Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion beantrage ich gemäß § 72 der Geschäftsordnung, diesen Punkt von der Tagesordnung abzusetzen. Da über die Auslegung der Bestimmung Streit besteht, darf ich sie Ihnen kurz bekanntgeben. § 72 lautet:
Absetzung von der Tagesordnung.
Von der Tagesordnung kann der Bundestag einen Gegenstand absetzen.
Dann kommt eine weitere, hier nicht interessierende Bestimmung.
Zur Begründung: Wir haben im Ältestenrat von den Vertretern der sozialdemokratischen Fraktion gehört, daß noch im Laufe dieser Woche verschiedene Anträge eingereicht werden, die in kürzester Frist — wahrscheinlich schon in der nächsten Woche — eine umfangreiche wirtschaftspolitische Debatte erforderlich machen werden. Zu dieser wirtschaftspolitischen Debatte paßt der Antrag der WAV ausgezeichnet
und wird gemeinschaftlich damit begründet und verhandelt werden können. Die Ökonomie, die in diesem Hause mehr als in jedem anderen erforderlich ist, die sachliche Arbeit, die das Haus im Interesse des Volkes zu leisten hat, verbietet es ganz eindeutig, daß hier doppelte Arbeit geleistet wird, daß jetzt hier Reden gehalten werden, die in der nächsten Woche unter allen Umständen wiederholt werden müssen.
Meine Damen und Herren, der Herr Abgeordnete Loritz beruft sich darauf, daß die Bestimmung des § 72 nicht anwendbar sei. Er beruft sich dabei auf § 36 Absatz 3 der Geschäftsordnung:
Der Bundestag kann jederzeit beschließen,
die Beratung eines Gegenstandes auf bestimmte Zeit bis zu vier Wochen auszusetzen.
— Und nun kommt das, worauf sich der Herr Abgeordnete Loritz stützt —:
Der Antrag muß gedruckt vorliegen und auf der Tagesordnung stehen.
Der Abgeordnete Loritz behauptet, daß eine Aussetzung der Beratung auf bestimmte Zeit, das heißt bis zu vier Wochen, nicht zulässig sei, da die erwähnte Voraussetzung nicht erfüllt sei. Ich
habe aber einen solchen Antrag nicht gestellt, sondern nur von der Bestimmung des § 72 Gebrauch gemacht, den Antrag des Abgeordneten Loritz und Fraktion lediglich von der heutigen Tagesordnung abzusetzen. Eine Wiedereinbringung dieses Antrags zu einem anderen ihm geeignet erscheinenden Zeitpunkt bleibt dem Herrn Abgeordneten Loritz unbenommen. Insofern geht diese Bestimmung nicht so weit, als wenn ein Beschluß nach § 36 Absatz 3 gefaßt wird, der vorsieht, daß dann die Wiedereinbringung des Antrags zwischenzeitlich unzulässig ist.
Der Herr Abgeordnete Loritz beruft sich ferner darauf, daß durch die Absetzung des Antrags das Initiativrecht eines Abgeordneten eingeschränkt sei. Meine Damen und Herren, die Mehrheit des Hauses darf in der Tat niemals das Recht aus § 72 dazu verwenden, um etwa einen ihr nicht angenehmen Antrag überhaupt ein für allemal von der Tagesordnung dieses Hauses auszuschließen oder aber unangemessen zeitlich hinauszuzögern. Werden jedoch triftige Gründe dafür vorgebracht, die es zweckmäßig erscheinen lassen, einen Antrag auf eine vernünftige, angemessene Zeit von der Tagesordnung zu verschieben, so ist das Initiativrecht nicht verletzt. Als letzte Sanktion steht für jeden Abgeordneten, wenn die Mehrheit sich etwa in unangemessener Weise dauernd gegen ihn entscheiden sollte, das Verfassungsgericht offen. Ich bitte Sie deshalb, gemäß unserem Antrag, gestützt auf § 72 der Geschäftsordnung, den Punkt 8 von der heutigen Tagesordnung abzusetzen.