Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bayernpartei möchte nicht wie der Redner der SPD sich an dem Rennen beteiligen, wer von den Parteien, außer den Kommunisten, zuerst diesem Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland zugestimmt hat. Denn es ist doch eigentlich selbstverständlich, daß, wenn ein Siegerland die Hand großmütig dazu bietet, Deutschland wieder in den Bund der europäischen Mächte aufzunehmen und diesen ersten Schritt zur Rückgabe unserer Souveränität zu tun, man nicht nein sagt und daß es meiner Ansicht nach eine Priorität zwischen den Parteien — außer den Kommunisten — nicht gibt.
Ich möchte nur die Zustimmung auch der Bayernpartei zu diesem Abkommen zum Ausdruck bringen, mich aber enthalten, auf die Einzelheiten einzugehen, die bereits durch den Herrn Bundesminister Blücher vorgetragen worden sind, und auch die Bedenken nicht nochmals zum Ausdruck bringen, die bereits Herr Dr. Pünder und Herr Dr. Baade in vorzüglicher Weise dargestellt haben.
Immerhin glaube ich, daß man einiges zu der Liberalisierung des Handels und der ganzen Wirtschaft in Europa sagen muß. Wir müssen noch stärker, als wir es bisher getan haben, darauf hinweisen, daß Deutschland in besonderer Weise unter drei Vorbelastungen leidet. Das sind einmal an der Spitze die Besatzungskosten von 41/2 Milliarden Mark, das sind die Kosten für die 81/2 Millionen Flüchtlinge, die auch in die Milliardenbeträge gehen, und das sind schließlich die Kosten für diese politische Groteske, die die Allierten geschaffen haben, nämlich die Berliner Lösung. Wir müssen ferner darauf hinweisen, daß doch die Mittel des Marshallplans, die besonders aus dem Gegenwertfonds fließen, für die Länder innerhalb Deutschlands verwandt werden, die infolge des Flüchtlingsproblems besonders unter der Arbeitslosigkeit leiden. Von den 11/2 Millionen Arbeitslosen in Westdeutschland hat zum Beispiel Bayern 482 000 Arbeitslose.
Ich möchte aber im besonderen noch auf ein Problem eingehen, das vielleicht etwas zu kurz behandelt worden ist. Im Bundesrat hat Oberbürgermeister Reuter von Berlin eingehend von den Berliner Problemen im Zusammenhang mit dem Marshallplan gesprochen, und nur Professor Dr. Baade hat es auch hier kurz berührt. Schließlich ist es so, daß von den 1 650 Millionen Mark, die aus dem Marshallplan für Westdeutschland bleiben, bei einer Monatszahlung von 55 Millionen Hilfe an Berlin, also jährlich etwa 650 Millionen Mark, zwei Fünftel der Marshallplanhilfe nach Berlin gehen, gleichgültig ob sie nun aus diesem Topf oder aus jenem Topf kommen.
Es ist klar, daß Berlin Hilfe braucht. Gerade wir von der Bayernpartei haben wiederholt die Notwendigkeit der Unterstützung Berlins betont. Wir haben betont, daß wir den politischen Abwehrkampf Berlins honorieren müssen, den Abwehrkampf, der den politischen Wiederaufbau nicht nur Westdeutschlands, sondern Westeuropas erleichtert und ermöglicht hat. Aber wenn nun Oberbürgermeister Reuter doch von einer immer sich steigernden Investierung spricht, dann müssen wir uns doch davor hüten, daß wir nicht dieselben Fehler innerhalb Deutschlands, innerhalb dieses kleinen Marshallplans von Deutschland machen, wie es der große Marshallplan in den ersten zwei Jahren getan hat, indem wir durch Fehlleitungen von Kapital eine Autarkie einzelner Länder oder — in diesem Fall — Berlins schaffen wollen. Es ist nicht möglich, daß man, wenn sich zum Beispiel in Westdeutschland eben gewisse Konkurrenzbetriebe gebildet haben, nun neues Kapital aus den Marshallplangeldern in Berlin investiert und die westdeutschen Betriebe künstlich zum Erliegen bringt. Das wären Fehlinvestitionen. Wir wissen, daß Berlin eine 80prozentige Demontage gehabt hat, und wir wissen, daß der Geld- und Kreditmarkt im Jahre 1945 durch die Russen zum Erliegen gebracht worden
ist. Wir wissen, daß Berlin mit seinen Pensionslasten besonders große Sorgen hat. Aber wir dürfen Investierungen nur mit einem Gesamtblick auf die westdeutsche Wirtschaft vornehmen. Denn auch Berlin würde nichts davon haben, wenn sich die westdeutsche Wirtschaft ausblutet, nur weil diese Riesenbeträge nach Berlin gehen.
Der Oberbürgermeister Reuter geht auch mit dem Vergleich, den er im Bundesrat gezogen hat, völlig fehl. Wenn er sagt, daß die Berliner mit 30 bis 35 Prozent unter der Produktion von 1936 in traurigem Abstand hinter dem Produktionsstand in. Westdeutschland, wo etwa 100 Prozent des Beschäftigungsgrades von 1936 erreicht sind, einhermarschieren, so darf man hierbei nicht außer acht lassen, daß in Westdeutschland 81/2 Millionen neue Menschen hinzugekommen sind und aus diesem Grunde der Produktionsstand Westdeutschlands, nach der Bevölkerung gerechnet, nur etwa 78 Prozent beträgt. Andererseits muß man, wenn man die Berliner Produktion jetzt mit 70 Prozent annimmt, wegen der um 15 Prozent geringeren Bevölkerung einen entsprechenden Aufschlag auf den Produktionsstand machen. Auf diesem Wege kommen wir auf 80 Prozent. Unter Berücksichtigung des Bevölkerungsstandes besteht also in Wirklichkeit zwischen dem Produktionsstand von Westdeutschland und Berlin kein Unterschied. Das hat auch der Herr Bundesfinanzminister Schäffer bestätigt, indem er von der blühenden Berliner Wirtschaft gesprochen und demgemäß die monatlichen Zuschüsse von Dezember auf Januar herabgesetzt hat und bis April auf 45 Millionen pro Monat kürzen will. Wir müssen uns also vor Fehlinvestierungen hüten.
Dann müssen wir auch darauf hinweisen, daß schließlich Berlin in seinem Gesamtetat genau so sparen muß, wie die Länder es tun. In Berlin gibt es ein halbes Dutzend Hochschulen, und es gibt ein Dutzend Theater, während zum Beispiel in dem reichen Land Nord-Württemberg/NordBaden bereits Theater geschlossen werden mußten und kaum die Mittel für die wichtigsten kulturellen Dinge vorhanden sind. Also auch hier muß ein Ausgleich gefunden werden. Man kann nicht Berlin mit allgemeinen Marshallplanmitteln in solch übertriebener Weise unterstützen, daß schließlich die Wirtschaft und die Kultur Westdeutschlands allzusehr leiden und zum Erliegen kommen.
Ich hätte es bei dem großen Bedarf von Berlin an Geldern, die doch schließlich aus dem Marshallplan laufen, lieber gesehen, wenn Berlin als gesonderter Partner des Marshallplans aufgetreten wäre. Dann wäre international nicht das falsche Bild entstanden, als ob Deutschland in dieser großen Höhe Mittel beanspruche, während es in Wirklichkeit zu zwei Fünfteln nur weiterleitet, nur quasi Durchgangsstation für Berlin ist, das die politische Weitsicht der Allierten in dieser grotesken Form geschaffen hat.
Wir werden der Gesetzesvorlage der Bundesregierung zustimmen, sofern sie alle Beanstandungen, die der Bundesrat vorgenommen hat, berücksichtigt. Im weiteren haben wir noch einzelne Vorschläge zu machen, die dann in den Ausschußberatungen behandelt werden können.