Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokraten bejaht das Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit ebenso wie den vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung. Sie ist auch mit den Abänderungswünschen des Bundesrates einverstanden bis auf Punkt 3, in dem der Bundesrat eine Mitwirkung bei den Rechtsverordnungen der Bundesregierung fordert. Wir halten diese Mitwirkung des Bundesrates nicht für notwendig. Allerdings wird darüber in den Ausschüssen noch zu reden sein.
Wir bejahen dieses Abkommen so ganz besonders, weil wir in den vergangenen Jahren und an der bisherigen Wirkung des Marshallplanes gesehen haben, wieweit unser wirtschaftlicher Wiederaufstieg tatsächlich nur durch diese amerikanische Hilfe möglich gewesen ist. Und wenn Herr Abgeordneter Rische vorhin davon gesprochen hat, daß in dem Abkommen eine Propaganda für den Marshallplan vorgesehen ist,
so glaube ich, Herr Abgeordneter Rische, daß der Marshallplan die beste Propaganda für sich selbst mit der Verbesserung unseres Lebensstandards gegenüber den Zeiten vor der Währungsreform und gegenüber der Zwangswirtschaft gemacht hat, die jeder in Deutschland spürt.
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Wir hatten damals einen Produktionsindex von
etwa 50 Prozent des Standes von 1936. Wir haben
Ende 1949 einen Produktionsindex von 98 Prozent.
Wir wissen alle, daß das bei weitem noch nicht ausreicht, um unserem mit 81/2 Millionen Flüchtlingen allein in den Westzonen zusätzlich belasteten Volk einen einigermaßen erträglichen Lebensstandard wiederzugeben. Wir wissen auch, daß die anderen Völker rund um uns herum in Europa dank der Hilfe des Marshallplans bereits längst das Produktionsvolumen des Spitzenvorkriegsjahres 1938 überschritten haben, von dem wir noch weit entfernt sind. Aber, meine Damen und Herren, wir sehen auch, daß Einfuhren, wie wir sie im letzten Jahr in Höhe von 7 Milliarden D-Mark tätigen konnten, und — auch das gehört noch dazu — Ausfuhren von immerhin schon wieder 3,6 Milliarden D-Mark gegenüber nur erst
1,8 Milliarden im Jahre 1948 nur durch den Marshallplan, durch die Hilfe in Form eines kreditierten Warenstromes möglich waren.
Wir haben deswegen auch zu dem zweiten Teil der Forderung ja gesagt, die der Marshallplan beinhaltet, nämlich zur europäischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit, und zwar nicht nur weil wir das eine, die Waren auf Kredit, gern haben wollten, sondern weil wir auch fest davon überzeugt sind, daß Europa nur dann wird leben können, wenn es eine freiwillige Schicksalsgemeinschaft gleichberechtigter Völker bildet. In diesem Sinne müssen wir auch die Liberalisierung, das heißt die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa, wollen und bejahen.
Wir müssen uns dabei aber darüber klar sein, daß das, was wir durch die Freilisten vom Oktober vorigen Jahres vorgeleistet haben, für Deutschland ein ganz besonderes Opfer gewesen ist; denn nach dem Zusammenbruch, den wir erlebt haben, haben wir trotz aller Fortschritte, die draußen schon häufig genug als eine Art Wunder bezeichnet wurden, erst etwa ein gutes Drittel der volkswirtschaftlichen Ergiebigkeit der menschlichen Arbeit wieder erreicht, wie sie gegenwärtig in den Vereinigten Staaten von Amerika besteht. Wir haben also ein ganz erhebliches Handicap zu überwinden, um in der Frage der Produktivität, der Rationalisierung unserer Arbeit und der Wiederherstellung einer echten Wettbewerbsfähigkeit gleichzuziehen.
Wir müssen dabei auch noch an ein zweites denken. Deutschland hat von jeher gegenüber den westeuropäischen Ländern eine aktive Handelsbilanz besessen und hat die Überschüsse dieser aktiven Handelsbilanz benutzt, um in Übersee noch weitere Güter hinzuzukaufen. Auch wenn
wir die Möglichkeit einer begrenzten, weil nur europäischen Clearing-Union begrüßen, müssen wir doch ins Auge fassen, daß wir in irgendeiner Form Ersatz schaffen müssen, falls der europäische Aktivsaldo der deutschen Handelsbilanz sich zunächst verringern sollte. Es ist von seiten der Vereinigten Staaten in Aussicht gestellt worden, daß gegenüber Ländern, die die europäische Zusammenarbeit unter Beweis stellen, eine zusätzliche Hilfe geleistet werden kann. Ich glaube, die Hilfe, die uns hier am allermeisten willkommen wäre, wäre eine weitere Öffnung des amerikanischen Marktes für deutsche Güter, ein größeres Entgegenkommen für den deutschen Export. Wenn Herr Rische davon sprach, daß die Amerikaner mit Hilfe dieses Abkommens deutsche Hilfsquellen und Rohstoffe amerikanischen Monopolen einverleiben wollten, so kann ich darauf nur erwidern: bis jetzt haben nur wir Rohstoffe und Hilfsquellen der Amerikaner in Anspruch genommen.
Wir wünschten, sie nähmen unsere Rohstoffe und Hilfsquellen in Anspruch. Außerdem hat Herr Rische verschwiegen, daß in diesem Abkommen steht: jeder derartige Export wird von den Amerikanern zu Weltmarktpreisen bezahlt. Ich wünschte, in der Ostzone wären alle Entnähmen auch jemals zu Weltmarktpreisen bezahlt worden!
Die Liberalisierung des europäischen Außenhandels ist zweifellos Deutschlands größtes Opfer für den Marshallplan,
sie wird aber bisher in vollem Umfang durch das aufgewogen, was wir an Leistungen für eine einigermaßen erträgliche Lebenshaltung in Deutschland empfangen haben. Und die Schwierigkeiten — das hat ja Herr Minister Blücher schon sehr deutlich gesagt —, liegen nicht in der Forderung an sich, sondern in dem noch sehr mangelhaften Verständnis für die Notwendigkeit einer europäischen wirtschaftlichen Integration in anderen Staaten Europas.
Der Marshallplan, der Aufbau und die Wiederherstellung der Freiheit und Unabhängigkeit zum Ziele hat, setzt auch zwangsläufig voraus, daß diese Freiheit und Freizügigkeit über die Grenzen hinweg besteht. Wirtschaftssysteme mit einer Planwirtschaft stehen nun einmal einer solchen Freizügigkeit von Gütern, Dienstleistungen und Menschen über die Grenzen hinweg im Wege, genau so wie sie es im eigenen Lande tun. Es ist unsere Sorge, daß diese Schwierigkeiten, die gegenüber England und auch gegenüber einigen anderen Ländern schon deutlich aus dem Autarkiestreben heraus zutage getreten sind, das auf die Dauer die Völker nur verarmt, nicht noch größer werden möchten.
Es ist viel davon geredet worden, daß man schon wieder vor einem zu schnellen Anwachsen der deutschen Leistungsfähigkeit Angst haben könne. Ich glaube, daß die Amerikaner bei der Konzeption des Marshallplans volkswirtschaftlich richtiger dachten, als sie sagten: es geht allen am besten, wenn es jedem gut geht. Und es hat noch nirgendwo ein größerer Handelsaustausch stattgefunden als zwischen Ländern, die eine kochentwickelte, eine auf Wohlstand gegründete Volkswirtschaft besessen haben. Der niedrigste Lebensstandard ist immer bei den primitiven, bei den autarken Völkern zu finden.
Noch eines darf ich sagen und damit schließen. Es war vorhin davon die Rede, im deutschen Volk sei eine Enttäuschung darüber vorhanden, daß man für gewisse Teile des Marshall-plans in späteren Zeiten Exporterlöse werde abführen müssen. Ich glaube, das deutsche Volk will gar keine Geschenke, sondern es möchte durch ehrliche Arbeit mit Hilfe des Marshallplans wieder auf eigene Füße kommen, möchte bis zum Jahre 1952 selbständig sein und aus eigener Kraft dann auch zu dem Wiederaufbau und der Gesundung der übrigen Welt beitragen können. Und unser Wunsch geht dahin, daß es in der Zukunft nicht wieder wie in der Vergangenheit darum gehen möge, in Europa die Grenzsteine um zwanzig Kilometer nach links oder rechts zu verrücken, sondern diese Grenzsteine überhaupt bald verschwinden zu lassen.