen enthält über seinen rein wirtschaftlichen Inhalt hinaus eine stark außenpolitische Note. Wenn wir die schroff ablehnende Haltung des Ostens gegen diese westlichen Aufbaupläne für Europa bedenken, bedeutet das am 15. Dezember vergangenen Jahres abgeschlossene Abkommen ein starkes Bekenntnis zum Westen, dem wir durchaus zustimmen.
Wir empfehlen Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß, der nach Verabredung
zwischen den Parteien wohl schon morgen zusammentreten wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rische.
Meine Damen und Herren! Es ist für den staatsrechtlichen Status der AdenauerRegierung bezeichnend, daß ihr erster sogenannter Staatsvertrag die völlige Abhängigkeit der westdeutschen Wirtschaft und Politik von den amerikanischen Monopolen sozusagen zur Staatsraison erhebt. Im ECA-Vertrag mit seinen 15 Artikeln wird mit unverhohlener Brutalität alles das preisgegeben, was unter wirtschaftlicher Selbständigkeit und nationaler Unabhängigkeit eines Volkes zu verstehen ist. Nach der Ratifizierung des ECA-Vertrages wird in der deutschen Wirtschaft nichts mehr heilig sein, nicht mehr die Menschen, die Rohstoffe, die Handelsbücher und Geschäftspapiere, die Lagerbestände und
Fabrikanlagen, die Kreditinstitute, also insgesamt gesagt: die ganze deutsche Wirtschaft! Die materiellen und ideellen Werte eines ganzen Volkes sind durch den ECA-Vertrag dem amerikanischen Imperialismus und seinen Monopolen ausgeliefert. Das läßt sich an Hand des vorliegenden Vertragswerkes schlagend beweisen.
In Artikel II, der die allgemeine Verpflichtungen der Bundesregierung regelt, hat diese sich verpflichtet, bei Vorschlägen zum Einsatz von Arbeitskräften auf gesamteuropäischer Basis mitzuarbeiten. Diese Verpflichtung bedeutet nichts anderes als die Lieferung von Kontraktarbeitern an das amerikanische Monopolkapital. Dies ist die modernste Form der Sklavenarbeit!
Deutsche Arbeiter können demnach in den Rüstungszentren Westeuropas eingesetzt oder zu Plantagenkulis herabgewürdigt werden.
In Artikel IV Ziffern 4, 5 und 6 b und Artikel VI Absatz 1 des ECA-Vertrages verpflichtet sich die Bundesregierung deutsche Rohstoffe, deutsche Produktionsstätten und Materialien, deutsche Hilfskräfte und Hilfsquellen und Vorräte faktisch den amerikanischen Monopolen zu übergeben, falls die Unzulänglichkeit der eigenen Hilfsquellen in den USA sich ergibt. Daraus muß man die Schlußfolgerung ziehen, deutsche Hilfsquellen und Rohstoffe sollen dem Rüstungs- und Kriegspotential des amerikanischen Imperialismus einverleibt werden. Die Regierung mußte sich außerdem verpflichten, alle Hindernisse zu beseitigen, die die Lieferung von derartigen Materialien nach den USA gefährden könnten.
Nach Artikel VI muß den amerikanischen Geldgebern und Aktiengesellschaften, die nach den Gesetzen der Vereinigten Staaten oder eines ihrer Staaten gegründet sind und die sich wesentlich im Eigentum von USA-Bürgern befinden, angemessener Schutz für ihre Interessen in Westdeutschland gewährt werden. Dies ist nichts anderes als eine Meistbegünstigungsklausel zugunsten der amerikanischen Monopole, die daran interessiert sind, die Überfremdung der westdeutschen Wirtschaft zu erzwingen.
Durch das ECA-Abkommen hat sich die Bundesregierung ferner verpflichtet, die Wirtschaftsberichterstattung zugunsten einer fremden Staatsmacht zu legalisieren. Sie verpflichtet sich nach Artikel IX, alle Informationen über die Wirtschaft der Bundesrepublik an die interessierten Stellen der Vereinigten Staaten und in Paris freiwillig zu liefern.
Man muß diesen Kampf so lange führen, bis die volle Freiheit und Unabhängigkeit der deutschen Wirtschaft und des deutschen Staates wiederhergestellt ist. Die Volksmassen setzen dem Versklavungsplan der amerikanischen Monopole ihren Plan der Befreiuung aus den Klauen der amerikanischen Imperialisten, den Plan zur Schaffung einer einheitlichen deutschen Republik entgegen, die sich aus eigener Kraft ihren wirtschaftlichen und politischen Weg sucht.
Das Wort hat der Herr Bundesminister Blücher.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe selbstverständlich nicht den Ehrgeiz, mich in einen rednerischen Wettbewerb mit dem Herrn Abgeordneten Rische einzulassen.
Ich verstehe auch durchaus, daß ihm Maßnahmen, Verträge, Handlungen unsympathisch sind, die immerhin den besten Seuchenschutz gegen den Kommunismus schaffen.
— Ich kann noch lauter sprechen als Sie. — Aber ich muß um der Wahrheit willen doch eines sagen, was vielleicht sonst nicht ausgesprochen würde: Es gibt friedliche und europäische Gesinnung oder nicht. Das, was hier von Herrn Rische als besondere deutsche Leistung herausgestellt wurde: die Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse, die Offenlegung der Statistiken und alles das, das ist nicht eine dem deutschen Volke auferlegte besondere Bedingung, sondern das ist ganz allgemeiner Inhalt der von allen Völkern abgeschlossenen Verträge.
Herr Renner, ich habe eben auch nicht dazwischengerufen, gewöhnen Sie sich das doch ab!
Dann möchte ich ein Zweites sagen: das ist das allerdings mit einem parlamentarischen Wort allmählich nicht mehr zu kennzeichnende Spiel der immer wiederholten Behauptung, wir hätten uns hier in Höhe von 13 Milliarden verpflichtet. So etwas könnte Folgerungen haben. Wir haben uns bisher verpflichtet für die rund 500 Millionen Dollar, die wir an Lieferungen und Leistungen bekommen haben. Wir werden uns auf Grund einer sehr sauberen Rechnungslegung verpflichten, die vom deutschen Rechnungshof mit beeinflußt wird und die ausdrücklich feststellt, was aus den Gegenwerten seinerzeit dem deutschen Volke und der deutschen Volkswirtschaft zugeflossen und für sie verwandt worden ist; nur in dieser Höhe werden wir uns verpflichten.
Zum dritten unterhalte ich mich in diesem Augenblick, um der Interessen Deutschlands willen, überhaupt nicht über die Frage, was nun etwa Darlehn oder was etwas anderes ist. Der Herr Rische weiß selbstverständlich — ich will mich, weil wir uns in diesem Hohen Hause unterhalten, parlamentarisch ausdrücken —
ebensogut, wenn er vor sich selbst ehrlich ist, in welcher Weise diese Hilfeleistungen durchweg von den Amerikanern behandelt werden.
Und nun noch ein Letztes! Ich glaube, man sollte doch aufmerksamer zuhören. Ich selbst habe auf die gefährlichen Folgen des Bilaterialismus hingewiesen. Aber der war nicht die Folge des Marshallplans; den hat es in viel krasserer Form gegeben, bevor es den Marshallplan gab. Er ist eine Folge des Krieges, der allgemeinen Währungszerrüttung usw. Aber eines möchte ich dazu auch sagen: Wenn unsere gesamte wirtschaftliche Tätigkeit und unser gesamter Export sich so entwickeln sollten, wie wir das alle hoffen, dann möchte ich, daß für die breiten Massen unseres Volkes auch ein gewisser Import von Gütern, die das Leben verschönern, möglich ist; denn dann hätte die Liberalisierung ihren besten Erfolg erzielt.
— Die Propaganda gegen die Apfelsinen ist nur dann gerechtfertigt, wenn man stagniert und rückwärts geht. Wenn die Apfelsinen aber der Ausfluß einer allmählich deutlich sichtbaren echten Besserung sind, dann wollen wir uns freuen, daß die breiten Massen
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auch etwas Schmuck in ihr Leben bringen können.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Preusker.
Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokraten bejaht das Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit ebenso wie den vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung. Sie ist auch mit den Abänderungswünschen des Bundesrates einverstanden bis auf Punkt 3, in dem der Bundesrat eine Mitwirkung bei den Rechtsverordnungen der Bundesregierung fordert. Wir halten diese Mitwirkung des Bundesrates nicht für notwendig. Allerdings wird darüber in den Ausschüssen noch zu reden sein.
Wir bejahen dieses Abkommen so ganz besonders, weil wir in den vergangenen Jahren und an der bisherigen Wirkung des Marshallplanes gesehen haben, wieweit unser wirtschaftlicher Wiederaufstieg tatsächlich nur durch diese amerikanische Hilfe möglich gewesen ist. Und wenn Herr Abgeordneter Rische vorhin davon gesprochen hat, daß in dem Abkommen eine Propaganda für den Marshallplan vorgesehen ist,
so glaube ich, Herr Abgeordneter Rische, daß der Marshallplan die beste Propaganda für sich selbst mit der Verbesserung unseres Lebensstandards gegenüber den Zeiten vor der Währungsreform und gegenüber der Zwangswirtschaft gemacht hat, die jeder in Deutschland spürt.
,
Wir hatten damals einen Produktionsindex von
etwa 50 Prozent des Standes von 1936. Wir haben
Ende 1949 einen Produktionsindex von 98 Prozent.
Wir wissen alle, daß das bei weitem noch nicht ausreicht, um unserem mit 81/2 Millionen Flüchtlingen allein in den Westzonen zusätzlich belasteten Volk einen einigermaßen erträglichen Lebensstandard wiederzugeben. Wir wissen auch, daß die anderen Völker rund um uns herum in Europa dank der Hilfe des Marshallplans bereits längst das Produktionsvolumen des Spitzenvorkriegsjahres 1938 überschritten haben, von dem wir noch weit entfernt sind. Aber, meine Damen und Herren, wir sehen auch, daß Einfuhren, wie wir sie im letzten Jahr in Höhe von 7 Milliarden D-Mark tätigen konnten, und — auch das gehört noch dazu — Ausfuhren von immerhin schon wieder 3,6 Milliarden D-Mark gegenüber nur erst
1,8 Milliarden im Jahre 1948 nur durch den Marshallplan, durch die Hilfe in Form eines kreditierten Warenstromes möglich waren.
Wir haben deswegen auch zu dem zweiten Teil der Forderung ja gesagt, die der Marshallplan beinhaltet, nämlich zur europäischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit, und zwar nicht nur weil wir das eine, die Waren auf Kredit, gern haben wollten, sondern weil wir auch fest davon überzeugt sind, daß Europa nur dann wird leben können, wenn es eine freiwillige Schicksalsgemeinschaft gleichberechtigter Völker bildet. In diesem Sinne müssen wir auch die Liberalisierung, das heißt die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa, wollen und bejahen.
Wir müssen uns dabei aber darüber klar sein, daß das, was wir durch die Freilisten vom Oktober vorigen Jahres vorgeleistet haben, für Deutschland ein ganz besonderes Opfer gewesen ist; denn nach dem Zusammenbruch, den wir erlebt haben, haben wir trotz aller Fortschritte, die draußen schon häufig genug als eine Art Wunder bezeichnet wurden, erst etwa ein gutes Drittel der volkswirtschaftlichen Ergiebigkeit der menschlichen Arbeit wieder erreicht, wie sie gegenwärtig in den Vereinigten Staaten von Amerika besteht. Wir haben also ein ganz erhebliches Handicap zu überwinden, um in der Frage der Produktivität, der Rationalisierung unserer Arbeit und der Wiederherstellung einer echten Wettbewerbsfähigkeit gleichzuziehen.
Wir müssen dabei auch noch an ein zweites denken. Deutschland hat von jeher gegenüber den westeuropäischen Ländern eine aktive Handelsbilanz besessen und hat die Überschüsse dieser aktiven Handelsbilanz benutzt, um in Übersee noch weitere Güter hinzuzukaufen. Auch wenn
wir die Möglichkeit einer begrenzten, weil nur europäischen Clearing-Union begrüßen, müssen wir doch ins Auge fassen, daß wir in irgendeiner Form Ersatz schaffen müssen, falls der europäische Aktivsaldo der deutschen Handelsbilanz sich zunächst verringern sollte. Es ist von seiten der Vereinigten Staaten in Aussicht gestellt worden, daß gegenüber Ländern, die die europäische Zusammenarbeit unter Beweis stellen, eine zusätzliche Hilfe geleistet werden kann. Ich glaube, die Hilfe, die uns hier am allermeisten willkommen wäre, wäre eine weitere Öffnung des amerikanischen Marktes für deutsche Güter, ein größeres Entgegenkommen für den deutschen Export. Wenn Herr Rische davon sprach, daß die Amerikaner mit Hilfe dieses Abkommens deutsche Hilfsquellen und Rohstoffe amerikanischen Monopolen einverleiben wollten, so kann ich darauf nur erwidern: bis jetzt haben nur wir Rohstoffe und Hilfsquellen der Amerikaner in Anspruch genommen.
Wir wünschten, sie nähmen unsere Rohstoffe und Hilfsquellen in Anspruch. Außerdem hat Herr Rische verschwiegen, daß in diesem Abkommen steht: jeder derartige Export wird von den Amerikanern zu Weltmarktpreisen bezahlt. Ich wünschte, in der Ostzone wären alle Entnähmen auch jemals zu Weltmarktpreisen bezahlt worden!
Die Liberalisierung des europäischen Außenhandels ist zweifellos Deutschlands größtes Opfer für den Marshallplan,
sie wird aber bisher in vollem Umfang durch das aufgewogen, was wir an Leistungen für eine einigermaßen erträgliche Lebenshaltung in Deutschland empfangen haben. Und die Schwierigkeiten — das hat ja Herr Minister Blücher schon sehr deutlich gesagt —, liegen nicht in der Forderung an sich, sondern in dem noch sehr mangelhaften Verständnis für die Notwendigkeit einer europäischen wirtschaftlichen Integration in anderen Staaten Europas.
Der Marshallplan, der Aufbau und die Wiederherstellung der Freiheit und Unabhängigkeit zum Ziele hat, setzt auch zwangsläufig voraus, daß diese Freiheit und Freizügigkeit über die Grenzen hinweg besteht. Wirtschaftssysteme mit einer Planwirtschaft stehen nun einmal einer solchen Freizügigkeit von Gütern, Dienstleistungen und Menschen über die Grenzen hinweg im Wege, genau so wie sie es im eigenen Lande tun. Es ist unsere Sorge, daß diese Schwierigkeiten, die gegenüber England und auch gegenüber einigen anderen Ländern schon deutlich aus dem Autarkiestreben heraus zutage getreten sind, das auf die Dauer die Völker nur verarmt, nicht noch größer werden möchten.
Es ist viel davon geredet worden, daß man schon wieder vor einem zu schnellen Anwachsen der deutschen Leistungsfähigkeit Angst haben könne. Ich glaube, daß die Amerikaner bei der Konzeption des Marshallplans volkswirtschaftlich richtiger dachten, als sie sagten: es geht allen am besten, wenn es jedem gut geht. Und es hat noch nirgendwo ein größerer Handelsaustausch stattgefunden als zwischen Ländern, die eine kochentwickelte, eine auf Wohlstand gegründete Volkswirtschaft besessen haben. Der niedrigste Lebensstandard ist immer bei den primitiven, bei den autarken Völkern zu finden.
Noch eines darf ich sagen und damit schließen. Es war vorhin davon die Rede, im deutschen Volk sei eine Enttäuschung darüber vorhanden, daß man für gewisse Teile des Marshall-plans in späteren Zeiten Exporterlöse werde abführen müssen. Ich glaube, das deutsche Volk will gar keine Geschenke, sondern es möchte durch ehrliche Arbeit mit Hilfe des Marshallplans wieder auf eigene Füße kommen, möchte bis zum Jahre 1952 selbständig sein und aus eigener Kraft dann auch zu dem Wiederaufbau und der Gesundung der übrigen Welt beitragen können. Und unser Wunsch geht dahin, daß es in der Zukunft nicht wieder wie in der Vergangenheit darum gehen möge, in Europa die Grenzsteine um zwanzig Kilometer nach links oder rechts zu verrücken, sondern diese Grenzsteine überhaupt bald verschwinden zu lassen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Baade.
Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokratische Partei hat sich in Deutschland als erste politische Partei zu den Grundsätzen des Marshallplans bekannt, und zwar schon auf unserm Parteitag in Nürnberg im Jahre 1947. Unsere Tradition als Europäer ist wesentlich älter. Bereits vor 25 Jahren hat sich die Sozialdemokratische Partei auf ihrem Heidelberger Parteitag zu der Idee der europäischen Wirtschaftseinigung und der Vereinigten Staaten von Europa feierlich bekannt, und zwar nach einem Referat, das den älteren unter uns als ganz besonders zündend noch im Gedächtnis ist, nach einem Referat von einem unserer Freunde, der damals ein junger Mann war und den wir zu unserer Freude jetzt unter uns sehen, dem Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen, Minister Nölting.
Ich bitte, keine Zwiegespräche zu führen.
Wenn eine Partei eine so alte Tradition als Europäer hat, dann hätte sie wirklich den herzlichen Wunsch gehabt, diesen ersten Staatsvertrag, den Deutschland schließt, und noch dazu einen Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten über die Eingliederung Deutschlands in die Einigung Europas, mit ungeteilter Freude zu begrüßen. Das ist leider nicht möglich. Die Freude über diesen Staatsvertrag wird durch eine Reihe von ernsten Sorgen überschattet.
Sehen Sie, das Gebiet der deutschen Bundesrepublik ist unter sämtlichen Teilnehmerländern des Marshallplans bei weitem das ärmste Territorium und das Territorium, das die größten, ich möchte beinahe sagen: die fast unlösbarsten Aufbauaufgaben vor sich hat. Infolge der Zerreißung Deutschlands durch ,den Eisernen Vorhang, infolge der Auslieferung unserer wichtigsten landwirtschaftlichen Überschußgebiete an Polen, infolge des Hineintreibens von 8 Millionen Heimatvertriebenen in ein bereits übervölkertes Gebiet ist in Westdeutschland etwas entstanden, was es in der Geschichte überhaupt noch nicht gegeben hat: ein Gebiet von der Wirtschaftsstruktur Englands mit einem Territorium, das nicht größer ist
als die englische Insel, mit einer Bevölkerung von fast 50 Millionen, die etwa ebensogroß ist, wie die englische Bevölkerung, aber mit unendlich schlechteren wirtschaftlichen Voraussetzungen, dieses zweite England nun wirtschaftlich selbsterhaltend zu machen. Die Aufgabe, die uns auf diesem Gebiet gestellt worden ist, ist unendlich viel schwerer als die Aufgabe aller anderen Marshallplan-Nationen, nicht zuletzt deshalb, weil das eigentliche England die Möglichkeit hatte, am Tage, nach dem die Waffen schwiegen, seine gesamte Kriegproduktion in .vollen Touren auf Friedensproduktion umzustellen, während dem zweiten, künstlich geschaffenen England, Deutschland, diese Möglichkeit beschnitten wurde und zum Teil bis heute noch beschnitten wird. Ich erinnere nur an das, was trotz des Petersberger Abkommens noch an Demontagen und an Restriktionen unserer Friedensproduktionsmöglichkeiten bestehen geblieben ist.
Es ist gar kein Zweifel, daß wir, wenn wir dieses Abkommen annehmen - und wir werden es annehmen —, damit unsere Dankbarkeit gegenüber den Vereinigten Staaten aus vollem Herzen zum Ausdruck bringen. Wir können aber nicht umhin, unsere ernste Sorge auszusprechen, daß vielleicht die anderen europäischen Länder bis zum Jahre 1952 selbsterhaltend werden können, daß aber dieses Westdeutschland mit seiner besonderen Wirtschaftstruktur und seinem besonderen Zurückbleiben, wie ich es eben kurz geschildert habe, eigentlich nur durch ein Wunder bis zum Jahre 1952 zu einem Gebiet gemacht werden kann, das aus eigener Kraft und ohne weitere Hilfsleistungen leben kann. Es gehört ein Wunder dazu, nicht nur ein Wunder der Wirtschaft, sondern vor allen Dingen auch ein Wunder der Vernunft, indem endlich alles, was an Restriktion unseres Leistungswillens auf dem Gebiet der Friedensproduktion noch besteht, radikal beseitigt wird.
Unsere Besorgnisse werden aber auch noch dadurch bestärkt, daß der Anteil, den Deutschland aus dem Marshallplan bekommt, in einem wirklich krassen Mißverhältnis zu der atemberaubenden Größe des deutschen Wiederaufbauproblems steht. Ich muß Ihnen darüber einige Zahlen vortragen. Wenn man zwischen den einzelnen europäischen Ländern vergleichen will, so ist es am besten, die Nettoleistung aus dem Marshallplan und der übrigen Amerikahilfe pro Kopf der Bevölkerung zu berechnen. Dabei müssen wir im deutschen Fall die Leistungen aus dem Marshall-plan und die aus der GARIOA-Hilfe zusammenzählen. Wir müssen das abziehen, was wir infolge der Ziehungsrechte, die uns auferlegt sind, von unseren eigenen Marshallplanmitteln an andere europäische Völker abgeben müssen. Wir kommen dann zu dem Ergebnis, daß Deutschland im Jahre 1949/50 pro Kopf der Bevölkerung 12 Dollar bekommt gegenüber 17 Dollar, die England mit seiner unvergleichlich viel günstigeren Wirtschaftsstruktur erhält, gegenüber 22 Dollar, die Frankreich bekommt, das pro Kopf der Bevölkerung mehr als das Doppelte der landwirtschaftlichen Nutzfläche zur Verfügung hat als Deutschland, und gegenüber gar 45 Dollar, die Holland bekommt, von noch höheren Beträgen in anderen kleinen Marshallplanländern gar nicht zu reden.
Das ist eine Diskriminierung Deutschlands, die in
dem Augenblick angefangen hat, als Deutschland
in den Marshallplan eingeschaltet wurde. Damals wurden ja die Quoten am Marshallplan festgesetzt, der sehr zu Unrecht und sicher sehr gegen den Willen der Amerikaner nicht als ein einheitliches europäisches Wiederaufbauwerk behandelt wird, sondern als eine Art Kuchen, der in Paris steht, aus dem sich nun die einzelnen ihre Stücke herausgeschnitten haben. Deutschland war damals besonders schwach, denn Deutschland ist damals nicht durch Deutsche vertreten gewesen, sondern es wird erst jetzt im Zuge des hier anzunehmenden Vertrages in vollem Umfang durch Deutsche vertreten werden. Wir müssen es dankbar anerkennen, daß die Vertreter der amerikanischen Besatzungsmacht und der amerikanische Verwalter des Marshallplans persönlich mehrfach sich sehr energisch dagegen gewehrt haben, daß die anderen europäischen Nationen die von vornherein schon in zu geringer Höhe angemeldete deutsche Quote noch weiter verkürzen wollten. Aber es ist ja nur menschlich, daß kaum zu erwarten war — das wäre ja eine übermenschliche Anforderung gewesen —, daß die Vertreter der englischen und französischen Besatzungsmacht für das von ihnen verwaltete Deutschland höhere Quoten auskämpfen sollten unter Verringerung der Quote ihrer eigenen Länder. Aber das beweist ja weiter nichts, als daß das politische Vakuum mitten in Europa — das deshalb besteht, weil das Land im Herzen Europas bis heute keinerlei politische Souveränität, insbesondere in internationalen Wirtschaftsangelegenheiten, hatte — auf Schritt und Tritt in Europa Schaden anrichtet. Das sehen wir an dieser ungenügenden Einschaltung Deutschlands in den Marshall-plan schon bei den Grundquoten. Leider müssen wir uns wohl mit der Tatsache abfinden, daß, soweit der eigentliche Marshallplan in Frage kommt, an den Quoten für die restlichen nicht mehr sehr viel geändert werden kann, weil der Kuchen schon für die ganze Zeit verteilt ist. Da kann ich es auch nicht ganz unterdrücken zu sagen, daß wir in den ersten entscheidenden Monaten der Einschaltung Deutschlands in den Marshallplan von der Frankfurter Wirtschaftsverwaltung manchmal einen energischeren Widerstand gegen die Besatzungsmacht erwartet hätten und daß unter Umständen ein Appell an die Öffentlichkeit oder eine Flucht in die Öffentlichkeit sogar eine recht heilsame Wirkung gehabt hätte.
Nun hat der Herr Minister für den Marshall-plan davon gesprochen, daß wir als gleichberechtigter Partner eingeschaltet werden. Ich würde mich freuen, wenn ich diese Feststellung unterschreiben könnte. Aber ich komme doch nicht an der Tatsache vorbei, daß der Vertrag, den wir unterschrieben haben und dem wir nach sehr schweren und ernsthaften Überlegungen zustimmen werden, sich doch wesentlich von den Verträgen unterscheidet, die die anderen Marshallplanländer unterschrieben haben. Den Worten nach ist der Text zu 90 Prozent, vielleicht sogar zu 95 Prozent der gleiche. Aber die 5 Prozent, in denen sich der Text des deutschen Vertrages von dem Text der Verträge mit allen übrigen Mashallplanländern unterscheidet, sind höchst bedauerlich. Denn die anderen europäischen Länder bekommen ihre Hilfsleistungen aus dem Marshall-plan klar und deutlich definiert teils als Anleihen, teils als Geschenke, die nicht zurückzuzahlen sind. Ich kann Herrn Minister Blücher darin nicht folgen, daß es gegen das deutsche
Interesse ist, diese Dinge völlig klar auszusprechen. Sie stehen klar und deutlich im Vertrag drin, und ich glaube, sie sollten ausgesprochen werden. Die anderen Länder, besonders diejenigen, die besonders hilfsbedürftig waren oder die politisch besonders stark waren, bekommen ihre Leistungen ganz überwiegend als Geschenke. Soweit sie sie als Anleihen bekommen, haben sie keine Einzahlungen auf Counterpart-Funds zu leisten, sondern die Regierungen verfügen über die Gegenwerte, die ihre eigenen Mitbürger dafür bezahlen müssen, ohne jede Kontrolle des Marshallplan-Administrators, wie es ja im Falle einer Anleihe auch sinngemäß ist. Denn wenn man es später zurückzahlen muß, muß man in der Zeit, in der man die Anleihe hat, ja über die Gegenwerte frei verfügen.
Die anderen Länder zahlen Counterpart-Funds nur für das ein, was ausdrücklich als Geschenke Amerikas an diese Länder bezeichnet ist. Wir in Deutschland müssen auf Grund des Vertrages, der jetzt zur Diskussion steht, in vollem Umfang anerkennen, daß diese Leistungen Amerikas eine Forderung gegen die deutsche Wirtschaft darstellen. Wir verpflichten uns, sie aus den Erlösen unserer Exporte zurückzuzahlen. Man könnte daraus schließen, daß die künftigen Exportmöglichkeiten Deutschlands für diese Rückzahlungsmöglichkeiten verpfändet sind.
— Die Formulierung in Artikel 2 ist uns und unseren Freunden absolut klar.
Ich komme jetzt zu derjenigen Klausel, die allein es uns ermöglicht, diesen Verpflichtungen zuzustimmen, zu der Klausel, welche feststellt, daß die Rückzahlung aus den Exporten nur erfolgen soll, wenn es mit den Bedürfnissen einer friedlichen und gesunden deutschen Wirtschaft vereinbar ist.
Wenn man sich das Bild der deutschen Wirtschaft, insbesondere im Verhältnis zu den anderen Volkswirtschaften, die ich soeben kurz bezeichnet habe, das Bild, das durch das Beispiel vom zweiten England vielleicht besonders beleuchtet wird, vor Augen hält, so ist es klar, daß diese Klausel bedeutet, daß die Rückzahlung auf eine sehr problematische Zukunft vertagt ist. Man könnte sogar meinen, in der Tatsache, daß wir für alles Counterpart-Funds einzahlen, das heißt dasselbe tun, was die anderen Länder in dem Fall tun, in dem ihnen etwas geschenkt worden ist, komme doch schon eine gewisse Bereitwilligkeit oder innere Einstellung der Amerikaner . zum Ausdruck, diese Rückzahlungsverpflichtungen einmal zu streichen.
Ich möchte eigentlich die Dinge mehr ins Positive wenden und möchte sagen: wir wollten in Deutschland niemals etwas geschenkt haben. Wenn man uns vom Tage der Kapitulation ab unbegrenzt hätte arbeiten lassen, wäre vielleicht der ganze Marshallplan nicht nötig geworden, sicher für uns nicht, vielleicht auch für einen Teil unserer europäischen Nachbarn nicht. Wir können einer Klausel zustimmen, daß wir einmal das Erhaltene zurückzahlen sollen, wenn es mit den Bedürfnissen einer friedlichen und gesunden deutschen Wirtschaft vereinbar ist, das heißt, wenn aus den Erlösen des deutschen Exports nicht nur unser laufender Importbedarf befriedigt werden
kann, sondern wir darüber hinaus noch etwas ermöglichen können. Denn das würde ein Aufblühen der deutschen Wirtschaft bedeuten, über das wir uns nur ehrlich freuen könnten.
Zu den Besorgnissen, die wir auf internationalem Gebiet und bezüglich der Klausel des eigentlichen Staatsvertrages haben, kommen nun noch bestimmte Besorgnisse auf deutschem innerwirtschaftlichem Gebiet. Da ist zunächst die Frage Berlin zu erwähnen. Die sozialdemokratische Fraktion möchte die besondere Aufmerksamkeit des Hauses auf Artikel 7, die Berlin-Hilfe richten. Es besteht wohl zwischen allen deutschen, aber auch amerikanischen Stellen Übereinstimmung darüber, daß die Sicherung und der Wiederaufbau von Berlin ohne Auslandshilfe nicht möglich sind und daß Berlin durch seine Haltung Europa verpflichtet hat. Der Kampf Berlins war ein Kampf nicht nur für Berlin, nicht nur für Deutschland, sondern für Europa.
— Kampf ist das wirklich gewesen, da können
Sie jeden Berliner fragen, ob das ein Kampf war.
Die Deutschen sollen sich daher nicht durch das Ausland hinsichtlich des Ausmaßes der Hilfe beschämen lassen. Die sozialdemokratische Fraktion bedauert, daß — hoffentlich nicht durch deutsche Stellen — die ursprünglich vorgesehene Fassung des Artikel 7 abgeschwächt worden ist. Sie betont um so stärker die Verpflichtung der Bundesrepublik, Berlin zu helfen, und zwar nicht nach freiem Ermessen allein des ERP-Ministers. Es handelt sich hier nicht um ein Gnadengeschenk für Berlin, sondern um eine politische, vertraglich oder gesetzlich zu sichernde Verpflichtung. Die Regelung der Berlin-Hilfe aus dem Marshallplan wird eine besondere Aufgabe des von uns geforderten Durchführungsgesetzes zu dem Abkommen bilden müssen. Wir behalten uns entsprechende Abänderungsanträge zu den Artikeln 3 und 4 der Vorlage schon jetzt vor.
Es ist hier über den Artikel 3 der Vorlage und über die dort ausgesprochene Ermächtigung gesprochen worden. Wenn in dieser Ermächtigung auch die Ermächtigung liegen soll, die Verteilung der Kredite aus dem Counterpart-Funds nach eigenem Ermessen und ohne Mitwirkung des Parlaments vorzunehmen, so melden wir gegen diese Absicht unseren schärfsten Widerspruch an. Wir gehen in unseren Überlegungen noch über das hinaus, was der Bundesrat bereits zum Ausdruck gebracht hat. Wir werden im ERP-Ausschuß eine Anderung dieses Artikels in dem Sinne vorschlagen, daß das im Grundgesetz verankerte Mitspracherecht der Volksvertretung bei der Verteilung dieser Kredite im vollen Umfang gesichert ist.
Nach so viel Negativem, das ich leider darlegen mußte, gestatten Sie mir zum Schluß noch einige positive Äußerungen! Die sozialdemokratische Fraktion begrüßt es besonders, daß auf die ziemlich unglückliche und wenig konstruktive erste Hälfte des Marshallplans nun offenbar, teilweise unter amerikanischem Druck, eine konstruktivere Hälfte des Marshallplans zu folgen scheint. In der ersten Hälfte war von einer wirklichen europäischen Planung noch sehr wenig die Rede. Was die europäischen Länder bis dahin produziert hatten, waren sechszehn isolierte nationale, autarkistische Planungen, die nicht aufeinander eingestellt waren, die zum Teil scharf zueinander im Widerspruch standen. Wir können in diesem Fall einmal mit einer gewissen Freude konstatieren, daß wir Deutsche für diese erste Fehlleistung des Marshallplans keinerlei Mitverantwortung tragen, weil Deutschland ja damals nicht durch Deutsche, sondern durch die Militärregierungen vertreten war. Jetzt folgt die zweite und, wie wir hoffen, konstruktivere und positivere Periode des Marshallplans. Jetzt soll die wirkliche Europaplanung kommen mit Liberalisierung des europäischen Handels, mit Schaffung einer einheitlichen europäischen Währung. Wir freuen uns ganz besonders darüber, daß dieser Wendepunkt des Marshallplans zeitlich zusammenfällt mit dem Eintritt Deutschlands als eines selbständigen Partners in den Marshallplan. Wir Sozialdemokraten erwarten, daß die Regierung die Forderung nach einer wirtschaftlichen Vereinheitlichung Europas nicht als Lippenbekenntnis, sondern als ein reales, sehr konkretes Programm vertritt. Dabei legen wir neben der Liberalisierung des Handels und der Schaffung einer einheitlichen europäischen Währung ganz besonderen Wert auf die Durchsetzung eines einheitlichen Produktionsplanungsund Investitionsprogramms in Europa.
Denn das sind die Hauptfehler der ersten Periode des Marshallplans gewesen. Die Produktions- und Investitionsplanung in Europa muß so durchgeführt werden, als wenn es in diesem MarshallplanEuropa keine inneren Grenzen gibt. Die Investitionen müssen dort erfolgen, wo sie den höchsten Nutzeffekt im Aufbau der europäischen Wirtschaft bringen, ganz gleichgültig, ob das rechts oder links des Rheines ist, ganz gleich, ob, in einem Siegerland oder in einem besiegten Land.
Das ist die deutsche Politik, und das ist der deutsche Beitrag zum Marshallplan. Deutschland ist, wie ich Ihnen kurz darlegen konnte, sicher der ärmste Teilnehmer unter den Marshallplanländern. Es ist sicher der ärmste Sohn der europäischen Völkerfamilie. Wir werden zu beweisen haben, daß Deutschland der treueste Sohn, das heißt der treueste Mitarbeiter an einer wirklichen europäischen Wirtschaftseinheit ist.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Die Ziele des Marshallplans und die in den letzten Jahren erreichte Wirklichkeit in Europa weichen sehr stark voneinander ab. Das Ziel des Marshallplans ist in der Einleitung des uns heute überreichten Gesetzentwurfs eingehend niedergelegt worden. Dieses Ziel ist die Koordinierung der europäischen Volkswirtschaften, die Schaffung einer europäischen Großraumwirtschaft. Das bedingt aber die Ausrichtung der Produktion nach den kostenmäßig günstigsten Produktionsstätten. Eine solche Politik verlangt in erster Linie Opfer von allen Seiten, und sie kann auch nur durch Opfer aller zum Erfolg gebracht werden. Wenn jedes Empfängerland von Marshallplanhilfe autarke Wirtschaftspolitik treibt und dabei ein etwa entstehendes Defizit mit Dollars zu Einkäufen auf dem Weltmarkt decken würde, würde das Gegenteil des eigentlichen Marshallplans erreicht werden.
Wir Deutsche sind nun in dieser Situation aufgefordert worden, durch unsere freiwillig zu leistende Unterschrift diesem Vertragswerk beizutreten. Wer als Deutscher heute einen solchen völkerrechtlichen Vertrag abschließen oder an dem Abschluß eines solchen Instruments mitwirken soll, wird sich zunächst zu fragen haben, ob wir Deutsche tatsächlich die Vertragsfreiheit, die Entschlußfreiheit haben, die für den Abschluß eines wirklichen Vertrages Voraussetzung ist, nämlich die Gleichberechtigung zweier Partner. Legt man sich diese Frage vor, so wird man schon erhebliche Zweifel hegen müssen. Auf der andern Seite müssen wir, wenn wir einmal die Entschlußfreiheit, die für einen richtigen Vertrag erforderlich wäre, als gegeben ansehen wollen, frei das Für und Wider abwägen.
So weltweit und großzügig auch die Marshallplanhilfe gedacht ist, so hat sie doch in der praktischen Auswirkung in den letzten Jahren neben den großen, nicht zu verkennenden Vorzügen auch erhebliche Nachteile gehabt. Die Hilfe, die den Marshallplanteilnehmern zuteil geworden ist, hat sie zum Teil vor der Existenzvernichtung, zum Teil vor Hunger und Not bewahrt. Die Lieferungen, die erfolgt sind, sind in den Empfängerländern verkauft worden. Die Erlöse sind den Empfängerländern im allgemeinen zur Verwendung nach ihren eigenen Investitionsplänen überlassen worden. Die Verwendung der Gegenwertmittel hat aber dann bei den einzelnen Empfängerländern nur zum geringsten Teil im Sinne des Marshallplans stattgefunden und zum größeren Teil nach autarkischen Wirtschaftsplänen, wie sie in der Zeit unmittelbar nach dem Kriege entstanden sind. So sind Stahlwerke fern der Kohle in kostenmäßig ungünstiger Situation errichtet worden, Stahlwerke, die gegenüber anderen, günstiger gelegenen Stahlwerken immer kostenmäßig im Nachteil bleiben müssen.
Künstliche Maßnahmen sollten den natürlichen Wirtschaftsablauf, den natürlichen Wirtschaftsfluß umlenken. Dabei sind wirtschaftliche und politische Eingriffe gemacht worden, die einer sinnvollen, nach Kostengesichtspunkten gegliederten europäischen Großraumwirtschaft geradezu zuwiderlaufen.
Es soll aber ja nun, wie wir hören, demnächst anders werden. Aber so sehr optimistisch können wir in dieser Beziehung nicht sein. Die Schwierigkeiten, die die Handelsvertragsverhandlungen in den letzten Monaten mit sich gebracht haben, zeigen doch, wie stark der Geist des sacro egoismo noch vorherrscht. Wenn uns die Märkte der ganzen Welt, vor allem auch die traditionellen deutschen Märkte im Osten, auf dem Balkan und im Fernen Osten offen stünden, dann würde wahrscheinlich die Notwendigkeit einer starken Unterstützung aus der Marshallplanhilfe nicht so sehr in Erscheinung treten, wie es heute angesichts der Zerschlagung Deutschlands der Fall ist. Dieser Weg der Eroberung der Märkte der Welt ist uns Deutschen heute im Unterschied zu anderen Teilnehmerländern des Marshallplans, die vor allem mit dem Osten und dem Fernen Osten Handel treiben dürfen, verwehrt. Politische Erwägungen machen ihn ungangbar. Wir müssen darauf dringen, daß diese traditionellen Handelswege der deutschen Wirtschaft wieder eröffnet werden und uns nicht durch den Abschluß des ECA-Vertrages auf die Dauer versperrt bleiben sollen. Der Abschluß des ECA-Vertrages könnte sonst auch mehr als nur eine wirtschaftliche Angelegenheit, nämlich eine Art politischer Kursfestlegung sein. Eine derartige Kursfestlegung könnten wir aber nur dann verantworten, wenn die Initiatoren des Marshall-plans ihren Einfluß stärker als in den vergangenen Jahren zur Realisierung des eigentlichen Zieles des Marshallplans, nämlich zur Koordinierung der europäischen Volkswirtschaften einsetzen, wenn die Initiatoren des Marshallplans wirklich ernst mit ihrem eigenen Ziel machen. Wenn wir erreichen würden, daß alle europäischen Länder auf diese Linie einschwenken und nicht nur empfangen, sondern auch geben wollen, dann wird unsere Unterschrift unter den ECA-Vertrag nicht vergeblich sein. Wir selbst sind der Auffassung, daß eine solche Politik des gegenseitigen Nachgebens auf die Dauer allen Parteien, allen Beteiligten die größten Vorteile bringen wird. Dies entspricht dem von uns immer wieder vertretenen Grundsatz, daß über den souveränen Staaten eine höhere Einheit, nämlich die dem Sittengesetz verpflichtete ganze Menschheit steht.
Wir begrüßen die Abänderung des Artikel III durch den Bundesrat. Die Steuerung der Gegenwertmittel in Deutschland kann eines der wesentlichsten Mittel aktiver Konjunkturpolitik werden. Diese Aufgabe kann mit der vorgeschlagenen Änderung allein vielleicht nicht ausreichend erfüllt werden. Es wird in den Ausschußberatungen zu klären sein, wie dieser Artikel III entsprechend abgeändert werden kann, insbesondere wie der Einfluß der gesamten gesetzgebenden Körperschaften auf diese entscheidend wichtige Aufgabe sichergestellt werden kann.
In dem Marshallplanabkommen ist auch an einer Stelle die Rede von dem Zusammenarbeiten mit der internationalen Flüchtlingsorganisation. Diese Bestimmung findet unmittelbar auf die deutschen Flüchtlinge, die deutschen Ostvertriebenen keine Anwendung. Wir wollen aber hoffen, daß diese Bestimmung demnächst dazu beitragen wird, in der Welt, insbesondere in der Marshallplanzusammenkunft die Verantwortung dafür zu wecken, daß das deutsche Flüchtlingsproblem ein internationales ist, das mit den deutschen Mitteln allein nicht ,gelöst werden kann, ein Problem, das eine bevorzugte Berücksichtigung mit der Hilfe des Marshallplans für Deutschland gebieterisch fordert.
Wir selbst werden trotz dieser Bedenken; die ich im einzelnen anmelden mußte, unsere Stimme für den Abschluß des Marshallplanabkommens abgeben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Seelos.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bayernpartei möchte nicht wie der Redner der SPD sich an dem Rennen beteiligen, wer von den Parteien, außer den Kommunisten, zuerst diesem Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland zugestimmt hat. Denn es ist doch eigentlich selbstverständlich, daß, wenn ein Siegerland die Hand großmütig dazu bietet, Deutschland wieder in den Bund der europäischen Mächte aufzunehmen und diesen ersten Schritt zur Rückgabe unserer Souveränität zu tun, man nicht nein sagt und daß es meiner Ansicht nach eine Priorität zwischen den Parteien — außer den Kommunisten — nicht gibt.
Ich möchte nur die Zustimmung auch der Bayernpartei zu diesem Abkommen zum Ausdruck bringen, mich aber enthalten, auf die Einzelheiten einzugehen, die bereits durch den Herrn Bundesminister Blücher vorgetragen worden sind, und auch die Bedenken nicht nochmals zum Ausdruck bringen, die bereits Herr Dr. Pünder und Herr Dr. Baade in vorzüglicher Weise dargestellt haben.
Immerhin glaube ich, daß man einiges zu der Liberalisierung des Handels und der ganzen Wirtschaft in Europa sagen muß. Wir müssen noch stärker, als wir es bisher getan haben, darauf hinweisen, daß Deutschland in besonderer Weise unter drei Vorbelastungen leidet. Das sind einmal an der Spitze die Besatzungskosten von 41/2 Milliarden Mark, das sind die Kosten für die 81/2 Millionen Flüchtlinge, die auch in die Milliardenbeträge gehen, und das sind schließlich die Kosten für diese politische Groteske, die die Allierten geschaffen haben, nämlich die Berliner Lösung. Wir müssen ferner darauf hinweisen, daß doch die Mittel des Marshallplans, die besonders aus dem Gegenwertfonds fließen, für die Länder innerhalb Deutschlands verwandt werden, die infolge des Flüchtlingsproblems besonders unter der Arbeitslosigkeit leiden. Von den 11/2 Millionen Arbeitslosen in Westdeutschland hat zum Beispiel Bayern 482 000 Arbeitslose.
Ich möchte aber im besonderen noch auf ein Problem eingehen, das vielleicht etwas zu kurz behandelt worden ist. Im Bundesrat hat Oberbürgermeister Reuter von Berlin eingehend von den Berliner Problemen im Zusammenhang mit dem Marshallplan gesprochen, und nur Professor Dr. Baade hat es auch hier kurz berührt. Schließlich ist es so, daß von den 1 650 Millionen Mark, die aus dem Marshallplan für Westdeutschland bleiben, bei einer Monatszahlung von 55 Millionen Hilfe an Berlin, also jährlich etwa 650 Millionen Mark, zwei Fünftel der Marshallplanhilfe nach Berlin gehen, gleichgültig ob sie nun aus diesem Topf oder aus jenem Topf kommen.
Es ist klar, daß Berlin Hilfe braucht. Gerade wir von der Bayernpartei haben wiederholt die Notwendigkeit der Unterstützung Berlins betont. Wir haben betont, daß wir den politischen Abwehrkampf Berlins honorieren müssen, den Abwehrkampf, der den politischen Wiederaufbau nicht nur Westdeutschlands, sondern Westeuropas erleichtert und ermöglicht hat. Aber wenn nun Oberbürgermeister Reuter doch von einer immer sich steigernden Investierung spricht, dann müssen wir uns doch davor hüten, daß wir nicht dieselben Fehler innerhalb Deutschlands, innerhalb dieses kleinen Marshallplans von Deutschland machen, wie es der große Marshallplan in den ersten zwei Jahren getan hat, indem wir durch Fehlleitungen von Kapital eine Autarkie einzelner Länder oder — in diesem Fall — Berlins schaffen wollen. Es ist nicht möglich, daß man, wenn sich zum Beispiel in Westdeutschland eben gewisse Konkurrenzbetriebe gebildet haben, nun neues Kapital aus den Marshallplangeldern in Berlin investiert und die westdeutschen Betriebe künstlich zum Erliegen bringt. Das wären Fehlinvestitionen. Wir wissen, daß Berlin eine 80prozentige Demontage gehabt hat, und wir wissen, daß der Geld- und Kreditmarkt im Jahre 1945 durch die Russen zum Erliegen gebracht worden
ist. Wir wissen, daß Berlin mit seinen Pensionslasten besonders große Sorgen hat. Aber wir dürfen Investierungen nur mit einem Gesamtblick auf die westdeutsche Wirtschaft vornehmen. Denn auch Berlin würde nichts davon haben, wenn sich die westdeutsche Wirtschaft ausblutet, nur weil diese Riesenbeträge nach Berlin gehen.
Der Oberbürgermeister Reuter geht auch mit dem Vergleich, den er im Bundesrat gezogen hat, völlig fehl. Wenn er sagt, daß die Berliner mit 30 bis 35 Prozent unter der Produktion von 1936 in traurigem Abstand hinter dem Produktionsstand in. Westdeutschland, wo etwa 100 Prozent des Beschäftigungsgrades von 1936 erreicht sind, einhermarschieren, so darf man hierbei nicht außer acht lassen, daß in Westdeutschland 81/2 Millionen neue Menschen hinzugekommen sind und aus diesem Grunde der Produktionsstand Westdeutschlands, nach der Bevölkerung gerechnet, nur etwa 78 Prozent beträgt. Andererseits muß man, wenn man die Berliner Produktion jetzt mit 70 Prozent annimmt, wegen der um 15 Prozent geringeren Bevölkerung einen entsprechenden Aufschlag auf den Produktionsstand machen. Auf diesem Wege kommen wir auf 80 Prozent. Unter Berücksichtigung des Bevölkerungsstandes besteht also in Wirklichkeit zwischen dem Produktionsstand von Westdeutschland und Berlin kein Unterschied. Das hat auch der Herr Bundesfinanzminister Schäffer bestätigt, indem er von der blühenden Berliner Wirtschaft gesprochen und demgemäß die monatlichen Zuschüsse von Dezember auf Januar herabgesetzt hat und bis April auf 45 Millionen pro Monat kürzen will. Wir müssen uns also vor Fehlinvestierungen hüten.
Dann müssen wir auch darauf hinweisen, daß schließlich Berlin in seinem Gesamtetat genau so sparen muß, wie die Länder es tun. In Berlin gibt es ein halbes Dutzend Hochschulen, und es gibt ein Dutzend Theater, während zum Beispiel in dem reichen Land Nord-Württemberg/NordBaden bereits Theater geschlossen werden mußten und kaum die Mittel für die wichtigsten kulturellen Dinge vorhanden sind. Also auch hier muß ein Ausgleich gefunden werden. Man kann nicht Berlin mit allgemeinen Marshallplanmitteln in solch übertriebener Weise unterstützen, daß schließlich die Wirtschaft und die Kultur Westdeutschlands allzusehr leiden und zum Erliegen kommen.
Ich hätte es bei dem großen Bedarf von Berlin an Geldern, die doch schließlich aus dem Marshallplan laufen, lieber gesehen, wenn Berlin als gesonderter Partner des Marshallplans aufgetreten wäre. Dann wäre international nicht das falsche Bild entstanden, als ob Deutschland in dieser großen Höhe Mittel beanspruche, während es in Wirklichkeit zu zwei Fünfteln nur weiterleitet, nur quasi Durchgangsstation für Berlin ist, das die politische Weitsicht der Allierten in dieser grotesken Form geschaffen hat.
Wir werden der Gesetzesvorlage der Bundesregierung zustimmen, sofern sie alle Beanstandungen, die der Bundesrat vorgenommen hat, berücksichtigt. Im weiteren haben wir noch einzelne Vorschläge zu machen, die dann in den Ausschußberatungen behandelt werden können.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Leuchtgens.
beutscher Bundestag — 27. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1950 841
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich namens meiner Gruppe unsere Zustimmung zu dem Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Vereinigten Staaten mit der Bundesrepublik ausspreche, so möchte ich einige wenige grundsätzliche Bemerkungen hinzufügen. Der Grund, warum wir dieser Vorlage zustimmen, ist so durchschlagend und so breit gefügt, daß nur weniges darüber zu sagen ist. Ohne die Marshallplanhilfe, um die es sich im wesentlichen dreht, wäre es unmöglich, die deutsche Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Und ohne die Ingangsetzung der deutschen Wirtschaft ist ja ein deutsches Eigenleben politisch unmöglich. Deshalb ist es eine selbstverständliche Pflicht, diesem Marshallplan zuzustimmen, wie wir das immer getan haben. Wir müssen es deshalb auch heute tun, wenn wir die erste gesetzliche Bestimmung darüber zu treffen haben. Wir sind uns der Tragweite dieses Gesetzgebungsaktes oder der Verhandlungen, die wir heute führen, voll bewußt. Es ist der erste Schritt, den wir überhaupt auf dem Wege eines selbständigen Staates wieder tun können.
Der zweite Grund, warum wir dieser Gesetzesvorlage unbedingt unsere Zustimmung geben, liegt darin, daß es auf eine andere Weise gar nicht möglich ist, die Freiheit und Unabhängigkeit des deutschen Menschen zu erhalten. Der große Kampf zwischen Ost und West, zwischen der russischen Sklaverei und der Freiheit des Westens besteht immer noch.
Die persönliche Freiheit des einzelnen wie die Freiheit des Volkes können wir nur erreichen, wenn wir den alten Grundsätzen der Kultur des Abendlandes zustimmen und wenn wir auf diesem Wege die Möglichkeit erhalten, wieder in den Kreis der Kulturländer des Abendlandes zurückzukehren. Andernfalls müßten wir in dem asiatischen Sumpf untergehen.
— Gehen Sie doch ruhig dorthin, wenn es Ihnen dort so gut gefällt!
Warum wollen Sie uns denn hindern? Es ist ja freigestellt, nach dem Osten zu gehen. Ich habe aber bis jetzt noch niemanden von Ihnen gesehen, der hinübergegangen ist!
Der dritte Grund dafür, daß wir dieser Gesetzesvorlage zustimmen, liegt darin: wir wollen nun endlich zu einer europäischen Zusammenarbeit kommen. Wir haben schon von Anfang an den Gedanken der Vereinigten Staaten von Westeuropa zu verbreiten versucht und freuen uns, daß man nun mit vollen Segeln diesem Ziel zustrebt. Ohne die Zustimmung zu dem Marshallplan und zu der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten kämen wir auf diesem Wege nicht weiter.
Das sind die drei Grundgedanken, die uns bewegen, dieser Vorlage unsere Zustimmung zu geben. Wir stimmen aber nur unter gewissen Besorgnissen und gewissen Bedenken zu.
Auch diese Bedenken müssen wir hier ganz kurz streifen.
Das erste Bedenken geht dahin, daß wir Deutsche, die wir nun froh sind, wieder in das internationale Leben hineingestellt zu werden, und allmählich der Erlangung unserer Souveränität zusteuern, auf diesem Gebiet nicht allzuweit gehen. Wir sollten immer darauf achten, daß nun auch unsere Vertragspartner besorgt sein müssen, die Gleichberechtigung der verschiedenen Nationen aufrechtzuerhalten. Wir sind uns unserer Lage vollkommen bewußt. Wir müssen aber erwarten, daß wir — als äußeres Zeichen der Schätzung des guten Willens, den wir den Dingen entgegenbringen — im Verhältnis zu den anderen Völkern, gegenüber England, Frankreich, wenigstens im großen Rahmen als gleichberechtigt behandelt werden. Wir wollen keine Bedenken darüber äußern, daß das nicht geschähe, und setzen voraus, daß diese Abkommen uns dorthin führen. Gefordert werden muß es aber auf Schritt und Tritt!
Wir haben dann weitere Bedenken bei dem Schritt, den wir im Fortgang dieser Unterhandlungen tun müssen mit der Liberalisierung des Handels. Wir wissen genau: ohne die Liberalisierung des Handels ist der Marshallplan nicht zu verwirklichen und ist auch unsere Wiederaufrichtung nicht möglich. Aber die Gefahr,- die hier droht, ist zu groß, als daß sie übersehen werden könnte; wir haben das schon jetzt bei einzelnen Handelsvertragsverhandlungen gesehen. Es ist richtig: die bilaterale Methode muß aufgegeben werden, wir müssen zu multilateralen Abkommen übergehen. Aber, meine Damen und Herren, das kann zu ganz gefährlichen Entwicklungen in Deutschland führen!
Ich sehe in dieser Richtung sehr schwarz für die Landwirtschaft. Es erwächst eine große Gefahr für die deutsche Landwirtschaft, wenn wir nun die Liberalisierung des Handels durchführen, wenn wir also alle Waren herein- und hinauslassen, wie es die Wirtschaft jeweils braucht, vor allem unter dem Gesichtspunkt, daß die billigsten Waren hereinkommen. Es besteht dann nämlich die große Gefahr, daß die deutsche Landwirtschaft im Konkurrenzkampf mit dem Ausland, mit Holland, mit Italien, mit Frankreich und auch mit den Vereinigten Staaten von Amerika zugrundegeht,
daß dann die deutsche Landwirtschaft in ihrer heutigen Zusammensetzung nicht mehr erhalten werden kann.
Die Entwicklung drängt dorthin, und wir fürchten, daß irgendwie zu sehr nachgegeben wird.
Deshalb möchte ich die Regierung und insbesondere auch Herrn Minister Blücher bitten, diesen Gesichtspunkten seine besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Ich kann Ihnen keine bestimmten Vorschläge machen und will das heute auch nicht tun, aber ich möchte hier eine Warnungstafel aufgestellt haben.
Ein weiteres: die ganze, freudige Hoffnungen erweckende Entwicklung ist dadurch gefährdet, daß wir unser Flüchtlings- und Vertriebenenproblem nicht lösen können.
Hier liegt eine internationale Verpflichtung vor.
Wir dürfen uns keiner Täuschung hingeben: wir
können die 8, 10 oder 12 Millionen Flüchtlinge und Heimatvertriebene auf dem schmal gewordenen Gebiet von Westdeutschland auf die Dauer nicht ernähren,
und unsere ganze wirtschaftliche Entwicklung wird in das Gegenteil verkehrt, wenn hier nicht auf internationalem Gebiet Hilfe geschaffen werden kann.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Tillmanns.
Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Seelos veranlassen mich als Berliner Abgeordneten zu einer kurzen, aber sehr eindringlichen Bemerkung. Es ist in den Ausführungen des Herrn Seelos zum Ausdruck gekommen, Berlin treibe dadurch, daß es ein halbes Dutzend Hochschulen und ein Dutzend Theater unterhalte, einen übermäßigen Aufwand. Es sollte allen Mitgliedern dieses Hauses bekannt sein, daß die Hochschulen Berlins eine ganz besondere und aus der politischen Situation Berlins entspringende Mission haben.
Es ist wahrhaftig nicht das Zeichen eines besonderen Aufwandsstrebens, daß es in Berlin notwendig war, neben der alten Berliner Universität Unter den Linden eine Freie Universität zu errichten. Diese Freie Universität Berlins hat die Aufgabe der freien wissenschaftlichen Forschung und Lehre weit über die Mauern Berlins hinaus.
0 Es ist bedauerlich, daß diese Aufgabe, die Berlin und die Berliner Bevölkerung letzten Endes für das ganze deutsche Volk übernommen haben, hier als nicht zu verantwortender Aufwand hingestellt wird.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist Überweisung an den ERP-Ausschuß beantragt. Wer für die Überweisung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Es ist mit großer Mehrheit so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet, Antrag der Fraktion der SPD .
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bielig.
Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, der Ihnen vorliegt, ist aus der Notwendigkeit entstanden, gegenüber den Deutschen hinter dem Eisernen Vorhang eine nationalpolitische Aufgabe zu erfüllen. Die Spaltung Deutschlands ist nicht durch Deutsche erfolgt. Sie entspricht weder dem Willen der westdeutschen noch dem der ostdeutschen Bevölkerung, wovon ich allerdings einige hörige Beauftragte einer gewissen Besatzungsmacht ausnehmen möchte.
Die Gefahren dieser Spaltung Deutschlands, die sich in den letzten Jahren immer mehr gehäuft haben, haben als Begleiterscheinung mit sich gebracht, daß zahlreiche Deutsche, die materiell oder geistig dem Druck in der Ostzone nicht mehr
gewachsen waren, in das Gebiet der Bundesrepublik ausgewandert sind bzw. die Grenze zur Bundesrepublik überschritten haben. Die Situation des vergangenen Jahres hat dazu geführt, daß die Zahl der die grüne Grenze Überschreitenden immer größer wurde. Bei dieser Gelegenheit muß man allerdings hinzufügen, daß von verschiedenen Seiten Zahlen genannt worden sind, die nicht den Tatsachen entsprechen. Es ist nicht so, als könne man mit einer jährlichen Zuwanderung von etwa 300 000 Menschen rechnen, weil zufällig an einigen Tagen hintereinander die Zahl der aus der Ostzone kommenden Menschen etwa 1000 betragen hat. Tatsächlich sind im dritten Vierteljahr — eine weitere Statistik liegt noch nicht vor — insgesamt etwa 41 000 Menschen in die Westzonen eingewandert.
Es ist auch nicht richtig, wenn es so hingestellt worden ist, als sei nur ein verschwindend geringer Teil derjenigen, die aus der Ostzone in die Westzonen kommen, als ausgesprochen politische Flüchtlinge anzusehen. Wer wagt es wohl, hier eine Grenze zu ziehen angesichts einer Unterdrückung in der Ostzone, die ihresgleichen sucht? Es ist auch nicht möglich, wie verschiedentlich propagiert bzw. vorgeschlagen worden ist, diejenigen, die nicht als politische Flüchtlinge anerkannt worden sind, wieder abzuschieben. Das ist kein Problem, das mit Polizeimaßnahmen gelöst werden kann. Dieses Problem erscheint meiner Fraktion so wesentlich, so wichtig, daß wir den Ihnen vorliegenden Initiativgesetzentwurf eingebracht haben. Wir halten es nicht für richtig, diese Angelegenheit mit Hilfe einer Verordnung zu regeln. Vielmehr sind wir der Meinung, daß
hier Artikel 11 Absatz 2 des Grundgesetzes Anwendung finden muß, der Artikel, der die Freizügigkeit der Deutschen behandelt. Wir müssen denen, die aus der Ostzone in die Bundesrepublik kommen, weitestgehend die Möglichkeit geben, ihr Leben in Freiheit zu führen.
Die einzelnen Paragraphen unseres Initiativgesetzentwurfs lassen unsere Absichten, die wir damit verbinden, klar erkennen. Jeder deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige, der seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in der sowjetischen Besatzungszone oder im sowjetischen Sektor von Berlin hat oder gehabt hat, bedarf, wenn er sich ständig im Bundesgebiet niederlassen will, einer besonderen Erlaubnis. In Absatz 2 dieses ersten Paragraphen wird ausdrücklich gesagt, daß diese Erlaubnis nur jemandem versagt werden darf, der wegen einer Tat verfolgt wird, die auch dann mit Strafe bedroht ist, wenn sie im Geltungsbereich des Grundgesetzes begangen sein würde.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit nicht versäumen, darauf hinzuweisen, daß wir im Verhältnis zur Ostzone endlich einmal mit der Fiktion der Rechtsgleichheit aufhören müssen. Es ist nicht möglich, gegenüber einem, ich darf wohl ausnahmsweise einmal sagen: Staatsgebilde, wie es die Ostzone darstellt, wo die Rechtsgrundlagen in weitestgehendem Maße zerstört sind, die Fiktion einer Rechtsgleichheit auf Grund nur der Tatsache aufrechtzuerhalten, daß auch dieser Teil zu Deutschland, wie wir es auffassen, gehört. Es ist außerdem nicht unbekannt, daß jederzeit in der Ostzone die Möglichkeit besteht, Personen, die bei den herrschenden Gewalten mißliebig sind, in irgendeiner Form ein kriminelles oder sonstiges Strafverfahren anzuhängen und sie dadurch zu Kriminellen zu machen.
Deutscher Bundestag 27, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Januar 1950 843
I Meine Damen und Herren! Es hat leider auch nicht an Stimmen gefehlt, die bei der Diskussion des ganzen Problems darauf hingewiesen haben, daß eine Zuwanderung aus der Ostzone erfolgt, die als unerwünscht anzusehen wäre. Es wird in einem weitgehenden Maße von kriminellen Elementen usw. gesprochen, die diese Gelegenheit benutzten, um die Bundesrepublik, wie einmal wortwörtlich geschrieben worden ist, „asozial zu unterwandern". Wenn wir den Tatsachen nachgehen, so kommen wir zu anderen Ergebnissen. Ich will keineswegs leugnen, daß unter den Zuwanderern aus der Ostzone auch asoziale Elemente sind, aber die Erscheinung des Asozialen an sich ist bekanntlich eine allgemein deutsche Erscheinung. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur darauf hinweisen, daß ich aus dem Bericht des Jugendfürsorgeausschusses, der uns in der vergangenen Woche zugegangen ist, folgendes ersehe. Die jugendlichen Einwanderer aus der Ostzone, die . schätzungsweise 4 100 im Monat ausmachen, werden erfaßt und sind kaum, wie es in dem Bericht heißt, als verwahrlost oder arbeitsscheu anzusprechen, sondern sie wollen arbeiten oder einen Beruf ergreifen.
— Vielleicht sind das die Berichte, die für Sie zugänglich sind.
— Meine Damen und Herren, ich habe nicht nötig, die Ehrlichkeit oder Nichtehrlichkeit von Herrn Kaiser zu verteidigen, aber auf der andern Seite würde ich es für richtig halten, wenn Sie, Herr Renner, sich bei diesem Problem etwas mehr Zurückhaltung auferlegen würden.
Ihre Leute, Ihre politischen Freunde sind es, die diese Zustände in der Ostzone hervorgerufen haben und diese Zustände schützen und die die Träger dieser Gewaltherrschaft sind.
Solange es in der Ostzone diese Form des politischen Terrors und solange es Konzentrationslager gibt, werden wir mit einer Zuwanderung aus der Ostzone zu rechnen haben. Wir sind deshalb der Meinung, daß wir auf keinen Fall den Zuwanderern aus der Ostzone den Zutritt in die Bundesrepublik zu verwehren haben. Wir sind vielmehr der Meinung, daß dann, wenn wirklich Menschen herüberkommen, von denen wir annehmen müssen. daß sie nicht unbedingt aus politischen Gründen ihre Heimat verlassen haben, hier in der Bundesrepublik von uns Maßnahmen zu ergreifen sind, die geeignet sind, diese Menschen einem geordneten Leber. zuzuführen. Wir sind der Meinung, daß wir aber keineswegs diese Maßnahmen in Gestalt eines Gendarmen an der Grenze mit dem Zeigefinger nach Osten ergreifen dürfen.
Aus diesem Grunde haben wir diesen Gesetzesentwurf eingebracht. Wir wollen endlich einmal das bisher nur auf Grund von Vereinbarungen der Länder angewandte System mit einem Gesetz unterbauen. Wir betrachten eine klare Gesetzgebung in dieser Form als eine nationalpolitische Aufgabe. Wir sind auf der einen Seite der Meinung, daß der Kampf um die Einheit Deutschlands, wie wir sie auffassen, Herr Renner, weitergeführt werden muß, und dieser
Kampf wird auch zu einem Erfolg führen. Wir wissen ganz genau, daß auf der anderen Seite die Spaltung Deutschlands nicht auf deutsches Betreiben erfolgt ist und daß die Priorität der Entscheidung nicht in unserer Macht liegt; und wir wissen, daß wir doch den Raum auszufüllen haben, der uns zur Verfügung steht und in dem wir nationalpolitisch wirken müssen. Diesen Raum nun müssen wir mit Maßnahmen ausfüllen, die den Menschen drüben im Osten nicht die Hoffnung nehmen, sondern ihnen Hoffnung geben. Ich glaube, mit einer chiliastischen Erlöserprophetie, die nur etwas wie ein Rankenwerk um die Worte „Harret aus" darstellt, ist den Menschen in der Ostzone nicht gedient. Sie wollen die Zuversicht und die Gewißheit, daß wir sie nicht abgeschrieben haben, und diesem Zweck soll dieses Gesetz dienen.
Ich glaube, ich brauche nicht weiter auf die Einzelheiten einzugehen. Ich möchte nur noch zu einem Argument Stellung nehmen. Es ist verschiedentlich gesagt worden, daß auf dem Weg über die Binnenwanderung von der Ostzone nach der Bundesrepublik auch politische Agenten der allerverschiedensten Art - wahrscheinlich ist aber nur eine Art gemeint gewesen — in die Bundesrepublik einwandern. Dazu möchte ich nur folgendes sagen. Dann soll einmal dafür gesorgt werden, daß hier in der Bundesrepublik ein Recht geschaffen wird, das uns solche nachweisbaren Agenten entsprechend zu strafen und ihnen das Handwerk zu legen gestattet. Ich bin außerdem der Meinung, daß diejenigen, die man als echte Agenten ansprechen kann, wahrhaftig nicht den Weg über Uelzen oder Gießen nehmen. Die sitzen im Interzonenzug Berlin via Helmstedt nach dem Ruhrgebiet.
Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie also. den von der sozialdemokratischen Fraktion eingebrachten Initiativgesetzentwurf zur Beratung dem Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen zu überweisen.
Die Aussprache ist eröffnet. Das Wort hat der Bundesminister der Justiz Herr Dr. Dehler.
Meine Damen und Herren! Ich spreche namens meines Kollegen Lukaschek, der nicht anwesend sein kann.
Die Frage der Aufnahme der Deutschen aus der Ostzone bewegt die Bundesregierung schon seit Oktober vorigen Jahres. Das Problem ist uns von der Regierung des Landes Niedersachsen nahegebracht worden. die im Oktober zu uns gekommen ist und erklärt hat. daß die Dinge nicht weitertreiben dürften und daß die Bundesregierung in Anwendung des Artikels 119 des Grundgesetzes, also in der Form einer Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats, die zweckmäßige Regelung treffen solle. Es war die Äußerung des Flüchtlingsministers von Niedersachsen
— Herr Renner, Sie kennen ihn! —,
daß unter den Menschen. die über die Grenze der Ostzone drängen. nur etwa fünf bis sechs Prozent echte politische Flüchtlinge seien,
1 daß sie aufgenommen werden müßten, auch die anderen Flüchtlinge, die in der Familie zusammenkommen wollen, daß diejenigen Jugendlichen aufgenommen werden müßten, die nicht der Volkspolizei des Ostens beitreten wollen; daß im übrigen aber der Übertritt auf Gründen beruhe, die man als berechtigt nicht anerkennen könne, daß eben viele Menschen aus dem Osten der dortigen politischen Atmosphäre entrinnen wollten und daß sie den Zug nach dem „goldenen Westen" hätten.
Also: es war das Verlangen der niedersächsischen Regierung, daß man diese Abwanderungen in irgendeiner Form regulieren müsse. Daraufhin hat sich die Bundesregierung entschlossen, eine Verordnung einzubringen. Diese hat nun ein merkwürdiges Schicksal genommen. Gerade die Antragsteller und die Länder, die zunächst hinter. dieser Verordnung standen, haben sich in der Folge auf einen entgegengesetzten Standpunkt gestellt, und die letzte Auswirkung dieser Änderung des Standpunktes ist der vorliegende Gesetzesantrag der sozialdemokratischen Fraktion.
Am 12. Januar hat eine gemeinsame Sitzung des Flüchtlingsausschusses und des Rechtsausschusses des Bundesrates stattgefunden, dem nochmals die Verordnung der Bundesregierung vorlag. Nach sehr eingehenden Verhandlungen hat sich dieser vereinigte Ausschuß mit 7 zu 5 Stimmen auf den Standpunkt der Bundesregierung gestellt und sich der Anregung der Bundesregierung angeschlossen, in der Form der Rechtsverordnung das Problem zu klären. Diese Rechtsverordnung sieht vor, daß deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige, die ihren Wohnsitz oder ihren ständigen Aufenthalt ) in der Sowjetzone oder im Sowjetsektor von Berlin haben und die sich ohne besondere Genehmigung in dem Gebiet der Bundesregierung aufhalten, einer Erlaubnis bedürfen und daß diese Erlaubnis' nur Personen erteilt werden darf, die wegen einer drohenden Gefahr für Leib und Leben, wegen der persönlichen Sicherheit, Freiheit oder aus sonstigen zwingenden Gründen ihre Heimat verlassen mußten. Es ist vorgesehen die Meldung in einem Lager, die Entscheidung durch einen Aufnahmeausschuß, die Möglichkeit der Beschwerde gegen die Entscheidung des Aufnahmeausschusses bei einem Beschwerdeausschuß. Das ist der wesentliche Inhalt. Die Tendenz ist eine andere als die des Gesetzentwurfs der sozialdemokratischen Fraktion. Das ist eine Entscheidung, die, glaube ich, jedem in diesem Hause namenlos schwer fällt. Meine Damen und Herren, was der Herr Kollege Lukaschek unter diesen Dingen menschlich, seelisch und körperlich gelitten hat, das ist nicht zu sagen; das weiß nur der, der es aus der Nähe mit angesehen hat.
Die Entscheidung der Bundesregierung ist vor allem von einem nationalpolitischen Grund getragen. Wir können nicht zulassen, meine Damen und Herren, daß der Osten von deutschen Menschen entleert wird. Wenn das geschähe, dann ginge dieser deutsche 'Boden verloren. Das kann nicht der Wille eines bewußten Deutschen sein. Darum unsere Mahnung an die Menschen in der Sowjetzone, auszuharren, trotz allem auszuharren! Wir glauben, daß das Grundgesetz die Möglichkeiten zu der Verordnung, die wir beabsichtigen,
daß besonders auch zu dem Grundsatz der Freizügigkeit im Artikel 11 des Grundgesetzes kein Widerspruch besteht, daß vielmehr die Voraussetzungen für die Einengung dieses Grundsatzes, wie sie im Absatz 2 des Artikels 11 niedergelegt sind, hier gegeben sind. Wir müssen bedenken, welche Folgen durch einen ungeregelten Zuzug eintreten würden. Ich glaube, das braucht man doch niemandem vor Augen zu stellen, besonders wenn man bedenkt, welche Aufgaben wir noch zu erfüllen haben, daß die Deutschen aus Polen, dann noch Deutsche aus der Tschechoslowakei in großer Zahl zu uns kommen und von uns aufgenommen werden müssen; und wenn man -die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, unter denen wir jetzt schon leiden, die Wohnraum-, die Arbeitsschwierigkeiten bedenkt, dann ist es eine nationalpolitische Pflicht, daß wir versuchen, die Dinge zu regulieren. Das soll durch die Verordnung geschehen. Der Bundesrat wird in seiner Sitzung am 27. Januar sich endgültig über die Frage der Zustimmung schlüssig werden. Die Bundesregierung ist aber auch durchaus bereit, in den Ausschüssen des Bundestages diese tatsächlich und rechtlich überaus schwierige Frage zu behandeln.
Das Wort hat Herr Minister Albertz von der niedersächsischen Regierung.
Albertz, Niedersächsischer Minister für das Flüchtlingswesen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn die niedersächsische Regierung und ich selbst durch den Herrn Bundesjustizminister eben nicht ausdrücklich genannt worden wären, hätte ich es für meine Pflicht gehalten, heute für die Landesregierung, die auf der Ebene des Bundes in der angeschnittenen Frage den Stein tatsächlich ins Rollen gebracht hat, einige Worte vor diesem Hohen Hause zu sagen.
Wir haben in der ersten Arbeitssitzung des Deutschen Bundesrats einen Antrag gestellt, die Bundesregierung möchte auf Grund von Artikel 119 eine Verordnung über das technische Verfahren der Aufnahme und Verteilung der sogenannten illegalen Grenzgänger vorlegen. Ich habe damals, als ich diesen Antrag namens der niedersächsischen Regierung im Deutschen Bundesrat zu vertreten hatte, mit großem Nachdruck darauf hingewiesen, daß eine Diskussion über das technische Verfahren der Aufnahme und Verteilung eine politische Diskussion in Gang setzen würde, die zu den schwersten gehört, die wir heute als Deutsche unter dem Schicksal der Welt zu führen haben. Daß dies bis auf den bitteren Grund der Frage geschehen ist, das haben die Verhandlungen im Deutschen Bundesrat gezeigt, und das hat auch der Bericht des Herrn Bundesjustizministers soeben bewiesen. Ich wäre der letzte, der irgendeinem, welcher in dieser Frage eine andere Auffassung hat als ich persönlich, daraus einen Vorwurf machen wollte oder könnte; denn die furchtbare Situation, in der wir in dieser Frage stehen — und das darf ich als Praktiker in dieser Frage, als der verantwortliche Minister der Landesregierung sagen, die bis zum Juli vorigen Jahres fast ausschließlich in der Verantwortung für das zentrale Flüchtlingslager Uelzen die Last dieses Problems zu tragen hatte —, ist, daß es hier nur extreme Lösungsmöglichkeiten gibt, daß wir also nur die Möglichkeit haben, zu wählen zwischen einer Verpflichtung, die praktisch bis
A) auf ganz wenige klare kriminelle Fälle eine Aufnahme der Deutschen vorsieht, die aus der Sowjetzone oder aus Berlin in das Gebiet der Bundesrepublik kommen, oder aber Sperr- und Abschubmaßnahmen. Alles, was dazwischen liegt, ist eine Haltung, bei der wir letzten Endes vor der Realität der sogenannten Abgewiesenen den Kopf in den Sand stecken, und wie sehr das Elend der in den zentralen Lagern abgewiesenen deutschen Menschen heute zu einem öffentlichen Skandal geworden ist, haben ja alle die Dinge bewiesen, die wir in den letzten Wochen und Monaten hier in Westdeutschland erlebt haben.
Ich stehe durchaus zu der Zahl, die der Herr Bundesjustizminister als von mir der Öffentlichkeit wohl einmal mitgeteilt dem Hohen Hause eben genannt hat, daß nämlich im Sinne des augenblicklichen technischen Verfahrens der Kommissionen in den beiden Lagern nur etwa 5 bis 6 Prozent als sogenannte echte politische Flüchtlinge gelten können. Aber, meine Damen und Herren, was heißt denn das? Ich weiß, daß auch Abgeordnete dieses Hohen Hauses bei Kommissionsbesuchen in den Lagern gewesen sind und daß zumindest die Damen und Herren Abgeordneten aus den Ländern an der Grenze zur Sowjetzone mit dem Problem sehr nahe vertraut sind. Jeder aber, der einmal etwas näher in die Dinge hineingeschaut hat, kann bestätigen, daß jede Entscheidung über Aufnahme oder Ablehnung in diesen Kommissionen eine Entscheidung über die bürgerliche Existenz dieser Menschen ist. Sie ist ein Ermessensurteil, und sie ist mit keinerlei Richtlinien zu binden. Darum ist es - das möchte ich namens der niedersächsischen Regierung hier feststellen — nun nicht eine plötzliche Änderung irgendeiner Auffassung in bestimmten Ländern oder bestimmten politischen Gruppen, sondern einfach das Fazit aus sehr ernsten und verantwortungsschweren Verhandlungen, daß wir letzten Endes zu keiner anderen Möglichkeit kamen, als auch namens unserer Landesregierung eine Verpflichtung für das Bundesgebiet vorzuschlagen, die vom menschlichen, politischen und gesamtdeutschen Interesse her gesehen als die einzig mögliche Lösung gegeben war.
Es ist auch keine Schande, festzustellen — das kann ich hier nicht für den Deutschen Bundesrat, aber als Mitglied dieses Bundesrats tun —, daß eine Entscheidung über diese Frage, wie die letzten Wochen bewiesen haben, über die Kräfte des Deutschen Bundesrats hinausgeht und nur von der breitesten politischen Verantwortung auf der Ebene des Bundes getragen werden kann, daß also das Parlament mit seiner politischen Verantwortung eingeschaltet werden muß. Das ist auch bis zuletzt die Auffassung zumindest einer sehr starken Minderheit im Rechtsausschuß des Deutschen Bundesrats gewesen, und es ist die Auffassung meiner Regierung, die täglich in der Frontnähe dieses Problems zu leben und zu arbeiten hat, daß wir diese Frage nur mit einem Gesetz lösen können. Darum begrüßen wir es, daß durch die Initiative einer Fraktion nun eine solche Diskussionsmöglichkeit vor dem Deutschen Bundestag gegeben worden ist. Ich darf nur bitten, bei den sicher folgenden Beratungen in den einzelnen Ausschüssen ganz klar zu sehen, daß nur eine solche Lösung praktisch vertretbar ist, die Deutschland von Bonn bis Frankfurt an der Oder und von Flensburg bis herunter nach München sieht und die praktisch durchführbar ist.
Die niedersächsische Regierung hat die Sorge, daß gerade auch durch den jetzt von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf zwar vielleicht eine sogenannte Abschreckungsmaßnahme durchgeführt werden soll, aber keine Möglichkeit gegeben wird, in deren Rahmen wir als Deutsche leben können, vor allen Dingen auch die Länder leben können, die den äußersten Druck dieses Problems täglich auszuhalten haben. Ich bitte Sie, daß Sie — und dazu hat der Herr Antragsteller, wenn ich mich recht erinnere, keine besondere Erklärung gegeben - bei Ihren Beratungen im Ausschuß darauf Rücksicht nehmen, daß die Aufgenommenen so verteilt werden, daß die Länder des Bundesgebiets gleichmäßig belastet werden. Die Last ist tatsächlich einseitig getragen worden. Ich will Sie mit Zahlen aus den betroffenen Ländern nicht langweilen. Ich darf Ihnen nur sagen, daß ich mich für die niedersächsische Regierung bis zum Juli 1949, also bis zu der Demonstrationsmaßnahme der Schließung des Lagers Uelzen, praktisch in der Situation eines Bahnhofsoffiziers befunden habe, der immer neue Menschen in einen überfüllten Zug, richtiger gesagt: in einige Wagen dieses Zuges hineinpreßte, während andere Wagen leer standen. Diese Lage muß also durch eine Gesetzgebung des Bundes im Sinne einer gerechten Verteilung auf jeden Fall geändert werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Goetzendorff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zweifellos hat uns der Antrag der SPD vor die Entscheidung einer eminent wichtigen Frage gestellt. Wir wollen alle Für und Wider prüfen, die sich um dieses Thema ranken. Wir wissen auch die Argumente zu würdigen, die man dafür und dagegen anführen kann. Ferner wissen wir, daß wir, wenn wir diesem Gesetzentwurf der SPD die Zustimmung erteilen, dann die ohnehin schon ein wenig schmale Lebensbasis der in Westdeutschland lebenden Vertriebenen vielleicht weiterhin schmälern. Wir wissen auch, daß man einwenden kann, der Flüchtlingsausgleich würde sich schwieriger bewerkstelligen lassen. Man kann auch sagen, daß die Pensionen an die vertriebenen Beamten dann nur unter größeren Schwierigkeiten gezahlt werden könnten. Wir wissen auch, daß die Arbeitslosenziffer in Westdeutschland vielleicht weiter ansteigen kann. Aber ich bin der Auffassung, daß man dieses Thema nicht nur unter materiellen Gesichtspunkten sehen sollte. In dieser Frage geht es nicht nur um unser materielle Wohlergehen, sondern hier müssen die deutsche Solidarität und die Menschlichkeit im Vordergrund stehen.
Wir haben von dem Entwurf einer Rechtsverordnung der Bundesregierung gehört. Ich muß dazu feststellen, daß es sich dabei um eine Polizeiverordnung handelt, die uns in die Zwangslage versetzen wird, deutsche Polizisten gegen deutsche Männer, Frauen und Kinder an der Grenze zwischen der sowjetisch besetzten Zone und Westdeutschland einzusetzen. Ein solches Vorgehen lehnen wir unter allen Umständen ab. Mich wundert es, daß der Herr Bundesminister der Justiz in diesem Zusammenhang nicht seine Bedenken darüber geäußert hat, ob es überhaupt möglich ist, das Grundgesetz mit einer Rechts-
verordnung einzuschränken; denn die Freizügigkeit des deutschen Menschen ist doch im Grundgesetz gewährleistet. Die kann man doch nicht mit einer Rechtsverordnung einschränken; dazu bedarf es doch eines Gesetzes.
Abgesehen davon, daß die Rechtsverordnung, die die Bundesregierung als ein Ausnahmegesetz gegen Deutsche plant, in der angeführten Richtung gegen das Grundgesetz verstößt, verstößt ein solches Verfahren auch gegen den Gedanken des Asylrechts. Wir Deutschen haben in unseren Leidenszeiten schon im ersten Weltkrieg an verschiedene Länder der Welt appelliert, uns das Asylrecht zu gewähren. Wir Deutschen haben nach dem Zusammenbruch, nach diesem unseligen Krieg auch an das moralische Asylrecht in der ganzen Welt appelliert. Und nun sollen wir als Deutsche zuerst das traurige Beispiel geben, daß wir in Deutschland selbst eine Grenze errichten.
Die Rechtsverordnung der Bundesregierung, die beabsichtigt ist, würde einer de-facto-Anerkennung der Spaltung Deutschlands in zwei Teile gleichkommen. Gerade in dieser Zeit, in der unser Vaterland noch aus der Gemeinschaft der Nationen ausgeschlossen ist, sollten wir der Welt ein Beispiel der deutschen Solidarität geben. Die tragische Politik der Siegermächte, die damals das Schanddiktat von Potsdam unterschieben haben, hat uns in diese Situation gebracht. Trotzdem sind wir dadurch nicht der Verpflichtung zum gemeinsamen Handeln als Deutsche enthoben. Die Heimatvertriebenen haben oft und oft an das Solidaritätsgefühl gerade der einheimischen Bevölkerung appelliert. Wir können uns jetzt, wenn es darum geht, unsere deutschen Brüder aus dem Osten aufzunehmen, nicht zur Eigenbrötelei bekennen.
Der Gedanke, daß man befürchten müsse, Ostdeutschland würde menschenleer werden, wenn wir diesen Deutschen gestatten würden, über die Grenze zu kommen, erscheint mir sehr, sehr abwegig. Ich darf sagen, daß der deutsche Mensch ein tiefes Bekenntnis zu seiner Heimaterde in sich fühlt und daß er nicht ohne weiteres seine Koffer packen wird, um nach dem „goldenen Westen" auszuwandern. Es müssen dann schon sehr stichhaltige Gründe sein, die ihn veranlassen, seine Heimat aufzugeben.
Aus diesem Grunde haben wir von der Fraktion der WAV den Antrag der SPD begrüßt und stimmen ihm vollinhaltlich zu. Wir sollten uns davor hüten, von uns aus Grenzen des Herzens und Grenzen der Zonen zu errichten. Wir sehen in dem vorliegenden Gesetzentwurf das Bekenntnis zur gemeinsamen Verantwortung, zum gemeinsamen Vaterland und zu einer gemeinsamen Zukunft, die wir in guten und schlechten Tagen teilen wollen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kuntscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Drucksache Nr. 350 beinhaltet den Entwurf eines Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen im Bundesgebiet aus der sowjetischen Besatzungszone und dem sowjetischen Sektor Berlins. Nach diesem Entwurf sollen alle deutschen Staatsbürger und alle deutschen Volksangehörigen nach Einholung einer
Niederlassungserlaubnis die Bewilligung der Seßhaftmachung erhalten. Bis auf § 2 ist dieser Gesetzentwurf, der von der SPD-Fraktion eingereicht wurde, im wesentlichen das gleiche, was die Verordnung der Bundesregierung bringt, die bereits seit Wochen im Bundesrat und dessen Ausschüssen diskutiert wird. Der Gesetzentwurf hat in § 1_ Absatz 2 folgendes festgelegt:
Die Erlaubnis darf nur dem versagt werden, der wegen einer strafbaren Tat verfolgt wird, die auch im Bundesgebiet eine Straftat ist.
Das heißt, daß bei Annahme dieses Gesetzentwurfs praktisch alle Grenzgänger aus der Ostzone im Bundesgebiet aufzunehmen wären, soweit sie nicht wegen krimineller Vergehen an dieser Aufnahme gehindert werden.
Bei voller Würdigung und Anerkennung der Hilfe, die dieser Entwurf unseren Brüdern und Schwestern in der Sowjetzone dadurch bringen will, daß man ihnen das unbedingte Asylrecht zubilligen möchte, können wir dem Entwurf in dieser Fassung unsere uneingeschränkte Zustimmung dennoch nicht geben.
Wir erachten es als einen Fehler und eine falsche Hilfeleistung, wenn wir durch ein solches Gesetz zur Abwanderung nach dem Westen geradezu auffordern würden und dann die unzähligen Menschen im Westen bitter enttäuschen müßten.
Wir sind wirtschaftlich und wohnraummäßig ganz einfach nicht in der Lage, diesen Zustrom hier aufzunehmen, diese Menschen menschenwürdig unterzubringen. Wir sind nicht in der Lage, ihnen die Arbeitsplätze zu geben, die ihre Lebenshaltung sichern würden. Einige Zahlen müßten uns doch klar zur Erkenntnis bringen, daß dies nicht ein hartherziger, unmenschlicher Standpunkt ist, sondern daß wir das soziale Gefüge hier im Westen im Innersten erschüttern würden.
In der allernächsten Zeit erwarten wir nach amtlichen Verlautbarungen 45 000 Deutsche als Rückwanderer aus Polen und der Tschechoslowakei. In diesem Fall handelt es sich um echte Familienzusammenführungen. Diese Menschen müssen und werden im westdeutschen Raum untergebracht werden. Weitere 200 000 bis 250 000 Deutsche warten in Polen und in der Tschechoslowakei auf die Stunde der Erlösung aus ihrer bedrängten Lage. Wenn die ersehnte Stunde kommt, daß diesen Menschen die Möglichkeit der Umsiedlung reboten werden kann, dann haben wir bei Gott vor unserm Volk und vor unserm Gewissen die Pflicht. sie hier im Westen aufzunehmen und ihnen Lebensmöglichkeiten zu schaffen. Die zuständigen Landesbehörden melden weiter, daß wir noch mit Bestimmtheit 250 000 bis 300 000 Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft zu erwarten haben. Die größte Sorge bleiben aber die Grenzgänger aus der Sowjetzone. In den letzten Monaten waren es täglich 800 bis 1000 Personen, die am Arbeitsmarkt der Bundesrepublik neu erschienen. Wenn vorhin gesagt wurde, daß diese Zahl nicht zutreffe. so gebe ich das insofern zu, als wir, durch die Jahreszeit bedingt, in den Wintermonaten eine geringere Zahl dieser Grenzgänger haben. während im Herbst und im Frühjahr diese Zahl, die mit einem Tagesdurchschnitt
von 1000_ angegeben wurde, vielfach überschritten wurde. Wenn wir die Jahressumme nach den Erfahrungen der letzten Monate errechnen, so kommen wir auf eine Zahl von rund 300 000.
Wir ringen um die Schaffung von Arbeitsplätzen und um die Erstellung von neuem Wohnraum. Eine weitere Zahl zeigt uns kühl und nüchtern, daß all unser krampfhaftes Ringen und unser verantwortungsvolles Beginnen eine Sisyphusarbeit bleiben muß, wenn wir durch die andauernde Bewegung und den unentwegten Zustrom nicht zur Ruhe kommen. Die bekannte Innenarchitektur, Herr Minister Albertz — ein Ausdruck, den wir beide in dieser Auseinandersetzung schon so oft angewandt haben, und wir meinten damit einen Ausgleich der Vertriebenen unter den Ländern, daß wir die Menschen in die Gebiete bringen, wo sie wohnraummäßig und arbeitseinsatzmäßig untergebracht werden können —, diese Innenarchitektur werden wir nie durchführen können, wenn wir durch den neuen Zustrom in dauernder Unruhe bleiben.
Interessant ist eine Tatsache, die die behandelte Frage so richtig charakterisiert. Im Monat Dezember des vergangenen Jahres ist die Zahl der Arbeitslosen im Bundesgebiet um 174 000 gestiegen. In der gleichen Zeit ist die Zahl der Beschäftigten aber nur um 89 000 Personen abgesunken. Diese beiden Zahlen sagen- uns, daß 85 000 Menschen im Monat Dezember am Arbeitsmarkt neu erschienen sind. Ein großes Kontingent an dieser Zahl stellen die aus der Sowjetzone kommenden Flüchtlinge. Dieser Sog aus der Ostzone würde bei wörtlicher Annahme dieses Gesetzentwurfs noch weiter ins Unermeßliche steigen und unser soziales Gefüge erschüttern.
Man spricht von einer Verletzung des Grundgesetzes, wenn die Fassung der vom Bundesflüchtlingsministerium oder von der Regierung vorgelegten Verordnung zur Annahme und Durchführung kommen würde. Nach meiner Auffassung ist eine Einschränkung der im Grundgesetz verbürgten Freizügigkeit in der betreffenden Verordnung der Regierung nicht verfassungswidrig. Denn im Absatz 2 des Artikel 11 des Grundgesetzes heißt es ja sinngemäß: „Das Recht der Freizügigkeit darf nur in solchen Fällen eingeschränkt werden, in denen ausreichende Lebensgrundlagen nicht vorhanden sind und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden." Auf Grund der gegebenen Verhältnisse ist wohl nicht daran zu zweifeln, daß der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, die Milderung unserer Wohnungsnot und der angestrebte Vertriebenenausgleich unter den Ländern des Bundesgebiets illusorisch werden müßten, wenn dem Entwurf in seiner vorliegenden Fassung zugestimmt werden würde.
Die Anregung zur Schaffung einer Verordnung, die den Fragenkomplex der Sowjetzonenflüchtlinge regeln soll, ging vom Lande Niedersachsen aus. Die Lage in Niedersachsen ist unhaltbar geworden. Eine nahezu 600 Kilometer lange Zonengrenze hat dieses Land in die schwierigste Situation gebracht. Ich kenne die Sorgen dieses Landes aus eigenem Miterleben. Eine zweieinhalbjährige Mitgliedschaft im niedersächsischen Landtag und im zuständigen Flüchtlingsausschuß waren mir eine sehr gute Schule für dieses Problem. Wir fanden dort nach jahrelangem Ringen mit der Gleichgültigkeit der anderen deutschen Länder dieser Frage gegenüber und
mit den Auffassungen der Militärregierung den Weg zu den sogenannten Braunschweiger Richtlinien, die die Aufnahme von Ostzonenflüchtlingen regeln sollten. Nach diesen Grundsätzen waren aufzunehmen: erstens politische Flüchtlinge und Personen, die nachweisbar in der Sowjetzone an Leib und Leben bedroht waren, zweitens Personen bei echten Familienzusammenführungen und drittens Personen, bei denen besondere Härtefälle vorliegen. Wir waren uns aber immer ausnahmslos darüber einig, den Abwanderungen aus der Sowjetzone nach Westdeutschland ohne zwingenden Grund im gesamtdeutschen Interesse entgegenzutreten. Wir wollten uns an einer Entvölkerung der Sowjetzone nicht mitschuldig machen. An die 1,7 Millionen Flüchtlinge aus der Ostzone sind bereits im Bundesgebiet. Wie würde bei einem freien und uneingeschränkten Zuzug deren Zahl steigen! Welche wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gefahren würden wir heraufbeschwören! Meine Freunde und ich sehen dieses schwere Problem als Ganzes. Wir sind aufrichtig bereit, bis an die Grenze des Tragbaren und Möglichen mitzugehen, um unseren bedrängten Brüdern und Schwestern in der Sowjetzone zu helfen. Wir wollen alles vermeiden, was den staatlichen Einheitswillen unseres Volkes stört oder der deutschen Einheit abträglich ist. Wir wollen dafür einstehen, daß denjenigen, die an Leib und Leben gefährdet sind, die als politische Flüchtlinge im Gebiet der Bundesrepublik Zuflucht und Asylrecht suchen, denjenigen, bei denen es sich um echte Familienzusammenführungen und um besondere Härtefälle handelt, das Asylrecht selbstverständlich gewährt werden muß. Wir wünschen ferner, daß ledige Jugendliche wie bisher bis zum 25. Lebensjahr ausnahmslos aufgenommen werden.
Im Namen meiner Freunde beantrage ich deshalb, daß der vorliegende Entwurf dem Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen zugewiesen wird und daß dort in gemeinsamer Arbeit ein Weg gefunden wird, um dieses schwierige und drängende Problem zu meistern.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stegner.
Meine Damen und Herren! Es hat wenig Sinn, bei der ersten Beratung zu sehr auf das einzelne einzugehen. Gestatten Sie mir aber, nachdem die Vorredner die ganze Schwere des politischen und auch des methodischen Problems aufgezeigt haben, doch noch eine Korrektur anzubringen, die mir die Diskussion notwendig erscheinen läßt. Herr Minister Albertz aus Niedersachsen sagte: es gibt nur zwei Möglichkeiten der Lösung; entweder man läßt alle ostzonalen Grenzgänger über die Grenze, oder aber man sperrt die Grenze. Das ist natürlich nicht richtig.
Wir versuchen ja hier eine Lösung für einen Vorgang zu finden, den wir gar nicht in der Hand haben. Wenn viele Grenzgänger hereinströmen, wird man regulieren müssen; wenn wenige hereinströmen, wird man sie ohne weiteres hereinströmen lassen können. Es ist also durchaus nicht so, daß wir nur eine extreme Regelung finden könnten; denn wir wissen ja gar nicht, wie wir diese Regelung eines Tages einmal anwenden
müssen. So sehr ich den Entwurf der SPD begrüße, weil er die Möglichkeit gibt, im Bundestag die Dinge einer grundsätzlichen Besprechung zu unterziehen, so bedenklich werde ich doch, weil auch dieser Entwurf sich auf das Extrem festlegt. Er läßt generell alle Ostzonengrenzgänger die Grenze passieren und schließt nur die aus, die Straftaten begangen haben, die im Gebiet der Bundesrepublik auch strafbar sein würden.
Es gibt nun, wenn man diese letzte Klausel etwa als Einschränkung sehen würde, phantastische Zahlen über die Menge der kriminellen Elemente, die über Uelzen und Gießen hereingekommen sein sollen. Ich selbst muß Ihnen sagen: ich habe mich sehr intensiv mit den Überprüfungsmethoden befaßt. Ich muß sagen: es ist kolossal schwer nachzuprüfen,. wer drüben ein Delikt begangen hat; denn die Leute sind ja noch nicht bestraft, sind zum Teil nicht in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, sondern nur in irgendeinem Polizeiverfahren gewesen, in das man in der Ostzone sehr schnell hineinkommen kann. Also die Unterlagen darüber sind sehr schwer beizubringen. Daher kommt es, daß die Ziffern der kriminellen Elemente von 6 bis 90 Prozent schwanken. Sie finden sie mit allen Zwischenstufen überall angegeben, wo man sich bisher mit dem Problem befaßt hat.
Also die Ausschaltung der kriminellen Elemente kann keine Regulierungsmöglichkeit sein. Man wird dabei — das hat der Herr Antragsteller besonders hervorgehoben — natürlich auf das Auseinanderleben auf dem Rechtsgebiet besonders Rücksicht nehmen müssen. Man muß eine derartige Regelung in ein solches Gesetz hineinnehmen. Aber es darf und kann kein Regulativ sein, mit dem man irgendwie den Verhältnissen gerecht werden kann.
Gerade dieser Gegenstand ist ein bezeichnendes Beispiel dafür, daß eine eingehende Ausschußberatung notwendig ist, um den Dingen auf den Grund zu kommen. Ich möchte deshalb, falls es noch nicht geschehen ist, den Antrag stellen, daß der Gesetzentwurf der SPD dem Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen vielleicht neben anderen Ausschüssen, wenn das beantragt wird, zugeleitet wird, weil es unbedingt notwendig ist, den ganzen Fragenkomplex dort einer ausgiebigen Diskussion zu unterziehen.
Eine extreme Methode zur Herbeiführung vernünftiger Verhältnisse erscheint mir nicht angebracht. Wir müssen uns — darauf ist bisher noch nicht genügend aufmerksam gemacht worden — auch der Pflicht bewußt sein, daß wir diejenigen Frauen und Männer, die wir aus der Ostzone übernehmen, hier auch verpflegen und unterbringen müssen. Ja, wir müssen sogar das Recht auf. Arbeit für sie und ihre Familien anerkennen; denn das liegt in der Zulassung, wenn diese Zulassung überhaupt einen moralischen Wert haben sell. Auch hier regelt sich diese Frage nach der, Zahl derjenigen, die über die Grenze herüberkommen. Im kleinen Umfange werden wir so vorgehen können. Bei einem großen Umfange werden andere Überlegungen notwendig sein.
Es ist auch nicht mit der Verteilung getan. Der Herr niedersächsische Flüchtlingsminister wird wahrscheinlich ein paar Beispiele dafür beisteuern können, daß die Auflockerung der alten Ostvertriebenen, wie ich sie einmal nennen möchte, noch sehr zu wünschen übrig läßt. Wir haben heute auf den niedersächsischen Dörfern überall noch Menschen sitzen, die vielleicht im Ruhrgebiet schon wieder Brot und Arbeit finden könnten, weil sie Metallarbeiter und dergleichen sind. Also die Verteilungsschwierigkeiten sind bereits für die bestehenden Fälle ungeheuer groß und werden bei einem stärkeren Eindringen vom Osten her nicht gerade einfacher. Insofern bringt der Gesetzentwurf der SPD auch nicht viel Neues.
Aus all diesen Gründen möchte auch ich den Antrag stellen, den Entwurf an den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen zu überweisen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner Bielig von der sozialdemokratischen Fraktion hätte bei der Einbringung der Vorlage besser daran getan, als Begründung und als den wahren Inhalt dieser Vorlage zunächst einmal den Gedanken herauszustellen, daß diese Vorlage eine Antwort auf die Frage ist: wie werden wir die Geister, die wir riefen, wieder los? Mir scheint die Tatsache, die ja heute nicht nur von einzelnen Diskussionsrednern, sondern auch von der Ministerbank her bestätigt wurde, daß nämlich ein erheblicher Prozentsatz der Grenzgänger kriminelle und asoziale Elemente sind, eine Folgeerscheinung dessen zu sein, daß, sei es durch den „RIAS" Berlin, sei es durch den „Telegraf", sei es durch die herrliche „Stimme Amerikas" oder sei es durch andere Propagandazentralen ein Schaubild über die Verhältnisse in Westdeutschland nach drüben gegeben wurde. Das ist eine Ursache für den Strom der illegalen Grenzgänger.
Es ist in diesem Zusammenhang im Augenblick müßig, über den Unterschied zwischen der Vorlage der sozialdemokratischen Fraktion und den Auffassungen der Regierungsseite zu diskutieren. Das wäre Angelegenheit der zweiten Beratung. Das Entscheidende dieser Gesetzesvorlage der sozialdemokratischen Fraktion liegt auf einem ganz anderen Gebiet. Ich möchte die Vorlage als ein Gesetz zum Schutz der davongejagten Großgrundbesitzer und Junker,
zum Schutz von Industrierittern, Bankherren, Kriegsverbrechern, asozialen Elementen und Spionen, Agenten und Saboteuren bezeichnen.
— Ich war mir von vornherein darüber im klaren, daß Sie mit dieser Feststellung nicht einverstanden sein würden. Es wäre ja auch verwunderlich, wenn das der Fall wäre; denn nicht nur bei denen, die hinter Ihnen stehen, sondern auch in Ihren Reihen sind viele, die dank einer wirklich demokratischen Entwicklung in der deutschen demokratischen Republik ihre Positionen verloren und sich nach dem Westen orientiert haben,
so daß mir nur verwunderlich erscheint, Herr Abgeordneter Bielig von der sozialdemokratischen
Fraktion, was Sie hier gesagt haben. Wenn Sie nur einen Funken des Verständnisses für die Dynamik eines demokratischen und sozialistischen Aufbaues hätten, dann würden Sie sich mit uns darüber freuen, daß drüben dank der Einheit der Arbeiterklasse mit eisernem Besen diesen Elementen der Boden entzogen worden ist,
daß den Burschen da drüben, den Herren, die an dem Krieg und daran schuld sind, was über Deutschland gekommen ist, die wirtschaftliche und politische Luft entzogen wurde. Darum haben sie sich nach dem Westen orientiert und wollen jetzt im Westen ein Asyl finden. Ich glaube, meine Damen und Herren und Herr Abgeordneter Bielig von der sozialdemokratischen Fraktion, wenn 1945 hier bei uns in Westdeutschland dieselbe Dynamik des demokratischen Aufbaus durch das Zusammengehen und das einheitliche Zusammenstehen der Arbeiterbewegung möglich gewesen wäre, dann gäbe es keinen Haider und keinen Schacht,
dann gäbe es keine Vorbereitungen zur Aufrüstung,
dann könnte sich ein Minister nicht hinstellen und davon sprechen, ein Truppenkontingent für eine europäische Invasionsarmee gegen den Osten zur Verfügung zu stellen.
Dann wäre es nicht möglich, daß dort drüben die Nationale Rechte, daß in München
oder sei es jetzt auch in Hessen oder in anderen Städten die neofaschistische Bewegung ihr Haupt erheben könnten.
Wenn in Westdeutschland wie drüben mit eisernem Besen ausgefegt worden wäre, wäre auch hier die Basis dafür geschaffen worden, daß wir eine wirklich demokratische Entwicklung hätten.
— Dann würden sich allerdings, Herr Abgeordneter, wahrscheinlich andere Länder jenseits der Grenze — meinetwegen in Spanien — damit beschäftigen müssen,
solchen Saboteuren und anderen Elementen Asylrecht zu gewähren.
Ich glaube, es würde bei einer nüchternen Einschätzung und bei Beantwortung der Frage, wieso es in Westdeutschland so weit gekommen ist, die Aufgabe sein, daß sich die Arbeiterschaft zusammenfindet, um gegen diese reaktionäre Entwicklung hier in Westdeutschland Sturm zu laufen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Donhauser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß mich aus ganz nüchternen und sachlichen Erwägungen heraus gegen den Antrag der SPD-Fraktion wenden, wenngleich Ton und Inhalt der Ausführungen des Herr
KPD-Sprechers mich noch im letzten Augenblick nahezu umgestimmt hätten.
Meine Damen und Herren, es geht doch darum, daß wir heute erkennen, daß Bundesregierung und Parlament vor der nüchternen Aufgabe stehen, eine ungeheure Not im Lande so rasch wie möglich wenigstens auf ein erträgliches Mindestmaß zurückzuführen. Niemand wird sich unter uns dem Appell der Antragsteller auf gesamtdeutsche Solidarität und Menschlichkeit entziehen wollen. Aber Sie werden, meine Herren Antragsteller, doch zugeben müssen, daß es heute angesichts einer steigenden Arbeitslosigkeit, die nicht nur konjunkturbedingt ist, sondern die katastrophale Strukturschäden zur Ursache hat, zunächst einmal darum geht, diese aufgestauten Menschenmassen, vor allem in jenen Ländern, die mit Flüchtlingen maßlos überbelegt sind, zuerst einmal zur Ruhe kommen zu lassen. Wenn Sie aber jetzt, in dieser Stunde, einen solchen Antrag stellen, dann reißen Sie ein Tor auf, durch das morgen sicherlich noch viele Hunderttausende hereinströmen, so daß uns dann sicherlich, sowohl den Einheimischen, den bereits hier gelandeten Heimatvertriebenen und Flüchtlingen wie den neu hinzukommenden Flüchtlingen Arbeitsbedingungen und Lebensbedingungen beschert werden, die niemand mehr meistern kann.
Beantworten Sie bitte zunächst einmal in der praktischen Parlamentsarbeit die Frage, wie wir in kürzester Frist die schauerlichen Wohnraumnotstände lösen, und beantworten Sie die Frage, wie wir die Arbeitslosigkeit auf ein erträgliches Maß zurückführen können. Dann können wir einen Schritt weiter tun, aber nicht eher.
Meine politischen Freunde haben Ihnen schon vor drei Monaten einen Antrag mit Drucksache Nr. 92 vorgelegt, der Ihnen Gelegenheit gegeben hätte — wenn Sie ihn mit uns rechtzeitig bearbeitet, nicht aber mit einer Fülle von parlamentarischen Kniffen in die Vergessenheit versenkt hätten —, schon frühzeitig, noch vor Einbruch dieses Winters, auf dem Flüchtlingssektor etwas Entscheidendes zu tun. Schaffen Sie mit uns zusammen zuerst einmal einen wirkungsvollen innerdeutschen Flüchtlingsausgleich, räumen Sie den ungeheuren Flüchtlingsstau an den Grenzen weg, und dann können und müssen wir wahrscheinlich auch über das zweite Problem reden, das Sie heute angeschnitten haben; aber nicht eher. Wir können nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem der illegalen Einwanderer aus der Ostzone muß irgendwie gelöst werden. Es ist hier schon gesagt worden, daß gerade wir in Niedersachsen dieses ernste Problem seit Jahren am furchtbarsten vor Augen hatten. Ich selbst als Vorsitzender des Flüchtlingsausschusses im niedersächsischen Landtag durch Jahre hindurch — weiß ein Lied davon zu singen. Es muß eine gewisse Ordnung kommen. Uns ist bekannt, daß sie von der Regierung durch eine Rechtsverordnung durchgeführt werden sollte.
Es liegt nun ein Antrag der SPD vor, der in der Form eines Gesetzes eine Besserung herbeiführen will. Ich habe ihn mir gründlich an-
I gesehen und muß sagen, daß ich davon nicht überzeugt bin. Ich sehe in ihm sogar noch eine Verschlechterung. Im zweiten Absatz des § 1 heißt es:
Die Erlaubnis darf jemandem nur versagt werden, der wegen einer Tat verfolgt wird, die auch dann mit Strafe bedroht ist, wenn sie im Geltungsbereich des Grundgesetzes begangen sein würde.
Es ist bekannt, daß beispielsweise Landstreicherei als strafbare Handlung anzusehen ist. Wenn wir uns da an die unglücklichen Menschen erinnern — ich denke beispielsweise an das Lager Uelzen — die sich, nachdem sie abgewiesen waren, in Höhlen einnisteten und darin ein solches Elendsdasein fristeten, daß das ganze deutsche Volk darüber in Erregung geriet, so hatten wir bei ihnen praktisch diesen Tatbestand. Wir haben auch bei Besichtigung in den Lagern feststellen müssen, daß bei der Aufnahme vom menschlichen Standpunkt aus oft eigenartig geurteilt wurde. Wir waren nicht ganz damit einverstanden. Ich befürchte deshalb, daß man mit diesem Absatz 2 hier alles machen kann. Ich sehe darin gerade für diese unglücklichen Menschen, denen wir helfen müssen, während wir auf der anderen Seite im Interesse des Staates eine Ordnung herbeiführen müssen, eine große Gefahr. Es ist mit dieser Formulierung nichts gebessert. Ich muß Ihnen ehrlich sagen, daß meine Freunde und ich aus diesem Grunde sich mit dem Gesetzentwurf nicht befreunden können, jedenfalls in dieser Form nicht. In den Ausschußverhandlungen müßte das noch einmal eingehend zur Sprache kommen. So wie es hier steht, ist es für uns unannehmbar.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Krause.
Meine Damen und Herren! Der bisherige Verlauf der Debatte über diese Frage ist nach meiner Meinung ein erschütternder Beweis für die Tragik der Aufteilung Deutschlands in vier Zonen. Jetzt müssen sich Deutsche über die Unterbringung von Deutschen in Deutschland unterhalten! Mein schlesischer Landsmann, der niedersächsische Flüchtlingsminister Albertz, hat durchaus recht, wenn er das bestätigt, was der Vorsitzende des Ausschusses für Heimatvertriebene des Bundestags, der Abgeordnete Dr. Kather, neulich auf einer Pressekonferenz erklärte. Dieser Entwurf eines Aufnahmegesetzes ist tatsächlich ein heißes Eisen. Die Existenz von Millionen steht hier auf dem Spiel. Man sollte jedenfalls diese tiefernste Angelegenheit nicht dazu benutzen, um hier, wie das vorhin von gewisser Seite geschehen ist, große Propagandareden nach einer gewissen politischen Richtung hin zu halten.
Wir sind der Meinung, daß der Antrag der SPD, entsprechend dem heute schon wiederholt gestellten Antrag, dem Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen überwiesen werden soll. Diesen Antrag möchten wir dahin erweitern, auch den Ausschuß für innere Verwaltung damit zu befassen und darüber hinaus auch den Vertriebenenausschuß informatorisch auf dem laufenden zu halten.
Im übrigen bitten wir Sie, meine Damen und Herren in den Ausschüssen, die Arbeit zu beschleunigen. Denn was hier zur Diskussion steht, ist vielleicht eine der entscheidendsten Fragen, die im Interesse der Zukunft unserer jungen Bundesrepublik gelöst werden muß. Vor allem bitten wir auch, die Jugend der russischen Zone nicht zu vergessen. Wer neulich Gelegenheit gehabt
hat, das einzige bisher bestehende trizonale Jugendflüchtlingslager in Poggenhagen zu besichtigen, und wer sich einmal den amtlichen Bericht über die Besichtigung und ihre Ergebnisse ansieht, wird mit uns der Meinung sein, daß bei den kommenden Ausschußberatungen die Frage der ostzonalen Jugend mit in vorderster Linie zu stehen hat.
Das Wort hat der Herr Bundesminister Kaiser.
Meine Damen und Herren! Es ist der aufrichtige Wunsch der Bundesregierung, daß es zwischen ihren eigenen Auffassungen und Intentionen für die Regelung dieser so wichtigen Frage und den Überlegungen der SPD zu einer Meinungsübereinstimmung kommt. Bis zu dem Augenblick sind wir der Auffassung, daß der Gesetzentwurf, wie ihn die Fraktion der SPD vorgelegt hat, den Notwendigkeiten, vor denen wir mit Rücksicht auf diese schwierige Frage stehen, nicht gerecht wird. Entweder wird die SPD dem Sinn, der der Rechtsverordnung zukommt, Rechnung tragen müssen, oder es kommt zu einer gesetzlichen Regelung, über die man sich herüber und hinüber verständigt. Wenn das Gesetz so verabschiedet würde, wie es die SPD vorgelegt hat, würde die Gefahr bestehen bleiben, daß die Sowjetzone praktisch von den deutschen Men- schen, die sie heute noch bewohnen, entleert werden kann. Wir müssen beachten, daß seit 1945 bereits 11/2 Millionen unserer Landsleute von drüben herüber in die Westzonen gekommen sind. Wenn ich das sage, dann gebe ich der aufrichtigen Bitte Ausdruck, daß man diese Feststellung nicht falsch deutet. Insbesondere weiß ich, wie jeder der Kollegen, der hier gesprochen hat, um die schwierige Lage, der unsere Menschen drüben in der Sowjetzone gegenüberstehen. Ich weiß um die Unfreiheit — die politische Unfreiheit —, und ich weiß um die Not unserer Menschen. Aber ich bin der Auffassung - und das ist es, was mich, am meisten bewegt bei dem Denken an die Ostzone —: unsere Menschen drüben dürfen nicht ohne letzte Not im Einzelfalle das Feld ihrer Heimat räumen. Die Position unseres Volkes in der Sowjetzone, meine Damen und Herren, ist ohnehin schon geschwächt genug, nicht nur zahlenmäßig, sondern auch qualitativ. Ich hoffe, ich werde nicht falsch verstanden, wenn ich dieses Wort gebrauche.
Daraus muß man die Folgerung ziehen, daß der Flüchtlingsstrom notwendigerweise schon aus diesem wichtigen nationalpolitischen Grunde eingedämmt werden muß. Ob die Zahlen ganz stimmen oder nicht ganz stimmen, ob Herr Albertz recht hat oder andere Berechnungen, es bleibt immer wieder übrig, daß von 5-, 6- oder 700 Flüchtlingen, die von dort fast Tag für Tag herüberkommen, höchstens 10 Prozent als echte politische Flüchtlinge angesprochen werden können, daß eine große Zahl von Flüchtlingen kommen — vielleicht sind es 60 oder noch mehr Prozent —, die einfach aus Unzufriedenheit in diesen Teil unseres Landes herüberkommen, weil sie glauben, die Situation drüben nicht mehr ertragen zu können, weil sie glauben, hier sei es besser! Vorhin sprach jemand — ich glaube, Herr Dehler war es — vom „goldenen Westen".
Dann kommt eine weitere Gruppe, das sind die Rentenempfänger, die in ihrer Arbeitskraft geschwächten Menschen, die man drüben von Amts wegen gern los sein möchte. Und schließ-
lich kommt eine Gruppe, die allerdings nicht nur mit dem D-Zug über Helmstedt herüberfährt: es kommen Agenten herüber. Ich bitte nur einmal nachzulesen, was in einer immerhin bemerkenswerten Darstellung kürzlich der Berliner „Telegraf" darüber berichtet hat, was da im Gange ist.
— Ach, ich lese auch „Das neue Deutschland"!
.
Ich lese auch die Berliner Zeitung, notwendigerweise, damit ich im Bilde bleibe, was Ihr, Herr Renner, zu sagen habt. — Aber halten wir uns nicht gegenseitig auf.
Halten wir fest, daß der gekennzeichnete Zustand besorgniserregend ist, daß er nicht haltbar ist. Deswegen sollte erreicht werden, was die Verordnung will. Auf diesem oder jenem Wege muß erreicht werden, daß grundsätzlich — ich sage „grundsätzlich" — nur echte politische Flüchtlinge bis auf weiteres hier Aufnahme finden können und finden sollten.
Dann aber — und das wäre das Größere —: wir müssen zu einer großpolitischen Verständigung mit unseren Menschen drüben kommen. Sie müssen erkennen, daß sie um der Deutschheit der Heimat willen das Land drüben nicht ohne letzte Not verlassen dürfen, daß sie allen Schwierigkeiten zum Trotz auf dem Boden der Heimat aushalten müssen, damit uns das Land erhalten bleibt.
Das Anhalten des heutigen Zustandes erschwert dazu — das ist eben von verschiedenen Rednern o mit Recht ausgeführt worden — die Lage im Bundesgebiet. Halten wir uns doch die unsagbaren Schwierigkeiten vor Augen, die für die 7 oder, 8 Millionen Heimatvertriebene zu lösen sind, die seit 1945 in den Bereich der Bundesrepublik eingeströmt sind. Vergessen wir nicht, daß dazu die 11/2 Millionen Flüchtlinge aus der Sowjetzone gekommen sind. Und prägen wir uns ein — worauf eben, ich glaube, Herr Kuntscher hingewiesen hat daß unter unseren Arbeitslosen eine erstaunlich große Zahl von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen ist. Nach einer Feststellung, die allerdings auf das Vereinigte Wirtschaftsgebiet zurückgeht, setzten sich an dem Stichtag dieser Feststellung, dem 1. Juli letzten Jahres, 36,1 Prozent der Arbeitslosen aus Flüchtlingen und Heimatvertriebenen zusammen.
Denken wir weiter daran, daß unter den Arbeitslosen ein steter Zustrom von Zugewanderten aus der Ostzone festzustellen ist, und daß hier im, Bereich der Bundesrepublik im Augenblick, soweit man es feststellen konnte, ungefähr 60 000 heimatlose Jugendliche herumwandern, darunter 30 bis 40 Prozent weibliche Heimatlose.
Bedenken wir weiter doch auch die Finanznot! Vorhin ist von der Sorge gesprochen worden, die der Flüchtlingsminister hat. Es ist berechnet worden: wenn der Flüchtlingsstrom in diesem Umfange anhält und jeder Herüberkommende nur 200 Mark Erstausstattung zur Verfügung gestellt bekommt, so bedeutet das eine Ausgabe von 100 Millionen Mark im Jahre. Ich meine, wir sollten das alles beachten.
Deswegen möchte ich noch einmal dem Wunsche Ausdruck geben: auch die SPD möge zu einer Übereinstimnung mit den Überlegungen der Bundesregierung kommen. Wir wollen doch
schließlich alle das Beste für unser Volk. Ich bin des Vertrauens, Herr Albertz, daß wir zur Übereinstimmung kommen. Ich kann es nicht anders sagen, als Sie es selber am 20. Oktober 1949 bei Ihren Ausführungen im Bundesrat gesagt haben, wo Sie wörtlich ausführten:
Es muß Vorsorge getroffen werden, daß nicht praktisch die Hälfte oder zwei Drittel der deutschen Bevölkerung der Sowjetzone nun auch noch in den Westen kommt.
Also es bewegt uns die gleiche Sorge, und das erfüllt mich mit der Zuversicht, daß wir in den weiteren Verhandlungen zu einer Übereinstimmung kommen werden.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache über den Antrag Drucksache Nr. 350. Aus dem Hause ist mir mitgeteilt worden, daß die Vorlage an folgende Ausschüsse überwiesen werden soll: Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen, Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und Ausschuß für Heimatvertriebene. Ich darf aber hinzufügen, daß zweckmäßigerweise die Federführung beim Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen liegt. Entspricht das der Auffassung des Hauses? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist demgemäß beschlossen.
— Ich habe keinen Widerspruch gehört.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 5 der Tagesordnung:
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Grenzlandfragen über den Antrag der Abgeordneten Mehs, Kemper, Dr. von Brentano und Fraktion der CDU/CSU betreffend Soforthilfe für die sogenannte „rote Zone" .
Als Berichterstatter hat das Wort der Herr Abgeordnete Roth.
Meine Damen und Herren! Sie haben sich jetzt darüber unterhalten, wie man den Volksdeutschen und den Deutschen aus der Ostzone hier bei uns helfen könne. Der Antrag, der Ihnen in den Drucksachen Nr. 95 und 348 vorliegt, eingebracht von der Fraktion der CDU/CSU, beschäftigt sich mit der Frage, wie man den Menschen an den deutschen Grenzen helfen kann, an denen -durch Kriegsereignisse besondere Not entstanden ist.
Der ursprüngliche Antrag, den Sie in Drucksache Nr. 95 finden und der sich lediglich auf die Gebiete bezieht, die wir die „rote Zone" nennen, wurde im Grenzlandausschuß eingehend durchberaten und im Einverständnis mit den Antragstellern erweitert. Die Antragsteller wünschten, daß nicht nur eine besondere Hilfe für die „rote Zone" gewährt werde, sondern daß gleichzeitig auch die Bundesregierung gebeten werde, in den Haushalt einen Hilfsfonds für alle Grenznotgebiete aufzunehmen.
Zur „roten Zone" darf gesagt werden, daß es sich um den Gürtel unserer westlichen Grenze gegen Frankreich handelt, der sich von Basel bis nach Aachen zieht und der schon vor dem Kriege Notgebiet dadurch wurde, daß Festungswälle in
einer Tiefe von 10 bis 30 Kilometern angelegt wurden und die Bevölkerung die Dörfer und kleineren Städte verlassen mußte, die aus strategischen Gründen geschleift wurden. Die Bevölkerung war dann während des ganzen Krieges zum Teil evakuiert und konnte auch nachher in ihre Behausungen nicht wieder zurückkehren, weil diese, sei es durch Kriegseinwirkung, sei es durch strategische Maßnahmen der Regierung zerstört worden waren.
Die Antragsteller verfolgen mit dem Antrag die Absicht, für die bedrohte „rote Zone" sofort eine Hilfe durchzuführen und darüber hinaus auch allen anderen Grenzgebieten die notwendige Hilfe zukommen zu lassen. Vielleicht darf ich im Einverständnis mit den Antragstellern sagen, daß es uns dabei wohl um eine materielle Hilfe geht, daß wir aber auch daran denken sollten, durch diese materielle Hilfe politische Sicherungen zu schaffen, die im Augenblick vielleicht nicht so bedeutsam erscheinen mögen, die aber in einer veränderten Situation von großer Wirkung sein können.
Der Ausschuß hat sich mit diesem Antrag gründlich beschäftigt und bittet Sie, ihm zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. — Keine Wortmeldungen? — Wer für den Antrag des Ausschusses ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Onnen .
Das Wort hat als Berichterstatter Herr Abgeordneter Dr. Brill.
Meine Damen und Herren! Der Oberstaatsanwalt beim Landgericht Oldenburg hat am 10. November vorigen Jahres durch die zuständigen Zwischenstellen beantragt, die Immunität des Herrn Abgeordneten Onnen aufzuheben. Dem Begehren liegt eine Schwurgerichtsanklage zugrunde, in der der Herr Abgeordnete Onnen angeschuldigt wird, Verbrechen gegen die Menschlichkeit dadurch begangen zu haben, daß er in einem kriegsgerichtlichen Verfahren über seine Zeugenpflicht hinaus den Angeklagten belastet habe.
Als vor mehreren Monaten durch die Presse bekannt wurde, daß gegen den Herrn Abgeordneten Onnen solche Anschuldigungen erhoben werden, war das eine große Sensation. Aber, meine Damen und Herren, in Wirklichkeit handelt es sich um eine sehr alte Sache. Das Verfahren ist durch einen Brief des damaligen oldenburgischen Ministerpräsidenten Tantzen vom 27. November 1945 in Gang gekommen, dem ein Bericht des Herrn Regierungspräsidenten in Auer vom 21. November 1945 und ein Schreiben des damaligen Angeklagten, des jetzigen Oberlandesgerichtsrats beim Oberlandesgericht in Oldenburg Dr. Schrader, vom 18. November 1945 beilag. Der Brief des oldenburgischen Ministerpräsidenten war an den Landrat des Landkreises Jever mit dem Ersuchen gerichtet, polizeiliche Ermittlungen gegen Herrn Onnen einzuleiten.
Die hauptsächliche Beschuldigung, die in diesem Schreiben enthalten war, lautete dahin, Onnen habe im Jahre 1942 Dr. Schräder denunziert und darauf hingearbeitet, die Verurteilung des Herrn Dr. Schräder zum Tode herbeizuführen. Die Schwurgerichtsanklage gegen Herrn Onnen ist durch den Oberstaatsanwalt beim Landgericht in Oldenburg aber erst am 16. August 1949 erhoben worden. Schon die lange Dauer der Ermittlungen läßt vermuten, daß es sich bei diesem Verfahren um eine sehr schwierige Angelegenheit handelt, und die Verhandlungen des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität haben gezeigt, daß schwere Mängel des Verfahrens insofern vorliegen, als Akten fehlen, die Hauptbeteiligten nicht mehr ermittelt werden können, wichtige Zeugen nicht beigebracht werden können und im ganzen ein schlüssiger Beweis kaum möglich sein dürfte.
Bevor der Immunitätsausschuß sich mit der Sache selbst befaßt hat, mußte er zu dem von Herrn Abgeordneten Onnen selbst gestellten Antrag auf Aufhebung seiner Immunität Stellung nehmen. Er war der Meinung, daß dieser Antrag unbeachtlich ist, weil die Immunität nach Auffassung des Ausschusses ein Recht zur Wahrung der Integrität des Parlaments und nicht ein Privileg des einzelnen Mitglieds des Parlaments ist. Der Ausschuß hat deshalb nur eine Abwägung der Interessen der Rechtspflege an der Durchführung dieses Strafverfahrens gegen die Interessen des Parlaments auf Wahrung seiner Integrität vorgenommen. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, die weiteren Ausführungen, .die ich als Berichterstatter zu machen habe, auch so aufzufassen. Es handelt sieh also bei der ganzen Dürftigkeit wenn ich mich so ausdrücken darf — des Materials, das hier zu prüfen ist, nicht darum, daß über den Erfolg der Strafverfolgung ein Urteil zu bilden wäre, sondern darum, zu beurteilen, ob das vorliegende Material ausreicht, die Frage zu bejahen, ob die Interessen der Rechtspflege den Interessen des Parlaments vorgehen.
Bevor der Ausschuß in die Erörterung dieser Frage eingetreten ist, mußte er sich mit einer objektiven Rechtsfrage beschäftigen. Es handelte sich nämlich um die Frage, ob der Bundestag nicht gegen das Grundgesetz verstoßen wird, wenn er sich überhaupt mit dieser Frage abgibt. Nach Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Die Anschuldigung gegen Herrn Onnen wird aber auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 erhoben. Diesem Gesetz kommt eine rückwirkende Geltung zu. Der Ausschuß hatte zu entscheiden, ob der Bundestag nicht jede Erörterung dieser Dinge, gestützt auf Artikel 3 Absatz 2 der Verfassung, verweigern müßte. Der Ausschuß ist dabei zu folgendem Ergebnis gekommen.
Das Kontrollratsgesetz Nr. 10 ist ein Akt der Interventionsbesetzung, der wie jede Interventionsbesetzung die Änderung der politischen, unter Umständen auch der wirtschaftlichen und sozialen Struktur des Besatzungsgebietes zum Zwecke hat. Das Kontrollratsgesetz Nr. 10 Aber die Bestrafung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgt das Ziel, das öffentliche Leben in Deutschland von solchen Verbrechen und Verbrechern zu reinigen. Der Ausschuß ist der Meinung, daß dieses Gesetz nur eine nachträgliche
Formulierung des Moskauer Abkommens vom 30. Oktober 1943 darstellt, das zwischen den Alliierten geschlossen worden ist. Dieses Abkommen ist einschließlich des Kontrollratsgesetzes eine opinio communis und begründet eine unmittelbare Rechtskraft gegen die Rechtsbrecher. Deshalb meinte der Ausschuß, daß der Artikel 103 Absatz 2 einer Strafverfolgung auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 nicht im Wege stehe. Er hat sich dabei insbesondere gegen die von manchen deutschen Gerichten vertretene Auffassung abgegrenzt, daß in dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 nur eine geläuterte Auffassung des Rechtssatzes nulla poena sine lege zutage getreten ist. Der Ausschuß ist der Meinung, daß das positive Recht des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 ausreicht, um im Bundestag, der durch das Besatzungsstatut Artikel 7 Buchstabe a so lange an dieses Kontrollratsrecht gebunden ist, als nicht ein deutsches Gesetz in derselben Materie ergeht, dazu Stellung zu nehmen. Der Ausschuß hat allerdings die Frage aufgeworfen, ob nicht, um absolute Rechtssicherheit zu schaffen, mit der Entscheidung der Frage so lange gewartet werden sollte, bis dieses deutsche Gesetz vorliegt. Ein Vertreter des Bundesjustizministeriums erklärte jedoch zu dieser Frage, daß die Vorarbeiten seit langem im Gange seien und daß die mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 verbundenen Rechtsfragen außerordentlich schwierig seien und deshalb noch längere Zeit vergehen würde, bis das Kontrollratsgesetz Nr. 10 über die Bestrafung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch ein deutsches Gesetz abgelöst werden könnte.
Nun muß ich auf den Inhalt der Anklageschrift eingehen. Der Ausgangspunkt des ganzen Verfahrens ist eine Auseinandersetzung, die zwischen dem damaligen Angeklagten Dr. Schräder und Herrn Onnen und anderen Personen im Sommer 1942 während eines Lehrganges der Akademie für Kriegsverwaltung in Berlin stattgefunden hat. Ich glaube, am objektivsten zu verfahren, wenn ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten diesen Teil der Anklageschrift wortwörtlich zur Kenntnis des Hauses bringe. Es heißt da auf Seite 4 und 5:
Am 13. August
— nämlich 1942 — kam der Zeuge
— das ist in diesem Falle Schräder —
während einer Unterrichtspause mit dem Angeschuldigten und einem andern Lehrgangsteilnehmer namens Behrend, dessen Aufenthalt nicht ermittelt werden konnte, in ein Gespräch. Als der Zeuge seine Enttäuschung zum Ausdruck brachte, daß ein von ihm gestellter Antrag, zur Wehrkreisverwaltung seines Heimatbezirks versetzt zu werden, abgelehnt worden sei, weil er den Wunsch gehabt habe, für den Fall der Demobilmachung näher bei seinem Wohnort zu sein, hielt ihm Onnen entgegen, daß seine Enttäuschung ungerechtfertigt. sei, da der Krieg ja sicherlich noch mehrere Jahre dauern werde. Hierauf entgegnete der Zeuge, daß sehr wohl mit Einer baldigen Demobilmachung zu rechnen sei und daß an einen Sieg nicht mehr zu denken sei, sondern daß allerhöchstens nur noch ein Verständigungsfriede zu erreichen sei. Auf den erregten Vorhalt des Angeschuldigten
— also Onnens — und des Behrend, wie er eine derartige Auffassung vertreten könne, erwiderte der Zeuge, daß diese Auffassung nicht nur von ihm, sondern auch von dem Taktiklehrer eines früheren Lehrganges, dem General von Schickfuß, der sich in diesem Sinne gegenüber dem Zeugen Heiken geäußert habe, vertreten werde. Unter anderem habe der General gesagt, daß der Krieg nur noch durch ein Wunder gewonnen werden könne; aber an Wunder glaube er nicht. Aus diesem Grunde hielte er allerhöchstens einen Verständigungsfrieden für erreichbar. Als der Angeschuldigte dazu bemerkte, daß der Führer bereits früher den Engländern Friedensangebote gemacht habe, erklärte der Zeuge, daß England diese Angebote nicht habe annehmen können, da die Annahme den Ruin Englands zur Folge gehabt hätte. Ein Verständigungsfriede müsse sich jedoch von den wichtigen Männern genau so herbeiführen lassen, wie dies nach seiner Überzeugung im Jahre 1917 möglich gewesen wäre, wobei natürlich Europa völlig neu aufgebaut werden müsse. Auf die Frage des Angeschuldigten
— also Onnens —,
wie er sich diesen Neuaufbau und die Stellungnahme des Führers zu derartigen Gedankengängen vorstelle, erwiderte der Zeuge, daß Hitler selbstverständlich verschwinden müsse, daß auch die Partei verschwinden müsse und ein völlig neues politisches System, in dem es keine geknechteten und unterdrückten Völker gebe, eingeführt werden müsse. Diese Ausführungen des Zeugen bezeichnete Onnen als hellen Wahnsinn.
Das ist der Ausgangspunkt in der ganzen Sache. Es erhebt sich nun zuerst die Frage, wer eigentlich der Denunziant gewesen ist. Die Ermittlungen darüber haben ein wirklich sicheres Ergebnis nicht erbracht. Es stehen aber folgende Tatsachen fest. Der in dem eben verlesenen Stück der Anklage genannte Behrend, ein Stabsintendant, hat sich sofort Aufzeichnungen über dieses Gespräch gemacht; er hat diese Aufzeichnungen Herrn Onnen in der nächsten Pause des Unterrichts gezeigt. Herr Onnen hat diese Aufzeichnungen signiert. Behrend aber hat, als Herr Dr. Schräder merkte, daß etwas im Gange ist, jedes Zurückweichen brüsk abgelehnt. Er hat schon während des Gespräches Dr. Schräder beschimpft, Es steht fest, daß Behrend den Zettel an einen Oberstleutnant Lutz weitergegeben hat und daß dieser Oberstleutnant Lutz diesen Zettel dann mit einer militärischen Meldung an das Standortgericht in Königsberg eingesandt hat. Aber, meine Damen und Herren, weder der Herr Lutz noch der Herr Behrend sind in ganz Deutschland zu ermitteln. Von Behrend fehlt jede Spur. Lutz hat zunächst in der sowjetischen Besatzungszone gewohnt, ist dann nach Oberbayern ausgewichen und ist vermutlich, als man in Oberbayern nach ihm suchte, in die sowjetische Besatzungszone zurückgekehrt. Soviel lassen die polizeilichen Ermittlungen zu. Auch die Anklage steht auf dem Standpunkt, daß Onnen nicht der Denunziant ist.
Onnen ist auch, wie sich aus den Akten und aus der Anklageschrift ergibt, nicht der einzige Belastungszeuge. Neben Onnen ist der schon mehrfach genannte Behrend als Belastungszeuge in den
verschiedenen kriegsgerichtlichen Verhandlungen
aufgetreten, über die ich nun zu sprechen habe.
Dr. Schrader wurde, nach Königsberg zurückgekehrt, am 31. August 194z verhaftet, und schon am 3. September 1942 fand gegen ihn vor dem Standortgericht in Königsberg die kriegsgerichtliche Verhandlung statt. In dieser Verhandlung hat Onnen die belastenden Angaben gemacht, die sich aus dem aus der Anklageschrift vorgelesenen Stück gegen Dr. Schräder ergeben; er hat sich dann noch mehrere Male zur Zeugenaussage gemeldet und ist auch noch — das steht ebenfalls fest — ein- oder zweimal vorgerufen worden.
Der Vertreter der Anklage hat gegen Dr. Schräder die Todesstrafe beantragt. Aber es nat sich nun in Königsberg etwas ereignet, was wohl nur demjenigen verstandlich ist, der die damaligen Verhältnisse kennt. Durch einen glücklichen Zufall, nämlich dadurch, daß der Beisitzer des Kriegsgerichts, der als Gefreite maskierte Rechtsanwalt Dr. Gettler, ermittelt werden konnte und über die interne Beratung des Kriegsgerichts ausgesagt hat, sind wir über diese besondere Umstände unterrichtet. Nachdem der Antrag auf Todesstrafe gestellt war, verkündete der Gerichtsvorsitzende nach kurzer Beratung, daß die ganze Sache vertagt werde, und der Angeklagte, gegen den die Todesstrafe beantragt war, wurde in Freiheit gesetzt. In der internen Verhandlung des Gerichts war nämlich der Rechtsanwalt Dr. Gettler als Rangjüngster — als Gefreiter — zuerst zu Wort gekommen und hatte als Jurist gegenüber dem berufsmäßigen Kriegsgerichtsrat Dr. Martens dargelegt, daß weder objektiv noch subjektiv die Anklage auf Zersetzung der Wehrkraft gerechtfertigt sei. Ein Oberst, der als Oberst von R. in den Akten bezeichnet wird, hat sich mit einem einzigen Satz der Rechtsauffassung des Dr. Gettler angeschlossen, worauf der Kriegsgerichtsvorsitzende erklärte, mit solchen Beisitzern diskutiere er überhaupt nicht, die Urteilsberatung verließ und mit einer Verordnung hereinkam, in der stand, daß solche Verfahren ja überhaupt nicht stattfinden könnten, bevor sie nicht dem Reichskriegsministerium gemeldet worden seien. Daraufhin wurde die Sache vertagt; der Angeklagte wurde in Freiheit gesetzt.
Die Sache wurde dann an das Kommandanturgericht in Berlin verwiesen. Der Strafantrag war am 13. Mai 1943 derselbe: Todesstrafe. Erkannt wurde auf 12 Jahre Zuchthaus. Dr. Schräder wurde verhaftet. Das Urteil wurde nicht bestätigt. Am 27. Januar 1944 fand eine neue Verhandlung statt. Das Schlußurteil lautete auf 5 Jahre Zuchthaus. In beiden kriegsgerichtlichen Verhandlungen in Berlin hat der Zeuge Onnen dasselbe Verhalten an den Tag gelegt wie in der Verhandlung beim Standortgericht in Königsberg.
Die Behauptung der Anklage geht nun, gestützt auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs für die britische Zone in Strafsachen Nr. 24 aus dem Jahre 1948, dahin, daß Onnen, indem er über seine Zeugenpflicht hinausgegangen sei, tatsächlich eine politische Verfolgung im Sinne des Artikel 21 c des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 über Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen habe. Meine Damen und Herren, auch damit hat sich der Ausschuß eingehend beschäftigt. Es ist festzustellen, daß weder die Königsberger noch die Berliner Akten zur Verfügung stehen. Es ist festzustellen, daß Behrend, Lutz und mehrere andere Zeugen, die gesucht werden, nicht da sind. Es ist festzustellen, daß der Rechtsanwalt Dr. Gettler, der Königsberger Beisitzer, nur aussagt, Onnen habe sich ungefragt und belastend geäußert. Ein weiterer Zeuge, der von der Staatsanwaltschaft gestellt wird — Heiken —, der bei den Verhandlungen des Kommandanturgerichts in Berlin gehört wurde, kann über die Zeugenaussage des jetzigen Angeschuldigten Onnen überhaupt keine Bekundungen machen, weil er erst nach dessen Zeugenaussage gehört worden ist. Ein dritter Zeuge, Dr. Götz, kann über Herrn Dr. Schräder und Herrn Onnen nur ein Leumundszeugnis geben. Er ist bei keiner der kriegsgerichtlichen Verhandlungen dabei gewesen und hat von der ganzen Sache nur durch Hörensagen erfahren. Übrigbleibt als Zeuge der Verteidiger Onnens in den Verhandlungen des Kommandanturgerichts Berlin, der bekannte Berliner Rechtsanwalt Dr. Steeg. Er bekundet, er habe von Onnen den Eindruck eines fanatischen Nationalsozialisten gehabt,
macht aber dazu keine tatsächlichen Angaben und bestätigt, daß sich Onnen ungefragt zu einer Ergänzung seiner Zeugenaussage gemeldet hat.
Was den fanatischen Nationalsozialisten angeht, so ist hervorzuheben, daß der damalige Rechtsanwalt und Notar Onnen im Jahre 1934 Mitglied der SA geworden ist.
Ausweislich einer Karteikarte des Document Centre soll er seit dem 1. Mai 1937 Mitglied der NSDAP gewesen sein.
Er bestreitet das und erklärt, daß eine solche Karteikarte höchstens auf Grund einer listenmäßigen Überführung aus der SA zustande gekommen sein könne. Er hat auch in seinem Fragebogen angegeben, nicht Mitglied der NSDAP gewesen zu sein. Er wurde deshalb wegen Fragebogenfälschung angeklagt und ist am 2. Januar 1947 vom Mittleren Britischen Militärgericht von dieser Anklage freigesprochen worden, allerdings nicht wegen erwiesener Unschuld, sondern nur mangels Beweises. Das Mittlere Britische Militärgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß eine Karteikarte kein ausreichender Urkundenbeweis für eine Verurteilung ist.
Danach, meine Damen und Herren, ist Onnen vor den Entnazifizierungsausschuß gekommen. Der Entnazifizierungsausschuß hat ihn unter Berücksichtigung der Tatsache, daß er durch das nationalsozialistische Gesetz über die Selbständigkeit der Notariate, wenn ich es einmal leger so nennen darf, im Jahre 1938 seine Existenz als Notar verloren hat, in die Gruppe V, der Entlasteten, eingereiht.
Ich habe Ihnen diese ganze Rechtslage ausführlich vorgetragen, nicht — ich betone es noch einmal —, um Ihnen zu ermöglichen, sich ein Urteil über den Erfolg der Strafverfolgung zu bilden — denn das wäre für die Entscheidung dieses
Hauses unzulässig —, sondern um Ihnen ein Bild
darüber zu geben, wie außerordentlich schwierig
der ganze Fall durch den Mangel wirklich beweiskräftiger Zeugen und Urkunden ist. Angesichts
dieser ganzen Rechtslage und angesichts der Gefahr, daß nun aus der behaupteten politischen
Verfolgung des Herrn Dr. Schräder durch Onnen
eine rein politische Verfolgung des jetzigen Angeschuldigten Onnen werden könne, ist der Aus-
schuß für Geschäftsordnung und Immunität zu der Auffassung gekommen, daß in diesem Falle die Integrität des Parlaments dem Interesse der Rechtspflege an der Strafverfolgung vorgehen sollte. Er hat deshalb am 8. Dezember beschlossen, den Antrag des Oberstaatsanwalts beim Landgericht in Oldenburg vom 10. November 1949 auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Onnen abzulehnen, und als Berichterstatter habe ich Ihnen, meine Damen und Herren, zu empfehlen, diesem Antrag beizutreten.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen.
Wird das Wort gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer für den Antrag Drucksache Nr. 311, den soeben der Herr Berichterstatter vorgetragen hat, ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
Meine Damen und Herren, das erste war die Mehrheit bei einer größeren. Zahl von Enthaltungen. Damit ist im Sinne der Drucksache Nr. 311 beschlossen.
Wir kommen nunmehr zum Tagesordnungspunkt 7:
Interfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse .
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, einmal die Drucksache Nr. 394 zur Hand zu nehmen. Ich habe dazu noch einige Erläuterungen und Abänderungen bekanntzugeben.
Auf Seite 2 ist die Drucksache Nr. 355, Antrag der SPD, aufgeführt. Dazu ist gebeten worden, die Vorlage außer an den Ausschuß für Jugendfürsorge auch an den Ausschuß für öffentliche Fürsorge als den federführenden Ausschuß zu überweisen. Darf ich fragen, ob das Haus damit einverstanden ist? — Ich höre keinen Widerspruch.
Zu dem ebenfalls auf Seite 2 aufgeführten Antrag Drucksache Nr. 293, Antrag der Abgeordneten Renner und Genossen betreffend Strafbare Handlungen gegen Besatzungsinteressen, haben die Herren Antragsteller darum gebeten, diesen Antrag aus dem Sammelantrag herauszunehmen, weil sie mit der Hereinnahme in den Sammelantrag nicht einverstanden sind, und zwar nach Rücksprache mit dem Abgeordneten Renner mit der Maßgabe, daß die Angelegenheit in der nächsten Woche behandelt wird. Das ist ein allgemeiner Brauch, dem man folgt.
Bezüglich der Drucksache Nr. 378 gilt dasselbe, daß sie nämlich heute aus dem Sammelantrag herausgenommen und gesondert behandelt wird.
Auf Seite 3 soll bezüglich der Drucksache Nr. 390 außer der Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als den federführenden auch die Überweisung an den Ausschuß für Beamtenrecht hinzukommen.
Meine Damen und Herren, diese Korrekturen und Ergänzungen vorausgesetzt, darf ich das Haus fragen, ob es diesem interfraktionellen Antrag seine Zustimmung gibt.
Bei Drucksache Nr. 287 handelt es sich darum, den Antrag außerdem an den Ausschuß für Jugendfürsorge zu überweisen.
Sie haben eben den Antrag gehört. Ich darf annehmen, daß dagegen keine Bedenken bestehen; oder bestehen solche? — Dann würde also bei Drucksache Nr. 287, die oben auf Seite 2 der Sammeldrucksache aufgeführt ist, auch der Ausschuß für Jugendfürsorge einzufügen sein mit der Maßgabe, daß die Federführung beim Ausschuß für öffentliche Fürsorge liegt.
Meine Damen und Herren, darf ich nun das Einverständnis des Hauses feststellen, daß Drucksache Nr. 394 unter Berücksichtigung der von mir festgestellten Berichtigungen und Änderungen als beschlossen gilt? — Ich höre keinen Widerspruch. Es ist demgemäß beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zu Tagesordnungspunkt 8:
Beratung des Antrags der Fraktion der WAV betreffend Einschränkung überhöhter Handelsspannen .
Zur Geschäftsordnung hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Bucerius.
Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion beantrage ich gemäß § 72 der Geschäftsordnung, diesen Punkt von der Tagesordnung abzusetzen. Da über die Auslegung der Bestimmung Streit besteht, darf ich sie Ihnen kurz bekanntgeben. § 72 lautet:
Absetzung von der Tagesordnung.
Von der Tagesordnung kann der Bundestag einen Gegenstand absetzen.
Dann kommt eine weitere, hier nicht interessierende Bestimmung.
Zur Begründung: Wir haben im Ältestenrat von den Vertretern der sozialdemokratischen Fraktion gehört, daß noch im Laufe dieser Woche verschiedene Anträge eingereicht werden, die in kürzester Frist — wahrscheinlich schon in der nächsten Woche — eine umfangreiche wirtschaftspolitische Debatte erforderlich machen werden. Zu dieser wirtschaftspolitischen Debatte paßt der Antrag der WAV ausgezeichnet
und wird gemeinschaftlich damit begründet und verhandelt werden können. Die Ökonomie, die in diesem Hause mehr als in jedem anderen erforderlich ist, die sachliche Arbeit, die das Haus im Interesse des Volkes zu leisten hat, verbietet es ganz eindeutig, daß hier doppelte Arbeit geleistet wird, daß jetzt hier Reden gehalten werden, die in der nächsten Woche unter allen Umständen wiederholt werden müssen.
Meine Damen und Herren, der Herr Abgeordnete Loritz beruft sich darauf, daß die Bestimmung des § 72 nicht anwendbar sei. Er beruft sich dabei auf § 36 Absatz 3 der Geschäftsordnung:
Der Bundestag kann jederzeit beschließen,
die Beratung eines Gegenstandes auf bestimmte Zeit bis zu vier Wochen auszusetzen.
— Und nun kommt das, worauf sich der Herr Abgeordnete Loritz stützt —:
Der Antrag muß gedruckt vorliegen und auf der Tagesordnung stehen.
Der Abgeordnete Loritz behauptet, daß eine Aussetzung der Beratung auf bestimmte Zeit, das heißt bis zu vier Wochen, nicht zulässig sei, da die erwähnte Voraussetzung nicht erfüllt sei. Ich
habe aber einen solchen Antrag nicht gestellt, sondern nur von der Bestimmung des § 72 Gebrauch gemacht, den Antrag des Abgeordneten Loritz und Fraktion lediglich von der heutigen Tagesordnung abzusetzen. Eine Wiedereinbringung dieses Antrags zu einem anderen ihm geeignet erscheinenden Zeitpunkt bleibt dem Herrn Abgeordneten Loritz unbenommen. Insofern geht diese Bestimmung nicht so weit, als wenn ein Beschluß nach § 36 Absatz 3 gefaßt wird, der vorsieht, daß dann die Wiedereinbringung des Antrags zwischenzeitlich unzulässig ist.
Der Herr Abgeordnete Loritz beruft sich ferner darauf, daß durch die Absetzung des Antrags das Initiativrecht eines Abgeordneten eingeschränkt sei. Meine Damen und Herren, die Mehrheit des Hauses darf in der Tat niemals das Recht aus § 72 dazu verwenden, um etwa einen ihr nicht angenehmen Antrag überhaupt ein für allemal von der Tagesordnung dieses Hauses auszuschließen oder aber unangemessen zeitlich hinauszuzögern. Werden jedoch triftige Gründe dafür vorgebracht, die es zweckmäßig erscheinen lassen, einen Antrag auf eine vernünftige, angemessene Zeit von der Tagesordnung zu verschieben, so ist das Initiativrecht nicht verletzt. Als letzte Sanktion steht für jeden Abgeordneten, wenn die Mehrheit sich etwa in unangemessener Weise dauernd gegen ihn entscheiden sollte, das Verfassungsgericht offen. Ich bitte Sie deshalb, gemäß unserem Antrag, gestützt auf § 72 der Geschäftsordnung, den Punkt 8 von der heutigen Tagesordnung abzusetzen.
Herr Abgeordneter Loritz zur Geschäftsordnung zum geschäftsordnungsmäßigen Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Bucerius.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist wirklich eine Ironie, wenn mein Vorredner sagt, er, Herr Bucerius, würde deswegen für Absetzung der Sache von der Tagesordnung sein, damit das Parlament keine unnütze Mehrarbeit zu leisten hat. Meine Damen und Herren von der CDU, Sie wollen also durch Hinausschiebung dieses Antrages, dessen Behandlung Ihnen sehr unangenehm ist — das weiß ich —,
unserem Volk draußen zumuten, daß es weiterhin Wochen und Wochen hindurch jede Woche Hunderte von Millionen D-Mark zahlt, damit einige Zehntausende Großhändler und Großschieber an den allerwichtigsten Lebensmitteln riesige Summen verdienen können.
— Herr Präsident, ich ersuche Sie, dafür zu sorgen, daß ich die Sätze ruhig sprechen kann.
Meine Damen und Herren, ich bitte, den Herrn Abgeordneten anzuhören.
Ich spreche hier zur Geschäftsordnung und wende mich gegen den Vertagungs-
bzw. Absetzungsantrag.
Ich darf Ihnen eines sagen: Angesichts der Verhältnisse, wie sie heute sind, da zum Beispiel Kartoffeln, die weiß Gott für die Ernährung der Bevölkerung — —
— Kann ich bitte einen Satz ruhig zu Ende sagen?
— Zur Begründung dessen, daß wir uns der Absetzung des Punktes von der Tagesordnung widersetzen, muß es möglich sein, einige Sätze zu sprechen!
— Es scheint Ihnen sehr unangenehm zu sein, meine Herren,
wenn hier in die unerhörten Zustände hineingeleuchtet wird, für die Sie bzw. Ihre Regierung mittelbar oder unmittelbar die Verantwortung tragen!
Wenn Sie, Herr Bucerius, es weiterhin dulden können, daß Lebensmittel, wie zum Beispiel Kartoffeln, die vom Bauern zu 3 D-Mark der Zentner abgeliefert werden, durch den unerhörten Zwischenhandel an die Kleinabnehmer zu 8 D-Mark pro Zentner verkauft werden, — —
Herr Abgeordneter Loritz, darf ich Sie einen Moment unterbrechen. Sprechen Sie doch bitte im engeren Sinne zur Geschäftsordnung, wie es etwa der Herr Vorredner, der Herr Abgeordnete Bucerius, getan hat.
Ich spreche zur Geschäftsordnung,
indem ich das Haus dringendst bitte, nicht einer weiteren 'Absetzung dieses Antrages zuzustimmen, aus dem einfachen Grund, weil der Antrag von solch enormer Bedeutung ist — nicht für Sie vielleicht, meine Herren, sondern für unsere notleidende Bevölkerung draußen —, daß eine weitere Vertagung unter gar keinen Umständen mehr hingenommen werden kann. Sie sehen aus der Nummer dieses Antrages — 257! — bereits, daß der Antrag schon sehr frühzeitig gestellt wurde. Er hätte schon im Dezember auf die Tagesordnung einer der Sitzungen gehört. Das ist nicht geschehen. Man hat uns im Ältestenrat versprochen, er wird in der ersten Sitzung im Januar auf die Tagesordnung kommen. Es ist nicht geschehen. Jetzt soll er wiederum vertagt werden. Wenn andere Fraktionen, die SPD oder eine andere, diesbezüglich hier Anträge stellen wollen, so freuen wir uns sehr darüber, wenn auch von anderer Seite in diese Dinge hineingeleuchtet wird. Aber das darf nicht dazu führen, daß diese Besprechung auch nur um einen Tag hinausgezögert wird!
Herr Bucerius stützt sich auf den § 72 der Geschäftsordnung, nachdem ihm bewußt geworden ist, daß auf Grund des § 36 eine Absetzung niemals möglich wäre, weil dieser Absetzungsantrag dann vom Herrn Abgeordneten Bucerius schriftlich hätte eingereicht werden, auf der Tagesordnung hätte stehen müssen und allen Mitgliedern des Hauses gedruckt hätte vorliegen müssen. Jetzt kommt er daher mit dem § 721 Meine sehr verehrten Damen und Herren aus allen Fraktionen
i dieses Hauses, denken Sie jetzt daran, was Herr Bucerius Ihnen vorgeschlagen hat. Er sagt, die Mehrheit des Hauses könne es erzwingen, daß irgendein Antrag von der Tagesordnung abgesetzt wird, und dann müsse der Antragsteller den Antrag sogar neu also nochmals stellen mit all den Dingen, die da drum und dran sind. Der Antrag käme dann erst nach den übrigen Anträgen, die schon eingelaufen sind, zur Sprache, und so weiter! Das führt zu gar nichts anderem als zu einer unzulässigen Beschneidung, ja sogar zur Verhinderung des Rechtes der Opposition, irgendwelche Anträge rechtzeitig hier stellen zu können. Und geradezu ein Hohn ist es, wenn der Herr Bucerius uns jetzt an den Verfassungsgerichtshof verweist,
von dem er genau weiß, daß er heute noch gar nicht besteht und daß er wahrscheinlich noch viele Monate lang überhaupt nicht bestehen wird, weil nämlich die diesbezügliche Gesetze einige Zeit brauchen und dann die Organisation des Verfassungsgerichtshofes ebenfalls. Solange soll also die Opposition hier gegenüber Vertagungsanträgen irgendeiner Mehrheit schutzlos sein.
Daher appelliere ich an alle von Ihnen, die wissen, was mit einer solchen Möglichkeit gespielt werden kann, im Interesse der gesamten Arbeit des Parlaments unter keinen Umständen ein solches Präjudiz zuzulassen.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Es ist von größter Bedeutung, daß endlich so entscheidend wichtige Anträge 0— ein Antrag, der genau so wichtig ist wie unser Antrag zur Benzinpreiserhöhung —. raschestens öffentlich debattiert werden. Wir können unter keinen Umständen anerkennen, daß es auf Grund irendeines Paragraphen der Geschäftsordnung möglich sei, Anträge unter den Tisch fallen zu lassen mit der Folge, daß der Betreffende den Antrag neu stellen muß. Wenn wir ihn dann neu stellen, dann werden Sie das nächste Mal dasselbe Spiel machen können, und das übernächste Mal machen Sie es auch so! Wenn das noch Demokratie ist, dann weiß ich nicht mehr, was man dazu sagen soll.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Meine Zeit ist abgelaufen! Ja, leider gibt es nach der Geschäftsordnung keine Möglichkeit, zur Geschäftsordnung länger als fünf Minuten zu sprechen.
Bitte, bringen Sie mich nicht in die Verlegenheit, Ihnen in aller Form das Wort zu entziehen, weil Sie nach der Geschäftsordnung bereits die Redezeit von fünf Minuten um zwei Minuten überschritten haben. Ich bin sehr großzügig.
Ich bin so oft unterbrochen worden, daß die Unterbrechungen zusammen mehr als zwei Minuten ausmachen!
Ich möchte aber mit einem Schlußsatz - das
ist bis jetzt noch jedem gestattet worden - noch
vor einer Auslegung der Geschäftsordnung warnen, die es jeder einfachen Mehrheit in diesem Parlament ermöglichen würde, jeden Antrag, der ihr nicht paßt, einfach unter den Tisch fallen zu lassen
und dann die betreffenden Antragsteller sogar zu zwingen, diesen Antrag nochmals zu stellen. Das hat Herr Bucerius Ihnen vorgeschlagen, und wir protestieren hier dagegen im Namen der Demokratie, die alles Interesse daran hat, daß Fragen, die die ganze Bevölkerung berühren, so rasch wie möglich in diesem Parlament diskutiert werden.
Meine Damen und Herren! Wird zu dem Geschäftsordnungsantrag weiter das Wort gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache und stelle den Geschäftsordnungsantrag des Herrn Dr. Bucerius zur Abstimmung, gemäß § 72 der Geschäftsordnung den Punkt 8 von der heutigen Tagesordnung abzusetzen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Damit ist der Punkt 8 von der Tagesordnung abgesetzt.
Wir kommen damit zu Punkt 9 der Tagesordnung:
Übersicht über die vom Ausschuß für Petitionen erledigten Eingaben .
Eine Begründung des Antrags seitens des Petitionsausschusses durch einen Berichterstatter ist nicht vorgesehen. Ich stelle fest, daß das Wort nicht gewünscht wird. Dann darf ich das Haus fragen, ob gegen die vorgelegte Übersicht bzw. den Antrag des Ausschusses gemäß Drucksache Nr. 391 Widerspruch erhoben wird. — Das ist nicht der Fall. Damit ist der letzte Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich habe noch einige Erklärungen abzugeben und bitte noch für einige Minuten um Ihr Gehör. Ich darf zunächst auf den Zwischenfall zurückkommen, der sich bei der Erörterung des Punktes 2 der Tagesordnung betreffend die Errichtung einer Zweigstelle des Deutschen Patentamtes in Berlin ereignet hat. Die drei beteiligten Herren, die Herren Abgeordneten Ekstrand, Dr. Seelos und Strauss, haben mich ermächtigt, folgende Erklärungen abzugeben:
Erstens: Herr Abgeordneter Ekstrand hat mich ermächtigt zu erklären: seine Bemerkung, daß blau-weiß auch ein Zustand sein kann, ist in einigen Teilen des Hauses mit Erregung aufgenommen warden; wenn diese Bemerkung als Ironisierung der Landesfarben des Landes Bayern aufgefaßt worden ist, so hat ihm eine solche Ironisierung und die Hervorrufung des dadurch entstandenen Eindrucks ferngelegen.
Zweitens: Herr Abgeordneter Strauss hat mich ermächtigt zu erklären, daß er mit dieser Erklärung des Herrn Abgeordneten Ekstrand einverstanden ist. Ich darf sinngemäß hinzufügen, daß auch Sie, Herr Abgeordneter Seelos, damit einverstanden sind.
Drittens: Herr Abgeordneter Dr. Seelos hat mich ermächtigt zu erklären, daß nach dieser Erklärung des Herrn Abgeordneten Ekstrand die Voraussetzungen für den von ihm gemachten Zwischenruf „Unverschämtheit" entfallen sind.
Meine Damen und Herren! Wir stehen am Ende unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Vollversammlung auf den morgigen Donnerstag, 14 Uhr 30, ein.
Im Auftrag der beteiligten Fraktionen habe ich noch folgende geschäftliche Mitteilungen zu machen. Fraktionssitzungen der CDU/CSU, der SPD und der FDP finden eine Stunde nach dem Plenum statt; die Fraktionssitzung der DP findet sofort nach dem Plenum statt. Ferner hat der Vorsitzende des Rechtsausschusses daran erinnert, daß der Rechtsausschuß heute eine Stunde nach Ende der Vollversammlung zu einer Sitzung zusammentritt.
Ich erkläre die 27. Sitzung des Deutschen Bundestags für geschlossen.