Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich namens meiner Gruppe unsere Zustimmung zu dem Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Vereinigten Staaten mit der Bundesrepublik ausspreche, so möchte ich einige wenige grundsätzliche Bemerkungen hinzufügen. Der Grund, warum wir dieser Vorlage zustimmen, ist so durchschlagend und so breit gefügt, daß nur weniges darüber zu sagen ist. Ohne die Marshallplanhilfe, um die es sich im wesentlichen dreht, wäre es unmöglich, die deutsche Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Und ohne die Ingangsetzung der deutschen Wirtschaft ist ja ein deutsches Eigenleben politisch unmöglich. Deshalb ist es eine selbstverständliche Pflicht, diesem Marshallplan zuzustimmen, wie wir das immer getan haben. Wir müssen es deshalb auch heute tun, wenn wir die erste gesetzliche Bestimmung darüber zu treffen haben. Wir sind uns der Tragweite dieses Gesetzgebungsaktes oder der Verhandlungen, die wir heute führen, voll bewußt. Es ist der erste Schritt, den wir überhaupt auf dem Wege eines selbständigen Staates wieder tun können.
Der zweite Grund, warum wir dieser Gesetzesvorlage unbedingt unsere Zustimmung geben, liegt darin, daß es auf eine andere Weise gar nicht möglich ist, die Freiheit und Unabhängigkeit des deutschen Menschen zu erhalten. Der große Kampf zwischen Ost und West, zwischen der russischen Sklaverei und der Freiheit des Westens besteht immer noch.
Die persönliche Freiheit des einzelnen wie die Freiheit des Volkes können wir nur erreichen, wenn wir den alten Grundsätzen der Kultur des Abendlandes zustimmen und wenn wir auf diesem Wege die Möglichkeit erhalten, wieder in den Kreis der Kulturländer des Abendlandes zurückzukehren. Andernfalls müßten wir in dem asiatischen Sumpf untergehen.
— Gehen Sie doch ruhig dorthin, wenn es Ihnen dort so gut gefällt!
Warum wollen Sie uns denn hindern? Es ist ja freigestellt, nach dem Osten zu gehen. Ich habe aber bis jetzt noch niemanden von Ihnen gesehen, der hinübergegangen ist!
Der dritte Grund dafür, daß wir dieser Gesetzesvorlage zustimmen, liegt darin: wir wollen nun endlich zu einer europäischen Zusammenarbeit kommen. Wir haben schon von Anfang an den Gedanken der Vereinigten Staaten von Westeuropa zu verbreiten versucht und freuen uns, daß man nun mit vollen Segeln diesem Ziel zustrebt. Ohne die Zustimmung zu dem Marshallplan und zu der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten kämen wir auf diesem Wege nicht weiter.
Das sind die drei Grundgedanken, die uns bewegen, dieser Vorlage unsere Zustimmung zu geben. Wir stimmen aber nur unter gewissen Besorgnissen und gewissen Bedenken zu.
Auch diese Bedenken müssen wir hier ganz kurz streifen.
Das erste Bedenken geht dahin, daß wir Deutsche, die wir nun froh sind, wieder in das internationale Leben hineingestellt zu werden, und allmählich der Erlangung unserer Souveränität zusteuern, auf diesem Gebiet nicht allzuweit gehen. Wir sollten immer darauf achten, daß nun auch unsere Vertragspartner besorgt sein müssen, die Gleichberechtigung der verschiedenen Nationen aufrechtzuerhalten. Wir sind uns unserer Lage vollkommen bewußt. Wir müssen aber erwarten, daß wir — als äußeres Zeichen der Schätzung des guten Willens, den wir den Dingen entgegenbringen — im Verhältnis zu den anderen Völkern, gegenüber England, Frankreich, wenigstens im großen Rahmen als gleichberechtigt behandelt werden. Wir wollen keine Bedenken darüber äußern, daß das nicht geschähe, und setzen voraus, daß diese Abkommen uns dorthin führen. Gefordert werden muß es aber auf Schritt und Tritt!
Wir haben dann weitere Bedenken bei dem Schritt, den wir im Fortgang dieser Unterhandlungen tun müssen mit der Liberalisierung des Handels. Wir wissen genau: ohne die Liberalisierung des Handels ist der Marshallplan nicht zu verwirklichen und ist auch unsere Wiederaufrichtung nicht möglich. Aber die Gefahr,- die hier droht, ist zu groß, als daß sie übersehen werden könnte; wir haben das schon jetzt bei einzelnen Handelsvertragsverhandlungen gesehen. Es ist richtig: die bilaterale Methode muß aufgegeben werden, wir müssen zu multilateralen Abkommen übergehen. Aber, meine Damen und Herren, das kann zu ganz gefährlichen Entwicklungen in Deutschland führen!
Ich sehe in dieser Richtung sehr schwarz für die Landwirtschaft. Es erwächst eine große Gefahr für die deutsche Landwirtschaft, wenn wir nun die Liberalisierung des Handels durchführen, wenn wir also alle Waren herein- und hinauslassen, wie es die Wirtschaft jeweils braucht, vor allem unter dem Gesichtspunkt, daß die billigsten Waren hereinkommen. Es besteht dann nämlich die große Gefahr, daß die deutsche Landwirtschaft im Konkurrenzkampf mit dem Ausland, mit Holland, mit Italien, mit Frankreich und auch mit den Vereinigten Staaten von Amerika zugrundegeht,
daß dann die deutsche Landwirtschaft in ihrer heutigen Zusammensetzung nicht mehr erhalten werden kann.
Die Entwicklung drängt dorthin, und wir fürchten, daß irgendwie zu sehr nachgegeben wird.
Deshalb möchte ich die Regierung und insbesondere auch Herrn Minister Blücher bitten, diesen Gesichtspunkten seine besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Ich kann Ihnen keine bestimmten Vorschläge machen und will das heute auch nicht tun, aber ich möchte hier eine Warnungstafel aufgestellt haben.
Ein weiteres: die ganze, freudige Hoffnungen erweckende Entwicklung ist dadurch gefährdet, daß wir unser Flüchtlings- und Vertriebenenproblem nicht lösen können.
Hier liegt eine internationale Verpflichtung vor.
Wir dürfen uns keiner Täuschung hingeben: wir
können die 8, 10 oder 12 Millionen Flüchtlinge und Heimatvertriebene auf dem schmal gewordenen Gebiet von Westdeutschland auf die Dauer nicht ernähren,
und unsere ganze wirtschaftliche Entwicklung wird in das Gegenteil verkehrt, wenn hier nicht auf internationalem Gebiet Hilfe geschaffen werden kann.