Meine Damen und Herren! Der Oberstaatsanwalt beim Landgericht Oldenburg hat am 10. November vorigen Jahres durch die zuständigen Zwischenstellen beantragt, die Immunität des Herrn Abgeordneten Onnen aufzuheben. Dem Begehren liegt eine Schwurgerichtsanklage zugrunde, in der der Herr Abgeordnete Onnen angeschuldigt wird, Verbrechen gegen die Menschlichkeit dadurch begangen zu haben, daß er in einem kriegsgerichtlichen Verfahren über seine Zeugenpflicht hinaus den Angeklagten belastet habe.
Als vor mehreren Monaten durch die Presse bekannt wurde, daß gegen den Herrn Abgeordneten Onnen solche Anschuldigungen erhoben werden, war das eine große Sensation. Aber, meine Damen und Herren, in Wirklichkeit handelt es sich um eine sehr alte Sache. Das Verfahren ist durch einen Brief des damaligen oldenburgischen Ministerpräsidenten Tantzen vom 27. November 1945 in Gang gekommen, dem ein Bericht des Herrn Regierungspräsidenten in Auer vom 21. November 1945 und ein Schreiben des damaligen Angeklagten, des jetzigen Oberlandesgerichtsrats beim Oberlandesgericht in Oldenburg Dr. Schrader, vom 18. November 1945 beilag. Der Brief des oldenburgischen Ministerpräsidenten war an den Landrat des Landkreises Jever mit dem Ersuchen gerichtet, polizeiliche Ermittlungen gegen Herrn Onnen einzuleiten.
Die hauptsächliche Beschuldigung, die in diesem Schreiben enthalten war, lautete dahin, Onnen habe im Jahre 1942 Dr. Schräder denunziert und darauf hingearbeitet, die Verurteilung des Herrn Dr. Schräder zum Tode herbeizuführen. Die Schwurgerichtsanklage gegen Herrn Onnen ist durch den Oberstaatsanwalt beim Landgericht in Oldenburg aber erst am 16. August 1949 erhoben worden. Schon die lange Dauer der Ermittlungen läßt vermuten, daß es sich bei diesem Verfahren um eine sehr schwierige Angelegenheit handelt, und die Verhandlungen des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität haben gezeigt, daß schwere Mängel des Verfahrens insofern vorliegen, als Akten fehlen, die Hauptbeteiligten nicht mehr ermittelt werden können, wichtige Zeugen nicht beigebracht werden können und im ganzen ein schlüssiger Beweis kaum möglich sein dürfte.
Bevor der Immunitätsausschuß sich mit der Sache selbst befaßt hat, mußte er zu dem von Herrn Abgeordneten Onnen selbst gestellten Antrag auf Aufhebung seiner Immunität Stellung nehmen. Er war der Meinung, daß dieser Antrag unbeachtlich ist, weil die Immunität nach Auffassung des Ausschusses ein Recht zur Wahrung der Integrität des Parlaments und nicht ein Privileg des einzelnen Mitglieds des Parlaments ist. Der Ausschuß hat deshalb nur eine Abwägung der Interessen der Rechtspflege an der Durchführung dieses Strafverfahrens gegen die Interessen des Parlaments auf Wahrung seiner Integrität vorgenommen. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, die weiteren Ausführungen, .die ich als Berichterstatter zu machen habe, auch so aufzufassen. Es handelt sieh also bei der ganzen Dürftigkeit wenn ich mich so ausdrücken darf — des Materials, das hier zu prüfen ist, nicht darum, daß über den Erfolg der Strafverfolgung ein Urteil zu bilden wäre, sondern darum, zu beurteilen, ob das vorliegende Material ausreicht, die Frage zu bejahen, ob die Interessen der Rechtspflege den Interessen des Parlaments vorgehen.
Bevor der Ausschuß in die Erörterung dieser Frage eingetreten ist, mußte er sich mit einer objektiven Rechtsfrage beschäftigen. Es handelte sich nämlich um die Frage, ob der Bundestag nicht gegen das Grundgesetz verstoßen wird, wenn er sich überhaupt mit dieser Frage abgibt. Nach Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Die Anschuldigung gegen Herrn Onnen wird aber auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 erhoben. Diesem Gesetz kommt eine rückwirkende Geltung zu. Der Ausschuß hatte zu entscheiden, ob der Bundestag nicht jede Erörterung dieser Dinge, gestützt auf Artikel 3 Absatz 2 der Verfassung, verweigern müßte. Der Ausschuß ist dabei zu folgendem Ergebnis gekommen.
Das Kontrollratsgesetz Nr. 10 ist ein Akt der Interventionsbesetzung, der wie jede Interventionsbesetzung die Änderung der politischen, unter Umständen auch der wirtschaftlichen und sozialen Struktur des Besatzungsgebietes zum Zwecke hat. Das Kontrollratsgesetz Nr. 10 Aber die Bestrafung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgt das Ziel, das öffentliche Leben in Deutschland von solchen Verbrechen und Verbrechern zu reinigen. Der Ausschuß ist der Meinung, daß dieses Gesetz nur eine nachträgliche
Formulierung des Moskauer Abkommens vom 30. Oktober 1943 darstellt, das zwischen den Alliierten geschlossen worden ist. Dieses Abkommen ist einschließlich des Kontrollratsgesetzes eine opinio communis und begründet eine unmittelbare Rechtskraft gegen die Rechtsbrecher. Deshalb meinte der Ausschuß, daß der Artikel 103 Absatz 2 einer Strafverfolgung auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 nicht im Wege stehe. Er hat sich dabei insbesondere gegen die von manchen deutschen Gerichten vertretene Auffassung abgegrenzt, daß in dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 nur eine geläuterte Auffassung des Rechtssatzes nulla poena sine lege zutage getreten ist. Der Ausschuß ist der Meinung, daß das positive Recht des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 ausreicht, um im Bundestag, der durch das Besatzungsstatut Artikel 7 Buchstabe a so lange an dieses Kontrollratsrecht gebunden ist, als nicht ein deutsches Gesetz in derselben Materie ergeht, dazu Stellung zu nehmen. Der Ausschuß hat allerdings die Frage aufgeworfen, ob nicht, um absolute Rechtssicherheit zu schaffen, mit der Entscheidung der Frage so lange gewartet werden sollte, bis dieses deutsche Gesetz vorliegt. Ein Vertreter des Bundesjustizministeriums erklärte jedoch zu dieser Frage, daß die Vorarbeiten seit langem im Gange seien und daß die mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 verbundenen Rechtsfragen außerordentlich schwierig seien und deshalb noch längere Zeit vergehen würde, bis das Kontrollratsgesetz Nr. 10 über die Bestrafung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch ein deutsches Gesetz abgelöst werden könnte.
Nun muß ich auf den Inhalt der Anklageschrift eingehen. Der Ausgangspunkt des ganzen Verfahrens ist eine Auseinandersetzung, die zwischen dem damaligen Angeklagten Dr. Schräder und Herrn Onnen und anderen Personen im Sommer 1942 während eines Lehrganges der Akademie für Kriegsverwaltung in Berlin stattgefunden hat. Ich glaube, am objektivsten zu verfahren, wenn ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten diesen Teil der Anklageschrift wortwörtlich zur Kenntnis des Hauses bringe. Es heißt da auf Seite 4 und 5:
Am 13. August
— nämlich 1942 — kam der Zeuge
— das ist in diesem Falle Schräder —
während einer Unterrichtspause mit dem Angeschuldigten und einem andern Lehrgangsteilnehmer namens Behrend, dessen Aufenthalt nicht ermittelt werden konnte, in ein Gespräch. Als der Zeuge seine Enttäuschung zum Ausdruck brachte, daß ein von ihm gestellter Antrag, zur Wehrkreisverwaltung seines Heimatbezirks versetzt zu werden, abgelehnt worden sei, weil er den Wunsch gehabt habe, für den Fall der Demobilmachung näher bei seinem Wohnort zu sein, hielt ihm Onnen entgegen, daß seine Enttäuschung ungerechtfertigt. sei, da der Krieg ja sicherlich noch mehrere Jahre dauern werde. Hierauf entgegnete der Zeuge, daß sehr wohl mit Einer baldigen Demobilmachung zu rechnen sei und daß an einen Sieg nicht mehr zu denken sei, sondern daß allerhöchstens nur noch ein Verständigungsfriede zu erreichen sei. Auf den erregten Vorhalt des Angeschuldigten
— also Onnens — und des Behrend, wie er eine derartige Auffassung vertreten könne, erwiderte der Zeuge, daß diese Auffassung nicht nur von ihm, sondern auch von dem Taktiklehrer eines früheren Lehrganges, dem General von Schickfuß, der sich in diesem Sinne gegenüber dem Zeugen Heiken geäußert habe, vertreten werde. Unter anderem habe der General gesagt, daß der Krieg nur noch durch ein Wunder gewonnen werden könne; aber an Wunder glaube er nicht. Aus diesem Grunde hielte er allerhöchstens einen Verständigungsfrieden für erreichbar. Als der Angeschuldigte dazu bemerkte, daß der Führer bereits früher den Engländern Friedensangebote gemacht habe, erklärte der Zeuge, daß England diese Angebote nicht habe annehmen können, da die Annahme den Ruin Englands zur Folge gehabt hätte. Ein Verständigungsfriede müsse sich jedoch von den wichtigen Männern genau so herbeiführen lassen, wie dies nach seiner Überzeugung im Jahre 1917 möglich gewesen wäre, wobei natürlich Europa völlig neu aufgebaut werden müsse. Auf die Frage des Angeschuldigten
— also Onnens —,
wie er sich diesen Neuaufbau und die Stellungnahme des Führers zu derartigen Gedankengängen vorstelle, erwiderte der Zeuge, daß Hitler selbstverständlich verschwinden müsse, daß auch die Partei verschwinden müsse und ein völlig neues politisches System, in dem es keine geknechteten und unterdrückten Völker gebe, eingeführt werden müsse. Diese Ausführungen des Zeugen bezeichnete Onnen als hellen Wahnsinn.
Das ist der Ausgangspunkt in der ganzen Sache. Es erhebt sich nun zuerst die Frage, wer eigentlich der Denunziant gewesen ist. Die Ermittlungen darüber haben ein wirklich sicheres Ergebnis nicht erbracht. Es stehen aber folgende Tatsachen fest. Der in dem eben verlesenen Stück der Anklage genannte Behrend, ein Stabsintendant, hat sich sofort Aufzeichnungen über dieses Gespräch gemacht; er hat diese Aufzeichnungen Herrn Onnen in der nächsten Pause des Unterrichts gezeigt. Herr Onnen hat diese Aufzeichnungen signiert. Behrend aber hat, als Herr Dr. Schräder merkte, daß etwas im Gange ist, jedes Zurückweichen brüsk abgelehnt. Er hat schon während des Gespräches Dr. Schräder beschimpft, Es steht fest, daß Behrend den Zettel an einen Oberstleutnant Lutz weitergegeben hat und daß dieser Oberstleutnant Lutz diesen Zettel dann mit einer militärischen Meldung an das Standortgericht in Königsberg eingesandt hat. Aber, meine Damen und Herren, weder der Herr Lutz noch der Herr Behrend sind in ganz Deutschland zu ermitteln. Von Behrend fehlt jede Spur. Lutz hat zunächst in der sowjetischen Besatzungszone gewohnt, ist dann nach Oberbayern ausgewichen und ist vermutlich, als man in Oberbayern nach ihm suchte, in die sowjetische Besatzungszone zurückgekehrt. Soviel lassen die polizeilichen Ermittlungen zu. Auch die Anklage steht auf dem Standpunkt, daß Onnen nicht der Denunziant ist.
Onnen ist auch, wie sich aus den Akten und aus der Anklageschrift ergibt, nicht der einzige Belastungszeuge. Neben Onnen ist der schon mehrfach genannte Behrend als Belastungszeuge in den
verschiedenen kriegsgerichtlichen Verhandlungen
aufgetreten, über die ich nun zu sprechen habe.
Dr. Schrader wurde, nach Königsberg zurückgekehrt, am 31. August 194z verhaftet, und schon am 3. September 1942 fand gegen ihn vor dem Standortgericht in Königsberg die kriegsgerichtliche Verhandlung statt. In dieser Verhandlung hat Onnen die belastenden Angaben gemacht, die sich aus dem aus der Anklageschrift vorgelesenen Stück gegen Dr. Schräder ergeben; er hat sich dann noch mehrere Male zur Zeugenaussage gemeldet und ist auch noch — das steht ebenfalls fest — ein- oder zweimal vorgerufen worden.
Der Vertreter der Anklage hat gegen Dr. Schräder die Todesstrafe beantragt. Aber es nat sich nun in Königsberg etwas ereignet, was wohl nur demjenigen verstandlich ist, der die damaligen Verhältnisse kennt. Durch einen glücklichen Zufall, nämlich dadurch, daß der Beisitzer des Kriegsgerichts, der als Gefreite maskierte Rechtsanwalt Dr. Gettler, ermittelt werden konnte und über die interne Beratung des Kriegsgerichts ausgesagt hat, sind wir über diese besondere Umstände unterrichtet. Nachdem der Antrag auf Todesstrafe gestellt war, verkündete der Gerichtsvorsitzende nach kurzer Beratung, daß die ganze Sache vertagt werde, und der Angeklagte, gegen den die Todesstrafe beantragt war, wurde in Freiheit gesetzt. In der internen Verhandlung des Gerichts war nämlich der Rechtsanwalt Dr. Gettler als Rangjüngster — als Gefreiter — zuerst zu Wort gekommen und hatte als Jurist gegenüber dem berufsmäßigen Kriegsgerichtsrat Dr. Martens dargelegt, daß weder objektiv noch subjektiv die Anklage auf Zersetzung der Wehrkraft gerechtfertigt sei. Ein Oberst, der als Oberst von R. in den Akten bezeichnet wird, hat sich mit einem einzigen Satz der Rechtsauffassung des Dr. Gettler angeschlossen, worauf der Kriegsgerichtsvorsitzende erklärte, mit solchen Beisitzern diskutiere er überhaupt nicht, die Urteilsberatung verließ und mit einer Verordnung hereinkam, in der stand, daß solche Verfahren ja überhaupt nicht stattfinden könnten, bevor sie nicht dem Reichskriegsministerium gemeldet worden seien. Daraufhin wurde die Sache vertagt; der Angeklagte wurde in Freiheit gesetzt.
Die Sache wurde dann an das Kommandanturgericht in Berlin verwiesen. Der Strafantrag war am 13. Mai 1943 derselbe: Todesstrafe. Erkannt wurde auf 12 Jahre Zuchthaus. Dr. Schräder wurde verhaftet. Das Urteil wurde nicht bestätigt. Am 27. Januar 1944 fand eine neue Verhandlung statt. Das Schlußurteil lautete auf 5 Jahre Zuchthaus. In beiden kriegsgerichtlichen Verhandlungen in Berlin hat der Zeuge Onnen dasselbe Verhalten an den Tag gelegt wie in der Verhandlung beim Standortgericht in Königsberg.
Die Behauptung der Anklage geht nun, gestützt auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs für die britische Zone in Strafsachen Nr. 24 aus dem Jahre 1948, dahin, daß Onnen, indem er über seine Zeugenpflicht hinausgegangen sei, tatsächlich eine politische Verfolgung im Sinne des Artikel 21 c des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 über Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen habe. Meine Damen und Herren, auch damit hat sich der Ausschuß eingehend beschäftigt. Es ist festzustellen, daß weder die Königsberger noch die Berliner Akten zur Verfügung stehen. Es ist festzustellen, daß Behrend, Lutz und mehrere andere Zeugen, die gesucht werden, nicht da sind. Es ist festzustellen, daß der Rechtsanwalt Dr. Gettler, der Königsberger Beisitzer, nur aussagt, Onnen habe sich ungefragt und belastend geäußert. Ein weiterer Zeuge, der von der Staatsanwaltschaft gestellt wird — Heiken —, der bei den Verhandlungen des Kommandanturgerichts in Berlin gehört wurde, kann über die Zeugenaussage des jetzigen Angeschuldigten Onnen überhaupt keine Bekundungen machen, weil er erst nach dessen Zeugenaussage gehört worden ist. Ein dritter Zeuge, Dr. Götz, kann über Herrn Dr. Schräder und Herrn Onnen nur ein Leumundszeugnis geben. Er ist bei keiner der kriegsgerichtlichen Verhandlungen dabei gewesen und hat von der ganzen Sache nur durch Hörensagen erfahren. Übrigbleibt als Zeuge der Verteidiger Onnens in den Verhandlungen des Kommandanturgerichts Berlin, der bekannte Berliner Rechtsanwalt Dr. Steeg. Er bekundet, er habe von Onnen den Eindruck eines fanatischen Nationalsozialisten gehabt,
macht aber dazu keine tatsächlichen Angaben und bestätigt, daß sich Onnen ungefragt zu einer Ergänzung seiner Zeugenaussage gemeldet hat.
Was den fanatischen Nationalsozialisten angeht, so ist hervorzuheben, daß der damalige Rechtsanwalt und Notar Onnen im Jahre 1934 Mitglied der SA geworden ist.
Ausweislich einer Karteikarte des Document Centre soll er seit dem 1. Mai 1937 Mitglied der NSDAP gewesen sein.
Er bestreitet das und erklärt, daß eine solche Karteikarte höchstens auf Grund einer listenmäßigen Überführung aus der SA zustande gekommen sein könne. Er hat auch in seinem Fragebogen angegeben, nicht Mitglied der NSDAP gewesen zu sein. Er wurde deshalb wegen Fragebogenfälschung angeklagt und ist am 2. Januar 1947 vom Mittleren Britischen Militärgericht von dieser Anklage freigesprochen worden, allerdings nicht wegen erwiesener Unschuld, sondern nur mangels Beweises. Das Mittlere Britische Militärgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß eine Karteikarte kein ausreichender Urkundenbeweis für eine Verurteilung ist.
Danach, meine Damen und Herren, ist Onnen vor den Entnazifizierungsausschuß gekommen. Der Entnazifizierungsausschuß hat ihn unter Berücksichtigung der Tatsache, daß er durch das nationalsozialistische Gesetz über die Selbständigkeit der Notariate, wenn ich es einmal leger so nennen darf, im Jahre 1938 seine Existenz als Notar verloren hat, in die Gruppe V, der Entlasteten, eingereiht.
Ich habe Ihnen diese ganze Rechtslage ausführlich vorgetragen, nicht — ich betone es noch einmal —, um Ihnen zu ermöglichen, sich ein Urteil über den Erfolg der Strafverfolgung zu bilden — denn das wäre für die Entscheidung dieses
Hauses unzulässig —, sondern um Ihnen ein Bild
darüber zu geben, wie außerordentlich schwierig
der ganze Fall durch den Mangel wirklich beweiskräftiger Zeugen und Urkunden ist. Angesichts
dieser ganzen Rechtslage und angesichts der Gefahr, daß nun aus der behaupteten politischen
Verfolgung des Herrn Dr. Schräder durch Onnen
eine rein politische Verfolgung des jetzigen Angeschuldigten Onnen werden könne, ist der Aus-
schuß für Geschäftsordnung und Immunität zu der Auffassung gekommen, daß in diesem Falle die Integrität des Parlaments dem Interesse der Rechtspflege an der Strafverfolgung vorgehen sollte. Er hat deshalb am 8. Dezember beschlossen, den Antrag des Oberstaatsanwalts beim Landgericht in Oldenburg vom 10. November 1949 auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Onnen abzulehnen, und als Berichterstatter habe ich Ihnen, meine Damen und Herren, zu empfehlen, diesem Antrag beizutreten.