Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 25. Sitzung des Deutschen Bundestags. Die Tagesordnung liegt Ihnen vor.
— Verzeihung, sie ist in den letzten 5 Minuten verteilt worden.
- Sie liegt also den meisten Mitgliedern des Hauses vor.
Gestatten Sie, daß ich trotzdem beginne. Ich habe noch eine amtliche Mitteilung zu machen, bevor wir in die Tagesordnung eintreten. Der Senat der Hansestadt Hamburg hat mir den Antrag des Oberstaatsanwalts beim Landgericht Hamburg betreffend Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Dr. Oellers übermittelt. Ich bitte Sie, von diesem Eingang Kenntnis zu nehmen und nach dem bisher gepflogenen Verfahren Ihr Einverständnis damit zu erklären, daß ich diesen Eingang dem zuständigen Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität überweise.
Wir treten dann in die Tagesordnung ein. Ich rufe auf Punkt 1 a:
Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Vorlage eines KB-Leistungsgesetzes .
Soviel ich weiß, ist diese Drucksache noch nicht restlos verteilt. Oder ist sie verteilt?
— Dann werde ich mir erlauben, diese Interpellation der Fraktion der SPD zu verlesen:
Der Ausschuß für Kriegsopfer und Kriegsgefangenenfragen und der Ausschuß für Sozialpolitik haben am 27. 10. in Erledigung der Anträge 107 und 108 betreffend Vorlage eines Überbrückungsgesetzes einstimmig beschlossen, die Regierung zur alsbaldigen Vorlage eines entsprechenden Gesetzes durch den Bundestag aufzufordern.
Die Vertreter des Bundesarbeitsministeriums haben die feste Zusage gegeben, daß die Vorlage beschleunigt eingebracht werden soll, damit ihre Verabschiedung noch vor Weihnachten erfolgen könne.
Die Vorlage liegt bis heute dem Bundestage nicht vor. Eine Verabschiedung zu dem vorgesehenen Zeitpunkt ist deshalb nicht möglich.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Warum ist nicht unverzüglich nach Bildung der Bundesregierung das vom Wirtschaftsrat verabschiedete, aber von den Militärgouverneuren nicht genehmigte Gesetz dem Bundestag zur Beschlußfassung vorgelegt worden?
2. Ist die Regierung bereit, eine endgültige Zusage zu geben, wann das Gesetz dem Bundestag zugeleitet werden wird?
Punkt 1 b betrifft den
Antrag der Abgeordneten Renner und Genossen betreffend Überbrückungsmaßnahme für rentenberechtigte Kriegsopfer.
Er liegt als Drucksache Nr. 340 dem Hohen Hause vor.
Zur Beantwortung der Interpellation auf Drucksache Nr. 344 in Verbindung mit dem Antrag auf Drucksache Nr. 340 erteile ich dem Vertreter des Herrn Bundesarbeitsministers, der durch eine Dienstreise am Erscheinen verhindert ist, Herrn Staatssekretär Sauerborn das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die- heutige Kriegsopferversorgung beruht
auf Landesrecht. Es bestehen zur Zeit sieben verschiedene landesgesetzliche Regelungen, die inhaltlich, insbesondere auch in der Höhe ihrer Leistungen, wesentlich voneinander abweichen. Am 20. September 1949 hat der Herr Bundeskanzler ein einheitliches Versorgungsgesetz in Aussicht gestellt. Das Bundesarbeitsministerium hat die Vorarbeiten unverzüglich aufgenommen. Dem Ausschuß für Kriegsopferversorgung ist bereits ein wesentlicher Teil der für das Gesetz notwendigen Unterlagen zugeleitet worden.
Das vom Wirtschaftsrat verabschiedete Gesetz konnte in der beschlossenen Fassung nicht vorgelegt werden, weil erstens infolge Errichtung des Bundes auch die französische Besatzungszone mit berücksichtigt werden mußte, zweitens in der Zwischenzeit in einzelnen Ländern Änderungen der Versorgungsgesetze erfolgt sind, drittens die Finanzlage der Länder sich inzwischen weiter verschärft hat und damit in Zusammenhang, wie Ihnen bekannt ist, im Bunde selbst bis zu Beginn des neuen Haushaltsjahres eigene Mittel nicht zur Verfügung stehen.
Wegen der besonderen Notlage der Kriegsbeschädigten hat die Bundesregierung daneben, so wie sie beauftragt ist, geprüft, welche vorläufigen Maßnahmen zur Verbesserung der Leistungen getroffen werden können. Sie erscheinen insbesondere notwendig, um die Leistungen in d e n Ländern der amerikanischen und britischen Zone zu verbessern, die im Jahre 1949 noch keine Verbesserung von sich aus durchgeführt haben. Insbesondere kommen die Gewährung von Teuerungszulagen und eine Erweiterung des Kreises der anspruchsberechtigten Witwen in Frage. Jede Verbesserung der Leistungen an die Kriegsopfer geht bis zum Schluß des laufenden Haushaltsjahres zu Lasten der Länder. Es genügt deshalb nicht, einen Gesetzentwurf aufzustellen; er muß auch in seinen Mehrleistungen finanziert werden.
Die Bundesregierung hat deshalb unverzüglich die Verhandlungen mit den Ländern über die Bereitstellung neuer Mittel geführt. Auch das ist mit der gebotenen Beschleunigung geschehen. Leider haben sich die Verhandlungen wegen der schwierigen Finanzlage über längere Zeit erstreckt, als das ursprünglich vorgesehen war. Der Haushalt der Länder ist nämlich durch Aufwand für die Kriegsopfer bereits erheblich belastet. Die Aufwendungen an Renten allein betragen im Bundesgebiet zur Zeit jährlich 2,4 Milliarden DM. Diese Summe ist im Zusammenhang mit dem Antrag des Abgeordneten Renner von Bedeutung. Der Antrag bedeutet, da die Gesamtkosten im Jahre 2,4 Milliarden ausmachen, ein Zwölftel von 2,4 Millarden DM, eine Ausgabe von rund 200 Millionen DM.
Bei der Belastung der Länder ist zu berücksichtigen, daß diese Ausgaben zahlenmäßig bei vielen Ländern an zweiter Stelle des Haushalts stehen. Die Länder hatten sich deshalb außerstande erklärt, neue erhebliche Mittel bereitzustellen. Es ist aber der Bundesregierung gelungen, einen Betrag von 80 Millionen DM für diese Verbesserungen zur Verfügung zu stellen.
Das Bundesarbeitsministerium hat daher einen Gesetzentwurf fertiggestellt, der den Kriegsopfern Teuerungszuschläge in den Ländern gewährt, die im laufenden Jahr noch keine Verbesserung durchgeführt haben. Außerdem soll der Kreis der versorgungsberechtigten Witwen in den Ländern, in denen er noch enger gezogen ist — das sind Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein —, an die Verbesserungen der anderen Länder der ameri-
kanischen und britischen Zone angeglichen werden. Diese beiden Maßnahmen allein nehmen die zur Verfügung stehenden 80 Millionen voll in Anspruch.
Das Überbrückungsgesetz ist im Bundesarbeitsministerium fertiggestellt und wird den gesetzgebenden Körperschaften unverzüglich zugeleitet. Das einheitliche Versorgungsgesetz, an dem die Arbeiten in vollem Gange sind, wird so beschleunigt fertiggestellt und den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet, daß es voraussichtlich bis zum Beginn des neuen Haushaltsjahres in Kraft treten kann.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Sauerborn vom Bundesministerium für Arbeit gehört. Wird das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Renner!
Meine Damen und Herren! Der Herr Staatssekretär Sauerborn hat seine Ausführungen mit der Feststellung begonnen, daß im Gebiet der Republik sieben verschiedene Versorgungsgesetze in Kraft sind. Das ist nichts Neues. Er hat gesagt, daß seit dem Zeitpunkt, an dem seinerzeit der Wirtschaftsrat die zwanzigprozentige Erhöhung der Rentenbezüge beschlossen hatte, die an dem Veto der Herren Militärgouverneure gescheitert ist, eine weitere Verschlechterung der Finanzlage der Länder eingetreten sei. Das ist auch nichts Neues. Aber ich erlaube mir bei dieser Feststellung einen kleinen Seitenhieb. Diese Verschlechterung der Finanzlage der Länder hat die Länder und die in den Ländern herrschenden Parteien nicht aufgehalten, eine Pensionsgesetzgebung für die ehemaligen Wehrmachtsbeamten in einer Höhe durchzuführen, die wesentlich über dem Höchstsatz der Rente eines hundertprozentig Kriegsbeschädigten mit Pflegezulage liegt. Bei den ehemaligen Generalen und höheren Offizieren, die heute eine Pension von durchschnittlich 160 DM pro Monat beziehen können, dazu noch ein nicht anrechnungsfähiges Arbeitseinkommen von 160 DM, die also rund 320 DM Einkommen im Monat haben dürfen, bei diesen Herren handelt es sich um körperlich gesunde Menschen, die nur infolge des Wegfalls, des zeitweiligen Wegfalls ihres Arbeitsplatzes, der Wehrmacht nämlich,
arbeitslos geworden sind. Wenn ich sage „zeitweilig", so wissen Sie, was ich damit meine. Ich stelle also nur einen eigenartigen Widerspruch fest, daß trotz der aufgezeigten Finanznot der Länder für diesen Personenkreis, an dessen Erhaltung als Traditions-Generalstab Ihnen ja gelegen ist, Gelder in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen.
Der Herr Vertreter des Herrn Arbeitsministers hat auch gesagt, daß man sich darüber einig sei, daß ein zentrales Versorgungsgesetz an Stelle der jetzt vorhandenen sieben verschiedenen, auch in ihrer Höhe unterschiedlichen Versorgungsgesetze geschaffen werden solle. Aber nun lassen Sie mich zu der Geschichte dieser Anträge auf Schaffung eines Überbrückungsgesetzes etwas sagen. Wir haben es mit zwei Anträgen zu tun. Die CDU/CSU-Fraktion hat es für richtig erachtet, einen Antrag auf Gewährung von Zulagen zu stellen, und wir haben am selben Tage, am 18. Oktober, also vor fast 2 Monaten, bereits einen Antrag auf Schaffung eines Überbrückungsgesetzes gestellt, das in seiner Tendenz, wenn es angenommen worden wäre, eine 60prozentige Erhöhung der derzeitigen
Rentensätze für die Kriegsbeschädigten, die Witwen, die Waisen und die Kriegereltern nach sich gezogen hätte.
Welches Schicksal hat nun dieser hier einstimmig gefaßte Beschluß auf Schaffung eines derartigen Überbrückungsgesetzes gehabt? Ich zitiere Protokolle der zuständigen Ausschüsse; ich zitiere also Originaldokumente des Bundestags. Fangen wir einmal bei dem Dokument vom 13. 12. 1949 an; das klärt die Situation am eindeutigsten. In diesem Protokoll des Ausschusses für Kriegsopferfragen heißt es:
Der Ausschuß hat am 27. Oktober 1949 in seiner Sitzung festgelegt, daß der Bundestag beschließen möge, die Bundesregierung zu ersuchen, als Sofortmaßnahme bis zur Vorlage eines neuen Versorgungsgesetzes ein Überbrückungsgesetz zu schaffen, in dem — —,
und nun kommen die Voraussetzungen, die in diesem, Überbrückungsgesetz eingehalten werden sollten. Ich zitiere sie aus dem vorhergehenden Protokoll, nach dem „Kriegsopfern, die infolge Ihrer körperlichen Beschaffenheit ohne Einkommen und nur auf ihre Rente angewiesen sind, den heutigen Verhältnissen entsprechend Aufbesserungen ihrer Rente zuteil werden sollen", „die Krankenversicherung der Kriegshinterbliebenen, die bisher keinen Versicherungsschutz genießen, Berücksichtigung finden soll" und nach dem „die Übergangsregelung hinsichtlich der materiellen Leistungen über den Rahmen des seinerzeit vom Wirtschaftsrat beschlossenen, aber von der Militärregierung nicht genehmigten Gesetzes hinausgehen soll."
Dieses damalige, von der Militärregierung nicht genehmigte Gesetz hätte eine Mehrausgabe von 80 Millionen bedingt, wie wir heute gehört haben. Der Ausschuß war also der Auffassung, daß über diese 80 Millionen hinausgegangen werden solle. Ich schicke das voraus, um nachher noch etwas zu der Zahl sagen zu können, die heute der Vertreter des Arbeitsministeriums als Auswirkung der etwaigen Annahme unseres Antrags auf Zahlung einer 13. Monatsrente zitiert hat.
Was ist denn los? Im Protokoll heißt es weiter:
Der Bundestag hat diesen Beschluß des Ausschusses am, 4. 11. 1949 sanktioniert und damit der Bundesregierung entsprechenden Auftrag erteilt,
also ein Gesetz zu schaffen, das diese Richtlinien als Mindestrichtlinien beinhalten soll. Dann Schweigen im Walde!
Dann kam es am 30. 11. — immer laut Protokoll — zu einer Aussprache zwischen dem Herrn Vorsitzenden des Ausschusses und den Vertretern des Arbeitsministeriums. „In dieser Besprechung haben die Vertreter des Ministeriums eine ausführliche Darstellung über die materiellen Absichten", die sie bei der Schaffung des neuen Gesetzes verfolgen und „die in diesem neuen Gesetz ihren Niederschlag finden sollen, gegeben. Der Vorsitzende des Ausschusses äußerte zu diesem Entwurf noch einige Abänderungswünsche. In dieser Besprechung haben die Herren erklärt" — so steht es hier wörtlich im Protokoll —, „daß diese Vorlage sofort an alle Länder hinausgehen würde und daß die Besprechungen mit den Ländern so geführt werden sollen, daß am 8: Dezember die Konferenz der Länderfinanzminister endgültig Stellung nehmen könnte."
Im Ausschuß wurde ganz offen am 13. Dezember ausgesprochen, daß sowohl das Arbeitsministerium diese notwendigen Verhandlungen mit den Finanzministern der Länder nicht mit der gebotenen Eile und mit der gebotenen Energie durchgeführt hat, wie das auch in diesem Ausschuß — einstimmig, möchte ich sagen — festgestellt worden ist, daß ein glattes Versagen der Ländervertreter in der Frage der Bereitstellung der Mittel für die Durchführung des Überbrückungsgesetzes vorliegt.
Nun hat der Herr Vertreter des Arbeitsministeriums hier eine Zahl genannt; er sagte, daß die Realisierung unseres Antrags, der darauf hinausläuft, den Rentenberechtigten mit der Januarrente, die bekanntlich Ende dieses Monats zur Auszahlung kommt, einen dreizehnten Monatsrentenbetrag zuzüglich zu zahlen, einen Kostenaufwand von 200 Millionen Mark erfordern würde. Aus dem dem Ausschuß vom Herrn Arbeitsminister gelieferten Material geht hervor, daß die gesamten Ausgaben im Bundesgebiet für die Kriegsopferversorgung, also Renten zuzüglich Verwaltungsausgaben, Ausgaben für Heilbehandlung usw. usw., den genannten Betrag ausmachen. Die nackten Renten machen einen geringeren Betrag aus, der, dividiert durch 12, rund 155 Millionen Mark Mehrausgabe laut amtlichen Statistiken erforderlich macht.
Nun kommt die letzte Phase dieses Kampfes um die Sicherung eines Versprechens, das das Arbeitsministerium nicht nur uns, sondern auch den Kriegsopfern draußen gegeben hat. Gestern noch hat der Vertreter des Kabinetts, der Herr Minister Kaiser, im Ältestenrat zugesagt, daß er Gelegenheit nehmen werde, in der heutigen Kabinettssitzung das Problem vorzutragen und die Frage zu stellen, ob und in welcher Form die Zahlung die-ses dreizehnten Monatsbetrages realisiert werden könne. Heute mittag haben wir im Ältestenrat erfahren, daß der Herr Minister Kaiser an der Einhaltung dieser uns gestern im Ältestenrat gegebenen Zusage dadurch verhindert war, daß er heute morgen im Ältestenrat den Streitfall, der heute morgen hier entstanden ist, mit klären mußte. Das Kabinett, stelle ich fest, hat also heute früh keine Zeit und keine Gelegenheit gehabt, sich zu dieser Frage zu äußern.
Die Dinge liegen einfach so, daß man den Kriegsopfern nicht helfen will. Die Zusage, die uns heute der Herr Vertreter des Arbeitsministeriums gegeben hat, ist doch nichts anderes als weiße Salbe, Schaum.
— „Schaum!", damit Sie es besser verstehen! — Haben wir das im Ausschuß von ihm erwartet? Der Ausschuß hat von ihm erwartet, daß er konkret sagt, was er jetzt im Augenblick zu tun gedenkt. Das war der Auftrag, der ihm erteilt worden ist. Darauf sollte er Antwort geben. Er hat uns jetzt in Aussicht gestellt, daß das Überbrückungsgesetz beinahe fertiggestellt ist. Dem Ausschuß ist bisher nicht eine Spur eines fertiggestellten Überbrückungsgesetzes zugeleitet worden. Er hat gesagt, daß das von der Gesamtheit des Bundestags geforderte zentrale Versorgungsgesetz so rechtzeitig fertiggestellt werden würde, daß es mit Beginn des neuen Etatjahres, soll heißen am 1. April 1950, in Kraft treten könne. Ich wage hier zu behaupten — und kein Fachmann wird mir widersprechen dürfen —, daß diese Versprechungen inhaltlos sind und zu nichts verpflichten. Im Ältestenrat ist mir heute nachmittag gesagt worden, die Durchführung
dieses unseres Antrages würde die Notwendigkeit der Schaffung eines Gesetzes bedeuten. Nun, zur Schaffung eines Gesetzes war der Herr Minister ja schon vor zirka sechs Wochen beauftragt!
Nun noch ein letztes Wort. Den Kriegsopfern draußen, den armen Menschen, die mit ihren Hungerrenten vegetieren, die einen von Ihnen allen bejahten Anspruch auf Erhöhung ihrer Rentenbezüge haben, hat man ganz konkret versprochen, daß das Überbrückungsgesetz noch vor Weihnachten in Kraft treten werde. Diese Mitteilung ist den Zeitungen und dem Nordwestdeutschen Rundfunk aus dem Büro des Herrn Bundesarbeitsministers zugegangen. Sie ging durch die Presse, und sie ging über den Rundfunk. Die Kriegsopfer draußen haben die Hoffnung gehabt, daß das Ministerium und daß der Bundestag diese Zusage vor Weihnachten realisieren würden, und im Ausschuß wurde allgemein bedauert, daß die Bundesregierun nicht schneller gearbeitet habe und daß durch diese Falschmeldungen in der Presse in den Kreisen der Kriegsopfer Illusionen entstanden seien. Ferner wurde ganz allgemein bedauert, daß die armen Kriegsopfer nun noch länger auf eine kleine Hilfe warten müssen. Da hat man also so etwas wie ein echtes Mitgefühl gezeigt. Nun gilt es, das zu beweisen. Ich habe im Ältestenrat darauf hingewiesen, daß wir Kommunisten in bezug auf dieses Gesetz keinen Autorenstolz haben. Ich habe ganz offen ausgesprochen, daß wir bereit sind, dem zuzustimmen, daß das Gesetz einheitlich von allen Fraktionen eingebracht wird. Das wurde abgelehnt; niemand ging auf dieses Angebot ein. Ich folgere aus diesem Verhalten der Fraktionen, daß man diesen letzten Versuch, noch zu Weihnachten eine kleine Hilfe zu gewähren, unterlassen will und unterlassen wird. Ich füge kein weiteres Wort der Kritik bei. Ich gebe nur der Hoffnung Ausdruck, daß in Zukunft die hungernden deutschen Kriegsopfer nicht mehr auf Zusagen der in diesem Hause herrschenden Regierung und Parteien hereinfallen werden.
Meine Damen und Herren, wird das Wort weiter gewünscht? — Herr Abgeordneter Bazille, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit einer flammenden Anklage gegen die Bundesregierung oder gegen das Arbeitsministerium ist den Kriegsopfern in dieser Stunde nicht gedient So beklagenswert der Umstand ist, daß das Arbeitsministerium nicht in der Lage war, dem Hause noch vor Weihnachten eine Gesetzesvorlage zur Beschlußfassung zu unterbreiten, so würde doch eine polemische Auseinandersetzung — etwa im Stile des Herrn Kollegen Renner — an diesem Tatbestand nichts zu ändern vermögen. Was uns übrigbleibt, ist der Versuch, das Fazit aus dem zu ziehen, was uns der Herr Staatssekretär Sauerborn im Auftrage seines Herrn Ministers hier gesagt hat. Ich will diesen Versuch unternehmen, indem ich Ihnen die Bitte unterbreite, zu beschließen, daß der Bundestag das Bundesarbeitsministerium beauftragt, alle Maßnahmen zu treffen, um auf dem Wege von Vorschußzahlungen im Sinne des Überbrückungsgesetzes, das ja nun nicht mehr vor Weihnachten dem Hause vorgelegt werden kann, dem in diesem Gesetz bezeichneten Personenkreis die aus diesem Gesetz resultierenden Leistungen zukommen zu lassen.
Da andererseits durch die beklagenswerte Verzögerung des Überbrückungsgesetzes die Absicht, die mit diesem Gesetz verknüpft war, im wesentlichen gegenstandslos geworden ist, weil ein solches Gesetz, soweit es einigermaßen befriedigende Verbesserungen bringen sollte, frühestens im März bzw. April des kommenden Jahres für die Kriegsopfer eine Rentenerhöhung bringen könnte, so glaube ich, daß wir den Gedanken fallen lassen sollten, dieses Gesetz in dem Sinne, wie es gedacht war, zwischen das große Gesetzgebungswerk der Neuregelung der Kriegsopferversorgung einzuschieben,
und daß nunmehr der Bundestag vom Arbeitsministerium verlangen sollte — und ich glaube, den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs entnehmen zu können, daß die Vorarbeiten bereits bis zu einem gewissen Umfang vorangetrieben worden sind —, das endgültige Versorgungsgesetz mit tunlichster Beschleunigung vorzulegen. Das Überbrückungsgesetz könnte technisch kaum zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt hinsichtlich seiner Leistungen wirksam werden. Wir würden mit einer Debatte über dieses Überbrückungsgesetz nur weiterhin wertvolle Zeit versäumen, die den Kriegsbeschädigten verlorenginge. Wenn wir beschleunigt an die große Aufgabe der grundsätzlichen Reform herantreten, bringen wir den Kriegsopfern damit das, worauf sie einen berechtigten Anspruch und mit einer großen und anerkennenswerten Geduld die vergangenen Jahre gewartet haben.
Ich appelliere noch einmal an das Haus, daß man angesichts der Notlage unserer Kriegsopfer, denen man durch ihre Entrechtung schweres Elend und große Not zugefügt hat, diese Menschen nicht noch weiter durch polemische Auseinandersetzungen verbittert,
ohne materielle, wirksame Hilfe zu geben. Man sollte auf die Absicht verzichten, bei der Behandlung dieses Gegenstandes parteipolitische Effekte zu erzielen,
und dafür mit tunlichster Beschleunigung nunmehr die entsprechenden Maßnahmen einleiten, die allein geeignet sind, die Kriegsbeschädigten aus ihrer Notlage zu befreien.
Nicht durch große Worte, Herr Kollege Renner, sondern nur durch soziale Taten kann den Kriegsopfern geholfen werden.
Darf ich den Herrn Abgeordneten Bazille bitten, das, was er dem Sinne nach gesagt hat, freundlicherweise zu formulieren; denn ich nehme an, daß es ein Abänderungsantrag zu dem Antrag Drucksache Nr. 340 ist. Es läßt sich dann geschäftsmäßig besser arbeiten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Arndgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem Falle wäre es vielleicht dienlich gewesen, wenn der Herr Abgeordnete Renner seine flammenden Ausführungen etwas
lauter vorgetragen hätte, und zwar so laut, daß sie auch in der Ostzone gehört worden wären;
denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man sich die Kriegsopferversorgung in der Ostzone einmal näher ansieht,
dann muß man feststellen, daß die Sätze nicht an die herankommen, die hier im westdeutschen Gebiet schon seit langem bezahlt worden sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben ja gehört, daß es der Regierung nicht möglich gewesen ist, ein Überbrückungsgesetz zu schaffen, wie es von dem Hohen Haus und auch von dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen gewünscht wurde. Nachdem heute die Regierung erklärt hat, daß sie Mittel zur Verfügung stellen will, um für eine Zeit, für die der Bund an sich nicht zuständig ist, den Kriegsopfern Teuerungszulagen zu gewähren, und in den Ländern, wo der Kreis der Witwenversorgung nicht so gezogen ist wie in einigen anderen Ländern, auch hierfür Mittel zur Verfügung stellen will, möchte ich die Regierung dringend bitten, die nachgeordneten Dienststellen anzuweisen, diese Teuerungszulagen rechtzeitig auszuzahlen. auch dann, wenn das Überbrückungsgesetz noch nicht verabschiedet ist, damit, wenn schon die Kriegsopfer nicht vor Weihnachten ein geringes Zusätzliches bekommen, dann doch kurz nach den Feiertagen die Teuerungszulagen ausgezahlt werden können. Wenn sich die Regierung mit diesem Wunsch einverstanden erklären kann, dann bitte ich das Hohe Haus, die beiden Anträge unter den Punkten la und lb der Tagesordnung durch die Regierungserklärung als erledigt zu betrachten.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Bitte, Herr Staatssekretär Sauerborn!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Ich möchte nur ganz kurz auf die Ausführungen der Vorredner antworten. Es ist bestimmt nicht an dem, daß die Bundesregierung nicht ein warmes Herz für die Opfer hätte, die nun auf diese Dinge warten müssen. Aber der Finanzminister ist auch kein Zauberer. Wir, das Bundesarbeitsministerium, können wohl ein Gesetz fertigstellen, aber es Ihnen ohne Deckung vorlegen, das können wir nicht. Sie werden daraus ersehen, daß wir sehr gegen unseren Willen erst jetzt in der Lage sind, Ihnen das Gesetz zugänglich zu machen. Wir werden selbstverständlich alles tun, was in unserer Macht steht, um die Auszahlung der Beträge an die Betroffenen so schnell wie möglich zu leisten. Darüber hinaus darf ich Ihnen mitteilen: in unserem Gesetzentwurf ist vorgesehen, daß die Leistungen nicht erst im April oder Mai oder im März beginnen, sondern daß sie ab 1. Januar laufen sollen. Das wollte ich noch hinzufügen.
Das Wort hat der Herr Abgeordneter Renner.
Der Bundestag hat die von mir zitierten Anträge der CDU/CSU und der KPD auf Schaffung eines Überbrückungsgesetzes einstimmig gebilligt. Bei der Aussprache darüber wurde von mir gesagt, daß die Schaffung eines neuen einheitlichen Gesetzes Monate in Anspruch nehmen werde. Heute haben wir gehört, daß der verantwortliche Spitzenfunktionär einer Kriegsopferorganisation den Bundestag ersucht, den Gedanken eines Überbrückungsgesetzes fallenzulassen und gleich auf das große einheitliche, zentrale Versorgungsgesetz hinzusteuern. In den Ländern, in denen hauptsächlich die Organisation fundiert ist, deren Hauptverantwortlicher heute in der Person des Herrn Kollegen Bazille gesprochen hat, haben noch am letzten Sonntag Protestkundgebungen der Kriegsopfer stattgefunden, in denen Sprecher dieser Organisation mit begeisterter Zustimmung der Teilnehmer verlangt haben, daß das Überbrückungsgesetz noch vor Weihnachten, wie es von der Regierung zugesagt worden ist, verabschiedet wird. Einer der Herren Sozialdemokraten hat vor einiger Zeit einmal angedeutet, daß er in mir eine gewisse Zwiespältigkeit entdeckt hat. Er hat von einem psychologischen, unerklärlichen Wunder gesprochen.
Mir scheint der Gesinnungswechsel, der heute hier zutage getreten ist, mehr zu sein als ein psychologisches Wunder,
nämlich eine deutliche Annäherung der SPD an die tatsächliche Politik der Herrschenden, also der Koalitionsparteien.
Nun zu dem Sprecher der CDU! Haben Sie es sich nicht ein bißchen billig gemacht? Was haben die Kriegsopfer in Westdeutschland, die Ihrer eigenen Meinung nach Hungerrenten beziehen, davon, wenn Sie darauf verweisen, daß die Kriegsopfer in der Ostzone auch Hungerrenten beziehen?
Nichts haben sie davon! — Ich würde sofort aufhören zu reden, wenn Sie unserem Antrag zustimmen würden, die dreizehnte Monatsrente Ende des
Monats Dezember auszuzahlen. Ich schließe ab: ich
wäre höchst zufrieden; aber die Gefahr laufe ich
nicht. Mein lieber Herr Sprecher der CDU, ich habe
Ihnen zugerufen, daß Sie von der Versorgungsgesetzgebung in der Ostzone keine Ahnung haben.
Wenn Sie nämlich eine Ahnung hätten, dann wären
solche Feststellungen aus Ihrem Munde unmöglich.
— Frau Schroeder, Sie als Berliner Vertreterin wagen hier zu sagen, daß es da überhaupt keine Rentenbezüge gibt?
Das ist das Höchste, was ich bisher aus dem Munde eines sogenannten Berliner Vertreters an irreführender Darstellung gehört habe, um mich einer Dame gegenüber ganz vornehm auszudrücken.
Das ist das Maximum.
Aber zurück zu der Frage: Was haben wir im Westen davon, wenn Sie fälschlich und irrtümlich und bewußt falsch auf die angebliche Notlage der Kriegsopfer im Osten hinweisen. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt: Hic Rhodus, hic salta! Unsere
Kriegsbeschädigten demonstrieren, weil sie Hunger haben, sie warten auf Ihre Einlösung der gegebenen Zusage. So liegen die Dinge.
Um nun das Bild abzurunden, eine letzte Feststellung. Warum haben denn alle Parteivertreter am 13. Dezember im Ausschuß so bittere Krokodilstränen, sage ich jetzt, geweint? Protokoll, nicht meine eigene Darstellung:
In der Diskussion wurde von allen Rednern der Verlauf der Vorarbeiten für die gesetzliche Übergangsregelung stark bedauert und die Auswirkungen der Verzögerung auf die Öffentlichkeit, insbesondere bei den beteiligten Kriegsopfern. Die unverantwortlichen Pressemeldungen und Erklärungen im Rundfunk wurden sehr stark kritisiert. Übereinstimmend war der Ausschuß der Auffassung, daß unter allen Umständen eine Erklärung in dieser Frage im Bundesparlament erfolgen müsse und auch eine feste Zusage des Ministers über den Termin, an dem nun endgültig die Verabschiedung des Gesetzes erfolgen werde.
Was haben wir gehört? Haben wir einen Termin gesagt bekommen? Haben wir, was den Inhalt angeht, etwas Konkretes vom Vertreter des Arbeitsministeriums gehört? Nichts haben wir gehört als inhaltlose Phrasen, und ich schließe mit der Feststellung, daß man sich in Zukunft abgewöhnen möge, — —
Phrasen?
Phrasen sind Redensarten, sehen Sie im Lexikon nach!
Zwischen Phrasen und Redensarten ist ein Unterschied.
— Erlauben Sie, wenn Ihnen jemand entgegenrufen würde: „Sie machen Phrasen", und wenn ich
dem Betreffenden, der das gesagt hat, sage: „Das
gehört sich nicht gegenüber einem Abgeordneten",
dann würden Sie sagen: „Ich danke Ihnen, Herr Präsident, für die Zurechtweisung des Abgeordneten."
Genau so muß ich Ihre Bemerkung zurückweisen.
Renner Abgeordneter: Ich wäre schon seit einer Minute weg, wenn Sie mich nicht unterbrochen hätten, Herr Präsident!
Ich stelle zum Abschluß fest: gewöhnen Sie sich doch dann auch im Ausschuß ab, Krokodilstränen zu weinen, wenn Sie in der Praxis nichts für die Kriegsopfer zu tun bereit sind!
Noch ein letztes Wort! Halten Sie die Kriegsopfer wirklich für so dumm, daß sie nicht unterscheiden können zwischen Ihren unverbindlichen Redensarten und dem Theater, das Sie uns hier vormachen?
Halten Sie die Kriegsopfer wirklich für so dumm, daß sie nicht unterscheiden können zwischen dem Theater, das Sie ihnen draußen in den Kundgebungen vormachen, wo Sie mit ihnen gegen den Hunger demonstrieren, und Ihren wirklichen Taten? Das sei meine letzte Feststellung. Ich stelle fest: Es wird weiter gehungert in den Kreisen der Kriegsopfer, so
wollen es die Mehrheitsparteien einschließlich der Sozialdemokraten in diesem Hause.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Meine Damen und Herren! Wir haben ja den Vorzug, uns den Abgeordneten Renner am Tage ziemlich oft anschauen zu können, was nun er seinerseits gegenüber einem etwaigen Zwischenrufer gern tun wollte. Aber, Herr Kollege Renner, wir kommen absolut nicht zu einer anderen Auffassung über Sie, als wir sie schon ziemlich lange haben. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, daß Sie Ihr Gewissen noch vor Weihnachten gegenüber Ihren ausländischen Freunden entlasten wollen,
die das Schicksal so vieler Kriegsteilnehmer und Kriegsbeschädigten in den letzten Jahren so furchtbar gestaltet haben.
— Damit beschäftigen Sie sich, Herr Kollege Renner, dann werden wir uns vielleicht langsam etwas näherkommen!
Im übrigen sehe ich es als ein Zeichen beginnender Einsicht an, wenn Sie meinen, daß ein prominenter Vertreter der Kriegsbeschädigten, gleichzeitig Mitglied der SPD und Abgeordneter dieses Hauses, die Gedankengänge der Regierungskoalition vertritt, wenn er einmal etwas Vernünftiges sagt.
Das scheint mir eine Annäherung zu sein, die ich mir kaum hätte vorstellen können.
Ich komme nunmehr zur Sache. Auch meine Freunde sind der Meinung, daß die Art, wie sich die gesetzgebenden Körperschaften zuerst im Wirtschaftsrat und dann hier im Bundestag gegenüber den Kriegsbeschädigten verhalten, ein Versäumnis darstellt. Das muß festgestellt werden.
Wir haben bereits im Wirtschaftsrat, wie ich mich
genau erinnere, die Ansicht vertreten, daß der Herr
Arbeitsminister und damalige Direktor der Verwaltung für Arbeit nicht die richtige Rangordnung
in der Behandlung der Renter usw. eingehalten hat.
Als das Sozialversicherungsanpassungsgesetz über die Bühne ging, hätte man unbedingt daran denken müssen, daß nicht nur die Renten der Sozialrentner wegen des veränderten Lohn- und Preisgefüges verbesserungsbedürftig sind, daß man vielmehr gleichzeitig unbedingt auch etwas für die Körperbeschädigten tun müßte. Daran liegt vieles von dem, was wir heute hier erleben. Ich stehe nicht an, das offen auszusprechen, wie ich es schon im Wirtschaftsrat getan habe.
Wenn wir nun aber in dieser Lage sind, so hat der Herr Abgeordnete Bazille mit vollem Recht gesagt: mit Hetzreden gegen die Regierung kommen wir nicht weiter. Wir sehen in der Erklärung des Herrn Staatssekretärs Sauerborn, in dieser feierlichen Erklärung vor dem Plenum, hätte ich beinahe gesagt, einen Fortschritt. Wir glauben, daß das Bundesarbeitsministerium schnellstens das Gesetz
vorlegen wird und daß wir uns dann alle — ein- schließlich des Kollegen Renner — bemühen werden, dieses Gesetz im Ausschuß so schnell wie möglich zu behandeln und im Plenum zu verabschieden.
Wir sehen weiter keinerlei Bedenken, dem Antrage des Herrn Abgeordneten Bazille zuzustimmen, und bitten auch Sie, das zu tun.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bazille.
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Renner weiß auf .Grund seiner Erfahrungen, die er einmal als Minister sammeln konnte, genau, daß die Behandlung des Antrages der KPD den Kriegsopfern in den kommenden Wochen auch noch nicht einen Pfennig bringen würde, und zwar ganz einfach deshalb nicht, weil uns ja die Maschinerie der Gesetzgebung durch das Grundgesetz vorgeschrieben ist. Wir könnten heute allenfalls zur ersten Lesung über diesen Antrag kommen, müßten dann die Parlamentsferien abwarten, um dann in den Sitzungen im Laufe des Januar die zweite und dritte Lesung bis zur Verabschiedung folgen zu lassen. In der Zwischenzeit würden den Kriegsbeschädigten daraus wohl kaum in irgendeiner Form Hilfsmaßnahmen erwachsen.
Es kommt also nicht darauf an, ob man sich hier hinter das Rednerpult stellt, um schöne Reden zu halten, sondern es kommt darauf an, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie man nach Lage der Dinge den Kriegsbeschädigten mit größtmöglicher Beschleunigung eine Erhöhung ihrer Renten ermöglicht. Diese Möglichkeit ist, soweit ich es übersehe, einzig und allein gegeben, wenn der Bundestag heute beschließt, das Bundesarbeitsministerium zu beauftragen, alle Maßnahmen zu treffen, um Vorschußleistungen nach dem von Herrn Staatssekretär Sauerborn angekündigten Gesetz mit größter Beschleunigung zahlbar zu machen. Die Behandlung dieses Gesetzes und seine Verabschiedung wird naturgemäß wiederum einige Wochen in Anspruch nehmen. Ich habe keinerlei Veranlassung, etwa der Bundesregierung für diese Verzögerung zu danken, und ich habe auch keine Veranlassung, mir die Auffassung des Regierungsvertreters zu eigen zu machen, wie mir der Herr Kollege Renner unterstellt hat. Das ist aber der einzig gangbare Ausweg, um den Kriegsopfern noch im Januar die gewünschte Rentenerhöhung zu gewährleisten. Alles andere, Herr Kollege Renner, ist leeres Stroh gedroschen!
Ich möchte Sie deshalb bitten, meine Damen und Herren, dem Antrag, den ich noch einmal formuliert habe, zuzustimmen, damit die mit der Durchführung des Gesetzes beauftragten Behörden in die Lage versetzt werden, sofort alles zu unternehmen, um die verbesserten Leistungen noch im Januar dieses Jahres zahlbar zu machen. Darüber hinaus bitte ich den Bundestag, zu beschließen, das Bundesarbeitsministerium bzw. die Bundesregierung aufzufordern, dem Bundestag mit der größtmöglichen Beschleunigung den Entwurf des neuen Versorgungsgesetzes vorzulegen.
Herr Abgeordneter, darf ich Sie um .den Wortlaut des Antrags bitten. Ich wollte nur der Ordnung halber feststellen: wenn hier im Hause gesprochen wird, wird natürlich niemals
leeres Stroh gedroschen. Ich halte es für eine Selbstverständlichkeit, daß das nicht der Fall ist.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Meine Herren und Damen! Ich habe es vor gar nicht langer Zeit für notwendig erachtet, von dieser Stelle zu sagen, daß ich es sehr bedauerlich finde, daß wir hier immer wieder Debatten um das Anliegen der großen sozialen Massennot führen müssen. Über die Notwendigkeit der Lösung dieser Frage sind wir uns im Ausschuß immer alle einig; die Debatten hier im Plenum führen aber immer dazu, daß wir gezwungen werden, zu einem Problem Stellung zu nehmen, das durch demagogische Reden schwierig und kompliziert und geradezu unehrlich gemacht wird.
Herr Kollege Bazille hat, glaube ich, den Kriegsbeschädigten den größten Dienst geleistet, indem er so sachlich und so real wie nur möglich die Dinge gesehen hat, wie sie staatsrechtlich und sozialpolitisch eben nur zu sehen und zu lösen sind.
Es kann aber trotzdem nicht unausgesprochen bleiben, was leider — ich hätte mich sonst nicht zum Wort gemeldet — von meinen Kollegen nach meiner Auffassung versäumt worden ist. Herr Kollege Renner hat so große Reden gehalten und meint, die Kriegsbeschädigten seien so dumm, daß sie darauf hörten, wenn ihnen demagogische Versprechungen gemacht oder wenn sie aufgehetzt werden. Ich glaube, sie sind nicht so dumm, daß sie sich von demagogischen Reden etwas versprechen, da die meisten von ihnen gerade durch die Ursache ihrer Kriegsbeschädigung, nämlich den letzten fürchterlichen Krieg, einen Anschauungsunterricht durch das Beispiel des Ostens bekommen haben, so daß diese Reden nicht mehr verfangen dürften;
— sie halten deshalb von Ihren Reden so wenig, weil die meisten unserer Kriegsbeschädigten ihre Beschädigung und ihre schweren gesundheitlichen Schäden dem Aufenthalt in dem Paradies verdanken, daß Sie immer verteidigen.
Ganz sachlich möchte ich Ihnen noch sagen, Herr Renner: Sie sprachen hier vom Beispiel Berlin. Meine Kollegin, Frau Schroeder, wird Ihnen vielleicht sagen können, welche Summen West-Berlin für die Kriegsbeschädigten ausgeben muß. Sie wird Ihnen das Material gern zur Verfügung stellen. wenn Sie es nicht besitzen sollten. Daß Berlin noch kein Kriegsbeschädigtengesetz hat, daß es nämlich die Tatsache der Kriegsbeschädigung noch nicht feststellen durfte, beruht, wenn ich richtig orientiert bin, auf einem Erlaß, der nicht von der westdeutschen Regierung gemacht worden ist.
— Verzeihen Sie, Herr Kollege, jetzt spreche ich! Ich werde Ihnen sofort das Wort zur Geschäftsordnung erteilen, wenn Sie die Güte gehabt haben werden, mich aussprechen zu lassen.
Wollen Sie so liebenswürdig sein!
Was den Punkt 1b anlangt, so möchte ich vorschlagen, da mir der Wortlaut des angekündigten Abänderungsantrags des Herrn Abgeordneten Bazille noch nicht vorliegt und ich ihn infolgedessen nicht in aller Form zur Kenntnis des Hauses bringen kann, die Abstimmung über den Punkt 1b so lange auszusetzen, bis dieser Abänderungsantrag vorliegt. Darf ich dazu die Zustimmung des Hauses erbitten? — Ich höre keinen Widerspruch.
— Nun haben Sie, Herr Abgeordneter Renner, das Wort zur Geschäftsordnung.
Meine Damen und Herren! Hier geht es wieder einmal mehr um die Frage, welcher Antrag der weitergehende ist. Ich bin der, wenn Sie wollen, unbescheidenen Auffassung, daß der von uns gestellte Antrag, eine dreizehnte Monatsrente Ende dieses Monats zur Auszahlung zu bringen, der weitestgehende ist, und bitte, dem Herrn Präsidenten des Bundestages aufzugeben, über diesen absolut und sicher weitestgehenden Antrag zunächst abstimmen zu lassen.
Und nun noch einen letzten Satz. Der Gedanke, eine dreizehnte Monatsrente Ende dieses Monats auszuzahlen, ist im Ausschuß vom Herrn Kollegen Bazille als erstem ausgesprochen worden.
Ich habe die Bitte des Herrn Abgeordneten Renner zur Kenntnis genommen. Die Entscheidung darüber, welcher Antrag der weitergehende ist, liegt bekanntlich beim Präsidenten.
Ich bitte nochmals um das Einverständnis des Hauses, daß wir mit der Abstimmung über den Antrag Nr. 344 warten, bis der Abänderungsantrag vorliegt. — Ich bekomme ihn soeben. Danke schön!
Meine Damen und Herren, es wird mir folgender Abänderungsvortrag vorgelegt:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, alle Maßnahmen zu treffen, um Vorschußzahlungen auf das vom Vertreter des Bundesarbeitsministers am 16. 12. 1949 angekündigte Überbrückungsgesetz mit größter Beschleunigung zahlbar zu machen.
Darf ich fragen: es muß wohl heißen: „um Vorschußzahlungen ... zu ermöglichen" statt „Vorschußzahlungen ... zahlbar zu machen"?
Meine Damen und Herren, ich entscheide, daß dieser Antrag der weitergehende ist,
und stelle ihn deshalb zunächst zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag ist, den ich soeben zur Verlesung gebracht habe, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich stelle fest, daß dieser Antrag mit eindeutiger Mehrheit angenommen worden ist.
— Einstimmig? Ober bei Enthaltungen?
- Schön, er ist einstimmig angenommen.
— Dann darf ich auch den Antrag auf Drucksache Nr. 340 unter Punkt 1 b der Tagesordnung für erledigt erklären.
Meine Damen und Herren! Ich habe inzwischen folgende geschäftliche Mitteilung außerhalb der Tagesordnung zu machen. Seitens der Landesregierung Schleswig-Holstein ist mir folgendes Fernschreiben zugegangen:
Bundestagsabgeordneter Hedler der Deutschen Partei hat in einer am 26. November 1949 in Einfeld gehaltenen Rede Parteien und Persönlichkeiten des politischen Lebens mit nationalsozialistischen Propagandamethoden verleumdet, Widerstandskämpfer als Vaterlandsverräter und Lumpen bezeichnet und Erlaß eines Wiedergutmachungsgesetzes für verfolgte Nationalsozialisten gefordert.
Zur Judenfrage erklärte Herr Hedler. daß man geteilter Meinung sein könne, ob Judenvergasung das rechte Mittel. Vielleicht hätte man sich der Juden auch anders entledigen können.
Landesregierung von Schleswig-Holstein — —
— Ich bitte, mich doch dieses Telegramm in Ruhe zu Ende lesen zu lassen! —
Landesregierung von Schleswig-Holstein hat die zur Strafverfolgung erforderlichen Schritte eingeleitet. Strafanträge werden nachgereicht. Bericht an Bundesjustizminister abgesandt. Landesregierung bittet, Aufhebung der Immunität einzuleiten.
Nach Rücksprache mit dem Herrn Bundesjustizminister bin ich ermächtigt zu erklären, daß der Herr Bundesjustizminister in diesem Telegramm seinerseits eine entsprechende Mitteilung an den Bundestag erblickt.
Dazu liegt mir folgendes Schreiben des Herrn Abgeordneten Hedler vor:
Sollte seitens der Landesregierung Schleswig-Holstein der Antrag auf Aufhebung meiner Immunität eingereicht sein
- was ich eben hier vorgelesen habe —,
so bitte ich Sie, zu dem gleichen Zeitpunkt
meinen Antrag mit nachstehendem Text ebenfalls dem Bundestag zuzuleiten:
Ich bitte alle Abgeordneten des Deutschen
Bundestages, dem Antrag der Landesregierung Schleswig-Holstein auf Aufhebung
meiner Immunität einstimmig zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, ich darf Ihr Einverständnis damit annehmen, daß ich diese beiden Schreiben sofort dem Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität überweise und dessen Mitglieder bitte, sich ungeachtet der Fortführung unserer Plenarsitzung im Zimmer 02, wie mir der Herr Vorsitzende vorhin gesagt hat, zu einer Sitzung zu versammeln.
Wir fahren in der Tagesordnung fort und kommen nunmehr zu Punkt 2:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes über die Festsetzung und Verrechnung von Ausgleichs- und Unterschiedsbeträgen für Einfuhrgüter der Land- und Ernährungswirtschaft , Berichterstatter Abg. Lübke.
Ich erteile Herrn Abgeordneten Lübke das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes über die Festsetzung und Verrechnung von Ausgleichs- und Unterschiedsbeträgen für Einfuhrgüter der Land-
und Ernährungswirtschaft ist in der ersten Lesung dem Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft überwiesen worden. Im Ausschuß wurden bei der Beratung eine Reihe von Mängeln festgestellt, die bei der praktischen Anwendung des Gesetzes in Erscheinung getreten sind. Der Ausschuß kam überein, einen kleinen Unterausschuß zu bilden, der sich darum bemühen soll, diese Mängel abzustellen.
Im übrigen empfiehlt der Ausschuß dem Hohen Hause einstimmig, das vorliegende Gesetz unverändert anzunehmen. Der Eilbedürftigkeit wegen — das Gesetz läuft am 31. 12. ab — beantrage ich, der zweiten, jetzt im Gange befindlichen Beratung die dritte Beratung sofort folgen zu lassen,
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen daher zur Abstimmung.
Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses, Drucksache Nr. 323, zustimmen wollen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
des Gesetzentwurfs. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Ich bitte diejenigen, die für den Antrag des Ausschusses, Drucksache Nr. 323, sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. Damit ist das Gesetz angenommen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 3 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
eines Gesetzes zur Erstreckung und zur Ver-
längerung der Geltungsdauer des Fachstellengesetzes und der Fachstellengebührenordnung .
Das Wort als Berichterstatter hat der Herr Abgeordnete Naegel.
— Bitte!
Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat in der Sitzung vom vergangenen Mittwoch, am 14. Dezember 1949, über den Entwurf eines Gesetzes zur Erstreckung und Verlängerung der Geltungsdauer des Fachstellengesetzes und der Fachstellengebührenordnung beraten und den Entwurf dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zur weiteren Beratung übergeben.
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat dieses Gesetz in der gestrigen Sitzung vom 15. Dezember 1949 behandelt und schlägt dem Hohen Hause vor, einen Antrag anzunehmen, den Sie in der Drucksache Nr. 342 finden. Der Ausschuß schlägt vor:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Entwurf eines Gesetzes zur Erstreckung und zur Verlängerung der Geltungsdauer des Fachstellengesetzes und der Fachstellengebührenordnung — Nr. 283 der Drucksachen — in der aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlichen Fassung zu genehmigen.
Die vom Ausschuß vorgeschlagene Fassung befindet sich auf der rechten Seite der Zusammenstellung.
Es wird also vorgeschlagen, das Fachstellengesetz bis zum 31. März 1950 zu verlängern und gleichzeitig in den Ländern Baden, RheinlandPfalz, Württemberg-Hohenzollern sowie in dem bayerischen Kreis Lindau in Kraft zu setzen.
Darüber hinaus haben wir entsprechend der Anregung des Bundesrats vorgeschlagen, in § 1 Absatz 1 Ziffer 2 des Gesetzes hinter die Worte „Einfuhr-Angelegenheiten" die Worte „sowie von Angelegenheiten des Interzonenhandels" einzufügen.
In der Ziffer 3 des § 1 schlägt der Ausschuß eine entsprechende Regelung der Fachstellengebührenordnung vor. Hinter Ziffer 2 soll folgende Ziffer 3 eingefügt werden:
2. für die Bearbeitung von Angelegenheiten des Interzonenhandels.
Für § 2 schlagen wir eine andere Fassung vor. Sie lautet:
Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. Januar 1950, hinsichtlich der Strafbestimmungen jedoch erst am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
Das Fachstellengesetz und die Fachstellengebührenordnung laufen entsprechend § 9 des genannten Gesetzes am 31. Dezember 1949 aus. Wenn auch auf vielen Gebieten die Bewirtschaftung für Verbraucher vollständig und für die Wirtschaft weitgehend aufgehoben worden ist, so obliegt doch den Fachstellen noch eine Anzahl von Aufgaben, deren Erfüllung zur Zeit noch nicht entbehrt werden kann. Die einzelnen Aufgaben ersehen Sie aus der Begründung der Regierung zu dem Gesetzentwurf.
Wir waren daher der Meinung, daß das Fachstellengesetz mit der entsprechenden Gebührenordnung im Augenblick noch nicht entbehrt werden kann. Es ist aber beabsichtigt, in Kürze — nach einer entsprechenden Prüfung mit den Landeswirtschaftsverwaltungen, den Vertretern der beteiligten Wirtschaftskreise und den Gewerkschaften — eine neue Ordnung vorzulegen. Da diese Ordnung im Augenblick noch nicht fertiggestellt ist, wird dem Hohen Hause eine Verlängerung des Gesetzes lediglich bis zum 31. März 1950 vorgeschlagen und gleichzeitig die entsprechende Ausdehnung auf die Länder der französischen Zone.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar stimmen wir über die Fassung ab, die sich auf Blatt 2 der Drucksache Nr. 342 auf der rechten Seite unter der Überschrift „Beschlüsse des 13. Ausschusses" befindet. Wir stimmen abschnittsweise ab, zunächst über Überschrift und Einleitung. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
§ 1. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
§ 2. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. Damit ist die zweite Beratung und Beschlußfassung über den Entwurf dieses Gesetzes beendet.
Wir kommen nunmehr zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann stimmen wir in dritter Lesung ab, und zwar über das Gesetz im ganzen. Ich bitte diejenigen, die für die Annahme des Gesetzes in der vorliegenden Fassung der zweiten Beratung sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit über den Antrag des Abgeordneten Renner und Genossen 'betreffend Verwendung der Mittel des Arbeitslosenstockes .
Das Wort als Berichterstatter hat der Herr Abgeordnete Sabel.
Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag des Ausschusses für Arbeit, der Ihnen in Drucksache Nr. 315 vorliegt, möchte ich ergänzend folgendes bemerken. Der Ausschuß war einmütig der Auffassung, daß dem Bundestag eine Übersicht über den Vermögensstand der Arbeitslosenversicherung gegeben werden solle. Darüber hinaus solle eine Prüfung erfolgen, inwieweit die zweckgebundenen Mittel der Arbeitslosenversicherung für die Finanzierung wesensfremder Aufgaben verwandt wurden.
Zur Einführung möchte ich auf folgendes verweisen. Das Beitragsaufkommen der Arbeitslosenversicherung wurde bis zum Kriegsende bei der Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung erfaßt. Die vorhandenen Bestände sind in Berlin blokkiert. Es ist nicht zu erwarten, daß aus diesen Beständen Mittel in beachtlichem Umfang flüssig gemacht werden können. Die seit 1945 geleisteten Beiträge wurden in den einzelnen Ländern angesammelt. In der britischen Zone wurden dann die Überschüsse der einzelnen Länder von einem Treuhänderausschuß verwaltet. Da die
Leistungen der Arbeitslosenversicherung bis zur Währungsreform auf Grund der Arbeitsmarktlage nicht allzu hoch waren, hatten sich bis zum Beginn der Währungsreform beachtliche Mittel angesammelt. Aus diesen Mitteln wurden hohe Zuschüsse an die Rentenversicherungen bezahlt. Diese Zuschüsse lagen fast bei einem Drittel des gesamten Beitragsaufkommens. Seit der Reduzierung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung von 61/2 auf 4 Prozent sind die Leistungen an die Rentenversicherung aus diesen Mitteln eingestellt.
Bei der Währungsumstellung wurden die Mittel der Arbeitslosenversicherung nicht völlig entwertet, wie dies bei den übrigen Mitteln der öffentlichen Kassen der Fall war, sondern es erfolgte die allgemein übliche Abwertung. Dadurch war bei Beginn ein Grundstock vorhanden. Man kann in der Bizone mit einem augenblicklichen monatlichen Beitragseingang in Höhe von etwa 75 Millionen D-Mark rechnen.
Ich möchte für das letzte Halbjahr einige Gesamtzahlen angeben, dabei aber darauf hinweisen, daß, da diese Mittel bisher noch von den Ländern in den verschiedenen Zonen verwaltet werden, eine genaue Übersicht praktisch immer nur schwer zu erhalten war. Von April bis September 1949 sind Beitragseingänge in der Arbeitslosenversicherung in der Bizone in Höhe von 572 Millionen D-Mark zu verzeichnen, sonstige Einnahmen 2 Millionen D-Mark, Gesamteinnahmen 574 Millionen D-Mark. An Unterstützungen wurden im gleichen Zeitraum gezahlt: Arbeitslosenunterstützung 292 Millionen DM, Arbeitslosenfürsorgeunterstützung 225 Millionen DM, insgesamt 517 Millionen DM. Von der letztgenannten Arbeitslosenfürsorgeunterstützung haben die Länder in diesem Zeitraum insgesamt 145 Millionen DM erstattet. Ebenfalls im gleichen Zeitraum wurden für die werteschaffende Arbeitslosenfürsorge 11,7 Millionen DM aufgewandt, für Maßnahmen zur Verhütung und Beendigung der Arbeitslosigkeit 3 Millionen DM und für Leistungen an die Rentenversicherung 46,5 Millionen DM.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf aufmerksam machen, daß sich die Verwaltungskosten in einem angemessenen Ausmaß bewegt haben. Sie betrugen im Durchschnitt etwa 8 Prozent der Einnahmen. Das ist ungefähr das gleiche, was bei Schaffung der Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung bzw. vor 1933 an Verwaltungskosten üblich war.
Über den rechnungsmäßigen Bestand Ende Oktober folgende Ziffern. Der rechnungsmäßige Bestand von insgesamt 693,1 Millionen DM verteilt sich auf die Zonen wie folgt. Britische Zone 389,2, US-Zone 242,1 und französische Zone 61,8 Millionen DM. Von diesem Bestand geht die von den Ländern zu erstattende Arbeitslosenfürsorge in Höhe von 144,3 Millionen DM ab. Das sind die Beträge, die zur Zahlung der Arbeitslosenfürsorge aus den Mitteln der Arbeitslosenversicherung im Wege der Vorlage zur Verfügung gestellt worden waren. Von diesem noch nicht erstatteten Betrag entfallen auf die britische Zone 110,6 Millionen DM und auf die US-Zone 33,7 Millionen DM. Von dem nun noch vorhandenen Vermögensbestand sind insgesamt 125,9 Millionen nicht fest angelegt. Sie stehen also für Unterstützungsleistungen greifbar zur Verfügung.
Angelegt wurden 422,9 Millionen DM, davon 157 Millionen DM für den Wohnungsbau und 265,9 Millionen DM für sonstige Anlagen. Von. den
Gesamtanlagen sind 135,5 Millionen bis zur Monatsfrist kündbar, können also schnell für die Leistung notwendiger Unterstützungen flüssig gemacht werden. Für den übrigen Betrag von 287,4 Millionen sind längere Kündigungsfristen gegeben. Ich darf aber bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daß es sich zum Teil um lombardfähige Anlagen handelt. Bei dem Betrag für sonstige Anlagen, den ich eben nannte, wurde bei einem Teil dieser Anlagen nicht beachtet, daß es sich bei den Mitteln der Arbeitslosenversicherung um zweckgebundene Mittel handelt.
Im Ausschuß für Arbeit wurde einmütig die Auffassung vertreten, daß baldigst auch in der Arbeitslosenversicherung die Selbstverwaltung wieder eingeführt werden müsse. Hierdurch soll eine Sicherung dafür gegeben sein, daß die zweckgebundenen Mittel der Arbeitslosenversicherung nicht für andere, wesensfremde Aufgaben verwendet werden. Es kann festgestellt werden, daß in der Vergangenheit dieser Forderung auf Verwendung der Mittel nur für die Aufgaben der Arbeitslosenversicherung nicht immer entsprochen wurde.
Der Ausschuß hat es auch bedauert, daß seitens einiger Länder die notwendigen Auskünfte über den finanziellen Status der Arbeitslosenversicherung nicht oder nicht ausreichend gegeben wurden.
Nun hat der Ausschuß für Arbeit in seiner gestrigen Sitzung einstimmig beschlossen, den Ihnen vorliegenden Antrag durch folgenden Antrag zu ersetzen. Er lautet:
Der Antrag der Abgeordneten Renner und Genossen Drucksache Nr. 204 betreffend die Verwendung der Mittel des Arbeitslosenstocks wird durch den in der 24. Plenarsitzung
— das muß geändert werden in „25. Plenarsitzung" —
vom 16. 12. 1949 erstatteten mündlichen Bericht als erledigt betrachtet.
Die Änderung ist darauf zurückzuführen, daß der Ausschuß inzwischen dankenswerterweise von der Bundesregierung die notwendigen Unterlagen erhalten hat und in der Lage war, Ihnen heute diese Zahlen zu nennen. Im übrigen sind die Mitglieder des Ausschusses für Arbeit noch mit umfangreichem Material über die finanzielle Situation in der Arbeitslosenversicherung versorgt worden. Ich bitte daher, diesem — ich sagte schon einmal: einstimmig - vom Ausschuß beschlossenen Antrag zuzustimmen. Dadurch ist der andere vorliegende Antrag erledigt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, die Berichterstattung ist damit beendet,
Ich möchte bei dieser Gelegenheit aber darauf aufmerksam machen, daß es nicht Aufgabe der Berichterstattung ist, alle Einzelheiten einer ganzen Diskussion zu wiederholen, sondern daß es darauf ankommt, Unterlagen, das heißt Sachverhalte und Motive, die in den Beratungen als maßgebend für die Beschlußfassung hervorgetreten sind, hier vorzutragen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist Ihnen jetzt von dem Herrn Berichterstatter ein neuer Antrag des Ausschusses vorgelegt worden, der offenbar den Antrag Drucksache Nr. 315 ersetzen soll. Ich verlese den Antrag noch einmal:
Der Bundestag wolle beschließen.
Der Antrag der Abgeordneten Renner und Genossen Drucksache Nr. 204 betreffend die Verwendung der Mittel des Arbeitslosenstocks wird durch den in der 25. Plenarsitzung vom 16. 12. 1949 erstatteten mündlichen Bericht als erledigt betrachtet.
Ich bitte diejenigen, die für diesen Antrag sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Damit ist es so- beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes - zur Erstreckung und zur Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes, des Gesetzes zur Deckung der Kosten für den Umsatz ernährungswirtschaftlicher Waren und des Preisgesetzes .
Das Wort als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Hoogen.
Meine Damen und Herren! Namens des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht habe ich die Ehre, Ihnen das Ergebnis der Beratungen und der Beschlußfassung dieses Ausschusses vorzutragen.
Das vom früheren Wirtschaftsrat am 30. Oktober 1947 beschlossene und später mehrfach geänderte und durch Durchführungsverordnungen ergänzte Bewirtschaftungsnotgesetz tritt nach seiner ausdrücklichen Bestimmung am 31. Dezember dieses Jahres außer Kraft. Es gilt überdies nur in den Ländern der britischen und amerikanischen Besatzungzone. Sein Zweck ergibt sich aus seinem Namen. Seit Erlaß dieses Gesetzes ist die Bewirtschaftung auf zahlreichen Gebieten aufgehoben worden. Die Vorbereitung der. gesetzlichen Neuregelung der noch notwendigen Restbewirtschaftung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und gewerblicher Rohstoffe sowie Waren bedarf noch einer Abstimmung mit den Länderregierungen und mit den Vertretern aus der wirtschaftlichen Praxis. Das gleiche gilt von den Vorschriften des Preisgesetzes. Dies durfte ich Ihnen zur allgemeinen Bedeutung der in Rede stehenden Gesetzgebungsmatrie ausführen.
Zu den einzelnen Vorschriften, die Sie in der Drucksache Nr. 338 finden darf ich Ihnen als. Ergebnis der Beratung und Beschlußfassung des Ausschusses folgendes berichten.
In der der Drucksache beigefügten Zusammenstellung finden Sie links den Entwurf der Regierung und rechts die Beschlüsse des Ausschusses, wobei die abgeänderten Stellen unterstrichen sind.
§ 1 Absatz 1 erstreckt das Bewirtschaftungsnotgesetz mit seinen beiden Durchführungsverordnungen, das Preisgesetz sowie das Kostendekkungsgesetz für den Umsatz ernährungswirtschaftlicher Waren auf die Länder der französischen Besatzungszone. Ausgenommen hiervon ist nur § 33 Absatz 1 des Bewirtschaftungsnotgesetzes. Das war nötig, denn dieser Paragraph bestimmt. daß die vor dem 10. 6. 1947 erlassenen -Bewirtschaftungsvorschrifter außer Kraft treten. Um in der Übergangszeit einen rechtlosen Zustand zu vermeiden, sollen in diesen Gebieten die alten Bestimmungen mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht automatisch außer Kraft treten; die Rechtsangleichung soll durch besondere Anordnungen erfolgen. Im Ausschuß sind zwar Bedenken gegen diese Erstreckung vorgetragen worden. Man hat
geglaubt, sich deshalb dagegen wenden zu müssen, weil doch die Zeit der Verlängerung verhältnismäßig kurz ist. Diese Bedenken sind aber dann nicht weiter verfolgt, sondern zurückgestellt worden, weil ja doch das größere Ziel ist, die wirtschaftliche Einheit der Länder der französischen Besatzungszone mit den Ländern der amerikanischen und britischen Zone herbeizuführen.
In Absatz 2 wird die Verlängerung des Bewirtschaftungsnotgesetzes mit seinen beiden Durchführungsverordnungen und des Preisgesetzes ausgesprochen, aber nicht, wie es der Regierungsentwurf vorsieht, bis zum 30. September 1950, sondern nur bis zum 30. Juni 1950. Die Mehrheit des Ausschusses war der Meinung, daß diese Frist genüge, um der Regierung die Möglichkeit und Zeit zur oben erwähnten Vorbereitung der gesetzlichen Neuregelung der Materie zu geben. Ein Antrag, die Verlängerung nur bis zum 31. März des kommenden Jahres auszusprechen, fand im Ausschuß keine Mehrheit.
Im Absatz 3 ist die Verlängerung des sogenannten Kostendeckungsgesetzes nur bis zum 31. März 1950 vorgeschlagen, weil die Mehrheit des Ausschusses der Meinung war, daß diese Fristverlängerung genüge. Ich darf Sie jedoch, meine Damen und Herren, bitten, in diesem Absatz 3 des § 1 das Datum des -3. November „1949" umzuändern in das Jahr „1948", weil hier ein offensichtlicher Druckfehler vorliegt. Das ergibt sich ohne weiteres aus dem Studium dieser Vorschrift; denn am 3. November 1949 existierte der Wirtschaftsrat ja nicht mehr, der dieses Gesetz beschlossen hat.
Auf welcher Seite ist das?
Auf Seite 3 der Anlage.
Absatz 4 hebt die sogenannte Kraftfahrzeugbenutzungsverordnung zum 31. Dezember dieses Jahres auf. Es war nötig, das ausdrücklich im Gesetz auszusprechen, weil an sich diese Verordnung bis zum Auslaufen des Bewirtschaftungsnotgesetzes fortgedauert hätte.
§ la ist in den Gesetzentwurf auf Anregung des Bundesrats eingefügt worden. Die Regierung und auch die Mehrheit des Ausschusses haben dieser Anregung zugestimmt.
§ 2 Absatz 1 des Regierungsentwurfs sah vor daß die auf Grund der eben genannten Gesetze und Verordnungen zu erlassenden Anordnungen nicht der Zustimmung des Bundesrats bedürfen sollten. Hiergegen hat der Bundesrat mit Rücksicht auf die einschlägigen Bestimmungen dés Grundgesetzes Einwendungen erhoben. Auf der andern Seite würde die Streichung dieser Vorschrift, wie sie der Bundesrat angeregt hat, bedeuteri, daß alle Anordnungen der Regierung, auch die geringfügigster Art, der Zustimmung des Bundesrats bedürfen würden, weil es so das Grundgesetz verlangt. Deswegen hat der Ausschuß Ihnen, meine -Damen und Herren, einen Kompromißvorschlag unterbreitet, der die vom Bundesrat geforderte Mitwirkung genügend berücksichtigt. Die von der Mehrheit des Ausschusses vorgeschlagene Fassung sieht nämlich die Zustimmung des Bundesrats darin vor, wenn die Anordnung die Bewirtschaftung von Rohstoffen und Waren der gewerblichen Wirtschaft oder von Hauptnahrungsmitteln betrifft, oder wenn sie eine grundlegende Bedeutung für den gesamten Preisstand, insbesondere für die Lebenshaltung hat. Die Mehr-
heit des Ausschusses glaubte, daß diese Fassung
die Zustimmung des Bundesrats finden könnte.
Absatz 2 wurde vom Ausschuß gestrichen. Das hat zur Folge, daß es sich nicht mehr um ein sogenanntes Zustimmungsgesetz im Sinne des Artikel 84 Absatz 5 des Grundgesetzes handelt.
§ 3 des Gesetzentwurfs konnte fortfallen, nachdem der Bundestag und der Bundesrat das Gesetz über die Verkündung von Rechtsverordnungen beschlossen haben.
§ 4 enthält die notwendige Ermächtigung, die zur Bekanntmachung der Neufassung der gesetzlichen Bestimmungen erforderlich ist. Diese Bekanntmachung ist insbesondere deswegen nötig, weil dieses Gesetz doch jetzt in den Ländern der französischen Zone eingeführt wird und dort bekanntgemacht werden muß. Auch in diesem Paragraphen fehlt — jedenfalls in dem mir vorliegenden Exemplar — in Zeile 2 die Erwähnung des Absatz 3. Es muß heißen: § 4. Der zuständige Bundesminister ist ermächtigt, die in § 1 Absatz 2 und 3 . . . ." Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, auch das insoweit zu ergänzen.
§ 5, wie ihn die Mehrheit des Ausschusses Ihnen zur Annahme empfiehlt, enthält eine nicht unwichtige Änderung. Es muß nämlich mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß dieses Verlängerungsgesetz nicht mehr vor dem Auslaufen des Bewirtschaftungsnotgesetzes, nicht mehr vor dem 31. Dezember dieses Jahres im Gesetzblatt verkündet werden kann. Der Verfahrensgang unserer Gesetzgebung könnte eine Verzögerung verursachen. _Infolgedessen mußte mit Rücksicht darauf, daß das Bewirtschaftungsnotgesetz und die auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Durchführungsverordnungen materielles Strafrecht enthalten, aber nach deutscher Rechtsauffassung Strafrecht keine rückwirkende Kraft haben kann, erklärt werden, daß dieses Gesetz mit Wirkung vom 1. Januar 1950 in Kraft tritt, hinsichtlich der Strafbestimmungen jedoch erst am Tage nach seiner Verkündung. Die übrigen Bestimmungen des Gesetzes treten also mit Wirkung vom 1. Januar 1950 in Kraft. Für die strafrechtlichen Bestimmungen gilt das in dem Falle nicht, daß das Gesetz nach dem 1. Januar 1950 verkündet werden sollte.
Meine Damen und Herren, das ist die Fassung des Gesetzes, die Ihnen der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht vorlegt und der Ihre Zustimmung zu geben er Sie durch mich bittet.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen und eröffne die Aussprache der zweiten Beratung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion wird dieser Vorlage ihre Zustimmung nicht geben können; denn es handelt sich um die Verlängerung insbesondere von zwei Gesetzen, denen die gleiche Fraktion auch ursprünglich die Zustimmung verweigern mußte, des Bewirtschaftungsnotgesetzes und des Preisgesetzes. Ihnen ist bekannt, daß das Bewirtschaftungsnotgesetz nach unserer Auffassung nicht die Vorschriften bringt, die zu einer erfolgreichen Lenkung der Wirtschaft erforderlich sind, und Ihnen ist auch bekannt, daß das Preisgesetz nach unserer Auffassung die große Lücke enthält, daß es kein selbständiges, unabhängiges
Preisamt einrichtet. Da wir den ursprünglichen Gesetzen nicht zugestimmt haben, müssen wir auch die Verlängerung ablehnen, zumal es sich bei diesen beiden Gesetzen um Ermächtigungsgesetze handelt und wir zu der Regierung nicht das Vertrauen haben, sie werde von diesen Ermächtigungen in beiden Gesetzen einen Gebrauch machen, wie wir ihn für wünschenswert erachten würden.
Darüber hinaus erlauben Sie mir noch einige Worte über die Art dieser Gesetzgebung im allgemeinen. Bereits am 22. Juni dieses Jahres, also vor jetzt sechs Monaten, hat der Verwaltungsrat der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets die Verlängerung dieser Gesetze für erforderlich gehalten und damals dem Wirtschaftsrat eine entsprechende Vorlage gemacht. Die gleichen Parteien, die auch heute hier wieder Regierungsparteien sind, haben am 21. Juli im Wirtschaftsrat beschlossen, sie wollten die Verantwortung nicht übernehmen, sondern sie dem kommenden Bundestag überlassen, und sind deshalb dafür verantwortlich, daß der Bundestag diese Gesetze in einer Art von Toresschlußpanik heute noch verabschiedet, und zwar in der merkwürdigen Form, daß dieses Verlängerungsgesetz gleich arei Gesetze ganz verschiedenen Inhalts, ich möchte last sagen, in einem. Aufwaschen zu erledigen sucht, was immerhin zeigt, daß Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, und auch die Bundesregierung eigentlich von einem Gesetz keine sehr hohe Meinung zu haben scheinen.
Darüber hinaus ist bemerkenswert, daß die Bundesregierung diese Vorlage am 2. November beim Bundesrat gemacht hat. Der Bundesrat hat sie am 23. November verabschiedet, und am 7. Dezember ist dann die Vorlage dem Bundestag zugeleitet worden, was bedeutet, daß Bundesregierung und Bundesrat sich wieder einmal Wochen und Wochen Zeit gelassen haben, und zwar fast auf die Zahl genau soviel Wochen, wie man dem Bundestag Tage gelassen hat, um sich mit der Materie zu beschäftigen.
Auch das ist ein Symptom der Gewichtsverteilung zwischen Bundesregierung und Bundesrat einerseits und dem Bundestag andererseits.
Erstaunlich war dann in der Ausschußberatung, zu der übrigens nicht ein Bundesminister und nicht ein Staatssekretär erschienen ist,
daß die Regierungsparteien selbst erklärt haben, sie wollten die Bundesregierung, die doch von ihnen getragen wird, unter Druck setzen und ihr eine möglichst kurze Frist lassen. Die Frist, die die Regierung für erforderlich gehalten hatte — bis zum 30. September —, wurde ihr nicht genehmigt, und die Herren Referenten, die allein im Ausschuß anwesend waren, hatten Mühe, wenigstens den 30. Juni zu erreichen, weil eine der drei Regierungsparteien sogar nur die Frist bis zum 31. März bewilligen wollte, obgleich sich bei dieser ganzen Art des Gesetzgebungsverfahrens, wie sie uns das föderalistische Grundgesetz beschert hat, jeder ausrechnen kann, daß die Regierung und die Parlamente gar nicht in der Lage sind, überhaupt bis zum 31. März eine erneute Gesetzgebung auf diesen Gebieten durchzuführen. Denn auf eines ist dabei besonders hinzuweisen: vom Preisgesetz hängen die Verkehrstarife und die
Mieten ab: Es ist von den Regierungsparteien zu verantworten, daß jetzt bereits im Januar, wie der Herr Berichterstatter ausgeführt hat, ein anarchischer Zustand eintreten wird, daß es nämlich an jeder Regelung fehlt, bis dieses Gesetz dereinst Mitte oder Ende Januar verkündet sein wird. Und wenn es bei dem gegenwärtigen Zustand bleibt — die Frist bis zum 30.. uni ist kurz —, so wird am 30. Juni der gleiche Notstand eintreten. Wenn die Gesetzgebungsarbeiten nicht beschleunigt werden, kann es dazu kommen, daß wir am 30. Juni auf dem Gebiet des Miet- und Bodenrechts jede Regelung hinsichtlich .der Preise verloren haben. Die Verantwortung dafür wird dann Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, treffen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Frakion der WAV lehnt den Entwurf dieses Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes ab,
wenn auch aus anderen Gründen, als sie soeben
mein sehr verehrter Herr Vorredner Dr. Arndt
Ihnen vorgetragen hat. Wir lehnen dieses Gesetz
deswegen ab, weil es ein Residuum der völlig verfehlten wirtschaftspolitischen Gesetzgebung ist,
die in den letzten Jahren — ich hätte bald gesagt: über uns hereingebrochen ist, mit der man
das deutsche Volk beglückt hat und deren völligen
Zusammenbruch heute alle Leute zugeben müssen,
und zwar einschließlich des Herrn Bundesjustizministers, der neulich in diesem Hause ungefähr dem Sinne oder sogar dem Wortlaut nach erklärte, daß diejenigen Leute die tüchtigen und wirtschaftsvernunftig denkenden Leute waren, die anders gehandelt haben, als es diese Zwangsgesetze auf wirtschaftlichem Gebiet vorgeschrieben haben.
Dieses Bewirtschaftungsnotgesetz, das sich, nebenbei bemerkt, auf eine ganze Reihe allerwichtigster Gebiete erstreckt — und ich fürchte sehr, daß sich nicht alle Damen und Herren dieses Hauses die Tragweite dieses Gesetzes voll und ganz vor Augen geführt haben —, ist nichts anderes als der Versuch, einen Zustand noch künstlich mit Morphiumspritzen zu erhalten, der schon lange hätte beseitigt werden müssen, weil er nämlich unsere ganze Wirtschaft an den Rand des Verderbens gebracht hat. Hätte die Wirtschaft nicht von sich aus klüger gehandelt als die Herren Gesetzgeber, dann wäre vieles zusammengebrochen, und viele Fabriken könnten dann überhaupt nicht arbeiten.
Aus diesem Grunde lehnt die Fraktion der WAV die Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes mit aller Entschiedenheit ab.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Meine Damen und Herren, ich stelle fest: es liegen keine Wortmeldungen vor. Ich schließe nunmehr die Aussprache über Drucksachen Nr. 338 und 284.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Ich darf das Einverständnis des Hauses damit annehmen, daß wir so verfahren, wie es wiederholt bei den Abstimmungen gepflogen worden ist; daß wir nämlich der Reihe nach über Überschrift, Einleitung und Paragraphen abstimmen.
Meine Damen und Herren, wer für die Bezeichnung des Gesetzes und seine Einleitung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte urn die Gegenprobe. — Ich glaube, wir müssen auszählen lassen. I& möchte sichergehen. Meine Damen und Herren, ich bitte deshalb noch einmal, daß die Damen und Herren, die für die Bezeichnung des Gesetzes und die Einleitung sind, die Hand erheben, damit wir auszählen lassen können. Ich bitte Frau Abgeordnete Albertz und Herrn Abgeordneten Matthes, zur Unterstützung mitzuzählen, und die Schriftführer, sich entsprechend für die Zählung einteilen zu wollen. Zählen Sie doch einfach von hinten nach vorn ab. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Meine Damen und Herren, für die Bezeichnung des Gesetzes und die Einleitung sind nach der übereinstimmenden Meinung der Schriftführer 138 Stimmen abgegeben worden, dagegen 113. Überschrift und Einleitung sind angenommen.
Ich erbitte, um die Abzählung zu vereinfachen, das Einverständnis des Hauses damit, daß wir jetzt über mehrere Paragraphen gleichzeitig abstimmen. Wer für § 1 ist — wobei ich darauf aufmerksam mache, daß es auf Seite 3 Ziffer 3 heißen muß: „3. November 1948" und nicht „1949" —, wer für § la und für § 2, für den Wegfall des § 3, für § 4 mit der Abänderung in der zweiten Zeile „Absatz 2 und 3" und für § 5 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich glaube, das Einverständnis des Hauses annehmen zu dürfen, daß das Abstimmungsergebnis des Hauses dasselbe ist, wenn es nicht angezweifelt wird. — Ich höre keinen Widerspruch. Demgemäß ist das Gesetz in zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen nunmehr zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Ich stelle fest, daß das nicht der Fall ist. Dann schließe ich die Aussprache in der driften Beratung.
Wer nunmehr für das Gesetz auf Drucksache Nr. 338 in der Fassung der Beschlüsse zweiter Beratung im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Verhältnis ist dasselbe. Das Gesetz ist mit der gleichen Mehrheit in dritter Lesung beschlossen und damit verabschiedet.
Wir kommen damit zu Punkt 6 der Tagesordnung:
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Jugendfürsorge über den Antrag des Abgeordneten Ollenhauer und Genossen betreffend Jugendwohlfahrtsgesetz vom 9. 7. 1922 .
Ich erteile dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Kemmer das Wort.
Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Jugendfürsorge hat die Drucksache Nr. 31 betreffend Jugendwohlfahrtsgesetz beraten und dabei folgendes festgestellt. Das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz von 1922 ist durch eine Novelle im Jahre 1939 abgeändert worden, mit der das Amts- und Führerprinzip in die Jugendwohlfahrtspflege aufgenommen worden ist. Seit 1945 besteht nun in den verschiedenen Ländern eine verschiedenartige Rechtsauffassung und Rechtsauslegung über das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz. Der Jugendfürsorgeaus-
schuß hat daher einstimmig den Antrag Drucksache Nr. 31 in folgende neue Fassung gebracht:
Die Bundesregierung wird beauftragt
1. dem Bundestag ein Rechtsgutachten darüber zukommen zu lassen, wieweit das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz vom 9. Juli 1922 heute noch zu Recht besteht;
2. dem Bundestag eine Aufstellung darüber zukommen zu lassen
a) in welchem Umfang das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz in den Ländern heute noch als zu Recht bestehend anerkannt wird;
b) auf Grund welcher Ausführungsbestimmungen und in welcher Weise die Ausführung des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes in den Ländern zur Zeit gehandhabt wird.
Der Ausschuß bittet das Hohe Haus, diesem Antrag zustimmen zu wollen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen. Ich eröffne die Aussprache über Drucksache Nr. 341. Wird das Wort gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wer für den Antrag gemäß Drucksache Nr. 341 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag des Ausschusses ist mit überwältigender Mehrheit angenommen.
Wir kommen damit zu Punkt 7 unserer Tagesordnung:
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktion der WAV betreffend Eierpreise .
An Stelle des Herrn Abgeordneten Lübke erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Müller als Berichterstatter das Wort.
Meine Damen und Herren! Es handelt sich um den Antrag Drucksache Nr. 215, den der Abgeordnete Loritz und seine Fraktion eingebracht haben. Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat sich mit diesem Antrag beschäftigt. Bei der Debatte teilte der Vertreter des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit, daß in einigen Tagen 40 bis 50 Millionen frische Eier aus dem Ausland eintreffen. Eine größere Zahl war im Ausland nicht zu haben, weil die Verträge über Lieferung von Eiern vom Ausland schon im Frühjahr abgeschlossen waren und für uns nur Überstände zur Verfügung standen. Die Preise liegen bei dänischen und belgischen Eiern bei 26 bis 30 Pfennig frei deutscher Grenze, bei holländischen bei 40 Pfennig frei deutscher Grenze. Woher in Holland dieser hohe Preis kommt, ist uns unerfindlich.
Das Ministerium rechnet damit, daß es möglich sein wird, im nächsten Jahr eine Milliarde Eier einzuführen bei einer inländischen Produktion von 3 Milliarden.
Meine Damen und Herren! Der Ausschuß hielt es für wichtig, dafür zu sorgen, daß diese Auslandseier, die ja durch Abstempelung als solche gekennzeichnet sind und von der Hausfrau ohne weiteres von deutschen Eiern unterschieden werden können,
zu Preisen ohne übersetzte Handelsspannen auf den Markt kommen. Der Ausschuß bittet den Bundestag, diesem Beschluß beizutreten. Die Bundesregierung wird ersucht, die Handelsspannen für Importeier festzulegen und diese mit den Importpreisen für Eier bekanntzugeben, ferner für beschleunigte Aufklärung der Verbraucher durch Presse und Rundfunk zu sorgen. Der Ausschuß ersucht den Bundestag, damit den Antrag Nr. 215 für erledigt zu erklären.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Bericht und eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben vor sich den Antrag des Ausschusses, der zu dem Antrag der WAV-Fraktion beschlossen wurde. Wir müssen Ihnen leider erklären: der Antrag des Ausschusses ist für uns noch nicht zufriedenstellend. Sie haben eben aus dem Munde des Herrn Vorredners gehört, daß 40 Millionen Stück Eier jetzt endlich vom Ausland nach Deutschland hereingelassen worden sind. Ich betone: endlich. Hätte man das schon vor drei Monaten getan, als diese 40 Millionen oder mindestens 20 Millionen Stück Eier nach der Erklärung des Herrn Ministers Niklas selbst auch schon vorhanden und uns offeriert waren, dann hätten wir vor drei Monaten andere Eierpreise gehabt; dann hätte die Hausfrau in den deutschen Großstädten nicht 60 Pfennig für ein Ei zahlen müssen, sondern dann wäre damals schon die Senkung der Eierpreise eingetreten, die jetzt bereits auf die Ankündigung der demnächst erfolgenden Einfuhren von 40 Millionen Stück zu verzeichnen ist. Diese Sache hat dem Geldbeutel unserer minderbemittelten Bevölkerung ein Dutzend Millionen Mark gekostet, nämlich die Tatsache, daß in den drei bis vier vorhergehenden Monaten unsere Hausfrauen 50 und 60 Pfennig für ein Frischei zu zahlen hatten. Das wäre zu vermeiden gewesen. Wir rufen deshalb dem Herrn Minister Niklas zu: „Spät kommt ihr!"
Wir können nicht einmal hinzusetzen: „Doch ihr kommt", diesen zweiten Satz, der ja etwas befriedigend bei Schiller im Wallenstein klingt. Wir glauben nämlich etwas ganz anderes: wir glauben, daß, wenn Sie, meine Damen und Herren, lediglich den Antrag des Ausschusses, wie er Ihnen vorliegt, annehmen, der sehr wenig weitgehend ist, nach kurzer Zeit genau dieselbe Katastrophe wieder kommen wird, daß nach kurzer Zeit die Eierpreise wieder auf 50 und 60 Pfennig heraufgehen werden.
Wir möchten die Regierung mit unserem weitergehenden Antrag dazu veranlassen, dafür zu sorgen, daß nicht etwa bloß einmal Eier vom Ausland hereingelassen werden, sondern daß fortlaufend die Zufuhr vom Auslande her erfolgt und die Eierpreise auf ein Maß zurückgeführt werden, das für die Bevölkerung tragbar ist.
Nun lesen Sie bitte unseren ursprünglichen Antrag, Drucksache Nr. 215. In diesem Antrag heißt es:
Die Bundesregierung wird ersucht, sofort alle
Maßnahmen zu treffen, insbesondere durch erhöhte Einfuhren von Frischeiern, damit die
Eierpreise wieder auf ein für die Bevölkerung
tragbares Maß zurückgeführt werden.
Demgegenüber lautet der Ausschußantrag nur: Die Bundesregierung wird ersucht:
1. Die Handelsspannen für Importeier festzulegen und diese mit den Importpreisen für Eier bekanntzugeben.
2. Für beschleunigte Aufklärung der Verbraucher durch Presse und Rundfunk zu Ziffer 1 zu sorgen.
Sie sehen also, wie dieser unser Antrag, hinter dem 90 Prozent der Hausfrauen und überhaupt der Bevölkerung ohne Rücksicht auf die Parteischattierungen stehen, durch den Ausschuß verwässert worden ist. Ich glaube, das liegt nicht im. Interesse der großen Mehrzahl unserer Bevölkerung. Wir müßten unsern Herrn Ernährungsminister veranlassen — ich möchte fast sagen: ihn unter Druck setzen —, daß er nicht bloß jetzt einmal 40 Millionen Stück Eier hereinläßt, sondern fortlaufend die Eierpreise durch solche Einfuhren oder schon durch die Drohung mit solchen Einfuhren auf ein Maß kommen läßt, das für die große Masse unserer arbeitenden Bevölkerung tragbar ist.
Wir wollen keineswegs die Eierpreise so drükken, daß der Landwirt keinen Vorteil mehr von der Hühnerzucht hat. Ich habe mit Hunderten von sehr vernünftigen Bauern darüber schon geredet, die selbst gar nicht mit dieser katastrophalen Erhöhung der Eierpreise einverstanden waren. Die Bauern ' haben lediglich ein Interesse daran, genau wie die übrige Bevölkerung, daß die Eierpreise möglichst stabil und auf einer Basis bleiben, die es der großen Mehrzahl unserer Bevölkerung erlaubt, sich auch einmal einige Eier zu beschaffen.
Darum bestehen wir von der Fraktion der WAV auf unserem ursprünglichen Antrag Drucksache Nr. 215, und wir bitten, Ihnen diesen Antrag erneut empfehlen zu dürfen, weil allein durch die Annahme dieses Antrages, nicht bloß mit der vorläufigen Bekanntgabe der Handelsspannen und ihrer Festlegung, wie es in dem. Ausschußantrage heißt, das Ziel, das wir anstreben, erreicht wird, nämlich dadurch, daß die Regierung veranlaßt wird, dafür zu sorgen, daß die Katastrophe der letzten drei Monate auf dem Gebiete der Eierpreise sich nicht im Januar und im Februar wiederholt.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Ich stelle fest: es ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache.
Ich muß zunächst geschäftsordnungsmäßig über den mir vorliegenden Antrag des Ausschusses abstimmen lassen. Wer für den Antrag Drucksache Nr. 326 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Das wird hier oben vom Vorstand einmütig festgestellt. Der Antrag Drucksache Nr. 326 ist angenommen. Insoweit kann ich, Herr Abgeordneter Loritz, Ihrem Antrag nicht folgen, nochmals über den Antrag Drucksache Nr. 215 abstimmen zu lassen.
— Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Loritz.
Unser Antrag geht über den Antrag Drucksache Nr. 326 noch hinaus.
Ja, er ist aber durch die Annahme des Ausschußantrags als erledigt anzusehen.
— Dann hätte entschieden werden müssen, welcher Antrag der weitergehende ist.
— Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Müller, zur Geschäftsordnung!
Ich stelle fest, daß der Vertreter der Partei des Herrn Loritz im Ausschuß mit der Beschlußfassung, die der Ausschuß vorgenommen hat, einverstanden war und seinen Antrag als -gegenstandslos erklärt hat.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Loritz.
Ein Einverständnis mit dem viel weniger weitgehenden Antrag des Ausschusses schließt keineswegs aus, daß wir darauf bestehen bleiben, daß — noch weitergehend — der Regierung von seiten des Bundestags verschiedene Maßnahmen nahegelegt werden. Das ist der Grund, warum wir darauf beharren. Die Geschäftsordnung steht hier auf unserer Seite, wenn wir der Auffassung sind, daß dieser Antrag Drucksache Nr. 215, der durch den Ausschußantrag noch keineswegs erledigt ist, auch noch einmal zur Abstimmung zu stellen ist.
Verzeihung, meine Damen a und Herren! Eine Bemerkung zur Geschäftsordnung! Der Antrag der Fraktion der WAV, Drucksache Nr. 215, ist an den zuständigen Ausschuß zur Erledigung überwiesen worden. Der zuständige Ausschuß, der diesen Antrag Drucksache Nr. 215 behandelt hat, hat einen Antrag Drucksache Nr. 326 gestellt. In diesem Falle ist also über den weitergehenden Antrag, nämlich über den Antrag Drucksache Nr. 326 abzustimmen.
— Einen Moment bitte. Die Abstimmung über den Antrag hat ergeben, daß er mit Mehrheit angenommen worden ist.
Damit ist die Angelegenheit nach meiner Auffassung entschieden.
— Der Antrag hat ja nicht auf der Tagesordnung gestanden. Auf der Tagesordnung hat nur die Entscheidung des Ausschusses auf Drucksache Nr. 326 gestanden.
— Meine Damen und Herren, die Angelegenheit ist entschieden!
Wir stehen damit am Ende unserer Tagesord nung.
—,.Darf ich fragen: Hat der Immunitätsausschuß seine Beratungen über den Antrag auf Aufhebung
der Immunität des Abgeordneten Hedler inzwischen beendet?
— Der Ausschuß ist noch nicht zurück. Dann bin ich noch nicht in der Lage, die Sitzung zu schließen. Ich würde es vorziehen, daß wir zunächst feststellen lassen, wieweit die Beratungen des Ausschusses gediehen sind. Ich bitte, sich damit einverstanden zu erklären, daß ich bis zur Feststellung des Beratungsergebnisses des Immunitätsausschusses die Sitzung für kurze Zeit unterbreche. Ich glaube, daß wir in 10 bis 15 Minuten wieder beginnen können und ich Ihnen so oder so ein Ergebnis mitteilen kann. Ich unterbreche die Sitzung.
Die Sitzung wird um 19 Uhr 14 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Ich erkläre die unterbrochene Sitzung für wieder eröffnet.
Zu dem
Antrag der Landesregierung Schleswig-Holstein betreffend Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Hedler
erteile ich als Berichterstatter des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität Herrn Abgeordneten Gengler das Wort.
Verehrte Abgeordnete! Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat sich vorhin mit dem Antrag der Regierung Schleswig-Holstein auf Aufhebung 'der Immunität beschäftigt. Dieser Antrag ist auch von dem Herrn Bundesjustizminister befürwortet worden.
Über den Tatbestand im allgemeinen brauche ich wohl nicht zu berichten.
Er ist in der Presse verschiedentlich wiedergegeben worden. Dabei muß ich feststehen, daß für den Ausschuß selbst nicht die Berichte in der Presse maßgebend sind, sondern vielmehr der amtlich angegebene Tatbestand. In diesem Punkte mußte sich der Ausschuß zunächst auf die Angaben stützen, wie sie in dem Antrag der Regierung von Schleswig-Holstein enthalten sind.
Der Ausschuß hat allerdings bemängelt, daß die schleswig-holsteinische Regierung es unterlassen hat, den Tatbestand in der Zwischenzeit in der Form aufzunehmen, wie es sonst in einem Untersuchungsverfahren üblich ist.
— Nein, die schleswig-holsteinische Regierung hätte durchaus amtlich, auch unter Zeugenvernehmung,
allerdings auch ohne den Herrn Abgeordneten Hedler, die Dinge aufklären können.
Jedenfalls hat der Ausschuß, das möchte ich betonen, festgestellt, daß die Erhebungen über den Tatbestand keineswegs ausreichend erscheinen.
Aus diesem Grunde wäre der Ausschuß zunächst zu einer Vertagung der Angelegenheit gekommen, wenn nicht der Sache selbst ein außerordentlich
hohes politisches Gewicht beizumessen ware. Andererseits sind wir bei der Geschäftslage des Hauses in Zeitnot, und es erschien der Mehrheit des Ausschusses nicht tunlich, diese Angelegenheit zu vertagen, bis der Bundestag wiederum zusammenkommen kann.
Von dem Vertreter der Deutschen Partei wurde zum Ausdruck gebracht, daß seine Partei selbst das größte Interesse an der Aufklärung des Falles habe,
daß aber — und das wurde von anderen Ausschußmitgliedern mit unterstrichen — keine klaren Tatbestandsergebnisse vorliegen.
Ich bitte, den Herrn Berichterstatter zu Ende sprechen zu lassen!
Bei dem Falle Hedler selbst, und das war die grundlegende Auffassung des Ausschusses, handelt es sich weniger urn die Person Hedler, sondern vielmehr um einen Fall des Ansehens des Bundestages und des deutschen Volkes.
Diese politische Betrachtung ist die überragende, und aus diesem Gesichtspunkt hat der Ausschuß mit 14 Stimmen bei einigen Enthaltungen beschlossen, dem Hohen Hause vorzuschlagen,
der Aufhebung der Immunität zuzustimmen.
Dabei bringt der Ausschuß zum Ausdruck, daß in diesem Antrag auf Aufhebung der Immunität — wenn das Haus diesem Antrag entspricht —, in keiner Weise eine Verurteilung des Herrn Abgeordneten Hedler enthalten ist. Der Antrag und der Beschluß sollen lediglich das Mittel zur Aufklärung des Tatbestandes sein in einem Verfahren, in dem festzustellen ist, ob der Herr Abgeordnete Hedler diese ihm zur Last gelegten Ausführungen gemacht hat oder nicht, so daß dementsprechend die Ahndung einsetzen oder ein Freispruch erfolgen kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte, den Herrn Berichterstatter nicht zu unterbrechen. Das ist nicht üblich!
In diesem Sinne stellt der Ausschuß den Antrag auf Aufhebung der Immunität.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster hat sich Herr Abgeordneter Dr. Miessner zum Wort gemeldet.
— Ich bitte, die Aussprache ganz leidenschaftslos zu fuhren!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Juristisch waren die Ausführungen meines Herrn Vorredners ein Skandal;
das hat wohl jeder Jurist gefühlt.
Herr Abgeordneter Dr. Miessner, ich rufe Sie zur Ordnung, weil Sie die Ausführungen eines Berichterstatters, der im Auftrage eines konstitutionellen Organs des Bundestags berichtete, als einen Skandal bezeichnet haben!
Namens der Nationalen Rechten habe ich folgendes zu erklären:
Wir sind grundsätzlich der Auffassung, daß bei juristisch handgreiflichen Vergehen und Verbrechen wie Diebstahl, Raub, Unterschlagung und dergleichen die Immunität eines Abgeordneten dieses Hohen Hauses unbedenklich aufgehoben werden sollte. Die Immunität würde jedoch zu einem leeren Begriff werden, wenn schon irgendwelche Äußerungen von Abgeordneten innerhalb oder außerhalb des Hauses
zum Anlaß genommen werden können, sie aufzuheben. Punkt!
— Herr Präsident, ich darf wohl bitten, mir Gehör zu verschaffen!
Ich bitte, den Herrn Redner anzuhören!
Besonders unerträglich erscheint es uns aber, wenn bereits auf Grund erster, oft unkontrollierbarer Pressemeldungen die Immunität eines Abgeordneten gefährdet werden kann.
Das würde praktisch die Freiheit der Meinungsäußerung in einem Maße einschränken, das von dem deutschen Volke in seiner Gesamtheit zweifellos nicht gewünscht wird. Aus diesen grundsätzlichen Erwägungen können wir daher dem Antrag auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Hedler nicht zustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist müßig, sich bei dem zur Erörterung stehenden Tatbestand in erster Linie über seine juristische Bedeutung zu unterhalten.
— Über die Qualifikation von Juristen in diesem Hause, Herr Dr. Miessner, mag das Haus selbst entscheiden und nicht Sie!
Ich glaube, daß das, was der Herr Abgeordnete Hedler gesagt hat oder gesagt haben soll,
weniger unter dem Aspekt des Juristischen als vielmehr unter dem Aspekt des Politischen zu sehen ist. Der Ausschuß hat daher meines Erachtens recht gehabt, wenn er in erster Linie auf Grund der politischen Erwägungen zu seinem Schluß gekommen ist.
Meine Damen und Herren, es kann nicht die Aufgabe eines Ausschusses des Parlamentes sein, das zu tun, was selbst der Staatsanwaltschaft in einem solchen Falle nicht möglich ist. Wenn hier schon Beweise gefordert werden, dann müßte in der Untersuchung etwas getan werden, was überhaupt nicht möglich ist.
Es ist nicht möglich, denjenigen, der sich schuldig gemacht hat,
verantwortlich zu vernehmen, und es ist nicht einmal möglich, Zeugen in diesem Verfahren zu vernehmen. Bei dem Entschluß des Ausschusses mußte es also in erster Linie darauf ankommen, ob die Unterlagen der Regierung des Landes Schleswig-Holstein ausreichend waren, um dem Hause die Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Hedler zu empfehlen, oder nicht.
Insofern stimme ich den Ausführungen, die der Herr Berichterstatter gemacht hat, durchaus zu.
Meine Damen und Herren und insbesondere Sie von der Nationalen Rechten, Sie können sagen, was Sie wollen, dieser hier zur Erörterung stehende Fall der beantragten Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten ist nicht zu vergleichen mit den üblichen Fällen der Aufhebung der Immunität von Abgeordneten, wie wir sie in diesem Hause auch schon erlebt haben.
Nach den Äußerungen, die der Herr Abgeordnete Hedler gemacht hat
- und dafür liegen andere Unterlagen vor, für mich jedenfalls, ich spreche hier ja für meine Fraktion und nicht für den Ausschuß —, steht es fest, daß der Herr Abgeordnete Hedler sich eben außerhalb der Reihe aller politisch und menschlich anständigen und verantwortungsbewußten Frauen und Männer in Deutschland gestellt hat.
Herr Hedler hat dadurch dem Ansehen des Parlaments und damit auch des deutschen Volkes — denn das Parlament ist der Repräsentant des deutschen Volkes in seiner Gesamtheit — schweren Schaden im Inland und im Ausland zugefügt.
Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang mag es ganz interessant sein, darauf hinzuweisen, daß hier weniger der Name des Betreffenden von Interesse ist, als in erster Linie die politische Richtung, aus der diese Äußerungen des Herrn Abgeordneten Hedler kommen;
und es mag weiter mit besonderem Nachdruck auf die interessante Feststellung hingewiesen werden, daß der Herr Abgeordnete Hedler sich darin gefällt, vier Jahre nach dem Zusammenbruch der nationalistischen Tyrannis sich mit der nationalsozialistischen Ideologie nicht nur zu identifizieren, sondern auch Äußerungen zu machen, mit denen er das verbrecherische System. des Nationalsozialismus nachträglich noch anerkennt und sich zu ihm bekennt.
Meine Damen und Herren, es ist doch geradezu skandalös — wenn man schon von „Skandal" sprechen will —, was der Herr Abgeordnete Hedler getan hat.
Es steht für mich außer allem Zweifel, daß das, was über die Juden und was über die Männer gesagt worden ist, die sich dem System des Herrn Hitler und seiner Spießgesellen entgegengestellt haben, allen Deutschen, die heute Verantwortung tragen, die Schamröte ins Gesicht treibt, wie es gestern eine Zeitung ausgedrückt hat.
Ich glaube, wir sind es der Zukunft unseres Volkel schuldig, daß wir uns von Leuten wie Herrn Hedler mit allem Nachdruck absetzen und dafür Sorge tragen, daß sie aus der parlamentarischen Repräsentation des deutschen Volkes verschwinden,
und zwar ohne Rücksicht, ohne Milde und ohne irgendwelche Gnade, meine verehrten Anwesenden! Hier haben Staatsanwaltschaft und Gericht jetzt einmal ein sehr ernstes Wort zu sprechen.
Aus diesem Grunde ist meine Fraktion unter dem in erster Linie politischen Aspekt dieses Falles
für die Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Hedler, weil wir vor der Welt beweisen wollen, daß wir uns von Leuten zu reinigen verstehen, die die letzte deutsche politische Vergangenheit noch nicht überwunden haben, und weil wir glauben, dadurch wieder den Weg zu uns selbst und zu einer sauberen Politik in Deutschland zu finden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kiesinger.
Meine Damen und Herren! Wir hätten gewünscht, daß die Aussprache nicht diesen Gang genommen hätte.
Wir dürfen in dieser Sache nichts vorwegnehmen.
— Ich komme darauf zu sprechen. — Es ist ganz klar, daß wir empört sind, wenn wir in der Zeitung Äußerungen eines Mitgliedes dieses Hauses lesen, die, wenn sie der Wahrheit entsprechen sollten, in der Tat ungeheuerlich wären, und es ist
ebenso verständlich, daß man in der ersten Erregung zu voreiligem Schlüssen kommen könnte.
Wenn der Geschäftsordnungsausschuß sich in diesem Fall für eine Befürwortung der Aufhebung der Immunität aussprach, dann hat er dies nicht ohne große Bedenken getan. Wir haben erst Gelegenheit, zu den angeblichen Äußerungen dieses Mitglieds des Hohen Hauses Stellung zu nehmen, wenn sich herausgestellt hat, ob sie wahr sind. An sich muß gefordert werden, daß, wenn ein Beschluß über die Aufhebung der Immunität gefaßt wird, in der Tat eine genügende Grundlage vorhanden ist.
Diese Grundlage schien uns in diesem Fall allerdings vorhanden zu sein, und zwar nicht nur deswegen, weil wir etwa aus Pressemeldungen entnommen hätten, was angeblich Herr Hedler geäußert hat, sondern weil sich ja eine ganze Reihe von Zeugen gemeldet hat. Man kann die Bestimmung unseres Grundgesetzes, daß ein Strafverfahren gegen einen Abgeordneten nur mit Genehmigung des Hauses eingeleitet werden kann, strenger und weniger streng auslegen. In diesem Fall hat auch die große Pause, die jetzt vor uns liegt, und der Umstand eine Rolle gespielt, daß die Angelegenheit keinen Aufschub verträgt.
Im übrigen muß ich feststellen, daß ein ganz zureichendes Material in einem solchen Fall als Grundlage ja gar nicht zu erlangen ist, und zwar deswegen, weil ja in der Tat die Einleitung eines Strafverfahrens, das heißt schon ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft eben durch die Schutzbestimmung der Immunität verboten ist. Was wir also haben könnten, wäre nur das, was irgendwo bei einer Behörde als Anzeige eingegangen ist. Wir dürfen annehmen, daß die schleswigholsteinische Regierung nun in der Tat auf Grund einer solchen Anzeige ihren Antrag gestellt hat. Aus diesem Grunde haben wir uns in diesem Fall dazu entschlossen, für die Aufhebung der Immunität zu plädieren, was — ich betone es noch einmal —, wie Herr Gengler schon gesagt hat, keinerlei Vorwegnahme irgendeiner Stellungnahme zu der angeblichen Äußerung des Herrn Hedler bedeutet.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Renner.
Meine Damen und Herren! Wenn die Äußerungen wahr sind, die dem Abgeordneten Hedler sowohl von der Presse als auch durch den Antrag der Regierung des Landes Schleswig-Holstein unterstellt werden, dann sind sie Beweis einer derartig viehischen Niedrigkeit der Gesinnung, daß für einen Menschen, der eine derartige Gesinnung bekundet, in einem Parlament, das sich ein demokratisches nennt, kein Platz mehr sein darf und kein Platz mehr ist. Die Äußerungen müssen aber gerichtlich überprüft werden. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Das fehlt im Augenblick. Die Äußerungen sind aber derartig typischer Ausdruck einer faschistischen Gesinnung — —
— Kollektivschuld? Wo wären Sie denn da, wenn dieses Moment hier mitspielte? —
Sie sind Ausdruck einer derartig typisch faschistischen Gesinnung, daß auch wir ihre Strafverfolgung wünschen.
Wir sind daruber hinaus der Auffasung, daß im Zusammenhang mit diesem heute platzenden Geschwür an die Tatsache erinnert werden muß, daß nur dadurch, daß das Bonner Grundgesetz und das Wahlgesetz so aussehen, wie sie sind, die Möglichkeit geschaffen worden ist, daß so typische Faschisten und und so unheilbare und so klare Neofaschisten überhaupt hier sitzen können.
Ich bin der Auffassung — und das ist auch die Auffassung meiner Fraktion —, daß es in erster Linie Sache der Partei ist, über die der Herr Hedler — Fiedler mit „e" —
in dieses Haus eingezogen ist, mit diesem Herrn Hedler, diesem Neofaschisten abzurechnen.
— Daß er ein alter ist, das haben ja auch die Vorbesprechungen bereits ergeben.
Ich bin darüber hinaus der Auffasung, daß an der Klärung dieses Tatbestandes kein geringerer als der Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer äußerst interessiert sein und daß er alle seine Mittel in Bewegung setzen müßte, um die Strafverfolgung zu ermöglichen. Denn schließlich ist Herr Dr. Adenauer ja mit der Stimme dieses Mannes gewählt, und schließlich regiert er ja auch mit der Stimme dieses Mannes.
,Aber das Entscheidende für uns ist die Auffassung, daß das Prinzip der Immunität auch in diesem Fall nicht durch die Aufhebung der Immunität verletzt werden sollte. Ich bin der Meinung, daß diese Partei, deren Mitglied Herr FIedler ist, durch Ausschluß dieses Mannes und dadurch, daß sie ihn zwingt, sein Mandat niederzulegen, dafür sorgen muß, daß er uns davor bewahrt, die Frage der Aufhebung seiner Immunität überhaupt hier zu stellen.
— Was plustern Sie sich denn so auf, meine Damen und Herren? Im Prinzip sind wir ja alle einig!
Herr Abgeordneter Renner, — —
— Ich wollte Ihnen sagen: von „Aufplustern" spricht man bei Hühnern, aber nicht bei Mitgliedern eines Parlaments.
Ich will verschiedene Abgeordnete nicht auf die alten Federn untersuchen, die sie früher einmal getragen haben.
Aber ich komme zum Schluß. Wir sind dafür, daß die dem Abgeordneten unterstellten Behauptungen durch Strafverfolgung geahndet werden, wenn sie wahr sind. Aber wir sind nicht der Auffassung, daß das geschehen darf auf dem Wege der Aufhebung der Immunität.
— Doch es geht anders! Es geht so, daß seine Partei dafür sorgt, daß der Mann aus diesem Hause
hinausfliegt. So gehts, meine Damen und Herren!
Das ist unsere Auffassung. Mir wird keiner unterstellen, und uns wird keiner unterstellen, daß wir uns vor diesen Mann stellen.
Wir halten ein Prinzip aufrecht: das Prinzip der Immunität eines Abgeordneten. Wir halten das aufrecht, was Herr Professor Carlo Schmid einmal als höchstes Gut des Parlaments bezeichnet hat.
Wir halten das aufrecht, was Professor Carlo Schmid einmal als das größte Gut des Parlaments bezeichnet hat.
Wir sehen das Prinzip; wir sehen nicht den Mann. Das ist das, was ich im Namen meiner Fraktion dazu zu erklären habe.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ewers.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Darf ich dem Hohen Hause mitteilen, daß mich der Abgeordnete Hedler als seinen Parteifreund gebeten hat, ihm als Anwalt in den Rechtsstreitigkeiten, die jetzt anheben, zur Seite zu stehen. Ich spreche daher zunächst nur in dieser Eigenschaft und für meine Person, nicht für meine Fraktion.
Verzeihung, Sie sprechen als Abgeordneter, als Mitglied des Bundestags!
Sehr richtig! Aber nicht für meine Fraktion!
Ich habe für Herrn Hedler zu erklären, daß er, nachdem Vorwürfe gegen ihn erhoben worden sind, und zwar schriftlich von anonymer Seite, die in der breitesten Öffentlichkeit seine politische Gesinnung im Rahmen einer parlamentarischen Demokratie unter schwerste Zweifel gezogen haben, selbst den entscheidendsten Wert darauf legt, so schnell wie irgend möglich gerichtlich feststellen zu lassen, ob die gegen ihn aufgestellten Behauptungen wahr oder nicht wahr sind.
Darf ich Herrn Renner erwidern, daß die Partei als solche dazu nicht die Möglichkeit hat.
— Wenn S i e es können, — wir sind keine totalitäre Partei, sondern eine demokratische Partei.
Wir haben keine Möglichkeit, Zeugen zu vereidigen, und darauf wird es letzten Endes hinauskommen; auf die Glaubwürdigkeit von Zeugen wird es ankommen; denn es scheint hier Aussage gegen Aussage zu stehen oder besser vielleicht: Aussagen gegen Aussagen.
Wogegen ich mich für Herrn Hedler und für meine Fraktion aber scharf verwahren muß, ist die Unterstellung des Herrn Abgeordneten Dr. Greve, als ob hier schon eine Schuld festgestellt worden sei. Der Beschluß dient nur dem Zwecke, Schuld oder Unschuld durch nach dem Grundgesetz dazu berufene Organe feststellen zu lassen; diese Möglichkeit sollte Herrn Hedler sehr rasch gegeben werden.
Zu den Herren von der Nationalen Rechten darf ich eines sagen: Meine Herren Kollegen, vergessen Sie nicht: meine Partei gehört der Regierung als Koalitionspartei an. Es ist etwas anderes, ob man der Opposition solche Vorwürfe macht oder einer Partei, die mit in der Regierung in der Verantwortung sitzt. Wir können solche Vorwürfe, daß eines unserer Mitglieder, und zwar ein prominentes, nämlich ein Bundestagsmitglied, vor der Außenwelt Behauptungen aufgestellt haben soll, die auch nach unserer Meinung, wenn sie gesagt worden wären, unmöglich vertretbar und für unsere Partei unhaltbar sind, nicht hinnehmen. Wir können nicht zulassen, daß ein solches Mitglied unter einer solchen bisher unbewiesenen Beschuldigung steht. Herr Hedler hat dem, unserer Bitte entsprechend, Rechnung getragen und ist im Parlament zur Zeit nicht anwesend, um durch seine umstrittene Person keinen politischen Trubel zu erwecken. Um so mehr legt er und legt auch meine Partei politisch größten Wert darauf, daß mit denkbar größter Beschleunigung der Tatbestand von den zuständigen Organen aufgeklärt wird. Ich muß daher für meine Person aus den gesagten Gründen, die allerdings alle nicht juristisch, sondern nur hochpolitisch sind, auf das entschiedenste bitten, Herrn Hedler die Gelegenheit zu geben, die Wahrheit feststellen zu lassen und sich zu rechtfertigen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine o Damen und Herren! Namens der Fraktion der Deutschen Partei habe ich noch einmal Veranlassung, vor aller Öffentlichkeit festzustellen, daß wir an einer sofortigen und restlosen Aufklärung dieses Tatbestandes,
der für uns tief bedauerlich ist, das allergrößte Interesse haben. Die Partei behält sich ihre Maßnahmen im Falle Hedler vor, gleichgültig welchen juristischen Ausgang ein Verfahren haben mag, das hiermit durch Aufhebung der Immunität eingeleitet werden soll.
Dies vorausgeschickt, bedaure ich den Ablauf dieser Immunitätsdebatte auf das äußerste.
Ich lege Rechtsverwahrung ein gegen den Umstand, daß ein Antrag auf Aufhebung der Immunität ohne präzise Angabe des Tatbestandes,
ohne juristische Qualifikation dieses 'Tatbestandes
und ohne Angabe der Beweismittel zum Gegenstand der Verhandlung gemacht werden mußte.
Ich billige persönlich — ich spreche hier nicht im Namen meiner Fraktionskollegen, mit denen ich diese Frage noch nicht erörtern konnte —, ich billige persönlich die Entscheidung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität, nicht aber das Verfahren, das angewandt werden mußte. Bei der Abwägung der politischen Interessen des Hauses gegenüber den sehr ernsten rechtlichen Bedenken, die ich im Ausschuß und an dieser Stelle auszuführen die Ehre hatte, gebührt dem Interesse
des deutschen Volkes an der Aufklärung des Tat- Bestandes das entscheidende Gewicht.
Wir legen den größten Wert darauf, daß hier vollkommen klare, einwandfreie Feststellungen getroffen werden. Weil meine Fraktion so sehr an der sofortigen Durchführung des Verfahrens interessiert ist und weil diesem Verfahren mit Rücksicht auf die Zeitnot eine Reihe sehr ernster juristischer Mängel anhaften, die für die Zukunft unter gar keinen Umständen als Präjudiz, als Vorabentscheidung gewertet werden dürfen,
wird sich meine Fraktion, die sich in diesem Sachverhalt als befangen erklärt, der Stimme enthalten. Ich betone aber hierbei nochmals: im Interesse des Hauses und im außenpolitischen Interesse des deutschen Volkes legen wir den größten Wert darauf, daß die Äußerungen, die dem Abgeordneten Hedler zur Last gelegt worden sind, eindeutig geklärt werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dorls.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Ich stelle fest: erstens, daß das Plenum über den Tatbestand nicht unterrichtet worden ist; zweitens, daß auch der Beschuldigte hier nicht zu Wort gekommen ist. Ich muß deshalb drittens feststellen, daß mich das ganze Gebaren dieses Hauses in dieser Frage doch in etwa wie ein Theater anmutet.
Herr Abgeordneter Dorls, ich unterbreche Sie. Ich rufe Sie zur Ordnung.
Sie dürfen das Gebaren des Parlaments der Bundesrepublik Deutschland nicht als ein Theater bezeichnen. Ich mache Sie auf die Folgen weiterer Ordnungsrufe aufmerksam.
Sie können fortfahren, Herr Abgeordneter Dorls.
— Herr Abgeordneter Dr. Gerstenmaier, ich weise diesen Ausdruck als ungehörig zurück.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn das also ohne Anhörung des Beschuldigten und ohne Vorlage des Tatsachenmaterials hier zum Prinzip erhoben wird, dann sehe ich schon die Zeit kommen, in der man wahrscheinlich vor leeren Bänken steht. Gewissenlose Elemente, Leute, die versuchen, gegen den einen oder anderen Abgeordneten, der ihnen mißliebig ist, auf diese Art und Weise Material zu sammeln, um ihn aus dem Parlament zu bringen, gibt es in Deutschland genug.
— Jawohl, ich weiß es sehr genau! Ich weiß es deshalb, weil ein großer Teil der Presse seit Monaten systematisch daran ist, auch Reden von mir zu entstellen.
Ich muß es grundsätzlich ablehnen, mich an einem solchen Gebaren zu beteiligen.
Meine Damen und Herren, Wird das Wort weiter gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Ich schließe damit die Aussprache.
Wer für den vom Immunitätsausschuß gestellten Antrag ist, dahingehend, die Immunität des Herrn Abgeordneten Hedler aufzuheben, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Beschluß ist eindeutig mit uberwältigender Mehrheit gefaßt.
Meine Damen und Herren, wir stehen damit am Schluß , unserer Tagesordnung.
— Meine Damen und Herren, ich habe das Wort und bitte, das anzuerkennen.
Lassen Sie mich am Schluß der letzten Sitzung des Bundestages der Deutschen Bundesrepublik im Jahre 1949 ein paar Worte sagen. Ich glaube, ich spreche im Namen des gesamten Bundestages, wenn ich hier nicht nur der Bevölkerung der Eundesrepublik Deutschland, sondern dem deutschen Volk als ganzem unsere herzlichsten Wünsche zu dem bevorstehenden Fest zum Ausdruck bringe.
Ich möchte hier wiederholen, was ich bei der Übernahme meines Amtes gesagt habe. Wir wollen dem deutschen Volk erneut das Gelöbnis ablegen, jeder auf seine Art und jeder von seinem politischen Standpunkt aus: Wir wollen dienen!
Und daran, meine Damen und Herren, schließe ich für Sie alle im Namen des Präsidiums die herzlichsten Wünsche zu den bevorstehenden Festen, zu Weihnachten und Neujahr. Ich wünsche Ihnen allen eine gute Erholung von den — das darf man doch wohl ohne Ubertreibung sagen — recht reichlichen Strapazen körperlicher, geistiger und seelischer Art, die wir alle seit der Konstituierung des Bundestags hinter uns haben.
Ich habe weiter die folgende geschäftliche Mitteilung zu machen. Der Haushaltsausschuß beabsichtigt, am 4. und 5. Januar mit den Beratungen über den Bundeshaushalt 1949 zu beginnen Beginn: am 4. Januar 1950, nachmittags 15 Uhr.
Gemäß Absprache im Ältestenrat berufe ich die 26. Sitzung des Deutschen Bundestags auf Mittwoch, den 11. Januar 1950, 15 Uhr, ein.
Ich schließe die 25. Sitzung des Deutschen Bundestags.